Depositum fidei
Unter Depositum fidei, Glaubenshinterlage, Glaubensvermächtnis, Glaubenswahrheit, Glaubensschatz, oder Glaubensgut (KKK 857) versteht man die Gesamtheit der Offenbarung Gottes (divinum fidei depositum), wie sie als religiöse Überlieferung Israels und der ersten christlichen Gemeinden im Alten und im Neuen Testament sowie in der ersten kirchlichen Auslegungen überliefert ist. Die unveränderliche Glaubenslehre (DH 2802, 3030, 3070) des mündlichen (das Gehörte) und schriftlich von den Aposteln Überkommene ist bis zur Parusie zu bewahren.<ref>Wolfgang Beinert: Art. Depositum fidei in: Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Aufl., Bd. 3, Sp. 101.</ref>
Inhaltsverzeichnis
Schrift und Tradition
Das Urzeugnis wurde von Christus als "Erbgut der Wahrheit"<ref> Kongregation des Heiligen Offiziums Erklärung Mysterium ecclesiae über die Kirche und ihre Verteidigung gegen einige Irrtümer von heute vom 24. Juni 1973, Nr. 6.</ref> den Aposteln und der Kirche übergeben und anvertraut, die als Gesamtheit der Gläubigen im Glauben nicht irren kann. Das Depositum fidei ist als Objekt der Unfehlbarkeit (Lumen gentium, Nr. 12 und 25) bis zur Parusie zu bewahren, (1 Tim 6, 20; 2 Tim 1, 12ff) und unter dem Beistand des Heiligen Geistes auszulegen und zu verkünden.
Überlieferung und Heilige Schrift sind eng miteinander verbunden und haben aneinander Anteil, da sie beide ihren Ursprung in der Offenbarung Gottes haben; Schrift und Tradition sollen "mit gleicher Liebe und Achtung angenommen und verehrt werden"; die Kirche schöpft ihre Gewissheit über Gottes Offenbarung somit nicht allein aus der Heiligen Schrift. Die Bibel ist vom Heiligen Geist inspiriert und den Aposteln anvertraut, und der Kirche ist der Beistand des Heiligen Geistes zugesagt, diese tradierte Wahrheit weiterzugeben. Die Bischöfe haben als Nachfolger der Apostel die Aufgabe, sie "unter der erleuchtenden Führung des Geistes der Wahrheit in ihrer Verkündigung treu zu bewahren, zu erklären und auszubreiten".<ref>Zweites Vatikanisches Konzil: Dei Verbum, Nr. 9; vgl. Konzil von Trient, Dekret über die kanonischen Schriften: Denz. 783 (1501).</ref>
- Es zeigt sich also, dass die heilige Überlieferung, die Heilige Schrift und das Lehramt der Kirche gemäß dem weisen Ratschluß Gottes so miteinander verknüpft und einander zugesellt sind, dass keines ohne die anderen besteht und dass alle zusammen, jedes auf seine Art, durch das Tun des einen Heiligen Geistes wirksam dem Heil der Seelen dienen (Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, Nr. 10).
Das Depositum fidei und der Glaube der Kirche
Das I. Vatikanische Konzil bestimmte 1870 in seiner dogmatischen Konstitution Dei filius Nr. 19:
- Mit "göttlichem und katholischem Glauben muss man nun an all dem festhalten, was das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes enthält und die Kirche als von Gott geoffenbart zu glauben vorstellt - sei es in feierlichem Lehrentscheid, sei es in Ausübung ihres gewöhnlichen allgemeinen Lehramtes."
(Fide divina et catholica ea omnia credenda sunt, quae in verbo Dei scripto vel tradito continentur, et ab Ecclesia sive solemni iudicio sive ordinario et universali magisterio tamquam divinitus revelata credenda proponuntur.)<ref>I. Vatikanisches Konzil: Dogmatische Konstitution Dei filius, Nr. 19.</ref>
Diese Bestimmung wurde in den Codex iuris canonici von 1917 (c. 1323, § 1) und von 1983 (c. 750) übernommen, wo es jetzt heißt: "Kraft göttlichen und katholischen Glaubens ist all das zu glauben, was im geschriebenen oder im überlieferten Wort Gottes als dem einen der Kirche anvertrauten Glaubensgut enthalten ist und zugleich als von Gott geoffenbart vorgelegt wird." Das II. Vatikanische Konzil spricht davon, dass die Gläubigen "mit einer im Namen Christi vorgetragenen Entscheidung ihres Bischofs über den Glauben und die Sitten übereinkommen (concurrere) und ihr mit dem religiösen Gehorsam ihres Herzens anhangen" (religioso animi obsequio adhaerere) müssen.<ref> II. Vatikanum, Dogmatische Konstitution Lumen gentium [[Lumen gentium (Wortlaut)|Nr. 25.</ref>
Im Katechismus der Katholischen Kirche
Eine gemeinsame Quelle
„Die heilige Überlieferung und die Heilige Schrift sind eng miteinander verbunden und haben aneinander Anteil. Demselben göttlichen Quell entspringend, fließen beide gewissermaßen in eins zusammen und streben demselben Ziel zu“ (DV 9). Beide machen in der Kirche das Mysterium Christi gegenwärtig und fruchtbar, der versprochen hat, bei den Seinen zu bleiben „alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28, 20; KKK, Nr. 80).
Zwei verschiedene Arten der Weitergabe, Reichweite auf Fragen der Sittenlehre ausgedehnt
Die Heilige Schrift ist Gottes Rede, insofern sie unter dem Anhauch des Heiligen Geistes schriftlich aufgezeichnet worden ist.“ „Die Heilige Überlieferung aber gibt das Wort Gottes, das von Christus, dem Herrn, und vom Heiligen Geist den Aposteln anvertraut wurde, unversehrt an deren Nachfolger weiter, damit sie es unter der erleuchtenden Führung des Geistes der Wahrheit in ihrer Verkündigung treu bewahren, erklären und ausbreiten“ (DV 9; KKK, Nr. 81).
- „So ergibt sich, dass die Kirche“, der die Weitergabe und Auslegung der Offenbarung anvertraut ist, „ihre Gewissheit über alles Geoffenbarte nicht aus der Heiligen Schrift allein schöpft. Daher sind beide mit dem gleichen Gefühl der Dankbarkeit und der gleichen Ehrfurcht anzunehmen und zu verehren“ (DV 9; KKK, Nr. 82; vgl. Lumen gentium 25).
Papst Johannes Paul II fügte durch das Motu proprio Ad tuendam fidem vom 18. Mai 1998 einen zweiten Paragraphen in den Codex Iuris Canonici ein, in dem neben den Aussagen des Glaubens auch solche bezüglich der Sitten als dem Depositum zugehörig genannt werden (doctrina de fide vel moribus):
- c. 450 § 2. "Fest anzuerkennen und zu halten (amplectenda ac retinenda) ist auch alles und jedes, was vom Lehramt der Kirche bezüglich des Glaubens und der Sitten endgültig vorgelegt wird, das also, was zur unversehrten Bewahrung und zur getreuen Darlegung des Glaubensgutes erforderlich ist (quae ad idem fidei depositum sancte custodiendum et fideliter exponendum requiruntur); daher widersetzt sich der Lehre der katholischen Kirche, wer diese als endgültig zu haltenden Sätze ablehnt (doctrinae Ecclesiae catholicae adversatur qui easdem propositiones definitive tenendas recusat)."
Die irrtumslose Verkündigung der Kirche bezieht sich auf das Depositum fidei und "auf die Gegenstände, ohne die dieses Glaubensgut nicht in rechter Weise bewahrt und entfaltet werden kann", nämlich die Dogmen.<ref>Kongregation des Heiligen Offiziums: Mysterium ecclesiae, Nr. 3 (24. Juni 1973).</ref>
Unveränderlichkeit und Veränderung des Depositum fidei
Die schriftliche Überlieferung und die Tradition der Kirche gelten als abgeschlossen, es können keine neuen Lehren hinzugefügt werden<ref>Pastor aeternus, Nr. 17; Mirari vos, Nr. 8</ref>. Das Verständnis des Glaubensguts muss durch das Zusammenwirken von "Verstand und Willen, Geist und Arbeit, Lehre und Apostolat, Glaube und Liebe, Lehramt und Hirtenamt" ausgelegt werden, die sich im Leben der Kirche ergänzen, so Papst Paul VI.<ref>Paul VI.: Ansprache Voi avete partecipato, September 1963.</ref>
Das Zweite Vatikanische Konzil nennt es einen "Fortschritt der apostolischen Überlieferung", wenn diese in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes "durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben" und "durch Nachsinnen und Studium der Gläubigen" "der Fülle der göttlichen Wahrheit entgegenstrebt".<ref>Dei verbum, Nr. 8.</ref> Die Bischöfe als "Herolde des Glaubens" predigen den Gläubigen den Glauben und "erklären ihn im Licht des Heiligen Geistes, indem sie aus dem Schatz der Offenbarung Neues und Altes vorbringen (vgl. Mt 13, 52)".<ref>Zweites Vatikanisches Konzil, Enzyklika Lumen gentium Nr. 25.</ref>
Es ist wichtig, dass das Glaubensgut in eine echte religiöse Praxis umgesetzt wird und sich "in Tun und Leben der glaubenden und betenden Kirche ergießt"<ref>Dei Verbum, Nr. 8.</ref>, damit es "in der konkreten geschichtlichen Wirklichkeit seine erlösende Kraft erweist".<ref>Paul VI.: Ansprache Voi avete partecipato, 1963.</ref>
Versprechen bei der Bischofsweihe
Zu den Fragen, die dem Weihekandidaten vor der Bischofsweihe bei seinen Versprechen gestellt werden, gehört: „Bist du bereit, das Evangelium Christi treu und unermüdlich zu verkünden?“ Und: „Bist du bereit, das von den Aposteln überlieferte Glaubensgut, das immer und überall in der Kirche bewahrt wurde, rein und unverkürzt weiterzugeben?“<ref>Predigt von Kurt Kardinal Koch anlässlich der Bischofsweihe vom 19. März 2021 in Chur aus der Homilie in der Eucharistiefeier mit der Weihe von Mons. Joseph Maria Bonnemain zum Bischof von Chur in der Kathedrale Chur am Hochfest des Heiligen Joseph, 19. März 2021</ref>
Tabellarische Analogie
Göttliche Person | Offenbarungs- quelle |
Ähnlichkeit: Hervorgänge im innergöttlichen Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit (vgl. KKK, 101-104) |
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Vater | Tradition | Die Tradition ist der Ursprung der Bibel und der Analogie des Glaubens, wie aus Gott Vater der Sohn und der Heilige Geist hervorgeht |
Sohn | Heilige Schrift | Die Bibel geht aus den Worten der Überlieferer (z. B. Mose, Propheten, Apostel) hervor, ähnlich wie aus Gott Vater Gott Sohn hervorgeht |
Heiliger Geist | Lehramtliche Analogie des Glaubens | Die Analogie des Glaubens geht aus der Tradition und der Bibel hervor, ähnlich wie der Heilige Geist aus Gott Vater und Gott Sohn hervorgeht |
Die Heiligste Dreifaltigkeit, gemalt von dem russischen Ikonenmaler Andrej Rublëv (um 1400) → |
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Zusammenhänge
Offenbarung Gottes: | wo ? | Sittenordnung | Licht menschlicher Erkenntnis | Universal- wissenschaften |
Tugenden |
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natürliche | im "Buch" der Schöpfung |
Natürliches Sittengesetz | Philosophie | erworbene Kardinaltugenden | |
übernatürliche (gnadenhafte) | in der Bibel: in Christus und den Sakramenten | Christliches Sittengesetz | (Glaubensgut: Tradition+Bibel) |
Theologie | geschenkte, eingegossene oder theologale |
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Literatur
- Martin Grabmann: Die theologische Erkenntnis- und Einleitungslehre des hl. Thomas vom Aquin: auf Grund seiner Schrift "In Boethium de Trinitae", Paulus Verlag Freiburg/Schweiz 1948 (392 Seiten; gebundene Ausgabe).
- Konrad Martin: Lehrbuch der katholischen Religion für höhere Lehranstalten, Kirchheim Verlag Mainz 1860 (10. gänzlich umgearbeitete Auflage): Erster oder allgemeiner Teil: 1860 (424 Seiten), Zweiter oder besonderer Theil: 1860 (535 Seiten).
Weblinks
- Kardinal Müller: Lebenswirklichkeit keine Offenbarungsquelle Kath.net am 2. April 2015
- Wie entstand das unveränderliche Glaubensgut der Kirche? von der CNA Teil 1: Sind Lehramt und Theologie identisch? Eine Antwort auf eine Behauptung im Orientierungstext des "Synodalen Weges"
Anmerkungen
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