Birgitta von Schweden: Offenbarungen ueber Schoepfung und Erloesung

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Offenbarungen an die Heilige Birgitta von Schweden
über Schöpfung und Erlösung

Quelle: Offenbarungen an die Heilige Birgitta von Schweden (Band 6) über Schöpfung und Erlösung, Kreuz Verlag Wien (Imprimatur]] Regensburg, 27. März 1883 M. Dandl, Generalvikar, 144 Seiten). Bei der Digitalisierung wurden fettgedruckte Wörter gewöhnlich unfett wiedergegeben.

Das Buch ist ein von Pater Karl Erhard Schmöger († 14. 8. 1883 in Gars) hergestellter Auszug der schönsten und interessantesten Stellen aus den Revelationes S. Birgittae (a Consalvo Duranto notis illustratae. Romae 1628). Erschienen im Friedrich Pustet Verlag Regensburg im Jahre 1883.

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Vorwort

Als die hl. Birgitta nach dem Tod ihres Gemahles Ulfo, der in das Zisterzienser-Kloster zu Alvastra eingetreten und am 12. Februar 1344 da gestorben war, von Gott zu ihrer großen Wirksamkeit für die ganze Christenheit berufen wurde, empfing sie den Anblick einer hellglänzenden Lichtwolke, aus der eine Stimme zu ihr sprach:

"Ich (Revelationes extravagantes Nr. 46. 47. 48) bin der Herr, dein Gott, der Ich zu dir rede. Sei ohne Furcht. Was du siehst, ist kein Trugbild des Feindes. Ich bin es, der Schöpfer aller Dinge, der nicht trügen noch betrogen werden kann. Wisse, dass Ich nicht nur um deinetwillen zu dir rede, sondern es geschieht zum Besten der ganzen Christenheit; darum vernimm, was Ich sage! Du wirst als meine Braut der Kanal für meine Worte sein. Du wirst geistige und himmlische Geheimnisse zu schauen bekommen, und mein Geist wird auf dir ruhen bis zu deinem Lebensende. Darum glaube fest, dass Ich selbst es bin, der im Geist zu dir spricht, der Ich aus der reinsten Jungfrau geboren wurde, der Ich für das Heil aller Seelen gelitten und den Tod erduldet habe, der Ich von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgefahren bin."

"Alles aber, was du in Erleuchtungen von Mir vernimmst, das berichte dem Bruder Petrus (Prior des Zisterzienser-Klosters zu Alvastra), dass er es aufzeichne, und nimm dich wohl in acht, dass du keine Silbe von deinem Geist meinen Worten hinzufügst. Wohl habe Ich Freunde, um durch sie meinen Willen kundzumachen; Ich habe Mir aber dich zu einem neuen Werkzeug erlesen, um dir Neues und Altes zu zeigen, damit die Hoffärtigen gedemütigt, die Demütigen aber erhöht werden."

"Die Worte, welche Ich zu dir rede, werden für alle, welche Mich wahrhaft zu lieben begehren, gleich einem süßen Trank sein, der ihren Durst stillen wird; die in Liebe Erkalteten aber werden durch sie wieder erwärmt, die Betrübten getröstet und die Schwachen gestärkt werden."

"Dem Bruder Petrus aber sage in meinem Auftrag, dass Ich einem Herrn gleiche, dessen Söhne, an eine Säule gefesselt, in Gefangenschaft gehalten sind, weshalb er zu ihrer Befreiung Gesandte absendet und auch zur Warnung für andere, dass sie nicht in die Hände von Feinden fallen, welche sie für Freunde halten. So habe auch Ich, Gott der Herr, viele Kinder, d. h. Christen, welche in den harten Banden des Teufels gefangen liegen; darum sende Ich ihnen aus Liebe die Worte meines Mundes, welche Ich durch eine Frau kundmache."

"Vernimm also, Bruder Petrus, die Worte, welche dir diese Frau in meinem Auftrag mitzuteilen hat, und schreibe sie in lateinischer Sprache nieder. Für jeden Buchstaben, den du schreibst, werde Ich dir nicht Gold oder Silber, aber einen Schatz zum Lohn geben, der nicht altern wird."

Birgitta setzte Bruder Petrus ohne Säumen von diesem Auftrag in Kenntnis, der jedoch aus Demut und aus Furcht vor einer möglichen Täuschung des bösen Feindes sich demselben entziehen wollte. Kaum aber hatte er, in seiner Klosterkirche betend, den Entschluss gefasst, nein zu sagen, als er wie vom Schlage gerührt und der Sinne und jeder Bewegung beraubt, zu Boden sank; sein geistiges Bewusstsein aber war ungetrübt geblieben. Wie leblos zu Boden liegend, wurde er von den Mönchen gefunden und in seine Zelle getragen, wo nach einigen Stunden der Gedanke in ihm erwachte, es könnte dieser Unfall ihm wegen der Weigerung zugestoßen sein, dem durch Birgitta ihm gemeldeten Auftrag Gottes willig Folge zu leisten. Darum flehte er innerlich: "O Gott, ist dies die Ursache, so schone meiner! Ich bin bereit, zu gehorchen und jedes Wort aufzuschreiben, welches mir Birgitta in deinem Auftrag angeben wird." Kaum hatte er dies im Herzen gesprochen, als er plötzlich genas. Er eilte zu Birgitta, seine Bereitwilligkeit zu erklären, alle Offenbarungen niederzuschreiben, welche sie ihm im Namen Gottes werde mitzuteilen haben.

Petrus bezeugte auch, dass Jesus Christus danach Birgitta eröffnete: "Ich war es, der ihn schlug, da er nicht gehorchen wollte. Auch habe Ich ihn wieder geheilt, da Ich der Arzt bin, der den Tobias und den König von Israel wieder gesund gemacht hat. Mache dich also, Bruder Petrus, an das Werk der Aufzeichnung meiner Worte; denn Ich werde dir einen Meister in meinem Gesetz zum Gehilfen dabei geben. Und halte für wahr und gewiss, dass Ich durch meine Worte, welche du aus dem Mund dieser Frau niederzuschreiben hast, ein Werk zustandebringen will, durch welches die Hohen gedemütigt und die Weisen beschämt werden sollen. Glaube nicht, dass die Worte, welche diese Frau dir kundmachen wird, von einem bösen Geist herrühren; denn Ich werde die Wahrheit der Worte, welche Ich dir durch sie sagen lasse, durch ihre Werke, (d. i. durch die Heiligkeit ihres Lebens) und durch das, was Ich vollbringen werde, bekräftigen."

Petrus schrieb von dieser Zeit an alle Worte, welche die hl. Birgitta aus ihren Offenbarungen und Geschichten ihm in ihrer Muttersprache mitteilte, nieder und übersetzte sie in die lateinische Sprache. Durch dreißig Jahre war er ihr Beichtvater, Schreiber und beständiger Begleiter bis zu ihrem am 23. Juli des Jahres 1373 in Rom erfolgten Lebensende, da sie bereits ihr einundsiebzigstes Jahr angetreten hatte.

Außerdem hatte die Heilige mehrere Jahre vor ihrem seligen Tod von Gott den ausdrücklichen Befehl empfangen, dass alle Aufzeichnungen des Priors Petrus dem sehr gelehrten und heiligmäßigen Augustiner-Eremiten Alphonsus, der vor seinem Eintritt in den Ordensstand Bischof von Jaën in Spanien gewesen war, übergeben werden sollten, damit dieser die letzte Redaktion derselben übernehme und ihre vollkommene Übereinstimmung mit der Regel des katholischen Glaubens hervorhebe, auf dass diese seine Arbeit die Grundlage für alle späteren Übersetzungen in andere Sprachen bilden könnte (c. 49).

Es war aber der Heiligen von Gott auch gesagt worden: "Dem (c. 37) Urteil der kirchlichen Autorität und der Gottesgelehrten darf in keiner Weise vorgegriffen werden; darum unterstelle Ich diese deine Gnadengabe, (d. i. die Offenbarungen, welcher du gewürdigt bist) der Beurteilung und der Vollmacht der kirchlichen Oberen. Auch Moses und die Propheten sind nicht ohne das Urteil und die Gutheißung der Hohen Priester gelesen worden; darum sollen auch diese meine Worte nicht ohne die Autorität und die Gutheißung der Päpste ans Licht treten, denen Ich die Vollmacht zu binden und zu lösen gegeben habe, so dass, wer sie verachtet, Mich selber verachtet."

Diese Verheißung des Herrn wurde buchstäblich erfüllt, indem nicht allein die außerordentlichen Tugenden, sondern auch die außerordentlichen Gnadengaben der hl. Birgitta von den Päpsten Gregor XI., Urban VI., Bonifaz IX., Martin V., sowie von den Kirchenversammlungen von Konstanz und Basel als wahr und echt anerkannt und allen Gläubigen empfohlen wurden.

Diese Überzeugung der ganzen heiligen Kirche kam in dem Kirchengebet auf das Fest der hl. Birgitta zum Ausdruck, das lautet: "Herr, unser Gott, welcher Du durch deinen Eingebornen der seligen Birgitta himmlische Geheimnisse geoffenbaret hast, gewähre auf ihre mildeste Fürbitte uns, deine» Dienern, dass wir der beseligenden Anschauung deiner ewigen Herrlichkeit uns einstens erfreuen dürfen."

Zwei hochberühmte Geisteslehrer, deren Schriftwerke jahrhundertelang den segensreichsten, nachhaltigsten Einfluss auf das katholische Deutschland ausgeübt haben, der selige Petrus Canisius und der gottselige P. Martin von Cochem, haben sich bemüht, ihre Leser mit dem Buchstaben und dem Geist der Offenbarungen der hl. Birgitta bekannt zu machen. "Ich trage kein Bedenken, schreibt der selige Petrus Canisius, aus Birgitta Auszüge anzuführen; denn dieser sehr heiligen Witwe sind von Gott viele Geheimnisse geoffenbart worden. Und diese ihre Offenbarungen sind durch die Autorität der angesehensten Gottesgelehrten und durch die Gutheißung der römischen Kirche als so bewährt empfohlen, dass sie vor Katholiken in keiner Weise mehr einer weiteren Rechtfertigung bedürfen (De Maria Virgine incomparabili I.1. c.7).

Das vorliegende Buch enthält nun eine Auswahl der schönsten und bedeutsamsten Offenbarungen, welche die Heilige aus dem Mund unseres göttlichen Heilandes und seiner jungfräulichen Mutter über die Geheimnisse der Schöpfung, der heiligsten Menschwerdung und Erlösung erhalten hat (De Maria Virgine incomparabili I. 1. c. 7).

1. Die Heiligste Dreieinigkeit. Erschaffung der Engel und des Menschen

1. (Revelationes S, Brigittoo a Consalvo Duranto notis illustratae. Romae 1628: 3. c. 26). Ich bin der Schöpfer Himmels und der Erde, der Eine wahre Gott mit dem Vater und dem Heiligen Geiste. Der Vater ist Gott, der Sohn ist Gott, der Heilige Geist ist Gott. Nicht aber sind drei Götter, sondern Ein Gott in drei Personen. Gott ist nicht etwas anderes, als die Allmacht selbst, die Weisheit selbst, die Güte selbst, von der alle andere Macht unter dem Himmel und über dem Himmel und alle Weisheit und alle Gütigkeit ist, die sich denken lässt. Und so ist Gott dreifaltig und einer: dreifaltig in den Personen, einer in der Wesenheit. Die Allmacht und die Weisheit ist der Vater, von dem alles und der vor allem ist, der allmächtig ist nicht durch etwas außer Ihm, sondern aus sich selber und von Ewigkeit. Die Allmacht und die Weisheit ist auch der dem Vater wesensgleiche Sohn, der aber nicht aus sich selber allmächtig, sondern vom Vater allmächtig und unaussprechlich gezeugt ist. Er ist der Anfang aus dem Anfang und untrennbar vom Vater. Die Allmacht und die Weisheit ist auch der Heilige Geist, der ausgeht vom Vater und dem Sohn, der ewig ist mit dem Vater und dem Sohn und von gleicher Majestät und Allmacht. Es ist also ein Gott und sind drei Personen, weil eine Wesenheit, ein Wirken der drei Personen, ein Wille, eine Herrlichkeit und eine Allmacht. Des einen gleichen Wesens sind drei Personen, wenn sie auch in ihrem eigenen Person-Sein sich voneinander unterscheiden.

Der Vater ist ganz im Sohn und im Heiligen Geist, der Sohn ganz im Vater und im Heiligen Geist, der Heilige Geist ganz im Vater und im Sohn, da die Wesenheit Gottes nur eine ist und es in ihr kein Vorher und kein Nachher gibt. Wo aber kein Vorher und kein Nachher, wo kein Mehr und kein Weniger, da ist vollkommene, unaussprechliche Gleichheit. Darum sagt die Schrift mit Recht: "Wunderbar ist Gott und über alles zu preisen,"

2. (Revelationes 2. c. 17) Die Gottheit kann mit Recht auch "die Stärke" genannt werden; denn in ihr ist die mächtigste Macht, von der jede andere Macht, und die weiseste Weisheit, von welcher und in welcher alle Weisheit ist.

Alles, was ist, ist von Gott nach Plan und Weisheit von Ewigkeit vorher geordnet. Es ist kein Punkt am Himmel, der nicht in der Gottheit und durch sie festgesetzt und vorhergesehen wäre; kein Stäublein auf Erden, kein Funke in der Hölle, der sich ihrer Anordnung entziehen und ihrer Vorhersicht verbergen könnte. Du wunderst dich, warum Ich sage: "kein Punkt am Himmel." Wie der Punkt der Schluss eines Satzes, so ist das Wort Gottes der Schluss, die Vollendung und Herrlichkeit aller Dinge. Warum sage Ich: "kein Stäublein auf Erden"? Weil alle Dinge auf Erden zwar vergänglich, aber, so geringfügig sie auch sein mögen, doch der Ordnung und Vorsehung Gottes unterworfen sind. Warum sage Ich: "kein Funke in der Hölle"? Weil in der Hölle nichts ist als Neid. Wie der Funke aus dem Feuer, so kommt aus den unreinen Geistern alle Bosheit und aller Neid, so dass sie und ihre Anhänger immerdar nur Neid und nie Liebe besitzen.

Weil also in Gott die Weisheit und die Macht gleich vollkommen sind, darum ist von Ihm eine solche Anordnung aller Dinge getroffen, dass keines etwas gegen seine Macht vermag, und dass auch von keinem Ding gesagt werden kann, es sei zwecklos erschaffen; denn alles ist nach weisester Absicht erschaffen, so, wie es einem jeden Ding angemessen war.

3. Auf das herrlichste offenbarte die Gottheit ihre Stärke in der Erschaffung der Engel, welche Gott zu seiner Ehre und zu ihrer Beseligung erschaffen hat, auf dass sie Liebe und Gehorsam hätten: Liebe, um nichts zu lieben außer Gott; Gehorsam, um in allem Gott untertänig zu sein. Von dieser zweifachen Bestimmung wich ein Teil der Engel böswillig ab, mit böser Entscheidung ihres freien Willens. Denn sie kehrten ihren Willen geradezu gegen Gott, so dass die Tugend ihnen verhasst und das, was Gott zuwider ist, ihnen lieb wurde. Durch diese Umkehrung ihres Willens führten sie ihren Sturz herbei. Nicht war es die Gottheit, welche durch die Erschaffung diesen Sturz herbeigeführt, sondern die Engel selber haben sich ihn durch den Missbrauch ihrer Geistesgaben zugezogen.

Die Schönheit (2. c. 18) der englischen Geister ist so groß, dass kein im Fleisch lebender Mensch imstande wäre, den Anblick dieser Schönheit zu ertragen; denn die Seele würde mit solchem Übermaß der Freude erfüllt werden, dass der Leib wie ein irdenes, geringes Gefäß zerspringen müsste. Aber auch die Hässlichkeit der gefallenen Engel ist eine so schreckhafte, dass, wer sie unverhüllt zu sehen bekäme, nie mehr in seinem Leben von den Folgen des Entsetzens genesen könnte oder eines plötzlichen Todes sterben müsste. Darum erscheinen die guten Engel den Irdischen in Menschengestalt, welche Gestalt, weil für ein unsterbliches Leben erschaffen, für die unsterblichen englischen Geister die entsprechende ist. Die Teufel aber erscheinen in sterblichen Formen, d. i. in Formen von Tieren und von solchen Wesen, deren Seelen mit dem Tod ihrer Leiber erlöschen. Wohl sind auch die teuflischen Geister unsterblich; aber ihr unsterbliches Leben ist gleichwie ein unsterbliches Sterben.

Gott ist gleich (1. c. 33) einem mächtigen Herrn, der viele Diener hat, durch welche er seine Gaben an die Bedürftigen verteilt. So stehen Ihm die guten wie die bösen Engel zu Diensten. Wer seine Weisheit zu erlernen begehrt, d. h. wie er Gott zu dienen hat, dem stehen die guten Engel bei durch Erleuchtung, Tröstung und Versüßung seiner Arbeit. Wer aber nur nach weltlicher Weisheit Verlangen trägt, der hat die bösen Engel zur Seite, die ihm ihre Einfälle einflüstern, die ihn nach ihrem Gutdünken zu leiten suchen und mit großem Eifer ihm ihre eigenen Gedanken einflößen. Wollte er aber nach Mir sein Auge erheben, dann würde Ich ihm ein für ihn müheloses, gesundes Brot zur Nahrung bieten und die Welt verachten lernen, von der er doch nicht satt werden kann, da sie ihm das Süße immer in Bitterkeit verwandelt.

Die Zahl (4. c. 11) der guten Engel ist eine so große, dass, wenn alle Menschen von Adam an herab bis zum letztgebornen vor dem Ende der Welt zusammengezählt würden, doch mehr als zehn Engel auf jeden einzelnen Menschen zu stehen kämen.

4. (2. c. 17) Bei Wahrnehmung der durch eigene Schuld der Engel herbeigeführten Verminderung seiner himmlischen Heerschar offenbarte Gott aufs neue seine Stärke, indem Er den Menschen mit Leib und Seele erschuf und ihm die zweifache gute Gabe verlieh, die Freiheit des Willens, um das Gute zu vollbringen und das Böse zu meiden. Da nämlich eine neue Anzahl von Engeln nicht mehr erschaffen werden sollte, so war es gerecht, dass dem Menschen die Freiheit des Willens verliehen wurde, um, wenn er wollte, sich zu der Würde der Engel emporzuheben. Auch wurde die Seele des Menschen von Gott mit Vernunft begabt, um Gut und Bös und Besseres und Bestes zu unterscheiden. Endlich verlieh Gott dem Menschen die Stärke, um im Guten zu verharren.

Die Seele (5. int. 15) des Menschen ist von einer weit höheren Natur als der Leib. Sie ist durch die Macht Gottes, ist unsterblich und hat Gemeinschaft mit den Engeln. Sie ist vorzüglicher als alle Planeten und edler als die ganze Welt. Und weil sie von der edelsten Natur ist und dem Körper Belebung und Lebenswärme spendet, und weil sie geistig ist, kann sie von den leiblichen Augen nicht gesehen werden, außer sie nähme eine leiblich wahrnehmbare Form an.

5. Der Teufel aber, der von dieser Liebe Gottes zu dem Menschen Kenntnis hatte, sprach aus Neid bei sich: Siehe, es hat Gott ein neues Geschöpf ins Leben gerufen, damit es an unsere Stelle aufsteige und sich durch Kampf erringe, was wir durch unsere Geringschätzung verloren haben. Können wir nun dies Geschöpf durch Verführung zu Fall bringen, dann wird es vom Kampf abstehen und nicht zu der so hohen Würde gelangen. Der Teufel dachte sich auch den Plan seiner Verführung aus; und es gelang ihm das Werk der Bosheit. Er verführte den ersten Menschen und bekam nach meiner gerechten Zulassung Gewalt über ihn. Doch wie und in welchem Augenblick wurde der Mensch vom Teufel besiegt? Es geschah, da er von dem Weg der Tugend abwich und tat, was ihm verboten war, indem er mehr Gefallen an der Verheißung der Schlange fand als an dem Gehorsam gegen Mich. Wegen dieses Ungehorsams also durfte er nicht im Himmel sein, denn dieser Ungehorsam war eine Verachtung Gottes; aber auch nicht in der Hölle, denn der Mensch erwog mit Hilfe der Vernunft ernstlich in seinem Herzen, was er getan, und gelangte so zu wahrer Zerknirschung über das Begangene. Darum hat der gütigste Gott dem Menschen in Ansehung seines Elends wie zum Schutz und zur Gefangenschaft einen Ort angewiesen, wo er seine Schwäche erfahren und seinen Ungehorsam büßen sollte, bis er es verdienen würde, zu der verlorenen Würde aufzusteigen.

Der Teufel erdachte auch hingegen einen Plan, um die Seele des Menschen durch Undank zu töten. Er flößte ihm sein Gift ins Herz und verfinsterte seinen Verstand so sehr, dass der Mensch weder Liebe noch Furcht Gottes mehr hatte. Er gedachte auch nicht mehr der Gerechtigkeit Gottes und verachtete sein Gericht. So schwand aus seinem Herzen die Furcht Gottes und das Andenken an seine Güte und Gnade. Die Liebe Gottes erlosch, das Gewissen wurde stumpf, der ganze Zustand des Menschen erbärmlich und elender noch sein Fall.

Trotz dieser Verfassung des Menschen aber entzog sich der gütige Gott ihm doch nicht; vielmehr erzeigte Er ihm seine Barmherzigkeit und Gerechtigkeit: Barmherzigkeit durch die Offenbarung an Adam und die anderen Gerechten, dass sie zur festgesetzten Zeit Hilfe erlangen sollten, wodurch der Eifer und die Liebe zu Gott wieder erweckt wurde; seine Gerechtigkeit aber offenbarte Gott durch die Sündflut unter Noe, wodurch die Furcht Gottes wieder Zutritt in die Herzen fand.

6. Auch danach aber hörte der Teufel nicht auf, den Menschen anzufechten. Er griff ihn mit zwei anderen Bosheiten an, indem er ihm Unglauben einflößte, um ihn zur Leugnung des Wortes Gottes und zur Verachtung seiner Wundertaten, als wären sie bloße Naturereignisse, zu verleiten. Auch reizte er die Menschen zur Verzweiflung, dass sie nicht mehr auf das verheißene Heil und die Wiedererlangung der verlorenen Herrlichkeit zu hoffen wagten.

Diesen beiden Übeln stellte Gott zwei neue Heilmittel entgegen: der Verzweiflung die Hoffnung durch die Berufung Abrahams, dem Er die Verheißung gab, dass aus seinem Samen Derjenige geboren werden solle, welcher ihn und alle, die seinen Glauben teilen würden, zu dem verlorenen Erbe wieder zurückführen werde. Außerdem sandte Gott seine Propheten, durch welche Er das Geheimnis der Erlösung und selbst den Ort und die Zeit seines Leidens den Menschen vorherverkünden ließ. Gegen den Unglauben sandte Gott seinen Diener Moses, durch welchen Er sein Gesetz und seinen Willen kundmachte und dessen Worte Er durch Zeichen und Wunder bekräftigte.

Die Bosheit des Teufels aber suchte nach solchen Erweisen der Barmherzigkeit Gottes den Menschen zu immer größeren Missetaten zu verleiten. Er reizte die Herzen zur Empörung gegen das Gesetz, als wäre dasselbe viel zu hart und unerfüllbar; und zum Unglauben gegen die Verheißung und Weissagungen, als wäre es eine unglaubliche und unmögliche Sache, dass Gott aus Liebe für den Menschen leiden und sterben wolle.

Dieser zweifachen Verführung des Teufels stellte die Güte Gottes wiederum zwei neue Heilmittel entgegen. Um dem Menschen das Gesetz nicht als zu hart erscheinen zu lassen, sandte Er seinen Sohn in den Schoß der Jungfrau, dass Er Fleisch annehme und in seiner Menschheit das Gesetz und seine Vorschriften erfülle und das Gesetz selber mildere.

Und zur Überweisung des Unglaubens offenbarte Gott seine höchste Gütigkeit, denn der Schöpfer starb für sein Geschöpf, der Gerechte für die Ungerechten, und der Schuldlose litt für die Schuldigen alles bis auf das letzte Pünktlein, was durch die Propheten von Ihm geweissagt worden war.

7. Wiederum erhob sich der Neid des Teufels gegen den Menschen, indem er ihn zur Verspottung meiner Worte und zum Vergessen meiner Werke verleitete. Dagegen nun will Ich jetzt in zweifacher Weise wirken, damit meine Worte wieder zu Ehren kommen, und die Werke, die Ich vollbracht habe, Nachahmung finden.

Darum habe Ich dir (Birgitta) den Geist der Weissagung gegeben, um meinen Freunden auf Erden meinen Willen in zweifacher Absicht durch dich kundzutun: fürs erste, damit die Größe meiner Barmherzigkeit ihnen offenbar und das Andenken an meine Liebe und mein bitteres Leiden in ihnen wieder belebt werde; fürs zweite, dass sie sich meine Gerechtigkelt vor Augen halten und vor der Strenge meines Gerichtes mit heilsamer Furcht erfüllt werden. Darum bist du von Mir über das Geheimnis meiner Barmherzigkeit belehrt und befähigt worden, sie zu verkünden, damit die Menschen endlich anfangen sich meiner Erbarmungen teilhaft zu machen und sich vor der Strenge meines Gerichtes in acht zu nehmen.

Wenn du gleich die Worte niederschreibst, die Ich zu dir spreche, so können sie doch so lange nicht befolgt und geübt werden, als sie nicht verkündet werden. Du hast ein Beispiel an Moses. Als er das Gesetz empfangen sollte, waren der Stab und die Tafeln schon hergerichtet; doch wirkte er mit dem Stab erst dann Wunder, als Not und Zeit dies erforderte. Zur geeigneten Stunde wurden darum die Wunder offenbar und meine Worte durch sie bestätigt. Ähnlich geschah es im neuen Gesetz. Zuerst wuchs mein Leib, bis er das erforderliche Alter erreichte; dann erst wurden meine Worte vernommen. Wenngleich aber meine Worte gehört wurden, so hatten sie doch erst Wirkung und Erfolg, als meine Werke offenbar wurden; und ihre letzte Vollendung empfingen sie durch meine Passion, in der Ich alles erfüllte und vollendete, was durch die Propheten von Mir geweissagt worden war.

So ist es auch jetzt. Werden auch die Worte, welche Meine Liebe zu dir redet, niedergeschrieben, um in die Welt hinausgetragen zu werden, so können sie doch keine Wirkung haben, bis sie nicht für alle vollkommen ans Licht gebracht werden.

2. Weitere Eröffnungen über dieselben Geheimnisse

1. (8. c. 48) Von Ewigkeit her ist Gott auch die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, wie die Macht, die Weisheit und die Güte. Seiner Güte wollte Er auch andere teilhaft machen, darum erschuf Er die Engel. Ein Teil derselben aber wendete das Auge nur auf die eigene Schönheit und begehrte, sich über Gott zu erheben. Darum stürzten sie und wurden unter die Füße Gottes als die bösen Geister erniedrigt. Doch selbst mit diesen trägt Gott in gewissem Sinne Erbarmen. Denn wenn nach seiner gerechten Zulassung der Teufel das Böse, wonach ihn gelüstet, vollbringt, da empfindet er eine Art Trost über das Gelingen seiner Bosheit; nicht als würde seine Strafe dadurch gemildert; sondern wie ein Schwerkranker bei der Nachricht von dem Tode seines mächtigsten Feindes sich wie getröstet fühlen mag, wenngleich die Schmerzen seiner Krankheit dadurch nicht behoben werden; so empfindet auch der Neid, von dem der Teufel brennt, Lust und Ergötzen, wenn Gott seine Gerechtigkeit an den Menschen übt, und der Durst seiner Bosheit empfängt wie Kühlung und Milderung.

Er ist wie eine unförmige Kohle und missgestalteter denn jedes andere Geschöpf, weil er wegen seiner Empörung gegen Gott in dem Maße hässlicher als alle wurde, als er an Schönheit alle übertroffen hatte. Wie ein guter Engel gleich einem Stern im Lichte Gottes des heiligen Geistes glänzt und in Gottes Liebe ohne Ende brennt, so ist der Teufel in beständiger Glut und Unruhe seiner unersättlichen Bosheit. Aber unaussprechlich ist auch die Güte des Geistes Gottes und seine Gnade; denn kein Sünder auf Erden wurzelt so fest im Teufel, dass nicht der gute Engel zuweilen an sein Herz klopft, um es zu rühren; wie auch niemand auf Erden so tugendhaft ist, dass nicht der Teufel wagte, ihn zu versuchen.

2. Als Gott die durch den Sturz der hoffärtigen Engel entstandene Verminderung der englischen Heerscharen erblickte, erschuf Er den Menschen, auf dass er Ihm im Gehorsam gegen seine Gebote diene und sich mehre, bis so viele Menschen in den Himmel gelangt sein würden, als Engel aus dem Himmel gefallen waren. Es wurde der Mensch im vollkommenen Stande erschaffen. Er empfing das Gebot des Lebens; doch achtete er nicht auf Gott und seine Ehre, sondern willigte in die Versuchung des Teufels und übertrat das Gebot, indem er sprach: "Wir wollen von der Frucht des Baumes essen; dann werden wir alles wissen wie Gott." Doch begehrten Adam und Eva nicht, wie der Teufel, Gott ein Übel zuzufügen; sie wollten sich auch nicht über Ihn erheben, sondern nur erkennend werden wie Gott; darum fielen sie nicht so tief wie Luzifer, der Gott beneidete, weshalb sein Elend ohne Ende sein wird. Weil der Mensch aber etwas anderes begehrte, als er nach Gottes Willen begehren durfte, so verfiel er der Gerechtigkeit Gottes, doch nicht mit Ausschluss seiner Barmherzigkeit. Adam und Eva empfanden die Gerechtigkeit, als sie wahrnahmen, dass das Gewand der Glorie für sie verloren war, als sie den Hunger und den Stachel des Fleisches fühlten und als sie mit Mühe das Erdreich zu bebauen hatten. Sie empfingen aber Barmherzigkeit, das Gewand zu Ihrer Bedeckung, die Nahrung zur Stillung des Hungers, die Ordnung ihres ehelichen Lebens und den Segen der Nachkommenschaft. Und so führte Adam einen höchst erbaulichen Wandel, und Eva war seine erste und einzige Gattin.

Es erzeigte aber Gott seine Gerechtigkeit und Barmherzigkeit allen lebenden Wesen, die Er in dreifacher Ordnung erschuf: in erster Ordnung die körperlosen Geister, die Engel; in zweiter die Menschen, aus Seele und Leib bestehend; in dritter die Tiere, die wohl einen Leib, nicht aber wie der Mensch eine unsterbliche Seele besitzen. Der Engel, als reiner Geist, hängt Gott ohne Wechsel an; darum bedarf es des Beistandes eines Menschen nicht. Der Mensch aber, der im Fleisch lebt, kann nicht ohne Wechsel Gott anhängen, bis nicht sein unsterblicher Geist von der sterblichen Hülle gelöst ist. Darum hat Gott für sein Bestehen ihm zur Hilfe die vernunftlosen Tiere erschaffen, auf dass sie ihm als dem Höheren gehorchen und dienen. Es trägt daher Gott auch mit den vernunftlosen Tieren große Barmherzigkeit; denn sie haben sich ihrer Glieder nicht zu schämen und haben vor Eintritt des Todes keine Angst vor dem Tod zu tragen und finden in einfacher Nahrung ihr Genügen.

3. (1. c. 26) Die englischen Heerscharen, die vor dem Thron Gottes stehen, rufen einstimmig: Lob und Preis sei Dir, o Gott, der Du warst und bist ohne Anfang und Ende! Wir, deine Diener, loben und preisen Dich, weil Du uns zur Teilnahme an Deiner Seligkeit erschaffen und uns das unaussprechliche Licht der Glorie gegeben hast, in dem wir uns ewig erfreuen sollen. Wir loben und preisen Dich, weil durch deine unveränderliche Güte alle Geschöpfe Dasein und Bestehen empfangen, weil alles durch deinen Willen lebt und durch dein Wort besteht. Wir loben und preisen Dich, weil Du den Menschen erschaffen und für ihn die menschliche Natur angenommen hast. Deine Menschwerdung und deine allerreinste Mutter, weIche Dich zu tragen verdiente, den die Himmel nicht zu fassen, nicht zu umschließen vermögen, ist unsere größte Wonne. Darum sei Ruhm und höchste Lobpreisung Dir für unsere englische Würde, welche Du zu so großer Ehre erhöht hast. Deine nie endende Ewigkeit und Unveränderlichkeit sei über allem, was besteht und Bestand haben kann! Deine Liebe ruhe auf dem Menschen, den Du erschaffen! Du allein, o Herr, bist zu fürchten ob der Größe deiner Allmacht! Du allein zu begehren wegen deiner unendlichen Liebe! Du allein zu lieben wegen deiner Unveränderlichkeit! Darum sei gelobt ohne Ende, ohne Wechsel in alle Ewigkeit!

4. Ihr ehrt Mich, spricht der Herr, nach Würdigkeit für alle meine Geschöpfe; warum aber preist ihr Mich für den Menschen, der Mich mehr als alle anderen Geschöpfe zum Zorn gereizt! Ich habe ihn in größerer Herrlichkeit erschaffen als alle Kreaturen, welche unter euch stehen; aber für kein Geschöpf habe Ich so Schmachvolles erduldet und keines so teuer erkauft als den Menschen. Oder welche Kreatur hält nicht ihre Ordnung ein, mit einziger Ausnahme des Menschen? Er ist Mir lästiger als alle meine andern Geschöpfe.

Wie Ich euch zu meiner Ehre und Verherrlichung erschaffen habe, so erschuf Ich auch den Menschen zu meiner Ehre. Ich gab ihm einen Leib gleich einem geistigen Tempel und setzte in diesen Tempel eine Seele, schön wie ein Engel; denn die Seele des Menschen ist an Adel und Stärke ähnlich dem Engel. In diesem Tempel war Ich, sein Gott und Schöpfer, als der Dritte, an dem er seine Freude und sein volles Genügen finden sollte. Ich bildete auch aus der eigenen Rippe des Menschen einen zweiten, dem ersten ähnlichen Tempel. Und so wären, hätten sie nicht gesündigt, ihre Kinder aus feuriger Gottes- und aus heiliger, gegenseitiger Liebe, in der allein sie sich vereinigt hätten, geboren worden. Die Liebe zu Gott, mit gänzlichem Ausschluss irgendwelcher Sinnenlust, hätte ihre keuscheste Ehe fruchtbar gemacht. Die Seele hätte Ich, als ihr Herr und Schöpfer, in die Frucht gesendet, die ohne Schmerz geboren worden wäre, und zwar in derselben Vollkommenheit, in weIcher Adam gebildet worden war. Diese Ehre aber verschmähte der Mensch, indem er dem Teufel beistimmte und eine höhere Auszeichnung begehrte, als Ich ihm gegeben hatte.

5. Als ihr Ungehorsam geschehen war, kam mein Engel über sie, und sie erröteten über ihre Blöße. Und nun empfanden sie die Begierlichkeit des Fleisches, litten Hunger und Durst. Dann aber wurden sie auch in Bitterkeit inne, dass Ich von ihnen gewichen. Solange sie Mich besaßen, empfanden sie weder Hunger, noch irgendwelche Begierlichkeit des Fleisches; denn Ich allein war ihnen alles, alles Wünschenswerte, alles Gute, alle Süßigkeit, ihr vollkommenes Genügen. Der Teufel frohlockte über ihren Verlust und ihren Fall.

Aus Mitleid mit ihnen aber verließ Ich sie nicht, sondern erzeigte ihnen eine dreifache Barmherzigkeit. Ich bekleidete sie, die ohne Gewand waren, und gab ihnen das Brot der Erde und den Segen der Fruchtbarkeit. Alles, wozu sie der Teufel zu ihrem Verderben verleitet hatte, das wandelte Ich ihnen zum Heile. Ich zeigte ihnen, wie sie ihr Leben einrichten und welche Ehre sie Mir erzeigen sollten. Ich gestattete ihnen die rechtmäßige Führung des ehelichen Lebens, da sie aus Furcht hatten in Getrenntheit leben wollen. Auch nach dem gewaltsamen Tod Abels lebten sie lange in Trauer und Enthaltung, so dass Ich sie aus Mitleid tröstete. Sie befolgten meinen Willen und kamen wieder zusammen. Ihre Nachkommenschaft vermehrte sich, aus der Ich, ihr Schöpfer, nach meiner Verheißung geboren werden wollte.

6. Als die Kinder Adams aber in immer größere Bosheit ausarteten, da offenbarte Ich meine Gerechtigkeit an den Sündern und meine Barmherzigkeit an den Auserwählten, die Ich gnädig aus dem Verderben errettete und erhöhte, weil sie meine Gebote hielten und an meine Verheißung glaubten. Da die Zeit des Erbarmens herankam, machte Ich durch Moses meine Wunder offenbar und rettete mein Volk, wie Ich verheißen hatte. Ich speiste sie mit dem Manna. Ich zog vor ihnen her in der Wolken- und in der Feuersäule und gab ihnen mein Gesetz. Ich enthüllte ihnen meine Geheimnisse und die Zukunft durch meine Propheten. Zuletzt erwählte Ich Mir, der Ich alles erschaffen, eine Jungfrau, die Tochter eines heiligen Ehepaares, um aus ihr das menschliche Fleisch anzunehmen und sündenlos geboren zu werden. Gleichwie im Paradies die Kinder der Menschen im Geheimnis der Liebe Gottes ohne irgendweiche Schmach geboren worden wären, so nahm meine Gottheit aus der Jungfrau Fleisch an ohne Versehrung der Jungfrauschaft. Und da Ich so als wahrer Gott und wahrer Mensch im Fleisch erschien, erfüllte Ich das Gesetz und alles, was in den Schriften über Mich verkündet worden war. Ich begann das neue Gesetz, da das alte streng und hart zu tragen und nur das Vorbild dessen war, was in der Zukunft erfüllt werden sollte.

7. (5. int. 9) In meiner Gottheit ist von Ewigkeit her alles Zukünftige und was erst geschehen soll, ebenso wie das Vergangene und was längst geschehen ist, vorhergesehen und vorhergewusst. So ist der Fall des Menschen von Gott vorhergesehen, als von seiner Gerechtigkeit zugelassen, nicht aber als von Ihm herbeigeführt oder als wegen dieses seines Vorherwissens notwendig eintretend. Und ebenso ist von Ewigkeit her von Gott die Erlösung des Menschen vorhergesehen als das Werk seiner Barmherzigkeit. Im Anfang und vor den (irdischen) Zeiten hatte Ich die englischen Geister erschaffen, auf dass sie, in der Freiheit ihres Willens Mir gehorchend, aus meiner Güte und Herrlichkeit ihre Seligkeit erlangen sollten. Ein Teil der Engel aber verkehrte aus Stolz durch Missbrauch des freien Willens sich das Gute zum Bösen. Und da in ihrer Natur und in ihrer Erschaffung nichts Böses lag, darum war es allein ihr eigener Wille, mit dem sie von der Ordnung abgewichen und gefallen sind. Der andere Teil der Engel wählte sich den demütigen Gehorsam gegen ihren Herrn und Gott, und darum verdienten sie eine ewige Befestigung ihrer Treue. Denn es ist würdig und gerecht, dass Ich, Gott, der unerschaffene Geist und der Schöpfer aller Dinge, auch Geister, die feiner und behender sind als die anderen Kreaturen, zu meinen Dienern habe. Da es sich aber nicht geziemte, dass Ich eine Verminderung in meiner Heerschar duldete, darum habe Ich an der Stelle der gefallenen Geister eine andere Kreatur, den Menschen, erschaffen, auf dass er durch freie Wahl und durch guten Willen mit Hilfe meiner Gnade sich dieselbe Würde verdiene, aus welcher die Engel gefallen waren.

Hätte der Mensch nur eine Seele und nicht auch einen Leib, so könnte er sich nicht so leicht dieses hohe Gut verdienen und auch nicht dafür arbeiten; darum wurde mit seiner Seele der Leib vereinigt, damit er sich die ewige Herrlichkeit erwerben möge. Und darum hat er auch mancherlei Trübsale und Schwachheiten zu erdulden, auf dass er seinen freien Willen bewähre und sich nicht in Stolz erhebe; auch dass er nach der Herrlichkeit, für die er erschaffen ist, Verlangen trage und den Ungehorsam wieder gutmache, in den er aus freiem Willen gefallen war. Aus göttlicher Gerechtigkeit ist darum über ihn ein tränenreicher Eintritt und Austritt aus seinem mühseligen Leben verhängt worden.

Alle anderen Kreaturen sind zum Nutzen oder zur Notdurft und zum Lebensunterhalt oder zur Belehrung und Züchtigung oder zur Tröstung und Demütigung des Menschen erschaffen. Damit aber alle Geschöpfe ihm auch zum Trost werden können, sind ihm die Engel gegeben worden, dass sie ihn erleuchten, bewahren und beschirmen.

8. Wie einem Fahrzeug oder Wagen die Räder unterlegt sind, damit die Last leichter fortbewegt werde, und wie den vorderen Rädern die hinteren nachfolgen, so ist es ähnlich auch im geistlichen Leben. Denn die Welt ist eine schwere Last, welche auf den Menschen mit Sorgen und Trübsalen drückt; was aber nicht zu verwundern ist, indem es billig war, dass der Mensch, welcher der Ruhe des Paradieses überdrüssig wurde, den Ort der Arbeit und Mühsal kennenlerne. Damit der Mensch nun die Last dieser Welt leichter ertrage, ist aus Barmherzigkeit der Wechsel von Tag und Nacht und die Abwechslung der Jahreszeiten mit Wärme und Kälte zur Übung und Arbeit wie zur Ruhe für ihn eingetreten. Es ist nämlich gut, dass, wo sich Entgegenstehendes wie Stärke und Schwachheit verbindet, der Schwachheit Rechnung getragen werde, damit sie neben der Stärke bestehen könne, weil sie sonst vernichtet würde. So ist es auch mit dem Menschen. Durch die Kraft seiner unsterblichen Seele vermöchte er ohne Unterbrechung in Betrachtung und Arbeit ausharren, wenn nicht die Schwachheit des Leibes erliegen würde. Und darum ist das Licht erschaffen, damit der Mensch, der mit den höheren Geschöpfen über ihm wie mit den niederen unter ihm zusammenhängt, es aushalte, wenn er nur beim Licht des Tages arbeitet und dabei der Süßigkeit des ewigen Lichtes gedenkt, das er verloren hat. Die Nacht aber ward erschaffen für die Ruhe des Leibes, damit er nach jenem Ort begehren möge, wo keine Nacht noch Mühe und Arbeit, sondern ewiger Tag und unvergängliche Herrlichkeit ist.

3. Die heiligste Menschwerdung

1. (1. c. 1. u. 2) Ich, der Sohn Gottes, habe zu den Propheten geredet; und Mich haben sie erwartet. Um ihre Sehnsucht und meine Verheißung zu erfüllen, nahm Ich Fleisch an ohne Sünde und Begierlichkeit, in den Schoß der Jungfrau eingehend wie der Sonnenstrahl in den reinsten Kristall. Wie dieser von dem eindringenden Strahl nicht verletzt wird, so blieb auch bei meiner Annahme der menschlichen Natur die Jungfrauschaft der Jungfrau unversehrt.

Ich nahm aber Fleisch an, ohne aufzuhören, Gott zu sein. Wohnte Ich gleich bei Annahme der Menschheit im Schoße der Jungfrau, so war Ich doch nicht minder in der Gottheit zugleich mit dem Vater und dem Heiligen Geist, alles regierend und erfüllend. Wie sich von dem Feuer sein Glanz nimmer trennen lässt, so trennte selbst im Tod meine Gottheit sich nicht von meiner Menschheit. Ich hing am Kreuz, Ich starb und wurde begraben; aber meine Gottheit blieb unverletzt; denn starb Ich auch nach meiner menschlichen Natur und dem Fleisch nach, die nur Ich, der Sohn, angenommen, so lebte Ich doch in der Gottheit, in der Ich zugleich mit dem Vater und dem Heiligen Geiste der eine Gott bin. Auch wollte Ich, dass mein reinster, sündeloser Leib für die Sünden aller von der Sohle bis zum Scheitel zerfleischt und an das Kreuz geheftet werde. Und dieser mein Leib wird bis zur Stunde Tag für Tag auf dem Altar geopfert, damit der Mensch Mich um so mehr liebe und meiner Wohltaten um so häufiger gedenke.

2.(5. Int. 9) Ich habe Mir aus allen Geschöpfen Maria zur Mutter erwählt und sie mehr als alle geliebt, da in ihr der höchste Schmuck jeder Tugend erfunden wurde. Wie am Holzstoß jenes Stück zuerst von der Flamme ergriffen und in Brand gesteckt wird, welches mehr als die anderen dafür empfänglich und zum Brennen tauglich ist, so war es bei Maria. Als nämlich das in sich unveränderliche und ewige Feuer der Liebe Gottes sich mitteilen und offenbaren und Gott Mensch werden wollte, war unter allen Kreaturen keine so empfänglich und geeignet, von diesem Feuer entzündet zu werden, wie Maria; denn keine Kreatur entbrannte von solcher Liebe wie sie. Und wiewohl sich ihre Liebe erst gegen das Ende der Zeiten offenbarte und kundgab, so war sie doch schon vor Anbeginn der Welt von Gott vorhergesehen; und so war in der Gottheit von Ewigkeit beschlossen, dass, weil kein Geschöpf an Liebe zu Gott Maria gleichkommen werde, sie auch alle an Gnade und Segensfülle übertreffen solle.

3. Ich will dir auch durch ein anderes Gleichnis erklären, warum Ich mich in dem Schoß der Jungfrau mit dem Gewand der Menschheit bekleidet habe.

Es gibt eine Traubensorte, deren Wein so stark ist, dass er ohne Druck eines Menschen aus den Beeren träufelt, weshalb zur Zeit der Reife ein Gefäß unter die Traube gestellt wird. Nicht der Traubensaft aber wartet auf das Gefäß, sondern das Gefäß wartet auf den Wein, der, wenn mehrere Gefäße untergestellt werden, in jenes sich ergießt, das ihm am nächsten steht. Diese Traube ist das Bild meiner Gottheit, welche von dem Wein der Liebe so voll ist, dass alle Chöre der Engel aus ihr erfüllt werden und alle Geschöpfe an ihr teilhaben. Der Mensch aber hatte sich durch seinen Ungehorsam derselben unwürdig gemacht. Als daher Gott, mein Vater, zu der von Ewigkeit her bestimmten Zeit seine Liebe offenbaren wollte, sandte Er seinen Wein, d. i. Mich, seinen Sohn, in das Gefäß, welches am nächsten stehend das Kommen des Weines erwartete. Er sandte Mich in den Schoß der Jungfrau, welche eine glühendere Liebe zu Mir besaß als jede andere Kreatur. Diese Jungfrau liebte Mich und ersehnte Mich so sehr, dass keine Stunde verging, ohne dass sie nach Mir begehrte, verlangend meine Magd zu werden; darum empfing sie den auserlesenen Wein.

Dieser Wein hat drei Eigenschaften: fürs erste Stärke, denn Ich bin ohne Berührung eines Menschen ausgegangen; fürs zweite: die schönste Farbe, da Ich schön an Gestalt vom Himmel herniederkam, um den Kampf zu beginnen; drittens lieblichste Süßigkeit, welche mit höchster Segnung trunken macht.

Dieser Wein, der Ich selber bin, ergoss sich deshalb in den jungfräulichen Schoß, damit Ich, der unsichtbare Gott, sichtbar werde, um den verlorenen Menschen zu erlösen. Wohl hätte Ich Mir eine andere Gestalt annehmen können; aber der Gerechtigkeit Gottes war es entsprechend, dass Gestalt für Gestalt, dass Natur für Natur gegeben werde und die Weise der Genugtuung sich nach der Weise der Schuld richte. Welcher Einsichtige hätte es für glaubwürdig oder nur für möglich gehalten, dass Ich, der allmächtige Gott, Mich so tief erniedrigen wolle, um Mich in das Gewand der Menschheit zu kleiden, wenn es nicht meine unerfassliche Liebe gewesen wäre, in der Ich sichtbar mit den Menschen verkehren wollte? Und da Ich die Jungfrau im Feuer der Liebe Gottes entbrannt erblickte, ward die Strenge meiner Gottheit überwunden und ihre Liebe ward offenbar, um den Menschen wieder mit Mir zu versöhnen. Wer kann sich also wundern, dass Ich, Gott, die Liebe selbst, der Ich nichts hasse, was Ich erschaffen habe, beschloss, dem Menschen nicht bloß die besten Gaben, sondern sogar Mich selbst zum Lösepreis und Lohn zu schenken, zur Beschämung aller stolzen Teufel!

4. (5. int. 12) Da die Jungfräulichkeit gleich dem schönst geschmückten Pfad zum Himmel ist, der Ehestand aber wie eine Landstraße, darum war es Mir, dem reinsten Gott, geziemend, in der reinsten Jungfrau Wohnung zu nehmen. Und weil der erste Mensch aus jungfräulicher, noch von keinem Blut befleckter Erde gebildet worden war, und weil Adam und Eva im Stand ihrer noch unversehrten Reinheit, in welchem das Geheimnis ihrer Vermehrung noch unentweiht und unverletzt war, durch die Gaumenlust, d. i. durch den Genuss der verbotenen Frucht gesündigt hatten, darum wollte auch Ich, um durch meine Güte alles wieder zu erneuern, in dem reinsten unversehrten Gefäß empfangen werden.

Dass meine Mutter Jungfrau und Mutter war, wollte Ich nicht gleich anfangs durch deutliche Zeichen offenbar machen; denn alle Geheimnisse meiner Menschwerdung hatte Ich schon durch die Propheten verkünden lassen, damit sie um so leichter Glauben fänden, je länger sie vorausverkündet waren. Da nun meine Mutter vor und nach der Geburt Jungfrau war, so konnte das Zeugnis Josephs, des Hüters und Zeugen ihrer Jungfrauschaft, genügen. Und wäre ihre Unversehrtheit auch durch ein augenscheinlicheres Wunder geoffenbart worden, so hätte die Bosheit jener doch nicht von Lästerung abgelassen, welche nicht glauben wollen, dass sie als Jungfrau von der Macht der Gottheit empfangen habe, und die nicht bedenken, dass Mir als Gott dies leichter ist als der Sonne, durch ein Glas zu dringen.

5. Es geschah aber auch nach meiner Gerechtigkeit, dass das Geheimnis der Menschwerdung Gottes dem Teufel verborgen bleiben und dem Menschen erst in der Zeit der Gnade offenbar werden sollte. Nun aber sage Ich: Meine Mutter ist in Wahrheit Mutter und Jungfrau; und wie in der Bildung von Adam und Eva sich die Macht Gottes wunderbar geoffenbart hatte, und wie das Wohnen im Paradies für Adam und Eva eine glückselige Auszeichnung gewesen war, ebenso wunderbar offenbarte sich in der Annäherung meiner Gottheit zu der Jungfrau die Güte, da meine unermessliche Gottheit in das verschlossene Gefäß ohne dessen Verletzung herabkam. Und das Wohnen im Schoß der Jungfrau war auch Mir zur Ergötzung, indem Ich nach meiner Menschheit zwar eingeschlossen, nach meiner Gottheit aber zugleich allgegenwärtig war.

Gott, (2. c. 13) der Vater, hat Mich durch Sich und mit Ihm der Heilige Geist in den Schoß der Jungfrau gesendet; doch nicht so, dass nun die Engel der Anschauung und der Gegenwart meiner Gottheit hätten entbehren müssen, sondern wie Ich, Gott Sohn, im Schoße der Jungfrau ohne Trennung vom Vater und dem Heiligen Geiste war, ebenso war Ich zugleich im Himmel mit dem Vater und dem heiligen Geiste in der Anschauung der Engel, alles regierend und alles erhaltend; wenngleich meine Menschheit, die nur Ich, der Sohn, allein angenommen habe, im Schoße der Jungfrau geruht hat.

6. (5. int. 12) Wunderbar zeigte Ich auch hier meine Macht, indem Ich, der unkörperliche Gott, den leiblichen Schoß ohne Versehrung der Jungfrauschaft verließ. Weil aber der Mensch nur schwer zum Glauben kommt, und weil meine Mutter die Liebhaberin aller Demut ist, gefiel es Mir, ihre Schönheit und Vollkommenheit auf eine Zeit in Verborgenheit zu erhalten, damit meine Mutter ein Verdienst zu höherem Schmuck ihrer Krone und Ich eine größere Verherrlichung in der Zeit erlange, da Ich meine Verheißungen zum Verdienst für die Guten und zur Vergeltung für die Bösen erfüllen wollte.

7. Auch meine Geburt wollte Ich den Menschen nicht gleich offenbar machen. Wenngleich der Teufel die Würde, die er in seiner Erschaffung empfangen, verloren hat, so doch nicht seine Wissenschaft, die ihm zur Bewährung der Guten und zu seiner eigenen Beschämung geblieben ist. Damit aber meine Menschheit heranwachse und die ihr vorherbestimmte Lebenszeit erreiche, darum musste dem Teufel das Geheimnis meiner Barmherzigkeit verborgen bleiben. Ich wollte in Verborgenheit kommen, um den Teufel zu überwinden. Ich hatte beschlossen, verachtet und erniedrigt zu leben, um den Stolz der Menschen herabzudrücken. Selbst die Gesetzeslehrer haben Mich, von dem sie doch in ihren heiligen Büchern lasen, verachtet, da Ich in Niedrigkeit gekommen bin; und in ihrem Stolz verschmähten sie es, von der wahren Gerechtigkeit zu hören, welche aus dem Glauben an meine Erlösung kommt; darum werden sie beschämt werden, wenn der Sohn des Verderbens in seiner Aufgeblasenheit kommen wird.

Wäre Ich aber in großer Macht und Herrlichkeit gekommen, wie wäre dann der Stolze zur Demut gebracht worden? Oder kann ein Stolzer je in den Himmel eingehen? Gewiss nicht. Ich kam also in Niedrigkeit, damit der Mensch die Demut lerne. Ich verbarg Mich den Stolzen, da sie weder meine göttliche Gerechtigkeit noch sich selber kennenlernen wollten.

8. Warum Ich aber so lange Zelt im Schoße der Jungfrau gewohnt, das geschah, weil Ich die ganze Natur erschaffen und für jedes lebende Wesen die bestimmte Weise, die Zeit und die Ordnung seines Geborenwerdens angeordnet habe. Wenn nun Ich, der Schöpfer, sogleich nach meiner Empfängnis den Mutterschoß wieder verlassen hätte, so hätte Ich gegen die natürliche Ordnung gehandelt und meine Annahme der Menschheit wäre nur als eine scheinbare, nicht als eine wahrhaftige angesehen worden. Darum wollte Ich so lange Zeit wie die anderen Kinder im Mutterschoß verweilen, auf dass Ich das an Mir selber erfüllte, was Ich zum Besten der natürlichen Ordnung verfügt habe.

9. Ich wollte auch als ein unmündiges Kind geboren werden und nicht unmittelbar nach meiner Geburt schon die Vollkraft des männlichen Alters besitzen; denn hätte Ich dies getan, so hätte Ich bei allen nur Verwunderung und Scheu erregt, und sie wären Mir mehr aus Furcht und wegen der Wunder, die sie sahen, als aus Liebe nachgefolgt. Und wie hätten auch sonst die Worte des Propheten erfüllt werden können, die von Mir weissagten, Ich werde als Kind zwischen Tieren in die Krippe gelegt, von den Königen angebetet, im Tempel dargestellt und schon als Kind von meinen Feinden verfolgt werden? Um also zu zeigen, dass Ich in Wahrheit Mensch geworden, und dass die Worte der Propheten an Mir in Erfüllung gegangen, unterwarf Ich Mich dem allmählichen Wachstum meiner Glieder, obwohl Ich schon bei meiner Geburt nach der Fülle der Weisheit, welche meine Menschheit von Anfang an besaß, ebenso groß war wie bei meinem Tode.

10. Ich nahm auch die Beschneidung an, wenngleich Ich dem Vater nach nicht von Abraham abstammte, wohl aber nach meiner Mutter, freilich ohne Sünde.

Und da Ich in meiner Gottheit das Gesetz der Beschneidung gegeben hatte, so wollte Ich in meiner Menschheit das Gesetz erfüllen, damit meine Widersacher Mich nicht lästern könnten, als hätte Ich ein Gesetz gegeben, das Ich selber nicht habe erfüllen wollen.

11. Ebenso wollte Ich auch getauft werden; denn ein jeder, der einen neuen Weg begründen oder beginnen will, muss als der Begründer und Eröffner des neuen Weges den anderen zum Vorbild auf demselben vorangehen. So war dem alten Volk ein fleischlicher Weg gegeben worden, nämlich die Beschneidung, als das Zeichen des Gehorsams und der künftigen Reinwaschung; und diese Beschneidung brachte in den Glaubenden und Gesetzestreuen noch vor der Ankunft der verheißenen Erfüllung, d. i. bevor Ich, der Sohn Gottes, im Fleische erschien, eine Wirkung der erst künftigen Gnade und der Verheißung hervor. Als aber die Erfüllung kam, von welcher das Gesetz nur der Schatten gewesen war, da wurde für ewige Zeit verordnet, dass der alte Weg vor dem neuen zu weichen und keine Wirkung mehr haben solle. Damit also die Erfüllung offenbar würde, der Schatten verschwände und allen der leichtere Weg zum Himmel gezeigt würde, darum wollte Ich, Gott und Mensch und sündelos geboren, auch getauft werden, aus Demut und zum Vorbild für alle, und um für die Glaubenden den Himmel aufzuschließen. Und zum sichtbaren Beweis dafür öffnete sich, da Ich Mich taufen ließ, der Himmel, die Stimme meines Vaters erscholl, der Heilige Geist erschien in Gestalt einer Taube, und Ich, der Sohn Gottes, offenbarte Mich in meiner wahrhaftigen Menschheit, auf dass alle Getreuen erkennen und glauben sollten, dass der Vater für alle glaubenden Getauften den Himmel aufgeschlossen habe.

Der Heilige Geist wirkt fortan in der Spendung der Taufe die Kraft meiner Menschheit im Element des Wassers, wenn auch des Vaters und mein und des Heiligen Geistes Wirken und Wille nur einer ist.

So schwand also bei Ankunft der Erfüllung, d. i. da Ich, die Wahrheit, in die Welt kam, der Schatten; es zerbrach die Schale des Gesetzes und ihr Kern trat hervor; es hörte die Beschneidung auf, und an Mir selber war die Taufe bestätigt, welche den Kindern, wie den Greisen den Himmel öffnet und die Kinder des Zornes in Kinder der Gnade und des ewigen Lebens verwandelt.

12. Warum bin Ich nach Ägypten geflohen? Ich antworte: Vor der Übertretung des Gebotes (durch Adam im Paradiese) war der eine Weg zum Himmel breit und hell: breit durch die Fülle der Tugenden, hell durch die göttliche Erleuchtung und durch den Gehorsam des guten Willens. Als aber der Wille sich zum Bösen wendete, da wurden es der Wege zwei; der eine führte zum Himmel, der andere vom Himmel hinweg; der Gehorsam führte zum Himmel, der Ungehorsam schied vom Himmel. Es stand nämlich in dem freien Belieben des Menschen, das Gute oder das Böse zu wählen, d. i. zu gehorchen oder nicht zu gehorchen; und darum sündigte er, weil er anders wollte als das, was zu wollen, Ich, sein Gott, von ihm verlangte.

Damit nun der Mensch wieder zum Heil gelangte, war es gerecht und billig, dass ein solcher komme, der ihn wieder erretten könnte und der einen vollkommenen Gehorsam und eine vollkommene Schuldlosigkeit besäße, so dass an ihm alle, je nach ihrem Willen, ihre Liebe oder ihre Bosheit offenbaren könnten. Zur Erlösung der Menschen aber durfte nicht ein Engel gesendet werden, da Ich, Gott der Herr, meine Ehre keinem anderen übergebe. Auch wurde kein Mensch erfunden, der nur für sich selber und noch weniger für andere Mir die schuldige Genugtuung hätte leisten können. Und so bin Ich, Gott der Herr, als der allein Gerechte gekommen, um alle gerecht zu machen.

Dass Ich nach Ägypten floh, geschah, um die Schwachheit meiner Menschheit zu offenbaren, um die Weissagung zu erfüllen und um für die Zukünftigen ein Beispiel zu geben, indem zuweilen einer Verfolgung auszuweichen ist, weil daraus eine größere Verherrlichung Gottes erwachsen kann. Ich wurde aber von meinen Verfolgern nicht entdeckt, weil dies im Ratschluss Gottes lag, der mächtiger als die Anschläge eines Menschen ist, und weil es schwer ist, wider Gott zu streiten.

13. Die Ermordung der unschuldigen Kinder war ein Vorbild meines künftigen Leidens und Sterbens und ein Geheimnis sowohl der Berufung der Auserwählten als auch der göttlichen Liebe. Wenngleich Mir die Kinder nicht durch Wort und Mund Zeugnis geben konnten, so doch durch ihren Tod, wie dies meiner eigenen Unmündigkeit entsprach; denn es war von Ewigkeit vorhergesehen, dass selbst durch das Blut der Unschuldigen Gott die Ehre gegeben werden sollte. Obwohl es die Bosheit der Ungerechten war, welche die Unschuldigen so ungerecht gemartert hat, so war es doch meine göttliche, allzeit gerechte und gütige Zulassung, welche sie nicht anders als nach Gerechtigkeit der Marter preisgab, um die Bosheit der Menschen zu offenbaren wie auch die Unerforschlichkeit und Gütigkeit der Ratschlüsse Gottes. Wie darum an den unschuldigen Kindern die Bosheit der Ungerechtigkeit überschäumte, so wurde nach Gerechtigkeit an ihnen auch Gnade und Verdienst überfließend. Und wo weder die Zunge noch das Alter zu bekennen imstande war, da hat sich doch die Vergießung des Blutes das vollkommenste Gut reichlichst gewonnen.

14. Ich habe auch zugelassen, dass Ich gelästert werde. Warum Ich so gehandelt, will Ich beantworten. Es steht geschrieben, dass dem König David, da er der Verfolgung seines Sohnes auszuweichen suchte, ein Mann geflucht habe. Als seine Diener aber diesen Menschen töten wollten, wehrte ihnen David aus zweifachem Grunde: einmal, weil er hoffte, wieder zurückzukehren, und dann, weil er seine eigene Schwachheit und Sünde bedachte und Gottes Langmut und Güte gegen ihn und auch die Torheit des Fluchenden. David war ein Vorbild von Mir, der Ich von den Menschen, wie ein Herr von seinen Sklaven, durch Missetaten verfolgt und aus meinem Reich, d. i. aus den Seelen, vertrieben werde, die Ich erschaffen habe und die mein Reich bilden. Sie beschimpfen Mich auch als ungerecht im Urteil und lästern Mich um meiner Geduld willen. Allein Ich ertrage ihre Unweisheit, weil Ich sanftmütig bin; und als ihr Richter warte Ich auf ihre Bekehrung bis zum letzten Augenblick. Weil endlich der Mensch eher geneigt ist, dem Trug, als der Wahrheit Glauben zu schenken, da er mehr die Welt als Mich, seinen Herrn und Gott, liebt, darum ist es nicht zu verwundern, wenn der Böse in seiner Bosheit ertragen wird, auf dass er die Wahrheit erkennen lernen und von seiner Bosheit ablassen möge.

15. (5. int. 11) Meine Gottheit wollte Ich auf Erden nicht so offen zeigen, wie meine Menschheit; denn die Gottheit ist geistig, die Menschheit aber körperlich; doch waren Gottheit und Menschheit vom Anbeginn ihrer Vereinigung unzertrennlich in Mir und sind es in Ewigkeit. Die Gottheit ist unerschaffen; und alles, was ist, ist in ihr und ist durch sie erschaffen, und in ihr ist der Inbegriff aller Vollkommenheit und Schönheit. Wenn sich nun die Fülle dieser Schönheit und Vollkommenheit auf Erden hätte sichtbar machen wollen, wer hätte nur mit den trüben, irdischen Augen ihren Anblick auszuhalten vermocht? Oder wer ist auch nur imstande, in den vollen Glanz der erschaffenen körperlichen Sonne zu schauen? Oder wer erschrickt nicht beim Leuchten eines Blitzes und beim Schall des Donners? Wie viel größer aber wäre das Erschrecken, wenn sich der Herr der Blitze und der Schöpfer des Weltalls selber im Glanze seiner Majestät zeigen wollte!

Darum habe Ich aus zweifachem Grund meine Gottheit den Menschen nicht unverhüllt zeigen wollen: fürs erste wegen der Schwachheit des menschlichen Leibes, dessen Substanz eine irdische ist; denn würde ein Mensch mit leiblichen Augen die Gottheit erblicken, so würde er wie Wachs im Feuer zerfließen; die Seele aber würde in solcher Freude entbrennen, dass ihr Leib in Staub zerfallen müsste; fürs zweite aber wegen der Güte Gottes und ihrer unveränderlichen Beständigkeit. Denn hätte Ich den körperlichen Augen meine Gottheit gezeigt, die unvergleichlich strahlender ist als das Feuer und die Sonne, so hätte Ich wider Mich selbst gehandelt, der Ich gesprochen: "Kein Mensch wird Mich sehen und am Leben bleiben." Auch die Propheten sahen Mich nicht, wie Ich in der Natur meiner Gottheit bin; und selbst jene, die nur die Stimme meiner Gottheit hörten und den rauchenden Berg erblickten, riefen voll Schrecken: "Nur Moses rede zu uns, ihn wollen wir hören." Darum habe Ich Mich aus Barmherzigkeit dem Menschen, auf dass es ihm leichter würde, Mich zu hören, in einer ihm gleichförmigen Gestalt gezeigt, die leiblich berührt werden konnte, nämlich in meiner Menschheit, mit welcher die Gottheit vereinigt war, aber verhüllt, damit der Mensch nicht durch eine ihm ungleichartige Gestalt geschreckt würde. Denn da Ich als Gott nicht körperlich, auch nicht körperlich darstellbar bin, so wurde Ich durch die Annahme der Menschheit für die Menschen leichter zu ertragen, zu hören und anzusehen.

16. Auch meine Worte und meine Taten habe Ich nach der Fähigkeit und den Bedürfnissen der Menschen eingerichtet. Wie es der menschliche Leib nicht ertragen könnte, wenn er in einer Stunde auf einmal soviel Speise zu sich nehmen müsste, als er zu seinem Unterhalt für lange Jahre nötig hat, so reichte Ich dem Menschen meine Worte als die Nahrung seiner Seele, ähnlich, wie er seine Leibesnahrung zu sich nimmt, nach und nach und in Zwischenräumen. Wie die leibliche Speise gekaut, und gekaut nach den inneren Organen des Leibes geleitet wird, so brach Ich das Brot der Seele, meine Worte, nach dem Verständnis derer, die sie hören und durch sie voranschreiten sollten, damit sowohl die Hungernden empfängen, womit sie gesättigt, wie die Gesättigten, womit sie zu Höherem angelockt würden. Unter jenen, die Mich im Fleisch sahen, gab es solche, die Mir glaubten, und solche, die nicht glauben wollten. Für jene war es notwendig, dass sie allmählich, in Zwischenräumen, durch meine Worte unterwiesen, durch mein Beispiel aufgemuntert und durch meine Wunderwerke befestigt würden. Für die Ungläubigen aber war es billig, dass sie die Wirkung ihrer Bosheit offenbarten und dass sie, solange meine Gerechtigkeit es zuließ, geduldet wurden. Hätte Ich aber alle meine Werke auf einmal oder in sehr kurzer Frist und ohne Zwischenräume gewirkt, so wären Mir alle mehr aus Furcht als aus Liebe nachgefolgt. Und wie hätte dann das Geheimnis der Erlösung der Welt vollbracht werden können? Gleichwie darum im Anfang der Schöpfung der Welt alles nach bestimmten Stunden und in bestimmter Ordnung und Weise ins Dasein gerufen worden ist, obwohl alles, was erschaffen werden sollte, zugleich und ohne Vorher und Nachher im Vorherwissen Meiner Gottheit von Ewigkeit her enthalten war, so wollte Ich auch in meiner Menschheit alles nach weiser und bestimmter Ordnung vollenden, zum Heil und zur Unterweisung für alle.

17. Und so geschah auch das Wachstum meines Leibes nach der bestimmten Anzahl von Jahren und nicht auf einmal; denn der Heilige Geist, der ewig im Vater und in Mir, dem Sohn, ist, hatte den Propheten geoffenbart, was Ich bei meiner Ankunft im Fleisch werde zu vollbringen und zu leiden haben, weshalb es meiner Gottheit gefiel, dass Ich einen solchen Leib annehme, in welchem Ich Mich von früh bis spät und von Jahr zu Jahr bis zu meinem Tod aller Mühsal unterziehen könnte. Damit also die Worte der Propheten nicht inhaltslos erscheinen, nahm Ich, der Sohn Gottes, einen dem Adam ähnlichen, sündelosen Leib an, um denen gleichförmig zu sein, die Ich erlösen wollte, auf dass durch meine Liebe der von Gott abgefallene Mensch wieder zurückgebracht, der Tote wieder zum Leben erweckt und der Verkaufte wieder zurückgekauft würde.

18. Darum habe Ich auch nicht vor allen die Macht meiner Gottheit geoffenbart und augenfällig gezeigt, dass Ich der wahre Gott bin, als Ich am Kreuze rief: "Es ist vollbracht," denn alles, was von Mir geschrieben stand, musste in Erfüllung gehen. Und so habe Ich dies alles bis zum letzten Punkt erfüllt. Ebenso musste alles, was von meiner Auferstehung und meiner Himmelfahrt geweissagt worden war, seine Erfüllung finden. Hätte Ich aber bei meinem Tod die Macht meiner Gottheit offen gezeigt, wer hätte noch gewagt, Mich vom Kreuze abzunehmen und ins Grab zu legen? Es wäre für Mich etwas sehr Geringes gewesen, vom Kreuz herabzusteigen und meine Kreuziger niederzuschlagen; wie aber wäre dann die Weissagung erfüllt worden, oder wo wäre die Größe meiner Geduld gewesen? Und wäre Ich in Wirklichkeit vom Kreuz herabgestiegen, hätten dann alle geglaubt? Hätten sie nicht gesprochen: Ich handle aus zauberischer Kraft? Wenn sie schon daran Anstoß genommen hatten, dass Ich Tote erweckte, Kranke heilte, so hätten sie noch viel Ärgeres gesagt, wenn Ich vom Kreuze herabgestiegen wäre.

Und so ließ Ich Mich, als der Freie, gefangen nehmen, um die Gefangenen frei zu machen. Und, um die Schuldner auszulösen, blieb Ich, der Schuldlose, in standhafter Geduld am Kreuz. Und durch diese Standhaftigkeit habe Ich alles Unbeständige beharrlich und alles Schwache stark gemacht.

19. (5. int. 8) Warum Ich aber bis heute geschehen lasse, dass falsche Götzen in Tempeln aufgestellt werden und eine Ehre empfangen, die nur Mir gebührt, darauf antworte Ich: Ich, Gott, der Schöpfer Himmels und der Erde, übe gleiche Gerechtigkeit an den Bösen wie an den Guten, weil Ich die Gerechtigkeit selber bin. So ist es nach meiner Gerechtigkeit, dass niemand in den Himmel eingehen darf, außer durch festen Glauben, durch vernünftige Hoffnung und feurige Liebe. Alles aber, was das Herz des Menschen mehr und feuriger liebt als Gott, den Herrn, das ist auch der Gegenstand seiner häufigsten Gedanken und seines eifrigsten Dienstes. So ist es mit den Götzen, die in den Götzentempeln aufgestellt werden, obwohl sie keine Gottheiten sind und nichts zu erschaffen vermögen; denn es ist nur ein Herr und Schöpfer, der dreieinige Gott. Die falschen Götzen aber sind von ihren Dienern mehr geliebt als Ich, weil sie von ihnen zeitliches Glück erwarten und weil sie das Leben nicht wollen, das Ich ihnen geben kann. Würde Ich nun die Götzen vernichten, welche von ihren Dienern mehr als Ich geliebt sind, und wollte Ich diese gegen ihren Willen nötigen, Mich anzubeten, so würde Ich ihnen Unrecht tun, da Ich ihnen die Freiheit ihres Willens und der Wünsche ihres Herzens nehmen würde. Darum ist es meine gerechte Zulassung, dass sie, die an Mich nicht glauben wollen und deren Herz andere Dinge mehr als Mich begehrt, das auch äußerlich und im Werke darstellen, was sie im Herzen lieben und begehren. Und weil sie das Geschöpf (den Teufel) mehr als Mich, ihren Schöpfer, lieben, den sie aus seinen Zeichen und Werken wohl zu erkennen imstande wären, wenn sie nur ihre Vernunft gebrauchen wollten, darum ist, weil sie aus Schuld so verblendet sind, das Geschöpf verflucht, das sie Mir vorziehen, und verflucht ihre Götzen; sie selbst aber sollen beschämt und wegen ihrer Torheit verurteilt werden, weil sie nicht einsehen wollen, wie gütig Ich, ihr Herr und Gott, bin, der Ich aus höchster Liebe den Menschen erschaffen und erlöst habe.

20. Die Herrlichkeit meiner verklärten Menschheit mache Ich den Irdischen nicht sichtbar. Keine Zunge vermag sie auszusprechen, und an Süßigkeit und Güte ist sie unvergleichlich hoch über allem. Würde Ich darum meine Glorie einem sterblichen Menschen zeigen, wie sie ist, so würde sein vergänglicher Leib vor Schwäche vergehen. Auch die Augen der Apostel vermochten den Anblick meiner Glorie auf dem Berg Tabor nicht zu ertragen. Der Leib würde vor dem Übermaß der Geistesfreude von jeder Arbeit ablassen und würde auch zu körperlichen Übungen nicht mehr fähig sein. Weil aber ohne Liebeswerke der Eingang in den Himmel nicht gestattet wird, und damit der Glaube seinen Lohn empfange und der Leib zur Arbeit tauglich bleibe, darum halte Ich in der Zeit meine Glorie verborgen, damit der Glaube und das Verlangen nach ihr in der Ewigkeit eine um so höhere Belohnung und Erfüllung erlangen möge.

21. Auch die Glorie meiner Helligen mache Ich den Sterblichen nicht sichtbar; denn würden die Heiligen ihre Glorie unverhüllt den Irdischen zeigen und sichtbar mit ihnen reden, so würde ihnen die gleiche Ehre wie Mir selbst dargebracht werden; der Glaube wäre nicht mehr verdienstlich und die Gebrechlichkeit des Fleisches nicht imstande, ihren Anblick zu ertragen. Es kann aber auch meine Gerechtigkeit nicht zugeben, dass von dem so gebrechlichen Fleisch solche Klarheit geschaut werde. Darum werden meine Heiligen weder vernommen noch geschaut, wie sie sind, damit alle Ehre Mir zuteil werde und der Mensch wisse, dass niemand mehr als Ich zu lieben ist.

Wenn aber meine Heiligen einzelnen Menschen zuweilen erscheinen dürfen, so zeigen sie sich doch nicht in der Gestalt der Glorie, in der sie in Wirklichkeit sind, sondern in einer Gestalt, welche die Größe ihrer Schönheit verhüllt und es möglich macht, dass sie ohne Verwirrung von einem noch im Fleisch lebenden menschlichen Geist wahrgenommen werden.

22. Die Strafen der Hölle bleiben ebenfalls den Irdischen unsichtbar; denn würden Sie mit leiblichen Augen gesehen, wie sie sind, so würde der Mensch vor Schrecken erstarren und nach den himmlischen Freuden nur aus Furcht, nicht aus Liebe Verlangen tragen. Da aber nach der Seligkeit des Himmels nicht allein aus Furcht vor den Strafen der Hölle, sondern aus Liebe zu Gott zu streben ist, darum bleiben die Strafen der Hölle den irdischen Augen verborgen. Denn wie die Guten und die Heiligen die unaussprechliche Wonne des Himmels vor der Trennung der Seele vom Leibe nicht verkosten können, wie sie ist, so auch die Bösen nicht die Strafen der Hölle. Wenn aber ihre Seele vom Leib geschieden sein wird, dann werden sie durch die Erfahrung inne, wie schrecklich die Höllenpein ist, an welche sie nicht denken wollten, solange sie sich noch vor ihr hätten retten können.

Auch die bösen Geister dürfen sich den Menschen nicht in ihrer wahren Gestalt zeigen, denn ihre Hässlichkeit ist eine so furchtbare, dass durch den bloßen Anblick derselben ein Mensch von Sinnen käme, dass sein Leib in Konvulsionen fallen, das Herz wie leblos stillstehen und die Füße ihren Dienst versagen würden. Damit also der Mensch seiner Sinne mächtig bleibe und sein Herz wachsam in Liebe zu Mir erhalte, damit der Leib die Kraft nicht verliere, in meinem Dienste zu arbeiten, darum bleibt die Schreckgestalt der Teufel verborgen und dadurch ihre Bosheit und ihre Angriffe gezügelt.

4. Das neue Gesetz des Evangeliums

1. (1. c. 47) Ich bin derselbe Gott, der im alten Bund der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und Jakobs genannt wurde. Ich bin der Gott, welcher dem Moses das Gesetz gegeben. Dieses war gleich einem Gewand. Wie eine Mutter für ihr Kind, das sie noch unter dem Herzen trägt, im voraus ein Gewand bereitet, so hatte Gott zuerst das alte Gesetz bereitet, welches nur als Kleid der Schatten, das Vorbild dessen war, was erst künftig erfüllt werden sollte. Ich selbst kleidete und hüllte Mich in das Gewand des alten Gesetzes. Wie aber mit dem Wachstum eines Kindes das alte Kleid abgelegt und ein neues dafür genommen wird, so bekleidete auch Ich, nachdem Ich das alte Gesetz erfüllt und sein Gewand abgelegt hatte, Mich mit dem neuen Gewand, d. i. mit dem neuen Gesetz, und gab es allen, welche sich mit Mir in dasselbe kleiden wollten. Dieses neue Gewand ist weder zu eng, noch zu beschwerlich, sondern vollkommen passend für alle, in welchem Landstrich und unter welchen Verhältnissen sie immer leben mögen. Ich habe kein zu strenges Fasten noch Arbeiten bis zur Aufreibung noch Unmögliches zu vollbringen vorgeschrieben, sondern nur, was heilsam für die Seele und geeignet für Zügelung und Zucht des Leibes ist. Der Leib nämlich ist so sehr zur Sünde geneigt, dass er sich, wenn er nicht in Zucht gehalten wird, durch die Sünde selber aufreibt. Darum sind zwei Stücke im neuen Gesetz besonders berücksichtigt. Erstens das vernünftige Maßhalten und der geordnete Gebrauch alles dessen, was sich auf die Seele und den Leib bezieht. Zweitens die Leichtigkeit, das Gesetz zu erfüllen; denn, wer in einem Stück nicht zu bestehen vermag, vermag es in einem anderen. So ist dem, welcher nicht im jungfräulichen Stand verharren kann, der rechtmäßige Gebrauch der Ehe gestattet. Und wer fällt, kann sich auch wieder erheben.

Allein die Welt sträubt sich gegen das Gesetz und verachtet es. Sie nennt es zu streng, zu hart und zu unpassend. Zu streng, weil es befiehlt, sich mit dem Notwendigen zu begnügen und das überflüssige zu meiden. Die Weltkinder wollen aber wie unvernünftige Tiere alles im Übermaß haben und über die Bedürfnisse und Kräfte des Leibes hinaus. Darum erscheint ihnen das Gesetz zu streng. Sie nennen es auch zu hart, weil das Gesetz sagt, dass Freude und Erholung durch die Vernunft und durch die dafür bestimmte Zeit geregelt sein müsse. Sie aber wollen viel mehr, als ihnen zuträglich ist, und über die bestimmte Zeit hinaus. Sie nennen drittens das Gesetz unpassend, weil es befiehlt, die Demut zu üben und Gott in allem die Ehre zu geben. Sie aber wollen aus Stolz alles sich selber zuschreiben, was sie doch von Gott als Gaben seiner Güte empfangen haben, und wollen sich rühmen, als besäßen sie alles aus sich selbst. Und darum halten sie mein Gesetz als nicht passend für sie. Seht also, wie mein Gewand verachtet wird!

Zuerst habe ich das ganze alte Gesetz erfüllt; und dann erst fing Ich das neue an. Das alte war zu schwer, als dass es bis zu meiner Ankunft zum Gericht hätte in Dauer bleiben können. Sie aber werfen nun mit Verachtung das Gewand der Seele von sich, d. i. den wahren Glauben, und über dem häufen sie Sünde auf Sünde, weil sie Mich auch verraten wollen.

2. (4. c. 183) Auch Moses war ein Vorbild von Mir. Als er das Volk aus Ägypten führte, stand das Wasser des Meeres wie eine Mauer ihm zur Rechten und zur Linken. Gleichwie er sein Volk aus Ägypten herausgeführt hat, so habe Ich das christliche Volk aus der Gewalt des Pharao, d. i. des Teufels, befreit, indem Ich ihnen den Himmel aufschloss und den Weg bereitete, auf dem sie wandeln sollten. Dieser mein Weg führte auch zwischen den beiden Mauern des Meeres zur Rechten und zur Linken hindurch, welche nicht vorwärts noch rückwärts rückten, sondern gleichmäßig feststanden. Diese beiden Mauern bedeuteten die zwei Gesetze: das alte Gesetz, das nicht weiter vorrücken, und das neue, das nicht zurückweichen durfte. Zwischen diesen beiden Mauern, d. i. den beiden feststehenden Gesetzen, wandelte Ich meinen Weg zum Kreuz wie durch das Rote Meer, da mein ganzer Leib von meinem Blut gerötet und rot von ihm auch das gelbliche Holz des Kreuzes und rot die Lanzenspitze wurde. So erlöste Ich mein Volk aus seiner Gefangenschaft, auf dass es Mich lieben sollte.

5. Die Kirche und das Priestertum des Neuen Bundes. Das heiligste Sakrament des Altares

Worte der heiligsten Jungfrau

1. (4. c. 76) Ich will dir zeigen, welche Gottes Freunde sind. Jene sind es, die in der Furcht Gottes verharren, wenn sie von Gott Gaben empfangen, und dafür zu jeder Stunde Gott danken; welche nicht den Überfluss begehren, sondern mit dem Empfangenen zufrieden sind. Wo aber finden sich solche? Wer sagt noch: "Ich bin zufrieden und verlange mir nichts Größeres?" Wer spricht noch: "Die Güter, welche ich besitze, sind mir durch Erbschaft zugefallen, und ich gebrauche davon nur soviel, als ich zu mäßigem Unterhalt nach meinem Stand, wie es sich vor Gott und den Menschen geziemt, bedarf, das übrige gebe ich Gott und den Armen. Wüsste ich aber, dass mein Erbgut durch Ungerechtigkeit erworben sei, so würde ich den schuldigen Ersatz leisten oder nach dem Rat erleuchteter Diener Gottes ganz darauf verzichten." Eine solche Gesinnung, meine Tochter, ist eine Seltenheit auf Erden.

Sehen wir auf die Könige und Heerführer! Wer von ihnen hält seinen Stand so, dass er vor Gott zu bestehen vermag? Ein König hat in seinem Wandel zu sein: demütig wie Job, eifernd für Gottes Gebote wie David, sanftmütig wie Phinees und geduldig wie Moses. Ein Heerführer muss Gottvertrauen und Furcht Gottes besitzen wie Josue; mehr den Nutzen seines Herrn als den eigenen im Auge haben wie Joab; für das Gesetz Gottes eifern und das Wohlergehen des Nächsten lieben wie Makkabäus. Ein solcher Heerführer ist dem Einhorn gleich, das auf seiner Stirn ein spitziges Horn trägt und unter dem Horn einen kostbaren Stein. Das Horn des Heerführers aber ist sein mutiges Herz, um gegen die Feinde des Glaubens tapfer und siegreich zu streiten. Der Stein unter dem Horn des Heerführers ist die göttliche Liebe, welche beständig seinem Herzen einwohnt und ihn zu allem geschickt und unbesiegbar macht. Heute aber sind die Heerführer ähnlicher ausschweifenden Böcken als dem Einhorn, indem sie für das Fleisch, nicht für den Geist und für Gott streiten. Und wer von den Königen erstattet zurück, was die Krone mit Unrecht in Besitz genommen hat? Wer von ihnen müht sich ab, um für Gott die Gerechtigkeit zu handhaben? Wie viele endlich aus dem Klerus lieben die Enthaltsamkeit, die Armut, die Gottseligkeit, wie sie dazu verpflichtet sind? Sie sollen als Arme von den Almosen Gottes, d. i. vom Altare, leben und sollen um so demütiger und für Gott um so eifriger sein, je weniger sie sich mit weltlichen Sorgen abzugeben brauchen.

Darum hat auch die Kirche meines Sohnes unter Drangsalen und in Armut ihren Anfang genommen, auf dass Gott selbst das Erbe der Priester sei, und sie nicht des Erbes der Welt und des Fleisches, sondern sich allein des Erbes Gottes rühmen sollten. Hätte Gott nicht auch Könige und Heerführer zu seinen Aposteln auserwählen können, damit durch sie dann die Kirche mit irdischem Erbe bereichert worden wäre? Er hätte dies tun können; aber der reiche Gott kam arm in die Welt, um die Nichtigkeit der irdischen Güter zu zeigen und durch sein Beispiel die Menschen dahin zu führen, dass sie sich nicht der Armut schämten, sondern mit allem Eifer nach den wahren himmlischen Gütern trachteten. Darum begann mein Sohn sein herrlichstes Werk, die Gründung seiner Kirche, mit einem armen Fischer, den Er zu seinem Stellvertreter einsetzte, der ebenso wie sein Herr selbst nicht vom irdischen Erbe in dieser Welt leben sollte. So nahm die Kirche ihren Anfang aus drei geistlichen Gütern: aus der Stärke des Glaubens, aus der Armut und aus der Macht der Heiligkeit und der Wunder. All dies war im heiligen Petrus. Er besaß die Kraft des Glaubens, da er mit lauter Stimme seinen Herrn und Gott bekannte und den Tod für Ihn nicht scheute. Er übte die Armut, da er sich auf seinen Wanderungen von Almosen und der Hände Arbeit nährte. An geistlichen Gütern aber war er reich. Was ist größer, als einem Lahmgebornen, dem er Gold und Silber nicht zu schenken vermochte, den vollen Gebrauch seiner Glieder zu geben, was kein König zu geben vermöchte? Hätte aber Petrus, der Tote erweckt hat, sich nicht auch Gold verschaffen können, so er gewollt hätte? Er verschmähte es aber, sich mit der Last des Reichtums zu beschweren, um ungehindert in den Himmel einzugehen und um als der Lehrmeister der Schafe das Beispiel der Demut für alle zu geben, weil der Demut und der Armut, der geistlichen, wie der leiblichen, der Eingang in den Himmel offen steht. Es war in ihm auch die Kraft der Wunder, da, um von den anderen noch größeren Wundern zu schweigen, durch Petri Schatten die Kranken gesund wurden.

Und weil Petrus so vollkommen die Tugend der Armut übte und sich mit dem Notwendigsten begnügte, darum wurde seine Zunge der Schlüssel des Himmels und sein Name ist gebenedeit im Himmel und auf Erden.

Es wollte Gott aber auch offenbar machen, dass die Armut Petri und der anderen Heiligen nicht erzwungen, sondern freiwillig sei; darum bewegte Er die Herzen vieler Gläubigen zu reichlichen Gaben. Jene aber freuten sich viel mehr ihrer Armut, als der Dornen des Reichtums; und je mehr sie ihre Armut empfanden, um so reichlicher nahm ihre Gottseligkeit zu. Und kein Wunder, dass Gott denen nicht fern sein konnte, die ihren Teil und ihre Freude nur in Gott suchten. Solche aber, die nach den Genüssen der Welt Verlangen tragen, können die Süßigkeit Gottes nicht erfahren, da Er ein Fremdling in ihren Augen ist.

In späterer Zeit, wie unter Silvester und seinen Nachfolgern, wurden der Kirche zeitliche Besitztümer geschenkt, damit die Freunde Gottes um so eifriger und tauglicher für die Predigt des Wortes Gottes würden, und damit gezeigt würde, dass nicht der Reichtum an sich etwas Böses sei, sondern der Missbrauch desselben. Die an die Kirche gelangten Besitztümer haben heilige Männer lange Zeit hindurch nur zu ihrer und der Freunde Gottes Notdurft und zur Pflege der Armen verwendet.

Solche halte also für Freunde Gottes, welche mit seinen Fügungen zufrieden sind. Sind sie dir auch nicht näher bekannt, so doch um so mehr meinem Sohn. Er kennt sie wie die Goldadern in dem harten Metall oder den Funken im Kieselsteine. Auch mein Sohn hat, da Er im Fleisch weilte, Judäa nicht auf einmal bekehrt; und die Apostel nicht auf einmal die Heidenwelt. Die Werke Gottes brauchen lange Zeit zu ihrer Vollendung.

2. (4. c. 58) Worte Jesu Christi: Ich bin ähnlich einem Herrn, der nach treu im Land seiner Wanderschaft vollbrachtem Kampf mit Freuden in seine Heimat zurückkehrte. Dieser Herr besaß einen sehr großen Schatz, durch dessen Anblick kranke Augen geheilt, Trauernde getröstet, Kranke gesund und Tote zum Leben erweckt wurden. Damit aber dieser Schatz mit gebührender Ehre und in Sicherheit bewahrt würde, wurde ein großes, prächtiges Haus von entsprechender Höhe über dem Schatz erbaut, zu welchem siebzehn Stufen hinaufführten. Diesen so bewahrten Schatz übergab der Herr seinen Dienern, dass sie ihn bewachen, hüten und mit aller Treue rein erhalten sollten. Dadurch wollte der Herr seine Liebe zu den Dienern bewähren, sich aber auch überzeugen, weIche Treue sie ihm halten würden.

Im Lauf der Zeit aber wurde der Schatz immer weniger in Ehren gehalten. Das Haus über dem Schatz wurde immer seltener betreten, der Eifer der Wächter erlahmte, und die Liebe des Herrn ward wenig mehr geachtet. Da nun der Herr sich mit seinen Hausgenossen beriet, was gegen solchen Undank zu geschehen habe, gab ihm einer derselben zur Antwort: "Es steht geschrieben, säumige Richter und Hüter des Volkes sollen in der Mittagssonne aufgehängt werden! Bei dir aber ist Barmherzigkeit und das Gericht, der du aller verschonst. Dir gehört alles, und du erbarmest Dich aller. "

Jener Herr bedeutet Mich selbst, der Ich wie ein Fremdling in meiner Menschheit auf Erden erschien, obwohl Ich in meiner Gottheit der Allmächtige bin im Himmel wie auf Erden. Ich hatte auch auf Erden einen so heftigen Kampf zu bestehen, dass für die Rettung der Seelen die Nerven meiner Hände und Füße zerrissen wurden. Im Begriff, die Welt wieder zu verlassen und zum Himmel aufzusteigen, dem Ich nach meiner Gottheit nie fern gewesen, hinterließ Ich der Welt das würdigste Andenken, meinen allerheiligsten Leib, auf dass, wie der alte Bund der Arche sich mit dem Manna, den Gesetztafeln und anderem Heiligtum rühmen durfte, so auch die erlöste Menschheit sich des neuen Gesetzes erfreuen sollte, und zwar nicht wie der alte Bund nur des Schattens, sondern der Erfüllung, d. i. meines gekreuzigten Leibes, welcher im alten Gesetz nur im Vorbild war. Und damit dieser mein Leib die ihm gebührende Verherrlichung und Ehre empfange, gründete Ich das Haus der heiligen Kirche, damit er hier bewahrt und in Ehren gehalten werde. Die Priester aber bestellte Ich zu seinen besondern Hütern, welche durch dieses ihr Amt über den Engeln stehen; denn sie dürfen mit Hand und Mund den Herrn berühren, welchen selbst die Engel aus Ehrfurcht und heiliger Scheu nicht anzurühren wagen.

Die Priester habe Ich ferner mit siebenfacher Würde ausgezeichnet, zu der sie auf sieben Stufen aufsteigen. Sie sollen fürs erste meine Bannerträger und die Mir nächsten Freunde sein durch die Reinheit der Seele und des Leibes; denn der Reinheit gebührt die erste Stelle bei Gott, dem nichts Unreines nahekommen darf. War auch den Priestern des alten Gesetzes der Gebrauch der Ehe für die Zeit gestattet, da sie nicht zum Opferdienst im Tempel zu erscheinen hatten, so ist dies nicht zu verwundern, da sie nur die Schale, nicht den Kern besaßen. Jetzt aber, da die Erfüllung gekommen und der Schatten gewichen ist, ist die Reinheit auf das Höchste zu pflegen und zwar um so vollkommener, je süßer der Kern als die Schale ist. Und zum Zeichen dieser Enthaltsamkeit empfängt der Priester zuerst die Tonsur, damit die Lust weder über Seele noch Leib eine Herrschaft gewinne.

Zur zweiten Stufe steigen die Kleriker auf, damit sie an Demut den Engeln gleich werden; denn die Demut des Herzens und des Leibes dringt zum Himmel und wird Sieger über den stolzen Teufel. Durch die Demut (und die Taufe) empfangen die Kleriker (und glaubenden Christen) die Gewalt, die Teufel auszutreiben; denn durch die Demut vermag sich der Mensch zum Himmel zu erheben, aus welchem der in Stolz sich aufblasende Teufel herabgestürzt ist. Zur dritten Stufe steigen die Geistlichen auf, um durch beständige Lesung der Heiligen Schrift die Jünger Gottes zu werden. Darum übergibt der Bischof ihren Händen das Buch, als ihr geistliches Schwert, auf dass sie ihre Verpflichtungen kennenlernen und durch Gebet und Betrachtung den Zorn Gottes über sein Volk besänftigen.

Auf der vierten Stufe werden die Kleriker zu Wächtern des Tempels Gottes und zu Hütern der Seelen bestellt. Darum empfangen sie vom Bischof die Schlüssel, auf dass sie mit Eifer für das Heil der Brüder sorgen und durch Wort und Beispiel den Schwachen zum Antrieb und zur Förderung in der Vollkommenheit werden.

Auf der fünften Stufe werden sie zum Dienst des Altars und zu dessen Pflege bestellt, auf dass sie in Verzicht auf weltliche Dinge vom Altare leben, dessen Dienst sie sich weihen und mit irdischen Angelegenheiten sich nur soweit befassen, als der Dienst am Altar es erfordert.

Auf die sechste Stufe werden sie berufen, um als apostolische Männer die Wahrheit des Evangeliums zu predigen und ihren ganzen Wandel den Worten, welche sie verkünden, gleichförmig zu machen.

Auf der siebenten Stufe endlich stehen sie als die Mittler zwischen Gott und den Menschen durch die Opferung meines Leibes, und auf dieser Stufe übersteigt ihre Würde die der Engel.

Nun aber muss Ich klagen, dass die sieben Stufen verwüstet sind; denn der Stolz ist mehr geliebt als die Demut; die Unreinigkeit mehr geübt als die Reinheit; die Lesung der Heiligen Schrift Gottes weniger beobachtet als die der weltlichen Bücher. Am Altar wird die Vernachlässigung sichtbar, und die Weisheit Gottes gilt für Torheit. Für das Heil der Seelen wird nicht gesorgt.

Und nicht genug! Auch meine Kleider werden weggelegt, und meine Waffen sind verachtet. Ich selber habe auf dem Berg dem Moses die Gewänder gezeigt, deren sich die Priester des Gesetzes bedienen sollten; nicht als ob in der himmlischen Wohnung Gottes Kleiderstoffe im Gebrauch wären, sondern weil die Menschen das unsichtbare Geistige nur durch sichtbare Sinnbilder zu fassen imstande sind. Darum habe Ich das Geistige durch sinnlich wahrnehmbare Formen und Bilder erklärt, damit die Priester des neuen Gesetzes erkennen möchten, welche Ehrfurcht und welche Reinheit von ihnen gefordert werde, da sie die Wahrheit und Erfüllung, meinen Leib selber, empfangen haben, wenn schon jene zu so großer Reinheit und Ehrerbietung von Mir verpflichtet worden waren, welche nur den Schatten und das Vorbild empfangen hatten!

Warum also habe Ich dem Moses die so hohe Schönheit der Priestergewänder in körperlichen Formen geoffenbart? Aus keinem andern Grunde, als dass dadurch versinnbildet und erlernt würde, mit welchem Schmuck und mit welcher Schönheit die Seelen der Priester bekleidet sein müssen. Gleichwie die Kleidung des Priesters eine siebenfache ist, so muss auch die Seele dessen, der dem Sakrament meines Leibes sich nahen darf, im Gewand siebenfacher Tugenden erscheinen, ohne welche für sie kein Heil ist. Das erste Gewand der Seele eines Priesters ist darum die Reue und die Beichte. Mit diesem Gewand bedeckt er sein Haupt. Das zweite ist die Liebe zu Gott und die Liebe zur Keuschheit; das dritte der Eifer und die Anstrengung für Gottes Ehre und die Geduld in Widerwärtigkeiten; das vierte ist die Gleichgültigkeit gegen Lob und Schmähungen von Seiten der Menschen, mit dem einzigen Verlangen, vor dem Auge Gottes bestehen zu können; das fünfte ist die Enthaltsamkeit und die Abtötung bei wahrer Demut des Herzens; das sechste die beständige Danksagung für die Wohltaten Gottes und die Furcht vor seinen Gerichten; das siebente endlich die Liebe Gottes über alles und die Beharrlichkeit in den angefangenen guten Werken.

Diese Gewänder aber sind mit andern vertauscht und in Verachtung. Dem aufrichtigen, reuevollen Bekenntnis wird die Entschuldigung und Selbstrechtfertigung vorgezogen, der Keuschheit die Verkleinerung der Schuld und die Anhänglichkeit an ungeziemende Unterhaltungen, dem Seeleneifer die Sorge um den Leib, der Ehre Gottes und der Liebe zu Ihm die Sucht nach weltlicher Ehre und der Stolz, der Sparsamkeit und Mäßigkeit der Überfluss in allen Dingen, der Furcht Gottes die Vermessenheit und das Richten über die Urteile Gottes, der Liebe Gottes über alles der Undank des Klerus über alle. Darum werde Ich, wie Ich durch meinen Propheten (Jes 28) gedroht, im Zorn kommen, und die Trübsal wird sie zur Einsicht bringen.

Worte der Heiligsten Jungfrau: Hochgelobt seist Du, mein Sohn! In deiner Gottheit hast Du, lange vor der Annahme deiner Menschheit aus Mir, gesprochen, dass Du, wenn sich nur zehn Gerechte in der Stadt fänden, um dieser Zehn willen die Stadt verschonen würdest. Nun aber sind es doch noch unzählige Priester, welche Dich durch die Opferung deines Leibes besänftigen. Um dieser also wolle Dich jener erbarmen, welche nur geringe Tugend besitzen. Und für sie bitten mit Mir, deiner Gebärerin, auch alle deine AuserwähIten.

Jesus erwidert: Gebenedeit seist Du und das Wort deines Mundes! Du siehst, dass Ich dreifach verschone um des dreifachen Gutes willen, welches die Opferung meines Leibes in sich schließt. Wie durch die Vermessenheit des Judas eine dreifache Güte an Mir offenbar wurde, so entspringt aus dem heiligen Messopfer ein dreifacher Quell der Segnung für die Seelen. Es wird meine Geduld verherrlicht, in der Ich den Judas ertrug und nicht verschmähte, mit ihm umzugehen, obwohl Ich wußte, dass er Mich verraten werde. Fürs zweite wurde meine Allmacht offenbar, da bei dem Herannahen des Judas mit den Henkersknechten diese alle auf ein Wort von Mir zu Boden fielen. Fürs dritte wandelte Ich seine Bosheit und die des Teufels zum Heil der Seelen, und so wurde meine Weisheit und Liebe offenbar. In gleicher Weise entspringt aus der Opferung meines Leibes durch die Priester ein dreifaches Gut. Fürs erste lobpreisen alle himmlischen Heerscharen meine Langmut und Geduld, indem Ich derselbe bin auf den Händen eines guten wie eines schlechten Priesters, da vor Mir kein Ansehen der Person gilt und dieses Sakrament nicht durch die Verdienste eines Menschen, sondern durch meine Worte gewirkt wird; zweitens weil dieses Opfer allen zum Heil gereicht, von welchem Priester es immer dargebracht wird; drittens weil es auch für die Opfernden selber, mögen sie auch noch so böse sein, nicht ohne Segen bleibt; denn wie auf das eine Wort von Mir: "Ich bin es" die Schergen zu Boden stürzten, so müssen auch bei dem Aussprechen meiner Konsekrationsworte die bösen Geister ablassen, die Seelen der Opfernden zu versuchen; und sie würden es gar nicht wagen, mit so großer Frechheit wieder zurückzukehren, wenn sich nicht die Neigung zur Sünde so bald wieder in den Priestern geltend machen würde. So verschont meine Barmherzigkeit alle und erträgt alle mit Langmut; aber meine Gerechtigkeit ruft nach Rache. Und dass Ich täglich rufe, und wie viele Mir antworten, das siehst du jeden Tag.

Doch will Ich noch einmal Worte meines Mundes aussenden! Jene, welche sie hören und befolgen werden, sollen das Ziel und Ende ihrer Lebenstage dort erreichen, wo die Süßigkeit der Freude unbegreiflich und unaussprechlich ist. Über jene aber, welche sie nicht hören wollen, werden die sieben Plagen an Leib und Seele kommen, von denen geschrieben steht (Offb 15). Wollen sie aber diese Plagen betrachten und lesen, was von ihrer Vollführung geschrieben ist, dann können sie noch den Ausweg finden, um nicht zu ihrem Entsetzen von denselben ereilt zu werden.

3. (4. c. 61 u. 63) Als eines Tages der heiligen Birgitta der böse Feind erschien und Lästerungen gegen das heiligste Altarsakrament ausstieß, flehte sie zu ihrem himmlischen Bräutigam mit den Worten: "O mein Herr Jesus Christus, ich sage Dir Dank im besonderen für die dreifache Gnade, dass Du meine Seele in das Gewand der Buße und Zerknirschung kleidest, durch welche auch die größte Sünde wieder getilgt werden kann; dass Du sie mit süßester Nahrung speisest durch Eingießung deiner Liebe und des Andenkens an dein bitteres Leiden und dass Du alle tröstest, die aus ihren Nöten zu Dir rufen. Darum erbarme Dich meiner und hilf meinem Glauben! Wiewohl ich es wert bin, den Blendwerken des bösen Feindes anheimzufallen; so glaube ich doch fest, dass er ohne deine Zulassung nichts vermag; und auch deine Zulassung ist nicht ohne Trost."

Darauf erschien ihr der göttliche Heiland selbst und befahl dem Teufel, in Gegenwart der Heiligen die Fragen zu beantworten, die Er ihm vorlegen werde, damit er gezwungen sei, der Wahrheit Zeugnis zu geben.

"Gib Antwort," sprach der Herr, "auf das, was Ich dich frage! Die Heilige Schrift erzählt, dass vor dem Volk eine eherne Schlange aufgerichtet wurde, bei deren Anblick die von den Schlangen Gebissenen wieder gesund wurden. Woher nun kam diese Kraft? Kam sie aus der Stärke des Erzes oder aus dem Bild der Schlange oder aus der Güte des Moses oder aus der unsichtbaren Macht Gottes?" Der Teufel antwortete: "Diese Kraft zur Heilung kam von nichts anderem als allein von der nur Gott eigenen Macht und Stärke; und das Volk empfing dIe Heilung mittels seines Glaubens und Gehorsams, indem es fest vertraute, dass Gott, wie Er alles aus dem Nichts erschaffen, so auch alles machen könne, was zuvor nicht da gewesen."

Zweite Frage: "Geschah die Verwandlung des Stabes in eine Schlange auf das Gebot des Moses oder auf Befehl Gottes? Geschah sie, weil Moses ein Heiliger war oder weil das Wort Gottes die Verwandlung befahl?" Antwort: "Aus sich selbst war Moses nur ein schwacher Mensch, ein Gerechter aber war er durch Gott; auf Moses Wort, das Gott ihm befohlen und in den Mund gelegt, ist der Stab zur Schlange geworden, indem in Wahrheit Gott der Befehlende. Moses nur der gehorchende Diener war. Vor dem Gebot und dem Wort Gottes war der Stab ein Stab; als aber Gott es befahl, wurde der Stab eine Schlange, so dass selbst Moses vor ihr in Furcht geriet."

Nun sprach der Herr zu Birgitta: Das gleiche geschieht noch heute auf meinem Altar; denn bevor die Konsekrationsworte gesprochen werden, ist die auf dem Altar liegende Hostie nur Brot. Sobald aber die Konsekrationsworte gesprochen werden, wird das Brot mein Leib, den die Guten wie die Bösen empfangen und berühren und ebenso einer wie Tausende in derselben Wirklichkeit und Wahrheit, nicht aber mit der gleichen Wirkung. Denn der Gute genießt ihn zum Leben, der Böse aber zu seinem Gericht. Es ist aber eine arge Lüge des Satans, wenn er dir gesagt hat, dass Gott durch die Unreinigkeit eines konsekrierenden Priesters selbst verunreinigt werde. Er wird so wenig dadurch verunreinigt, als ein Herr durch den Aussatz des Dieners, dem er seine Schlüssel anvertraut, oder so wenig, als ein Gesunder davon krank wird, wenn ihm ein Saft aus kräftigen Kräutern von einem Kranken dargeboten wird; denn die Kraft der Kräuter bleibt immer die gleiche, mag wer immer ihren Saft zum Trinken reichen. In gleicher Weise wird Gott durch die Bosheit eines schlechten Dieners so wenig böse, als Er durch die Güte eines guten noch besser wird; denn Er ist unveränderlich immer Derselbe.

Wenn aber ein Priester im Stande der Todsünde konsekriert und nach dem "Agnus Dei" meinen Leib genießt, dann weicht von ihm die Macht des Vaters, und es verlässt ihn die süßeste Gegenwart des Sohnes; und hat er die geistlichen Gewänder abgelegt, dann weicht von ihm die Gütigkeit des Heiligen Geistes, welcher das Band der Vereinigung ist, und es bleibt ihm nur die Gestalt und die Erinnerung an das Brot. Du darfst dabei aber nicht denken, als hätte ein solcher Gott nicht empfangen, sondern es weicht Gott insofern von ihm, dass Er ihm keine Erhebung und Tröstung des Herzens eingießt. Er bleibt aber, indem Er ihn erträgt und vor dem Teufel beschirmt. Du aber stehe fest im Glauben, wenn auch der Böse dich wieder beunruhigen sollte; denn du besitzest im Glauben die untrügliche Gewissheit, dass dieser mein Leib, der auf dem Altar liegt und den Gute und Böse empfangen, derselbe ist, den Ich aus dem Schoß der Jungfrau angenommen, der gekreuzigt worden und glorreich in den Himmel aufgefahren ist. Gleichwie Ich Mich meinen Jüngern in Emmaus unter einer fremden Gestalt gezeigt habe, obwohl Ich als wahrer Gott und wahrer Mensch durch die verschlossene Tür zu meinen Aposteln eingetreten bin, so zeige Ich Mich auch meinen Priestern unter fremder Gestalt (des Brotes), damit der Glaube um so verdienstlicher und der Undank der Menschen um so offenkundiger werde. Ich bin heute Derselbe wie damals, wo Ich die Allmacht meiner Gottheit durch schreckliche Zeichen geoffenbart habe, die Menschen aber doch sagten: machen wir uns andere Götter, die uns voranziehen sollen (Ex 32, 1). Den Juden habe Ich Mich auch in Erniedrigung und Demut gezeigt; und doch schlugen sie Mich ans Kreuz. So bin Ich auch Tag für Tag auf dem Altar; allein wie sprechen die Undankbaren? "Das Brot wird uns zum Ekel, die Speise zur Versuchung." Kann es noch einen größeren Undank und größere Vermessenheit geben, als den unendlichen, unbegreiflichen Gott mit dem schwachen menschlichen Verstand begreifen und seine verborgenen Ratschlüsse und die Geheimnisse, die Er in seiner eigenen Hand beschlossen hält, richten zu wollen? Darum will Ich den Einfältigen und den Demütigen durch die unsichtbare Wirkung und durch die sichtbare Gestalt zu erkennen geben, was die sichtbare Gestalt des Brotes ohne Brot und ohne Brotsubstanz bedeutet; und was die Substanz unter der Gestalt, was die Brechung der Gestalt ohne Brechung der Substanz ist, und warum Ich so große Beschwernisse und Verunehrungen in meinem Leib ertrage, damit die Demütigen erhöht, die Stolzen aber beschämt werden.

4. Später erschien der Teufel wiederum vor Birgitta und sprach: Lass ab, an dem Unglaublichen festzuhalten, und halte nur das für wahr, was die Sinne dir zeigen! Siehst du nicht mit deinen Augen und hörst du denn nicht mit deinen Ohren schon am Brechen der Hostie, dass sie nur ein gewöhnliches Brot ist? Und hast du nie gesehen, dass dieselbe schon erbrochen zur Erde geworfen und auf mannigfache Weise noch verunehrt wurde, was ich an mir nicht geschehen lassen würde? Und wäre es am Ende möglich, dass Gott im Mund eines Gerechten wäre, so ist Er doch unmöglich im Munde der Ungerechten, deren Habsucht unersättlich ist. Auf das Gebet der Heiligen erschien ihr auch jetzt der Herr Jesus Christus und sprach zum Teufel: "Warum versuchst du meine Braut?" Der Teufel antwortete: "Weil ich hoffe, sie noch in mein Netz zu bekommen. Ich beobachte sie auf allen Wegen." "So bist du also ein Spion?" Antwort: "Ich bin es, aber im Finstern, denn Du hast mich der Finsternis übergeben." Frage: Wie lange bist du sehend gewesen, und wie bist du verfinstert worden?

Antwort: Ich war sehend, als Du mich in höchster Schönheit erschaffen hast; aber weil ich mich aus Torheit wider den Abglanz deiner Herrlichkeit empört habe, erblindete ich wie ein Basilisk vor diesem Glanze. Ich sah Dich, als ich nach deiner Schönheit begehrte. Ich erkannte Dich in meinem Gewissen, als Du mich in den Abgrund geworfen hast. Ich erkannte Dich im Gewand deiner Menschheit und tat, was deine Zulassung mir zu tun nicht verwehrte. Ich erkannte Dich, als Du bei deiner Auferstehung die von mir gefangen Gehaltenen befreit hast. Ich erfahre täglich deine Macht, in der Du meiner spottest und mich beschämst.

Frage: Wenn du Mich also kennst und die Wahrheit von Mir weißt, warum belügst du meine Auserwählten über Mich gerade in jenen Punkten deren Wahrheit du kennst? Habe Ich nicht gesagt, dass, wer mein Fleisch esse, ewig leben werde? Du aber nennst dies eine Lüge und sagst, dass niemand mein Fleisch genieße. Und so wäre also nach deinen Worten mein Volk noch in ärgerem Götzendienst als jene, die Holz und Steine anbeten. Nun aber befehle Ich dir, der Ich allwissend bin, dass du um Birgitta willen Mir Antwort gebest. Als Thomas nach meiner Auferstehung meinen Leib berühren durfte, war dieser mein Leib nur ein geistiger oder ein körperlicher? Und wenn ein körperlicher, wie ging er durch die verschlossene Tür? Und wenn nur ein geistiger, wie konnte er dann mit leiblichen Augen gesehen werden?

Antwort: Es ist schwer, Rede zu stehen, wo der Sprechende allen verdächtig und gezwungen ist, die Wahrheit zu sagen. Aber weil ich gezwungen bin, so muss ich bekennen: Der Leib, in welchem Du auferstanden bist, war geistig und körperlich; darum vermagst Du in der ewigen Macht deiner Gottheit und wegen des Vorzuges der Vergeistigung deines verklärten Leibes überall einzugehen und überall zu sein.

Frage: Wurde der Stab des Moses bei seiner Verwandlung in eine Schlange nur äußerlich die Figur einer Schlange, oder war er innerlich wie äußerlich eine wirkliche Schlange? Oder war das Brot in den sieben Körben, d. i. die übrig gebliebenen Stücke, ein wahres und wirkliches Brot, oder hatte es nur das Aussehen eines Brotes?

Antwort: Das Ganze des Stabes wurde zur Schlange; der ganze Inhalt der Körbe war ein wahres und wirkliches Brot. Und dies alles geschah durch deine Macht und Stärke.

Frage: Sollte es für Mich aber jetzt schwerer sein, ein ähnliches, oder so es Mir gefällt, ein noch größeres Wunder zu wirken als damals? Und wenn mein verklärter Leib vermocht hatte, durch die verschlossenen Türen zu den Aposteln einzugehen, warum sollte er nun heute nicht mehr vermögen, auf den Händen der Priester zu sein. Oder kostet es meiner Gottheit etwa Mühe und Anstrengung, um das Niederste mit dem Höchsten, das Irdische mit dem Himmlischen zu verbinden? Gewiss nicht. Du aber redest als der Vater der Lüge; und ist deine Bosheit die größte, so ist doch meine Liebe unendlich größer und erstreckt sich über alle. Denn sollte auch einer mein Sakrament in das Feuer, ein anderer auf den Boden werfen, so weiß doch nur Ich, was der Glaube aller ist, und Ich ordne alles nach Maß und nach meiner Langmut. Ich bin es, der Ich aus dem Nichts etwas und aus dem Sichtbaren das Unsichtbare hervorbringe, der Ich unter einem Zeichen und unter einer Gestalt etwas sichtbar zeige, das in Wahrheit etwas anderes ist, als von dem äußeren Zeichen angedeutet wird, oder als was es äußerlich erscheint.

Antwort: Die Wahrheit dieser Sache erfahre ich täglich, sooft Menschen, welche zu mir hielten, von mir abfallen und deine Freunde werden. Doch was soll ich weiter reden, der sich selbst überlassene Sklave, dessen Wille deutlich genug erkennen lässt, was er durch die Tat vollbringen würde, wenn es ihm gestattet wäre.

Worte Jesu Christi: Halte fest, meine Tochter, dass Ich der Erlöser, der Wiederbringer des Lebens, der Wahrhaftige, ja die Wahrheit selbst und die ewige Allmacht bin, durch welche alles ist und außer welcher nichts war und sein wird. Denn wenn du glaubst, dass Ich in des Priesters Händen bin, so wiederhole und beteuere Ich, dass, wenn auch der Priester daran zweifeln sollte, Ich doch um der Treue der Glaubenden und der Anwesenden willen wahrhaftig in seinen Händen bin, und zwar in Kraft der Konsekrationsworte, welche Ich persönlich ausgesprochen habe. Und ein jeder, der Mich empfängt, empfängt unter der Gestalt des Brotes meine Gottheit und Menschheit. Was ist meine Gottheit, wenn nicht das Leben, die Süßigkeit, das Licht, das erleuchtet, die Güte, die beseligt, die Gerechtigkeit, welche richtet, die Barmherzigkeit, welche rettet? Was aber ist meine Menschheit, wenn nicht mein glorifizierter Leib, die Vereinigung der Gottheit und Menschheit, das Haupt aller Gläubigen? Jeder also, der an meine Gottheit glaubt und meinen Leib empfängt, empfängt meine Gottheit; denn er empfängt das Leben. Er empfängt auch meine Menschheit, in welcher Gott und Mensch in einer Person vereinigt sind. Er empfängt auch die Gestalt des Brotes, unter welcher, als unter einer fremden Gestalt, zur Mehrung des Verdienstes des Glaubens, die wahre und eigentliche Gestalt des Verborgenen enthalten ist.

In gleicher Weise empfängt auch der Böse dieselbe Gottheit, aber als die richtende, nicht als die verschonende, er empfängt auch die Menschheit, aber nicht als die ihm gnädige. Er empfängt auch die Brotsgestalt; denn unter der sichtbaren Gestalt empfängt er die unter ihr verborgene, lebendige Wahrheit, deren Süßigkeit er aber nicht zu kosten bekommt. Denn sobald sein Mund Mich berührt und das Sakrament gespendet ist, da weiche Ich mit Gottheit und Menschheit von ihm zurück, und die Gestalt allein bleibt zurück; nicht als wäre Ich in Kraft der Einsetzung des Sakramentes für die Bösen nicht ebenso wie für die Guten wahrhaftig zugegen; aber die Wirkung meines Sakramentes ist eine andere für die Guten, eine andere für die Bösen. Endlich wird im Sakrament dem Menschen das Leben, d. i. Gott selbst gereicht, und als das Leben geht Er in den Menschen ein; doch bleibt Er nicht bei den Bösen, die von der Sünde nicht lassen wollen; und so bleibt für die Sinne derselben nur die Gestalt des Brotes allein. Doch nicht so, als hätte diese Gestalt, welche nur ein Akzidens der Brotsubstanz ist, für sie irgendwelche Wirkung; sondern weil sie beim Empfang des Sakramentes an nichts weiter denken als nur an das, was ihnen die Sinne des Gesichts und des Geschmacks zeigen. Es ist bei ihnen geradeso, als kehre ein mächtiger Herr in einem Hause ein, dessen Besitzer sich zwar der äußeren Figur dieses Herrn erinnerte, aber die Gegenwart seiner Güte ganz und gar vergäße.

6. Der Verrat am heiligsten Sakrament

1. (3. c. 133) Höret es, meine Engel und das ganze Heer meiner Heiligen! Die Priester habe Ich Mir vor allen Engeln und Gerechten auserwählt und ihnen die Vollmacht erteilt, das Sakrament meines Leibes zu verwalten. lch habe sie Mir zu näheren und vertrauteren Freunden erwählt als die Propheten; denn sie vernehmen nicht bloß meine Worte, sondern sie dürfen Mich mit ihren Händen berühren, was keiner der Propheten oder der Engel je durfte. Wäre es mein Wille gewesen, so hätte Ich wohl auch einen Engel zu diesem Amt erlesen können; allein meine Liebe zu den Priestern war so groß, dass Ich nur ihnen allein diese Auszeichnung verliehen und verordnet habe, dass sie in sieben Ordnungen vor Mir stehen: geduldig wie die Schafe; unerschüttert wie eine Mauer auf gutem Grund; beherzt wie Krieger; klug wie die Schlangen; schamhaft wie eine Jungfrau; rein wie Engel; liebebrennend wie Braut und Bräutigam.

Die priesterlichen Gewänder sind die Zeichen oder Sinnbilder der Zierden und Tugenden, mit denen die Seelen der Priester geschmückt sein müssen und durch welche sie mächtig sind, den Teufel zu überwinden.

Ich gab den Priestern eine fünffache Vollmacht: die Vollmacht, zu binden und zu lösen im Himmel und auf Erden. Ich gab ihnen die Befähigung, Mir aus dem schlimmsten Feind einen Freund, aus einem Teufel einen Engel zu machen. Ich gab ihnen die Vollmacht, meine Worte zu predigen, die Vollmacht zu konsekrieren, was kein Engel zu tun vermag; endlich die Vollmacht über meinen Leib, den keiner aus euch, so er vor ihm liegen würde, zu berühren wagte. Und doch werde Ich von so vielen aus ihnen verraten!

2. (c. 47) David gebraucht in seinem Psalm (41,10) die Worte: "Der mein Brot aß, gedachte Mich zu verraten." David sagt nicht: "er gedenkt," sondern "er gedachte," als wäre der Verrat schon gewesen. Er bezeichnet auch nur einen einzigen als den Verräter. Ich aber sage, dass Ich unter meinen Verrätern solche verstehe, welche heutzutage leben; nicht jene, die früher gelebt haben oder erst künftig leben werden, sondern die gegenwärtig am Leben sind. Es sind ihrer nicht ein einziger nur, sondern gar viele.

Du fragst Mich aber: Sind es denn nicht zweierlei Brote: ein unsichtbares und geistiges, von dem die Engel und Heiligen im Himmel leben, und ein irdisches, mit dem sich die Menschen auf Erden nähren? Die Engel und die Heiligen im Himmel aber, fährst du fort, wollen nichts anderes, als was nach deinem Willen ist; die Menschen auf Erden aber vermögen mehr nicht, als was Du ihnen gestattest; wie kann also von einem Verrat die Rede sein? Ich antworte dir angesichts meiner himmlischen Heerscharen, die alles in Mir schauen und erkennen: Ja, es gibt ein zweifaches Brot: ein Brot der Engel, welches sie im Reich der Himmel genießen, um von meiner unaussprechlichen Herrlichkeit gesättigt zu werden; diese aber verraten Mich nicht, weil sie nur wollen, was Ich will. Jene aber verraten Mich, die mein Brot am Altare genießen. Ich selbst bin in Wahrheit dieses Brot. An diesem Brot wird Dreierlei von den Sinnen wahrgenommen: die Gestalt, der Geschmack, die Rundung; denn Ich selber habe auch an Mir diese drei Eigenschaften: den Geschmack, die Gestalt, die Rundung. Den Geschmack: wie ohne das Brot jede andere Speise unschmackhaft und kraftlos ist, so ist auch ohne Mich alles, was immer es sein mag, geschmacklos und ganz und gar kraftlos und nichtig. Ich habe auch die Gestalt des Brotes, da meine Menschheit von der Erde stammt, d. i. aus meiner jungfräulichen Mutter, der Tochter Adams, der aus der Erde war gebildet worden. Ich habe auch die Rundung, an weIcher Anfang und Ende nicht zu entdecken ist; denn Ich bin ohne Anfang und Ende. Niemand vermag in meiner Weisheit, Macht und Liebe Anfang und Ende zu erkennen oder zu finden. Ich bin in allem, über allem und außer allem; und würde jemand rasch wie ein Pfeil ohne Unterbrechung durch alle Ewigkeit fliegen, er würde doch nie die Grenze noch die Tiefe meiner Macht und Stärke erreichen.

Um dieser drei Eigenschaften, des Geschmackes, der Figur, der Rundung willen bin Ich jenes Brot, das als Brot auf dem Altar mit den Sinnen gesehen und empfunden wird, das aber in meinen Leib, der gekreuzigt wurde, gewandelt wird. Gleichwie nämlich ein trockenes, schnell brennbares Holz in dem Augenblick, da es in das Feuer gelegt wird, von der Flamme ergriffen und verzehrt wird, so dass von der Gestalt des Holzes nichts zurückbleibt, sondern das Ganze nur Flamme ist, so wird durch die Kraft der Konsekrationsworte das, was zuvor Brot war, augenblicklich mein Leib, indem es nicht wie das Holz von dem Feuer in eine Flamme, sondern von meiner Gottheit in meinem Leib gewandelt wird. Darum kann Ich sagen: die mein Brot essen, sind es, die Mich verraten. Welcher Verrat könnte aber schrecklicher sein als jener, wo von Zweien, welche durch ein unauflösliches Band miteinander verbunden sind, einer den andern verrät? Das aber tun Priester, welche wissentlich im Stand der Todsünde an den Altar treten, zwar einige Reue erwecken, dabei aber doch denken, dass sie die nächste Gelegenheit, die sie wieder zu Fall bringen wird, nicht meiden wollen. Die Priester sind mit Mir durch ein unlösbares Band verknüpft, wenn sie am Altar die Hostie in die Hand nehmen und über sie die Konsekrationsworte sprechen, welche das Brot in meinen wahren Leib verwandeln, den Ich aus der Jungfrau angenommen habe. Dies vermöchten alle Engel zusammen nicht; denn die Priester allein haben diese Vollmacht von Mir empfangen, und sie allein habe Ich zu dieser höchsten Würde erhöht. Wäre ein Priester auch der schlechteste Mensch, so wird doch, sobald er am Altar die Konsekrationsworte spricht, das Brot in meinen wahren Leib gewandelt, und Ich liege vor ihm als wahrer Gott und wahrer Mensch. Wenn er Mich aber zu seinem Munde führt, dann weiche Ich, d. i. die Gnade meiner Gottheit und Menschheit, von ihm zurück. Gestalt und Geschmack des Brotes aber bleiben ihm; doch nicht so, als wäre Ich nicht wahrhaft gegenwärtig den Schlechten sowohl, als wie den Guten kraft der Einsetzung des Sakramentes; aber die Wirkung des Sakramentes ist eine andere für die Guten, eine andere für die Schlechten.

Die schlechten Priester, welche wissentlich im Stand der Todsünde konsekrieren, zeigen Mir zwar ein freundliches, sanftes Gesicht, führen Mich aber an einen verborgenen Ort, um Mich da zu verraten. Sie zeigen ein freundliches Gesicht, indem sie vor den Menschen als fromm und aufrichtig erscheinen wollen; sie führen Mich an den verborgenen Ort, indem sie zum Altar gehen, wo Ich bereit bin, ihren Willen zu erfüllen. Sie aber verraten Mich. Fürs erste führen sie wie einen harten Schlag auf Mich, indem ihnen das Chorgebet eine harte Last und eine Beschwerde ist, denn viel lieber sprechen sie Hunderte von Worten, der Welt zu gefallen, als nur eines Mir zur Ehre; und lieber geben sie hundert Mark Goldes für weltliche Dinge hin als nur einen Heller für Mich. Hundertmal lieber arbeiten sie für ihren eigenen Vorteil oder den der Welt als nur einmal für meine Ehre. Mit solchem Schlag aber erdrücken sie Mich, dass Ich tot in ihrem Herzen bin.

Sie verwunden Mich auch mit einem spitzigen Eisen, das Mir durchs Herz dringt, wenn sie an den Altar tretend ihrer Sünde gedenken, eine unkräftige Reue erwecken, aber doch bei sich sprechen: Ich kann mit der Gelegenheit nicht brechen, so dass ich nimmer in die Sünde fallen würde. Und dies ist das Eisen, mit dem sie Mich durchbohren.

Sie nehmen Mir auch den Atem, wenn sie, zum Altare gehend, bei sich sprechen: Es ist so angenehm, es mit der Welt zu halten, und ich kann nicht enthaltsam leben. Solange ich noch jung bin, will ich nach meinem Gefallen leben; bin ich aber einmal alt geworden, dann will ich mir mehr Gewalt antun und mich bessern. Dieser schreckliche Gedanke bringt Mich wie zum Ersticken. Wie meine Ich das? Ihr Herz ist so erkaltet und für Mich und die Tugend so erstorben, dass es sich nicht mehr erwärmen und zu meiner Liebe erheben kann. Gleichwie es keiner Flamme gelingt, eine Eisscholle zum Brennen, wohl aber zum Schmelzen zu bringen, so erheben sich jene, wenn Ich ihnen auch die Gnade dazu biete und sie meine Warnungen hören lasse, doch nicht auf den Weg des Lebens, sondern sie sind wie erstickt und unfähig zu jeder Tugend. Ach, sie treten so unverschämt zum Altar, legen Mich vor sich hin, misshandeln Mich, den wahren Gott und wahren Menschen, der Ich Mich mit ihnen gleichwie an einem verborgenen Ort befinde; denn niemand weiß und sieht, wie schlecht und hässlich die sind, vor denen Ich als ihr Herr und Gott wie an einem geheimen Ort liege. Solche Priester aber sind nicht meine Priester, sondern meine Verräter, die Mich wie Judas verkaufen und verraten. Ich übersehe die Heiden und die Juden; aber Ich erblicke unter ihnen keine Schlechteren als diese Priester, weiche sich derselben Sünde schuldig machen, durch welche Luzifer gefallen ist. Sterben sie in solchem Zustand und in der Verfassung, in der sie sich jetzt befinden, so bleiben sie ewig ausgeschlossen von meiner Liebe und werden für ewig verdammt werden.

7. Die Kraft des Glaubens und die Schönheit der heiligen Kirche

1. (3. c. 23) Gütigster Gott, ich (Birgitta) flehe für die Sünder, in deren Gemeinschaft ich lebe, würdige sie deiner Erbarmungen! "Ich vernehme und erkenne deinen guten Willen", antwortet Gott der Vater, darum wird das Gebet deiner Liebe Erhörung finden. Durch Johannes (Joh 5, 7.8) habe Ich geredet: "Drei sind es, die Zeugnis geben auf Erden: der Geist, das Wasser und das Blut; und drei im Himmel: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist." So geben drei auch dir Zeugnis. Denn der Heilige Geist, der dich im Schoße deiner Mutter behütet hat, gibt Zeugnis deiner Seele, dass du ein Eigentum Gottes durch den Glauben an die Taufe, welchen deine Eltern an deiner Statt bekannt haben. Zeugnis gibt dir das Wasser der Taufe, dass du eine Tochter der Menschheit Jesu Christi bist durch die Neugeburt und die Löschung der Erbschuld. Zeugnis gibt dir auch das Blut Christi, durch welches du erlöst bist, dass du ein Kind Gottes und durch die Sakramente der Kirche der Gewalt des Teufels entrissen bist. Und Wir, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, drei in den Personen und eins in der Wesenheit und Macht, geben dir Zeugnis, dass du Uns durch den Glauben angehörst und wie du, so alle, welche sich zu dem wahren Glauben der heiligen Kirche bekennen. Und zum Zeugnis, dass du unseren Willen vollbringen willst, geh hin und empfange aus der Hand des Priesters den Leib und das Blut der Menschheit Jesu Christi, auf dass der Sohn dir Zeugnis gebe, dass du sein Eigentum bist, dessen Leib du zur Stärkung deiner Seele genießest, dass auch der Vater dir Zeugnis gebe, der im Sohn ist, dass du Eigentum des Vaters und des Sohnes; auf dass dir der Heilige Geist Zeugnis gebe,der im Sohn und Vater ist, der eine Geist in beiden, dass du durch den wahren Glauben und die wahre Liebe Eigentum des dreieinigen Gottes bist."

2. (3. c. 24) O mein Herr Jesus Christus, ich bitte Dich, dass dein Glaube sich über alle Ungläubigen verbreite, dass die Guten durch deine Liebe entzündet, die Bösen aber bekehrt werden! "Du betrübst dich," antwortet der Sohn, "dass Gott zu wenig geehrt werde, und verlangst aus ganzem Herzen, dass Gott die Ihm gebührende Ehre von allen empfange. Darum will Ich dir in einem Gleichnis zeigen, wie selbst die Bösen durch die Bosheit Gott die Ehre geben müssen, wenngleich nicht durch Tugend oder guten Willen. Eine Jungfrau voll Weisheit, Schönheit, Reichtum und Sittsamkeit hatte neun Brüder, von denen jeder diese seine Schwester wie das eigene Herz liebte; und auch in ihr war das Herz eines jeden. In dem Reich aber, wo die Jungfrau lebte, bestand das Gesetz, dass jeder, welcher die Jungfrau ehre, geehrt, wer sie beraube, beraubt, wer ihr aber Gewalt antue, enthauptet werden solle. Der König dieses Reiches hatte drei Söhne. Der erste dieser Söhne liebte die Jungfrau, schenkte ihr vergoldete Schuhe, einen goldenen Gürtel, einen Ring an die Hand und eine Krone auf das Haupt. Der zweite Sohn begehrte nach dem Eigentum der Jungfrau und beraubte sie; der dritte aber suchte ihr die Jungfrauschaft zu rauben und gab sich alle Mühe, sein Vorhaben auszuführen. Diese drei Königssöhne wurden aber von den neun Brüdern der Jungfrau gefangen genommen und vor den König mit der Klage geführt: "Deine Söhne haben nach unserer Schwester begehrt. Der erste ehrte und liebte sie von ganzem Herzen; der zweite beraubte sie; der dritte aber hätte sein Leben dafür gegeben, wenn er sie hätte entehren können. Wir haben aber diese drei in dem Augenblick gefangen genommen, da sie den festen Entschluss gefasst hatten, ihre Absichten ins Werk zu setzen."

Der König gab seine Entscheidung mit den Worten: "Alle drei sind meine Söhne, die ich gleichmäßig liebe. Da ich aber gegen die Gerechtigkeit nicht handeln kann und will, so werde ich über meine Söhne, gleich als wären sie meine Knechte, das Urteil fällen. Darum komm du, mein Sohn, der die Jungfrau geehret, und nimm in Besitz die Ehre und die Krone bei deinem Vater! Du aber, der nach dem Eigentum der Jungfrau begehrt und sie zu berauben gesucht, geh ins Gefängnis, bis alles wieder erstattet sein wird. Ich habe das Zeugnis über dich vernommen, dass du aus Reue über deine Tat das Geraubte zurückerstatten wolltest. Du hast aber, vom Gericht ereilt, deine Missetat nicht mehr gutmachen können; darum wirst du im Gefängnis bleiben, bis der letzte Heller bezahlt ist. Du aber, mein Sohn, der du alles versucht, um der Jungfrau ihre Ehre zu rauben, und deine Missetat nicht bereut hast, du sollst eine um so vielfach erhöhte Bestrafung erleiden, als vielfach deine Versuche waren, die Jungfrau zu entehren."

Da riefen die Brüder der Jungfrau einstimmig: "Lob und Ehre sei dir, o Richter, für deine Gerechtigkeit! Wäre in dir nicht die Macht, in deiner Gerechtigkeit die Billigkeit, in deiner Billigket aber die Gütigkeit, so hättest du nimmer solches Urteil gefällt."

Diese Jungfrau ist die heilige Kirche, deren Schönheit und höchster Schatz der Glaube und die sieben Sakramente, deren Ehre und Zierde die reinen Sitten und Tugenden, deren Früchte die begehrungswürdigsten sind, da sie den wahren Weg zum Himmel zeigt. Diese heilige Kirche hat dreierlei Kinder: solche, die nur das Zeitliche und die eigene Ehre suchen; solche endlich, welche ihren eigenen Willen dem Willen Gottes vorziehen. Die Jungfrauschaft der Kirche aber besteht in den Seelen, die allein durch die Allmacht Gottes erschaffen werden.

Die erstgenannten Kinder bringen der Jungfrau vergoldete Schuhe durch aufrichtige Zerknirschung über die begangenen Sünden und Unterlassungen; sie ehren sie mit Gewändern, durch die Haltung der Gebote Gottes und durch möglichst gewissenhafte Befolgung der evangelischen Räte. Sie reichen der Jungfrau den Gürtel durch Enthaltsamkeit und das Gelübde ewiger Keuschheit; den Ring aber durch das unerschütterliche Bekenntnis des heiligen katholischen Glaubens an das künftige Gericht und das ewige Leben. Den Stein am Ring bildet die Hoffnung und das feste Vertrauen, dass keine Sünde so verwerflich sei, dass sie nicht durch wahre Reue und ernsten Vorsatz der Besserung getilgt werden könnte. Die Krone aber wird der Jungfrau von der wahren Liebe Gottes gereicht; und die mannigfaltigen Edelsteine, welche in der Krone glänzen, sind die mannigfaltigen Tugenden, die aus der Liebe entspringen.

Das Haupt der Seele aber, das ist der Kirche, ist meine Menschheit. Wer diese liebt und ehrt, verdient ein Kind Gottes genannt zu werden. Und wer in solcher Weise die heilige Kirche und ihre Seele liebt, der hat neun Brüder, d. i. die neun Chöre der Engel, in deren Gemeinschaft und Mitgenuss der Herrlichkeit er im ewigen Leben gelangen wird. Die Engel umfassen die heilige Kirche mit ihrer ganzen Liebe, gleich als wäre sie das Herz jedes einzelnen Engels. Nicht die Steine und Wände machen die Kirche aus, sondern die Seelen der Gerechten, und darum freuen sich die Engel über deren Ehre und Vollkommenheit wie über ihre eigene.

Die zweitgenannten Kinder der Kirche sind jene, weIche die Satzungen der heiligen Kirche verachten, nach den Grundsätzen der Welt und des Fleisches leben, die Schönheit der Tugenden in ihr Gegenteil verkehren, indem sie nur ihrem Eigenwillen folgen; doch gegen das Ende ihres Lebens gehen sie in sich und bereuen ihre Missetaten. Diese müssen gereinigt werden, bis sie durch die guten Werke und die Gebete der Kirche mit Gott versöhnt werden können. Die Drittgenannten sind jene, welche ihre Seele ärgern, unbekümmert, ob sie auch ewig verlorengehen, wenn sie nur ihre Gelüste befriedigen können. Ober diese rufen die neun Chöre der Engel die Gerechtigkeit herab, weil sie verschmäht haben, sich zur Buße zu bekehren. Und wenn Gott seine Gerechtigkeit übt, lobpreisen Ihn die Engel über seine unbeugsame Billigkeit. Und wird die Ehre Gottes offenbar, so freuen sich die Engel über seine Stärke, welche selbst der Bosheit der Bösen sich bedient, auf dass Gott die Ehre gegeben werde. Siehst du also Gottlose, so trage Mitleid mit ihnen und freue dich der ewigen Ehre Gottes. Denn Gott, der nichts Böses will, da Er der Schöpfer aller Dinge und aus sich selber der allein Gute ist, lässt doch als der gerechteste Richter vieles zu, wofür Er im Himmel wie auf Erden um seiner Billigkeit und seiner verborgenen Güte willen die Ehre empfängt.

8. Das Geheimnis der heiligsten Erlösung durch das bitterste Leiden und Sterben Jesu Christi

1. (2. c. 15 u. 16) Was ich zu dir rede, ist nicht für dich allein, sondern zur Belehrung und zum Heil auch für andere. Es wundern sich viele, warum Ich zu dir, und nicht zu anderen rede, deren Leben vollkommener ist und die Mir schon längere Zeit gedient haben. Darauf antwortete Ich durch ein Gleichnis. Ein Herr, der Weinberge in verschiedenen Landstrichen besitzt, kostet die Weinsorten je nach der Verschiedenheit des Bodens, auf dem sie gewachsen sind. Sobald der Wein gekeltert ist, wird der Besitzer der Weinberge zuweilen von dem geringeren und leichteren und nicht von dem besseren Wein trinken. Würde er nun von seiner Umgebung gefragt, warum er dies tue, so würde er zur Antwort geben, weil diese Sorte ihm jetzt mehr munde und ihm jetzt gerade süßer vorkomme. Seine anderen, besseren Weine wird er darum nicht wegschütten oder für geringer halten, sondern sie auf gelegene Zeit, je nach Gutdünken, zu seiner Ehre und seinem Nutzen aufbewahren. So tue Ich an dir. Ich habe viele andere Freunde, deren Wandel Mir süßer denn Honig, wohlschmeckender als jeder Wein und heller in meinen Augen als die Sonne ist. Aber weil es Mir so gefiel, darum habe Ich dir meinen Geist der Weissagung verliehen; nicht als wärest du besser als jene oder mit ihnen zu vergleichen oder würdiger denn sie an Verdiensten, sondern weil es Mir so gefällt, der Ich aus Unweisen Weise und aus Sündern Gerechte mache. Und indem Ich dir solche Gnade erweise, achte ich die anderen nicht für geringer; sondern Ich bewahre sie für meine Absichten und meine Ehre, wie es meine Gerechtigkeit erfordern wird. Darum übe in allen Dingen die Demut und lass dich durch nichts betrüben als durch deine Sünden.

2. Vor meiner Ankunft im Fleisch war die Welt eine große Wüste mit nur einem einzigen Weg, der in den tiefsten Abgrund führte. In diesem Abgrund waren zwei Behälter: der eine von solcher Tiefe, dass er keinen festen Grund mehr unter sich hatte und keiner aus ihm mehr herauskam, der einmal hineingefallen war; der zweite war nicht so tief wie der erste, auch nicht so schrecklich, indem, wer in ihn hinabzusteigen hatte, auf Rettung hoffen und nach ihr, die sich aber sehr lange verzögerte, voll Sehnsucht seufzen durfte, ohne gänzliche Verlassenheit, Finsternisse und Qualen ertragen zu müssen. Die in diesem zweiten Behälter (dem Schoße Abrahams) wohnten, riefen Tag für Tag zu der naheliegenden schönsten Stadt, die aller Güter und aller Freuden voll war. Sie riefen gar laut, denn sie kannten den Weg, der zu dieser Stadt führte. Die Einöde aber war so dicht bewaldet und durch ineinander sich verschlingendes Gestrüpp so undurchdringlich und unwegsam, dass sie nicht die Kraft besaßen, sich einen Pfad hindurch zu bahnen. Was aber war ihr Rufen? "Komm, o Gott, und gib uns Hilfe! Zeig den Weg, erleuchte uns, die wir uns nach Dir sehnen! In keinem anderen ist Heil für uns, als nur in Dir allein!" Dieses Schreien drang bis in den Himmel an mein Ohr und zog Mich zum Erbarmen. Besänftigt durch das lange Rufen, kam Ich herab in die Wüste, ähnlich einem fremden Wanderer.

3. Bevor Ich aber meinen Wandel und mein Wirken begann, ließ sich vor Mir eine Stimme vernehmen, welche rief: "Die Axt ist schon an den Baum gelegt." Diese Stimme war Johannes, der vor Mir in die Wüste gesendet wurde und rief: "Die Axt ist an den Baum gelegt," als wollte er sagen: ein jeder halte sich bereit, auch die Axt ist schon bereitet! Er kam als der Wegbereiter zu jener Stadt und räumte die Hindernisse aus dem Weg.

Ich aber habe bei meiner Ankunft von Sonnenaufgang bis zum Untergang gearbeitet, d. i. von meiner Menschwerdung bis zu meinem Kreuzestod habe Ich das Heil der Welt gewirkt. Gleich im Anfang meines Eintritts in die Wüste hatte Ich Mich vor meinen Feinden, besonders dem Verfolger Herodes, zu flüchten. Ich wurde vom Teufel versucht und hatte die Nachstellungen der Menschen zu erfahren. Ich nahm alle Mühseligkeiten auf Mich. Ich aß und trank und befriedigte andere Bedürfnisse der Natur ohne Sünde, um den Glauben zu verkünden und meine wahrhafte menschliche Natur offenbar zu machen, welche Ich angenommen. Ich habe den Weg zur Stadt, dem himmlischen Jerusalem, bereitet und alle Hindernisse ausgerottet. Geißeln mit Stacheln und spitzigste Dornen haben meinen Leib zerfleischt und mein Haupt durchbohrt. Und grausame Nägel haben meine Hände und Füße verwundet. Meine Zähne und Wangen wurden aufeinander geschlagen, Ich aber ertrug alles mit Geduld und wich nicht zurück, sondern drang nur um so mutiger voran. Mich verlangte nach den Seelen, die Ich retten wollte. Darum war Ich ähnlich einem von Hunger gepeinigten Löwen, der sich in den vorgehaltenen Speer seines Verfolgers stürzt, um diesen als Beute zu gewinnen. Und je mehr meine Verfolger ihre Spieße in Mich einbohrten, um so tiefer drang auch Ich, um die Seelen zu erbeuten, in ihre Speere ein, bis mein ganzer Leib und mein Herz durchbohrt waren. So brennend war meine Liebe zu den Seelen, dass, je näher Ich Mir die grausamsten Martern kommen sah und je offener die Menschen Mir ihre Absicht, Mich zu töten, zeigten, um so größer mein Verlangen wurde, für die Erlösung der Seelen zu leiden. So war mein ganzer Wandel in der Wüste dieser Welt nur Mühsal und Trübsal, und mit meinem Schweiß und Blut hatte Ich den Weg zur Stadt Gottes zu bereiten.

4. Diese Welt verdiente in Wahrheit den Namen einer Wüste; denn die Tugend war gänzlich aus ihr gewichen und nur eine Wildnis von Lastern war in ihr zurückgeblieben mit der einen breiten Straße, auf welcher alle zur unteren Welt hinabstiegen: die Verdammten zur Hölle, die Guten aber an den Ort, den mein Licht noch nicht erhellte. Darum habe Ich ihr lautes Rufen nach der so lange schon ersehnten Erlösung barmherzig erhört und bin wie ein Fremdling, dessen Macht und Gottheit unbekannt war, an mein schweres Tagwerk gegangen, um den Weg zu bereiten, der zum Himmel führt. Da meine Freunde diesen Weg erblickten und inne wurden, wie mit der Mühseligkeit meines Tagewerks mein Mut und Eifer gleichen Schritt hielt, da machten auch sie sich frohen Mutes zur Nachfolge auf: und die währte durch längere Zeit.

Heute aber ist die Stimme verstummt, welche gerufen: seid bereit! Und mein Weg ist wie verschüttet. Es wuchern Gestrüpp und Dornen darauf, und immer weniger werden es, die noch auf ihm wandeln. Auf der breiten unbehinderten Straße der Welt aber ziehen Unzählige in großen Scharen zur Hölle. Und mein Weg wäre ganz und gar vergessen und vernachlässigt, würden nicht einzelne meiner Freunde aus Sehnsucht nach der himmlischen Heimat noch auf ihm wandeln; aber, wie die Zugvögel im Herbst von Gebüsch zu Gebüsch flattern, so wagen sie nur heimlich und schüchtern, sich seiner zu bedienen; denn das Wandeln auf der breiten Weltstraße gilt heute allen als allein zu Glück und Freude führend. Darum rufe Ich heute, da mein Weg so schmal und eng, die Straße der Welt aber so breit geworden ist, in der Wüste dieser Welt zu allen, die Mir noch die Treue halten wollen, dass sie auf dem Pfad, der zum Himmel führt, die Dornen und Disteln ausreißen und den Wanderern den Weg wieder offen und gangbar machen mögen. Denn es steht geschrieben: Selig sind, die nicht gesehen und doch glauben! Aber selig auch die, welche jetzt diesen meinen Worten Glauben schenken und sie durch die Tat erfüllen!

5. Ich bin gleich einer Mutter, die ihrem verirrten Kind entgegengeht, die ihm Licht auf seinen Irrweg zubringt, damit es sehe, wo es geht. Sie eilt ihm aus Liebe entgegen und will ihm seinen Rückweg verkürzen; und da sie ihr verirrtes Kind findet, umarmt sie es mit zärtlicher Begrüßung. So tue auch Ich an allen, die zu Mir wieder zurückkommen wollen. Wie meinen Freunden eile Ich ihnen voll Liebe entgegen und erleuchte ihr Herz und ihren Geist mit himmlischer Weisheit. Ich will sie umarmen mit aller Herrlichkeit und mit dem ganzen himmlischen Hof, über dem kein Himmelsgewölbe und unter dem keine Erde, sondern die Anschauung Gottes, wo keine Speise und kein Trank, sondern göttliche Sättigung ist.

Den Unbußfertigen aber steht der Weg zur Hölle offen, in welche sie eingehen werden, um nie mehr herauszukommen. Sie werden aller Schönheit und Freude entbehren und mit Jammer und ewiger Schmach gesättigt werden. Denn sie kehren Mir den Rücken, sie treten alle Zeichen meiner Demut mit Füßen, sie denken gar nicht daran, wie Ich am Kreuz vor ihren Augen stand, um sie zu erlösen. Ich war wie ein Mensch, in dessen Auge ein Messer gebohrt, dessen Herz mit einem Schwert durchstochen wird und dessen Glieder alle vor Übermaß der Marter zittern. Denn mein Leiden war mir bitterer als ein Stich dem Auge; doch wollte Ich es aus Liebe erdulden. Die Schmerzen meiner Mutter taten Mir viel weher als meine eigenen. Und doch hielt ich sie aus. Mein ganzes Innere und Äußere zitterte und bebte vor Pein und Marter; doch entzog Ich Mich dem Leiden nicht und wich nicht zurück. So stand Ich vor den Sündern, die Mir nun den Rücken zuwenden, die Mich vergessen und verachten. Sie werden aber wie eine Fehlgeburt verworfen werden.

6. (6. c. 54) Die Wildnis, welche die ganze Welt vor meiner Menschwerdung war, hatte einen trüben, schmutzigen Brunnen. Wer aus ihm trank, dürstete noch mehr, und triefende Augen wurden noch kränker. Es standen zwei Männer am Brunnen. Der eine rief: "Trinkt ruhig, denn es kommt der Arzt, der alle Krankheiten von euch nehmen wird!" Der andere sprach: "Trinkt in Fröhlichkeit; es ist töricht, nach Ungewissem zu begehren!" Zu dem Brunnen führten sieben Wege, auf denen ihm alle zu nahen suchten. In der Wildnis waren ferner wilde Tiere, unfruchtbare Bäume und unreine Pfützen; denn die Menschen waren gleich wilden Tieren begierig, das Blut des Nächsten zu vergießen, gleich unfruchtbaren Bäumen ohne Früchte der Gerechtigkeit, gleich unsauberen Pfützen durch Unenthaltsamkeit und Begierlichkeit. Darum war auch der trübe Brunnen von den Menschen so gesucht, d. i. die Liebe zur Welt und ihrer Ehre, welche dem Stolz als etwas so Hohes erscheint, obwohl sie nur Unruhe und Sorge des Fleisches verursacht. Die sieben Wege aber, welche zu diesem Brunnen führten, bedeuten die sieben Todsünden. Die zwei am Brunnen stehenden Männer sind das Sinnbild der Lehrer der Heiden und der Schriftgelehrten der Juden. Die letzteren waren stolz auf ihr Gesetz; doch befolgten sie es nicht. Und weil sie selber voll Habsucht waren, darum reizten sie durch Wort und Beispiel das Volk dazu an, nur nach zeitlichen Dingen zu begehren. Sie sprachen: "Lebt in Ruhe dahin; denn der Messias wird kommen, um alles wieder herzustellen!" Die Lehrer der Heiden aber sagten: "Genießt die Geschöpfe, die ihr seht; denn die Welt ist dazu gemacht, dass wir in Freude auf ihr leben!"

So lebte der Mensch in Blindheit dahin, ohne auf Gott zu achten und ohne an die Ewigkeit zu denken, als Ich, der eine Gott mit dem Vater und dem Heiligen Geist, in die Welt kam und Mensch wurde, um zu predigen und allen zu verkünden, dass die von Gott durch Moses und die Propheten gegebenen Verheißungen nun in Erfüllung gehen und dass sie nach den himmlischen und ewigen Gütern trachten sollen, die Ich ihnen geben werde; denn die Welt mit ihren Gütern vergeht. Ich zeigte ihnen auch den siebenfachen Weg, auf welchem der Mensch von seiner Betörung wieder abgebracht werden sollte. Ich zeigte ihnen die Armut und den Gehorsam. Ich lehrte sie fasten und beten. Ich zog Mich oft aus dem Gewühl der Menschen zurück, um in der Einsamkeit zu beten. Ich ertrug jede Beschimpfung und wählte für Mich nur Mühen und Schmerzen. Ich erduldete die bittersten Peinen und den schmählichsten Tod.

Diesen siebenfachen Weg habe Ich ihnen also an Mir selber gezeigt; und meine Getreuen sind Mir lange auf ihm nachgefolgt. Nun aber ist der Weg verlassen. Die Wächter schlafen. Die Vorüberziehenden ergötzen sich an Torheiten und Neuigkeiten. Darum erhebe Ich Mich und schweige nicht. Ich nehme hinweg die Stimme der Freudenbotschaft und besetze meinen Weinberg mit anderen, welche zu ihrer Zeit Früchte bringen werden. Da aber nach dem Sprichwort unter Feinden sich auch Freunde finden, darum sende ich meinen Freunden diese Worte, welche süßer als Datteln, lieblicher als Honig und köstlicher als Gold sind. Wer diese meine Worte aufnimmt und festhält, der wird jenen Schatz empfangen, der nicht vergeht, der sich nie mindert, der ohne Ende sich zum ewigen Leben mehrt.

7. (1. c. 54) Worte der heiligsten Jungfrau. Nun will ich dir sagen, unter welchen Umständen und in welcher Absicht mein Sohn, der von den Altvätern so heiß ersehnt worden war, in sein Leiden eingegangen ist. Er stand als der Menschensohn in der Mitte zwischen zwei Städten. Aus der Stadt seiner wahren Heimat erscholl eine Stimme, welche rief: "O Menschensohn, du stehst in der Mitte des Weges zwischen zwei Städten! Du bist der Weise, denn Du vermagst Dich vor den drohenden Gefahren zu schützen. Du bist der Starke, um die Leiden zu erdulden, die auf Dich eindringen. Du bist der Mutige, der Du nichts fürchtest! Nach Dir haben wir verlangt und Du bist unsere Erwartung. Öffne also die Pforte, die unsere Feinde belagern, damit sie nicht geöffnet werden solle!" Aus der anderen Stadt aber ließ sich eine Stimme vernehmen, die sprach: "Du mildester, Du tapferster Menschensohn, erhöre unser Klagen, unser Seufzen! Wir sitzen in Finsternis, wir verschmachten in Hunger und in unleidlichem Durst. Sieh auf unser Elend und die Peinen unserer Entbehrung. Wir liegen darnieder wie Gras, das von der Sense niedergemäht worden. Wir verdorren ohne Erquickung, alle Kraft ist uns geschwunden. Komm zu uns! Rette uns, die wir so lange schon auf Dich gewartet und auf deine Erlösung gehofft haben! Komm, stille unser Schmachten, wandle unsere Trauer in Freude! Sei unser Helfer, unser Retter! Komm Du heiligster, Du hochgebenedeiter Leib, geboren aus der reinsten Jungfrau!"

Dieses zweifache Rufen drang zu meinem Sohn aus dem Himmel und aus der Vorhölle; darum erschloss Er in seiner Erbarmung durch sein bitterstes Leiden und die Vergießung seines Blutes das Tor der Vorhölle und führte seine Getreuen heraus. Er öffnete die Pforte des Himmels und führte zum Frohlocken der Engel die aus der Vorhölle Befreiten zur ewigen Seligkeit ein. Dies wolle du, meine Tochter, stets bedenken und nie aus deinen Augen schwinden lassen!

8.(1. c. 39) Worte Jesu Christi: Bei meinem Tod hatte Ich den Glauben, da Ich auf den Knien zu meinem Vater betete, wohl wissend, dass Er Mich vor meinem Leiden bewahren könnte. Ich hatte auch die Hoffnung, indem Ich mit festem Vertrauen im Gebet sprach: Nicht wie Ich will! Ich hatte auch die Liebe, da Ich sprach: Dein Wille geschehe. Ich erduldete auch die Ängsten des Leibes, der sich seiner Natur nach vor dem Leiden fürchtet. Damit meine Freunde bei drohenden Trübsalen nicht verzagen sollten, als wären sie nun verlassen, zeigte Ich ihnen an Mir selber, wie sich die Schwachheit des Leibes stets vor Beschwerden ängstigt. Aus meinem Leib drang der blutige Schweiß. Wie das Blut eines Schwerkranken in allen Adern vertrocknet und sich verzehrt, so wurde durch den natürlichen Schmerz über den Tod auch mein Blut verzehrt. Als endlich mein Vater den Weg offenbar machen wollte, auf dem der Himmel geöffnet und der vom Himmel ausgeschlossene Mensch wieder den Eingang erlangen sollte, da übergab Er Mich aus Liebe den bittersten Peinen, damit mein Leib nach vollbrachtem Leiden in Herrlichkeit verklärt würde. Ohne das Leiden sollte meine Menschheit nach der Gerechtigkeit nicht in die Herrlichkeit gelangen, obwohl Ich dies durch die Macht meiner Gottheit hätte bewirken können. Wohl hätte Ich Mir mein so bitteres Leiden erleichtern und verkürzen können; allein Ich wollte dies nicht. Meine Gerechtigkeit erforderte, dass, wie der Mensch mit allen seinen Gliedern gesündigt hatte, so auch die Genugtuung mit allen Gliedern geleistet werde. Darum habe Ich aus Mitleid mit den Menschen in der Jungfrau Fleisch angenommen, um in meiner Menschheit alle Strafen zu leiden, welche der Mensch verdient hatte.

Wie also könnten jene verdienen, in meine Herrlichkeit einzugehen, welche nur einen ganz schwachen Glauben, eine eitle Hoffnung und gar keine Liebe besitzen? Hätten sie auch nur den Glauben an die ewige Seligkeit und an das strenge Gericht, dann könnten sie nicht nach anderem begehren als nur nach Mir allein. Würden sie glauben, dass Ich allwissend, dass Ich allmächtig bin und über alles Rechenschaft fordere, dann würde ihnen die Welt gar verächtlich erscheinen, und sie würden sich vor der Sünde mehr aus Furcht vor Mir in acht nehmen als aus Furcht vor der Welt. Hätten sie eine feste Hoffnung, so wäre ihr ganzes Herz und all ihr Denken nur bei Mir. Hätten sie die göttliche Liebe, so würden sie doch im Herzen wenigstens daran denken, was Ich für sie getan, mit welcher Mühe und Anstrengung Ich gepredigt, welche Peinen Ich an meinem Leib erduldet, welche Liebe Ich ihnen durch meinen Tod erwiesen habe, da Ich lieber sterben als sie verlassen wollte. Aber ihr Glaube ist schwach, er hängt wie nur äußerlich an ihnen und droht jeden Augenblick herabzufallen, weil sie nur so lange glauben, als sie nicht versucht werden; sie verzagen aber sogleich, sobald sie eine Widerwärtigkeit trifft. Ihre Hoffnung ist eitel, weil sie auf die Vergebung ihrer Sünden rechnen, ohne meiner Gerechtigkeit und der Rechenschaft zu gedenken, die sie in Wahrheit vor Mir abzulegen haben werden. Das Reich der Himmel hoffen sie umsonst erlangen zu können; darum erwarten sie von Mir Barmherzigkeit mit Ausschluss meiner Gerechtigkeit. Ihre Liebe zu Mir ist ganz und gar erkaltet; denn sie fühlen sich nie angetrieben, Mich zu suchen, wenn sie nicht durch Trübsal dazu gezwungen werden.

Wie könnte Ich Mich also für sie erwärmen, da sie weder den rechten Glauben, noch die feste Hoffnung, noch eine feurige Liebe zu Mir besitzen? Darum verdienen sie keine Erhörung, wenn sie mit den Worten zu Mir rufen: Erbarme Dich meiner, o Gott! Sie verdienen nicht, in meine Herrlichkeit einzugehen. Wer seinem Herrn nicht auch in seinem Leiden nachfolgen will, kann ihm nicht zur Herrlichkeit nachfolgen. Kein Streiter kann seinem Herrn gefallen und nach seinem Fall wieder zu Gnade aufgenommen werden, außer er habe seine Verachtung durch Demütigung wieder gut gemacht.

9. (1. c.11) Ich, der Schöpfer Himmels und der Erde, habe Mich meinen Feinden freiwillig überliefert und meine Mutter und die wenigen Getreuen in Tränen und bittersten Schmerzen zurückgelassen. Bei dem Anblick der Geißeln, der Nägel, der Lanze und der anderen Marterwerkzeuge ging Ich nur um so festeren Mutes meinen Leiden entgegen. Obwohl Mir eine Dornenkrone aufs Haupt gedrückt wurde, dass ringsum das Blut darnieder rann, so hätte Ich doch nicht abgelassen, für die Erlösung der Menschen selbst dann zu leiden, wenn meine Peiniger auch nach meinem Herzen gegriffen, es verwundet und zerteilt hätten. Wie schrecklich ist also der Undank, wenn der Mensch Mir für solche Liebe seine Gegenliebe verweigert! Bedenke, dass mein von Dornen durchbohrtes Haupt sich für dich am Kreuz in den Tod geneigt hat, auf dass dein Haupt lerne, sich in Demut zu neigen. Meine Augen waren voll Blut und Tränen, damit deine Augen sich aller Augenlust enthalten. Auch meine Ohren waren voll Blut und hatten zahllose Worte der Beschimpfung und Lästerung zu hören, damit deine Ohren sich abwenden, wenn sündhafte Reden geführt werden. Mein Mund wurde mit Essig und Galle getränkt und Linderung seines verschmachtenden Durstes ihm verweigert, auf dass dein Mund für böse Rede stets verschlossen und nur für gute geöffnet sei. Meine Hände wurden ausgestreckt und festgenagelt, damit deine Hände sich in Milde nach den Armen ausstrecken und auf dass das Werk deiner Hände die Befolgung meiner Gebote sei. Meine Füße wurden ans Kreuz genagelt, auf dass du mit deinen Begierden und Wünschen nur nach Mir begehrest und nicht ablassest, Mir auf dem Wege des Kreuzes nachzufolgen, der allein zu Mir führt.

Wie Ich also in allen Gliedern meines Leibes für dich gelitten habe, so sei auch du bereit, Mir mit allen deinen Gliedern zu dienen!

10. (6. c. 19) Aber so viele vergessen und verachten alles, was Ich für sie gelitten habe. Sie vergessen Meiner ganz und gar, wie ein gewissenloser Sohn der eigenen Mutter nicht mehr gedenkt. Oder war Ich für sie nicht gleich einer Mutter, welche nur begehrte, ihr Kind lebend zu gebären, damit es der heiligen Taufe teilhaft werde, wenn sie gleich darüber sterben musste? So tat ich dem Menschen, indem Ich wie eine Mutter durch meine Passion den Menschen aus der Finsternis der Hölle an den Tag des Lichtes geboren habe, das kein Ende nimmt. Ich habe ihn in meinem Schoß unter größten Beschwerden getragen, indem Ich alles erfüllte, was die Propheten von Mir geweissagt haben. Ich nährte ihn mit der Milch meiner Heilsworte und den Geboten des Lebens. Der Mensch aber verachtet Mich für meine Liebe, wie ein ungeratener Sohn, welcher der Schmerzen seiner Mutter nicht mehr gedenkt. Er vergilt Mir mit Härte, und für die Schmerzen, mit welchen Ich ihn in meinem Schoß getragen, verursacht er Mir nur bittere Tränen, für meine Wunden neue Qualen und für meinen Hunger nach seiner Seele reicht er Mir Steine und für meinen Durst fauliges Wasser.

Welches aber ist der Schmerz, den Mir, der Ich, als der ewige Gott, der Trübsale und Leiden nicht fähig bin, der Mensch bereitet? Ja, er bereitet Mir Schmerzen, indem er sich durch seine Sünden von Mir trennt; nicht als ob ein Weh Mich treffen könnte, aber Ich leide wie einer, der über das Unglück des anderen in Trauer gerät. Auch damals schon verursachte der Mensch Mir Schmerzen, als er die Sünde und die Größe ihrer Schuld noch gar nicht erkannte und die Worte der Propheten und das Gesetz noch nicht empfangen und auch meine eigenen Worte noch nicht zu vernehmen hatte. Jetzt aber erhöht er noch viel mehr meine Schmerzen und bringt Mich wie zum Weinen, obwohl Ich unveränderlich bin, da er nun meine Liebe und meinen Willen kennengelernt hat und doch gegen meine Gebote handelt und frech gegen die Stimme seines eigenen Gewissens sündigt. Und da nun so viele bei ihrer klaren Erkenntnis meiner Gebote tiefer zur Hölle fahren, als wenn sie meine Gebote nicht empfangen hätten, darum werden Mir von ihnen, weil sie dennoch Sünde auf Sünde häufen, neue Wunden geschlagen, wiewohl Ich als Gott nicht verwundet werden kann. Ja, sie suchen meine Wunden wie unheilbar zu machen, da sie nicht bloß Sünde auf Sünde häufen, sondern sich in ihrer Unbußfertigkeit sogar ihrer Sünden rühmen. Und außerdem reicht Mir der Mensch Steine statt Brot und fauliges Wasser für meinen Durst. Ist denn das Brot, nach dem Ich verlange, ein anderes, als der Fortschritt der Seelen und die Zerknirschung des Herzens, die Sehnsucht nach Gott und die Demut einer feurigen Liebe? Statt dessen aber reicht Mir der Mensch in der Härte seines Herzens nur Steine und sättigt Mich durch Unbußfertigkeit und vermessenes Vertrauen. Sie lassen sich weder durch Ermahnungen, noch durch Züchtigungen zu Mir bekehren; sie verschmähen es, nach Mir nur zu schauen und meiner Liebe zu gedenken.

Darum kann Ich es mit Recht beklagen, dass Ich sie wie eine Mutter durch die Martern meines bittersten Leidens ans Licht geboren habe, sie, welche die Finsternis mehr lieben als das Licht. Ich nährte sie mit der Süßigkeit meiner Milch und bin immer bereit, sie mit ihr zu nähren; allein sie weisen sie zurück und vermehren mit Frechheit den Schmerz, den ihre Verachtung Mir bereitet, durch den Schmutz ihrer Bosheit. Sie sättigen Mich mit Sünden, anstatt Mich durch Tränen der Buße und Besserung zu erquicken. Sie reichen Mir Steine anstatt der Süßigkeit eines guten Wandels. Darum werde Ich Mich als der gerechte Richter, der in seiner Gerechtigkeit voll Langmut, in seiner Langmut voll Barmherzigkeit und in seiner Barmherzigkeit voll Weisheit ist, zu seiner Zeit wider sie erheben! Sie sollen innewerden, welches meine Macht im Himmel, über den Himmeln und unter und außer den Himmeln und aller Orten, über Bergen und Tälern ist; denn auch die Verdammten sollen sie schauen und in verdienter Beschämung zuschanden werden.

In meiner Langmut aber rede Ich jetzt durch dich, meine Tochter, diese Worte und mache durch dich meine Liebe kund, auf dass die Verirrten sich wieder zu Mir wenden und Mich als ihren Herrn und Erlöser erkennen, den sie vergessen haben. Wer meine Stimme hören will, wird Rettung finden; denn Ich, der Schöpfer Himmels und der Erde, eile ihm entgegen wie eine Mutter, wenn sie die Stimme ihres verirrten Kindes vernimmt. Ich freue Mich über ihn wie der Vater über den verlorenen Sohn der wieder zu ihm zurückkehrt, und wie eine Mutter über das Lamm, das wieder zu ihr zurückgebracht wird.

9. Die Heiligste Jungfrau beschreibt das bittere Leiden ihres göttlichen Sohnes (1. c. 45. u. 1. 4. c. 70)

1. Der Leib meines Sohnes wurde gepresst wie die Traube in der Kelter; denn weil der Mensch mit allen Gliedern seines Leibes gesündigt hat, so hat auch mein Sohn mit allen seinen Gliedern dafür die Genugtuung geleistet.

Die Haare seines Hauptes wurden Ihm ausgerauft, die Nerven zerrissen, die Verbindung aller Gelenke seiner Glieder auseinandergezerrt, die Gebeine bloßgelegt, Hände und Füße ans Kreuz genagelt. Seine Seele wurde betrübt und sein Herz mit Peinen erfüllt. Seine Eingeweide wurden an die Wirbelsäule zurückgezogen, weil der Mensch in allen seinen Gliedern gesündigt hat.

Und dieser Leib meines Sohnes war von dem Gruß des Engels an mit Gottheit und Menschheit in meinem Schoße. Ich fühlte Ihn in Mir. Ich trug Ihn ohne Schmerzen und gebar Ihn ohne Angst und Wehe. Ich hüllte Ihn in Linnen und nährte Ihn mit meiner Milch. Von seiner Geburt an bis zu seinem Tode war Ich bei Ihm.

2. Als sein bitteres Leiden herannahte, da standen meinem Sohn die Tränen in den Augen und der Schweiß auf dem Leib aus Angst vor den bevorstehenden Martern. Als Er gefangen genommen wurde, erblickten Ihn meine Augen nicht mehr, bis Er zur Geißelung geführt wurde. Durch Zerren und Stoßen wurde Er so grausam auf die Erde geworfen, dass sein Haupt aufschlug und die Zähne aneinander stießen. Auf Nacken und Wangen wurde Er so heftig geschlagen, dass der Schall der Schläge an meine Ohren drang. Dann zog Er auf Befehl des Henkers sich selber die Kleider aus, umfasste freiwillig die Säule, ließ sich mit Stricken festbinden und seinen ganzen Leib von mit Stacheln besetzten Geißeln zerfleischen, die tief einschnitten und beim Zurückreißen weit klaffende Wunden zurückließen. Gleich der erste Streich traf mein Herz so heftig, dass mir die Sinne vergingen. Wieder zu Mir gekommen, sehe Ich den zerrissenen Leib in voller Blöße an der Geißelsäule stehen. Da trat ein Mann vor die Schergen mit den Worten: "Wollt ihr diesen Menschen ohne Richterspruch ums Leben bringen und die Schuld seines Todes auf euch laden?" und durchschnitt die Stricke. So ward mein Sohn von der Säule gelöst. Er langte nach seinen Kleidern; aber sie ließen Ihm nicht Zeit, sie anzulegen; bei seiner Weiterführung zog Er seinen Rock über die Arme.

Seine Fußstapfen vor der Geißelsäule waren voll Blut und alle seine weiteren Schritte konnte Ich an den Blutspuren, welche sie zurückließen, deutlich erkennen. Das über sein Angesicht träufelnde Blut wischte Er sich mit seinem Gewand ab.

3. Nach seiner Verurteilung wurde Er mit dem Kreuz auf der Schulter hinausgeführt; unterwegs aber musste ein anderer Ihm das Kreuz tragen helfen.

Am Ort der Kreuzigung sah Ich den Hammer und die spitzen Nägel schon bereit. Mein Sohn zog sich auf Befehl wieder die Kleider aus; um seine Lenden wand Er ein Linnen, das Er, wie um sich zu trösten, auch mit festknüpfen half.

Das Kreuz war schon bereitet. Die Kreuzarme ragten in die Höhe, so dass das obere Ende des Stammes zwischen die Schultern reichte und dem Haupt keine Stelle mehr ließ, um sich anzulehnen. Die hölzerne Tafel mit dem Titel wurde zwischen den beiden Armbalken über dem Haupt auf dem Kreuzstamm festgemacht.

Vor das Kreuz geführt, legte mein Sohn sich mit dem Rücken darauf. Und da die Henker seine Hände verlangten, reichte Er zuerst die Rechte. Seine Linke aber wurde, da sie nicht bis zur Annagelungsstelle des Kreuzarmes reichte, mit Gewalt hinaufgezogen. Auch seine Füße wurden so bis an die Bohrlöcher hinabgestreckt, übereinander gelegt und unterhalb der Schienbeine jeder Fuß für sich an den Kreuzstamm wie die Hände festgenagelt. Die Nägel wurden durch die harten Knochen hindurch getrieben.

4. Beim ersten Hammerschlag wurde Ich vor Schmerz meinen Sinnen beraubt. Wieder zurückgekommen, sehe Ich meinen Sohn am Kreuz erhöht und höre, wie von den Zuschauern einer zum andern spricht: "Was hat dieser Mensch verschuldet? einen Diebstahl, Raub oder Meineid?" Andere rufen: "Er ist ein Betrüger."

Seine Dornenkrone war Ihm so fest über das Haupt geschlagen, dass sie zur Mitte der Stirne herabreichte. Aus den Wunden der Dornspitzen rann das Blut in Strömen über sein Antlitz; die Augen, Haupt- und Barthaare waren so mit Blut getränkt, dass Ich an meinem Sohn nur Blut erblicken konnte. Er selber konnte Mich, die Ich so nah am Kreuze stand, nicht erkennen, außer wenn Er seine Wimpern zusammen presste und sich so das Blut aus den Augen drückte.

5. Er empfahl Mich seinem Jünger und rief mit aus tiefster Brust geholter Stimme, sein Haupt aufhebend, seine tränenvollen Augen zum Himmel richtend: "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?" Ach diese Stimme hörte Ich immer und immer, solange Ich noch auf Erden lebte und bis Ich in den Himmel aufgenommen wurde; denn Ich fühlte, wie Er aus Mitleid mit Mir, nicht Seinetwegen sie erhoben hatte.

Totenblässe überzog alle Teile seines Leibes, soweit sie vor dem Blut noch sichtbar waren. Die Wangen klebten an den Zähnen. Die Rippen waren an den schmalgedehnten Seiten zu zählen. Die Weichen zogen sich an die Wirbelsäule; die Glut der Peinen hatte alle Feuchtigkeit vertrocknet. Die Nase wurde spitz. Das Herz war am Zerspringen. Der ganze Leib erbebte und Kinn und Bart fiel auf die Brust herab. Ich aber sank wie tot zur Erde nieder.

6. Mein Sohn hatte ausgehaucht. Der Mund stand offen. Die erstarrte Zunge, die Zähne, das Blut im Mund wurde sichtbar. Die halbgeschlossenen Augen schauten herab. Der entseelte Leib war nach abwärts gesunken, die Knie nach der Seite gebogen, die Fersen um die Nägel, wie um Angeln gedreht.

In meiner Nähe wurden Spottreden laut, wie: "O Maria, dein Sohn ist tot!" Andere Bessergesinnte sprachen: "O Frau, nun ist die Pein deines Sohnes in ewige Herrlichkeit verwandelt!"

7. Darnach wurde die Seite durchbohrt, und beim Herausziehen der Lanze zeigte sich dunkelrotes Blut an der Spitze zum klaren Beweis, dass das Herz durchstoßen war. Der Stich der Lanze war auch durch mein Herz hindurchgegangen, und es war ein Wunder, dass es nicht zersprang.

Als die Menge sich entfernte, konnte Ich Mich nicht von meinem Sohn trennen; aber Ich empfand wie Trost, dass Ich seinen vom Kreuz abgenommenen Leib umarmen, auf meinen Schoß nehmen, seine Wunden betrachten und vom Blute reinwaschen konnte. Mit meinen Fingern schloss Ich seinen Mund und drückte Ihm die Augen zu. Die erstarrten Arme konnte Ich nicht biegen, sie darum nicht über die Brust, sondern über dem Unterleib kreuzen. Auch die Knie ließen sich nicht gerade strecken, sondern blieben aufgezogen, wie sie am Kreuz erstarrt waren.

8.(6. c.11) Auch die Gottheit meines Sohnes, die sich nie von Ihm trennte, auch nicht bei seinem Tod, schien in jener Todesstunde wie mitzuleiden, wiewohl die Gottheit, weil leidensunfähig und unveränderlich, weder Schmerz noch Pein erleiden kann. Mein Sohn aber, obwohl unsterblich seiner Gottheit nach, litt den Schmerz in allen Gliedern und in seinem Herzen; auch seine unsterbliche Seele litt, da sie aus dem Leib schied. Die Engelscharen erschienen voll Trauer, da sie Gott in seiner menschlichen Natur auf Erden leiden sahen. Wie aber können die unsterblichen Engel trauern? Sie trauerten wie der Gerechte, der seinen Freund in Leiden sieht, aus denen für ihn eine große Herrlichkeit hervorgehen soll. Wohl freut er sich über die zu erhoffende Herrlichkeit, aber er trauert doch über das Leiden. So waren die leidensunfähigen Engel in Trauer über die Peinen meines Sohnes, aber sie frohlockten über seine nahe Verherrlichung und über den Gewinn, den auch sie aus seinem Leiden empfangen sollten. Auch alle Elemente trauerten. Sonne und Mond gaben ihren Schein nicht mehr; die Erde erbebte, die Felsen barsten, und die Gräber öffneten sich. Auch die Helden, wo immer sie waren, gerieten in Angst, weil sie im Herzen einen unerklärlichen Stachel von Schmerz empfanden. Selbst das Herz der Kreuziger meines Sohnes wurde in jener Stunde in Angst versetzt; doch nicht zu ihrem Heil. Die unreinen Geister waren in jener Stunde voll Bestürzung und scharten sich angstvoll zusammen. Die Seelen in Abrahams Schoß wurden mit solcher Betrübnis erfüllt, dass sie lieber ewig in der Vorhölle bleiben, als an ihrem Herrn solche Marter erblicken wollten.

Welchen Schmerz aber Ich erduldet, die Ich meinem Sohn als seine jungfräuliche Mutter, zur Seite stand, dies vermag kein Mensch zu fassen. Darum, meine Tochter, sei allzeit eingedenk des Leidens meines Sohnes, fliehe die unbeständige Welt, die nur Schein und eine rasch verwelkende Blume ist.

9. (2. c. 21) Lass auch nie deinem Gedächtnis entschwinden, wie es Mir zumute war, als die Glieder meines Sohnes starr und kalt wurden und sein Blut, das während der Passion aus seinen Wunden strömte, auf allen Gliedern gerann und kleben blieb, und als seine Seite so hart und grausam durchbohrt wurde, dass der Lanzenstich mitten durch das Herz hindurch bis an die Rippen drang. Denke daran, was Ich empfand, als Er vom Kreuz abgenommen wurde. Die zwei, welche Ihn vom Kreuz herab nahmen, legten drei Leitern an: die erste reichte bis an die Füße, die zweite bis unter die Achselhöhlen und Arme, die dritte bis zur Höhe der Brust. Einer stieg hinauf und fasste meinen Sohn um die Mitte des Leibes; der andere schlug, auf einer Leiter stehend, zuerst den Nagel aus der rechten; dann wendete er die Leiter um und schlug den Nagel aus der linken Hand; beide Nägel standen weit über die Rückseite des Kreuzes hinaus. Dann stieg der, welcher die Last des Leibes in seinen Armen hielt, langsam und vorsichtig nieder, soweit es möglich war, bis der zweite die Nägel aus den Füßen geschlagen hatte. Nun hoben sie den Leib herab, indem der eine das Haupt, der andere die Füße hielt. Ich aber, seine Mutter, fasste die Mitte des Leibes. Und so hoben wir zu drei den Leib auf einen Stein, den Ich mit reiner Leinwand überdeckt hatte, und auf dem wir den Leib in Tücher einschlugen, diese aber nicht zunähten. Denn Ich wußte für gewiss, dass er im Grab die Verwesung nicht schauen werde. Maria Magdalena und die anderen heiligen Frauen waren zugegen und Engel, zahllos wie die Sonnenstäubchen, welche ihrem Herrn und Erschaffer Anbetung und Ehre darbrachten.

Welche Trauer aber mein Herz erfüllte, das vermag keine Zunge auszusprechen. Ich war gleich einer Gebärenden, deren Glieder zittern und beben, und die, obwohl von Schmerz kaum fähig, nur zu atmen, doch im Herzen, soweit möglich, sich freut, dass ihr Kind nun geboren ist, um nie mehr in das Elend zurückzukehren, das es nun verlassen hat. So ging es Mir. War auch meine Trauer über den Tod meines Sohnes unbegreiflich bitter, so war doch meine Seele in der Gewissheit, dass mein Sohn nicht mehr sterben, sondern ewig leben werde, nicht ohne Trost; so mischte sich in meinen Schmerz auch eine Freude.

In Wahrheit aber kann Ich sagen, dass, als mein Sohn im Grab lag, zwei Herzen in demselben Grab verschlossen waren. Denn wie es heißt: wo dein Schatz, da ist dein Herz, so war mein Herz und all mein Denken beständig im Grab meines Sohnes.

Worte Jesu Christi: (Extrav. c. 3) Die ganze Menschheit ist gleich einer Stadt, welche von vier Seiten her vom bösen Feind belagert wird; denn durch vierfache Sündhaftigkeit bekommt er den Menschen in seine Gewalt: durch den Ungehorsam gegen das göttliche Gebot, durch die Übertretung des natürlichen Gesetzes, durch die verderbliche BegierIichkelt und durch die Verhärtung des Herzens. Meine heiligste Mutter aber hat die Menschheit von dieser vierfachen Gefahr befreit, indem sie ihren Willen ganz und gar in meine Hände gab und bereitwilligst jegliche Trübsal erduldete, damit die Seelen erlöst würden. Denn das ist die wahre himmlische Weisheit, sein ganzes Wollen und Können an Gott zu übergeben und sich selbst der Trübsale um Gottes willen zu erfreuen. Wegen dieser Gleichförmigkeit ihres Willens mit dem göttlichen bin Ich, Gott von Ewigkeit und Gottes Sohn, in der Jungfrau Mensch geworden, deren Herz wie eines mit dem meinigen gewesen ist. Und darum kann Ich in Wahrheit sagen: meine Mutter und Ich haben wie mit einem Herzen die Menschheit erlöst: Ich durch Leiden im Herzen und im Fleische; sie aber durch den Schmerz und die Liebe ihres Herzens.

10. Wie heutzutage Jesus Christus geistigerweise gekreuzigt wird.

1. (1. c. 30) Alles habe Ich zum Besten des Menschen erschaffen, auf dass alles ihm diene und ihn erbaue; allein der Mensch missbraucht alles zu seinem Verderben, und er kümmert sich weniger um Gott und liebt Ihn weniger als die Geschöpfe.

Bei meinem Leiden haben Mir die Juden drei Arten von Peinen bereitet: erstens durch das Holz, an das Ich geheftet, durch die Ruten, mit denen Ich gegeißelt, und durch die Dornen, mit denen Ich gekrönt wurde; zweitens durch das Eisen, mit welchem meine Hände und Füße durchbohrt wurden; und drittens durch die Galle, mit der sie Mich tränkten. Sie lästerten Mich auch als einen Toren, weil Ich freiwillig den Tod erduldete, und als einen Lügner wegen meiner Lehre.

Solcher Lästerer sind aber heutzutage gar viele in der Welt; und nur wenige sind es, die Mir noch Trost bereiten. Sie kreuzigen Mich durch vorsätzliche Sünden, sie geißeln Mich durch Zorn und Ungeduld, da niemand auch nur ein Wort aus Liebe zu Mir ertragen will. Sie krönen Mich mit den Dornen ihres Hochmuts, indem sie sich über Mich erheben wollen. Sie durchbohren Mir Hände und Füße mit dem Eisen ihrer Verhärtung, in der sie sich ihrer Sünden rühmen und sich alle Furcht vor Mir aus dem Herzen bannen. Als Galle bieten sie Mir ihre Lästerungen, und für mein so willig erduldetes Leiden nennen sie Mich einen Lügner und Toren. Wohl bin Ich mächtig genug, um sie und die ganze Welt für ihre Sünden versinken zu lassen, so Ich wollte; dann aber würden Mir die Überlebenden nur aus Furcht dienen, was gegen meine Gerechtigkeit wäre, in der Ich will, dass der Mensch Mir aus Liebe diene. Käme Ich aber in Person und sichtbar zu ihnen, so würden ihre Augen meinen Anblick und ihre Ohren meine Stimme nicht zu ertragen vermögen; denn wie könnte der sterbliche Mensch seinen unsterblichen Herrn und Gott mit den Sinnen des Leibes vernehmen? Darum wollte Ich gern noch einmal aus Liebe für die Menschen den Tod erleiden, wenn es möglich wäre.

O mein Sohn, fleht die seligste Jungfrau, um deiner Liebe willen erbarme Dich deiner Geschöpfe! Und der Herr erwidert: "Um Deinetwillen will Ich noch einmal Barmherzigkeit ergehen lassen. "

2. (1. c. 37) Mein Sohn, wahrer Gott und wahrer Mensch, war von zartester und reinster Beschaffenheit des Leibes, dass, wie an einem klarsten Augapfel kein Fleckchen, so an Ihm nicht der geringste Mangel zu finden war. Auch war Er ganz und gar sündelos. Wenn andere Kinder außer den eigenen Sünden nicht selten auch die Sünden ihrer Eltern an sich tragen, so war mein Sohn von jeder Sünde frei; aber Er nahm die Sündenschuld der ganzen Welt auf sich. Wenn endlich manche um Gottes und einer höheren Belohnung willen den Tod erleiden, so starb mein Sohn ebenso für seine Feinde wie für Mich und seine Freunde.

Als seine Feinde Ihn ans Kreuz schlugen, da taten sie an Ihm ein Vierfaches: Sie krönten Ihn mit Dornen; sie durchbohrten seine Hände und Füße; sie gaben Ihm Galle zu trinken; sie durchstachen seine Seite.

Jetzt aber muss Ich klagen, dass mein Sohn von seinen Feinden in dieser Welt heutzutage grausamer gekreuzigt wird, als es von den Juden geschehen war. Wenn auch seine Gottheit des Leidens und Sterbens nicht fähig ist, so kreuzigen sie Ihn doch durch ihre Laster. Wenn jemand das Bild seines Feindes beschimpfen und verletzten würde, so würde er, wenngleich das Bild diese Unbilden nicht empfinden könnte, doch um seiner bösen Absicht willen einer tatsächlichen Beschimpfung und Beschädigung überführt und danach gerichtet werden. Und so sind auch die Laster, mit welchen die heutigen Feinde meinen Sohn auf geistige Weise kreuzigen, vor Ihm verdammenswerter und schwerer als die Schuld jener, die Ihn leiblich ans Kreuz geschlagen hatten; denn auch sie kreuzigen Ihn in Wahrheit. Sie binden Ihn ans Kreuz, das sie Ihm damit bereiten, dass sie sich um die Gebote ihres Herrn und Schöpfers nicht kümmern, dass sie Ihm die Ehre rauben und die Ermahnungen, Ihm zu dienen, welche Er ihnen durch seine Diener gibt, verachten und tun, was ihnen beliebt.

Sie schlagen ferner seine Rechte ans Kreuz, indem sie seine Gerechtigkeit für Ungerechtigkeit ausgeben, indem sie sprechen: "Die Sünde ist vor Gott nicht so schwer und Ihm nicht so verhasst, wie gepredigt wird. Gott legt auch keine ewige Strafe auf; Er droht nur damit, um Furcht einzujagen. Wozu hätte Er denn den Menschen erlöst, wenn Er wollte, dass er ewig verdammt werde?" Sie wollen gar nicht daran denken, wie schon eine kleine Sünde, von der ein Mensch nicht lassen will, hinreicht, um ewig für sie bestraft zu werden. Denn wie Gott die geringste gute Tat nicht unbelohnt lässt, so lässt Er auch die kleinste Sünde nicht unbestraft. Darum wird ihre Strafe eine ewige sein, weil auch ihr Wille, zu sündigen, kein Ende hat und mein Sohn, der in die Herzen sieht, diesen ihren Willen als Tat anrechnet; denn geradeso, wie ihr Wille ist, so würden auch ihre Werke sein, wenn mein Sohn es zulassen würde. Ferner schlagen sie seine Linke ans Kreuz, weil sie die Tugend zum Laster verkehren, um bis zum Ende in der Sünde verharren zu können; denn sie sprechen: "Wenn wir nur einmal beim Sterben ausrufen: Erbarme Dich meiner, o Gott, dann erlangen wir Verzeihung. So groß ist die Barmherzigkeit Gottes." Das aber ist keine Tugend: sündigen wollen und sich nicht bekehren, einen Lohn empfangen wollen ohne Arbeit. Nur dann wäre Vergebung noch möglich, wenn wahre Zerknirschung im Herzen wäre mit dem festen Vorsatz, sich zu bessern, so weit bei der Schwäche des Leibes oder bei anderen Schwierigkeiten die Besserung noch auszuführen wäre.

Dann kreuzigen sie seine Füße, indem das einzige Verlangen ihres Herzens nur darauf gerichtet ist, wie sie ihre sündhaftesten Gelüste befriedigen könnten, ohne dass sie nur ein einziges Mal an das bittere Leiden meines Sohnes denken und Ihm nur ein einziges Mal aus des Inneren ihres Herzens mit den Worten dafür danken: "Wie bitter war dein Leiden, o Gott! Lob und Preis sei Dir für deinen Tod!" Ein solches Wort aber kommt nie aus ihrem Munde.

Sie krönen meinen Sohn auch mit der Krone des Spottes, indem sie seine Diener verlachen und es für Torheit ausgeben, Ihm zu dienen.

Sie reichen Ihm Galle zu trinken, indem sie sich über ihre Sünden freuen und brüsten. Und nie steigt in ihnen der Gedanke an die Größe und die Menge ihrer Sünden auf.

Sie durchbohren seine Seite mit ihrem Willen, in der Sünde zu verharren. Ich sage dir aber, und sage du es laut vor meinen Freunden, dass solche Menschen vor meinem Sohn noch ungerechter sind als seine Verurteiler, grausamer als seine Kreuziger, schamloser als seine Verkäufer, und dass ihnen eine noch größere Strafe als diesen gebührt. Pilatus wußte wohl, dass mein Sohn keiner Sünde schuldig sei und durch nichts den Tod verdient habe; aber weil er den Verlust seiner zeitlichen Macht und den Aufruhr der Juden fürchtete, darum verurteilte er wie gegen seinen Willen meinen Sohn zum Tod. Was aber hätten jene zu fürchten, wenn sie Ihm dienen würden? Was hätten sie an Ehre und Würde einzubüßen, wenn sie Ihm die Ehre geben würden? Darum werden sie strenger gerichtet werden; und sie sind schlechter als Pilatus in den Augen meines Sohnes, weil dieser nur auf das Drängen und nach dem Willen anderer Ihn mit gewisser Angst zum Tod verurteilt hat.

Sie aber verurteilen Ihn ohne Furcht aus eigenem Willen, indem sie Ihm durch ihre Sünden die Ehre rauben, deren sie sich leicht enthalten könnten, wenn sie nur wollten. Aber sie lassen nicht ab von der Sünde, noch empfinden sie Scham über ihre Missetaten; denn sie denken nicht daran, wie unwürdig sie der Wohltaten meines Sohnes sind, dem sie ihren Dienst verweigern.

Sie sind auch schlechter als Judas, der es nach dem Verrat seines Meisters wohl empfand, dass Er der Sohn Gottes sei und dass er sich schwer wider Ihn versündigt habe. Aber er verzweifelte und henkte sich und beschleunigte seine Lebenstage nach der Hölle zu, indem er sich für unwürdig hielt, noch länger zu leben. Diese aber kennen wohl ihre Sünden und verharren doch darin, ohne im Herzen Reue über sie zu empfinden. Sie wollen mit Gewalttätigkeit das Reich der Himmel in Besitz nehmen, indem sie wähnen, nicht durch Werke, sondern durch vermessenes Vertrauen das Reich empfangen zu können, das keinem zuteil wird, der nicht arbeitet und etwas leidet für Gott.

Sie sind auch schlechter als die Kreuziger, welche doch bei Wahrnehmung der Wundertaten meines Sohnes, der Totenerweckungen und Krankenheilungen, bei sich dachten: Er tut Unerhörtes, Wunderbares, Außerordentliches! Er wirft zu Boden mit einem Wort, wen Er will! Er kennt unsere Gedanken, unsere geheimsten Absichten! Er kann, was Er will! Hat Er Gelingen, dann werden wir uns alle seiner Macht unterwerfen und Ihm untertänig sein. Aber um sich nicht unterwerfen zu müssen, schlugen sie Ihn aus Neid ans Kreuz. Hätten sie gewusst, dass Er der König der Herrlichkeit sei, so hätten sie Ihn niemals ans Kreuz geschlagen. Jene aber sind Tag für Tag die Zeugen seiner großen, wunderbaren Werke, sie leben von seinen Gaben, sie hören, wie sie Ihm zu dienen haben, wie sie zu Ihm kommen sollen; aber sie sprechen bei sich: soll man alle zeitlichen Güter verlassen, soll man seinen Willen, nicht den eigenen tun; das ist zu hart, zu unerträglich. Darum verachten sie seinen Willen, um sich Ihm nicht zu unterwerfen; sie kreuzigen meinen Sohn durch ihre Verhärtung, und gegen ihr eigenes Gewissen häufen sie Sünde auf Sünde. Und so sind sie schlechter als die Kreuziger; denn die Juden handelten aus Neid und weil sie nicht erkannten, dass mein Sohn Gott sei. Sie aber wissen, dass Er Gott ist; aber aus Bosheit und Vermessenheit und um ihrer Begierlichkeit willen kreuzigen sie Ihn geistigerweise viel bitterer, als die Juden Ihn leiblich gekreuzigt haben; denn sie sind Erlöste, während die Juden der Erlösung noch nicht teilhaftig waren.

Darum, meine Tochter, gehorche meinem Sohn und fürchte Ihn; denn wie barmherzig Er ist, so gerecht ist Er auch.

11. Ein wundersames Gleichnis von der Barmherzigkeit Gottes

1. (1. c. 21) Jesus redet zur Braut, welche für einen Sterbenden zu beten hatte, in folgendem Gleichnis: Zu einem Zauberer, der sehr schönes, glänzendes Gold besaß, kam ein einfacher, gütiger Mann und begehrte, das Gold zu kaufen. Der Zauberer aber sagte: "Du kannst das Gold nicht haben, außer du gibst mir dafür mehr und besseres Gold." Jener erwiderte: "Ich habe ein solches Verlangen nach deinem Gold, dass ich, ehe ich es missen wollte, dir dafür gebe, soviel du verlangst." Und so gab er dem Zauberer mehr und besseres Gold; das erkaufte aber verschloss er in einem Schrein mit dem Gedanken, sich davon einen Ring an den Finger zu machen. Nach kurzer Zeit aber kam der Zauberer und sagte ihm: "Das Gold, das du von mir gekauft und in deinen Schrein gelegt hast, ist kein Gold, wie du glaubst, sondern eine sehr hässliche Kröte, die ich an meiner Brust aufgezogen und aus meinem Mund genährt habe. Damit du dich aber selbst überzeugen mögest, so mach den Schrein auf, und du wirst sehen, dass die Kröte sogleich auf meine Brust hüpfen wird, an der sie aufgezogen worden." Kaum war der Mann im Begriff, den Kasten, dessen Deckel sich in vier Angeln bewegte, zu öffnen, als die Kröte zum Vorschein kam und beim Anblick des Zauberers diesem mit einem Satz auf die Brust hüpfte. Als die Diener und Freunde des Mannes dies wahrnahmen, sprachen sie: "Das schöne Gold liegt in der Kröte, und wenn du willst, so kannst du es leicht wieder erhalten." "Wie könnte ich dies?" Sie antworteten: "Wenn jemand die Kröte mit einem scharfen, glühenden Eisen in den Rücken stechen will, so kann er da, wo der Rücken eine Höhlung bildet, den Schatz leicht finden. Sollte er aber diese hohle Stelle nicht treffen, so muss das Eisen mit aller Gewalt in die Kröte gestoßen werden, dann wird das gekaufte Gold sich finden."

Dieser Zauberer ist der Teufel, welcher die Menschen zu den Ehren und Lüsten der Welt verleitet, die nicht besser sind, als eine Kröte. Er gibt die Lüge für Wahrheit und die Wahrheit für Lüge aus; denn er ist im Besitz des kostbaren Goldes, d. i. der Seele, welche Ich durch die Macht meiner Gottheit herrlicher als alle Sterne und Planeten und unsterblich und unvergänglich für Mich zu höherer Freude als die übrigen Geschöpfe erschaffen und der Ich bei Mir eine ewige Ruhe und Wohnung bereitet habe. Sie habe Ich auch um einen viel höheren und edleren Preis aus der Gewalt des Teufels erkauft, da Ich für sie meinen sündelosen Leib dahin gegeben und mein bitterstes Leiden erduldet habe, in welchem alle Glieder meines Leibes mit Wunden bedeckt wurden. Die so von Mir losgekaufte Seele verbarg Ich im Schrein ihres Leibes, bis Ich sie in die Herrlichkeit meiner Gottheit erheben werde. Nun aber ist die so teuer erkaufte Seele wie eine verworfene hässliche Kröte geworden, indem sie sich in Hoffart erhob und sich in den Schlamm der Ausschweifung untertauchte; auch hat sie Mir all mein Gold, d. i. alle meine Gerechtigkeit geraubt. Darum konnte Mir der Teufel mit Recht zur Antwort geben: "Das Gold, das Du gekauft, ist nicht mehr Gold, sondern eine Kröte, die ich an meiner Brust mit schändlicher Lust genährt habe. Trenne also den Leib von seiner Seele, und Du wirst sehen, wie schnell sie an meine Brust fliegen wird, an der sie mit Lüsten genährt worden ist." Ich antwortete ihm aber: "Weil die Kröte hässlich von Aussehen, weil schreckhaft ihre Stimme und giftig ihre Berührung und weil sie für Mich nichts Wohlgefälliges und Liebliches an sich hat, sondern nur für dich, an dessen Brust sie genährt worden, darum bleibe sie dir, dem sie nach Recht gehört. Ist der Schrein geöffnet, d. i. die Seele vom Leib getrennt, dann soll sie dir nur zufliegen, um ewig bei dir zu bleiben."

2. So beschaffen, meine Braut, ist die Seele des Mannes, von dem Ich jetzt zu dir rede. Sie ist wie die hässlichste Kröte, voll Unreinigkeit und sündhaftester Lust, genährt an der Brust des Teufels. Ich nähere Mich jetzt dem Schrein ihres Leibes, welcher in vier Angeln hängt, durch die Annäherung des Todes. Der Leib nämlich besteht durch vier Dinge: durch die Stärke, die Schönheit, die weise Ordnung und das Antlitz, welche alle nun zu schwinden beginnen. Ist dann vom Leib die Seele geschieden, dann fliegt sie sogleich zum Teufel, von dessen Milch sie sich genährt hat, indem sie meiner Liebe nie gedenken wollte, in der Ich für sie die von ihr verdiente Strafe auf Mich genommen habe. Niemals hat sie Mir durch Gegenliebe meine Liebe vergelten wollen; und außerdem raubte sie Mir meine Gerechtigkeit, da sie Mir als ihrem Erlöser doch mehr hätte dienen sollen als einem anderen. Ihr ganzes Verlangen ist aber mehr dem Teufel zugewendet. Die Stimme ihres Gebetes ist Mir wie das Quaken der Kröte, ihr Aussehen ist Mir zum Abscheu, ihr Gehör soll nie meine Freude vernehmen, ihre giftige Berührung sich nie meiner Gottheit nähern.

Doch weil Ich barmherzig bin, würde die Seele, so unrein sie auch ist, wenn jemand sie anrühren und nachsehen wollte, ob sie noch einer Reue und einer guten Regung fähig ist, und wenn er ihr Herz mit einer scharfen, glühenden Lanzenspitze, d. i. mit der Furcht vor meinem strengen Gericht, verwunden wollte, doch noch meine Gnade erlangen, wenn sie dieselbe annehmen will. Und wäre gar keine Reue, noch Liebe in ihr, es würde sie aber jemand durch strengsten Tadel und harte Verweise aufrütteln, so wäre für sie noch Hoffnung, weil, solange eine Seele im Leib weilt, meine Barmherzigkeit für alle noch offen steht.

Bedenke also, dass Ich aus Liebe gestorben bin und dass niemand Mir diese Liebe vergilt, sondern Mir meine Gerechtigkeit raubt, die fordert, dass die Menschen um so tugendhafter leben, je martervoller Ich sie erlöst habe. Sie wollen aber jetzt um so schlechter leben, je schmerzensreicher Ich sie erlöst habe; sie wollen um so vermessener sündigen, je deutlicher Ich ihnen die Verwerflichkeit der Sünde gezeigt habe. Darum siehe und erwäge, dass Ich nicht ohne Ursache zürne, weil sie sich meine Gnade zum Zorn verkehren. Ich habe sie von der Sünde losgekauft; sie aber verstricken sich immer tiefer in Sünden. Darum wolle du, meine Braut, Mir bezahlen, was du Mir schuldest, d. i. deine Seele für Mich rein erhalten.

12. Die Langmut Gottes gegen die Sünder

1. (1. c. 22) Als die Braut zur seligsten Jungfrau flehte: Über zweierlei bin ich in Furcht und Trauer: über meine Sünden, weil ich sie nicht genugsam beweine und mich nicht so bessere, wie ich es wünschte, und über die große Menge der Feinde deines Sohnes; da empfing sie die Antwort: Für deine erste Befürchtung reiche ich dir drei Heilmittel: Bedenke, dass alles Lebende, auch die niedrigsten Tiere, von Beschwerden nicht frei sind, wenn sie gleich nicht ewig leben, sondern mit dem Tod ihres Leibes für immer erlöschen. Deine Seele aber lebt in Ewigkeit. Fürs zweite gedenke der Barmherzigkeit Gottes. Kein Mensch ist ein so großer Sünder, dass er, wenn er mit wahrer Reue und dem festen Vorsatz, sich zu bessern, um Verzeihung seiner Sünden bittet, diese nicht erhalten könnte. Fürs dritte gedenke der großen Herrlichkeit einer Seele, die mit Gott und in Gott ohne Ende ewig leben wird.

Auch für deinen Schmerz über die Menge der Feinde meines Sohnes gebe ich dir ein dreifaches Mittel. Erstens erwäge, dass dein Gott und Schöpfer ihrer aller Richter ist und dass sie selber über Ihn nie mehr zu Gericht sitzen werden, wenn Er auch noch so langmütig zur Zeit ihre Bosheit erträgt. Zweitens erwäge, dass sie Kinder der Verdammnis sind und wie schrecklich und unerträglich es für sie sein wird, im ewigen Feuer brennen zu müssen. Sie sind die unglückseligsten Sklaven, ewig ausgeschlossen vom Erbe des Himmels, welches nur den Kindern Gottes zuteil werden kann. Soll ihnen aber nicht gepredigt werden? Ja! sage Ich, denn unter den Gottlosen leben auch Fromme. Auch die an Kindes Statt von Gott Aufgenommenen weichen nicht selten vom rechten Wege ab wie der verlorene Sohn, der in fernem Land so übel gelebt hat; doch wenn sie durch die Predigt erschüttert werden, kehren sie wieder zum Vater zurück und werden Ihm teurer, als sie es vor ihrer Versündigung waren. Darum muss allen nur um so eifriger gepredigt werden. Sieht auch ein Prediger, dass fast alle seine Zuhörer sich in sehr schlechter Verfassung befinden, so muss er doch daran festhalten, dass unter ihnen auch manche sein können, welche wieder zum Vater zurückkehren werden. Und sagt er zu sich, um dieser willen predige ich mit Eifer und festem Vertrauen, dann wird sein Lohn ein herrlicher sein. Drittens wolle bedenken, dass den Bösen zugelassen wird, zur Bewährung der Guten zu leben, damit diese, welche durch die Sitten jener so sehr betrübt werden, den Lohn der Geduld empfangen können. Die Rose mag dir zum Gleichnis dienen. Sie ist wohlriechend, lieblich anzusehen und gar weich zu berühren, aber sie wächst doch unter den Dornen, die verletzend, unschön und geruchlos sind. So können auch die Guten und Gerechten, welche sanft durch Geduld, schön an Sitten und liebenswürdig durch ihr gutes Beispiel sind, nicht voranschreiten und sich bewähren, außer unter den Bösen. Manchmal sind die spitzen Dornen der Rose zum Schutz, dass sie nicht vor der Zeit gebrochen wird; so werden auch die Bösen für die Guten manchmal eine Schranke, um nicht in Sünde zu fallen; oder ihre Bosheit hindert sie, sich unmäßiger Freude und deren verderblichen Folgen hinzugeben. Der Wein lässt sich nicht in seiner Güte erhalten, außer auf der Hefe; so können auch die Guten und Gerechten nicht in der Tugend beharren und fortschreiten, außer sie werden durch Trübsale und die Nachstellungen der Ungerechten geprüft.

Darum ertrage auch du mit Geduld die Feinde meines Sohnes und denke, dass Er ihr Richter ist, der, wenn es seine Gerechtigkeit erforderte, dass sie weggenommen werden, sie in einem Augenblick vernichten könnte. Ertrage sie also ebenso lange, als Er sie erträgt.

2. (1. c. 25) Worte Jesu Christi: Ich bin so langmütig gegen die Sünder, weil Ich barmherzig bin. Und meine Gerechtigkeit erträgt sie, auf dass ihre Zeit voll werde. Wie ein gerechter König auf die Frage, warum er die eingekerkerten Missetäter nicht hinrichten lasse, zur Antwort gibt: weil die Stunde des öffentlichen Gerichtes, bei welchem sie zur Warnung für alle verhört werden sollen, noch nicht gekommen ist; so ertrage auch Ich die Gottlosen, bis die Zeit für sie gekommen ist, da auch die anderen von ihrer Bosheit überzeugt werden sollen. Habe Ich nicht lange vorher die Verwerfung Sauls ausgesprochen, ehe sie den Menschen bekannt wurde? Ich habe ihn aber so lange ertragen, damit auch den anderen seine Bosheit offenbar würde. Ich ertrage sie ferner, weil sie einzelne gute Werke getan haben, für welche sie bis auf den letzten Punkt belohnt werden sollen. Das Geringste, das sie für Mich getan, soll belohnt werden, und sie sollen ihren Lohn auf Erden in Empfang nehmen. Ich ertrage sie endlich, dass die Ehre Gottes und meine Langmut offenbar werde. Darum ertrug Ich den Pilatus, Herodes und Judas, obwohl sie Verworfene waren. So möge jeder, der fragt, warum Ich diesen oder jenen ertrage, nur an Judas oder Pilatus denken. Ich verschone endlich die Gottlosen um meiner Barmherzigkeit willen. Die ewige Strafe ist gar lange; darum erträgt meine übergroße Güte die Schuldigen bis zum letzten Augenblick, damit der Antritt der ewigen Strafe durch möglich lange Verschiebung für sie ein späterer werde. Meine Barmherzigkeit erträgt sie ferner, damit ihre natürliche Kraft durch ihre Laster aufgerieben und dadurch der Todeskampf für sie nicht so lange und so bitter werde, als er es sein würde, wenn sie in voller Kraft von ihm ereilt würden. Ich ertrage sie endlich, damit durch sie die Guten bewährt werden und sie selber noch zur Bekehrung Zeit finden könnten. Die Bedrängnisse, welche gute und gerechte Menschen von den Bösen zu erfahren haben, sind für sie sowohl eine Schranke, um nicht selbst in die Sünde zu fallen, als auch eine Gelegenheit zu Verdiensten. Auch die Schlechten gereichen ihren Gleichgesinnten nicht selten zum Heil, indem manche von ihnen beim Anblick ihrer Bosheit und des unseligen Endes, das sie nehmen, auf den Gedanken gebracht werden: Was hilft es uns, den anderen auf dem Weg des Verderbens nachzufolgen? Da Gott so langmütig ist, ist es doch besser, dass wir uns zu Ihm bekehren! Und so kommen manche Verlorene wieder zu Mir zurück, indem sie sich entsetzen, es noch länger mit den Bösen zu halten, und ihr Gewissen ihnen keine Ruhe mehr lässt. Darum heißt es, der Skorpionenstich werde mit dem Öl geheilt, in weIchem ein anderer Skorpion den Tod gefunden. So sieht ein Böser das schreckliche Ende seines Genossen, er wird erschüttert, kommt zur Einsicht und wird gerettet.

13. Die Langmut und Güte Jesu Christi und seine Gerechtigkeit als Richter

1. (1. c. 55) Ich gleiche einem mächtigen König, der sich eine Stadt gründete, welche er nach seinem Namen benannte. In dieser Stadt erbaute er einen Palast mit den verschiedensten Gemächern zur Aufnahme alles Notwendigen. Als der Palast gebaut und mit allem wohl versorgt war, da teilte der König sein Volk in drei Ordnungen mit den Worten: "Meine Wege führen Mich in ferne Länder. Ihr aber habt hier zu bleiben und zu meiner Ehre zu arbeiten. Für alle eure Bedürfnisse und euren Unterhalt ist von Mir gesorgt. Ihr habt Richter, die euch Recht sprechen; ihr habt Verteidiger, die euch wider eure Feinde beschützen. Ich habe auch Arbeiter für euch bestellt, die euch nähren und Mir von ihrer Arbeit den zehnten Teil abliefern und zu meinem Nutzen und zu meiner Ehre aufbewahren sollen."

Nach Kurzer Zeit kam der Name der Stadt in Vergessenheit. Die Richter aber sprachen: "Unser Herr ist in ferne Länder gereist, lasset uns gerechte Urteile sprechen und die Gerechtigkeit üben, damit wir bei der Wiederkehr unseres Herrn bestehen und Ehre und Segnung dafür empfangen können." Die Verteidiger aber sprachen: "Unser Herr verlässt sich auf uns; denn uns hat er die Bewachung seines Hauses übergeben; wir wollen uns darum allen Überflusses an Speisen und Getränken enthalten, um nicht untauglich zum Kampf zu werden. Wir wollen uns vor unmäßigem Schlaf in Acht nehmen, damit wir nicht unversehens überfallen werden. Wir wollen immer wohl gerüstet und in beständiger Wachsamkeit bleiben, damit uns die anstürmenden Feinde nicht unvorbereitet finden. Auf uns nämlich ruht vorzüglich die Ehre unseres Herrn und das Wohl seines Volkes." Auch die Arbeiter sprachen: "Groß ist der Ruhm unsres Herrn, und herrlich wird unsere Belohnung sein; darum lasst uns tapfer arbeiten, damit wir ihm nicht bloß den zehnten Teil unserer Arbeit abliefern, sondern alles, was uns nach der Notdurft des Leibes noch übrig bleibt. Um so herrlicher wird unser Lohn sein, je größere Liebe er zu ihm an uns finden wird."

Wieder verging einige Zeit, und der Name des Königs der Stadt und seines Palastes geriet in Vergessenheit. Da sprachen die Richter unter einander: .. Die Abwesenheit unseres Herrn dauert gar lange schon. Wir wissen nicht, ob er wiederkehren wird oder nicht. Sprechen wir darum Recht nach unserem Willen und tun wir, was uns beliebt." Die Verteidiger sagten darnach: "Wir sind Toren, so wir uns plagen, ohne zu wissen, ob wir belohnt werden. Wir wollen lieber Frieden machen mit unseren Feinden, schlafen und mit ihnen trinken, denn wir brauchen uns nicht darum zu kümmern, wessen Feinde sie gewesen sind." Endlich sprachen die Arbeiter: "Wozu unser Geld einem anderen aufbewahren? Wir wissen ja nicht einmal, wer es nach uns besitzen wird! Es ist besser, wir verbrauchen es selber und tun damit, was uns gefällt! Geben wir den Zehnten davon den Richtern; dann lassen sie uns tun, was wir wollen."

Ja, Ich bin in der gleichen Lage, wie dieser mächtige König, der Ich Mir die Stadt, d. i. die Welt, gegründet und in ihr den Palast, d. i. meine Kirche, erbaut habe. Der Name der Stadt war "Weisheit Gottes", welchen Namen sie von ihrem Ursprung an erhielt; denn durch die Weisheit Gottes ist sie erschaffen worden. Dieser Name war in Verehrung bei allen, und Gott wurde um seiner Weisheit willen von seinen Geschöpfen gepriesen und verherrlicht. Jetzt aber ist der Name der Stadt verunehrt und umgeändert. Sie trägt jetzt den neuen Namen: "menschliche Weisheit". Die Richter, welche ehedem nach Gerechtigkeit und in der Furcht Gottes ihr Urteil sprachen, sind in Stolz und Hoffart verkehrt und urteilen über die einfältigen Menschen nach Ungerechtigkeit. Sie wollen als Redner erscheinen, um Menschenlob zu erhaschen; sprechen aber nur jenen zu Gefallen, bei welchen sie sich in Gunst zu setzen suchen. Um für gütig und milde gehalten zu werden, entschuldigen sie das Unrecht, nehmen auch Geschenke an und sprechen ungerechtes Urteil. Sie sind weise nur für ihren zeitlichen Vorteil und für ihre persönlichen Absichten; aber stumm, wo es sich um meine Ehre handelt. Die Einfältigen treten sie mit Füßen und machen sie mundtot. Ihre Habsucht kennt keine Grenzen, und das Recht machen sie zum Unrecht. Diese Art von Weisheit gilt heute allein; meine Weisheit aber ist vergessen und verachtet.

Die von Mir bestellten Verteidiger der Kirche, d. i. die Mitglieder der geistlichen und weltlichen Gerichtshöfe, kennen wohl meine Feinde und die Verfolger meiner Kirche; aber sie tun, als wüssten sie nichts von ihnen. Sie hören die Worte ihrer Schmähungen; allein sie kümmern sich nicht darum. Sie kennen und fühlen selber die Missetaten der Feinde und Verfolger meiner Gebote; aber sie nehmen sie ruhig hin. Sie sehen zu, wie diese Feinde ungestraft Tag für Tag alle Todsünden verüben; aber sie lassen sich davon nicht erschrecken. Sie schlafen; ja, sie pflegen Umgang mit meinen Feinden und verbinden sich durch Eide mit ihrer Gesellschaft. Die Arbeitenden, d. i. das gemeine Volk verachtet meine Gebote, verweigert mir Gaben und den Zehnten. Sie bringen den Richtern Geschenke, erweisen ihnen alle Untertänigkeit, um ihre Gunst und Nachsicht zu gewinnen. Ja, ich kann es kühn aussprechen: Das Schwert der Furcht Gottes und das Schwert meiner Kirche ist bei der Welt in Verachtung und statt seiner gilt nur der Geldsack.

2. (1. c. 56) Ich sagte: das Schwert meiner Kirche werde verachtet und statt dessen werde nur der Geldsack in Ehren gehalten. Dieser aber ist oben offen und nach unten so tief, dass, was hineinfällt, nicht auf den Grund kommen und der Sack nie voll werden kann. Der Sack ist die Begierlichkeit, welche kein Maß und keine Grenze kennt und die nun so übermächtig geworden ist, dass Gott verachtet und nur Geld und Befriedigung der Selbstsucht gesucht wird. Ich aber bin wie ein Herr, der zugleich Vater und Richter ist. Zu ihm als Richter rufen die um ihn Stehenden: "Komm schnell, o Herr, und halte Gericht!" Der Herr aber antwortet: "Harret noch ein wenig bis zum morgigen Tag, vielleicht bekehrt sich indessen mein Sohn und bessert sich." Am folgenden Tage aber rufen die Völker: "Komm, komm, o Herr, zum Gericht! Wie lange zögerst du schon mit dem Gericht und verschonst die Schuldigen!" Wieder entgegnet der Herr: "Wartet noch einmal, ob mein Sohn sich nicht bekehre! Dann aber, wenn er sich nicht bessert, werde ich tun, was Rechtens ist!"

So ertrage Ich in Langmut den Menschen bis zum letzten Augenblick; denn Ich bin Vater und Richter. Doch weil meine Gerechtigkeit wandellos ist, wenn sie gleich lange auf sich warten lässt, werde Ich entweder strafen, wenn die Sünder sich nicht bekehren, oder an dem Bekehrten meine Barmherzigkeit offenbaren.

Ich sagte dir auch, dass Ich mein Volk in drei Ordnungen geteilt: als Richter, als Verteidiger und als Arbeiter. Die Richter bedeuten die Geistlichen, weiche die göttliche Weisheit verkehren und zunichte machen, wie dies von jenen geschieht, welche viele Worte von Mir nehmen und sie in wenigen zusammenziehen, welche dann dasselbe besagen sollen wie die vielen. So nehmen die heutigen Geistlichen meine zehn Gebote und ziehen sie in eines zusammen, das lautet: Strecke aus deine Hand, und gib mir Geld! Das ist ihre Weisheit: schöne Worte machen und schlecht handeln; sich stellen, als dienten sie Mir; aber in Wirklichkeit wirken sie Mir entgegen. Für Gaben und Geschenke lassen sie die Sünder ruhig in den Sünden dahinleben. Die Einfältigen aber richten sie durch ihr schlechtes Beispiel zugrunde; jene aber hassen sie, welche auf meinem Weg wandeln.

Die Verteidiger der Kirche, d. i. die geistlichen Gerichte sind wie Ungläubige; denn sie brechen ihre Gelobungen und ihre Eide, indem sie jene, welche sich gegen den Glauben und die Verfassung meiner Kirche vergehen, ganz ruhig ertragen.

Die Arbeiter aber, d. i. die übrige Gemeinschaft, sind gleich unbändigen Stieren. Sie stampfen mit den Füßen das Erdreich auf; sie füllen sich zur Übersättigung und tun nur, was ihnen beliebt und wonach sie gelüstet. Alle ihre Wünsche und Begierden sind nur auf zeitliche Dinge gerichtet. Sie sind unmäßig, voll eitler Weltlust und schimpflichster Ausschweifung. Wie viele aber dieser meiner Feinde es sind, so habe Ich doch auch viele Freunde, wenngleich im Verborgenen. So konnte Ich auch zu Elias sprechen, der geglaubt hatte, er allein sei noch mein einziger Freund: "Ich habe siebentausend Männer, die vor Baal ihre Knie nicht gebeugt." So habe Ich auch jetzt noch unter den vielen Feinden doch meine verborgenen Freunde, welche täglich darüber weinen, dass meine Feinde so übermächtig geworden sind und dass mein Name so verachtet wird. Darum handle Ich wie ein liebreicher, gütiger König, der die bösen Taten seiner Stadt wohl kennt, aber in Langmut die Einwohner erträgt und an die Getreuen Briefe sendet, um sie vor der Gefahr zu warnen. So sende auch Ich meinen Freunden durch dich diese meine Worte, die nicht so dunkel sind, wie die geheime Offenbarung, welche Ich dem Johannes gegeben habe, damit sie durch meinen Geist zu der Zeit, da es Mir gefallen würde, deutlich erklärt würde. Meine Worte sind auch nicht so dunkel, dass sie nicht verkündet werden könnten, wie die unaussprechbaren Geheimnisse, welche Paulus geschaut hat, sondern sie sind so deutlich, dass klein und groß sie verstehen; so fasslich, dass ein jeder, der will, sie begreifen kann.

Darum sollen meine Freunde diese meine Worte auch an meine Feinde zu bringen suchen, damit sie vielleicht sich bekehren und durch Erkenntnis der ihnen drohenden Gefahr der Verwerfung über ihre Missetaten zerknirscht werden. Wenn nicht, so kommt das Gericht über die Stadt, d. i. über die Welt, der geschehen wird, wie einer Ringmauer, welche niedergerissen werden soll, so dass kein Stein auf dem anderen bleibt, und dass selbst in den Tiefen der Grundfeste kein Stein mit dem anderen mehr verbunden sein wird.

Die Richter werden brennen im ewigen Feuer. Kein Feuer aber brennt so stark, als das mit Fett genährte. Jene Richter aber waren sehr fett, da sie mehr als andere Gelegenheiten fanden, ihre Gelüste zu befriedigen, mehr als andere Ehre und Überfluss an Zeitlichem und mehr Bosheit und Ungerechtigkeit besaßen. Darum werden sie schmoren in der glühendsten Pfanne.

Die Verteidiger aber sollen am höchsten Galgen aufgehängt werden. Der Galgen besteht aus zwei aufrecht stehenden Balken und einem Querbalken gleich einer Oberschwelle und ist die härteste Strafe. Die beiden hohen Balken sind zugleich das Sinnbild ihrer Schuld. Der erste deutet an, dass sie auf keine ewige Belohnung von Mir gehofft und dafür nicht gearbeitet haben. Der zweite, dass sie an meine Macht und Güte nicht geglaubt, als könnte und wollte Ich ihnen nicht geben, was sie bedurften. Das Querholz ist ihr schlechtes Gewissen; sie wussten, was sie zu tun hatten, taten aber das Böse und scheuten sich nicht, gegen ihr besseres Wissen zu handeln. Der Strick, an dem sie hängen, ist das ewige Feuer, das kein Wasser, noch eine Feuerzange mehr löschen kann, das kein Ende mehr nimmt und durch die Länge der Dauer sich nicht mindert. An diesem schrecklichen Galgen und seinem unauslöschbaren Feuer werden sie hängen in der Schande als Verräter und im Gefühl ihres Elends, da sie Treulose gewesen. Sie werden nur Schmachreden zu vernehmen haben, da meine Worte ihnen nicht gefallen haben. Ein Weheruf wird aus ihrem Mund kommen, da nur die eigene Ehre und das Lob ihrer Person von ihnen gesucht war. Die Raben, d. i. die bösen Geister, werden sie zerfleischen, die nie satt werden. Sie werden zerfleischt, aber nie aufgezehrt werden; in ihren Qualen leben sie ohne Ende, und ohne Ende leben ihre Peiniger. Ihr Wehe ist endlos und endlos ohne Milderung ihr Jammer. Wehe ihnen, dass sie geboren wurden! Wehe ihnen, dass ihr Leben verlängert worden!

Das dritte Gericht trifft die Arbeiter als unbändige Stiere, welche ein hartes Fell und Fleisch besitzen; darum ist ihr Gericht das schärfste Eisen. Dieses Eisen ist der Tod der Hölle, welcher jene peinigen wird, die Mich verachtet und ihren Eigenwillen meinen Geboten vorgezogen haben.

Dieser Brief, d. i. meine Worte werden von dir aufgeschrieben; meine Freunde sollen sich bemühen, dass sie in kluger und verständiger Weise auch meinen Feinden zu Gesicht kommen, ob sie dieselben vielleicht beherzigen und dadurch zur Besinnung kommen wollen. Sollten aber einzelne diese Worte anhören und dann sprechen: "Warten wir noch eine Zeitlang! Das Gericht wird nicht so bald kommen, seine Zeit ist noch nicht da", dann schwöre Ich bei meiner Gottheit, welche den Adam aus dem Paradiese verwiesen, den Pharao mit den zehn Plagen heimgesucht hat, dass Ich schneller über sie kommen werde, als sie glauben.

Ich schwöre bei meiner Menschheit, die Ich, um die Menschen zu erlösen, sündelos aus der Jungfrau angenommen, in welcher Ich Trauer im Herzen, Martern am Leib und den Tod für das Leben der Menschen erduldet habe; in der Ich vom Tod erstanden und in den Himmel aufgefahren bin, wo Ich als wahrer Gott und wahrer Mensch in einer Person zur Rechten des Vaters throne, dass Ich meine Worte erfüllen werde.

Dann werden sie klar erkennen, dass Ich sie wie ein Vater ermahnt habe, dass sie Mich aber nicht anhören wollten. Wollen sie also diesen meinen Worten nicht gutwillig Glauben schenken, dann werden sie meinen Werken glauben müssen, wenn diese über sie kommen werden.

14. Das letzte Zeitalter. Der Antichrist

1. (6. c. 67) Worte Jesu Christi: Die Welt gleicht einem mit Sorgen beladenen und durch die Stürme der Versuchungen gefährdeten Schiff, das keinem darauf Befindlichen Sicherheit gewährt, bis er nicht im Hafen der ewigen Ruhe gelandet ist. Sie hat auch, wie ein Schiff, drei Teile: das Vorderteil, die Mitte, das Hinterteil. Damit will Ich dir die drei Zeitalter der Welt bezeichnen.

Das erste dauerte von Adam bis zu meiner Menschwerdung. Dieses wird durch das Vorderteil bedeutet; denn das erste Zeitalter war hoch durch die Gottesfurcht der Patriarchen, wunderbar durch die Erleuchtung der Propheten, stark durch die Befolgung des Gesetzes. Dieser Teil aber begann von der Zeit an allmählich zu sinken, da das Volk der Juden durch Verachtung meiner Gebote in Laster und Gottlosigkeit verfiel. Darum wurde es aus seiner Würde und aus seinem Besitztum verstoßen.

Der mittlere Teil des Schiffes wurde sichtbar, d. i. das zweite Zeitalter der Welt brach an, als Ich der Sohn des lebendigen Gottes Mensch werden wollte. Gleichwie die Mitte eines Schiffes sich mehr abwärts neigt, und niedriger ist, als Vorder- und Hinterteil, so begann mit meiner Ankunft im Fleisch die Predigt der Demut und aller Gottseligkeit. Durch lange Zeit hat in vielen diese Predigt Früchte getragen.

Jetzt aber nehmen Stolz und Gottlosigkeit überhand und das Andenken an mein bitteres Leiden ist wie erloschen. Darum hebt sich der dritte Teil des Schiffes zur Höhe, d. i. das dritte Zeitalter hat begonnen, das dauern wird bis zum Ende der Welt. Und in diesem letzten Zeitalter sende Ich durch dich (Birgitta) der Welt die Worte meines Mundes. Selig alle, welche diese meine Worte hören und befolgen. Wie Johannes in meinem Evangelium, das Ich ihm in den Mund gelegt, gesprochen: "Selig, die nicht gesehen und doch glauben", so spreche Ich heute: Selig in ewiger Seligkeit werden sein, welche diese meine Worte hören und befolgen!

Gegen Ende dieses Zeitalters wird der Antichrist geboren werden. Wie die Kinder Gottes aus der Ehe des Geistes geboren werden, so wird der Antichrist aus der Verbindung einer verfluchten Frau, einer vom Teufel regierten Wahrsagerin, mit einem verfluchten Mann geboren werden. Und der Teufel wird nach meiner Zulassung gleich im ersten Augenblick ihrer Entstehung die Frucht dieser Verbindung als sein Werk gestalten. Der Antichrist wird zu der Mir bekannten Zelt auftreten, in welcher die Ungerechtigkeit alles Maß überschritten haben und die Gottlosigkeit ins Unermessllche gewachsen sein wird. Bevor aber der Antichrist kommt, wird noch für manche Heldenvölker die Pforte des Glaubens aufgeschlossen werden. Danach aber, wenn die Christen die Ketzereien lieben und wenn von den Gottlosen das Priestertum und die Gerechtigkeit mit Füßen getreten wird, wird eben dieses das sicherste Anzeichen sein, dass der Antichrist sehr nahe ist.

2. (6. c. 34) Worte der heiligsten Jungfrau: Ich bin es, auf deren Bitten mein Sohn diese Worte seines Mundes, die Er von Ewigkeit vorher beschlossen, nun in die Welt sendet. Es lassen sich aber alle diese seine Worte auf zwei zurückführen: Wehe den sich Verhärtenden! Barmherzigkeit gibt es für alle, die sich demütigen!

Damit aber diesen seinen Worten Glauben geschenkt und sie nicht für eine nur menschliche Dichtung gehalten würden, erlangte Ich von meinem Sohn zu ihrer Beglaubigung das Siegel der Gewalt über die unreinen Geister.

Worte des Herrn: Gebenedeit seist du, meine Mutter! Du bist gleich einer Mutter, welche sich aussenden lässt, um für ihren Sohn eine Braut zu suchen. Denn so sende Ich Dich zu meinen Freunden, welche die Seelen der Auserwählten mit Mir in einer geistlichen Ehe, wie sie sich für Gott geziemt, verbinden sollen. Darum gebe Ich Dir die Gewalt, dass Du sie nach deinem Gutdünken auch anderen verleihen mögest. Du bist voll Erbarmen und darum vermagst Du meine Barmherzigkeit auf die Sünder herabzuziehen. Gesegnet ist, wer immer Dir dient; er wird weder im Tod, noch im Leben verlassen bleiben!

Worte der heiligsten Mutter: Es steht geschrieben, dass Johannes der Täufer der Vorläufer meines Sohnes war, der, solange er in der Wüste verweilte, den Menschen nicht sichtbar wurde. Wie Johannes der ersten Ankunft meines Sohnes, so werde Ich mit meiner Barmherzigkeit (Erscheinungen) der zweiten Ankunft meines Sohnes vorhergehen (La Salette, Lourdes, Fatima), da Er zu seinem strengen Gericht über die Lebenden und Toten erscheinen wird.

Wer von Mir die Macht über die unreinen Geister empfangen wird, der spreche in meinem Namen über die von den bösen Geistern Geplagten die Worte: Gott, der Vater mit dem Sohn und dem Heiligen Geist, der Schöpfer aller Dinge und der Richter über alle Geschöpfe, Er hat zu unserem Heil seinen vielgeliebten Sohn in den Schoß der Jungfrau gesendet. In Ihm befehle ich dir, unreiner Geist, dass du zu seiner Verherrlichung und auf die Fürsprache der Jungfrau Maria aus diesem Geschöpf ausfahrest, im Namen dessen, der aus der Jungfrau geboren wurde, nämlich des Herrn Jesus Christus, dem einen Gott mit dem Vater und dem Heiligen Geist! Amen!