Perfectae caritatis (Wortlaut)

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Dekret
Pefectae caritatis

des Zweiten Vatikanisches Konzils
unter unserem Heiligen Vater
Paul VI.
28. Oktober 1965
über die zeitgemässe Erneuerung des Ordenslebens
(Offizieller lateinischer Text AAS 58 [1966] 702-712)

(Quelle: Die deutsch Fassung auf der Vatikanseite)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Einleitend

1. Die Heilige Synode hat bereits in der Konstitution, die mit den Worten "Das Licht der Völker" beginnt, dargelegt, dass das Streben nach vollkommener Liebe auf dem Weg der evangelischen Räte in Lehre und Leben des göttlichen Meisters seinen Ursprung hat und wie ein leuchtendes Zeichen des Himmelreiches erscheint. Sie möchte nun von der Lebensordnung der Institute handeln, in denen Keuschheit, Armut und Gehorsam gelobt werden, und für deren zeitbedingte Erfordernisse Vorsorge treffen.

Von Anfang an gab es in der Kirche Männer und Frauen, die durch die Befolgung der evangelischen Räte Christus in größerer Freiheit nachzufolgen und ihn ausdrücklicher nachzuahmen verlangten und die - jeder auf seine Weise - ein Leben führten, das Gott geweiht war. Viele wählten unter dem Antrieb des Heiligen Geistes ein Einsiedlerleben, andere gaben den Anstoß zu religiösen Gemeinschaften, die von der Kirche kraft ihrer Vollmacht gern unterstützt und bestätigt wurden. So erwuchs nach göttlichem Ratschluß eine wunderbare Vielfalt von Ordensgemeinschaften, die sehr dazu beitrug, dass die Kirche nicht nur zu jedem guten Werk gerüstet (vgl. 2 Tim 3,17) und für den Dienst am Aufbau des Leibes Christi (vgl. Eph 4,12) bereit ist, sondern auch mit den mannigfachen Gnadengaben ihrer Kinder wie eine Braut für ihren Mann geschmückt dasteht (vgl. Offb 21,2) und die vielgestaltige Weisheit Gottes kundtut (vgl. Eph 3,10).

Inmitten der Vielfalt von Gnadengaben weihen sich alle, die von Gott zum Leben der evangelischen Räte berufen werden und dieses aufrichtig geloben, in besonderer Weise dem Herrn, indem sie Christus nachfolgen, der selbst jungfräulich und arm gelebt (vgl. Mt 8,20; Lk 9,58) und durch seinen Gehorsam bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,8) die Menschen erlöst und geheiligt hat. Von der Liebe gedrängt, die der Heilige Geist in ihre Herzen ausgegossen hat (vgl. Röm 5,5), leben sie mehr und mehr für Christus und seinen Leib, die Kirche (vgl. Kol 1,24). Je inniger sie also durch solche Selbsthingabe, die das ganze Leben umfaßt, mit Christus vereinigt werden, desto reicher wird das Leben der Kirche und desto fruchtbarer deren Apostolat.

Damit aber der besondere Wert eines durch die Verpflichtung auf die evangelischen Räte geweihten Lebens und dessen notwendige Aufgabe der Kirche in der gegenwärtigen Zeit zu größerem Nutzen gereiche, erläßt diese Heilige Synode die folgenden Bestimmungen. Sie berücksichtigen aber nur die allgemeinen Grundsätze einer zeitgemäßen Erneuerung der Ordensgemeinschaften sowie - unter Wahrung ihrer jeweiligen Eigenart - der Gesellschaften des gemeinsamen Lebens ohne Gelübde und der Weltinstitute. Die besonderen Richtlinien für ihre rechte Auslegung und Anwendung sind nach dem Konzil von der zuständigen Autorität zu erlassen.

Erneuerung und Anpassung

2. Zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens heißt: ständige Rückkehr zu den Quellen jedes christlichen Lebens und zum Geist des Ursprungs der einzelnen Institute, zugleich aber deren Anpassung an die veränderten Zeitverhältnisse. Diese Erneuerung ist unter dem Antrieb des Heiligen Geistes und unter der Führung der Kirche nach folgenden Grundsätzen zu verwirklichen:

a) Letzte Norm des Ordenslebens ist die im Evangelium dargelegte Nachfolge Christi. Sie hat allen Instituten als oberste Regel zu gelten.

b) Es ist der Kirche zum Nutzen, dass die Institute ihre Eigenart und ihre besondere Aufgabe haben. Darum sind der Geist und die eigentlichen Absichten der Gründer wie auch die gesunden Überlieferungen, die zusammen das Erbe jedes Institutes ausmachen, treu zu erforschen und zu bewahren.

c) Alle Institute sollen am Leben der Kirche teilnehmen und sich entsprechend ihrem besonderen Charakter deren Erneuerungsbestrebungen - auf biblischem, liturgischem, dogmatischem, pastoralem, ökumenischem, missionarischem und sozialem Gebiet - zu eigen machen und sie nach Kräften fördern.

d) Die Institute sollen dafür sorgen, dass ihre Mitglieder die Lebensverhältnisse der Menschen, die Zeitlage sowie die Erfordernisse der Kirche wirklich kennen, damit sie die heutige Welt im Licht des Glaubens richtig beurteilen und den Menschen mit lebendigem apostolischem Eifer wirksamer helfen können.

e) Da das Ordensleben durch die Verpflichtung auf die evangelischen Räte vor allem anderen auf die Nachfolge Christi und die Vereinigung mit Gott abzielt, ist ernst zu bedenken, dass auch die besten Anpassungen an die Erfordernisse unserer Zeit ohne geistliche Erneuerung unwirksam bleiben; diese hat darum auch bei aller Förderung äußerer Werke immer das Wesentliche zu sein.

3. Lebensweise, Gebet und Arbeit müssen den körperlichen und seelischen Voraussetzungen der Menschen von heute, aber auch - soweit die Eigenart des Instituts es verlangt - den Erfordernissen des Apostolats, den Ansprüchen der Kultur, der sozialen und wirtschaftlichen Umwelt entsprechen. Das gilt überall, vor allem in den Missionsgebieten. Nach denselben Kriterien ist auch die Art und Weise der Leitung in den Instituten zu überprüfen. Darum sind die Konstitutionen, die "Direktorien", die Gebräuchebücher, Gebetbücher, Zeremonienbücher und dergleichen entsprechend durchzusehen und nach Ausscheiden veralteter Bestimmungen mit den Dokumenten dieser Heiligen Synode in Einklang zu bringen.

4. Zur wirksamen Erneuerung und echten Anpassung ist die Zusammenarbeit aller Mitglieder eines Instituts unerläßlich. Richtlinien für die zeitgemäße Erneuerung festzusetzen, Vorschriften zu erlassen und hinreichende, kluge Erprobung zu gestatten ist jedoch einzig Sache der rechtmäßigen Autoritäten, vor allem der Generalkapitel, unbeschadet der Gutheißung durch den Heiligen Stuhl oder die Ortsordinarien, wo es die Rechtsnormen erfordern. Die Obern jedoch sollen in dem, was die Belange des ganzen Instituts betrifft, ihre Untergebenen in geeigneter Weise befragen und hören. Um Wünsche und Vorschläge für die zeitgemäße Erneuerung der Nonnenklöster zu erlangen, können auch Sitzungen der Föderationen oder andere rechtmäßige Zusammenkünfte einberufen werden. Alle sollen sich indes bewußt bleiben, dass die Erneuerung mehr von einer gewissenhaften Beobachtung der Regel und der Konstitutionen als von einer Vermehrung der Vorschriften zu erhoffen ist.

Gemeinsame Merkmale aller Formen religiösen Lebens

5. Die Mitglieder aller Institute sollen sich bewußt bleiben, dass sie durch ihr Gelöbnis der evangelischen Räte vor allem einem göttlichen Ruf geantwortet haben und dadurch nicht nur der Sünde gestorben sind (vgl. Röm 6,1), sondern auch der Welt entsagt haben, um Gott allein zu leben; denn sie haben ihr ganzes Leben seinem Dienst überantwortet. Das begründet gleichsam eine besondere Weihe, die zutiefst in der Taufweihe wurzelt und diese voller zum Ausdruck bringt. Da aber diese Selbsthingabe von der Kirche angenommen wurde, sollen sie sich auch zu deren Dienst verpflichtet wissen. Solches Übereignetsein an Gott muss sie immer mehr zu praktischer Tugend drängen, besonders zu Demut und Gehorsam, Tapferkeit und Keuschheit, die ihnen Anteil geben an Christi Erniedrigung (vgl. Phil 2,7) und zugleich an dessen Leben im Geist (vgl. Röm 8,1-13). Die Ordensleute sollen also, treu ihren Gelübden, alles um Christi willen aufgeben (vgl. Mk 10,28) und ihm nachfolgen (vgl. Mt 19,21): Er muss für sie das "Eine Notwendige" sein (vgl. Lk 10,42). Aufsein Wort hörend (vgl. Lk 10,39), sollen sie um seine Sache besorgt sein (vgl. 1 Kor 7,32). Darum müssen die Mitglieder aller Institute, da sie zuerst und einzig Gott suchen, die Kontemplation, durch die sie ihm im Geist und im Herzen anhangen, mit apostolischer Liebe verbinden, die sie dem Erlösungswerk zugesellt und zur Ausbreitung des Reiches Gottes drängt.

Primat des geistlichen Lebens

6. Wer sich auf die evangelischen Räte verpflichtet, muss vor allem Gott, der uns zuvor geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,10), suchen und lieben und sich in allen Lebensumständen bemühen, ein mit Christus verborgenes Leben (vgl. Kol 3,3) zu führen. Daraus fließt die Nächstenliebe zum Heil der Welt und zum Aufbau der Kirche und erhält neuen Antrieb. Diese Liebe beseelt und leitet auch selbst wieder die Verwirklichung der evangelischen Räte. Darum müssen die Mitglieder der Institute den Geist des Gebetes und das Gebet selbst aus den echten Quellen der christlichen Frömmigkeit schöpfen und mit beharrlichem Eifer pflegen. Täglich sollen sie die Heilige Schrift zur Hand nehmen, um durch Lesung und Betrachtung des Gotteswortes "die überragende Erkenntnis Jesu Christi" (Phil 3,8) zu gewinnen. Im Geist der Kirche sollen sie die heilige Liturgie, zumal das heilige Mysterium der Eucharistie, mit innerer und äußerer Anteilnahme feiern und aus diesem überreichen Quell ihr geistliches Leben nähren. So werden sie, am Tisch des göttlichen Wortes und des heiligen Altares gespeist, Christi Glieder brüderlich lieben, den Hirten in Hochachtung und Liebe begegnen, mehr und mehr mit der Kirche leben und fühlen und sich deren Sendung ganz überantworten.

Das kontemplative Leben

7. Die gänzlich auf die Kontemplation hingeordneten Institute, deren Mitglieder in Einsamkeit und Schweigen, anhaltendem Gebet und hochherziger Buße für Gott allein da sind, nehmen - mag die Notwendigkeit zum tätigen Apostolat noch so sehr drängen - im mystischen Leib Christi, dessen "Glieder nicht alle den gleichen Dienst verrichten" (Röm 12,4), immer eine hervorragende Stelle ein. Sie bringen Gott ein erhabenes Lobopfer dar und schenken dem Volk Gottes durch überreiche Früchte der Heiligkeit Licht, eifern es durch ihr Beispiel an und lassen es in geheimnisvoller apostolischer Fruchtbarkeit wachsen. So sind sie eine Zier der Kirche und verströmen himmlische Gnaden. Allerdings muss ihre Lebensweise nach den genannten Grundsätzen und Richtlinien zeitgemäßer Erneuerung überprüft werden, jedoch unter ehrfürchtiger Wahrung ihrer Trennung von der Welt und der dem kontemplativen Leben eigenen Übungen.

Das aktive Leben

8. Zahlreich sind in der Kirche die Kleriker- und Laieninstitute, die sich mannigfachen apostolischen Aufgaben widmen. Ihre Gaben sind verschieden gemäß der ihnen verliehenen Gnade. Wer die Gabe hat zu dienen, der diene; zu lehren, der lehre; zu mahnen, der ermahne; wer spendet, tue es schlichten Sinnes; wer Barmherzigkeit übt, tue es in Freudigkeit (vgl. Röm 12,5-8). "Vielfältig sind die Gnadengaben, aber es ist derselbe Geist" (1 Kor 12,4). In diesen Instituten gehören die apostolische und die caritative Tätigkeit zum eigentlichen Wesen des Ordenslebens. Sie ist ihnen als ihr heiliger Dienst und als ihr Liebeswerk von der Kirche anvertraut und in deren Namen auszuüben. Das ganze Ordensleben der Mitglieder muss darum von apostolischem Geist durchdrungen und alle apostolische Arbeit vom Ordensgeist geprägt sein. Damit also die Mitglieder in erster Linie ihrer Berufung zur Christusnachfolge entsprechen und Christus selbst in seinen Gliedern dienen, muss ihre apostolische Arbeit aus einer tiefen Verbundenheit mit ihm hervorgehen. So wird die Gottes- und Nächstenliebe selbst gefördert. Deshalb müssen diese Institute ihre Lebensart und ihr Brauchtum auf das von ihnen geübte Apostolat einstellen. Das Ordensleben mit apostolischer Zielsetzung ist jedoch vielgestaltig. Seine zeitgemäße Erneuerung hat darum diese Unterschiede zu berücksichtigen, und das Leben der Mitglieder im Dienst Christi muss in den einzelnen Instituten von den ihnen eigenen und entsprechenden Mitteln getragen sein.

Das monastische und klösterliche Leben

9. Die ehrwürdige Einrichtung des monastischen Lebens, die sich im Laufe vieler Jahrhunderte um Kirche und menschliche Gesellschaft hervorragende Verdienste erworben hat, soll im Osten und Westen in ihrem echten Geist treu bewahrt werden und von Tag zu Tag heller erstrahlen. Vornehmste Aufgabe der Mönche ist der demütig-hohe Dienst vor der göttlichen Majestät innerhalb des klösterlichen Bereichs, ob sie sich nun in Verborgenheit ganz der Gottesverehrung weihen oder nach ihrer Satzung eine apostolische oder caritative Arbeit übernommen haben. Unter Wahrung ihrer jeweiligen Eigenart sollen sie die alten, dem Wohl des Nächsten dienenden Überlieferungen erneuern und sie den gegenwärtigen Bedürfnissen der Menschen so anpassen, dass ihre Klöster gleichsam Pflanzstätten zur Auferbauung des christlichen Volkes werden. Ebenso sollen jene Orden, die aufgrund ihrer Regel oder ihrer Satzungen die apostolische Tätigkeit eng mit Chordienst und monastischem Brauchtum verbinden, ihre Lebensweise so auf die Erfordernisse ihres Apostolats abstimmen, dass sie ihre Lebensform, die dem besonderen Wohl der Kirche dienen soll, treu bewahren.

Das religiöse Laienleben

10. Das Ordensleben der Laien, der Männer wie der Frauen, verwirklicht in vollwertiger Weise den Stand der Verpflichtung auf die evangelischen Räte. Es dient dem Seelsorgsauftrag der Kirche in Jugenderziehung, Krankenpflege und anderen Diensten. Darum schätzt die Heilige Synode es hoch ein, bestärkt die Mitglieder in ihrer Berufung und fordert sie zur Anpassung ihrer Lebensweise an die heutigen Verhältnisse auf. Die Heilige Synode erklärt, es stehe nichts im Wege, dass in Brüdergemeinschaften nach Ermessen des Generalkapitels einige Mitglieder für den priesterlichen Dienst in den eigenen Häusern die heiligen Weihen empfangen. Der Laiencharakter des Institutes bleibt dabei unangetastet.

11. Obwohl die Weltinstitute keine Ordensgemeinschaften sind, erfordern sie dennoch eine wahre und vollkommene, von der Kirche gutgeheißene Verpflichtung zu einem Leben nach den evangelischen Räten in der Welt. Diese Verpflichtung verleiht den in der Welt lebenden Männern und Frauen, Laien und Klerikern, eine Weihe. Darum müssen auch sie das Streben nach Ganzhingabe an Gott in vollkommener Liebe als ihre wichtigste Aufgabe betrachten; die Institute ihrerseits müssen den ihnen eigenen und besonderen Weltcharakter bewahren, damit sie dem Apostolat in der Welt und gleichsam von der Welt her, das der Grund für ihre Entstehung war, überall wirksam gerecht zu werden vermögen. Doch sollen sie wohl wissen, dass sie sich einer so schweren Aufgabe nur unterziehen können, wenn ihre Mitglieder im religiösen und im profanen Bereich sorgfältig geschult werden; nur so werden sie im wahren Sinn zum Sauerteig der Welt, zur Stärkung und zum Wachstum des Leibes Christi. Ihre Vorgesetzten sollen also ernstlich für die Unterweisung, zumal für die geistliche, und ebenso für die Weiterbildung Sorge tragen.

Die drei religiösen Gelübde:

a) Keuschheit

12. Die Ehelosigkeit "um des Himmelreiches willen" (Mt 19,12), zu der die Ordensleute sich verpflichten, soll von ihnen als überaus hohe Gnadengabe angesehen werden. Sie macht das Herz des Menschen in einzigartiger Weise für eine größere Liebe zu Gott und zu allen Menschen frei (vgl. 1 Kor 7,32-35). Darum ist sie ein besonderes Zeichen für die himmlischen Güter und für die Ordensleute ein vorzügliches Mittel, sich mit Eifer dem göttlichen Dienst und den Werken des Apostolats zu widmen. So rufen sie allen Christgläubigen jenen wunderbaren Ehebund in Erinnerung, den Gott begründet hat und der erst in der kommenden Welt ganz offenbar wird, den Ehebund der Kirche mit Christus, ihrem einzigen Bräutigam.

Die Ordensleute sollen also treu zu ihrem Gelöbnis stehen, den Worten des Herrn Glauben schenken, auf Gottes Hilfe vertrauen und sich nicht auf die eigenen Kräfte verlassen, Abtötung üben und die Sinne beherrschen. Auch die natürlichen Hilfen, die der seelischen und körperlichen Gesundheit dienen, sollen sie nicht außer acht lassen. So werden sie nicht durch irrige Meinungen, völlige Enthaltsamkeit sei unmöglich oder stehe der menschlichen Entfaltung entgegen, beeindruckt und werden alles, was die Keuschheit gefährdet, gleichsam instinktiv von sich weisen. Dazu sollen alle, zumal die Obern, bedenken, dass die Keuschheit sicherer bewahrt wird, wenn in der Gemeinschaft wahre Liebe herrscht und alle miteinander verbindet.

Die Beobachtung vollkommener Enthaltsamkeit rührt sehr unmittelbar an tiefere Neigungen der menschlichen Natur. Darum dürfen Kandidaten nur nach wirklich ausreichender Prüfung und nach Erlangung der erforderlichen psychologischen und affektiven Reife zum Gelöbnis der Keuschheit hinzutreten und zugelassen werden. Man soll sie nicht nur auf die Gefahren für die Keuschheit aufmerksam machen, sondern sie anleiten, die gottgewollte Ehelosigkeit zum Wohl der Gesamtperson innerlich zu übernehmen.

b) Armut

13. Die freiwillige Armut um der Nachfolge Christi willen, als deren Zeichen sie heute besonders geschätzt wird, sollen die Ordensleute mit liebendem Eifer pflegen und gegebenenfalls auch in neuen Formen üben. Sie ist Anteil an Christi Armut, der unseretwegen arm wurde, da er doch reich war, damit wir durch seine Entbehrung reich würden (vgl. 2 Kor 8,9; Mt 8,20). Die Ordensarmut beschränkt sich nicht auf die Abhängigkeit von den Obern im Gebrauch der Dinge. Die Mitglieder müssen tatsächlich und in der Gesinnung arm sein, da sie ihr Besitztum im Himmel haben (vgl. Mt 6,20). Alle sollen sich - jeder in seiner Aufgabe - dem allgemeinen Gesetz der Arbeit verpflichtet wissen. Im Erwerb aber dessen, was zu ihrem Lebensunterhalt und für ihre Aufgaben notwendig ist, sollen sie alle unangebrachte Sorge von sich weisen und sich der Vorsehung des himmlischen Vaters anheimgeben (vgl. Mt 6,25).

Ordensgenossenschaften können in ihren Konstitutionen den Mitgliedern den Verzicht auf ihr schon erworbenes oder noch anfallendes Erbe erlauben. Auch die Institute als ganze sollen danach trachten, ein gleichsam kollektives Zeugnis der Armut abzulegen, so wie es in ihrer Umwelt angebracht ist, und von ihrem eigenen Besitz gern etwas beitragen für andere Erfordernisse der Kirche und für den Unterhalt der Armen, die alle Ordensleute im Herzen Christi lieben sollen (vgl. Mt 19,21; 25,34-46; Jak 2,15-16; 1 Joh 3,17). Die Ordensprovinzen und die einzelnen Häuser sollen sich gegenseitig materiell aushelfen, indem jene, die mehr haben, diejenigen, die Not leiden, unterstützen. Obschon die Institute, unbeschadet der Regeln und Konstitutionen, das Recht auf Besitz alles dessen haben, was für ihr Leben und ihre Arbeiten notwendig ist, sollen sie doch allen Schein von Luxus, von ungeordnetem Gewinnstreben und von Güteranhäufung vermeiden.

c) Gehorsam

14. Im Gelöbnis des Gehorsams bringen die Ordensleute die volle Hingabe ihres Willens gleichsam als Opfer ihrer selbst Gott dar. Dadurch werden sie fester und sicherer dem göttlichen Heilswillen geeint. Unter der Anregung des Heiligen Geistes unterstellen sie sich im Glauben den Obern, die Gottes Stelle vertreten, nach dem Beispiel Jesu Christi, der in die Welt kam, um den Willen des Vaters zu erfüllen (vgl. Joh 4,34; 5,30; Hebr 10,7; Ps 39,9), und in der Annahme der Knechtsgestalt (Phil 2,7) aus seinem Leiden Gehorsam erlernte (vgl. Hebr 5,8). Durch die Obern werden sie zum Dienst an allen Brüdern in Christus bestellt, wie auch Christus selbst im Gehorsam gegen den Vater den Brüdern diente und sein Leben als Lösepreis für viele dahingab (vgl. Mt 20,28; Joh 10,14-18). So sind sie dem Dienst der Kirche enger verbunden und streben danach, zum Vollmaß der Fülle Christi (vgl. Eph 4,13) zu gelangen.

Die Untergebenen sollen also im Geist des Glaubens und der Liebe zum Willen Gottes gemäß der Regel und den Konstitutionen den Obern demütig Gehorsam leisten, und zwar so, dass sie in der Ausführung dessen, was angeordnet ist, und in der Erfüllung der ihnen anvertrauten Aufgaben die eigene Verstandes- und Willenskraft einsetzen und die Gaben, die ihnen Natur und Gnade verliehen haben, gebrauchen, im Wissen, dass sie damit zur Auferbauung des Leibes Christi nach Gottes Absicht beitragen. So führt der Ordensgehorsam, weit entfernt, die Würde der menschlichen Person zu mindern, diese durch die größer gewordene Freiheit der Kinder Gottes zu ihrer Reife.

Die Obern aber, die für die ihnen anvertrauten Seelen Rechenschaft ablegen müssen (vgl. Hebr 13,17), sollen in der Erfüllung ihres Amtes auf den Willen Gottes horchen und ihre Autorität im Geist des Dienstes an den Brüdern ausüben, so dass sie Gottes Liebe zu jenen zum Ausdruck bringen. Sie sollen ihre Untergebenen als Kinder Gottes und in Achtung vor der menschlichen Person leiten und deren freiwillige Unterordnung fördern. Darum sollen sie ihnen besonders die geschuldete Freiheit in bezug auf die Beichte und die Gewissensleitung lassen. Sie sollen ihre Untergebenen dahin führen, dass sie bei der Durchführung des ihnen Aufgetragenen und bei der Inangriffnahme neuer Aufgaben in aktivem und verantwortlichem Gehorsam mitarbeiten. Sie sollen sie deshalb auch bereitwillig anhören und ihr Mitplanen zum Wohl des Instituts und der Kirche fördern, bei voller Wahrung freilich ihres Rechtes, zu entscheiden und anzuordnen, was zu tun ist.

Die Kapitel und Räte sollen das ihnen für die Leitung anvertraute Amt gewissenhaft ausüben und je auf ihre Weise die sorgende Teilnahme aller Mitglieder am Wohl des ganzen Instituts zum Ausdruck bringen.

Das Gemeinschaftsleben

15. Das Leben in Gemeinschaft nach dem Beispiel der Urkirche, in der die Menge der Gläubigen ein Herz und eine Seele war (vgl. Apg 4,32), soll, genährt durch die Lehre des Evangeliums, durch die heilige Liturgie, vor allem die Eucharistie, in Gebet und Gemeinsamkeit des Geistes beharrlich gepflegt werden (vgl. Apg 2,42). Die Ordensleute sollen als Glieder Christi im brüderlichen Umgang einander mit Achtung zuvorkommen (vgl. Röm 12,10); einer trage des anderen Last (vgl. Gal 6,2). Denn durch die Liebe Gottes, die durch den Heiligen Geist in den Herzen ausgegossen ist (vgl. Röm 5,5), erfreut sich eine Gemeinschaft, die wie eine wahre Familie im Namen des Herrn beisammen ist, seiner Gegenwart (vgl. Mt 18,20). Die Liebe aber ist die Erfüllung des Gesetzes (vgl. Röm 13,10) und das Band der Vollkommenheit (vgl. Kol 3,14); in ihr wissen wir, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergeschritten sind (vgl. 1 Joh 3,14). Ja die Einheit der Brüder macht das Kommen Christi offenbar (vgl. Joh 13,35; 17,21), und es geht von ihr eine große apostolische Kraft aus.

Damit aber das brüderliche Band unter den Mitgliedern noch inniger werde, sollen diejenigen, die man als Konversen, Kooperatoren oder ähnlich bezeichnet, eng mit dem Leben und Arbeiten der Gemeinschaft verbunden werden. In Frauengemeinschaften ist dafür zu sorgen, dass man zu einem einzigen Stand von Schwestern kommt, außer wenn die Umstände es wirklich anders nahelegen. In dem Fall soll aber nur jener Unterschied unter den Mitgliedern erhalten bleiben, den die Verschiedenheit andersgearteter Arbeiten erfordert, in denen die Schwestern aufgrund besonderer göttlicher Berufung oder besonderer Eignung tätig sind.

Mönchsklöster und andere Männergemeinschaften, die keine reinen Laieninstitute sind, können entsprechend ihrer Eigenart und nach ihren Konstitutionen Kleriker und Laien aufnehmen, in gleicher Weise, mit den gleichen Rechten und Pflichten, abgesehen von denen, die sich aus den heiligen Weihen ergeben.

Die Klausur der Nonnen

16. Die päpstliche Klausur der Nonnen des rein beschaulichen Lebens soll nicht angetastet werden. Sie ist aber den zeitbedingten und örtlichen Umständen anzupassen; dabei sind überlebte Gebräuche abzuschaffen, wozu aber die Wünsche der Klöster selbst gehört werden sollen. Die übrigen Nonnen aber, die sich nach ihren Satzungen äußeren Apostolatswerken widmen, sollen von der päpstlichen Klausur ausgenommen sein, damit sie die ihnen anvertrauten apostolischen Aufgaben besser erfüllen können; die Klausur aber bleibt bestehen; sie ist von den Konstitutionen festzulegen.

Das Ordensgewand

17. Das Ordensgewand als Zeichen der Weihe sei einfach und schlicht, arm und zugleich schicklich, dazu den gesundheitlichen Erfordernissen, den Umständen von Zeit und Ort sowie den Erfordernissen des Dienstes angepaßt. Ein Gewand, das diesen Richtlinien nicht entspricht, muss geändert werden. Das gilt sowohl für Männer wie für Frauen.

Die Erneuerung der religiösen Ausbildung

18. Die zeitgemäße Erneuerung der Institute hängt wesentlich von der Ausbildung der Mitglieder ab. Daher sollen auch die Nichtkleriker und die Ordensfrauen nicht unmittelbar nach dem Noviziat mit apostolischen Arbeiten beschäftigt werden; vielmehr ist ihre religiöse und apostolische, ihre theoretische und praktische Ausbildung, auch durch Erwerb der entsprechenden Zeugnisse, in geeigneten Häusern angemessen weiterzuführen.

Die Anpassung des Ordenslebens an die Erfordernisse unserer Zeit darf sich nicht in Äußerlichkeiten erschöpfen. Damit diejenigen, die nach ihrer Zielsetzung sich äußeren Apostolatswerken widmen, ihrer Aufgabe wirklich gewachsen sind, sollen sie entsprechend ihren geistigen Fähigkeiten und ihrer Veranlagung in geeigneter Form über die Gepflogenheiten, das Denken und Empfinden der heutigen Gesellschaft unterwiesen werden. Die Ausbildung soll so sein, dass ihre einzelnen Elemente aufeinander abgestimmt sind und dadurch das Leben der Mitglieder einheitlich gestaltet wird.

Diese selbst sollen sich aber ihr ganzes Leben hindurch ernsthaft um die geistliche, wissensmäßige und praktische Weiterbildung bemühen; die Obern sollen ihnen dazu nach Kräften Gelegenheit, Hilfsmittel und Zeit geben. Die Obern haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass diejenigen, denen die Ausbildung obliegt, die geistlichen Leiter und Lehrkräfte, aufs sorgfältigste ausgewählt und gründlich vorbereitet werden.

19. Bei Gründungen neuer Institute soll man ernstlich prüfen, ob diese nötig oder wenigstens von wirklichem Nutzen und ob sie entwicklungsfähig sind, damit nicht voreilig unzweckmäßige oder kaum lebensfähige Institute entstehen. In den Missionsgebieten möge man mit besonderer Sorge solche Formen des Ordenslebens fördern und pflegen, die dem Charakter und den Sitten der Bewohner des Landes wie auch den örtlichen Gebräuchen und Lebensbedingungen Rechnung tragen.

Die Werke der Institute

20. Die Institute sollen ihre eigenen Arbeiten beibehalten und durchführen, sie aber den zeitbedingten und örtlichen Bedürfnissen durch Anwendung geeigneter, auch neuer Mittel anpassen. Dabei sollen sie auf den Nutzen der Gesamtkirche und der Diözesen schauen. Tätigkeiten, die dem Geist und der wahren Eigenart des Instituts heute kaum mehr entsprechen, sind aufzugeben. Die Ordensinstitute sollen ihren missionarischen Geist bewahren und entsprechend ihrer Eigenart den heutigen Erfordernissen anpassen, damit das Evangelium bei allen Völkern wirksamer verkündet werde.

Institute und Klöster im Niedergang

21. Instituten und Klöstern, die nach Rücksprache mit den zuständigen Ortsordinarien und nach dem Urteil des Heiligen Stuhles kein fruchtbares Wirken mehr erhoffen lassen, soll die weitere Aufnahme von Novizen verwehrt werden; soweit möglich, sind sie mit einem anderen, lebenskräftigeren Institut oder Kloster, das ihnen nach Zielsetzung und Geist nahesteht, zu vereinigen.

Die Föderation der Ordensleute

22. Wo es angebracht erscheint, sollen Institute und Klöster eigenen Rechts, die irgendwie zur gleichen Ordensfamilie gehören, mit Gutheißung des Heiligen Stuhles Föderationen untereinander anstreben oder Zusammenschlüsse, wenn sie nahezu gleiche Satzungen haben und ihre Gebräuche vom selben Geist beseelt sind - zumal wenn ihre Mitgliederzahl sehr gering ist -, oder Arbeitsgemeinschaften, wenn sie sich den gleichen oder ähnlichen äußeren Aufgaben widmen.

23. Die vom Heiligen Stuhl errichteten Konferenzen oder Räte der Höheren Obern, die zur besseren Verwirklichung des Zieles der einzelnen Institute, zum wirksameren Einvernehmen hinsichtlich des Wohles der Kirche, zur gerechteren Verteilung der Mitarbeiter im Evangelium in einem bestimmten Gebiet sowie zur Behandlung gemeinsamer Belange der Ordensleute sehr dienlich sein können, sind zu fördern. In der Ausübung des Apostolats ist auf entsprechende Abstimmung und Zusammenarbeit mit den Bischofskonferenzen zu achten. Ähnliche Obernkonferenzen können auch für die Weltinstitute errichtet werden.

Die Wahl der Berufungen

24. Priester und christliche Erzieher sollen sich ernstlich darum bemühen, dass die Ordensberufe, sorgfältig und gewissenhaft ausgewählt, ein neues Wachstum erfahren, das den Erfordernissen der Kirche voll entspricht. Auch bei der regelmäßigen Verkündigung ist öfter auf die evangelischen Räte und den Eintritt in den Ordensstand hinzuweisen. Die Eltern sollen eine Berufung ihrer Kinder zum Ordensleben durch eine christliche Erziehung pflegen und schützen. Die Institute haben das Recht, ihre Gemeinschaft bekannt zu machen, um Berufe zu fördern und Kandidaten zu suchen; das soll jedoch mit der notwendigen Klugheit und unter Wahrung der Richtlinien des Heiligen Stuhles und der Ortsordinarien geschehen. Die Ordensleute aber sollen sich bewußt sein, dass das Beispiel ihres eigenen Lebens die beste Empfehlung ihres Instituts und eine Einladung zum Ordensleben ist.

Schlusswort

25. Die Institute, für die diese Normen einer zeitgemäßen Erneuerung aufgestellt sind, mögen bereiten Herzens ihrer göttlichen Berufung und ihrer Aufgabe in der Kirche zur gegenwärtigen Stunde entsprechen. Die Heilige Synode schätzt ihren Stand des jungfräulichen, armen und gehorsamen Lebens, dessen Vorbild Christus der Herr selbst ist, und setzt eine große Hoffnung auf die Fruchtbarkeit ihrer verborgenen und offenkundigen Werke. So mögen alle Ordensleute durch die Reinheit des Glaubens, durch Liebe zu Gott und zum Nächsten, durch die liebende Hinneigung zum Kreuz und die Hoffnung auf die künftige Herrlichkeit Christi frohe Botschaft in der ganzen Welt verbreiten, auf dass ihr Zeugnis allen kund und unser Vater im Himmel verherrlicht werde (Mt 5,16). So werden sie auf die Fürsprache der gütigen Gottesmutter und Jungfrau Maria, "deren Leben für alle eine Lehre ist" <ref> Ambrosius, De Virginitate II 2,15. </ref>, täglich wachsen und reichere Frucht des Heiles bringen.

Anmerkungen

<references />

Weblinks