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Version vom 14. Februar 2020, 15:55 Uhr
Querida Amazonia |
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von Papst
Franziskus
an das Volk Gottes und alle Menschen guten Willens
2. Februar 2020
Hintergrund: Vom 6. bis 27. Oktober 2019 fand die Außerordentliche Bischofssynode zum Amazonas-Gebiet mit dem Motto: "Neue Wege für die Kirche und die integrale Ökologie" statt.
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitend
- 2 ERSTES KAPITE: EINE SOZIALE VISION
- 3 ZWEITES KAPITEL: EINE KULTURELLE VISION
- 4 DRITTES KAPITEL: EINE ÖKOLOGISCHE VISION
- 5 VIERTES KAPITEL: EINE KIRCHLICHE VISION
- 5.1 Unverzichtbare Verkündigung in Amazonien
- 5.2 Inkulturation
- 5.3 Wege der Inkulturation in Amazonien
- 5.4 Soziale und geistliche Inkulturation
- 5.5 Ansatzpunkte für eine Heiligkeit amazonischer Prägung
- 5.6 Die Inkulturation der Liturgie
- 5.7 Die Inkulturation der Dienste und Ämter
- 5.8 Gemeinschaften voller Leben
- 5.9 Die Kraft und die Gabe der Frauen
- 5.10 Horizonte jenseits der Konflikte erweitern
- 5.11 Ökumenisches und interreligiöses Zusammenleben
- 6 SCHLUSS: DIE MUTTER AMAZONIENS
- 7 Anmerkungen
- 8 Weblinks
Einleitend
1. Das geliebte Amazonien steht vor der Welt mit all seiner Pracht, seiner Tragik und seinem Geheimnis. Gott hat uns die Gnade geschenkt, uns dieser Region in besonderer Weise in der vom 6. bis zum 27. Oktober in Rom abgehaltenen Synode zu widmen, die mit dem Dokument Amazonien: Neue Wege für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie ihren Abschluss fand.
Der Sinn dieses Schreibens
2. Ich habe die Wortmeldungen auf der Synode gehört und die Beiträge der Arbeitsgruppen mit Interesse gelesen. Mit diesem Apostolischen Schreiben möchte ich zum Ausdruck bringen, welche Resonanz dieser Weg des Dialogs und der Unterscheidung in mir hervorgerufen hat. So werde ich hier nicht alle Fragen entfalten, die im Schlussdokument ausführlich dargelegt wurden. Ich habe auch nicht vor, es hiermit zu ersetzen oder zu wiederholen. Ich möchte nur einen groben Rahmen für die Reflexion bieten, um in der Wirklichkeit Amazoniens einer Zusammenschau einiger großer Anliegen konkret Gestalt zu geben, die ich schon in meinen früheren Dokumenten aufgezeigt habe und die eine Hilfe und Orientierung für eine harmonische, schöpferische und fruchtbare Rezeption des ganzen synodalen Weges sein kann.
3. Zugleich möchte ich das Schlussdokument offiziell vorstellen. Es bietet uns die Folgerungen der Synode, an der viele Menschen mitgearbeitet haben, die die Problematik Amazoniens besser kennen als ich und die Römische Kurie, da sie dort leben, mit ihm leiden und es leidenschaftlich lieben. Ich habe es daher vorgezogen, das Schlussdokument in diesem Apostolischen Schreiben nicht zu zitieren, weil ich vielmehr dazu einlade, es ganz zu lesen.
4. Gott gebe es, dass sich die ganze Kirche von dieser Arbeit bereichern und anregen lässt, dass sich die Hirten, die gottgeweihten Männer und Frauen und die gläubigen Laien in Amazonien um ihre Umsetzung bemühen und dass diese Arbeit irgendwie alle Menschen guten Willens inspiriert.
Visionen für Amazonien
5. Das Amazonasgebiet ist eine länderübergreifende, zusammenhängende Region, ein großes Biom, an dem neun Länder teilhaben: Brasilien, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Guyana, Peru, Suriname, Venezuela und Französisch-Guayana. Ich richte jedoch dieses Apostolische Schreiben an die ganze Welt. Einerseits tue ich dies, um zu helfen, die Liebe zu diesem Land und die Sorge darum zu wecken, weil es auch „unser“ Land ist, und um einzuladen, es gleichsam als ein heiliges Geheimnis zu bestaunen und zu erkennen; anderseits, weil die Aufmerksamkeit der Kirche gegenüber den Fragestellungen dieses Ortes uns verpflichtet, einige Themen kurz aufzugreifen, die nicht vergessen werden dürfen und die auch anderen Regionen der Erde im Hinblick auf ihre eigenen Herausforderungen als Anregung dienen können.
6. Alles, was die Kirche anzubieten hat, muss an jedem Ort der Welt auf eigene Art Fleisch und Blut annehmen, in einer Weise, dass die Braut Christi vielfältige Gesichter erhält, die den unerschöpflichen Reichtum der Gnade besser ausdrücken. Die Verkündigung muss Fleisch und Blut annehmen, die Strukturen der Kirche müssen Fleisch und Blut annehmen. Das ist der Grund, warum ich mir in diesem kurzen Apostolischen Schreiben bescheiden erlaube, vier große Visionen vorzustellen, zu denen Amazonien mich inspiriert.
7. Ich träume von einem Amazonien, das für die Rechte der Ärmsten, der ursprünglichen (autochthonen) Völker, der Geringsten kämpft, wo ihre Stimme gehört und ihre Würde gefördert wird.
Ich träume von einem Amazonien, dass seinen charakteristischen kulturellen Reichtum bewahrt, wo auf so unterschiedliche Weise die Schönheit der Menschheit erstrahlt.
Ich träume von einem Amazonien, das die überwältigende Schönheit der Natur, die sein Schmuck ist, eifersüchtig hütet, das überbordende Leben, das seine Flüsse und Wälder erfüllt.
Ich träume von christlichen Gemeinschaften, die in Amazonien sich dermaßen einzusetzen und Fleisch und Blut anzunehmen vermögen, dass sie der Kirche neue Gesichter mit amazonischen Zügen schenken.
ERSTES KAPITE: EINE SOZIALE VISION
8. Unsere Vision ist ein Amazonien, das alle seine Bewohner integriert und fördert, damit sie das „buen vivir“ – das „Gute Leben“ – dauerhaft verwirklichen können. Es ist jedoch ein prophetischer Schrei und mühsamer Einsatz für die Ärmsten notwendig. Denn obschon Amazonien vor einer ökologischen Katastrophe steht, muss darauf hingewiesen werden, dass »ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde«.<ref> Enzyklika Laudato si’ (24. Mai 2015), 49: AAS 107 (2015), 866.</ref> Es nützt uns nicht ein Naturschutz, »der sich zwar um das Biom sorgt, aber die Völker Amazoniens außer Acht lässt«.<ref> Instrumentum laboris, 45.</ref>
Ungerechtigkeit und Verbrechen
9. Die kolonisatorischen Interessen waren und sind der Grund für eine – legale und illegale – Ausweitung der Holzgewinnung und des Bergbaus; sie haben die indigenen Völker, die Flussanrainer und die afrikanischstämmige Bevölkerung vertrieben oder umringt. So rufen diese Interessen eine himmelschreiende Klage hervor:
»Zahlreich sind die Bäume,
wo die Folter wohnte,
und riesig die Wälder,
erworben unter tausendfachem Tode.«<ref> Ana Varela Tafur, »Timareo«, in: Lo que no veo en visiones, Lima 1992.</ref>
»Die Holzhändler haben Abgeordnete im Parlament,
doch unser Amazonien hat niemanden, der es verteidigt […]
Sie vertrieben die Papageien und die Affen […]
Die Kastanienernte wird nicht mehr die gleiche sein.«<ref> Jorge Vega Márquez, »Amazonia solitária«, in: Poesía obrera, Cobija / Bolivien 2009, 39.</ref>
10. Dies hat die jüngsten Migrationsbewegungen der Indigenen zu den Peripherien der Städte befeuert. Dort finden sie keine echte Befreiung von ihren Dramen, sondern die schlimmsten Formen an Versklavung, Unterdrückung und Elend. In diesen Städten, die von einer großen Ungleichheit geprägt sind, wohnt der Großteil der Bevölkerung Amazoniens. Dort nehmen aber auch die Fremdenfeindlichkeit, die sexuelle Ausbeutung und der Menschenhandel zu. Daher erhebt sich der Schrei Amazoniens nicht nur aus dem Herzen der Wälder, sondern auch aus dem Inneren seiner Städte.
11. Es ist nicht notwendig, dass ich hier die sehr umfangreichen und vollständigen Analysen wiederhole, die vor und während der Synode vorgelegt wurden. Rufen wir uns zumindest eine der Stimmen, die wir gehört haben, in Erinnerung: »Holzhändler, Viehzüchter und weitere andere beschädigen uns. Wir werden von wirtschaftlichen Akteuren bedroht, die ein in unseren Territorien fremdes Wirtschaftsmodell durchsetzen. Die Holzindustrie dringt in das Gebiet ein, um den Wald auszubeuten, wir schützen den Wald für unsere Kinder, hier haben wir Fleisch, Fisch, pflanzliche Heilmittel, Obstbäume [...] Der Bau von Wasserkraftwerken und das Projekt von Wasserstraßen haben Auswirkungen auf den Fluss und das Land [...] Wir sind eine Region geraubter Gebiete.«<ref> Red Eclesial Panamazónica (REPAM), Brasilien, Síntesis del aporte al Sínodo, 120; vgl. Instrumentum laboris, 45.</ref>
12. Schon mein Vorgänger Benedikt XVI. klagte »die Umweltzerstörung in Amazonien und die Bedrohung der Menschenwürde der dortigen Bevölkerung«<ref> Ansprache an die Jugendlichen, São Paolo (10. Mai 2007), 2: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 37 (2007), Nr. 21 (25. Mai 2007), 6.</ref> an. Ich möchte hinzufügen, dass viele Dramen mit einem falschen „Mythos Amazonien“ in Verbindung standen. Bekanntlich wurde Amazonien seit den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts präsentiert, als wäre es einfach ein enormer leerer Raum, der besetzt, ein Reichtum im Rohzustand, der entwickelt, eine weite Wildnis, die gebändigt werden muss. All das im Zusammenhang mit einer Sichtweise, welche die Rechte der ursprünglichen Völker nicht anerkennt oder diese einfach ignoriert, als würde es sie gar nicht geben oder als würden ihnen die Gebiete, in denen sie wohnen, nicht gehören. Sogar in den Lehrplänen für die Kinder und Jugendlichen wurden die Indigenen als Eindringlinge oder Besetzer dargestellt. Ihr Leben, ihre Anliegen, die Art und Weise ihres Überlebenskampfes waren nicht von Interesse; vielmehr wurden sie als ein Hindernis angesehen, von dem man sich befreien muss, anstatt als Menschen, welche die gleiche Würde wie jeder andere und erworbene Rechte besitzen.
13. Einige Slogans haben zu dieser Unklarheit beigetragen, unter anderem der Spruch „Nicht nachgeben“,<ref> Vgl. Alberto C. Araújo, »Imaginario amazónico«, in: Amazonia real: amazoniareal.com.br. (29. Januar 2014).</ref> als ob eine solche Unterwerfung nur von außerhalb der Länder kommen könnte. Unter dem Vorwand der Entwicklung können jedoch auch lokale Mächte Allianzen eingehen, um den Wald samt den darin beheimateten Lebensformen ungestraft und uneingeschränkt zu zerstören. Sehr oft haben die ursprünglichen Völker der Zerstörung der Umwelt ohnmächtig zusehen müssen, die ihnen Nahrung, Heilung und Überleben bot und die es ihnen möglich machte, einen Lebensstil und eine Kultur zu bewahren, die ihnen Identität und Sinn gab. Die Ungleichheit der Macht ist enorm; die Schwachen haben keine Mittel, um sich zu verteidigen, während der Sieger weiter alles fortträgt. »Die armen Völker werden dabei immer ärmer, die reichen immer reicher.«<ref> Paul VI., Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967), 57: AAS 59 (1967), 285.</ref>
14. Den nationalen oder internationalen Unternehmen, die Amazonien Schaden zufügen und das Recht der ursprünglichen Völker auf ihr Gebiet und seine Grenzen, auf Selbstbestimmung und vorherige Zustimmung nicht achten, muss man den Namen geben, der ihnen gebührt: Ungerechtigkeit und Verbrechen. Wenn sich einige Unternehmen in der Begierde nach schnellem Gewinn die Gebiete aneignen und am Ende sogar das Trinkwasser privatisieren, oder wenn der Holzindustrie und Projekten zum Bergbau oder zur Erdölförderung sowie anderen Unternehmungen, welche die Wälder zerstören und die Umwelt verschmutzen, seitens der Behörden grünes Licht gegeben wird, dann verändern sich die wirtschaftlichen Beziehungen auf ungerechtfertigte Weise und werden zu einem Instrument, das tötet. Gewöhnlich wird auf Mittel bar jeder Ethik zurückgegriffen. Dazu gehören Sanktionen gegen Proteste und sogar die Ermordung der Indigenen, die sich den Projekten entgegenstellen, die Brandstiftung in den Wäldern oder die Bestechung von Politikern und Indigenen selbst. Dies wird von schweren Menschenrechtsverletzungen und von neuen Arten der Sklaverei vor allem gegenüber den Frauen begleitet wie auch von der Plage des Rauschgifthandels, der die Indigenen zu unterwerfen sucht, oder vom Menschenhandel, der die aus ihrem kulturellen Umfeld Vertriebenen ausnutzt. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Globalisierung zu einer »neue[n] Form des Kolonialismus«<ref> Johannes Paul II., Ansprache an die Päpstliche Akademie der Sozialwissenschaften (27. April 2001), 4: AAS 93 (2001), 600.</ref> wird.
Sich empören und um Vergebung bitten
15. Man muss sich empören,<ref> Vgl. Instrumentum laboris, 41.</ref> so wie Mose zornig wurde (vgl. Ex 11,8), so wie Jesus zürnte (vgl. Mk 3,5), so wie Gott angesichts der Ungerechtigkeit in Zorn entbrannte (vgl. Am 2,4-8; 5,7-12; Ps 106,40). Es ist nicht gesund, wenn wir uns an das Böse gewöhnen, es tut uns nicht gut, wenn wir zulassen, dass unser soziales Gewissen betäubt wird, während »immer mehr Spuren der Verwüstung, ja sogar des Todes in unserer gesamten Region […] das Leben von Millionen Menschen und speziell den Lebensraum der Bauern und Indigenen in Gefahr [bringen]«.<ref> [[[5. Generalversammlung der CELAM in Aparecida 2007|5. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik, Schlussdokument von Aparecida]] (29. Juni 2007), 473.</ref> Die Vorfälle von Ungerechtigkeit und Grausamkeit, die selbst während des letzten Jahrhunderts in Amazonien stattfanden, sollten eine tiefe Ablehnung hervorrufen, uns jedoch zugleich sensibel machen gegenüber den auch gegenwärtigen Formen der Ausbeutung von Menschen, der Gewalttätigkeit und des Tötens. In Bezug auf die beschämende Vergangenheit nehmen wir als Beispiel eine Erzählung über das Leiden der Indigenen während des Kautschukbooms im venezolanischen Teil Amazoniens: »Den Indigenen gaben sie kein Geld, sondern Waren zu teurem Preis, und so wurden sie nie damit fertig, sie zu bezahlen […] Sie zahlten, aber sie sagten zum Indigenen: „Du hast hohe Schulden“, und der Indigene musste zurückkehren, um zu arbeiten […] Mehr als zwanzig Dörfer der Yekuana wurden vollständig zerstört. Die Frauen der Yekuana wurden vergewaltigt, ihnen wurden die Brüste entfernt und den Schwangeren wurde der Bauch aufgeschlitzt. Den Männern wurden die Finger oder die Hände abgeschnitten, damit sie nicht mit den Schiffen fahren konnten […] neben anderen Szenen von ganz sinnlosem Sadismus.«<ref> Ramón Iribertegui, Amazonas: El hombre y el caucho, hrsg. Apostolisches Vikariat von Puerto Ayacucho / Venezuela, Monographie, Nr. 4, Caracas 1987, 307ff.</ref>
16. Eine solche Geschichte von Leid und Missachtung heilt nicht leicht. Ebenso nimmt die Kolonialisierung kein Ende, sondern verändert, tarnt und verbirgt sich an vielen Orten,<ref> Vgl. Amarílis Tupiassú, »Amazônia, das travessias lusitanas à literatura de até agora«, in: Estudos Avançados, Bd. 19, Nr. 53, São Paolo (Januar/April 2005): »Tatsächlich ging nach dem Ende der ersten Kolonialisierung der Weg Amazoniens als eine der weltlichen Gier unterworfene Region weiter. Nun geschah dies dank einer neuen Rhetorik […] seitens von „Zivilisationsbringern“, die nicht einmal einer Personifizierung bedürfen, um die neuen Facetten der alten Auslöschung, die jetzt als langsamer Tod daherkommt, zu erzeugen und zu vermehren.«</ref> verliert jedoch nicht ihre Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Leben der Armen und der Zerbrechlichkeit der Umwelt. Die Bischöfe des brasilianischen Teils Amazoniens haben dies in Erinnerung gerufen: »Die Geschichte Amazoniens zeigt, dass es immer eine Minderheit war, die um den Preis der Armut der Mehrheit profitierte sowie dank des skrupellosen Raubbaus der Naturreichtümer in der Region, die eine göttliche Gabe an die seit Jahrtausenden dort lebenden Völker und an die im Lauf der vergangenen Jahrhunderte gekommenen Migranten darstellt.«<ref> Bischöfe des brasilianischen Amazonasgebiets, Carta al pueblo de Dios, Santarém / Brasilien (6. Juli 2012).</ref>
17. Während wir eine gesunde Empörung aufkommen lassen, rufen wir zugleich in Erinnerung, dass es immer möglich ist, die verschiedenen kolonialen Mentalitäten zu überwinden, um Netze der Solidarität und Entwicklung aufzubauen. Denn »die Herausforderung besteht […] darin, eine Globalisierung in Solidarität, eine Globalisierung ohne Ausgrenzung zu sichern«.<ref> Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 1998, 3: AAS 90 (1998), 150.</ref> Man kann nach Alternativen suchen im Hinblick auf eine nachhaltige Viehzucht und Landwirtschaft, auf Energien, die nicht verschmutzen, und auf würdige Arbeitsquellen, die nicht die Zerstörung der Umwelt und der Kulturen mit sich bringen. Gleichzeitig muss den Indigenen und den Ärmsten eine angemessene Bildung sichergestellt werden, die ihre Begabungen fördert und ihnen weitere Chancen bietet. Genau in diesem Bereich kommen die wahre Klugheit und das echte Können der Politiker ins Spiel. Hier geht es nicht darum, den Toten das Leben zurückzugeben, das ihnen verwehrt wurde, und auch nicht darum, die Überlebenden dieser Massaker zu entschädigen, sondern wenigstens heute wirklich menschlich zu sein.
18. Es ermutigt uns, daran zu erinnern, dass inmitten der schlimmen Exzesse der Kolonialisierung Amazoniens voll von »Widersprüchen und Irrungen«<ref> 3. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik, Schlussdokument von Puebla (23. März 1979), 6.</ref> viele Missionare mit dem Evangelium dorthin gekommen sind; sie verließen dafür ihre Länder und nahmen ein entbehrungsreiches und anstrengendes Leben an der Seite der ganz Schutzlosen in Kauf. Wir wissen, dass nicht alle vorbildlich waren, doch die Arbeit derer, die dem Evangelium treu blieben, »inspirierte […] auch die Gesetzgebung, zum Beispiel die „Leyes de Indias“. Diese haben die Würde der Indigenen vor der Verwüstung ihrer Dörfer und Territorien geschützt.«<ref> Instrumentum laboris, 6. Mit dem Breve Veritas ipsa (2. Juni 1537) verurteilte Paul III. die Rassenthesen, indem er den Indios – ob sie nun Christen waren oder nicht – die Würde der menschlichen Person zuerkannte. Er sprach ihnen das Recht auf Besitz zu und verbot ihre Versklavung. Er sagte, dass »sie Menschen sind wie die anderen [...] und ihrer Freiheit und des Besitzes ihres Hab und Guts nicht beraubt werden dürfen, selbst wenn sie den Glauben an Jesus Christus noch nicht angenommen haben«. Diese Lehre haben die Päpste immer wieder bekräftigt: Gregor XIV. in der Bulle Cum sicuti (28. April 1591); Urban VIII. in der Bulle Commissum Nobis (22. April 1639); Benedikt XIV. in der an die Bischöfe Brasiliens gerichteten Bulle Immensa Pastorum Principis (20. Dezember 1741); Gregor XVI. im Breve In supremo (3. Dezember 1839); Leo XIII. im Brief an die Bischöfe Brasiliens über die Sklaverei (5. Mai 1888); Johannes Paul II. in der Botschaft an die Ureinwohner Amerikas, Santo Domingo (12. Oktober 1992), 2: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 22 (1992), Nr. 45 (6. November 1992), 13.</ref> Da es oft die Priester waren, welche die Indigenen vor den Angreifern und Ausbeutern schützten, erzählen die Missionare: »Sie baten uns inständig, sie nicht zu verlassen, und sie rangen uns das Versprechen ab, wieder zurückzukommen.«<ref> Frederico Benício de Sousa Costa, Carta pastoral (1909), hrsg. Imprensa do governo do Estado de Amazonas, Manaus 1994, 83.</ref>
19. Heutzutage darf die Kirche nicht weniger engagiert sein, und sie ist gerufen, auf den Schrei der Völker Amazoniens zu hören, »um unzweideutig ihre prophetische Rolle wahrzunehmen«.<ref> Instrumentum laboris, 7.</ref> Zugleich schäme ich mich, da unleugbar der Weizen mit dem Unkraut vermischt wurde und die Missionare nicht immer den Unterdrückten zur Seite standen. So »bitte« ich einmal mehr »demütig um Vergebung, nicht nur für die Verletzungen der Kirche selbst, sondern für die Verbrechen gegen die Urbevölkerungen während der sogenannten Eroberung Amerikas«<ref> Ansprache anlässlich des 2. Welttreffens der Volksbewegungen, Santa Cruz de la Sierra / Bolivien (9. Juli 2015): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 45 (2015), Nr. 29 (17. Juli 2015), 15.</ref> und für die schrecklichen Verbrechen, die im Laufe der ganzen Geschichte Amazoniens folgten. Ich danke den Mitgliedern der ursprünglichen Völker und sage ihnen aufs Neue, »dass ihr mit eurem Leben in Wahrheit in die Gewissen […] schreit […] Ihr seid lebendige Erinnerung an die Sendung, die Gott uns allen anvertraut hat: das „gemeinsame Haus“ zu bewahren.«<ref> Ansprache bei der Begegnung mit den Völkern Amazoniens, Puerto Maldonado / Peru (19. Januar 2018): AAS 110 (2018), 300.</ref>
Gemeinschaftssinn
20. Der Der Einsatz für den Aufbau einer gerechten Gesellschaft erfordert eine Eignung zur Brüderlichkeit, einen Geist menschlicher Gemeinschaft. Wenn auch der Aspekt der persönlichen Freiheit nicht unwichtig ist, wird bei den ursprünglichen Völkern Amazoniens doch deutlich, dass sie einen starken Gemeinschaftssinn haben. Auf diese Weise leben sie »Arbeit und Ruhe, menschliche Beziehungen, Riten und Feiern. Alles wird miteinander geteilt. Private Räume, die für die Moderne typisch sind, gibt es nur wenige. Das Leben ist ein gemeinschaftlicher Weg, in dem Aufgaben und Verantwortlichkeiten so untereinander verteilt und miteinander geteilt werden, dass sie dem Gemeinwohl zugutekommen. Die Vorstellung von einem Individuum, das ohne Verbindung zur Gemeinschaft oder ihrem Territorium existiert, hat keinen Platz.«<ref> Instrumentum laboris, 24.</ref> Die menschlichen Beziehungen werden von der Natur um sie herum geprägt. Denn sie spüren und nehmen diese als eine Wirklichkeit wahr, die ihre Gesellschaft und ihre Kultur integriert, gleichsam als eine Art Verlängerung ihres eigenen Körpers bzw. den der Familie und der Gruppe:
»Es nähert sich dieser Stern,
die Kolibris schlagen mit ihren Flügeln, lauter als der Wasserfall donnert mein Herz, die Erde werde ich mit deinen Lippen bewässern,
ach dass doch der Wind mit uns spiele.«<ref> Yana Lucila Lema, Tamyahuan Shamakupani (Con la lluvia estoy viviendo), 1, abrufbar unter: http://siwarmayu.com/es/yana-lucila-lema-6-poemas-de-tamyawan-shamukupani-con-la-lluvia-estoy-viviendo/.</ref>
21. Dies verstärkt dann noch die zerrüttende Wirkung der Entwurzelung, welche die Indigenen erfahren, die sich zum Wegzug in die Städte gezwungen sehen, wo sie – manchmal auch auf unwürdige Weise – inmitten der ganz individualistischen Gewohnheiten urbanen Lebens und in einer feindlichen Umgebung zu überleben suchen. Wie kann eine solch schwere Verletzung geheilt werden? Wie können diese entwurzelten Leben erneuert werden? Angesichts dieser Situation müssen alle Anstrengungen gewürdigt und begleitet werden, die von vielen dieser Gruppen unternommen werden, um ihre Werte und Lebensstile zu bewahren und sich in die neuen Umfelder einzugliedern, ohne dass sie diese verlieren, sondern vielmehr als einen Beitrag zum Gemeinwohl anbieten.
22. Christus hat den ganzen Menschen erlöst und will in jedem die Fähigkeit, mit den anderen in Beziehung zu treten, wiederherstellen. Das Evangelium bietet uns die göttliche Liebe an, die aus dem Herzen Christi hervorströmt und ein Streben nach Gerechtigkeit bewirkt, die zugleich ein Loblied auf die Brüderlichkeit und Solidarität, eine Anregung zur Begegnungskultur ist. Die Weisheit des Lebensstils der ursprünglichen Völker – auch mit all den Grenzen, die er haben mag – regt uns an, dieses Bestreben zu vertiefen. Aus diesem Grund haben die Bischöfe Ecuadors »ein neues soziales und kulturelles System« gefordert, »das den solidarischen Beziehungen Vorrechte einräumt und sie in einen Rahmen stellt, der die verschiedenen Kulturen und Ökosysteme anerkennt und achtet als auch in der Lage ist, sich jeder Form von Diskriminierung und Vorherrschaft unter den Menschen zu widersetzen«.<ref> Ecuadorianische Bischofskonferenz, Cuidemos nuestro planeta (20. April 2012), 3.</ref>
Beschädigte Institutionen
23. In der Enzyklika Laudato si’ haben wir in Erinnerung gerufen: »Wenn zwischen allen Dingen Beziehungen bestehen, bringt auch der Gesundheitszustand der Institutionen einer Gesellschaft Folgen für die Umwelt und die menschliche Lebensqualität mit sich […] Innerhalb einer jeden sozialen Ebene und zwischen ihnen entwickeln sich die Institutionen, die die menschlichen Beziehungen regeln. Alles, was diese Institutionen beschädigt, hat schädliche Auswirkungen: sei es der Verlust der Freiheit oder seien es die Ungerechtigkeit und die Gewalt. Die Regierung verschiedener Länder stützt sich auf eine instabile institutionelle Basis, auf Kosten der leidenden Bevölkerung«.<ref> Nr. 142: AAS 107 (2015), 904-905.</ref>
24. Wie steht es um die Institutionen der Zivilgesellschaft in Amazonien? Das Instrumentum laboris der Synode, das viele Beiträge der Menschen und Gruppen in Amazonien beinhaltet, berichtet von einer »Kultur, die den Staat und seine Institutionen vergiftet und schließlich alle gesellschaftlichen Schichten, sogar die indigenen Gemeinschaften, durchdringt. Das ist wirklich eine moralische Plage; das Vertrauen in die Institutionen und deren Repräsentanten geht verloren; Politik und gesellschaftliche Organisationen werden völlig diskreditiert. Die Völker Amazoniens selbst bleiben von der Korruption auch nicht verschont, und werden schließlich ihre Hauptopfer.«<ref> Nr. 82.</ref>
25. Wir können nicht ausschließen, dass Mitglieder der Kirche Teil des Korruptionsnetzes waren; bisweilen ging dies soweit, dass sie zustimmten, im Austausch gegen finanzielle Unterstützung von kirchlichen Werken Stillschweigen zu wahren. Genau deswegen gingen bei der Synode Vorschläge ein, die dazu aufforderten, »besonders aufmerksam auf die Herkunft von Spenden oder anderen Zuwendungen zu achten, ebenso wie auf die Investitionen von kirchlichen Institutionen bzw. von einzelnen Christen«.<ref> Ebd., 83.</ref>
Sozialer Dialog
26. Amazonien sollte auch ein Ort für den sozialen Dialog sein, vor allem zwischen den verschiedenen ursprünglichen Völkern, um Formen der Gemeinschaft und des gemeinsamen Engagements zu finden. Wir anderen sind gerufen, als „Gäste“ teilzunehmen und mit größtem Respekt nach Wegen der Begegnung zu suchen, die Amazonien bereichern können. Wenn wir jedoch miteinander sprechen wollen, sollten wir dies zuallererst mit den Geringsten tun. Sie sind weder irgendein Gesprächspartner, den man überzeugen muss, noch eine weitere Person an einem Tisch mit gleichen Teilnehmern. Sie sind vielmehr die Hauptgesprächspartner: wir müssen vor allem von ihnen lernen, ihnen aus geschuldeter Gerechtigkeit zuhören und sie um Erlaubnis bitten, unsere Vorschläge darlegen zu dürfen. Ihr Wort, ihre Hoffnungen, ihre Befürchtungen sollten bei jedem Gesprächstisch über Amazonien die wichtigste Stimme darstellen. Und die große Frage ist: Wie stellen sie sich selbst das „buen vivir“, das „Gute Leben“, für sich und ihre Nachkommen vor?
27. Der Dialog muss nicht nur der vorrangigen Option für die Verteidigung der Armen, der Ausgegrenzten und der Ausgeschlossenen das Vorrecht einräumen, sondern diese als Hauptpersonen betrachten. Es geht darum, den anderen „als anderen“ anzuerkennen und mit seinem Empfinden, mit seinen ganz persönlichen Entscheidungen und seiner Lebens- und Arbeitsweise wertzuschätzen. Andernfalls wird das Ergebnis wie immer ein »Plan einiger weniger für einige wenige«<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 239: AAS 105 (2013), 1116.</ref> sein, wenn nicht sogar »einen Konsens auf dem Papier […] oder einen oberflächlichen Frieden für eine glückliche Minderheit«<ref> Ebd., 218: AAS 105 (2013), 1110.</ref> darstellen. Wenn dies geschieht, »muss eine prophetische Stimme erhoben werden«<ref> Ebd.</ref> und sind wir Christen gerufen, diese zu Gehör zu bringen.
Daraus erwächst die folgende Vision.
ZWEITES KAPITEL: EINE KULTURELLE VISION
28. Es geht darum, Amazonien zu fördern; dies bedeutet jedoch nicht, es kulturell zu kolonisieren, sondern ihm dabei zu helfen, das Beste aus sich zu machen. Darin liegt der Sinn der besten Bildungsarbeit: erziehen ohne zu entwurzeln; wachsen lassen, ohne die Identität zu schwächen; fördern ohne zu vereinnahmen. Wie es in der Natur Möglichkeiten gibt, die für immer verloren gehen könnten, so kann das Gleiche mit Kulturen geschehen, die eine bisher ungehörte Botschaft beinhalten und heute mehr denn je bedroht sind.
Das Polyeder Amazoniens
29. In Amazonien finden sich viele Völker und Nationalitäten, und mehr als einhundertzehn indigene Völker leben in freiwilliger Isolation (pueblos indígenas en aislamiento voluntario - PIAV).<ref> Vgl. Instrumentum laboris, 57.</ref> Ihre Situation ist sehr unsicher, und viele werden sich bewusst, zu den letzten Hütern eines Schatzes zu gehören, der zum Verschwinden bestimmt ist, so als ob man ihnen nur gestatten würde zu überleben, wenn sie nicht lästig werden, während die postmoderne Kolonialisierung voranschreitet. Man muss vermeiden, sie als „unzivilisierte Wilde“ zu betrachten. Sie sind einfach Träger von anderen Kulturen und anderen Formen der Zivilisation, die in frühen Zeiten zu bemerkenswerten Entwicklungsstufen gelangt sind.<ref> Vgl. Evaristo Eduardo de Miranda, Quando o Amazonas corria para o Pacífico, Petrópolis 2007, 83-93.</ref>
30. Vor der Kolonialisierung konzentrierten sich die Bevölkerungen an den Ufern der Flüsse und Seen, aber das Vorrücken der Kolonisatoren drängte die vorhandene Bevölkerung in die Tiefe der Wälder. Heute werden viele Menschen durch die fortschreitende Verödung vertrieben. Sie enden darin, die Peripherien oder die Gehwege der Städte zu bevölkern, zuweilen in äußerstem Elend, aber auch in einer inneren Zersplitterung aufgrund des Verlustes der Werte, die sie stützten. In diesem Umfeld verlieren sie gewöhnlich die Bezugspunkte und die kulturellen Wurzeln, die ihnen eine Identität und ein Gefühl der Würde gaben, und vergrößern die Reihen der Ausgegrenzten. Damit wird die kulturelle Weitergabe einer über Jahrhunderte von Generation zu Generation vermittelten Weisheit unterbrochen. Die Städte, die Orte der Begegnung, der gegenseitigen Bereicherung und der Befruchtung zwischen verschiedenen Kulturen sein sollten, werden zum Schauplatz einer schmerzhaften Ausgrenzung.
31. Jedes Volk, das es geschafft hat, im Amazonasgebiet zu überleben, besitzt seine eigene kulturelle Identität und einen einzigartigen Reichtum in einem plurikulturellen Universum aufgrund der engen Beziehung, die die Bewohner zu ihrer Umwelt aufbauen. Es erhält seine Eigenart in einer - nicht deterministischen - Symbiose, die mit externen Denkmustern schwer zu verstehen ist:
»Es war einmal eine Landschaft, die mit ihrem Fluss,
ihren Tieren, ihren Wolken und ihren Bäumen in Erscheinung trat.
Manchmal aber, wenn die Landschaft mit ihrem Fluss und den Bäumen
nirgendwo zu sehen war,
mussten sie im Geist eines Jungen zum Vorschein kommen.«<ref> Juan Carlos Galeano, »Paisajes«, in Amazonia y otros poemas, hrsg. Universidad Externado de Colombia, Bogotá 2011, 31.</ref>
»Aus dem Fluss mache dein Blut [...]
Dann lass dich pflanzen,
keime und wachse,
dass deine Wurzel
sich für immer
an die Erde klammere,
und schließlich
sei Kanu,
Boot, Floß,
Füße, Tonne,
Schutzhütte und Mensch.«<ref> Javier Yglesias, »Llamado«, in: Revista peruana de literatura, Nr. 6 (Juni 2007), 31.</ref>
32. Die menschlichen Gruppen, ihre Lebensweise und Weltanschauung sind so vielfältig wie das Territorium, da sie sich der Geographie und ihren Ressourcen anpassen mussten. Fischervölker, Völker, die im Landesinneren von der Jagd oder Landwirtschaft leben, und Völker, die Überschwemmungsgebiete bewirtschaften, sind nicht das Gleiche. Wir finden in Amazonien noch immer Tausende von Gemeinschaften der Indigenen, der afrikanischstämmigen Bevölkerungen, der Flussanrainer und Stadtbewohner, die sehr unterschiedlich sind und eine große menschliche Vielfalt in sich bergen. Gott zeigt sich durch ein Territorium und seine Eigenschaften, er lässt darin etwas von seiner unerschöpflichen Schönheit widerscheinen. Daher entwickeln die verschiedenen Gruppen in einer vitalen Synthese mit ihrer Umgebung ihre eigene Art der Weisheit. Die außenstehenden Beobachter unter uns sollten ungerechte Verallgemeinerungen, vereinfachende Reden oder Schlussfolgerungen vermeiden, die nur aus den eigenen Denkweisen und Erfahrungen gezogen werden.
Die Wurzeln pflegen
33. Ich möchte nun daran erinnern: »Die konsumistische Sicht des Menschen, die durch das Räderwerk der aktuellen globalisierten Wirtschaft angetrieben wird, neigt dazu, die Kulturen gleichförmig zu machen und die große kulturelle Vielfalt, die einen Schatz für die Menschheit darstellt, zu schwächen.«<ref> Enzyklika Laudato si’ (24. Mai 2015), 144: AAS 107 (2015), 905.</ref> Dies betrifft zunächst die jungen Menschen, wenn man dazu neigt »die ihrem Herkunftsort eigenen Unterschiede aufzulösen und sie in manipulierbare serienmäßig hergestellte Individuen zu verwandeln«.<ref> Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christus vivit (25. März 2019), 186.</ref> Um diese Dynamik menschlicher Verarmung zu vermeiden, muss man die Wurzeln lieben und pflegen, da sie ein »Bezugspunkt [sind], der uns erlaubt, zu wachsen und auf die neuen Herausforderungen zu antworten«.<ref> Ebd., 200.</ref> Ich lade die jungen Menschen Amazoniens ein, insbesondere die Indigenen »sich um die Wurzeln zu kümmern, denn von den Wurzeln kommt die Kraft, die euch wachsen, blühen und Frucht bringen lässt«.<ref> Videobotschaft für das Welttreffen mit den indigenen Jugendlichen, Soloy / Panama (18. Januar 2019).</ref> Für die Getauften unter ihnen umfassen diese Wurzeln die Geschichte des Volkes Israel und der Kirche bis heute. Sie zu kennen, ist eine Quelle der Freude und vor allem der Hoffnung, die zu mutigen und edlen Taten inspiriert.
34. Über Jahrhunderte hinweg haben die Völker Amazoniens ihre kulturelle Weisheit mündlich weitergegeben in Mythen, Legenden und Erzählungen, wie es mit »jenen urzeitlichen Erzählern geschah, die durch die Wälder zogen und Geschichten von Dorf zu Dorf trugen, um eine Gemeinschaft am Leben zu erhalten, die sich ohne die Nabelschnur dieser Geschichten in der Distanz und der Isolation zersplittert und aufgelöst hätte«.<ref> Mario Vargas Llosa, Prolog aus El Hablador, Madrid (8. Oktober 2007).</ref> Daher ist es wichtig, »die älteren Menschen lang erzählen zu lassen«,<ref> Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christus vivit (25. März 2019), 195.</ref> und die jungen Menschen müssen dabei verweilen, aus dieser Quelle zu trinken.
35. Während die Gefahr, diesen kulturellen Reichtum zu verlieren, immer größer wird, haben in den letzten Jahren Gott sei Dank einige Völker begonnen, ihre Geschichten in Erzählungen aufzuschreiben und die Bedeutung ihrer Bräuche zu erklären. Auf diese Weise können sie selbst ausdrücklich anerkennen, dass es mehr als nur eine ethnische Identität gibt und dass sie Hüter wertvoller persönlicher, familiärer und kollektiver Erinnerungen sind. Es freut mich zu sehen, dass diejenigen, die den Kontakt zu ihren Wurzeln verloren haben, versuchen ihre beeinträchtigte Erinnerung zurückzuerlangen. Andererseits wurde auch in den professionellen Bereichen ein größeres Bewusstsein für die amazonische Identität entwickelt, und selbst für die, die oft Nachkommen von Einwanderern sind, ist Amazonien zu einer Quelle künstlerischer, literarischer, musikalischer und kultureller Inspiration geworden. Die vielfältigen künstlerischen Ausdrucksweisen und vor allem die Poesie ließen sich vom Wasser, vom Wald, vom pulsierenden Leben sowie von der kulturellen Vielfalt und den ökologischen und sozialen Herausforderungen inspirieren.
Interkulturelle Begegnung
36. Wie jede kulturelle Wirklichkeit haben auch die Kulturen des tiefen Amazoniens ihre Grenzen. Die westlichen urbanen Kulturen weisen sie ebenso auf. Faktoren wie Konsumverhalten, Individualismus, Diskriminierung, Ungleichheit und viele andere machen die zerbrechlichen Aspekte der scheinbar weiter entwickelten Kulturen aus. Die ethnischen Gruppen, die einen mit der Natur verbundenen Kulturschatz mit einem starken Gemeinschaftssinn entwickelt haben, bemerken leicht unsere Schattenseiten, die wir inmitten des vermeintlichen Fortschritts nicht erkennen. Deshalb wird es uns guttun, ihre Lebenserfahrung aufzugreifen.
37. Von unseren Wurzeln her sitzen wir am gemeinsamen Tisch, einem Ort des gemeinsamen Gesprächs und der Hoffnung. Auf diese Weise wird der Unterschied, der eine Flagge oder eine Grenze sein kann, zur Brücke. Identität und Dialog sind keine Feinde. Die eigene kulturelle Identität wurzelt im Dialog mit denen, die anders sind, und wird durch ihn bereichert. Echte Bewahrung ist keine verarmende Isolation. Daher ist es nicht meine Absicht, einen völlig geschlossenen, ahistorischen, statischen Indigenismus voranzutreiben, der jede Form der Vermischung ablehnt. Eine Kultur kann unfruchtbar werden, wenn sie sich »in sich selber verschließt und veraltete Lebensformen zu verewigen sucht, indem sie jeden Austausch und jede Auseinandersetzung über die Wahrheit vom Menschen ablehnt«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), 50: AAS 83 (1991), 856.</ref> Dies mag wenig realistisch erscheinen, da es nicht leicht ist, sich vor einer kulturellen Invasion zu schützen. Deshalb sollte dieses Interesse an der Pflege der kulturellen Werte der indigenen Gruppen uns allen gemeinsam sein, denn ihr Reichtum ist auch der unsere. Wenn wir nicht in diesem Sinn der Mitverantwortung angesichts der Vielfalt, die unsere Menschheit schön macht, wachsen, können wir nicht verlangen, dass sich die im Regenwald wohnenden Gruppen arglos der „Zivilisation“ öffnen.
38. In Amazonien ist es selbst unter den verschiedenen indigenen Völkern möglich, »interkulturell[e] Beziehungen [zu entwickeln], in denen Verschiedenartigkeit keine Bedrohung mehr darstellt und keine Rechtfertigung mehr für hierarchische Machtausübung der einen über die anderen liefert, in denen die Verschiedenartigkeit vielmehr die unterschiedlichen kulturellen Visionen von Fest und Feier, von zwischenmenschlichem Umgang und von der Wiederkehr der Hoffnung miteinander ins Gespräch bringt«.<ref> 5. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik, Schlussdokument von Aparecida (29. Juni 2007), 97.</ref>
Bedrohte Kulturen, gefährdete Völker
39. Die globalisierte Wirtschaft beschädigt den menschlichen, sozialen und kulturellen Reichtum schamlos. Die Auflösung der Familien, die sich ausgehend von der erzwungenen Migration ergibt, zieht auch die Weitergabe der Werte in Mitleidenschaft, denn »die Familie ist und war immer die soziale Institution, die am meisten dazu beigetragen hat, unsere Kulturen am Leben zu erhalten«.<ref> Ansprache bei der Begegnung mit den Völkern Amazoniens, Puerto Maldonado / Peru (19. Januar 2018): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 48 (2018), Nr. 4 (26. Januar 2018), 13.</ref> Darüber hinaus ist es notwendig, »gegenüber der kolonisierenden Invasion durch die Massenmedien« zugunsten der ursprünglichen Völker »von ihren eigenen Sprachen und Kulturen bestimmte Kommunikationsformen« zu fördern, und »dass die Themen der Indigenen selbst in den bereits vorhandenen Medien in Erscheinung treten«.<ref> Instrumentum laboris 123, e.</ref>
40. In jedem Projekt für Amazonien ist es »nötig, sich die Perspektive der Rechte der Völker und der Kulturen anzueignen, und auf diese Weise zu verstehen, dass die Entwicklung einer sozialen Gruppe […] verlangt, dass die lokalen sozialen Akteure ausgehend von ihrer eigenen Kultur ständig ihren zentralen Part übernehmen«.<ref> Enzyklika Laudato si’ (24. Mai 2015), 144: AAS 107 (2015), 906.</ref> Wenn aber die althergebrachten Kulturen der ursprünglichen Völker im engen Kontakt mit der natürlichen Umwelt entstanden sind und sich entwickelt haben, so können sie schwer unversehrt bleiben, wenn diese Umwelt Schaden erleidet.
Dies eröffnet den Weg für die folgende Vision.
DRITTES KAPITEL: EINE ÖKOLOGISCHE VISION
41. In einer kulturellen Landschaft wie dem Amazonasgebiet, wo eine so enge Beziehung zwischen Mensch und Natur besteht, hat das tägliche Leben immer eine kosmische Dimension. Andere aus ihrer Sklaverei zu befreien bedeutet gewiss, sich um die Umwelt zu kümmern und sie zu schützen,<ref> Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 51: AAS 101 (2009), 687: »Die Natur ist besonders in unserer Zeit so sehr in die Dynamik der sozialen und kulturellen Abläufe integriert, dass sie fast keine unabhängige Variable mehr darstellt. Die fortschreitende Wüstenbildung und die Verelendung mancher Agrargebiete sind auch Ergebnis der Verarmung der dort wohnenden Bevölkerungen und der Rückständigkeit.«</ref> aber noch mehr, dem Herzen des Menschen zu helfen, sich vertrauensvoll dem Gott zu öffnen, der nicht nur alles, was existiert, geschaffen hat, sondern auch sich selbst in Jesus Christus uns geschenkt hat. Der Herr, der sich als Erster um uns sorgt, lehrt uns, uns um unsere Brüder und Schwestern und um die Umwelt zu kümmern, die er uns jeden Tag schenkt. Dies ist die erste Ökologie, derer wir bedürfen. In Amazonien versteht man die Worte Benedikts XVI. besser, als er sagte: »Neben der Ökologie der Natur gibt es also auch eine — wie man es ausdrücken könnte — „Humanökologie”, die ihrerseits eine „Sozialökologie“ erfordert. Und das bedeutet, dass sich die Menschheit […] die bestehenden Verbindungen zwischen der Natur-Ökologie — also der Rücksicht auf die Natur — und der auf den Menschen bezogenen Ökologie immer mehr vor Augen halten muss.«<ref> Botschaft zum Weltfriedenstag 2007, 8: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 36 (2006), Nr. 51/52 (22. Dezember 2006), 10.</ref> Das Beharren darauf, dass »alles miteinander verbunden ist«,<ref> Enzylika Laudato si’ (24. Mai 2015), 16, 91, 117, 138, 240: AAS 107 (2015), 854, 884, 894, 903, 941.</ref> gilt besonders für ein Gebiet wie Amazonien.
42. Wenn die Sorge für die Menschen und die Ökosysteme untrennbar sind, erlangt dies dort besondere Bedeutung, wo »der Wald keine auszunutzende Ressource ist, sondern ein Wesen oder mehrere Wesen, mit denen man in Beziehung treten kann«.<ref> Dokument Bolivia: informe país. Consulta pre sinodal (2019), 36; vgl. Instrumentum laboris, 23.</ref> Die Weisheit der ursprünglichen Völker Amazoniens »inspiriert dazu, sorgsam und respektvoll mit der Schöpfung zu leben, im klaren Bewusstsein ihrer Grenzen, das jeden Missbrauch verbietet. Die Natur missbrauchen bedeutet, die Vorfahren, die Brüder und Schwestern, die Schöpfung und den Schöpfer zu missbrauchen und dadurch die Zukunft aufs Spiel zu setzen.«<ref> Instrumentum laboris, 26.</ref> Wenn die Indigenen »in ihren Territorien bleiben, sind es gerade sie, die am besten für sie sorgen«,<ref> Enzyklika Laudato si’ (24. Mai 2015), 146: AAS 107 (2015), 906.</ref> vorausgesetzt, dass sie nicht in die Sirenengesänge und eigennützigen Angebote von Machtgruppen verwickelt werden. Der Schaden für die Natur trifft sie auf sehr direkte und greifbare Weise, denn wir »sind Wasser, Luft, Erde und Leben der von Gott geschaffenen Umwelt. Deshalb bitten wir, dass die Misshandlung und Ausbeutung von Mutter Erde aufhört. Die Erde blutet und ist am Ausbluten, die multinationalen Konzerne haben die Adern unserer Mutter Erde aufgeschnitten.«<ref> Documento con aportes al Sínodo de la Diócesis de San José del Guaviare y de la Arquidiócesis de Villavicencio y Granada(Kolumbien); vgl. Instrumentum laboris, 17.</ref>
Ein Traum aus Wasser
43. In Amazonien ist das Wasser König, die Flüsse und Bäche sind wie Adern und jede Form des Lebens hat in ihm seinen Ursprung:
»Dort, in der Fülle der brennenden Sommer, wenn die letzten Böen aus dem Osten tot in der unbeweglichen Luft sich verdünnen, wird das Thermometer durch das Hygrometer in der Bestimmung des Klimas ersetzt. Die Existenzen leiden unter einer schmerzhaften Alternative zwischen Abschwellen und Ansteigen der großen Flüsse. Diese steigen immer wieder auf erstaunliche Weise an. Der angeschwollene Amazonas kommt aus seinem Bett, hebt seinen Wasserspiegel in wenigen Tagen an [...] Die Flut ist ein Stillstand im Leben. Gefangen in den Maschen der „Wege der Kanus“ wartet der Mensch dann mit seltenem Stoizismus angesichts des unaufhaltbaren Schicksals auf das Ende jenes paradoxen Winters mit hohen Temperaturen. Das Fallen der Wasserstände markiert die Ankunft des Sommers. Es ist die Wiederauferstehung der ursprünglichen Tätigkeit derer, die sich dort schlagen, der einzigen Lebensform, die mit der Natur vereinbar ist, die in ihren unterschiedlichen Ausprägungen extrem ist und die Fortsetzung jeder Anstrengung unmöglich macht.«<ref> Euclides da Cunha, Los Sertones (Os Sertões), Buenos Aires 1946, 65-66.</ref>
44. Das Wasser glitzert im großen Amazonasfluss, der alles um sich herum sammelt und belebt:
»Amazonas,
Hauptstadt der Silben des Wassers,
Vater, Patriarch, du bist
die geheime Ewigkeit der Befruchtung,
Flüsse steigen zu dir hinab wie Vögel …«<ref> Pablo Neruda, »Amazonas«, in Canto General (1938), I, IV.</ref>
45. Er ist darüber hinaus das Rückgrat, das harmonisiert und verbindet: »Der Fluss trennt uns nicht, er vereint uns, er hilft uns, unter verschiedenen Kulturen und Sprachen zusammenzuleben.«<ref> REPAM, Dokument Eje de Fronteras. Preparación para el Sínodo de la Amazonia, Tabatinga / Brasilen (13. Februar 2019), 3; vgl. Instrumentum laboris, 8.</ref> Wenn es auch wahr ist, dass es in diesem Gebiet viele „Amazonien“ gibt, ist seine Hauptachse der große Fluss, der Sohn vieler anderer Flüsse ist:
»Von höchsten Gipfeln des Gebirgszugs, wo der Schnee ewig liegt, fließt das Wasser und zeichnet einen zitternden Umriss auf der alten Haut des Steins: der Amazonas ist gerade erst geboren. Er wird in jedem Moment geboren. Wie flackerndes Licht steigt er langsam, gewunden hinab, um in der Erde zu wachsen. Indem er grüne Flächen einnimmt, erfindet er seinen Lauf und vergrößert sich. Grundwasser quellen hervor, um sich mit dem aus den Anden herabfließenden Wasser zu umarmen. Aus dem Bauch der schneeweißen Wolken, die vom Wind angestoßen werden, fällt das himmelblaue Wasser. Sie rücken vereint vor, vervielfacht in unendlichen Pfaden, die unermessliche Ebene bewässernd [...] Es ist das große Amazonien, ganz in den feuchten Tropen, mit seinem dichten und verblüffendem Wald, wo noch immer das Leben pulsiert, unberührt und an weiten, vom Menschen nie erreichten Orten, das in der Intimität des Wassers gebildet wurde [...] Seitdem der Mensch es bewohnt, ist es aus den Tiefen ihrer Gewässer aufgestiegen, und aus dem tiefsten Inneren ihres Waldes verbreitet sich eine schreckliche Angst: dass dieses Leben langsam sich dem Ende zuneigt.«<ref> Amadeu Thiago de Mello, Amazonas, patria da agua.</ref>
46. Die Volksdichter, die sich in seine unermessliche Schönheit verliebt haben, haben versucht, zum Ausdruck zu bringen, was sie der Fluss verspüren ließ, und das Leben, das er beim Vorüberziehen schenkt, mit einem Reigen von Delfinen, Anakondas, Bäumen und Kanus zu umschreiben. Sie bedauern zugleich die Gefahren, die ihn bedrohen. Diese Dichter sind kontemplativ und prophetisch, sie helfen uns, uns vom technokratischen und konsumistischen Paradigma zu befreien, das die Natur erstickt und uns einer wahrhaft würdigen Existenz beraubt:
»Die Welt leidet unter der Verwandlung der Füße in Gummi, der Beine in Leder, des Körpers in Stoff und des Kopfes in Stahl [...] Die Welt leidet unter der Verwandlung des Spatens zum Gewehr, des Pfluges zum Kriegspanzer, des Bildes des Sämanns, der aussät, zum Roboter mit seinem Flammenwerfer, aus dessen Saat Wüsten aufsprießen. Nur die Poesie, mit der Bescheidenheit ihrer Stimme, wird diese Welt retten können.«<ref> Vinicius de Moraes, Para vivir un gran amor, Buenos Aires 2013, 166.</ref>
Der Schrei Amazoniens
47. Die Poesie hilft, ein schmerzhaftes Gefühl zum Ausdruck zu bringen, das heute viele teilen. Die unausweichliche Wahrheit ist, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen durch diese Art, mit Amazonien umzugehen, viele Reichtümer des Lebens und großer Schönheit „sich dem Ende zuneigen“, auch wenn viele weiterhin glauben wollen, dass nichts geschehen sei:
»Diejenigen, die dachten, der Fluss sei ein Lasso zum Spielen, haben sich getäuscht.
Der Fluss ist eine dünne Ader auf dem Angesicht der Erde [...]
Der Fluss ist ein Seil, an dem Tiere und Bäume sich festklammern.
Wenn sie zu stark daran ziehen, könnte der Fluss bersten.
Er könnte bersten und unsere Gesichter in Wasser und Blut waschen.«<ref> Juan Carlos Galeano, »Los que creyeron«, in: Amazonia y otros poemas, hrsg. Universidad Externado de Colombia, Bogotá 2011, 44.</ref>
48. Das Gleichgewicht des Planeten hängt auch von der Gesundheit Amazoniens ab. Zusammen mit den Biomen in Kongo und Borneo beeindruckt es durch die Diversität seiner Wälder, von denen auch die Regenzyklen abhängen, das Gleichgewicht des Klimas und eine große Vielfalt von Lebewesen. Es funktioniert als ein großer Kohlendioxydfilter, der hilft, die Erderwärmung zu vermeiden. Zum großen Teil ist der Boden arm an Humus, weshalb der Wald »in Wirklichkeit auf dem Boden und nicht aus dem Boden wächst«.<ref> Harald Sioli, A Amazônia, Petrópolis 1985, 60.</ref> Wenn der Wald abgeholzt wird, ist er nicht zu ersetzen, es bleibt ein Gebiet mit wenigen Nährstoffen zurück, das sich in ein wüstenartiges und vegetationsarmes Areal verwandelt. Das ist schwerwiegend, weil im Inneren des Amazonaswaldes unzählige Ressourcen bestehen, die für die Behandlung von Krankheiten unverzichtbar sein könnten. Seine Fische, Früchte und die anderen üppigen Gaben bereichern die menschliche Ernährung. Darüber hinaus erweist sich in einem Ökosystem wie dem Amazoniens der Beitrag jedes einzelnen Bestandteils in der Bewahrung des Gesamten als unerlässlich. Auch die Küstenregionen und die Meeresvegetation bedürfen der Nährstoffe, die der Amazonas herbeischwemmt. Der Schrei Amazoniens erreicht alle, denn »der Aspekt der Erschließung und Ausbeutung der Ressourcen ist […] heute […] gar so weit gekommen, dass die Bewohnbarkeit der Umwelt selbst bedroht ist: Die Umwelt als „Ressource“ läuft Gefahr, die Umwelt als „Wohnstätte“ zu bedrohen.«<ref> Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses zum Thema „Umwelt und Gesundheit“ (24. März 1997), 2:L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 27 (1997), Nr. 30 (25. Juli 1997), 12.</ref> Die Interessen weniger mächtiger Unternehmen dürften nicht über das Wohl Amazoniens und der gesamten Menschheit gestellt werden.
49. Es genügt nicht, sich um die Arten zu kümmern, welche am sichtbarsten vom Aussterben bedroht sind. Es ist entscheidend zu beachten: »Für das gute Funktionieren des Ökosystems sind auch die Pilze, die Algen, die Würmer, die Insekten, die Reptilien und die unzählige Vielfalt von Mikroorganismen notwendig. Einige zahlenmäßig geringe Arten, die gewöhnlich unbemerkt bleiben, spielen eine grundlegend entscheidende Rolle, um das Gleichgewicht eines Ortes zu stabilisieren.«<ref> Enzyklika Laudato si’ (24. Mai 2015), 34: AAS 107 (2015), 860.</ref> Dies wird in der Bewertung des Umwelteinflusses der wirtschaftlichen Projekte der mineralgewinnenden, der Energie- und Holzindustrie sowie anderer Industrien, die zerstören und verschmutzen, einfach übersehen. Das reichlich in Amazonien vorhandene Wasser ist überdies ein wesentliches Gut für das menschliche Überleben, aber die Quellen der Verschmutzung sind in beständigem Wachstum.<ref> Vgl. ebd., 28-31: AAS 107 (2015), 858-859.</ref>
50. Über die wirtschaftlichen Interessen von lokalen Unternehmern und Politikern hinaus gibt es in Wirklichkeit auch »die enormen internationalen wirtschaftlichen Interessen«.<ref> Ebd., 38: AAS 107 (2015), 862.</ref> Die Lösung findet sich in diesem Fall nicht in einer „Internationalisierung” Amazoniens,<ref> Vgl. 5. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik, Schlussdokument von Aparecida (29. Juni 2007), 86.</ref> vielmehr wird die Verantwortung der nationalen Regierungen schwerwiegender. Aus eben diesem Grund ist »die Aufgabenstellung von internationalen Organisationen und Vereinigungen der Zivilgesellschaft anerkennenswert, welche die Bevölkerungen sensibilisieren und kritisch mitwirken – auch unter Einsatz legitimer Druckmittel –, damit jede Regierung ihre eigene und nicht delegierbare Pflicht erfüllt, die Umwelt und die natürlichen Ressourcen ihres Landes zu bewahren, ohne sich an unehrliche lokale oder internationale Interessen zu verkaufen.«<ref> Vgl. Enzyiklika Laudato si’ (24. Mai 2015), 38: AAS 107 (2015), 862.</ref>
51. Um für Amazonien zu sorgen, ist es gut, die Weisheit der Vorfahren mit den heutigen technischen Kenntnissen zu verbinden, wobei immer ein nachhaltiger Umgang mit dem Gebiet zu gewährleisten ist, der zugleich den Lebensstil und die Wertesysteme der Bewohner bewahrt. <ref> Vgl. ebd., 144, 187: AAS 107 (2015), 905-906, 921.</ref> Es steht ihnen zu, insbesondere den ursprünglichen Völkern, vollständige und transparente Information über die Projekte, ihre Tragweite, ihre Auswirkungen und Risiken zu erhalten, damit sie die Informationen mit ihren Interessen und ihrer eigenen Ortskenntnis abwägen können und so ihre Zustimmung geben oder verweigern beziehungsweise Alternativen vorschlagen können.<ref> Vgl. ebd., 183: AAS 107 (2015), 920.</ref>
52. Die Mächtigsten geben sich niemals mit dem Profit, den sie erzielen, zufrieden, und die Ressourcen der wirtschaftlichen Macht wachsen mit der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung. Daher sollten wir alle auf der Dringlichkeit beharren, »ein Rechtssystem zu schaffen, das unüberwindliche Grenzen enthält und den Schutz der Ökosysteme gewährleistet, bevor die neuen Formen der Macht, die sich von dem techno-ökonomischen Paradigma herleiten, schließlich nicht nur die Politik zerstören, sondern sogar die Freiheit und die Gerechtigkeit«.<ref> Ebd., 53: AAS 107 (2015), 868.</ref> Wenn der Ruf Gottes eines aufmerksamen Hörens auf den Schrei der Armen und zugleich der Erde bedarf,<ref> Vgl. ebd., 49: AAS 107 (2015), 866.</ref> ist für uns »der Hilfeschrei Amazoniens an den Schöpfer ebenso stürmisch wie der Hilfeschrei des Gottesvolkes in Ägypten (vgl. Ex 3,7). Wegen der Versklavung und Verlassenheit ist dies ein Schrei, der Gott um Zuwendung und Befreiung bittet.«<ref> Vorbereitungsdokument für die Sonderversammlung der Bischofssynode für das Amazonasgebiet, 8.</ref>
Die Prophetie der Kontemplation
53. Oftmals lassen wir unser Gewissen abstumpfen, »denn die ständige Ablenkung nimmt uns den Mut, der Wirklichkeit einer begrenzten und vergänglichen Welt ins Auge zu schauen«.<ref> Enzyklika Laudato si’ (24. Mai 2015), 56: AAS 107 (2015), 869.</ref> Oberflächlich betrachtet hat es »den Anschein, als seien die Dinge nicht so schlimm und der Planet könne unter den gegenwärtigen Bedingungen noch lange Zeit fortbestehen. Diese ausweichende Haltung dient uns, unseren Lebensstil und unsere Produktions- und Konsumgewohnheiten beizubehalten. Es ist die Weise, wie der Mensch sich die Dinge zurechtlegt, um all die selbstzerstörerischen Laster zu pflegen: Er versucht, sie nicht zu sehen, kämpft, um sie nicht anzuerkennen, schiebt die wichtigen Entscheidungen auf und handelt, als ob nichts passieren werde.«<ref> Ebd., 59: AAS 107 (2015), 870.</ref>
54. Über all dies hinaus möchte ich daran erinnern, dass jede der einzelnen Arten einen Wert für sich selbst hat, aber »jedes Jahr verschwinden Tausende Pflanzen- und Tierarten, die wir nicht mehr kennen können, die unsere Kinder nicht mehr sehen können, verloren für immer. Die weitaus größte Mehrheit stirbt aus Gründen aus, die mit irgendeinem menschlichen Tun zusammenhängen. Unseretwegen können bereits Tausende Arten nicht mehr mit ihrer Existenz Gott verherrlichen, noch uns ihre Botschaft vermitteln. Dazu haben wir kein Recht.«<ref> Ebd., 33: AAS 107 (2015), 860.</ref>
55. Wenn wir von den ursprünglichen Völkern lernen, können wir Amazonien betrachten und nicht nur analysieren, um das wertvolle Geheimnis zu erkennen, das uns übersteigt. Wir können es lieben und nicht nur benutzen, so dass die Liebe ein tiefes und aufrichtiges Interesse weckt. Noch mehr, wir können uns mit ihm innig verbunden fühlen und es nicht nur verteidigen: Amazonien wird zu uns gehören wie eine Mutter. Denn man »betrachtet die Welt nicht von außen, sondern von innen her und erkennt die Bande, durch die der himmlische Vater uns mit allen Wesen verbunden hat«.<ref> Ebd., 220: AAS 107 (2015), 934.</ref>
56. Erwecken wir den ästhetischen und kontemplativen Sinn neu, den Gott in uns gesetzt hat und den wir zuweilen verkümmern lassen. Erinnern wir uns daran: »Wenn jemand nicht lernt innezuhalten, um das Schöne wahrzunehmen und zu würdigen, ist es nicht verwunderlich, dass sich für ihn alles in einen Gegenstand verwandelt, den er gebrauchen oder skrupellos missbrauchen kann.«<ref> Ebd., 215: AAS 107 (2015), 932.</ref> Wenn wir hingegen mit dem Wald in Gemeinschaft treten, wird sich unsere Stimme einfach mit der seinen verbinden und zum Gebet werden: »Lege dich unter dem Schatten eines alten Eukalyptusbaumes nieder, unser lichtreiches Gebet taucht in den Gesang der ewigen Zweige ein.«<ref> Sui Yun, Cantos para el mendigo y el rey, Wiesbaden 2000.</ref> Eine solche innere Umkehr wird es uns möglich machen, um Amazonien zu weinen und mit ihm zum Herrn zu rufen.
57. Jesus hat gesagt: »Verkauft man nicht fünf Spatzen für zwei Pfennige? Und doch ist nicht einer von ihnen vor Gott vergessen« (Lk 12,6). Gott Vater, der jedes Wesen im Universum mit unendlicher Liebe erschaffen hat, ruft uns auf, seine Werkzeuge zu sein, um den Schrei Amazoniens zu hören. Wenn wir diesem herzzerreißenden Schrei nachkommen, wird offenkundig werden, dass die Geschöpfe Amazoniens vom Vater im Himmel nicht vergessen wurden. Für uns Christen ist es Jesus selbst, der uns durch sie anfleht, »denn geheimnisvoll umschließt sie der Auferstandene und richtet sie auf eine Bestimmung der Fülle aus. Die gleichen Blumen des Feldes und die Vögel, die er mit seinen menschlichen Augen voll Bewunderung betrachtete, sind jetzt erfüllt von seiner strahlenden Gegenwart.«<ref> Enzyklika Laudato si’ (24. Mai 2015), 100: AAS 107 (2015), 887.</ref> Aus diesen Gründen treffen wir Glaubende in Amazonien auf einen theologischen Ort, einen Raum, wo Gott selbst sich zeigt und seine Kinder zusammenruft.
Erziehung und ökologische Haltungen
58. So können wir einen weiteren Schritt gehen und daran erinnern, dass eine ganzheitliche Ökologie sich nicht damit zufriedengibt, technische Fragen oder Entscheidungen politischer, rechtlicher oder sozialer Art beizulegen. Die große Ökologie bezieht immer einen erzieherischen Aspekt ein, der die Entwicklung von neuen Haltungen in den Personen und Menschengruppen anregt. Leider haben viele Bewohner Amazoniens Gewohnheiten angenommen, die für die Großstädte typisch sind, wo der Konsumismus und die Wegwerfkultur schon sehr verwurzelt sind. Es wird keine gesunde und nachhaltige Ökologie geben, die fähig ist, etwas zu verändern, wenn die Personen sich nicht ändern, wenn man sie nicht dazu anspornt, einen anderen Lebensstil anzunehmen, der weniger unersättlich ist, ruhiger, respektvoller, weniger ängstlich besorgt und brüderlicher ist.
59. Denn »während das Herz des Menschen immer leerer wird, braucht er immer nötiger Dinge, die er kaufen, besitzen und konsumieren kann. In diesem Kontext scheint es unmöglich, dass irgendjemand akzeptiert, dass die Wirklichkeit ihm Grenzen setzt. […] Deshalb denken wir nicht nur an die Möglichkeit schrecklicher klimatischer Phänomene oder an große Naturkatastrophen, sondern auch an Katastrophen, die aus sozialen Krisen hervorgehen, denn die Versessenheit auf einen konsumorientierten Lebensstil kann – vor allem, wenn nur einige wenige ihn pflegen können – nur Gewalt und gegenseitige Zerstörung auslösen.«<ref> Ebd., 204: AAS 107 (2015), 928.</ref>
60. Die Kirche wünscht mit ihrer langen geistlichen Erfahrung, mit ihrem erneuerten Bewusstsein über den Wert der Schöpfung, mit ihrer Sorge um die Gerechtigkeit, mit ihrer Option für die Geringsten, mit ihrer erzieherischen Tradition und ihrer Geschichte der Inkarnation in so verschiedene Kulturen auf der ganzen Welt ebenso ihren Beitrag zur Bewahrung Amazoniens und zu seinem Wachstum zu leisten.
Damit beginnt eine weitere Vision, die ich direkter mit den Hirten und den katholischen Gläubigen teilen möchte.
VIERTES KAPITEL: EINE KIRCHLICHE VISION
61. Die Kirche ist gerufen, mit den Völkern Amazoniens unterwegs zu sein. In Lateinamerika fand dieser gemeinsame Weg seinen besonderen Ausdruck in der Bischofsversammlung in Medellín (1968) und in ihrer Übertragung auf das Amazonasgebiet in Santarém (1972),<ref> Vgl. Dokumente von Santarém (1972) und Manaus (1997) in: Nationale Bischofskonferenz von Brasilien, Desafio missionário. Documentos da Igreja na Amazônia, Brasilia 2014, 9-28 und 67-84.</ref> dann in Puebla (1979), Santo Domingo (1992) und Aparecida (2007). Der Weg geht weiter, und die missionarischen Bemühungen müssen in einer Kultur der Begegnung zu einer »vielgestaltigen Harmonie«<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 220: AAS 105 (2013), 1110.</ref> wachsen, wenn sie zu einer Kirche mit einem amazonischen Gesicht führen sollen. Damit aber diese Inkarnation der Kirche und des Evangeliums möglich wird, muss die große missionarische Verkündigung immer wieder neu erklingen.
Unverzichtbare Verkündigung in Amazonien
62. Auf die vielen Nöte und Ängste, die aus dem Herzen Amazoniens an uns herandringen, können wir mit sozialen Initiativen, technischen Ressourcen, Gesprächsforen oder politischen Programmen antworten, und all dies kann zu einer Lösung beitragen. Aber als Christen verzichten wir nicht auf die Option des Glaubens, die wir aus dem Evangelium empfangen haben. Obwohl wir uns gemeinsam mit allen engagieren wollen, schämen wir uns nicht für Jesus Christus. Für diejenigen, die ihm begegnet sind, die in seiner Freundschaft leben und sich mit seiner Botschaft identifizieren, ist es unumgänglich, von ihm zu sprechen und andere auf seine Einladung zu einem neuen Leben aufmerksam zu machen: »Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1Kor 9,16).
63. Die echte Option für die Ärmsten und Vergessenen, die uns dazu bewegt, sie von ihrem materiellen Elend zu befreien und ihre Rechte zu verteidigen, beinhaltet gleichzeitig, sie zur Freundschaft mit dem Herrn einzuladen, der ihnen weiterhilft und Würde verleiht. Es wäre traurig, wenn sie von uns nur eine Sammlung von Lehrsätzen oder Moralvorschriften erhielten, aber nicht die große Heilsbotschaft, jenen missionarischen Ruf, der zu Herzen geht und allem einen Sinn verleiht. Wir können uns auch nicht mit einer sozialen Botschaft zufriedengeben. Wenn wir uns mit unserem Leben für sie einsetzen, für die Gerechtigkeit und die Würde, die sie verdienen, können wir nicht vor ihnen verbergen, dass wir dies tun, weil wir in ihnen Christus erkennen und weil uns bewusstgeworden ist, welch große Würde Gott, der Vater, der sie unendlich liebt, ihnen verleiht.
64. Sie haben ein Recht auf die Verkündigung des Evangeliums, besonders auf jene grundlegende Verkündigung, die als Kerygma bezeichnet wird und die »die hauptsächliche Verkündigung [ist], die man immer wieder auf verschiedene Weisen neu hören muss und die man in der einen oder anderen Form [...] immer wieder verkünden muss«.<ref> Ebd., 164: AAS 105 (2013), 1088-1089.</ref> Es ist die Verkündigung eines Gottes, der jeden Menschen unendlich liebt und der uns diese Liebe vollkommen in Christus geoffenbart hat, der für uns gekreuzigt wurde und als der Auferstandene in unserem Leben gegenwärtig ist. Ich möchte allen vorschlagen, die kurze Zusammenfassung dieser Inhalte im vierten Kapitel des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens Christus vivit nachzulesen. Diese Botschaft muss in Amazonien beständig und auf vielfältige Weise zu hören sein. Ohne diese leidenschaftliche Verkündigung würde jede kirchliche Struktur nur zu einer weiteren NGO werden, und wir würden damit auch nicht der Weisung Jesu Christi entsprechen, die da lautet: »Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!« (Mk 16,15).
65. Jeder Initiative zur Vertiefung christlichen Lebens muss diese Verkündigung als ständigen Bezugspunkt haben, denn »die ganze christliche Bildung ist in erster Linie Vertiefung des Kerygmas, dass immer mehr und besser assimiliert wird«.<ref> Ebd., 165: AAS 105 (2013), 1089.</ref> Die grundlegende Antwort auf diese Verkündigung – sofern es zu einer persönlichen Begegnung mit dem Herrn kam – ist die brüderliche Liebe, jenes »neue Gebot [...], das das erste und größte ist und das uns am meisten als Jünger erkennbar macht«.<ref> Ebd., 161: AAS 105 (2013), 1087.</ref> So bilden das Kerygmaund die brüderliche Liebe die große Synthese aller Inhalte des Evangeliums, die man Amazonien nicht vorenthalten kann. Die großen Glaubenszeugen Lateinamerikas wie der heilige Turibio von Mongrovejo oder der heilige Josef von Anchieta haben dies vorgelebt.
Inkulturation
66. Die Kirche muss im Amazonasgebiet mit der fortwährenden Verkündigung des Kerygmas wachsen. Dazu setzt sie sich stets von Neuem mit ihrer eigenen Identität auseinander, indem sie auf die Menschen, die Wirklichkeiten und die Geschichten des jeweiligen Gebietes hört und mit ihnen in einen Dialog tritt. So wird sich mehr und mehr ein notwendiger Prozess der Inkulturation entwickeln, der nichts von dem Guten, das in den Kulturen Amazoniens bereits existiert, außer Acht lässt, sondern es aufnimmt und im Lichte des Evangeliums zur Vollendung führt.<ref> So das Zweite Vatikanische Konzil in Nr. 44 der Pastoralkonstitution Gaudium et spes: »Von Beginn ihrer Geschichte an hat [die Kirche] gelernt, die Botschaft Christi in der Vorstellungswelt und Sprache der verschiedenen Völker auszusagen und darüber hinaus diese Botschaft mit Hilfe der Weisheit der Philosophen zu verdeutlichen, um so das Evangelium sowohl dem Verhältnis aller als auch berechtigten Ansprüchen der Gebildeten angemessen zu verkünden. Diese in diesem Sinne angepasste Verkündigung des geoffenbarten Wortes muss ein Gesetz aller Evangelisation bleiben. Denn so wird jedem Volk die Fähigkeit, die Botschaft Christi auf eigene Weise auszusagen, entwickelt und zugleich der lebhafte Austausch zwischen der Kirche und den verschiedenen nationalen Kulturen gefördert.«</ref> Sie verachtet auch nicht den Reichtum der über die Jahrhunderte überlieferten christlichen Weisheit, so als ob sie sich einbildete, die Geschichte, in der Gott auf vielfältige Weise gewirkt hat, ignorieren zu können, denn die Kirche hat ein vielgestaltiges Gesicht »nicht nur aus einer räumlichen Perspektive [...], sondern auch aus ihrer zeitlichen Wirklichkeit heraus«.<ref> Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland (29. Juni 2019), 9. L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 49 (2019), Nr. 28 (12. Juli 2019), 8.</ref> Dies ist die authentische Tradition der Kirche, die keine statische Ablagerung oder ein Museumsstück ist, sondern die Wurzel eines wachsenden Baumes.<ref> Vgl. Vinzenz von Lérins, Commonitorium primum, Kap. 23: PL 50, 668: »Ut annis scilicet consolidetur, dilatetur tempore, sublimetur aetate«.</ref> Die Jahrtausende alte Tradition bezeugt das Wirken Gottes in seinem Volk und hat die Aufgabe, »das Feuer am Leben zu erhalten, statt lediglich die Asche zu bewahren«.<ref> Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland (29. Juni 2019). L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 49 (2019), Nr. 28 (12. Juli 2019). Vgl. das Gustav Mahler zugeschriebene Zitat: »Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers«.</ref>
67. Der heilige Johannes Paul II. lehrte, dass die Kirche mit ihrem Zeugnis des Evangeliums nicht beabsichtigt, »die Autonomie der Kultur zu verneinen. Ganz im Gegenteil, sie achtet sie hoch«, denn »die Kultur ist nicht nur Gegenstand der Erlösung und Erhöhung, sondern kann auch Mittlerin und Mitarbeiterin sein«.<ref> Ansprache an die Repräsentanten von Wissenschaft und Kultur, Coimbra (15. Mai 1982), L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 12 (1982), Nr. 26 (25. Juni 1982), 6.</ref> In seiner Ansprache an die indigene Bevölkerung des amerikanischen Kontinents erinnerte er daran, dass »ein Glaube, der nicht zur Kultur wird, ein Glaube ist, der nicht vollständig angenommen, nicht vollständig durchdacht und nicht treu gelebt wird«.<ref> Botschaft an die Ureinwohner Amerikas, Santo Domingo (12. Oktober 1992), 6: Insegnamenti, 15/2 (1982), 346; vgl.Ansprache an den nationalen Kongress der kirchlichen Bewegung für kulturelles Engagement (16. Januar 1982), 2: Insegnamenti, 5/1 (1982), 131.</ref> Die von den Kulturen ausgehenden Herausforderungen laden die Kirche zur »Haltung eines wachen kritischen Geistes, aber auch vertrauensvollen Verständnisses«<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata (25. März 1996), 98: AAS 88 (1996), 474-475.</ref> ein.
68. An dieser Stelle ist es angebracht, das wieder aufzugreifen, was ich im Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium über die Inkulturation geschrieben habe, und das auf der Überzeugung beruht, dass die Gnade die Kultur voraussetzt, und dass die Gabe Gottes in der Kultur dessen, der sie empfängt, Gestalt annimmt.<ref> Vgl. Nr. 115: AAS 105 (2013), 1068.</ref> Wir können sehen, dass dies eine doppelte Bewegung impliziert. Einerseits eine befruchtende Dynamik, die es erlaubt, das Evangelium an einem bestimmten Ort zum Ausdruck zu bringen, denn »wenn eine Gemeinschaft die Verkündigung des Heils aufnimmt, befruchtet der Heilige Geist ihre Kultur mit der verwandelnden Kraft des Evangeliums«.<ref> Ebd., 116: AAS 105 (2013), 1068.</ref> Auf der anderen Seite erlebt die Kirche dabei selbst einen Prozess des Empfangens, der sie mit dem bereichert, was der Geist bereits auf geheimnisvolle Weise in diese Kultur gesät hat. Auf solche Weise »verschönert der Heilige Geist die Kirche, indem er ihr neue Aspekte der Offenbarung zeigt und ihr ein neues Gesicht schenkt«.<ref> Ebd.</ref> Letztlich geht es um die Ermöglichung und Förderung einer Verkündigung des unerschöpflichen Evangeliums, damit sie »eine neue Synthese des Evangeliums mit der Kultur, in der es mit deren Kategorien verkündet wird, hervorruft«.<ref> Ebd., 129: AAS 105 (2013), 1074.</ref>
69. Aus diesem Grund »verfügt das Christentum, wie wir in der Geschichte der Kirche sehen können, nicht über ein einziges kulturelles Modell«,<ref> Ebd., 116: AAS 105 (2013), 1068.</ref> und »es würde der Logik der Inkarnation nicht gerecht, an ein monokulturelles und eintöniges Christentum zu denken«.<ref> Ebd., 117: AAS 105 (2013), 1069.</ref> Die Gefahr für die Verkündiger des Evangeliums, die neu an einen Ort kommen, besteht jedoch darin, zu glauben, dass sie nicht nur das Evangelium, sondern auch die Kultur, in der sie selbst aufgewachsen sind, vermitteln müssen, wobei sie vergessen, dass es nicht darum geht, »eine bestimmte Kulturform durchsetzen zu wollen, so schön und alt sie auch sein mag«.<ref> Ebd.</ref> Es ist notwendig, die Neuheit des Geistes mutig anzunehmen, der fähig ist, mit dem unerschöpflichen Schatz Jesu Christi immer etwas Neues zu schaffen, denn »die Inkulturation verpflichtet die Kirche zu einem schwierigen, aber notwendigen Weg«.<ref> Johannes Paul II., Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rats für die Kultur (17. Januar 1987): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 17 (1987), Nr. 7 (13. Februar 1987), 8.</ref> Es stimmt: »Obwohl diese Prozesse immer langwierig sind, lähmt uns manchmal zu sehr die Angst«, und wir enden als »Beobachter einer sterilen Stagnation der Kirche«.<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 129: AAS 105 (2013), 1074.</ref> Lasst uns furchtlos sein, stutzen wir dem Heiligen Geist nicht die Flügel.
Wege der Inkulturation in Amazonien
70. Um eine erneuerte Inkulturation des Evangeliums in Amazonien zu erreichen, muss die Kirche auf die dort überlieferte Weisheit hören, den Ältesten wieder eine Stimme geben, die dem Lebensstil der ursprünglichen Gemeinschaften innewohnenden Werte anerkennen und die wertvollen Erzählungen der Völker vor dem Vergessen bewahren. Aus dem Amazonasgebiet haben wir bereits Reichtümer erhalten, die aus den präkolumbianischen Kulturen stammen, »wie die Öffnung für das Handeln Gottes, das Gefühl der Dankbarkeit für die Früchte der Erde, die von Gott verliehene Würde des menschlichen Lebens, die Wertschätzung der Familie, der Sinn für Solidarität und Pflichtbewusstsein bei der gemeinsamen Arbeit, die Bedeutung der Kultur, der Glaube an ein Leben nach dem Tode und viele andere Werte«.<ref> 4. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik, Schlussdokument von Santo Domingo (12-28. Oktober 1992), 17.</ref>
71. In diesem Sinne besteht für die indigenen Amazonasvölker die wahre Lebensqualität in einem „buen vivir“, das eine persönliche, familiäre, gemeinschaftliche und kosmische Harmonie beinhaltet und sichtbar wird in ihrer gemeinschaftlichen Lebenseinstellung, an der Fähigkeit, Freude und Erfüllung inmitten eines strengen und einfachen Lebens zu finden, sowie an der verantwortungsvollen Sorge für die Natur, welche die Ressourcen für die nachfolgenden Generationen bewahrt. Die indigenen Völker könnten uns helfen zu erkennen, was eine glückliche Genügsamkeit ist, und in diesem Sinne »haben [sie] uns vieles zu lehren«.<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 198: AAS 105 (2013), 1103.</ref> Sie verstehen es, mit wenig glücklich zu sein, sie erfreuen sich an Gottes kleinen Gaben, ohne viele Dinge anzuhäufen, sie zerstören nicht ohne Not, sie bewahren die Ökosysteme und sie erkennen, dass die Erde, die sich als großzügige Quelle zu ihrem Lebensunterhalt verschenkt, auch etwas Mütterliches hat, das respektvolle Zärtlichkeit weckt. All dies muss zur Geltung gebracht werden und bei der Evangelisierung berücksichtigt werden.<ref> Vgl. Joseph Ratzinger, Zur Lage des Glaubens. Ein Gespräch mit Vittorio Messori, München 21986, 211-212.</ref>
72. Während wir für sie und mit ihnen kämpfen, sind wir gerufen, »ihre Freunde zu sein, sie anzuhören, sie zu verstehen und die geheimnisvolle Weisheit anzunehmen, die Gott uns durch sie mitteilen will«.<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 198: AAS 105 (2013), 1103.</ref> Die Bewohner der Städte sollten diese Weisheit zu schätzen wissen und angesichts eines beängstigenden Konsumdenkens und des Phänomens urbaner Vereinsamung zu einem Umdenken gelangen. Die Kirche selbst kann ein Mittel sein, das diese kulturelle Rückbesinnung in einer gelungenen Verbindung mit der Verkündigung des Evangeliums unterstützt. Darüber hinaus wird sie in dem Maße zu einem Instrument der Nächstenliebe, in dem die städtischen Gemeinden nicht nur für ihren eigenen Bereich missionarisch tätig sind, sondern auch die Armen aufnehmen, die vom Elend getrieben aus dem Landesinneren dort ankommen. Und sie wird es in dem Maße, in dem die Gemeinden jungen Migranten beistehen, um ihnen in der Stadt bei der Integration zu helfen, damit sie dort nicht der Verwahrlosung ins Netz gehen. Ein solches kirchliches Wirken aus Nächstenliebe spielt innerhalb eines Inkulturationsprozesses eine wichtige Rolle.
73. Darüber hinaus ist Inkulturation auch etwas Erhebendes und Erfüllendes. Sicherlich verdient die indigene Spiritualität einer gegenseitigen Verbundenheit und Abhängigkeit alles Geschaffenen unsere Wertschätzung, diese Spiritualität der Unentgeltlichkeit, die das Leben als Geschenk liebt, diese Spiritualität einer heiligen Bewunderung der Natur, die uns mit so viel Leben überhäuft. Es geht aber auch darum, dass diese Beziehung zu dem im Kosmos gegenwärtigen Gott immer mehr zu einer persönlichen Beziehung mit jenem Du wird, das die eigene Wirklichkeit erhält und ihr einen Sinn verleihen will, zu einem Du, das uns kennt und liebt:
»Meine Schatten treiben dahin, totes Holz. Der Stern jedoch wird makellos geboren über den Händen dieses Kindes, die meisterhaft die Wasser und die Nacht erobern.
Es muss mir genügen zu wissen,
dass du mich kennst, zur Gänze, noch vor Anbeginn meiner Tage.«<ref> Pedro Casaldáliga, »Carta de navegar (por el Tocantins amazonico)«, in El tiempo y la espera, Santander 1986.</ref>
74. Ebenso steht die Beziehung zu Jesus Christus, dem wahren Gott und wahren Menschen, dem Befreier und Erlöser, nicht in einem unversöhnlichen Widerspruch zu dieser ausgesprochen kosmischen Weltanschauung, welche die indigene Völker kennzeichnet, denn er ist auch der Auferstandene, der alles durchdringt.<ref> Thomas von Aquin erklärt das folgendermaßen: »Auf drei Weisen ist Gott in den Dingen [gegenwärtig]. In allgemeiner Weise ist er [im Geschaffenen] durch seine Macht, Gegenwart und sein Sein. Auf andere Weise ist er in den Heiligen, nämlich durch die Gnade. In einzigartiger Weise ist er in Christus, durch die [hypostatische] Union« (Ad Colossenses, II, 2).</ref> Für die christliche Erfahrung »finden alle Geschöpfe des materiellen Universums ihren wahren Sinn im menschgewordenen Wort, denn der Sohn Gottes hat in seine Person einen Teil des materiellen Universums aufgenommen, in den er einen Keim der endgültigen Verwandlung hineingelegt hat«.<ref> Enzyklika Laudato si’ (24. Mai 2015), 235: AAS 107 (2015), 939.</ref> Er ist herrlich und geheimnisvoll gegenwärtig im Fluss, in den Bäumen, in den Fischen, im Wind, da er als Herr über die Schöpfung regiert, ohne je seine verklärten Wunden zu verlieren, und in der Eucharistie nimmt er die Elemente der Welt an und verleiht allem den Sinn einer österlichen Gabe.
Soziale und geistliche Inkulturation
75. Diese Inkulturation muss angesichts der Situation der Armut und Verlassenheit so vieler Einwohner Amazoniens notwendigerweise einen ausgesprochen sozialen Charakter haben und von einer entschlossenen Verteidigung der Menschenrechte geprägt sein, um das Antlitz Christi zum Leuchten zu bringen, der sich »mit besonderer Zärtlichkeit mit den Schwächsten und Ärmsten identifizieren wollte«.<ref> 3. Vollversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik, Schlussdokument von Puebla (23. März 1979), 196.</ref> Denn »vom Kern des Evangeliums her erkennen wir die enge Verbindung zwischen Evangelisierung und menschlicher Förderung«,<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 178: AAS 105 (2013), 1094.</ref> und das bedeutet für die christlichen Gemeinschaften auch ein klares Engagement für das Reich der Gerechtigkeit durch eine Förderung derer, die ins Abseits geraten sind. Dazu ist eine angemessene Unterweisung der pastoral Tätigen in der Soziallehre der Kirche äußerst wichtig.
76. Gleichzeitig muss die Inkulturation des Evangeliums in Amazonien das Soziale besser mit dem Geistlichen verbinden, damit die Ärmsten nicht außerhalb der Kirche nach einer Spiritualität suchen müssen, die ihrer Sehnsucht nach dem Transzendenten entspricht. Dabei kann es weder um eine entfremdende individualistische Religiosität gehen, die das soziale Bedürfnis nach einem würdigeren Leben zum Schweigen bringt, noch um eine Herabstufung der transzendenten und spirituellen Dimension, so als ob die materielle Entwicklung dem Menschen genügen würde. Von daher sind wir gefordert, diese beiden Dinge nicht nur nebeneinanderzustellen, sondern sie auf einer tieferen Ebene miteinander zu verbinden. So wird die wahre Schönheit des Evangeliums aufleuchten, das zur Fülle des Menschseins führt, das den Einzelnen und den Völkern vollkommene Würde verleiht sowie das Herz und das ganze Leben erfüllt.
Ansatzpunkte für eine Heiligkeit amazonischer Prägung
77. Auf diese Weise können Zeugnisse einer für das Amazonasgebiet charakteristischen Heiligkeit entstehen, die keine Kopien von Modellen anderer Orte sind, einer Heiligkeit, die aus Begegnung und Hingabe, aus Kontemplation und Dienen, aus empfänglicher Einsamkeit und gemeinsamem Leben, aus freudiger Nüchternheit und Kampf für die Gerechtigkeit besteht. Diese Heiligkeit erreicht »jeder auf seinem eigenen Wege«,<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium über die Kirche, 11; vgl.: Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate (19. März 2018), 10-11.</ref> und das gilt auch für die Völker, wo die Gnade sich inkarniert und mit unverwechselbaren Merkmalen aufleuchtet. Stellen wir uns eine Heiligkeit vor, die die Züge des Amazonasgebietes trägt und die dazu berufen ist, die Weltkirche herauszufordern.
78. Ein Prozess der Inkulturation, der nicht nur individuell, sondern auch gemeinschaftlich geschieht, erfordert eine respektvolle und verständnisvolle Liebe zu den Menschen. In einem Großteil Amazoniens hat man diesen Prozess bereits begonnen. Vor mehr als vierzig Jahren betonten die Bischöfe des peruanischen Amazonasgebiets, dass in vielen der in dieser Region lebenden Bevölkerungsgruppen »die Adressaten der Verkündigung, die von einer vielfältigen und sich wandelnden eigenen Kultur geprägt sind, das Evangelium bereits ansatzweise angenommen haben«, da sie »bestimmte Züge einer katholischen Volksfrömmigkeit tragen, die, auch wenn sie vielleicht ursprünglich von pastoralen Mitarbeitern angestoßen wurden, heute etwas sind, das sich das Volk zu eigen gemacht, ja sogar in seinen Akzenten verändert und von Generation zu Generation weitergegeben hat«.<ref> Apostolische Vikariate des Peruanischen Amazonasgebiets, »Segunda asamblea episcopal regional de la selva«], San Ramón / Peru (5. Oktober 1973); in: Éxodo de la Iglesia en la Amazonia. Documentos pastorales de la Iglesia en la Amazonia peruana, Iquitos 1976, 121.</ref> Wir sollten nicht vorschnell einige religiöse Ausdrucksformen, die sich spontan aus dem Leben der Völker ergeben, als Aberglaube oder Heidentum bezeichnen. Vielmehr gilt es den Weizen zu erkennen, der inmitten des Unkrautes wächst, denn »in der Volksfrömmigkeit kann man die Art und Weise wahrnehmen, wie der empfangene Glaube in einer Kultur Gestalt angenommen hat und ständig weitergegeben wird«.<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 123: AAS 105 (2013), 1071.</ref>
79. Es ist möglich, sich in irgendeiner Weise auf ein indigenes Symbol zu beziehen, ohne dass man es notwendigerweise als Götzendienst betrachten müsste. Ein Mythos von spirituellem Sinngehalt kann aufgegriffen und muss nicht immer als heidnischer Irrtum angesehen werden. Einige religiöse Feste enthalten eine sakrale Bedeutung und sind Gelegenheiten des Zusammenkommens und der Brüderlichkeit, auch wenn eventuell ein langsamer Reinigungs- oder Reifungsprozess erforderlich ist. Ein echter Missionar befasst sich damit, die berechtigten Anliegen hinter diesen religiösen Ausdrucksweisen zu entdecken, die manchmal unvollkommen und bruchstückhaft sind oder Irrtümer enthalten, und versucht, aus einer inkulturierten Spiritualität heraus darauf eine Antwort zu finden.
80. Dies wird zweifelsohne eine Spiritualität sein, die ausgerichtet ist auf den einen Gott und Herrn. Zugleich soll sie aber auch fähig sein, mit den alltäglichen Bedürfnissen der Menschen in Kontakt zu kommen, die ein würdiges Leben suchen, die sich an den schönen Dingen des Lebens erfreuen wollen, die Frieden und Harmonie finden sowie familiäre Probleme lösen wollen, die Heilung ihrer Krankheiten ersehnen und ihre Kinder glücklich aufwachsen sehen wollen. Die schlimmste Gefährdung für sie wäre es, wenn man sie von der Begegnung mit Christus fernhalten würde, indem man ihn als Feind der Freude oder als jemanden darstellt, der den Wünschen und Ängsten der Menschen gegenüber gleichgültig ist.<ref> Vgl. Apostolisches Schreiben [[Gaudete et exsultate] (19. März 2018), 126-127.</ref> Heute ist es unerlässlich zu zeigen, dass die Heiligkeit den Menschen nichts an »Kraft, Leben oder Freude«<ref> Ebd., 32.</ref> nimmt.
Die Inkulturation der Liturgie
81. Die Inkulturation der christlichen Spiritualität in den Kulturen der ursprünglichen Völker findet in den Sakramenten einen besonders wertvollen Weg, weil in ihnen das Göttliche und das Kosmische, die Gnade und die Schöpfung vereint sind. In Amazonien sollten sie nicht als etwas verstanden werden, das mit der Schöpfung nichts zu tun hat. Sie »sind eine bevorzugte Weise, in der die Natur von Gott angenommen wird und sich in Vermittlung des übernatürlichen Lebens verwandelt«.<ref> Enzyklika Laudato si’ (24. Mai 2015), 235: AAS 107 (2015), 939.</ref> Sie sind eine Vollendung des Geschaffenen, in dem die Natur zum Ort und Instrument der Gnade erhoben wird, um »die Welt auf einer anderen Ebene zu umarmen«.<ref> Ebd.</ref>
82. In der Eucharistie wollte Gott »auf dem Höhepunkt des Geheimnisses der Inkarnation […] durch ein Stückchen Materie in unser Innerstes gelangen. […] [Sie] vereint Himmel und Erde, umfasst und durchdringt die gesamte Schöpfung«.<ref> Ebd., 236: AAS 107 (2015), 940.</ref> Aus diesem Grund kann sie eine »Motivation hinsichtlich unserer Sorgen um die Umwelt [sein] und richtet uns darauf aus, Hüter der gesamten Schöpfung zu sein«.<ref> Ebd.</ref> »Wir entfliehen [also] nicht der Welt, noch verleugnen wir die Natur, wenn wir Gott begegnen möchten«.<ref> Ebd., 235: AAS 107 (2015), 939.</ref> Das erlaubt uns, in der Liturgie viele Elemente der intensiven Naturerfahrung der Indigenen aufzugreifen und eigene Ausdrucksformen in den Liedern, Tänzen, Riten, Gesten und Symbolen anzuregen. Bereits das Zweite Vatikanische Konzil hatte zu einem solchen Bemühungen um die Inkulturation der Liturgie bei den indigenen Völkern aufgerufen,<ref> Vgl. Konstitution Sacrosanctum concilium über die heilige Liturgie, 37-40, 65, 77, 81.</ref> aber es sind mehr als fünfzig Jahre vergangen, und wir sind in dieser Richtung kaum vorangekommen.<ref> Bei der Synode wurde ein eigener „amazonischer Ritus” vorgeschlagen.</ref>
83. Mit dem Sonntag verbindet »die christliche Spiritualität den Wert der Ruhe und des Festes […]. Der Mensch neigt dazu, die kontemplative Ruhe auf den Bereich des Unfruchtbaren und Unnötigen herabzusetzen, und vergisst dabei, dass man so dem Werk, das man vollbringt, das Wichtigste nimmt: seinen Sinn. Wir sind berufen, in unser Handeln eine Dimension der Empfänglichkeit und der Unentgeltlichkeit einzubeziehen«.<ref> Enzyklika Laudato si’ (24. Mai 2015), 237: AAS 107 (2015), 940.</ref> Die indigenen Völker wissen um diese Unentgeltlichkeit und gesunde kontemplative Muße. Unsere Feiern sollten ihnen helfen, diese Erfahrung in der Sonntagsliturgie zu machen und dem Licht des Wortes und der Eucharistie zu begegnen, das unser konkretes Leben erhellt.
84. Die Sakramente zeigen und vermitteln den nahen Gott, der barmherzig zu seinen Kindern kommt, um sie zu heilen und zu stärken. Sie müssen daher vor allem für die Armen zugänglich sein und dürfen niemals aus finanziellen Gründen verweigert werden. Auch ist angesichts der Armen und Vergessenen des Amazonasgebietes kein Platz für eine Disziplin, die ausschließt und entfernt, weil sie auf diese Weise von einer Kirche, die zu einer Zollstation geworden ist, letztlich verworfen werden. Vielmehr gilt: »In den schwierigen Situationen, welche die am meisten Bedürftigen erleben, muss die Kirche besonders achtsam sein, um zu verstehen, zu trösten, einzubeziehen, und sie muss vermeiden, diesen Menschen eine Reihe von Vorschriften aufzuerlegen, als seien sie felsenstark. Damit bewirkt man nämlich im Endeffekt, dass sie sich gerade von der Mutter verurteilt und verlassen fühlen, die berufen ist, ihnen die Barmherzigkeit Gottes nahezubringen«.<ref> Nachsynodales Apostolisches Schreiben Amoris laetitia (19. März 2016), 49: AAS 108 (2016), 331; vgl. ebd., 305: AAS 108 (2016), 436-437.</ref> Für die Kirche kann die Barmherzigkeit zu einem rein romantischen Ausdruck werden, wenn sie nicht konkret im pastoralen Wirken sichtbar wird.<ref> Vgl. ebd., 296, 308: AAS 108 (2016), 430-431, 438.</ref>
Die Inkulturation der Dienste und Ämter
85. Die Inkulturation muss sich auch auf konkret erfahrbare Weise in den kirchlichen Organisationsformen und in den kirchlichen Ämtern entwickeln und widerspiegeln. Wenn Spiritualität inkulturiert wird, wenn Heiligkeit inkulturiert wird, wenn das Evangelium selbst inkulturiert wird, können wir nicht umhin, auch hinsichtlich der Art und Weise, wie kirchliche Dienste strukturiert und gelebt werden, an Inkulturation zu denken. Die kirchliche Pastoral ist in Amazonien nicht sehr präsent, was zum Teil auf die immense territoriale Ausdehnung mit vielen schwer zugänglichen Orten, auf die große kulturelle Vielfalt, auf die schwerwiegenden sozialen Probleme wie auch auf die Entscheidung einiger Völker, sich abzuschotten, zurückzuführen ist. Dies kann uns nicht gleichgültig lassen und erfordert eine diesen Umständen entsprechende mutige Antwort der Kirche.
86. Es ist notwendig, dass der kirchliche Dienst so gestaltet wird, dass er einer größeren Häufigkeit der Eucharistiefeier dient, auch bei den Gemeinschaften, die ganz entlegen und verborgen sind. In Aparecida konnte man die Klage vieler Amazonasgemeinden hören, die »über lange Zeit die sonntägliche Eucharistiefeier entbehren müssen«.<ref> 5. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerikka und der Karibik, Schlussdokument von Aparecida (29. Juni 2007), 100e.</ref> Aber gleichzeitig werden Amtsträger gebraucht, die das Empfinden und die Kulturen des Amazonasgebietes von innen her verstehen können.
87. Die Art und Weise der Gestaltung des Lebens und der Ausübung des Priesteramtes ist nicht monolithisch und nimmt an verschiedenen Orten der Erde unterschiedliche Ausformungen an. Deshalb ist es wichtig, zu bestimmen, was dem Priester in besonderer Weise zukommt, was nicht delegierbar ist. Die Antwort liegt im heiligen Sakrament der Weihe begründet, das ihn Christus, dem Priester, gleichgestaltet. Und die erste Schlussfolgerung ist, dass dieser ausschließliche Charakter, der in den heiligen Weihen empfangen wird, ihn allein befähigt, der Eucharistie vorzustehen.<ref> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Sacerdotium ministeriale an die Bischöfe der Katholischen Kirche zu einigen Fragen bezüglich des Dieners der Eucharistie (6. August 1983): AAS, 75 (1983) 1001-1009.</ref> Das ist sein spezifischer, vorrangiger und nicht delegierbarer Auftrag. Einige meinen, dass das, was den Priester auszeichnet, die Macht ist, die Tatsache, dass er die höchste Autorität innerhalb der Gemeinschaft ist. Aber der heilige Johannes Paul II. erklärte, dass, obwohl das Priestertum als „hierarchisch“ betrachtet wird, dieser Dienst keine Überordnung gegenüber den anderen bedeutet, sondern dass »sie völlig auf die Heiligkeit der Glieder des mystischen Leibes Christi ausgerichtet ist«.<ref> Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), 27: AAS 80 (1988), 1718.</ref> Wenn gesagt wird, dass der Priester „Christus das Haupt“ darstellt, dann bedeutet das vor allem, dass Christus die Quelle der Gnade ist: Er ist das Haupt der Kirche, denn er hat »die Kraft, allen Gliedern der Kirche Gnade einzuflößen«.<ref> Thomas von Aquin, Summa Theologiae III, 8, 1, resp.</ref>
88. Der Priester ist Zeichen dieses Hauptes, das die Gnade vor allem im Feiern der Eucharistie ausgießt, die Quelle und Höhepunkt allen christlichen Lebens ist[.<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis über Dienst und Leben der Priester, 5; Johannes Paul II., Enzyklika Ecclesia de Eucharistia (17. April 2003), 22:AAS 95 (2003), 448.</ref> Darin besteht seine große Amtsgewalt, die nur im Weihesakrament empfangen werden kann. Deshalb kann nur er sagen: „Das ist mein Leib“. Auch andere Worte kann nur er sprechen: „Ich spreche dich los von deinen Sünden“. Denn die sakramentale Vergebung steht im Dienst einer würdigen Eucharistiefeier. Diese beiden Sakramente bilden die Mitte seiner exklusiven Identität.<ref> Dem Priester ist auch die Spendung der Krankensalbung vorbehalten, da diese im inneren Zusammenhang mit der Vergebung der Sünden steht: »Und wenn er Sünden begangen hat, werden sie ihm vergeben« (Jak 5, 15).</ref>
89. Unter den besonderen Umständen Amazoniens, vor allem im tropischen Regenwald und in abgelegeneren Gebieten, muss ein Weg gefunden werden, um diesen priesterlichen Dienst zu gewährleisten. Die Laien können das Wort verkünden, unterrichten, ihre Gemeinschaften organisieren, einige Sakramente feiern, verschiedene Ausdrucksformen für die Volksfrömmigkeit entwickeln und die vielfältigen Gaben, die der Geist über sie ausgießt, entfalten. Aber sie brauchen die Feier der Eucharistie, denn sie »baut die Kirche«,<ref> Katechismus der Katholischen Kirche, 1396; vgl. [[Johannes Paul II.], Enzyklika Ecclesia de eucharistia (17. April 2003), 26: AAS 95 (2003), 451; Henry de Lubac, Betrachtung über die Kirche, Paris (1968), 101.</ref> und daraus folgt, dass die christliche Gemeinde »aber nur auferbaut [wird], wenn sie Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat«.<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis über Dienst und Leben der Priester, 6.</ref> Wenn wir wirklich glauben, dass dies so ist, ist es dringend notwendig zu verhindern, dass den Amazonasvölkern diese Nahrung des neuen Lebens und des Sakraments der Versöhnung vorenthalten wird.
90. Diese drängende Notwendigkeit veranlasst mich, alle Bischöfe, besonders die Lateinamerikas, zu ermutigen, nicht nur das Gebet um Priesterberufungen zu fördern, sondern auch großzügiger zu sein und diejenigen, die eine missionarische Berufung zeigen, dazu zu bewegen, sich für das Amazonasgebiet zu entscheiden.<ref> Es macht nachdenklich, dass es in einigen Ländern des Amazonasgebiets mehr Missionare für Europa oder die Vereinigten Staaten gibt, als solche, die bereit sind, in den eigenen Vikariaten Amazoniens mitzuhelfen.</ref> Gleichzeitig ist es notwendig, die Struktur und den Inhalt sowohl der Erstausbildung als auch der ständigen Weiterbildung der Priester gründlich zu überprüfen, damit sie die für den Dialog mit den Kulturen des Amazonasgebiets erforderlichen Haltungen und Fähigkeiten erwerben können. Diese Ausbildung sollte in hohem Maße pastoral sein und ein Wachstum priesterlicher Barmherzigkeit fördern.<ref> Bei der Synode wurde auch über fehlende Seminare zur Priesterausbildung Indigener gesprochen.</ref>
Gemeinschaften voller Leben
91. Andererseits ist die Eucharistie das große Sakrament, das die Einheit der Kirche darstellt und verwirklicht,<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium über die Kirche, 3.</ref> und sie wird gefeiert, »damit wir, die wir weit verstreut leben und einander fremd und gleichgültig sind, vereint und gleichberechtigt zu Freunden werden«.<ref> Paul VI., Predigt am Hochfest des Leibes und Blutes Christi / Fronleichnam, 17. Juni 1965: Insegnamenti 3 (1965), 358.</ref> Wer der Eucharistie vorsteht, muss Sorge tragen für die Gemeinschaft, die keine verarmte Einheit ist, sondern die vielfältigen Reichtümer an Gaben und Charismen aufnimmt, die der Geist in der Gemeinde ausgießt.
92. Deshalb erfordert die Eucharistie als Quelle und Höhepunkt, dass dieser vielgestaltige Reichtum entfaltet wird. Priester werden benötigt, dies schließt aber nicht aus, dass für gewöhnlich die ständigen Diakone – die im Amazonasgebiet noch viel mehr sein sollten –, die Ordensfrauen und die Laien selbst wichtige Verantwortung für das Wachstum der Gemeinschaften übernehmen und dass sie in der Ausübung dieser Aufgaben dank einer angemessenen Begleitung reifen.
93. Es geht also nicht nur darum, eine größere Präsenz der geweihten Amtsträger zu ermöglichen, die die Eucharistie feiern können. Dies wäre ein sehr begrenztes Ziel, wenn wir nicht auch versuchen würden, neues Leben in den Gemeinden zu wecken. Wir müssen die Begegnung mit dem Wort und das Wachstum in der Heiligkeit durch verschiedene Laiendienste fördern, was eine biblische, dogmatische, spirituelle und praktische Ausbildung als auch verschiedene Programme zur Fortbildung voraussetzt.
94. Eine Kirche mit amazonischen Gesichtszügen erfordert die stabile Präsenz reifer und mit entsprechenden Vollmachten ausgestatteter Laien-Gemeindeleiter,<ref> Der Bischof kann wegen Priestermangels »einen Diakon oder eine andere Person, die nicht die Priesterweihe empfangen hat, oder eine Gemeinschaft von Personen an der Wahrnehmung der Seelsorgsaufgaben einer Pfarrei beteiligen« (Codex des kanonischen Rechts, 517 § 2).</ref> die die Sprachen, Kulturen, geistlichen Erfahrungen sowie die Lebensweise der jeweiligen Gegend kennen und zugleich Raum lassen für die Vielfalt der Gaben, die der Heilige Geist in uns sät. Denn dort, wo eine besondere Notwendigkeit besteht, hat der Heilige Geist bereits für die Charismen gesorgt, die darauf antworten können. Dies setzt in der Kirche die Fähigkeit voraus, der Kühnheit des Geistes Raum zu geben sowie vertrauensvoll und konkret die Entwicklung einer eigenen kirchlichen Kultur zu ermöglichen, die von Laien geprägt ist. Die Herausforderungen Amazoniens verlangen von der Kirche eine besondere Anstrengung, um eine Präsenz in der Fläche zu erreichen, was nur zu verwirklichen ist, wenn die Laien eine wirksame zentrale Rolle innehaben.
95. Viele Personen des geweihten Lebens haben ihre Kräfte und einen großen Teil ihres Lebens für die Verkündigung des Reiches Gottes im Amazonasgebiet hingegeben. Das geweihte Leben nimmt mit seiner Fähigkeit zum Dialog, zur Synthese, zur konkreten Gestaltung und zur Prophetie in dieser pluralen und harmonischen Zusammensetzung der Kirche Amazoniens einen besonderen Platz ein. Aber es bedarf einer neuen Anstrengung der Inkulturation, welche die Kreativität, den missionarischen Mut, die Sensibilität und die besondere Stärke des Gemeinschaftslebens miteinbezieht.
96. Die Basisgemeinden boten echte Erfahrungen von Synodalität auf dem Weg der Evangelisierung der Kirche in Amazonien, wenn es ihnen gelang, die Verteidigung der sozialen Rechte mit der missionarischen Verkündigung und der Spiritualität zu verbinden. Oft waren sie »Schulen der Ausbildung von Christen, die sich als Jünger und Missionare des Herrn engagiert für ihren Glauben eingesetzt haben. Viele ihrer Mitglieder haben sogar ihr Leben dafür hingegeben.«<ref> 5. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik, Schlussdokument von Aparecida (29. Juni 2007), 178.</ref>
97. Ich ermutige zur Vertiefung der gemeinsamen Aufgabe, die mittels dem kirchlichen Netzwerk Amazoniens REPAM und anderen Vereinigungen vollbracht wird, um zu festigen, was schon die Bischofsversammlung in Aparecida gefordert hat, nämlich »zwischen den Ortskirchen der verschiedenen südamerikanischen Länder, die sich im Amazonasbecken befinden, eine Gesamtpastoral mit jeweils angepassten unterschiedlichen Prioritäten [zu] etablieren«.<ref> Ebd., 475.</ref> Dies gilt besonders für die Beziehung zwischen benachbarten Ortskirchen.
98. Abschließend möchte ich daran erinnern, dass unsere Planungen nicht immer stabile Gemeinschaften zum Ziel haben können, da es im Amazonasgebiet eine große interne Mobilität und eine ständige Migration – oft eine Pendelmigration – gibt und »die Region „faktisch“ zum Migrationskorridor geworden« ist.<ref> Instrumentum laboris, 65.</ref> Die »amazonische Transhumanz ist als pastorales Problem bisher weder gut verstanden noch angemessen bearbeitet worden«.<ref> Ebd., 63.</ref> Aus diesem Grund müssen wir an Gruppen von Wandermissionaren denken, und »die Ordensfrauen und -männer sollte man dabei unterstützen, sich an die Seite der Ausgeschlossenen und Ärmsten zu begeben, um mit ihnen auf dem Weg zu sein«.<ref> Ebd., 129, d, 2.</ref> Andererseits sind hier auch unsere städtischen Gemeinden gefragt, vor allem in den Peripherien einfallsreich und großzügig verschiedene Angebote zur Begleitung und Aufnahme für die Familien und die jungen Menschen, die aus dem Landesinneren zu ihnen kommen, zu entwickeln.
Die Kraft und die Gabe der Frauen
99. In Amazonien gibt es Gemeinschaften, die lange Zeit hindurch sich gehalten und den Glauben weitergegeben haben, ohne dass dort – manchmal jahrzehntelang – ein Priester vorbeigekommen wäre. Dies ist der Präsenz von starken und engagierten Frauen zu verdanken, die, gewiss berufen und angetrieben vom Heiligen Geist, tauften, Katechesen hielten, den Menschen das Beten beibrachten und missionarisch wirkten.
Jahrhundertelang hielten die Frauen die Kirche an diesen Orten mit bewundernswerter Hingabe und leidenschaftlichem Glauben aufrecht. Mit ihrem Zeugnis haben sie uns alle bei der Synode angerührt.
100. Dies ist eine Einladung an uns, unseren Blick zu weiten, damit unser Verständnis von Kirche nicht auf funktionale Strukturen reduziert wird. Ein solcher Reduktionismus würde uns zu der Annahme veranlassen, dass den Frauen nur dann ein Status in der Kirche und eine größere Beteiligung eingeräumt würden, wenn sie zu den heiligen Weihen zugelassen würden. Aber eine solche Sichtweise wäre in Wirklichkeit eine Begrenzung der Perspektiven: Sie würde uns auf eine Klerikalisierung der Frauen hinlenken und den großen Wert dessen, was sie schon gegeben haben, schmälern als auch auf subtile Weise zu einer Verarmung ihres unverzichtbaren Beitrags führen.
101. Jesus Christus zeigt sich als der Bräutigam der Eucharistie feiernden Gemeinschaft in der Gestalt eines Mannes, der ihr vorsteht als Zeichen des einen Priesters. Dieser Dialog zwischen Bräutigam und Braut, der sich in der Anbetung vollzieht und die Gemeinschaft heiligt, sollte nicht auf einseitige Fragestellungen hinsichtlich der Macht in der Kirche verengt werden. Denn der Herr wollte seine Macht und seine Liebe in zwei menschlichen Gesichtern kundtun: das seines göttlichen menschgewordenen Sohnes und das eines weiblichen Geschöpfes, Maria. Die Frauen leisten ihren Beitrag zur Kirche auf ihre eigene Weise und indem sie die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria weitergeben. Auf diese Weise bleiben wir nicht bei einem funktionalen Ansatz stehen, sondern treten ein in die innere Struktur der Kirche. So verstehen wir in der Tiefe, warum sie ohne die Frauen zusammenbricht, so wie viele Gemeinschaften in Amazonien auseinandergefallen wären, wenn es dort keine Frauen gegeben hätte, die sie aufrechterhalten, bewahrt und sich ihrer angenommen hätten. Hier wird sichtbar, was ihre spezifische Macht ist.
102. Wir müssen die vom Volk geschätzten Fähigkeiten, welche die Frauen im Amazonasgebiet so in den Mittelpunkt gerückt haben, weiterhin fördern, auch wenn die Gemeinden heute neuen Gefahren ausgesetzt sind, die es zu anderen Zeiten nicht gab. Die gegenwärtige Situation verlangt, dass wir das Entstehen anderer spezifisch weiblicher Dienste und Charismen anregen, die auf die besonderen Bedürfnisse der Amazonasvölker in diesem Moment der Geschichte reagieren.
103. In einer synodalen Kirche sollten die Frauen, die in der Tat eine zentrale Rolle in den Amazonasgemeinden spielen, Zugang zu Aufgaben und auch kirchlichen Diensten haben, die nicht die heiligen Weihen erfordern, und es ihnen ermöglichen, ihren eigenen Platz besser zum Ausdruck zu bringen. Es sei daran erinnert, dass ein solcher Dienst Dauerhaftigkeit, öffentliche Anerkennung und eine Beauftragung durch den Bischof voraussetzt. Das bedeutet auch, dass Frauen einen echten und effektiven Einfluss in der Organisation, bei den wichtigsten Entscheidungen und bei der Leitung von Gemeinschaften haben, ohne dabei jedoch ihren eigenen weiblichen Stil aufzugeben.
Horizonte jenseits der Konflikte erweitern
104. Es kann vorkommen, dass an einem bestimmten Ort die in der Pastoral Tätigen für die anstehenden Probleme sehr unterschiedliche Lösungen für naheliegend halten und deshalb scheinbar entgegengesetzte kirchliche Herangehensweisen befürworten. In solch einem Fall ist es wahrscheinlich, dass die wahre Antwort auf die Herausforderungen der Evangelisierung darin besteht, beide Lösungsansätze zu überwinden und andere, vielleicht ungeahnte, bessere Wege zu finden. Der Konflikt wird auf einer höheren Ebene überwunden, wo sich jede der beiden Seiten mit der jeweils anderen zu etwas Neuem verbindet, aber dennoch sich selbst treu bleibt. Alles entscheidet sich »auf einer höheren Ebene, welche die wertvollen innewohnenden Möglichkeiten und die Polaritäten im Streit beibehält«.<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 228: AAS 105 (2013), 1113.</ref> Andernfalls verstricken wir uns im Konflikt, »verlieren wir die Perspektive, unsere Horizonte werden kleiner, und die Wirklichkeit selbst zerbröckelt«.<ref> Ebd., 226: AAS 105 (2013), 1112.</ref>
105. Dies bedeutet keineswegs, Probleme zu relativieren, ihnen auszuweichen oder die Dinge so zu belassen, wie sie sind. Wahre Lösungen werden nie dadurch erreicht, dass man die Kühnheit verwässert, sich vor konkreten Anforderungen drückt oder die Schuld woanders sucht. Im Gegenteil, der Ausweg wird durch ein „Überfließen“ gefunden, indem man über die Dialektik, die die Sicht begrenzt, hinausgeht, um das Größere zu erkennen, das Gott uns schenken will. Aus diesem mutig und engagiert angenommenen Geschenk, aus dieser unerwarteten Gabe, die eine neue und größere Kreativität weckt, werden wie aus einer üppigen Quelle die Antworten fließen, die die Dialektik uns nicht sehen ließ. In seinen Anfängen verbreitete sich der christliche Glaube in bewundernswerter Weise dank dieser Logik; sie ermöglichte es ihm, sich von seinem hebräischen Ursprung her in den griechisch-römischen Kulturen zu inkarnieren und bei seinem Übergang verschiedene Gestalt anzunehmen. Ähnlich fordert uns Amazonien in diesem Moment der Geschichte heraus, begrenzte Perspektiven und pragmatische Lösungen, die bei Teilaspekten der großen Herausforderungen stehen bleiben, zu überwinden, um nach breiter angelegten und kühneren Wegen der Inkulturation zu suchen.
Ökumenisches und interreligiöses Zusammenleben
106. In einem plurireligiösen Amazonien brauchen wir Gläubigen Möglichkeiten zum Gespräch und zum gemeinsamen Einsatz für das Gemeinwohl und die Förderung der Ärmsten. Wir brauchen nicht irgendwelche Abstriche zu machen oder mit unseren eigenen Überzeugungen, die uns viel bedeuten, hinter dem Berg zu halten, um andersdenkenden Menschen begegnen zu können. Wenn einer glaubt, dass der Heilige Geist in denen, die anders sind, wirken kann, dann wird er versuchen, sich von diesem Licht bereichern zu lassen, aber er wird es aus dem Innersten seiner eigenen Überzeugungen und seiner eigenen Identität heraus aufnehmen. Denn je tiefer, solider und reicher eine Identität ist, desto mehr wird sie andere mit ihrem spezifischen Beitrag bereichern.
107. Wir Katholiken besitzen in der Heiligen Schrift einen Schatz, den andere Religionen nicht annehmen, auch wenn sie manchmal mit Interesse darin lesen und sogar einige ihrer Inhalte schätzen lernen. Wir versuchen etwas Ähnliches zu tun im Blick auf die heiligen Texte anderer Religionen und Religionsgemeinschaften, deren »Vorschriften und Lehren […] nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet«.<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung Nostra aetate über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, 2.</ref> Wir haben ebenso einen großen Reichtum in den sieben Sakramenten, die einige christliche Gemeinschaften nicht in ihrer Gesamtheit oder im gleichen Sinne annehmen. Wir glauben fest an Jesus als den einzigen Erlöser der Welt, gleichzeitig hegen wir eine tiefe Verehrung für seine Mutter. Obwohl wir wissen, dass dies nicht bei allen christlichen Konfessionen der Fall ist, fühlen wir uns verpflichtet, Amazonien den Reichtum dieser herzlichen mütterlichen Liebe zu vermitteln, als deren Hüter wir uns fühlen. Und so werde ich dieses Schreiben dann mit einigen Worten an Maria beschließen.
108. All das sollte uns nicht zu Feinden machen. In einem wahren Geist des Dialogs wächst die Fähigkeit, den Sinn dessen zu verstehen, was der andere sagt und tut, auch wenn man es nicht als eigene Überzeugung für sich selbst übernehmen kann. Auf diese Weise wird es möglich, aufrichtig zu sein und das, was wir glauben, nicht zu verbergen, dabei aber doch weiter im Gespräch zu bleiben, Berührungspunkte zu suchen und vor allem gemeinsam für das Wohl Amazoniens zu arbeiten und zu kämpfen. Die Kraft dessen, was alle Christen eint, ist von unermesslichem Wert. Wir schenken dem, was uns trennt, so viel Aufmerksamkeit, dass wir manchmal das, was uns verbindet, nicht mehr schätzen oder würdigen. Und was uns verbindet, ist das, was es uns möglich macht, in der Welt zu sein, ohne von irdischer Immanenz, geistiger Leere, bequemem Egozentrismus, oder einem konsumorientierten und selbstzerstörerischen Individualismus verschlungen zu werden.
109. Alle Christen sind wir eins im Glauben an Gott, den Vater, der uns das Leben schenkt und uns so sehr liebt. Uns verbindet der Glaube an Jesus Christus, den einzigen Erlöser, der uns mit seinem heiligen Blut und seiner glorreichen Auferstehung befreit hat. Uns eint die Sehnsucht nach seinem Wort, das unsere Schritte leitet. Uns eint das Feuer des Geistes, das uns zur Mission antreibt. Uns verbindet das neue Gebot, das Jesus uns hinterlassen hat, die Suche nach einer Zivilisation der Liebe, die Leidenschaft für das Reich, das mit ihm zu errichten der Herr uns ruft. Uns eint der Kampf für Frieden und Gerechtigkeit. Uns eint die Überzeugung, dass nicht alles mit diesem Leben einmal endet, sondern dass wir zum himmlischen Festmahl berufen sind, wo Gott alle Tränen trocknen und entgegennehmen wird, was wir für die Leidenden getan haben.
110. All das verbindet uns. Warum sollten wir dann nicht auch gemeinsam kämpfen, gemeinsam beten und Seite an Seite arbeiten, um die Armen Amazoniens zu verteidigen, um das heilige Antlitz des Herrn sichtbar zu machen und uns seiner Schöpfung anzunehmen?
SCHLUSS: DIE MUTTER AMAZONIENS
111. Nachdem ich einige Visionen geteilt habe, ermutige ich alle, auf konkreten Wegen weiterzugehen, die die Realität des Amazonasgebietes verwandeln und es von den Übeln, die es heimsuchen, befreien können. Richten wir nun unseren Blick auf Maria, die Christus uns zur Mutter gegeben hat. Obgleich sie die eine Mutter aller ist, zeigt sie sich in Amazonien auf verschiedene Weisen. Wir wissen, dass »die Indigenen auf vielfältige Weise in lebendiger Beziehung zu Jesus Christus stehen; aber vor allem der marianische Weg hat zu dieser Begegnung geführt«.<ref> Consejo Episcopal Latinoamericano (CELAM), III Simposio latinoamericano sobre Teología india, Guatemala-Stadt (23.-27. Oktober 2006).</ref> Angesichts der Schönheit des Amazonasgebiets, die wir bei der Vorbereitung und Durchführung der Synode immer mehr entdecken durften, halte ich es für das Beste, dieses Schreiben mit einem Gebet zur Gottesmutter zu beschließen:
Mutter des Lebens,
in deinem mütterlichen Schoß nahm Jesus Gestalt an, er, der Herrscher über alles Seiende.
Als der Auferstandene hat er dich mit seinem Licht verwandelt
und zur Königin der ganzen Schöpfung gemacht.
Deshalb bitten wir dich, Maria,
herrsche im pochenden Herzen Amazoniens.
Zeige dich als Mutter aller Kreatur, in der Schönheit der Blumen, der Flüsse, des großen Flusses, der dieses Gebiet durchzieht, und all dessen, was sich in seinen Wäldern regt.
Beschütze mit deiner Liebe diese überbordende Schönheit.
Bitte Jesus, dass er seine ganze Liebe ausgieße über die Männer und Frauen, die dort leben, damit sie fähig werden, diese Schönheit zu bewundern und zu bewahren.
Gib, dass dein Sohn in ihren Herzen geboren wird, damit er in Amazonien, in seinen Völkern und Kulturen erstrahle mit dem Licht seines Wortes, mit dem Trost seiner Liebe, mit seiner Botschaft der Brüderlichkeit und Gerechtigkeit.
Gib, dass auch bei jeder Eucharistiefeier sich in uns so großes Staunen regt über die Herrlichkeit des Vaters.
Mutter, sieh auf die Armen Amazoniens, denn ihre Heimat wird weiter zerstört für schäbige Interessen. Wie viel Schmerz und Elend, wie viel Verwahrlosung und Rücksichtslosigkeit in diesem reich gesegneten Land übervoll von Leben!
Rühre die Mächtigen in ihrem Empfinden an, denn, obgleich wir das Gefühl haben, es sei zu spät,
rufst du uns zu retten,
was noch am Leben ist.
Mutter mit durchbohrtem Herzen,
die du in deinen gedemütigten Kindern und in der verwundeten Natur leidest, herrsche du in Amazonien zusammen mit deinem Sohn.
Herrsche du, auf dass sich keiner mehr als Herr des Werkes Gottes fühle.
Auf dich vertrauen wir, Mutter des Lebens, verlass uns nicht in dieser dunklen Stunde. Amen.
im Jahr 2020, dem siebten meines Pontifikats.
Anmerkungen
<references />
Weblinks
- Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite
- Die englische Fassung auf der Vatikanseite
- Die spanische Fassung auf der Vatikanseite (wurde zuerst in dieser Sprache abgefasst)
- Die portugisische Fassung auf der Vatikanseite
- Zusammenfassung des Schteibens von Stefan von Kempis
- „Papst betroffen über Reaktionen auf sein Schreiben“ Vatican News am 14 Februar 2020