Tradition

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Die Tradition schlägt sich im Katechismus nieder

Als Tradition (Überlieferung; von lat.: tradere, trans-dare "weitergeben, überliefern") wird der Prozess von mündlicher und schriftlicher Überlieferung wie auch der Inhalt dieser Weitergabe bezeichnet. Sie ist ein Teil des Depositum fidei.

In der Katholischen Kirche kommt der Tradition eine große Bedeutung zu. Im Unterschied zu den Protestanten und Freikirchen, die sich auf die Heilige Schrift als ausschließliche Quelle stützen ("sola scriptura"), steht die Katholische Kirche sozusagen auf zwei Standbeinen: der Heiligen Schrift und der kirchlichen Tradition.

Arten der Weitergabe der göttlichen Offenbarung

Die katholische Lehre kennt zwei Arten der Weitergabe der göttlichen Offenbarung, die eng miteinander verbunden sind:

A) Die Heilige Schrift ist Gottes Rede, die unter dem Anhauch des Heiligen Geistes schriftlich aufgezeichnet worden ist.

B) Die Heilige Überlieferung (Tradition) gibt dieses Wort Gottes, das von Christus und vom Heiligen Geist den Aposteln anvertraut wurde, unversehrt an deren Nachfolger weiter, damit sie es in ihrer Verkündigung treu bewahren, erklären und ausbreiten. Nicht alle Wahrheiten, die Gott geoffenbart hat, sind in der Heiligen Schrift aufgeschrieben. Manche wurden von den Aposteln nur gepredigt und sind dann von der Kirche als kostbares Erbe überliefert worden. Die meisten dieser Wahrheiten wurden schon bald nach der Zeit der Apostel von heiligen und gelehrten Männern aufgeschrieben (Apostolische Väter und Kirchenväter - traditio apostolica).<ref>Katholischer Katechismus der Bistümer Deutschlands 1955#51. Die Kirche schöpft ihre Lehre aus der Heiligen Schrift und aus der mündlichen Überlieferung.</ref>

Die Apostel übergaben das "heilige Erbe" des Glaubens (Depositum fidei) der Kirche als ganzer.<ref>Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil: Dogmatische Konstitution Dei verbum Nr. 9; vgl. KKK Nr. 80-84.</ref>

Die Bedeutung der Tradition

Die Tradition ist die fortdauernde Entwicklung bei Unveränderlichkeit des Wesens. So sagt es Vinzenz von Lerins († um 450 nach Christus) in seinem Commonitorium, Nr. 29: Die Tradition ist wie ein Kind. Es entwickelt sich an jedem Tag. Es wird klüger, größer, reifer, besser ausgebildet. Auf der anderen Seite verändert es sich nicht wesentlich. Es ist als Mensch geboren, entwickelt sich als Mensch, stirbt als Mensch.

Papst Paul VI. erklärt die Tradition mit einem Baum: Wie ein großer Baum, der seine Wurzeln tief in die ihn seit Jahrhunderten nährende Erde getrieben hat, so hat auch die Kirche ihre Wurzeln in die Vergangenheit hinabgesenkt, um bis zu Christus und den Aposteln vorzudringen. ... Aber weil diese Unveränderlichkeit aus den Wurzeln selber aufsteigt, mit denen die Kirche ihren Lebenssaft aus der Vergangenheit saugt und die kraft der Mittlerschaft Christi bis ins Innerste Gottes selber hineinreichen, steht diese Unveränderlichkeit absolut nicht im Widerspruch zu dem Leben, das aus diesen Wurzeln aufsprudelt und aufblüht. Es gibt keinerlei Gegensatz zwischen Leben und Unveränderlichkeit; im Gegenteil: das Leben selbst sichert die wesenhafte Unveränderlichkeit eines lebenden Wesens. ... Eine Pflanze, ein organischer Leib, bleiben in ihrem Wesen dieselben, auch wenn sie allmählich wachsen. ... Von den tiefreichenden Wurzeln her entfalten sich die Zweige ein und desselben Stammes, immer alt und immer neu: Genährt aus dem Lebenssaft der Vergangenheit, strecken sie sich der Zukunft entgegen (siehe unten).

Die Bedeutung der "ungeschriebenen - das heißt also nicht in der Heiligen Schrift enthaltenen - Überlieferungen" für den Glauben hat der hl. Johannes Damaszenos unterstrichen, als er erklärte: "Wenn euch jemand ein Evangelium verkündet, das von dem, welches die heilige Katholische Kirche von den heiligen Aposteln, Vätern und Konzilien empfangen und bis zum heutigen Tag bewahrt hat, verschieden ist, schenkt ihm kein Gehör". Der heilige Augustinus sagte Jahrhunderte früher: "Von dem, woran die Gesamtkirche festhält" und "was schon immer befolgt wurde, glaubt man ganz zu Recht, dass es nur von der Autorität der Apostel überliefert worden sein kann".<ref>Apostolisches Schreiben Duodecimum saeculum an die Bischöfe der Katholische Kirche zur Zwölfhundertjahrfeier des II. Konzils von Nizäa vom 4. Dezember 1987: Bilderrede, III,3, in: PG 94, 1320-1321; B. Kotter, Die Schriften des Johannes von Damaskos, Bd. III (Contra imaginum calumniatores orationes tres), in: "Patristische Texfe und Studien" 17, Berlin/New York, 1975, III,3, S. 72-73. </ref>

Ursprung und Geschichte der Tradition

Begonnen hat die Geschichte des Volkes Gottes im Alten Bund mit Personen des Volkes Israel, die ihre Gotteserfahrungen, Erzählungen und Mahnungen mündlich weitergaben; später wurden sie in Schriften festgehalten. Zur Zeit der Aufzeichnung der Heiligen Schrift wurden im babylonischen Exil in der jüdischen Gemeinde Erklärungen zum Schriftsinn und Erläuterungen zu Glaubensinhalten aufgezeichnet. Das so entstande Werk des Talmud - hebr.: Lehre - ist zum Teil in die Schriften der Kirchenväter aufgenommen worden.

Im Neuen Bund überlieferten die Apostel die Botschaft von Jesus Christus, zunächst mündlich und dann auch in den Schriften des Neuen Testaments, den Evangelien, den Briefen und der Apokalypse, in die die Glaubensformeln, die Predigten, Katechesen und gottesdienstlichen Hymnen der christlichen Gemeinde einflossen. Durch die, welchen die Apostel die Hände in der Bischofsweihe auflegten, und alle, welche die Lehre Christi weitertrugen, wurde der Glaube "tradiert". Allmählich wurde aus der "apostolischen Überlieferung" die "Überlieferung der Väter" bzw. die "kirchliche Überlieferung", die als Erklärung der apostolischen Überlieferung zu verstehen ist.<ref>Tertullian, Aus der Schrift über "die Prozessreden gegen die Häretiker" (aus dem Lektionar zum Stundenbuch, II/3, 3. Mai Fest der Hll. Philippus und Jakobus, Lesehore): "Was die Apostel gepredigt haben, das heißt: das Christus ihnen geoffenbart hat, kann nur durch diese Kirchen nachgewiesen werden, die von den Aposteln selbst gegründet wurden, durch mündliche Predigt und später durch Briefe."</ref><ref>Apostolisches Schreiben Duodecimum saeculum an die Bischöfe der Katholische Kirche zur Zwölfhundertjahrjeier des II. Konzils von Nizäa vom 4. Dezember 1987. </ref>

Die Apostolischen Väter und Kirchenväter zur Tradition

Vinzenz von Lérins ist berühmt wegen seiner Erklärungen im ersten und zweiten Commonitorium, was wirklich katholisch ist. Die genaue Definition wird für gewöhnlich auf den „Kanon“ verkürzt, dass zu glauben sei: „was überall, immer, von allen geglaubt worden ist (quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est“ : Commonitorium II, 3). Der ganze Absatz (Commonitorium II) lautet:

In eben jener katholischen Kirche selbst ist mit größter Sorgfalt dafür zu sorgen, dass wir halten, was überall, was immer, was von allen geglaubt wurde. Denn das ist wirklich und wahrhaft katholisch, was, wie der Name und Grund der Sache erklären, alle insgesamt umfasst. [6] Aber diese Regel werden wir befolgen, wenn wir der Universalität, dem Alter, der Übereinstimmung folgen. Wir folgen aber demgemäß der Universalität, wenn wir bekennen, dass der eine Glaube wahr ist, den die gesamte Kirche in der ganzen Welt bekennt; dem Alter aber so, wenn wir in keiner Weise von den Meinungen abweichen, von denen feststeht, dass unsere heiligen Vorgänger und Väter sie vertreten haben; der Übereinstimmung, in gleicher Weise, wenn wir uns in jenem Altertum [gemeint ist die Zeit der Vorgänger und Väter] den Definitionen und Meinungen aller oder wenigstens fast aller Priester und Lehrer halten.<ref>aus der Wikipedia, abgerufen am 27. März 2021</ref>

Abgesehen von der Formulierung ist hier nichts zu finden, was nicht bereits bei Irenäus von Lyon und Tertullian erarbeitet wurde. Vinzenz’ eigenständige Leistung besteht hingegen in der Erarbeitung eines Fortschrittsprinzips:<ref>aus der Wikipedia, abgerufen am 27. März 2021</ref>

[28] Aber vielleicht sagt jemand: Wird es also in der Kirche Christi keinen Fortschritt der Religion geben? Gewiss soll es einen geben, sogar einen recht großen. Denn wer wäre gegen die Menschen so neidisch und gegen Gott so feindselig, dass er das zu verhindern suchte? Allein es muss in Wahrheit ein Fortschritt im Glauben sein, keine Veränderung. Zum Fortschritt gehört nämlich, dass etwas in sich selbst zunehme, zur Veränderung aber, dass etwas aus dem einen sich in ein anderes verwandle. Wachsen also und kräftig zunehmen soll sowohl bei den einzelnen als bei allen, sowohl bei dem einen Menschen als in der ganzen Kirche, nach den Stufen des Alters und der Zeiten, die Einsicht, das wissen und die Weisheit, aber lediglich in der eigenen Art, nämlich in derselben Lehre, in demselben Sinne und in derselben Bedeutung (eodem sensu eademque sententia). [29] Die Religion der Seelen soll die Art der Leiber nachahmen, die im Verlauf der Jahre wohl ihre Teile entfalten und entwickeln, aber doch dieselben bleiben, die sie waren. Es ist ein großer Unterschied zwischen der Blüte der Kindheit und der Reife des Alters; aber die Greise sind dieselben, die sie als Jünglinge waren, so dass wohl die Größe und das Aussehen eines und desselben Menchen sich ändert, nichtsdestoweniger aber die Natur und die Person dieselbe bleibt. Klein sind die Glieder der Säuglinge, groß die der Jünglinge, doch sind sie die nämlichen; so viele Gliedmaßen der Knabe hatte, so viele hat auch der Mann, und wenn es Glieder gibt, die erst im reiferen Alter hervorkommen, so waren sie doch schon keinartig vorhanden, so dass nachher beim Greise nichts Neues sich zeigt, was nicht vorher beim Knaben schon verborgen gewesen wäre. Daher ist ohne Zweifel die gesetzmäßige und richtige Norm des Fortschritts, die feststehende und schönste Ordnung des Wachstums diese, dass die Zahl der Jahre immer bei den Erwachsenen die Teile und Formen ausgestaltet, welche schon bei den Kleinen die Weisheit des Schöpfers grundgelegt hatte. Sollte die menschliche Gestalt sich später in ein fremdartiges Gebilde verwandeln oder doch etwas der Zahl der Glieder beigefügt oder davon weggenommen werden, so müsste der ganze Leib entweder zugrunde gehen oder verunstaltet oder wenigstens geschwächt werden. So muss auch die Lehre der christlichen Religion diesen Gesetzen des Fortschrittes folgen, dass sie mit den Jahren gefestigt, mit der Zeit erweitert und mit dem Alter verfeinert werde, dabei jedoch unverdorben und unversehrt bleibe und in dem gesamten Umfang ihrer Teile, sozusagen an allen ihr eigentümlichen Gliedern und Sinnen, vollständig und vollkommen sei, außerdem keine Veränderung zulasse, keine Beeinträchtigung ihrer Eigentümlichkeit und keine Veränderung ihres Wesens erleide. (Nr. 28+29).
[30]: "Denn es gehört sich, dass jene alten Lehrsätze einer himmlischen Philosophie im Verlaufe der Zeit weiter ausgebildet, gefeilt und geglättet werden; aber es ist unzulässig, dass sie verändert, unzulässig, dass sie entstellt, unzulässig, dass sie verstümmelt werden; sie mögen an Deutlichkeit, Licht und Klarheit gewinnen, aber sie müssen ihre Vollständigkeit, Reinheit und Eigentümlichkeit behalten." (Nr. 30).

Wie man erkennen mag, welche die apostolischen und bewährten Überlieferungen in der Kirche sind, schreibt der Kirchenlehrer Augustinus von Hippo eine Regel vor, indem er spricht:

Wenn dasjenige was wir nicht aus der Schrift, sondern aus der Überlieferung beobachten, auf dem ganzen Erdkreise beobachtet wird, so erhellet hieraus, dass es als etwas entweder von den Aposteln selbst, oder von allgemeinen Kirchenversammlungen (deren Ansehen in der Kirche sehr heilsam ist) Empfohlenes oder Eingesetztes gehalten werde. Der nämliche Augustin spricht ebenso gegen die Donatisten, ja wider alle Ketzer, und ermahnt mit Nachdruck in diesen Worten: Was die ganze Kirche hält, und wenn es auch nicht von den Konzilien eingesetzt, aber immer beobachtet worden ist, davon glaubt man ganz recht, dass es nicht anders, als aus Autorität der Apostel eingesetzt worden sei. Mit ihm stimmt auch Leo der Große überein, da er sagt: Es ist nicht zu zweifeln, dass alles was in der Kirche immer als fromme Übung gepflogen worden ist, von der Überlieferung der Apostel und von der Lehre des Heiligen Geistes herkomme.<ref>Petrus Canisius: Catechismus maior#Von den Geboten der Kirche.</ref>

Ein Grundsatz der Väter ist: „Keine Neuerungen schaffen, sondern am Überlieferten festhalten.“ ("Nihil inovetur nisi quod traditum est." - Heiliger Papst Stephan I. um 255)<ref>: aus "Antwort auf die Krise der Kirche unserer Zeit" Vortrag von Weihbischof Athanasius Schneider bei Bonifatius.tv (ab min.; 1:06:30)</ref> Wenn auch dieses Gesetz vor allem für das, was Gegenstand des Glaubens ist, unverbrüchliche Geltung haben muss, so soll es dennoch auch Norm sein in der Ordnung jener Dinge, die an sich eine Änderung zulassen, wiewohl auch in Bezug auf diese im allgemeinen die Regel gilt: „Nichts Neues, sondern neu.“ (Non nova sed noviter - Vinzenz von Lérins)<ref>Benedikt XV.: Antrittsenzyklika Ad beatissimi apostolorum über die gegenwärtige menschliche Gesellschaft und die Kirche vom 1. November 1914, Nr. 25.</ref>

Authentische Auslegung der Tradition durch das Lehramt des Papstes und der Bischöfe

Die Heilige Schrift, die Überlieferung und das Lehramt der Kirche sind so miteinander verknüpft und einander zugesellt, dass das eine nicht ohne die anderen besteht und alle zusammen, jedes auf seine Weise, durch das Tätigsein des einen Heiligen Geistes wirksam zum Heil der Seelen beitragen.<ref>DV Nr. 10: KKK 95; Augustinus von Hippo, De Doctr. Christ. III., 18, 26: I, L 34, 75-76; CSEL 80, 95.</ref> Die Aufgabe, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes authentisch auszulegen, kommt dem lebendigen Lehramt der Kirche zu, nämlich den Bischöfen in Gemeinschaft mit dem Papst. Das Lehramt steht nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm.<ref>Dei verbum 10; KKK 84-86.</ref>

Die Tradition wird gewährleistet durch die apostolische Sukzession, eine stetige Reihe von Bischofsweihen. Zu den Worten, die dem Weihekandidaten vor der Bischofsweihe bei seinen Versprechen gestellt werden, gehört die Frage: „Bist du bereit, das Evangelium Christi treu und unermüdlich zu verkünden?“ Und: „Bist du bereit, das von den Aposteln überlieferte Glaubensgut, das immer und überall in der Kirche bewahrt wurde, rein und unverkürzt weiterzugeben?“<ref>Predigt von Kurt Kardinal Koch anlässlich der Bischofsweihe vom 19. März 2021 in Chur aus der Homilie in der Eucharistiefeier mit der Weihe von Mons. Joseph Maria Bonnemain zum Bischof von Chur in der Kathedrale Chur am Hochfest des Heiligen Joseph, 19. März 2021</ref>

Lehramtliche Aussagen zur Tradition

Konzil von Trient: Sacrosancta oecumenica (1) (1546):

Der hochheilige [...] Kirchenrat von Trient [...], sich stets vor Augen stellend, dass [...] in der Kirche die eigene Reinheit des Evangeliums, welches Jesus Christus, unser Herr, der Sohn Gottes, als das vorher durch die Propheten in den heiligen Schriften Verheißene zuerst mit eigenem Munde verkündigte und hernach, als die Quelle aller heilsamen Wahrheit und Sittenlehre, durch seine Apostel (Mt 28,19; Mk 16,15) allen Kreaturen zu predigen befahl, erhalten werden möge, und einsehend, dass diese Wahrheit und Lehre enthalten ist in den geschriebenen Büchern, und in den ungeschriebenen Überlieferungen, welche von den Aposteln aus dem Munde Christi selbst empfangen, oder (2 Thess 2,14) von diesen Aposteln, unter Eingebung des Heiligen Geistes, gleichsam von Hand zu Hand überliefert worden und bis zu uns gekommen sind, nimmt an und verehrt [...] alle Bücher, sowohl des Alten als des Neuen Testaments, dieweil der eine Gott der Urheber von beiden ist; ebenso auch die Überlieferungen selbst, sowohl die, welche den Glauben, als welche die Sitten betreffen, weil sie entweder mündlich von Christus, oder vom Heiligen Geiste angegeben, und in steter Aufeinanderfolge in der katholischen Kirche erhalten wurden.<ref>zitiert nach: II. Vatikanum, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbum, 7f.; DH 1501 </ref>

Aus der Definition des Konzils von Trient ist die Frage, ob und wie weit die Wahrheiten des Glaubens wenigstens einschlussweise auch in der Heiligen Schrift enthalten sind, nicht entschieden.<ref>Bernhard Brinkmann: Katholisches Handlexikon, Butzon & Bercker Verlag Kevelaer 1960, S. 256, Überlieferung (2. Auflage; Imprimatur N. 4-18/60 Monasterii, die 2. Februarii 1960, Böggering Vicarius Eppi Generalis).</ref>

Bulle Ineffabilis Deus (1854)

Pius IX. bezieht sich in der Dogmatischen Bulle Ineffabilis Deus vom 8. Dezember (1854) zur Erklärung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis auf das Commonitorium des heiligen Vinzenz von Lérins mit den Worten:

Die Kirche Christi ist nämlich nur die treue Bewahrerin und Verteidigerin der in ihr niedergelegten Glaubenswahrheiten, an denen sie nichts ändert, an denen sie keine Abstriche macht und denen sie nichts hinzufügt. Mit aller Sorgfalt, getreu und weise behandelt sie das Überlieferungsgut der Vorzeit. Ihr Streben geht dahin, die Glaubenswahrheiten, die ehedem gelehrt wurden und im Glauben der Väter gleichsam noch im Keim niedergelegt waren, so auszusondern und zu beleuchten, dass jene Wahrheiten der himmlischen Lehre Klarheit, Licht und Bestimmtheit empfangen, zugleich aber auch ihre Fülle, Unversehrtheit und Eigentümlichkeit bewahren und nur in ihrem eigenen Bereich, d. h. in ein- und derselben Lehre, in ein- und demselben Sinn und in ein- und demselben Gehalt (eodem sensu eademque sententia), ein Wachstum aufzuweisen haben (Nr. 19).

Erstes Vatikanisches Konzil: Dogmatische Konstitution Dei filius (1870), Nr. 29:

Denn die Glaubenslehre, die ja Gott geoffenbart hat, ist nicht nach Art eines philosophischen Lehrsystems dem menschlichen Geiste vorgelegt worden, um durch seine Forscherarbeit erst vervollkommnet zu werden. Sie ist vielmehr der Braut Christi anvertraut worden als göttliches Lehrgut, um von ihr treu behütet und unfehlbar erklärt zu werden. Daher muss an dem Sinn der Heilslehren, wie ihn die Kirche, unsre heilige Mutter, einmal dargelegt hat, immerdar festgehalten werden und man darf niemals, etwa unter dem Vorwand und aus dem Scheingrund einer tiefern Erkenntnis, von diesem Sinn abgehen. So wachse denn im Lauf der Zeiten und Jahrhunderte und blühe weit und mächtig auf, Einsicht, Wissenschaft und Weisheit, in den einzelnen und in der Gesamtheit, in jedem Menschen wie in der ganzen Kirche: in dem ihnen zustehenden Bereich. Der Sinn der Glaubenssätze aber und die Lehrverkündigung müssen die gleichen bleiben (Vinzenz von Lerin, Common. n 28)."

Erstes Vatikanisches Konzil: Dogmatische Konstitution Pastor aeternus (1870), Nr. 17:

Die römischen Päpste aber haben das als festzuhaltende Lehre erklärt, was sie unter göttlichem Beistand als mit der Heiligen Schrift und den apostolischen Überlieferungen im Einklang stehend erkannt hatten. Zu dem Zweck beriefen sie, je nachdem Zeitumstände und Weltlage es nahe legten, entweder allgemeine Konzilien, oder befragten die auf dem ganzen Erdkreis verbreitete Kirche über ihre Glaubensansicht; andere Male wieder geschah es auf kleinen Synoden, oder sie bedienten sich anderer Hilfsmittel, wie sie die göttliche Vorsehung ihnen gerade darbot. Denn Petri Nachfolgern ward der Heilige Geist nicht dazu verheißen, dass sie aus seiner Eingebung heraus neue Lehren verkündeten. Ihre Aufgabe ist vielmehr, die von den Aposteln überlieferte Offenbarung oder das anvertraute Glaubensgut unter dem Beistand des Heiligen Geistes gewissenhaft zu hüten und getreu auszulegen.

Papst Pius XII.: Vous Nous avez (1956)

Papst Pius XII. sagt im Hinblick auf die Tradition des öffentlichen Kultes: Die Liturgie der Kirche [...] kehrt zur Vergangenheit zurück, ohne diese knechtisch nachzuahmen, und schafft zugleich Neues, in den Zeremonien selbst, im Gebrauch der Volkssprache, im Volksgesang und im Kirchenbau:<ref>Ansprache Vous Nous avez an die Teilnehmer am internationalen pastoral-liturgischen Kongress von Assisi vom 23. September 1956</ref>, bei der Gestaltung der liturgischen Gewänder, Ordensgewänder u.a. Diese Dinge können im Vertrauen auf den Heiligen Geist verändert und angepasst werden. Sie betreffen nicht den Kern der Überlieferung der Glaubens- uns Sittenlehre, müssen jedoch den Glauben zeitgemäß fördern.

Zweites Vatikanisches Konzil

Dogmatische Konstitution Lumen gentium (1964), Nr. 12:

Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben (vgl. 1 Joh 2,20.27), kann im Glauben nicht irren. Und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie "von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien" (22) ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert. Durch jenen Glaubenssinn nämlich, der vom Geist der Wahrheit geweckt und genährt wird, hält das Gottesvolk unter der Leitung des heiligen Lehramtes, in dessen treuer Gefolgschaft es nicht mehr das Wort von Menschen, sondern wirklich das Wort Gottes empfängt (vgl. 1 Thess 2,13), den einmal den Heiligen übergebenen Glauben (vgl. Jud 3) unverlierbar fest. Durch ihn dringt es mit rechtem Urteil immer tiefer in den Glauben ein und wendet ihn im Leben voller an.

Dogmatische Konstitution Dei verbum (1965), Nr. 7-10.12:

[7] Was Gott zum Heil aller Völker geoffenbart hatte, das sollte - so hat er in Güte verfügt - für alle Zeiten unversehrt erhalten bleiben und allen Geschlechtern weitergegeben werden. [...] Daher musste die apostolische Predigt, die in den inspirierten Büchern besonders deutlichen Ausdruck gefunden hat, in ununterbrochener Folge bis zur Vollendung der Zeiten bewahrt werden. Wenn die Apostel das, was auch sie empfangen haben, überliefern, mahnen sie die Gläubigen, die Überlieferungen, die sie in mündlicher Rede oder durch einen Brief gelernt haben (vgl. 2 Thess 2,15), festzuhalten und für den Glauben zu kämpfen, der ihnen ein für allemal überliefert wurde (vgl. Jud 3).<ref>Vgl. II. Konzil von Nizäa: Denz. 303 (602). IV. Konzil von Konstantinopel, Sess. X. can. 1: Denz. 336 (650-652).</ref> Was von den Aposteln überliefert wurde, umfaßt alles, was dem Volk Gottes hilft, ein heiliges Leben zu führen und den Glauben zu mehren. So führt die Kirche in Lehre, Leben und Kult durch die Zeiten weiter und übermittelt allen Geschlechtern alles, was sie selber ist, alles, was sie glaubt.
[8] Diese apostolische Überlieferung kennt in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt <ref> Vgl. I. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über den katholischen Glauben Dei filius, Kap. 4: Denz. 1800 (3020).</ref>: Es wächst das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte durch das Nachsinnen und Studium der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen (vgl. Lk 2,19.51), durch innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt, durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben; denn die Kirche strebt im Gang der Jahrhunderte ständig der Fülle der göttlichen Wahrheit entgegen, bis an ihr sich Gottes Worte erfüllen.
[10] Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes. ... Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte<ref> Vgl. I. Vatikanum|I. Vat. KonziI, Dogm. Konst. über den katholischen Glauben Dei filius, Kap. 3: Denz. 1792 (3011).</ref> Wort Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut<ref> Vgl. Pius XII., Enz. Humani generis, 12. Aug. 1950: AAS 42 (1950) 568-569; Denz. 2314 (3886).</ref>, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird. Das Lehramt ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt und weil es alles, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus diesem einen Schatz des Glaubens schöpft.
[12] Um die Absicht der Hagiographen zu ermitteln, sind unter anderem auch die literarischen Gattungen zu berücksichtigen. Jeweils anders nämlich wird die Wahrheit in Texten, die auf vielfältige Weise historisch, prophetisch oder poetisch sind, oder in anderen Redegattungen vorgelegt und ausgedrückt (aliter veritas ... proponitur et exprimitur). Ferner muss der Ausleger nach dem Sinn forschen, den der Hagiograph in bestimmten Umständen je nach den Bedingungen seiner Zeit und seiner Kultur (pro sui temporis et suae culturae condicione, "Zeitgeist") mit Hilfe der zu jener Zeit verwendeten literarischen Gattungen auszudrücken beabsichtigte und ausgedrückt hat. ... Da die Heilige Schrift in dem Geist gelesen und ausgelegt werden muß, in dem sie geschrieben wurde, erfordert die rechte Ermittlung des Sinnes der heiligen Texte, daß man mit nicht geringerer Sorgfalt auf den Inhalt und die Einheit der ganzen Schrift achtet (respiciendum est ad contentum et unitatem totius Scripturae), unter Berücksichtigung der lebendigen Überlieferung der Gesamtkirche und der Analogie des Glaubens (ratione habita vivae totius Ecclesiae Traditionis et analogiae fidei). Aufgabe der Exegeten ist es, nach diesen Regeln auf eine tiefere Erfassung und Auslegung des Sinnes der Heiligen Schrift hinzuarbeiten, damit so gleichsam auf Grund wissenschaftlicher Vorarbeit das Urteil der Kirche reift. Alles, was die Art der Schrifterklärung betrifft, untersteht letztlich dem Urteil der Kirche, deren gottergebener Auftrag und Dienst es ist, das Wort Gottes zu bewahren und auszulegen.

Papst Paul VI.

Papst Paul VI. schreibt in der Apostolischen Konstitution Indulgentiarum doctrina (1. Januar 1967) über die Neuordnung des Ablasswesens wie auch in seiner Weihnachtsansprache 1976 an die Römische Kurie:

Diese Lebenskraft der Kirche, von der wir täglich im Stillen beredte und überaus tröstliche Beweise erhalten, können wir mit dem organischen Leben vergleichen, wie es unser Universum durchpulst. Wie ein großer Baum, der seine Wurzeln tief in die ihn seit Jahrhunderten nährende Erde getrieben hat, so hat auch die Kirche ihre Wurzeln in die Vergangenheit hinabgesenkt, um bis zu Christus und den Aposteln vorzudringen. In diesem Sinn ist die Unveränderlichkeit des Glaubensgutes - es wäre unsinnig, das zu bestreiten - über jeden Zweifel erhaben, und die Kirche hütet dieses Gut, wenn sie Dogmen, Sittengesetz und auch die Liturgie nach dem lichtvollen Grundsatz "Das Gesetz des Betens ist das Gesetz des Glaubens" darlegt. Das Leben der Kirche bleibt ein und dasselbe, gediegen und fest, denn da ist "ein Leib und ein Geist ... ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist" (Eph 4, 4 ff.). Auf dieser Linie haben wir uns bisher gehalten, auf ihr stehen wir, und auf ihr werden wir weiter bleiben gemäß den Worten des heiligen Paulus: "Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält" (Eph 4, 3).
Aber weil diese Unveränderlichkeit aus den Wurzeln selber aufsteigt, mit denen die Kirche ihren Lebenssaft aus der Vergangenheit saugt und die kraft der Mittlerschaft Christi bis ins Innerste Gottes selber hineinreichen, steht diese Unveränderlichkeit absolut nicht im Widerspruch zu dem Leben, das aus diesen Wurzeln aufsprudelt und aufblüht. Es gibt keinerlei Gegensatz zwischen Leben und Unveränderlichkeit; im Gegenteil: das Leben selbst sichert die wesenhafte Unveränderlichkeit eines lebenden Wesens. Die Unveränderlichkeit des Steines, der unbelebten Materie überhaupt, ist etwas ganz anderes als die Unveränderlichkeit, die die ständige Identität des lebenden Wesens mit sich durch alles physische und geistige Wachsen hindurch und im Austausch mit den gegebenen Lebensbedingungen gewährleistet. Eine Pflanze, ein organischer Leib bleiben in ihrem Wesen dieselben, auch wenn sie allmählich wachsen. Es ist dies der alte und stets treffende Vergleich des Vinzenz von Lérins, der allen bekannt ist (Commonitorium Primum) 23; PL 50, 667 f.); diesen Gedanken hat schon Cyprian mit eindrucksvollen Bildern anschaulich gemacht: "Die Kirche des Herrn ... dehnt aus der Fülle ihrer Fruchtbarkeit ihre Zweige über die ganze Erde hin aus, und sie macht die schon breit dahinfließenden Ströme noch weiter: sie hat aber nur ein Haupt und einen Ursprung und ist eine einzige Mutter, überreich an Zeichen ihrer Fruchtbarkeit" (De unitate Ecclesiae) 5; PL 4, 518). Von den tiefreichenden Wurzeln her entfalten sich die Zweige ein und desselben Stammes, immer alt und immer neu: Genährt aus dem Lebenssaft der Vergangenheit, strecken sie sich der Zukunft entgegen, streben sie nach vorn, um die Scharen der Vögel des Himmels aufzunehmen, die dort Schatten und Ruhe suchen (vgl. Mk 4, 32). Entwicklung ist wesentlich für das Leben der Kirche.

Und an anderer Stelle:

Es steht dem Papst und den Konzilien zu, ein unterscheidendes Urteil darüber zu fällen, was in den Traditionen der Kirche, will man dem Herrn und dem Heiligen Geist die Treue wahren, unaufgebbar ist, und zwar das hinterlegte Glaubensgut, und was dagegen auf einen neuen Stand gebracht werden kann und muss, um das Gebet und die Sendung der Kirche über die verschiedenen Orte und Zeiten hin zu erleichtern, die göttliche Botschaft in die heutige Sprache zu übersetzen und sie, ohne unangebrachte Kompromisse, besser zu verkündigen. Die Tradition ist also nicht vom lebendigen Lehramt der Kirche zu trennen, ebensowenig wie sie von der Heiligen Schrift zu lösen ist.<ref>Paul VI., Brief Cum te an Marcel Lefebvre, Alterzbischof-Bischof von Tulle, vom 11. Oktober 1976.</ref>
Wir aber in den Ländern alter christlicher Prägung müssen uns klar vor Augen halten, dass beim Aufbau der Kirche ein Faktor unerläßlich ist, nämlich die Tradition, die in Jahrhunderten vollbrachte Arbeit derer, die vor uns an der Kirche gebaut haben. Wir sind Erben, wir führen ein in der Vergangenheit begonnenes Werk weiter. Wir müssen Geschichtsbewusstsein haben und in uns die Haltung einer Treue ausformen, die demütig ist und glücklich über alles, was uns vergangene Jahrhunderte an Lebendigem und Echtem beim Aufbau des mystischen Leibes Christi hinterlassen haben. Wir müssen uns hüten vor der Gewissenlosigkeit des Revolutionsgeistes, wie er für so viele Menschen unserer Zeit bezeichnend ist, diese Gewissenlosigkeit möchte die Arbeit früherer Generationen beiseite schieben und glaubt, das Heil der Menschen dadurch einleiten zu können, dass sie alles zurückweist, was uns die von einem Lehramt mit Sinn für Kontinuität und Ursprünglichkeit bestätigte Erfahrung bewahrt hat, und das Unternehmen einer neuen Zivilisation beim Punkte Null beginnen lässt.<ref> aus: Ingo Dollinger, Klarheit und Wahrheit S. 38-39: vom 14. Juli 1976.</ref>

Papst Franziskus

Als Wächter der Tradition stellen die Bischöfe in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom das sichtbare Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen dar. Unter der Führung des Heiligen Geistes leiten sie die ihnen anvertrauten Teilkirchen durch die Verkündigung des Evangeliums und durch die Feier der Eucharistie. (Traditionis custodes, 16. Juli 2021)

Tabellarische Analogie

Andrej Rublëv-Dreifaltigkeit.jpg
Göttliche Person Offenbarungs-
quelle
Ähnlichkeit: Hervorgänge im innergöttlichen Leben
der Heiligsten Dreifaltigkeit (vgl. KKK, 101-104)
Vater Tradition Die Tradition ist der Ursprung der Bibel und der Analogie des Glaubens, wie aus Gott Vater der Sohn und der Heilige Geist hervorgeht
Sohn Heilige Schrift Die Bibel geht aus den Worten der Überlieferer (z. B. Mose, Propheten, Apostel) hervor, ähnlich wie aus Gott Vater Gott Sohn hervorgeht
Heiliger Geist Lehramtliche Analogie des Glaubens Die Analogie des Glaubens geht aus der Tradition und der Bibel hervor, ähnlich wie der Heilige Geist aus Gott Vater und Gott Sohn hervorgeht
Die Heiligste Dreifaltigkeit, gemalt von dem russischen Ikonenmaler Andrej Rublëv (um 1400) →

Apostolische Überlieferung und kirchliche Überlieferungen

Die Überlieferung kommt von den Aposteln her und gibt das weiter, was diese der Lehre und dem Beispiel Jesu entnahmen und vom Heiligen Geist vernahmen. Die erste Christengeneration hatte ja noch kein schriftliches Neues Testament, und das Neue Testament selbst bezeugt den Vorgang der lebendigen Überlieferung.
Die theologischen, disziplinären, liturgischen oder religiösen Überlieferungen (oder Traditionen), die im Laufe der Zeit in den Ortskirchen entstanden, sind etwas anderes. Sie stellen an die unterschiedlichen Orte und Zeiten angepasste besondere Ausdrucksformen der großen Überlieferung dar. Sie können in deren Licht unter der Leitung des Lehramtes der Kirche beibehalten, abgeändert oder auch aufgegeben werden (KKK, Nr. 83).

Zitate

  • Paulus von Tarsus: Timotheus, bewahre, was dir anvertraut ist. Halte dich fern von dem gottlosen Geschwätz und den falschen Lehren der sogenannten "Erkenntnis"! Nicht wenige, die sich darauf eingelassen haben, sind vom Weg des Glaubens abgekommen (1 Tim 6, 20). Darum muss ich auch dies alles erdulden; aber ich schäme mich nicht, denn ich weiß, wem ich Glauben geschenkt habe, und ich bin überzeugt, dass er die Macht hat, das mir |anvertraute Gut bis zu jenem Tag zu bewahren. Halte dich an die gesunde Lehre, die du von mir gehört hast; nimm sie dir zum Vorbild, und bleibe beim Glauben und bei der Liebe, die uns in Christus Jesus geschenkt ist. Bewahre das dir anvertraute kostbare Gut durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt (2 Tim 1, 12-14).
  • Romano Guardini: Den Konservativisten bedeutet „hergebracht“ ohne weiteres soviel wie „gut“, und „neu“ soviel wie „unkirchlich“. Sobald einer etwas anderes tut, als immer getan worden, ist das für sie ein Zeichen revolutionären Geistes. Dabei bedenken sie aber oft nicht, wie die Sache in Wahrheit steht: etwa dass das, was da aufgegeben oder geändert wird, aus der religiös unfruchtbarsten Zeit des neunzehnten Jahrhunderts stammt und selbst viel älteres und wertvolleres Frömmigkeitsgut verdrängt hat; oder dass die betreffenden Texte und Andachtsformen durch den langen Gebrauch immer mehr an Gehalt und Kraft verloren haben und ganz konventionell geworden sind. Alter und Herkommen sind wichtige Dinge; sie dürfen aber nicht blind machen, wenn das Hergebrachte nun einmal minderwertig oder gar schlecht ist, sonst rufen sie die Frage des heiligen Bischofs Cyprian hervor, ob denn die Gewohnheit mehr Gewicht haben solle als die Wahrheit. (Romano Guardini: Ein Wort zur liturgischen Frage, Matthias Grünewald Verlag Mainz 1940, S. 14.)
  • Joseph Ratzinger: Nicht alles, was es in der Kirche gibt, muss deshalb auch eine legitime Tradition sein; mit anderen Worten, nicht jede Tradition, die in der Kirche entsteht, ist eine wahre Feier und Vergegenwärtigung des Geheimnisses Christi. Es gibt sowohl eine verfälschende als auch eine legitime Tradition... Folglich darf die Tradition nicht nur affirmativ, sondern muss auch kritisch betrachtet werden; wir haben die Heilige Schrift als Kriterium für diese unerlässliche Kritik der Tradition, und die Tradition muss daher immer auf sie zurückbezogen und an ihr gemessen werden. (Joseph Ratzinger, „Chapter II: The Transmission of Divine Revelation“, in Comentary on the Documents of Vatican II. Vol. 3, ed. Herbert Vorgrimler, Herder Verlag New York 1969, S. 181-198.)

Literatur

Weblinks

Anmerkungen

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