Generalaudienz vom 15. Januar 1992

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Generalaudienz

im Pontifikat von Papst
Johannes Paul II.
Die Kirche will in Christus alles vereinen
15. Januar 1992

(Quelle: Der Apostolische Stuhl 1992, S. 10-13)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


1. Wir beginnen auch diese Katechese mit einem schönen Abschnitt aus dem Brief an die Epheser, der lautet: "Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus ... Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt ... er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen ... , in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist" (Eph 1,3-10). Gleichsam im Adlerflug, begleitet von einem tiefen Sinn für das Geheimnis der Kirche, steigt der heilige Paulus auf in der Betrachtung des ewigen Planes Gottes, alles in Christus, dem Haupt, zu vereinen. Die Menschen, vom Vater im geliebten Sohn von Ewigkeit her erwählt, finden in Christus den Weg, um zu ihrem Ziel als Gotteskinder zu gelangen. Sie vereinen sich mit ihm und werden sein Leib. Durch ihn steigen sie zum Vater auf als ein einziges "Ganzes" mit allem, was im Himmel und auf Erden ist.

Dieser göttliche Plan findet seine geschichtliche Verwirklichung, als Jesus die Kirche errichtet, die er zuerst ankündigt (vgl. Mt 16,18) und dann durch sein Blutopfer und den Auftrag an die Apostel gründet, seine Herde zu weiden. Es ist eine historische Tatsache und zugleich ein Geheimnis der Gemeinschaft in Christus, vor dem der Apostel sich nicht damit begnügt, es zu betrachten, sondern sich gedrängt fühlt, die betrachtete Wahrheit in einem Loblied auszudrücken: "Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus ... "

2. Für die Verwirklichung dieser von Gott seit Ewigkeit gewollten Gemeinschaft der Menschen in Christus ist das Gebot, das Jesus selbst als "mein Gebot" bezeichnet (Joh 15,12), von entscheidender Bedeutung. Er nennt es "ein neues Gebot": "Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben" (Joh 13,34). "Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe" (Joh 15,12).

Das Gebot, Gott über alles und den Nächsten wie sich selbst zu lieben, hat seine Wurzeln im Alten Testament. Aber Jesus faßt es zusammen, formuliert es in plastische Worte und gibt ihm eine neue Bedeutung als Zeichen der Zugehörigkeit zu ihm seitens seiner Anhänger. "Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt" (Joh 13,35). Christus selbst ist das lebendige Vorbild und das Maß dieser Liebe, von der er in seinem Gebot spricht: "Wie ich euch geliebt habe", sagt er. Ja, er stellt sich als Quelle jener Liebe, als "der Weinstock" vor, der durch diese Liebe in seinen Jüngern, die die Reben sind, Frucht bringt: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen" (Joh 15,5). Daher die Aufforderung: "Bleibt in meiner Liebe!" (Joh 15,9). Die Gemeinschaft der Jünger, verwurzelt in jener Liebe, mit der Christus selbst sie geliebt hat, ist die Kirche, der Leib Christi, der eine Weinstock, und wir sind seine Reben. Es ist die Kirche als Gemeinschaft, die Kirche als Gemeinschaft der Liebe, die Kirche als Geheimnis der Liebe.

3. Die Glieder dieser Gemeinschaft lieben Christus, und in ihm lieben sie sich gegenseitig. Aber es handelt sich um eine Liebe, die, weil sie jener entspringt, mit der Jesus selbst sie geliebt hat, sich mit dem Ursprung der Liebe Christi, Gott und Mensch, das heißt mit der Gemeinschaft der Dreifaltigkeit verbindet. Aus ihr schöpft sie ihr inneres Wesen, ihre übernatürliche Eigenschaft und auf sie als ihrer eigenen endgültigen Vollendung strebt sie zu. Dieses Geheimnis der Gemeinschaft der Kirche, Christi und der Dreifaltigkeit scheint im Text des Johannes auf, der das hohepriesterliche Gebet des Erlösers beim letzten Abendmahl wiedergibt. An jenem Abend sagte Jesus zum Vater: "Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast" (Joh 17,20-21). "Ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich" (Joh 17,23).

4. In seinem Schlußgebet zeichnete Jesus das vollständige Bild der zwischenmenscWichen und kirchlichen Beziehungen, die in ihm und in der Dreifaltigkeit Ursprung hatten, und er stellte den Jüngern und uns allen das höchste Vorbild jener "Gemeinschaft" vor, die berufen ist, auf grund ihres göttlichen Ursprungs Kirche zu sein: sich selbst in seiner innigen Gemeinschaft mit dem Vater im dreifaltigen Leben. Jesus zeigte in seiner eigenen Liebe zu uns das Ausmaß des Gebotes, das er seinen Jüngern hinterließ, wie er ein anderes Mal gesagt hatte: "Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist" (Mt 5,48). Er hatte es in der Bergpredigt gesagt, als er empfahl, die Feinde zu lieben: "Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er läßt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte" (Mt 5,44-45). Viele andere Male und besonders während seines Leidens bekräftigte Jesus, daß diese vollkommene Liebe des Vaters auch seine Liebe war: die Liebe, mit der er selbst die Seinen bis zum Ende geliebt hatte.

5. Diese Liebe, die Jesus seine Anhänger lehrt als Wiedergabe seiner eigenen Liebe, wird im hohepriesterlichen Gebet eindeutig auf die Dreifaltigkeit als Vorbild bezogen. "Alle sollen eins sein in uns", sagt Jesus: "damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin" (Joh 17,26). Er unterstreicht, daß das die Liebe ist, mit der "du [Vater] mich schon geliebt hast vor der Erschaffung der Welt" (Joh 17,24).

Und eben diese Liebe, auf der die Kirche gründet und sich aufbaut als "Gemeinschaft" der an Christus Glaubenden, ist die Voraussetzung für ihre Heilssendung: "Alle sollen eins sein, wie wir eins sind", betet er, "damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast" (Joh 17,23). Es ist das Wesen des Apostolats der Kirche: die von ihr bezeugte, sichtbar gemachte und verwirklichte Wahrheit der Liebe Christi und Gottes zu verbreiten und annehmbar, glaubwürdig zu machen. Der sakramentale Ausdruck dieser Liebe ist die Eucharistie. In der Eucharistie wird die Kirche in gewissem Sinn ständig wiedergeboren und erneuert sich als jene "Gemeinschaft", die Christus in die Welt brachte, als er den ewigen Plan des Vaters (vgl. Eph 1,3-10) vollendete. Besonders in der Eucharistie und durch die Eucharistie birgt die Kirche in sich den Keim, in Christus alles zu vereinen, was im Himmel und auf Erden ist, wie Paulus uns gelehrt hat (vgl. Eph 1,10): eine wahrhaft universale und ewige Gemeinschaft.

In deutscher Sprache sagte der Papst:

Liebe Schwestern und Brüder!

Im Brief an die Epheser betrachtet der hl. Paulus den ewigen Plan Gottes, alles in Christus als Haupt zu vereinen. Die Menschen sind von Ewigkeit her vom Vater im geliebten Sohn erwäWt und finden in ihm den Weg, um ihr Ziel zu erreichen und seine Kinder zu werden. Zur Verwirklichung dieser Gemeinschaft der Menschen in Christus, die von Gott von allem Anfang an gewollt war, ist von wesentlicher Bedeutung das Gebot, das Jesus selbst als "mein Gebot" bezeichnet (Joh 15,12). Er nennt es "ein neues Gebot": "Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben" (Joh 13,34). Das Gebot, Gott über alles zu lieben und den Nächsten wie sich selbst, hat seine Wurzeln im Alten Testament. Aber Jesus faßt es zusammen und verleiht ihm eine neue Bedeutung als Zeichen der Zugehörigkeit der Jünger zu ihm. Die Glieder dieser Jüngergemeinschaft lieben Christus und in ihm einander. Sakramentaler Ausdruck dieser Einheit ist die Eucharistie.

Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt einer Gruppe von Ordensschwestern aus verschiedenen Kongregationen, die an einem geistlichen Kurs in La Storta teilnehmen.