Mit Freuden (Wortlaut)

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Radiobotschaft
Mit Freude

von Papst
Pius XII.
an den österreichischen Katholikentag in Wien
über brennende Fragen der gesellschaftlichen Erneuerung
14. September 1952

(Offizieller deutscher Text: AAS 44 [1952] 789-793)

(Quelle: Arthur Fridolin Utz OP, Joseph-Fulko Groner O.P, Hrsg.: Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, Soziale Summe Pius' XII. (1939-1958), Übersetzerkollegium: Herausgeber und Franz Schmal u. H. Schäufele, Paulus Verlag Freiburg/Schweiz 1954; Imprimatur Friburgi Helv., die 5. Maii 1954 N. Luyten O.P. Imprimatur Friburgi Helv., die 29. Junii 1954 R. Pittet, v.g.; Band I, S. 281-286; Nrn. 621-629)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Geliebte Söhne und Töchter des katholischen Österreichs!

Einleitend

Mit Freuden kommen Wir dem Wunsch Eurer Oberhirten, Unserer ehrwürdigen Brüder entgegen, zu Eurem diesjährigen Katholikentag, dem ersten seit dem Jahre 1933, ein Wort zu sprechen und ihm Unseren Segen zu erteilen.

Die seit jener Tagung verflossenen Jahre haben den Ablauf der folgenschweren Ereignisse, die mit dem ersten Weltkrieg ihren Anfang nahmen und Euer Dasein als Volk und Staat bis in seine Tiefen aufwühlten, in unvorstellbaren Umwälzungen und Katastrophen fortgesetzt und Euer Land einem Zustand gefährlichster politischer, wirtschaftlicher und kultureller Spannungen überantwortet. Deren Ausgang in glücklicher Lösung ist heute noch nicht abzusehen und kann vorerst nur demütigen Sinnes der erbarmungsvollen Fügung der göttlichen Vorsehung anheimgestellt werden.

In diese Lage versetzt, habt Ihr Eurer katholischen Heerschau ein eindeutiges Ziel gesteckt: sie sollte ein Signal sein zum Wiedererwachen und zur Erneuerung des religiösen Lebens im österreichischen Volke.

Ihr habt damit richtig geplant. Denn wenn auf anderen Gebieten Eure Handlungsfreiheit, entgegen der Würde und dem Recht Eures Volkes, noch weithin gehemmt und gebunden ist - hier auf dem Felde der religiösen Erneuerung könnt Ihr Eure Kräfte entfalten, und, indem Ihr jene Erneuerung schafft, schenkt Ihr Eurem Lande Werte, deren es unter allen Umständen bedarf, die Zukunft mag es gestalten, wie sie will.

Aufruf zur Erneuerung des Glaubens

Eure schöne österreichische Heimat, geliebte Söhne und Töchter, ist wie übersät von kostbaren Ausdrucksformen : Bauten, bildlichen Darstellungen, reichstem Brauchtum der katholischen Religion und Kultur, Ausdrucksformen, die der Glaube vieler Jahrhunderte angehäuft hat und die im Tempel der Geschichte und Kunst einen Ehrenplatz einnehmen. Worauf es aber jetzt vor allem und fast einzig ankommt: sorgt dafür, dass jene Formen ihren inneren Sinn bewahren, dass sie nicht eines Tages zur Totenmaske werden, sondern Antlitz und Gestalt eines lebendigen Organismus voll innerer Wärme und überströmender Kraft bleiben.

Darum rufen Wir Euch und an erster Stelle Eurer Jugend zu: Sucht Euren katholischen Glauben mit neuer Klarheit, ganz tief und mit voller Überzeugung zu erfassen! Setzt alles daran, ihn immer mehr Wirklichkeit werden zu lassen in Gebet und inniger Verbindung mit Christus, dem Urquell aller Gnade, in Eurem innersten Denken und Wollen, in Eurem persönlichen Tun, in Eurem Familienleben, in Eurem öffentlichen Wirken und Handeln.

Was Wir Euch sagen, gilt - wohlgemerkt - nicht nur für die großen Zentren der Industrie und die dort arbeitenden Menschen; es gilt in gleicher Weise für das Land und sein Volk bis hinauf zum letzten Bergdorf.

Das Recht auf die katholische Schule

In der Sorge um Euren Glauben besteht darauf, dass Euren Kindern die katholische Schule gesichert und erhalten bleibe. Was nützt die christliche Erziehung im Elternhaus, wenn die Schule wieder abbaut, was jene sorgsam aufgebaut hat! Aus schwersten Erfahrungen, welche die Kirche allenthalben und immer wieder macht, besteht sie hier bis zum letzten auf dem Recht ihrer Gläubigen und mahnt Euch, auch Eurerseits bis zum letzten Euer Recht zu beanspruchen.

Rechte Ordnung in Ehe und Familie

In der Sorge um Euren Glauben haltet die Ehe heilig! Heilig sei Euch die Eheschließung. Der Katholik kann nur in religiöser Weihe, nicht rein standesamtlich, eine wahre Ehe eingehen. Wenn im staatlichen Leben der « Volkswille » irgendeinen Sinn hat, so besteht darauf, dass hier dem Wollen der überwältigenden Mehrheit Eures Volkes gebührend Rechnung getragen werde.

Heilig sei Euch das Eheleben. Was Unser hochseliger Vorgänger Papst Pius XI. in seiner Eheenzyklika, und was Wir selbst vergangenen Herbst in einer grundsätzlichen Ansprache über die sittlichen Forderungen des Ehelebens, den gegenwärtigen Verhältnissen so viel wie möglich Rechnung tragend, dargelegt haben, sei Euch Richtschnur. Ihr wisst, geliebte Söhne und Töchter, dass die elementarste Sorge um Bestand und Zukunft Eures Volkes hier mit den Forderungen des Naturgesetzes und der Kirche zusammenfällt.

Heilig sei Euch das Familienleben: Euch Eltern die christliche Erziehung der Kinder; Euch Kindern das vierte Gebot, Ehrfurcht und Gehorsam den Eltern gegenüber. Euch allen das Familiengebet und der christliche Sonntag. Er sei und er soll bleiben der Tag des Herrn, der Tag leiblicher und seelischer Erholung, der Tag der Familie. Die beglückende Atmosphäre christlichen Sonntagsfriedens und christlicher Sonntagsfreude vermag bei gutem Willen immer noch zu ersetzen, was die heute nur zu sehr trennende Arbeit des Alltags an Zusammenhalt der Familie nicht mehr geben kann. Macht Front dagegen, dass ein geradezu heidnisch anmutendes Übermaß von Körperkultur und Vergnügen den Sonntag ganz verweltliche und die Familie zerreiße!

Wie anderswo, ist auch in Eurem Lande eine großzügige Wohnbau-Bewegung am Werk. Macht, soviel Ihr könnt, geltend, dass deren Planen und Schaffen dem Willen Gottes für Ehe und Familie entspreche!

Die soziale Frage

Wir dürfen Uns nicht an die Katholiken Wiens und ganz Österreichs wenden, ohne die soziale Frage zu berühren. War doch gerade Wien immer einer der Brennpunkte der katholischen sozialen Bewegung. Gerne widmen Wir daher in dieser feierlichen Stunde allen denen aus Euren Reihen ein Wort der dankbaren Erinnerung, die, seitdem jene Frage zur Lösung drängte, durch Studium und praktische Tat zum Ausbau der kirchlichen Soziallehre beigetragen haben.

Die Kirche schaut heute zurück auf die erste Epoche der neuzeitlichen sozialen Auseinandersetzung. In deren Mittelpunkt stand die Arbeiterfrage: die Not des Proletariats und die Aufgabe, diese den Zufälligkeiten der wirtschaftlichen Konjunktur schutzlos preisgegebene Menschenklasse emporzuheben zu einem den anderen gleich geachteten Stand mit klar umschriebenen Rechten. Diese Aufgabe ist, jedenfalls im wesentlichen gelöst, und die katholische Welt hat an ihrer Bereinigung ehrlich und wirksam mitgearbeitet. Wenn auch in bestimmten Ländergruppen erst spät, in elfter Stunde, die Einsicht aufging und zur Tat geschritten wurde, so sind die sozialen Richtlinien und die Weisungen, die von den Nachfolgern Petri seit über sechzig Jahren gegeben wurden, im ganzen schon längst Gemeingut des katholischen Denkens und Handelns geworden.

Wenn die Zeichen der Zeit nicht trügen, stehen in der zweiten Epoche der sozialen Auseinandersetzung, in die wir wohl bereits eingetreten sind, an oberster Stelle andere Fragen und Aufgaben. Zwei von ihnen seien hier genannt:

Die Überwindung des Klassenkampfes durch ein organisches Zueinanderordnen des Arbeitgebers und Arbeitnehmers. Denn der Klassenkampf kann niemals ein Ziel der katholischen Sozialpolitik sein. Die Kirche weiß sich immer allen Ständen und Schichten des Volkes verpflichtet.

Sodann der Schutz des einzelnen und der Familie vor dem Sog, der sie in eine allumfassende Sozialisierung hineinzuziehen droht, eine Sozialisierung, an deren Ende das Schreckbild des «Leviathan» grauenvolle Wirklichkeit wäre. Die Kirche wird diesen Kampf bis zum äußersten führen, geht es hier doch um letzte Dinge, um die Menschenwürde und das Seelenheil.

Grenzen des Mitbestimmungsrechtes

Deshalb setzt die katholische Soziallehre sich neben anderem so bewusst ein für das Recht des Einzelmenschen auf Eigentum. Hier liegen auch die tieferen Gründe, weshalb die Päpste der sozialen Enzykliken und Wir selbst es verneint haben, aus der Natur des Arbeitsvertrages das Miteigentumsrecht des Arbeiters am Betriebskapital und daraus folgend sein Mitbestimmungsrecht, sei es direkt, sei es indirekt, abzuleiten.

Es musste verneint werden, weil dahinter jenes größere Problem sich auftut. Das Recht des einzelnen und der Familie auf Eigentum ist ein unmittelbarer Ausfluss des Personseins, ein Recht der persönlichen Würde, freilich ein mit sozialen Verpflichtungen behaftetes Recht; es ist aber nicht lediglich eine soziale Funktion.

Es drängt Uns, Euch und alle Katholiken von neuem zu mahnen, sie mögen von den ersten Anfängen der neuen Auseinandersetzung an die klar gezeichnete Linie der katholischen Soziallehre einhalten, ohne weder nach rechts noch nach links abzuweichen. Ein Abweichen von jener Linie auch nur um wenige Grade möchte zu Beginn vielleicht belanglos erscheinen. Auf weite Sicht gemessen, würde es gefährlich vom rechten Weg abführen und schwere Folgen nach sich ziehen. Ruhiges Denken, Selbstbeherrschung, Festigkeit gegenüber den Verlockungen von extremer Seite soll daher ein Losungswort der Stunde sein.

Schlusswort

Das ist es, was Wir Euch zu Eurem diesjährigen Katholikentag zu sagen wünschten.

Wir kennen, geliebte Söhne und Töchter, die tiefgehenden Sorgen und Befürchtungen, die Euch als Glieder Eures Volkes und Staates wie als Kinder der katholischen Kirche bedrücken. Wir kennen Euer zähes Durchhalten durch die dunklen Jahre der Unsicherheit und der verschleierten Zukunft wie Euren festen Willen zur bejahenden Hoffnung und aufbauenden Tat. Eure Sorgen und Hoffnungen sind auch Unsere Sorgen und Hoffnungen, und Wir werden nicht müde, sie im heiligen Opfer und Gebet der göttlichen Allmacht und Liebe zu unterbreiten.

Wir glauben in dieser Stunde nichts Besseres tun zu können, als Euch auch Unserseits der Alma Mater Austriae, die sich Euch im Heiligtum von Mariazell so oft in drangvoller Lage als Schutz und Hilfe, als Mutter vom guten Rat und als Vermittlerin der allvermögenden Kraft ihres göttlichen Sohnes erwiesen hat, mit der ganzen Inbrunst Unseres Vaterherzens zu empfehlen. Vertraut Ihr Euer Geschick, an erster Stelle aber Euren Willen zu neuem heiligem Leben an. Dann braucht Ihr nicht zu fürchten, dann dürft Ihr zuversichtlich hoffen.

Dass Maria ihre jungfräuliche und mütterliche Hand über Euch halte und dass die Liebe und Gnade ihres Sohnes, unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus, Gott, hochgelobt in Ewigkeit, in überreichem Maße Euch zuströme, als Unterpfand dessen erteilen Wir Unserem sehr würdigen Legaten, Euren Oberhirten und Priestern, Euch allen, geliebte Söhne und Töchter, wie Eurem ganzen Volk und Land aus der Fülle Unseres Wohlwollens den Apostolischen Segen.