Diskussion:Tod

Aus kathPedia
Version vom 26. Oktober 2016, 09:01 Uhr von Oswald (Diskussion | Beiträge) (Theologische Spekulationen)
Zur Navigation springenZur Suche springen

Gott hat den Tod nicht gemacht

Meister Eckhart schrieb Anfang des 14. Jhs. in seinem Sapientia-Kommentar:

"«Gott hat den Tod nicht gemacht, noch freut er sich am Untergang der Lebenden» (1,13)

Man pflegt zu unterscheiden zwischen dem Übel der Schuld und dem Übel der Strafe und zu erörtern, welches aus diesen von Gott sei und in welcher Weise. Andererseits auch, welches aus diesen das größere Übel sei. Hinsichtlich des vorliegenden Textes muß man folgendes wissen: Erstens, daß, wie die Heiligen (d.h. die Kirchenlehrer) und die Philosophen übereinstimmend sagen und wie sich auch die Wahrheit verhält, das Übel nichts als Beraubtheit oder Abfall vom Sein und Schwund, Abwesenheit oder Mangel an Sein ist. Daraus zeigt sich, daß das ein Mehr an Übel ist, was ein Mehr an Gutem raubt, und in der Wirklichkeit ist das schlechter, in dem ein größeres Gutes oder viel Gutes oder viel Sein verlorengeht, was dieses auch immer sei: Strafe oder Schuld, diese Strafe oder jene Strafe, diese oder jene Schuld. Ganz allgemein ist nämlich das, in dem ein höheres Sein verlorengeht oder mehr Seinsweisen, schlimmer als das andere.

Zweitens zeigt sich, daß «das Übel keine Ursache hat». Eine Ursache bezieht sich nämlich auf eine Wirkung, und jede Wirkung hat eine Ursache. Das Übel ist keine Wirkung (effectus), sondern ein Fehlen (defectus). Nach der Ursache des Übels zu fragen, ist fragen nach etwas, was keine Ursache hat, da es ja keine Wirkung ist, ja sogar gerade dadurch und dadurch allein ein Übel ist, daß es keine Wirkung ist und keine Ursache hat. Wenn es eine Ursache hätte, so wäre es ja eine Wirkung und kein Fehlen. Wer also nach der Ursache des Übels fragt, der fragt nach der Ursache des Nichtseienden und des Nichts. Daraus geht, kurz gesagt, hervor, was im Text gesagt wird: «Gott hat den Tod nicht gemacht» usw.

Wiederum ist es insbesondere bei Gott unmöglich, daß er die Ursache des Übels ist und den Tod oder eine andere Beraubtheit gemacht hat. Denn er und er allein ist die eigentliche und unmittelbare Ursache des Seins. Das Übel aber hat kein Sein, sondern fällt vom Sein ab. Außerdem: Da das Sein im eigentlichen Sinne die Wirkung Gottes ist, so gießt er in das, dessen Ursache es ist, das Sein ein und teilt es ihm mit. Es ist aber unmöglich, daß das Sein irgendein oder irgendwie ein Übel ist. «Gut» und «seiend» sind nämlich austauschbar. Zu sagen, etwas sei ein Übel und es sei von Gott gemacht, bedeutet deshalb zu sagen, das Sein sei nicht Sein und das Übel sei kein Übel. Darüber habe ich ausgiebig gehandelt im Traktat «Über das Übel». Wiederum ist anzumerken, daß der Tod nicht ist und kein Seiendes ist, sondern die Beraubtheit von Sein, und daß er als solche nichts ist. Den Tod machen ist also ein Nichts machen und folglich nichts machen oder nicht machen. «Hauptwörter und Tätigkeitswörter besagen (im lateinischen Satz) dasselbe, wenn man sie umstellt», also heißt den Tod machen, den Tod nicht machen. Und das ist es, was hier gesagt wird: «Gott hat den Tod nicht gemacht».

Außerdem. Wer macht, macht etwas zu Machendes oder etwas Gemachtes. Der Tod aber ist nicht etwas Gemachtes oder gemacht, sondern er ist ungemacht, d.h. nicht gemacht (defecta, id est non facta). Es ist nämlich ein Fehlen, keine Wirkung. So also «hat Gott den Tod nicht gemacht», wie hier gesagt wird, sowohl weil der Tod nicht ist als auch weil der Tod kein Seiendes ist, als auch weil er nicht gemacht ist, als auch weil ihn zu machen bedeutet, ihn nicht zu machen. Und das ist der Weg der Antwort des Augustinus im 11. Buch der «Bekenntnisse» an einen Fragenden: «Was machte Gott, bevor er Himmel und Erde machte?»

«Noch freut er sich am Untergang der Lebenden». Anzumerken ist, daß der Künstler sich natürlich an seinem Werk freut. Die Menschen lieben nämlich ihre Werke wie die Väter die Söhne, wie der Philosoph sagt. Deshalb heißt es im Psalm (138,8): «Die Werke deiner Hände verachte nicht». Wenn daher Gott den Tod gemacht hätte, so hätte er sich folglich am Untergang der Lebenden gefreut. Deswegen ist, nachdem es hieß: «Gott hat den Tod nicht gemacht», hinzugefügt: «noch freut er sich am Untergang der Lebenden»."

Karl Albert, Meister Eckhart. Kommentar zum Buch der Weisheit, S. 15/16, n. 14-18.

Es würde mich interessieren, ob das der Lehre der Kirche entspricht oder ob es sich dabei um die rein persönliche Interpretation Eckharts handelt. --Eckhart Triebel 22:44, 4. Okt. 2009 (CEST)

Die Lehre der katholischen Kirche zum Tod lässt sich ganz gut hier nachlesen und vergleichen: [1] Der Tod tritt als Folge der Sünde des Menschen ein, und ist sein letzter Feind.
Meiner Meinung nach müsste der Tod als allgemeines Gesetz aber trotzdem von Gott zugelassen sein, da sowohl ein Dasein als auch ein Nichtdasein immer von Gott gewollt sein müsste. Wie Gott den freien Willen zulässt, so lässt er m.E. auch den Tod als Folge der falschen Betätigung des freien Willens zu. Als falsche Betätigung des freien Willens sehe ich ein Handeln an, dass zur Gottferne führt, und damit sich dem Leben entzieht, und deshalb in den Zustand "Tod" führt, ganz gleich ob dieser Zustand im Körper, im Fühlen, Denken, Erkennen oder Wollen eintritt. In welchem dieser Bereiche sich ein Mensch von Gott entfernt, wird sein Handeln tödlich bzw. zerstörend.--Robert Nordlicht 09:31, 5. Okt. 2009 (CEST)

Theologische Spekulationen: Betonung einer behaupteten biblischen Vorstellung: Unsterblichkeit der "Person"

Vorlage:Überarbeiten

Neuere theologische Ansätze gehen hingegen, mit Hinweis auf die Botschaft der Bibel, von einer Unteilbarkeit des Menschen auch im Tode aus, ohne die Natur des Menschen als Leib-Seele-Wesen zu leugnen. Gerhard Ludwig Müller hält es für „theologisch unangemessen“, den Tod mit der „ungenauen Formel ‚Trennung von Seele und Leib‘ " zu definieren (Gerhard Ludwig Müller: Katholische Dogmatik. Für Studium und Praxis der Theologie, Herder Verlag, 3. Aufl. der Sonderausgabe, Freiburg 2010, S. 557), (Gerhard Ludwig Müller vertritt diese Meinung im Jahr 2016 in Ad resurgendum cum Christo, Nr. 2 nicht!)

Der Theologe Joseph Ratzinger weist in seinem Buch "Einführung in das Christentum" von 1968, das er 2000 (in seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation) unverändert noch einmal herausgab, darauf hin, dass wir inzwischen "die Unteilbarkeit des Menschen neu entdeckt" haben: "Wir leben mit einer neuen Intensität unserer Leibhaftigkeit und erfahren sie als unerlässliche Verwirklichungsweise des einen Seins des Menschen. Wir können von da aus die biblische Botschaft neu verstehen, die nicht einer abgetrennten Seele Unsterblichkeit verheißt, sondern dem ganzen Menschen."

Ratzinger hält beide Vorstellungen - Unsterblichkeit der Seele und Auferweckung des ganzen Menschen als "zwei verschiedene Gesamtanschauungen" - für denkmöglich, aber man könne diese Vorstellungen nicht einfach addieren: "Der griechischen Auffassung liegt die Vorstellung zugrunde, im Menschen seien zwei einander fremde Substanzen zusammengefügt. [...] Der biblische Gedankengang setzt dem gegenüber die ungeteilte Einheit des Menschen voraus." Es sei klar, so Ratzinger, "dass der eigentliche Kern des Auferstehungsglaubens gar nicht in der Idee der Rückgabe der Körper besteht, auf die wir ihn aber in unserem Denken reduziert haben. [...] Die Unsterblichkeitsidee [der Bibel] meint eine Unsterblichkeit der "Person", des einen Gebildes Mensch. Während im Griechischen das typische Wesen Mensch ein Zerfallsprodukt ist, das [...] seiner heterogenen Artung aus Leib und Seele gemäß zwei verschiedene Wege geht, ist es nach biblischem Glauben gerade dies Wesen Mensch, das als solches, wenn auch verwandelt, fortbesteht." (Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.: Einführung in das Christentum, Lizenzausgabe, Augsburg 2007, S. 329-332.)

Die Theologieprofessorin Johanna Rahner beschreibt 2008 in ihrer Einführung in die Dogmatik das schwierige Problem, diese Einheit von Seele und Leib auch über den Tod hinaus zu denken: "Die Hebräische Bibel und das Neue Testamtent legen in keiner Phase ihrer Entwicklung das Verständnis einer vom Leib zu trennenden oder getrennten Seele nahe. Sie vertreten eine ganzheitliche Sicht des Menschen." Das Konzept einer " 'anima separata', die nach dem Tod, vom Leib getrennt, sich bereits der Seligkeit bei Gott erfreuen kann und 'nur noch' zur Steigerung der eigenen Seligkeit auf die Auferstehung des Leibes am Ende aller Zeiten wartet", sei kritisch zu sehen. Christliche Theologie "kann und darf die Seele nicht ohne explizite Beziehung zum Leib, zu Geschichte und Welt sehen" und muss "die rettende Vollendung des ganzen Menschen [...] in den Blick nehmen können. Nimmt man die gegenseitige 'Prägung' von Leib und Seele, wie sie sich auch Thomas von Aquin vorgestellt hat, wirklich ernst, hat der Leib Spuren in der Seele hinterlassen." (Johanna Rahner: Einführung in die Katholische Dogmatik, WBG, Darmstadt 2008, S. 131f.)