Dominus Iesus (Wortlaut): Unterschied zwischen den Versionen

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(kein Unterschied)

Version vom 16. August 2015, 11:37 Uhr

Erklärung
Dominus Iesus

Kongregation für die Glaubenslehre
unseres Heiligen Vaters
Johannes Paul II.
6. August 2000
über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche

(Quelle: Die Deutsche Fassung auf der Vatikanseite)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


EINLEITUNG

1. Bevor der Herr Jesus in den Himmel aufgefahren ist, hat er seinen Jüngern den Auftrag gegeben, der ganzen Welt das Evangelium zu verkünden und alle Völker zu taufen: »Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden« (Mk 16,15-16). »Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,18-20; vgl. auch Lk 24,46-48; Joh 17,18; 20,21; Apg 1,8).

Die universale Sendung der Kirche entspringt dem Auftrag Jesu Christi und verwirklicht sich durch die Jahrhunderte, indem das Mysterium Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, sowie das Mysterium der Menschwerdung des Sohnes als Heilsereignis für die ganze Menschheit verkündet wird. Dies sind die wesentlichen Inhalte des christlichen Glaubensbekenntnisses: »Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles erschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt. Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden. Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden, ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift und aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten; seiner Herrschaft wird kein Ende sein. Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten, und die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt«.<ref> I. Konzil von Konstantinopel, Konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis: DH 150.</ref>

2. In allen Jahrhunderten hat die Kirche das Evangelium Jesu in Treue verkündet und bezeugt. Am Ende des zweiten christlichen Jahrtausends ist diese Sendung aber noch weit davon entfernt, vollendet zu sein.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 1: AAS 83 (1991) 249.</ref> Deshalb ist heute der Ruf des heiligen Paulus über den missionarischen Auftrag jedes Getauften mehr denn je aktuell: »Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1 Kor 9,16). Dies erklärt die besondere Aufmerksamkeit, die das Lehramt der Begründung und Unterstützung des kirchlichen Evangelisierungsauftrags gewidmet hat, vor allem in Beziehung zu den religiösen Traditionen der Welt.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Ad gentes und Erklärung Nostra aetate; Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio.</ref>

In Anbetracht der Werte, die in diesen Traditionen bezeugt und der Menschheit angeboten werden, heißt es in der Konzilserklärung über die Beziehung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen offen und positiv: »Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Erklärung Nostra aetate, 2.</ref> In Fortführung dieser Linie wird heute beim Auftrag der Kirche zur Verkündigung Jesu Christi, der »der Weg, die Wahrheit und das Leben« (Joh 14,6) ist, auch der interreligiöse Dialog gepflegt, der die missio ad gentes gewiss nicht ersetzt, sondern begleitet, wegen jenes Mysteriums der Einheit, aus dem folgt, »dass alle erlösten Menschen, wenngleich in Verschiedenheit, dennoch an dem einen und selben Geheimnis der Erlösung in Jesus Christus durch den Heiligen Geist teilhaben«.<ref> Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog und Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Instruktion Dialog und Verkündigung, 29: AAS 84 (1992) 424; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 22.</ref> Dieser Dialog, der zum Evangelisierungsauftrag der Kirche gehört,<ref> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 55: AAS 83 (1991) 302-304.</ref> führt zu einer Haltung des Verständnisses und zu einer Beziehung der gegenseitigen Kenntnis und der wechselseitigen Bereicherung, und zwar im Gehorsam gegenüber der Wahrheit und mit Respekt vor der Freiheit.<ref> Vgl. Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog und Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Instruktion Dialog und Verkündigung, 9: AAS 84 (1992) 417f.</ref>

3. Die Praxis und die theoretische Vertiefung des Dialogs zwischen dem christlichen Glauben und den anderen religiösen Traditionen werfen neue Fragen auf, auf die man einzugehen versucht, indem man neue Wege der Forschung einschlägt, Vorschläge entwickelt und Verhaltensweisen anregt, die eines sorgfältigen Unterscheidungsvermögens bedürfen. Die vorliegende Erklärung möchte den Bischöfen, Theologen und allen katholischen Gläubigen zu dieser Thematik einige unumgängliche lehrmäßige Inhalte in Erinnerung rufen, die der theologischen Forschung helfen sollen, Lösungen zu entwickeln, die mit dem Glaubensgut übereinstimmen und auf die kulturellen Bedürfnisse unserer Zeit antworten.

Die darlegende Sprache der Erklärung entspricht ihrer Zielsetzung. Diese besteht nicht darin, in organischer Weise die Problematik über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche zu behandeln oder Lösungen zu den Fragen vorzulegen, die von den Theologen frei diskutiert werden. Die Erklärung will vielmehr die Lehre des katholischen Glaubens zu dieser Thematik erneut darlegen, zugleich einige wesentliche Probleme erwähnen, die für weitere Vertiefungen offen bleiben, und bestimmte irrige oder zweideutige Positionen zurückweisen. Aus diesem Grund greift die Erklärung auf die Lehre zurück, die in früheren Dokumenten des Lehramts vorgetragen wurde, und beabsichtigt, jene Wahrheiten zu bekräftigen, die zum Glaubensgut der Kirche gehören.

4. Die immerwährende missionarische Verkündigung der Kirche wird heute durch relativistische Theorien gefährdet, die den religiösen Pluralismus nicht nur de facto, sondern auch de iure (oder prinzipiell) rechtfertigen wollen. In der Folge werden Wahrheiten als überholt betrachtet, wie etwa der endgültige und vollständige Charakter der Offenbarung Jesu Christi, die Natur des christlichen Glaubens im Verhältnis zu der inneren Überzeugung in den anderen Religionen, die Inspiration der Bücher der Heiligen Schrift, die personale Einheit zwischen dem ewigen Wort und Jesus von Nazaret, die Einheit der Heilsordnung des fleischgewordenen Wortes und des Heiligen Geistes, die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi, die universale Heilsmittlerschaft der Kirche, die Untrennbarkeit — wenn auch Unterscheidbarkeit — zwischen dem Reich Gottes, dem Reich Christi und der Kirche, die Subsistenz der einen Kirche Christi in der katholischen Kirche.

Die Wurzeln dieser Auffassungen sind in einigen Voraussetzungen philosophischer wie auch theologischer Natur zu suchen, die dem Verständnis und der Annahme der geoffenbarten Wahrheit entgegenstehen. Einige davon sind: die Überzeugung, dass die göttliche Wahrheit nicht fassbar und nicht aussprechbar ist, nicht einmal durch die christliche Offenbarung; die relativistische Haltung gegenüber der Wahrheit, weswegen das, was für die einen wahr ist, es nicht für andere wäre; der radikale Gegensatz, der zwischen der logischen Denkweise im Abendland und der symbolischen Denkweise im Orient besteht; der Subjektivismus jener, die den Verstand als einzige Quelle der Erkenntnis annehmen und so unfähig werden, »den Blick nach oben zu erheben, um das Wagnis einzugehen, zur Wahrheit des Seins zu gelangen«;<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio, 5: AAS 91 (1999) 9.</ref> die Schwierigkeit zu verstehen und anzunehmen, dass es in der Geschichte endgültige und eschatologische Ereignisse gibt; die metaphysische Entleerung des Ereignisses der Menschwerdung des ewigen Logos in der Zeit, die zu einer bloßen Erscheinung Gottes in der Geschichte verkürzt wird; der Eklektizismus jener, die in der theologischen Forschung Ideen übernehmen, die aus unterschiedlichen philosophischen und religiösen Strömungen stammen, ohne sich um deren Logik und systematischen Zusammenhang sowie deren Vereinbarkeit mit der christlichen Wahrheit zu kümmern; schließlich die Tendenz, die Heilige Schrift ohne Rücksicht auf die Überlieferung und das kirchliche Lehramt zu lesen und zu erklären.

Ausgehend von solchen Voraussetzungen, die in unterschiedlichen Nuancierungen zuweilen als Behauptungen, zuweilen als Hypothesen auftreten, werden theologische Vorschläge erarbeitet, in denen die christliche Offenbarung und das Mysterium Jesu Christi und der Kirche ihren Charakter als absolute und universale Heilswahrheit verlieren oder wenigstens mit einem Schatten des Zweifels und der Unsicherheit behaftet werden.

I. FÜLLE UND ENDGÜLTIGKEIT DER OFFENBARUNG JESU CHRISTI

5. Um dieser relativistischen Mentalität, die sich immer mehr ausbreitet, Abhilfe zu schaffen, muss vor allem der endgültige und vollständige Charakter der Offenbarung Jesu Christi bekräftigt werden. Es ist nämlich fest zu glauben, dass im Mysterium Jesu Christi, des fleischgewordenen Sohnes Gottes, der »der Weg, die Wahrheit und das Leben« (Joh 14,6) ist, die Fülle der göttlichen Wahrheit geoffenbart ist: »Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will« (Mt 11,27). »Niemand hat Gott je gesehen. Der einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht« (Joh 1,18). »Denn in ihm allein wohnt wirklich die ganze Fülle Gottes. Durch ihn seid auch ihr davon erfüllt« (Kol 2,9-10).

In Treue zum Wort Gottes lehrt das Zweite Vatikanische Konzil: »Die Tiefe der durch diese Offenbarung über Gott und über das Heil des Menschen erschlossenen Wahrheit leuchtet uns auf in Christus, der zugleich der Mittler und die Fülle der ganzen Offenbarung ist«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei verbum, 2.</ref> Bekräftigend heißt es weiterhin: »Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, als ”Mensch zu den Menschen“ gesandt, ”verkündet die Worte Gottes“ (Joh 3,34) und vollendet das Heilswerk, dessen Durchführung der Vater ihm aufgetragen hat (vgl. Joh 5,36; 17,4). Wer ihn sieht, sieht auch den Vater (vgl. Joh 14,9). Er ist es, der durch sein ganzes Dasein und seine ganze Erscheinung, durch Worte und Werke, durch Zeichen und Wunder, vor allem aber durch seinen Tod und seine herrliche Auferstehung von den Toten, schließlich durch die Sendung des Geistes der Wahrheit die Offenbarung erfüllt und abschließt und durch göttliches Zeugnis bekräftigt... Daher ist die christliche Heilsordnung, nämlich der neue und endgültige Bund, unüberholbar, und es ist keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten vor der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus in Herrlichkeit (vgl. 1 Tim 6,14 und Tit 2,13)«.<ref> Ebd., 4.</ref>

Die Enzyklika Redemptoris missio bekräftigt, dass die Kirche die Aufgabe hat, das Evangelium als die Fülle der Wahrheit zu verkünden: »In diesem endgültigen Wort seiner Offenbarung hat Gott sich in vollendetster Weise der Welt zu erkennen gegeben: er hat der Menschheit mitgeteilt, wer er ist. Und diese endgültige Selbstoffenbarung Gottes ist der tiefste Grund, weshalb die Kirche ihrer Natur nach missionarisch ist. Sie kann nicht davon absehen, das Evangelium, d.h. die Fülle der Wahrheit, die Gott uns über sich selbst zur Kenntnis gebracht hat, zu verkünden«.<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 5: AAS 83 (1991) 254.</ref> Nur die Offenbarung Jesu Christi »führt also in unsere Geschichte eine universale und letzte Wahrheit ein, die den Verstand des Menschen dazu herausfordert, niemals stehenzubleiben«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio, 14: AAS 91 (1999) 17.</ref>

6. Im Gegensatz zum Glauben der Kirche steht deshalb die Meinung, die Offenbarung Jesu Christi sei begrenzt, unvollständig, unvollkommen und komplementär zu jener in den anderen Religionen. Der tiefste Grund dieser Meinung liegt in der Behauptung, dass die Wahrheit über Gott in seiner Globalität und Vollständigkeit von keiner geschichtlichen Religion, also auch nicht vom Christentum und nicht einmal von Jesus Christus, erfasst und kundgetan werden könne.

Diese Auffassung widerspricht radikal den vorausgehenden Glaubensaussagen, gemäß denen in Jesus Christus das Heilsmysterium Gottes ganz und vollständig geoffenbart ist. Die Worte und Werke und das ganze geschichtliche Ereignis Jesu haben nämlich, auch wenn sie als menschliche Wirklichkeiten begrenzt sind, als Quellgrund die göttliche Person des fleischgewordenen Wortes, »wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch«,<ref> Konzil von Chalkedon, Glaubensbekenntnis von Chalkedon: DH 301; vgl. Hl. Athanasius von Alexandrien, De Incarnatione, 54, 3: SC 199, 458.</ref> und bergen deshalb in sich endgültig und vollständig die Offenbarung der Heilswege Gottes, auch wenn die Tiefe des göttlichen Mysteriums an sich transzendent und unerschöpflich bleibt. Die Wahrheit über Gott wird durch ihre Aussage in menschlicher Sprache nicht beseitigt oder eingegrenzt. Sie bleibt vielmehr einzigartig, ganz und vollständig, denn derjenige, der spricht und handelt, ist der fleischgewordene Sohn Gottes. Aus diesem Grund verlangt der Glaube das Bekenntnis, dass das fleischgewordene Wort in seinem ganzen Mysterium, das von der Menschwerdung bis zur Verherrlichung reicht, der reale Quellgrund, wenn auch in Teilhabe am Vater, und die Erfüllung der ganzen Heilsoffenbarung Gottes an die Menschheit ist,<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei verbum, 4.</ref> und dass der Heilige Geist, der Geist Christi, die Apostel und durch sie die Kirche aller Zeiten diese »ganze Wahrheit« (Joh 16,13) lehrt.

7. Die der Offenbarung Gottes entsprechende Antwort ist »der ”Gehorsam des Glaubens“ (Röm 1,5; vgl. Röm 16,26; 2 Kor 10,5-6). Darin überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit, indem er sich ”dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft“ und seiner Offenbarung willig zustimmt«.<ref> Ebd., 5.</ref> Der Glaube ist ein Geschenk der Gnade: »Dieser Glaube kann nicht vollzogen werden ohne die zuvorkommende und helfende Gnade Gottes und ohne den inneren Beistand des Heiligen Geistes, der das Herz bewegen und Gott zuwenden, die Augen des Verstandes öffnen und ”es jedem leicht machen muss, der Wahrheit zuzustimmen und zu glauben“«.<ref>Ebd.</ref>

Der Gehorsam des Glaubens führt zur Annahme der Wahrheit der Offenbarung Christi, die von Gott, der Wahrheit selbst, verbürgt ist:<ref> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 144.</ref> »Der Glaube ist eine persönliche Bindung des Menschen an Gott und zugleich, untrennbar davon, freie Zustimmung zu der ganzen von Gott geoffenbarten Wahrheit«.<ref> Ebd., 150.</ref> Der Glaube, der »ein Geschenk Gottes« und »eine von ihm eingegossene übernatürliche Tugend«<ref> Ebd., 153.</ref> ist, führt also zu einer doppelten Zustimmung: zu Gott, der offenbart, und zur Wahrheit, die von ihm geoffenbart ist, wegen des Vertrauens, das der offenbarenden Person entgegengebracht wird. Deshalb sollen wir »an niemand anderen glauben als an Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist«.<ref> Ebd., 178.</ref>

Deshalb muss mit Festigkeit an der Unterscheidung zwischen dem theologalen Glauben und der inneren Überzeugung in den anderen Religionen festgehalten werden. Der Glaube ist die gnadenhafte Annahme der geoffenbarten Wahrheit, die es gestattet, »in das Innere des Mysteriums einzutreten, dessen Verständnis er in angemessener Weise begünstigt«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio, 13: AAS 91 (1999) 15.</ref> Die innere Überzeugung in den anderen Religionen ist hingegen jene Gesamtheit an Erfahrungen und Einsichten, welche die menschlichen Schätze der Weisheit und Religiosität ausmachen, die der Mensch auf seiner Suche nach der Wahrheit in seiner Beziehung zum Göttlichen und Absoluten ersonnen und verwirklicht hat.<ref> Vgl. ebd., 31-32: a.a.O. 29f.</ref>

Nicht immer wird diese Unterscheidung in der gegenwärtigen Diskussion präsent gehalten. Der theologale Glaube, die Annahme der durch den einen und dreifaltigen Gott geoffenbarten Wahrheit, wird deswegen oft gleichgesetzt mit der inneren Überzeugung in den anderen Religionen, mit religiöser Erfahrung also, die noch auf der Suche nach der absoluten Wahrheit ist und der die Zustimmung zum sich offenbarenden Gott fehlt. Darin liegt einer der Gründe für die Tendenz, die Unterschiede zwischen dem Christentum und den anderen Religionen einzuebnen, ja manchmal aufzuheben.

8. Es wird auch die Hypothese vom inspirierten Wert der heiligen Schriften anderer Religionen aufgestellt. Gewiss ist anzuerkennen, dass viele Elemente in ihnen faktisch Mittel sind, durch die eine große Zahl von Personen im Laufe der Jahrhunderte ihre religiöse Lebensbeziehung mit Gott nähren und bewahren konnten und noch heute können. Wie bereits erwähnt, hat deshalb das Zweite Vatikanische Konzil gesagt, dass die Lebensweisen, die Vorschriften und die Lehren der anderen Religionen »zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber [die Kirche] für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Erklärung Nostra aetate, 2; vgl. auch Dekret Ad gentes, 9, wo die Rede ist vom Guten, das sich »in den jeweiligen Riten und Kulturen der Völker« findet; Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 16, wo auf das Gute und Wahre unter den Nichtchristen verwiesen wird, das als Vorbereitung für die Annahme des Evangeliums betrachtet werden kann.</ref>

Die Überlieferung der Kirche gebraucht jedoch die Bezeichnung inspirierte Schriften nur für die kanonischen Bücher des Alten und des Neuen Bundes, insofern sie vom Heiligen Geist inspiriert sind.<ref> Vgl. Konzil von Trient, Dekret über die Annahme der heiligen Bücher und der Überlieferungen: DH 1501; I. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei filius, cap. 2: DH 3006.</ref> Das Zweite Vatikanische Konzil greift in der dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung diese Überlieferung auf und lehrt: »Aufgrund apostolischen Glaubens gelten unserer heiligen Mutter, der Kirche, die Bücher des Alten wie des Neuen Testamentes in ihrer Ganzheit mit allen ihren Teilen als heilig und kanonisch, weil sie, unter der Einwirkung des Heiligen Geistes geschrieben (vgl. Joh 20,31; 2 Tim 3,16; 2 Petr 1,19-21; 3,15-16), Gott zum Urheber haben und als solche der Kirche übergeben sind«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei verbum, 11.</ref> Diese Bücher »lehren sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte«.<ref> Ebd.</ref>

Weil aber Gott alle Völker in Christus zu sich rufen und ihnen die Fülle seiner Offenbarung und seiner Liebe mitteilen will, hört er nicht auf, sich auf vielfältige Weise gegenwärtig zu machen, »nicht nur dem einzelnen, sondern auch den Völkern im Reichtum ihrer Spiritualität, die in den Religionen ihren vorzüglichen und wesentlichen Ausdruck findet, auch wenn sie ”Lücken, Unzulänglichkeiten und Irrtümer“ enthalten«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 55: AAS 83 (1991) 302f.; vgl. auch ebd., 56: a.a.O. 304f.; Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 53: AAS 68 (1976) 41f.</ref> Die heiligen Bücher anderer Religionen, die faktisch das Leben ihrer Anhänger nähren und leiten, erhalten also vom Mysterium Christi jene Elemente des Guten und der Gnade, die in ihnen vorhanden sind.

II. DER FLEISCHGEWORDENE LOGOS UND DER HEILIGE GEIST IM HEILSWERK

9. In der gegenwärtigen theologischen Diskussion wird Jesus von Nazaret oft als eine besondere historische Gestalt angesehen, die begrenzt ist und das Göttliche in einem Maß geoffenbart hat, das nicht exklusiv ist, sondern komplementär zu anderen Offenbarungs- und Heilsgestalten. Das Unendliche, das Absolute, das letzte Mysterium Gottes zeige sich der Menschheit in vielen Weisen und in vielen historischen Gestalten, Jesus von Nazaret sei eine von ihnen. Er sei — so noch konkreter — eines von den vielen Gesichtern, das der Logos im Laufe der Zeit angenommen habe, um der Menschheit das Heil zu vermitteln.

Um einerseits die Universalität des christlichen Heils und andererseits die Tatsache des religiösen Pluralismus zu rechtfertigen, wird darüber hinaus unterschieden zwischen einer Heilsordnung des ewigen Wortes, die auch außerhalb der Kirche und ohne Beziehung zu ihr gelte, und einer Heilsordnung des fleischgewordenen Wortes. Die erstgenannte Heilsordnung sei universaler als die zweite, die sich auf die Christen allein beschränke, auch wenn Gott in ihr in reicherem Maß gegenwärtig sei.

10. Diese Ansichten sind dem christlichen Glauben gänzlich entgegengesetzt. Es ist nämlich fest zu glauben, dass Jesus von Nazaret, der Sohn Marias, und nur er, der Sohn und das Wort des Vaters ist. Das Wort, das »im Anfang bei Gott war« (Joh 1,2), ist dasselbe, das »Fleisch geworden ist« (Joh 1,14). Jesus ist »der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes« (Mt 16,16); »in ihm allein wohnt wirklich die ganze Fülle Gottes« (Kol 2,9). Er ist »der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht« (Joh 1,18). »Durch ihn haben wir die Erlösung... Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut« (Kol 1,13.19-20).

Um irrige und verkürzende Interpretationen zurückzuweisen, hat das erste Konzil von Nizäa in Treue zur Heiligen Schrift feierlich den Glauben definiert an »Jesus Christus, den Sohn Gottes, als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt, das heißt aus der Substanz des Vaters, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesensgleich dem Vater, durch den alles geworden ist, was im Himmel und was auf der Erde ist, der wegen uns Menschen und um unseres Heiles willen herabgestiegen und Fleisch und Mensch geworden ist, gelitten hat und auferstanden ist am dritten Tage, hinaufgestiegen ist in die Himmel und kommt, Lebende und Tote zu richten«.<ref> I. Konzil von Nizäa, Nizänisches Glaubensbekenntnis: DH 125.</ref> In der Nachfolge der Lehre der Väter bekannte auch das Konzil von Chalkedon »unseren Herrn Jesus Christus als ein und denselben Sohn: derselbe ist vollkommen in der Gottheit und derselbe ist vollkommen in der Menschheit; derselbe ist wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch...; derselbe ist der Gottheit nach dem Vater wesensgleich und der Menschheit nach uns wesensgleich...; derselbe wurde einerseits der Gottheit nach vor den Zeiten aus dem Vater gezeugt, andererseits der Menschheit nach in den letzten Tagen unsertwegen und um unseres Heiles willen aus Maria, der Jungfrau und Gottesgebärerin, geboren«.<ref> Konzil von Chalkedon, Glaubensbekenntnis von Chalkedon: DH 301.</ref>

Das Zweite Vatikanische Konzil bekräftigt, dass Christus, »der neue Adam«, »das Ebenbild des unsichtbaren Gottes« (Kol 1,15), »der vollkommene Mensch ist, der den Söhnen Adams die Gottebenbildlichkeit wiedergab, die von der ersten Sünde her verunstaltet war... Als unschuldiges Lamm hat er freiwillig sein Blut vergossen und uns Leben erworben. In ihm hat Gott uns mit sich und untereinander versöhnt und der Knechtschaft des Teufels und der Sünde entrissen. So kann jeder von uns mit dem Apostel sagen: Der Sohn Gottes hat ”mich geliebt und sich für mich hingegeben“ (Gal 2,20)«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 22.</ref>

In diesem Zusammenhang hat Johannes Paul II. ausdrücklich erklärt: »Es widerspricht dem christlichen Glauben, wenn man eine wie auch immer geartete Trennung zwischen dem Wort und Jesus Christus einführt... Jesus ist das fleischgewordene Wort, eine einzige und unteilbare Person... Christus ist kein anderer als Jesus von Nazaret, und dieser ist das Wort Gottes, das für das Heil aller Mensch geworden ist... Während wir darangehen, die von Gott jedem Volk zugeteilten Gaben aller Art, insbesondere die geistigen Reichtümer, zu entdecken und aufzuwerten, können wir diese Gaben nicht trennen von Jesus Christus, der im Zentrum des göttlichen Heilsplanes steht«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 6: AAS 83 (1991) 254f.</ref>

Im Gegensatz zum katholischen Glauben steht auch die Trennung zwischen dem Heilswirken des Logos als solchem und dem Heilswirken des Wortes, das Fleisch geworden ist. Mit der Inkarnation werden alle Heilstaten des Wortes Gottes immer in Einheit mit seiner menschlichen Natur vollbracht, die es zum Heil aller Menschen angenommen hat. Das einzige Subjekt, das in beiden Naturen — der göttlichen und der menschlichen — handelt, ist die einzige Person des Wortes.<ref> Vgl. Hl. Leo der Große, Brief Lectis dilectionis tuae an Flavian: DH 294.</ref>

Nicht vereinbar mit der Lehre der Kirche ist deshalb die Theorie, die dem Logos als solchem in seiner Gottheit ein Heilswirken zuschreibt, das er — auch nach der Inkarnation — »über« oder »jenseits« seiner Menschheit ausübe.<ref> Vgl. Hl. Leo der Große, Brief Promisisse me memini an Kaiser Leon I.: DH 318: »Die Gottheit und die Menschheit (wurden) schon bei der Empfängnis der Jungfrau selbst in einer solch großen Einheit verwoben, dass weder die göttlichen Werke ohne den Menschen noch die menschlichen Werke ohne Gott getan wurden«. Vgl. auch ebd.: DH 317.</ref>

11. In ähnlicher Weise ist auch fest zu glauben, dass es nur eine einzige, vom einen und dreifaltigen Gott gewollte Heilsordnung gibt, deren Quellgrund und Mitte das Mysterium der Fleischwerdung des Wortes ist, des Mittlers der göttlichen Gnade in der Schöpfungs- und in der Erlösungsordnung (vgl. Kol 1,15-20), in dem alles vereint ist (vgl. Eph 1,10), »den Gott für uns zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung« (1 Kor 1,30). Das Mysterium Christi hat eine innere Einheit, die sich von seiner ewigen Erwählung in Gott bis zur Wiederkunft erstreckt: »In ihm hat er [der Vater] uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott« (Eph 1,4). »Durch ihn sind wir auch als Erben vorherbestimmt und eingesetzt nach dem Plan dessen, der alles so verwirklicht, wie er es in seinem Willen beschließt« (Eph 1,11). »Denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei. Die aber, die er vorausbestimmt hat, hat er auch berufen, und die er berufen hat, hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht« (Röm 8,29-30).

In Treue zur göttlichen Offenbarung bekräftigt das Lehramt der Kirche, dass Jesus Christus der universale Mittler und Erlöser ist: »Gottes Wort, durch das alles geschaffen ist, ist selbst Fleisch geworden, um in vollkommenem Menschsein alle zu retten und das All zusammenzufassen... Ihn hat der Vater von den Toten auferweckt, erhöht und zu seiner Rechten gesetzt; ihn hat er zum Richter der Lebendigen und Toten bestellt«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 45; vgl. auch Konzil von Trient, Dekret über die Ursünde, 3: DH 1513.</ref> Diese Heilsmittlerschaft beinhaltet auch die Einzigkeit des Erlösungsopfers Christi, des ewigen Hohenpriesters (vgl. Hebr 6,20; 9,11; 10,12-14).

12. Von einigen wird auch die Hypothese einer Heilsordnung des Heiligen Geistes vertreten, die einen universaleren Charakter habe als die Heilsordnung des fleischgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Auch diese Behauptung widerspricht dem katholischen Glauben, der vielmehr die Inkarnation des Wortes zu unserem Heil als ein trinitarisches Ereignis betrachtet. Im Neuen Testament ist das Mysterium Jesu, des fleischgewordenen Wortes, der Ort der Gegenwart des Heiligen Geistes und das Prinzip seiner Aussendung über die Menschheit, und zwar nicht nur in der messianischen Zeit (vgl. Apg 2,32-36; Joh 7,39; 20,22; 1 Kor 15,45), sondern auch in der Zeit vor seinem Eintreten in die Geschichte (vgl. 1 Kor 10,4; 1 Petr 1,10-12).

Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese grundlegende Wahrheit dem Glaubensbewusstsein der Kirche erneut eingeschärft. In der Darlegung des Heilsplanes des Vater für die ganze Menschheit hat das Konzil das Mysterium Christi und das Mysterium des Geistes von Anfang an eng miteinander verbunden.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 3f.</ref> Das ganze Werk der Auferbauung der Kirche durch das Haupt Jesus Christus im Laufe der Jahrhunderte wird als ein Werk gesehen, das er in Gemeinschaft mit seinem Geist vollbringt.<ref> Vgl., ebd., 7. Der heilige Irenäus schreibt, dass in der Kirche »die Gemeinschaft mit Christus niedergelegt ist, das heißt der Heilige Geist« (Adversus haereses 3, 24, 1: SC 211, 472).</ref>

Außerdem erstreckt sich das Heilswirken Jesu Christi mit und durch seinen Geist über die sichtbaren Grenzen der Kirche hinaus auf die ganze Menschheit. Im Hinblick auf das Paschamysterium, in dem Christus schon jetzt mit dem Glaubenden eine Lebensgemeinschaft im Geist bildet und ihm die Hoffnung auf die Auferstehung schenkt, lehrt das Konzil: »Dies gilt nicht nur für die Christgläubigen, sondern für alle Menschen guten Willens, in deren Herzen die Gnade unsichtbar wirkt. Da nämlich Christus für alle gestorben ist und da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche, müssen wir festhalten, dass der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem Paschamysterium in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein«.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 22.</ref>

Es ist also klar, dass das Heilsmysterium des fleischgewordenen Wortes mit dem Heilsmysterium des Geistes verbunden ist. Der Geist lässt den heilshaften Einfluss des menschgewordenen Sohnes im Leben aller Menschen Wirklichkeit werden, die von Gott zu einem einzigen Ziel berufen sind, ob sie der Menschwerdung des Wortes vorausgegangen sind oder nach seinem Kommen in die Geschichte leben: sie alle werden vom Geist des Vaters bewegt, den der Menschensohn unbegrenzt gibt (vgl. Joh 3,34).

Deshalb hat das Lehramt der Kirche jüngst mit Festigkeit und Klarheit die Wahrheit in Erinnerung gerufen, dass es nur eine einzige göttliche Heilsordnung gibt: »Die Gegenwart und das Handeln des Geistes berühren nicht nur einzelne Menschen, sondern auch die Gesellschaft und die Geschichte, die Völker, die Kulturen, die Religionen... Der auferstandene Christus wirkt im Herzen der Menschen in der Kraft seines Geistes... Und nochmals: es ist der Geist, der ”die Samen des Wortes“ aussät, die in den Riten und Kulturen da sind und der sie für ihr Heranreifen in Christus bereit macht«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 28: AAS 83 (1991) 274. Zu den »Samen des Wortes« vgl. auch Hl. Justin, 2. Apologia 8,1-2; 10,1-3; 13,3-6: E.J. Goodspeed (Hg.), 84, 85, 88-89.</ref> Das Lehramt anerkennt die heilsgeschichtliche Funktion des Geistes im ganzen Universum und in der ganzen Geschichte der Menschheit,<ref> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 28‑29: AAS 83 (1991) 273-275.</ref> bekräftigt jedoch zugleich: »Es ist derselbe Geist, der bei der Menschwerdung, im Leben, im Tode und bei der Auferstehung Jesu mitgewirkt hat und der in der Kirche wirkt. Er ist nicht eine Alternative zu Christus, er füllt nicht eine Lücke aus zwischen Christus und dem Logos, wie manchmal angenommen wird. Was immer der Geist im Herzen der Menschen und in der Geschichte der Völker, in den Kulturen und Religionen bewirkt, hat die Vorbereitung der Verkündigung zum Ziel und geschieht in bezug auf Christus, das durch das Wirken des Geistes fleischgewordene Wort, ”um ihn zu erwirken, den vollkommenen Menschen, das Heil aller und die Zusammenführung des Universums“«.<ref> Ebd., 29: a.a.O. 275.</ref>

Das Wirken des Geistes geschieht also nicht außerhalb oder neben dem Wirken Christi. Es gibt nur die eine Heilsordnung des einen und dreifaltigen Gottes, die im Mysterium der Inkarnation, des Todes und der Auferstehung des Sohnes Gottes Wirklichkeit wird und die durch die Mitwirkung des Heiligen Geistes vergegenwärtigt und in ihrer Heilsbedeutung auf die ganze Menschheit und das Universum ausgedehnt wird: »Die Menschen können demnach mit Gott nicht in Verbindung kommen, wenn es nicht durch Jesus Christus unter Mitwirkung des Geistes geschieht«.<ref> Ebd., 5: a.a.O. 254.</ref>

III. EINZIGKEIT UND UNIVERSALITÄT DES HEILSMYSTERIUMS JESU CHRISTI

13. Gemäß einer wiederholt vertretenen Auffassung wird auch die Einzigkeit und die Heilsuniversalität des Mysteriums Jesu Christi geleugnet. Diese Auffassung hat keinerlei biblische Grundlage. Es gehört nämlich zum beständigen Glaubensgut der Kirche und ist fest zu glauben, dass Jesus Christus, der Sohn Gottes, der Herr und der einzige Erlöser ist, der durch seine Menschwerdung, seinen Tod und seine Auferstehung die Heilsgeschichte, die in ihm ihre Fülle und ihren Mittelpunkt findet, zur Vollendung gebracht hat.

Dies wird klar durch die neutestamentlichen Zeugnisse bestätigt: »Der Vater hat den Sohn gesandt als den Retter der Welt« (1 Joh 4,14). »Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt« (Joh 1,29). Zur Rechtfertigung der im Namen Jesu erfolgten Heilung des Mannes, der von Geburt an gelähmt war (vgl. Apg 3,1-8), verkündet Petrus: »In keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen« (Apg 4,12). Derselbe Apostel bezeugt, dass Jesus Christus »der Herr aller« ist, »der von Gott eingesetzte Richter der Lebenden und der Toten«, weshalb »jeder, der an ihn glaubt, durch seinen Namen die Vergebung der Sünden empfängt« (Apg 10,36.42.43).

Paulus schreibt an die Gemeinde von Korinth: »Selbst wenn es im Himmel oder auf der Erde sogenannte Götter gibt — und solche Götter und Herren gibt es viele —, so haben doch wir nur einen Gott, den Vater. Von Ihm stammt alles, und wir leben auf ihn hin. Und einer ist der Herr: Jesus Christus. Durch ihn ist alles, und wir sind durch ihn« (1 Kor 8,5-6). Auch der Apostel Johannes bestätigt: »Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird« (Joh 3,16-17). Im Neuen Testament wird der universale Heilswille Gottes eng an die einzige Mittlerschaft Christi gebunden: »Er [Gott] will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle« (1 Tim 2,4-6).

Die ersten Christen waren sich dieser einzigartigen und universalen, vom Vater durch Jesus Christus im Geist angebotenen Heilsgabe bewusst. Sie wandten sich an Israel und verwiesen auf die Vollendung des Heils, das über das Gesetz hinausgeht. Sie traten auch der damaligen heidnischen Welt entgegen, die durch eine Vielzahl von Heilsgöttern nach der Erlösung strebte. Dieses Glaubensgut hat das Lehramt der Kirche wiederum vorgelegt: »Die Kirche glaubt: Christus, der für alle starb und auferstand (vgl. 2 Kor 5,15), schenkt dem Menschen Licht und Kraft durch seinen Geist, damit er seiner höchsten Berufung nachkommen kann; es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem sie gerettet werden sollen (vgl. Apg 4,12). Sie glaubt ferner, dass in ihrem Herrn und Meister der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte gegeben ist«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 10. Der heilige Augustinus schreibt: Außerhalb von Christus, »dem universalen Heilsweg..., der dem menschlichen Geschlecht niemals fehlte..., hat niemand das Heil erlangt, erlangt es niemand und wird es niemand je erlangen« (De civitate Dei 10, 32, 2: CCL 47, 312).</ref>

14. Es ist deshalb als Wahrheit des katholischen Glaubens fest zu glauben, dass der universale Heilswille des einen und dreifaltigen Gottes ein für allemal im Mysterium der Inkarnation, des Todes und der Auferstehung des Sohnes Gottes angeboten und Wirklichkeit geworden ist.

Unter Beachtung dieses Glaubenssatzes ist die Theologie heute eingeladen, über das Vorhandensein anderer religiöser Erfahrungen und ihrer Bedeutung im Heilsplan Gottes nachzudenken und zu erforschen, ob und wie auch Gestalten und positive Elemente anderer Religionen zum göttlichen Heilsplan gehören können. In diesem Bereich gibt es für die theologische Forschung unter Führung des Lehramtes der Kirche ein weites Arbeitsfeld. Das Zweite Vatikanische Konzil hat nämlich festgestellt, dass »die Einzigkeit der Mittlerschaft des Erlösers im geschöpflichen Bereich eine unterschiedliche Teilnahme an der einzigen Quelle in der Mitwirkung nicht ausschließt, sondern sie erweckt«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 62.</ref> Es bedarf einer vertieften Anstrengung zu ergründen, was diese teilhabende Mittlerschaft bedeutet, die jedoch immer vom Prinzip der einzigen Mittlerschaft Christi normiert bleiben muss: »Andere Mittlertätigkeiten verschiedener Art und Ordnung, die an seiner Mittlerschaft teilhaben, werden nicht ausgeschlossen, aber sie haben Bedeutung und Wert allein in Verbindung mit der Mittlerschaft Christi und können nicht als gleichrangig und komplementär betrachtet werden«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 5: AAS 83 (1991) 254.</ref> Im Gegensatz zum christlichen und katholischen Glauben stehen jedoch Lösungsvorschläge, die ein Heilswirken Gottes außerhalb der einzigen Mittlerschaft Christi annehmen.

15. Nicht selten wird der Vorschlag gemacht, in der Theologie Ausdrücke wie »Einzigkeit«, »Universalität« oder »Absolutheit« zu vermeiden, weil dadurch der Eindruck entstünde, die Bedeutung und der Wert des Heilsereignisses Jesu Christi würde gegenüber den anderen Religionen in übertriebener Weise betont. In Wirklichkeit bringen diese Worte nur die Treue zum Offenbarungsgut zum Ausdruck, weil sie sich aus den Glaubensquellen selbst ergeben. Von Anfang an hat die Gemeinschaft der Gläubigen Jesus eine Heilsbedeutung zuerkannt, gemäß der er allein — als menschgewordener, gekreuzigter und auferstandener Sohn Gottes — durch die Sendung, die er vom Vater erhalten hat, und in der Kraft des Heiligen Geistes das Ziel hat, der ganzen Menschheit und jedem Menschen die Offenbarung (vgl. Mt 11,27) und das göttliche Leben (vgl. Joh 1,12; 5,25-26; 17,2) zu schenken.

In diesem Sinn kann und muss man sagen, dass Jesus Christus für das Menschengeschlecht und seine Geschichte eine herausragende und einmalige, nur ihm eigene, ausschließliche, universale und absolute Bedeutung und Wichtigkeit hat. Jesus ist nämlich das Wort Gottes, das für das Heil aller Mensch geworden ist. Das Zweite Vatikanische Konzil greift dieses Glaubensbewusstsein auf und lehrt: »Gottes Wort, durch das alles geschaffen ist, ist selbst Fleisch geworden, um in vollkommenem Menschsein alle zu retten und das All zusammenzufassen. Der Herr ist das Ziel der menschlichen Geschichte, der Punkt auf den hin alle Bestrebungen der Geschichte und der Kultur konvergieren, der Mittelpunkt der Menschheit, die Freude aller Herzen und die Erfüllung ihrer Sehnsüchte. Ihn hat der Vater von den Toten auferweckt, erhöht und zu seiner Rechten gesetzt; ihn hat er zum Richter der Lebendigen und Toten bestellt«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 45. Die notwendige und absolute Einzigartigkeit und Universalität Christi in der menschlichen Geschichte wird sehr treffend vom heiligen Irenäus in der Betrachtung des Vorranges Jesu als des Erstgeborenen zum Ausdruck gebracht: »Im Himmel lenkt und leitet das vollkommene Wort als der Erstgeborene aus dem Gedanken des Vaters persönlich alle Dinge; auf der Erde ist er als der Erstgeborene der Jungfrau der Gerechte und Heilige, der Knecht Gottes, Gott wohlgefällig, vollkommen in allem; indem er alle, die ihm folgen, aus dem Reich des Todes rettet, ist er als der Erstgeborene der Toten das Haupt und die Quelle des göttlichen Lebens« (Demonstratio apostolica, 39: SC 406, 138).</ref> »Gerade diese Einzigartigkeit Christi ist es, die ihm eine absolute und universale Bedeutung verleiht, durch die er, obwohl selbst Teil der Geschichte, Mitte und Ziel der Geschichte selbst ist: ”Ich bin das Alpha und das Omega, der erste und der letzte, der Anfang und das Ende“ (Offb 22,13)«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 6: AAS 83 (1991) 255.</ref>

IV. EINZIGKEIT UND EINHEIT DER KIRCHE

16. Der Herr Jesus, der einzige Erlöser, hat nicht eine bloße Gemeinschaft von Gläubigen gestiftet. Er hat die Kirche als Heilsmysterium gegründet: Er selbst ist in der Kirche und die Kirche ist in ihm (vgl. Joh 15,1ff.; Gal 3,28; Eph 4,15-16; Apg 9,5); deswegen gehört die Fülle des Heilsmysteriums Christi auch zur Kirche, die untrennbar mit ihrem Herrn verbunden ist. Denn Jesus Christus setzt seine Gegenwart und sein Heilswerk in der Kirche und durch die Kirche fort (vgl. Kol 1,24-27),<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 14.</ref> die sein Leib ist (vgl. 1 Kor 12,12-13.27; Kol 1,18).<ref> Vgl. ebd., 7.</ref> Wie das Haupt und die Glieder eines lebendigen Leibes zwar nicht identisch sind, aber auch nicht getrennt werden können, dürfen Christus und die Kirche nicht miteinander verwechselt, aber auch nicht voneinander getrennt werden. Sie bilden zusammen den einzigen »ganzen Christus«.<ref> Hl. Augustinus, Enarratio in Psalmos, Ps. 90, Sermo 2,1: CCL 39, 1266; Hl. Gregor der Grosse, Moralia in Iob, Praefatio, 6,14: PL 75, 525; Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, III, q. 48, a. 2 ad 1.</ref> Diese Untrennbarkeit kommt im Neuen Testament auch durch die Analogie der Kirche als der Braut Christi zum Ausdruck (vgl. 2 Kor 11,2; Eph 5,25-29; Offb 21,2.9).<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 6.</ref>

Deshalb muss in Verbindung mit der Einzigkeit und der Universalität der Heilsmittlerschaft Jesu Christi die Einzigkeit der von ihm gestifteten Kirche als Wahrheit des katholischen Glaubens fest geglaubt werden. Wie es nur einen einzigen Christus gibt, so gibt es nur einen einzigen Leib Christi, eine einzige Braut Christi: »die eine alleinige katholische und apostolische Kirche«.<ref> Großes Glaubensbekenntnis der armenischen Kirche: DH 48; vgl. Bonifatius VIII., Bulle Unam sanctam: DH 870‑872; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 8.</ref> Die Verheißungen des Herrn, seine Kirche nie zu verlassen (vgl. Mt 16,18; 28,20) und sie mit seinem Geist zu führen (vgl. Joh 16,13), beinhalten darüber hinaus nach katholischem Glauben, dass die Einzigkeit und die Einheit der Kirche sowie alles, was zu ihrer Integrität gehört, niemals zerstört werden.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis redintegratio, 4; Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, 11: AAS 87 (1995) 927.</ref>

Die Gläubigen sind angehalten zu bekennen, dass es eine geschichtliche, in der apostolischen Sukzession verwurzelte Kontinuität<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 20; vgl. auch Hl. Irenäus, Adversus haereses, III, 3, 1-3: SC 211, 20-44; Hl. Cyprian, Epist. 33, 1: CCL 3B, 164-165; Hl. Augustinus, Contra advers. legis et prophet., 1, 20, 39: CCL 49, 70.</ref> zwischen der von Christus gestifteten und der katholischen Kirche gibt: »Dies ist die einzige Kirche Christi... Sie zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus übertragen (vgl. Joh 21,17), ihm und den übrigen Aposteln hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut (vgl. Mt 28,18ff.), für immer hat er sie als ”die Säule und das Fundament der Wahrheit“ (1 Tim 3,15) errichtet. Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet, ist verwirklicht [subsistit in] in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 8.</ref> Mit dem Ausdruck »subsistit in« wollte das Zweite Vatikanische Konzil zwei Lehrsätze miteinander in Einklang bringen: auf der einen Seite, dass die Kirche Christi trotz der Spaltungen der Christen voll nur in der katholischen Kirche weiterbesteht, und auf der anderen Seite, »dass außerhalb ihres sichtbaren Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind«,<ref> Ebd., 8; vgl. ebd., 15; Dekret Unitatis redintegratio, 3; Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, 13: AAS 87 (1995) 928f.</ref> nämlich in den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen. <ref> Der authentischen Bedeutung des Konzilstextes widerspricht deshalb die Interpretation jener, die von der Formel »subsistit in« die Meinung ableiten, dass die einzige Kirche Christi auch in anderen christlichen Kirchen verwirklicht sein könnte. »Das Konzil hingegen hatte das Wort ”subsistit“ gerade deshalb gewählt, um klarzustellen, dass nur eine einzige ”Subsistenz“ der wahren Kirche besteht, während es außerhalb ihres sichtbaren Gefüges lediglich ”Elemente des Kircheseins“ gibt, die — da sie Elemente derselben Kirche sind — zur katholischen Kirche tendieren und hinführen« (Kongregation für die Glaubenslehre, Notifikation zu dem Buch »Kirche: Charisma und Macht. Versuch einer militanten Ekklesiologie« von P. Leonardo Boff OFM: AAS 77 [1985] 758f.).</ref>

Bezüglich dieser Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ist festzuhalten, dass »deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis redintegratio, 3.</ref>

17. Es gibt also eine einzige Kirche Christi, die in der katholischen Kirche subsistiert und vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird.<ref> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Mysterium ecclesiae, 1: AAS 65 (1973) 396-398.</ref> Die Kirchen, die zwar nicht in vollkommener Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, aber durch engste Bande, wie die apostolische Sukzession und die gültige Eucharistie, mit ihr verbunden bleiben, sind echte Teilkirchen.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis redintegratio, 14 und 15; Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio, 17: AAS 85 (1993) 848.</ref> Deshalb ist die Kirche Christi auch in diesen Kirchen gegenwärtig und wirksam, obwohl ihnen die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche fehlt, insofern sie die katholische Lehre vom Primat nicht annehmen, den der Bischof von Rom nach Gottes Willen objektiv innehat und über die ganze Kirche ausübt.<ref> Vgl. I. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor aeternus: DH 3053-3064; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 22.</ref>

Die kirchlichen Gemeinschaften hingegen, die den gültigen Episkopat und die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben,<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis redintegratio, 22.</ref> sind nicht Kirchen im eigentlichen Sinn; die in diesen Gemeinschaften Getauften sind aber durch die Taufe Christus eingegliedert und stehen deshalb in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der Kirche.<ref> Vgl. ebd., 3.</ref> Die Taufe zielt nämlich hin auf die volle Entfaltung des Lebens in Christus durch das vollständige Bekenntnis des Glaubens, die Eucharistie und die volle Gemeinschaft in der Kirche.<ref> Vgl. ebd., 22.</ref>

»Daher dürfen die Christgläubigen sich nicht vorstellen, die Kirche Christi sei nichts anderes als eine gewisse Summe von Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften — zwar getrennt, aber noch irgendwie eine; und es steht ihnen keineswegs frei anzunehmen, die Kirche Christi bestehe heute in Wahrheit nirgendwo mehr, sondern sei nur als ein Ziel zu betrachten, das alle Kirchen und Gemeinschaften suchen müssen«.<ref> Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Mysterium ecclesiae, 1: AAS 65 (1973) 398.</ref> In Wirklichkeit »existieren die Elemente dieser bereits gegebenen Kirche in ihrer ganzen Fülle in der katholischen Kirche und noch nicht in dieser Fülle in den anderen Gemeinschaften«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, 14: AAS 87 (1995) 929.</ref> Deswegen »sind diese getrennten Kirchen und Gemeinschaften trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles. Denn der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen, deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Erklärung Unitatis redintegratio, 3.</ref>

Die fehlende Einheit unter den Christen ist gewiss eine Wunde für die Kirche; doch nicht in dem Sinn, dass ihre Einheit nicht da wäre, sondern »insofern es sie hindert, ihre Universalität in der Geschichte voll zu verwirklichen«.<ref> Kongregation für die Glaubenslehre; Schreiben Communionis notio, 17: AAS 85 (1993) 849; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis redintegratio, 4.</ref>

[Fortsetzung folgt]

Anmerkungen

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