Benedikt Baur: Liturgische Betrachtungen: II. Teil: Osterfestkreis. Sonntag Septuagesima bis Pfingsten

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Werde Licht !

Liturgische Betrachtungen an den Sonn- und Wochentagen des Kirchenjahres
II. Teil: Osterfestkreis. Sonntag Septuagesima bis Pfingsten

Benedikt Baur OSB, Erzabt von Beuron

Quelle: Benedikt Baur OSB, Werde Licht ! Liturgische Betrachtungen an den Sonn- und Wochentagen des Kirchenjahres, II. Teil: Osterfestkreis. Sonntag Septuagesima bis Pfingsten, Herder & Co. G.m.b.H. Verlagsbuchhandlung Freiburg im Breisgau 1942 (DIN 6; 511 Seiten, Sechste Auflage, Imprimatur Friburgi Brisgoviae, die 20 Augusti 1940 † Burger).

I. Teil: Advents- und Weihnachtszeit
III. Teil: Osterfestkreis. Die Nachpfingstzeit

Vorlage:Überarbeiten


I. DIE VORFASTENZEIT

Einführung.

In der Weihnachts- und Epiphaniezeit ist uns der Herr erschienen. Anbetend beugten wir der Herrlichkeit des uns gegenwärtigen Gottkönigs das Knie. "Gott betet an, ihr Seine Engel, jubelt Gott, ihr Lande all!" "Seht, der Gebieter, der Allmächtige ist da: in Seiner Hand ruht die Königsmacht und die Gewalt und die Weltherrschaft." "Kommt, laßt uns anbeten!"

Nun ist die Szene auf einmal gewechselt. Mit dem Sonntag Septuagesima entzieht sich unserem Auge die Herrlichkeit des großen Gottkönigs. Vor uns steht der leidende und sterbende Herr. Die Kirche will in ihrer Liturgie mit Ihm den Leidensund Todesweg gehen und so, mitleidend und mitsterbend, an Ostern das Leben des Auferstandenen empfangen.

Wir "sterben" in der heiligen Fastenzeit. Wir sterben der Sünde, der Welt und ihren Lockungen, dem Fleische und seinen Begierden, den Leidenschaften und verkehrten Neigungen. Dieses Sterben bedeutet für uns ein hartes Ringen, einen unablässigen Kampf, ein Leben der Abtötung, der Entsagung, des Leidens. Auf diesem Wege gehen wir der Herrlichkeit des neuen Lebens entgegen.

Wir sind dessen gewiß, daß wir in diesem Kampfe siegen, daß wir in diesem Sterben das Leben gewinnen werden. In uns lebt und kämpft und leidet ja Christus der Herr, das Haupt in den Gliedern.

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Einführung.

In Ihm sind wir des Sieges, der Auferstehung und des Lebens sicher.

Die Zeit von Septuagesima bis Ostern ist also

eine Zeit angestrengten, zielbewußten Kampfes gegen die verdorbene Natur, die Sünde, die Welt und das Fleisch. An der Hand der heiligen Liturgie nehmen wir täglich diesen Kampf auf. Durch Kampf zum Sieg! Durch den Tod zum Leben! "Non moriar, sed vivam - Ich sterbe nicht, ich werde leben."

Die liturgische Meßfeier des Sonntags Se p tu a g e s i m a.

I. Mit Septuagesima treten wir in den Osterfestkreis ein. Unsere Gedanken ziehen dem gnadenvollen Ostergeheimnis entgegen. Es schließt in sich Christi Passion, Seine Auferstehung und Verklärung. Mit Christus geht auch die Kirche, gehen wir alle in Seinen Tod, Seine Auferstehung und ewige Verklärung ein. Durch Kampf zum Sieg! Durch Trübsal, Mühe, Leiden und Sterben zur Auferstehung, zum neuen Leben, zum Osterleben des neuen Menschen und der ewigen OsterherrIichkeit im Himmel, zur vollendeten Auferstehung.

2. Am Sonntag Septuagesima wählte die alte Kirche aus der Zahl der (erwachsenen) Taufbewerber jene aus, die in der Osternacht im Empfang der heiligen Taufe ihre geistige Auferstehung feierIl sollen. Damit werden auch wir an unsere Berufung und Auserwählung erinnert und aufs neue unter die Zahl jener eingereiht, die bereit sind, als Getaufte, also Christo Angehörige, den Weg mit Christus zu teilen: durch Kampf zum Sieg, durch die Nacht des Leidens zur Osterseligkeit der Auferstehung! So entschließen wir uns mannhaft, in den Wettkampf einzutreten und alle Kraft aufzubieten, um den Preis zu erringen, den unverwelklichen Siegeskranz des ewigen Ostern. Führer und Vorbild für den Kampf ist uns der "Rostheilige" , der heilige Martyrer Lau ren ti u s. Wir sind in seiner Stationskirche um ihn versammelt und teilen seinen Kampf. Mit ihm beten wir den Introitus. Im Hintergrund leuchtet der erste und größte der Martyrer auf, Christus selbst, in das rote Gewand des eigenen Blutes gekleidet. Mit Ihm und mit der Ihm verbundenen heiligen Kirche gehen wir in den Kampf und

6 I. Vor~astenzeit: Septuagesima woche.

~prechen: "Todesstöhnen hielt mich umfangen; der Unterwelt Qualen umschlossen mich" (Introitus). Sühnend für unsere Sünden bitten wir: ,,\Venn wir auch für unsere Sünden gerechte Strafe leiden, so befreie uns doch erbarmend" (Oratio). Dann steigen wir mutig in die Rennbahn hinab und treten in den Wettkampf ein. Wir wollen es erreichen, das Ziel der ewigen Auferstehung (Ostern). Drum enthalten wir uns, züchtigen unsern Leib und bringen ihn in Dienstbarkeit (Epistel). Die Kraft, zu entsagen, zu laufen, zu kämpfen, erflehen wir von Gott, der keinen verläßt, der Ihn sucht, und der das demütige Rufen Seiner Diener nicht verschmäht (Graduale, Tractus). Mit den Katechumenen lassen wir uns heute aufs neue in den Weinberg berufen, zur mühsamen Arbeit an unserer Seele, die ohne weiteres Arbeit an den Seelen der andern, Arbeit an der Gemeinschaft der Kirche und für die Kirche bedeutet. Freudig folgen wir dem Ruf des Hausvaters, der an uns in der elften Stunde ergeht, d. i. im Zeitalter Christi, im Gnadenbund des N euen Testaments. Er hat uns zu Großem berufen! Er hat uns Anlage und Kräfte gegeben. Nun gilt es, Hand anlegen

(Evangelium).

3. Mit diesem Willen machen wir den Opfergang.

Opfernd entsagen und verzichten wir. Opfernd legen wir unsern Willen auf die Patene, den Kampf gegen Welt und Sünde und Fleisch auf uns zu nehmen, alle Mühen, Entbehrungen, Widerwartigkeiten und Leiden starkmütig zu tragen, mit dem hl. Laurentius, mit dem leidenden Erlöser Martyrer zu werden. Deshalb gehen wir in der heiligen Messe in die Gesinnungen des Sein Kreuzesopfer vor uns erneuernden Christus ein, bereit, mit Ihm selbst in den Tod zu gehen. Aber nicht der Tod ist das letzte, sondern das Leben; nicht der Karfreitag-, sondern Ostern; nicht der Kampf, sondern der Sieg; nicht das dunkle Grab, sondern das Osterlicht. Christus (lpfert sich als der Lebendi~e, Auferstandene, als

Sonntag: Durch Kampf zum Sieg! 7

der Verklärte, als der Sieger über Tod und Sünde. Im Opfer der heiligen Messe zieht Er uns auch in die Teilnahme an Seiner Auferstehung und Verklärung hinein. Er läßt uns teilnehmen an Seinem yerklärten Tun, an der Liebe Seines Herzens zum Vater, an Seiner Hingabe an Gott, an Seinem Lobpreis, an Seiner heiligen, Gottes vollkommen würdigen Anbetung, Sühne und Verherrlichung, an Seiner Gottesnähe und an dem \Vohlgefallen, mit dem Gottes Auge auf Ihm, dem Geliebten, ruht. Als Auferstandener, als Verklärter neigt Er sich in der heiligen Kommunion zu uns herab, gibt sich uns zur Nahrung- und leitet das Licht Seines verklärten Lebens in unsere Seele hinüber. Nun wird sie Licht in Seinem Licht, erfährt an sich die Anfänge der Seligkeiten des verklärten Lebens. Sie sieht sich schon im voraus mit der Siegeskrone geschmückt und hat den Denar für treue Weinbergarbeit in der Hand, als Anwartschaft auf die endgültige Siegeskrone und den endgültigen Lohn im Himmel, im ewigen Ostern. Durch Kampf zum Sieg!

Sonntag Septuagesima.

Durch Kampf zum Sieg!

I. Ostern beginnt, der Tag des Sieg-es, der Auf· erstehung, des Lebens, der Erlösung. \Vir wallen in das Haus des Stationsheiligen, des heldenhaften Kämpfers auf dem glühenden Rost, St. Laurentius. Wir fühlen uns ihm vereint und sind entschlossen, wie er mit Gottes Gnade den Kampf aufzunehmen. Durch Kampf zum Sieg! An Ostern sollen wir dem Geiste, dem praktischen Leben nach neu getauft, eine Neuschöpfung werden, der neue, auferstandene Mensch. Der Weg führt über Golgotha.

2. "D a s H i mm e Ire ich g lei c h t ein e m Hau s v a t er, der ausgeht, um Arbeiter für seinen Weinberg zu dingen." Er geht auf die Suche in der Frühe, zur dritten, zur sechsten, zur neunten, ~ur

8 1. Vorfastenzeit : Septuagesimawoche.

elften Stunde. Und immer findet er solche, die müßig stehen, die nicht im Weinberg der Seele arbeiten und so ihre Zeit mit Eitelkeiten vertändeln. So kommt er auch zu uns. "Was steht ihr müßig? Gehet in Meinen Weinberg." Noch haben wir nicht alles getan. Noch müssen wir ernster, eifriger arbeiten als bisher. An uns ergeht der Ruf Gottes: "Gehet in Meinen 'Weinberg", zur Arbeit für das Heil und die Heiligung der Seele. Er ruft uns heute, in dieser Stunde. Es ist noch nicht zu spät. Zu spät ist es nur für jene, welche trägen, ja sündigen Sinnes meinen, es sei noch nicht Zeit, umzukehren, sich eifriger anzustrengen, wirklich Ernst zu machen. "Was steht ihr müßig?" Gott ruft uns, mich heute zur harten Arbeit in des Tages Hitze. Zum zähen Kampf in der Rennbahn. Er verheißt uns den Zehner des ewigen Lebens, die unverwelkliche Siegeskrone des Himmels. Sie will erstritten sein.

Als Vor b i I der im Kam p f der Fa s t e nz e i t stellt uns die heilige Liturgie zuerst den Stationsheiligen hin, den hl. Laurentius. Er ringt im Kampf des Martyriums, auf dem glühenden Rost, zum Herrn aufrufend: "Todesstöhnen hält mich umfangen, der Unterwelt Qualen umschließen mich. In meiner Not schreie ich zum Herrn, und Er erhört meinen Ruf von Seinem heiligen Tempel aus" (Introitus). Ein zweites Vorbild tritt uns in der Epistel entgegen, Paulus, der tapfere Streiter für Christus und die Kirche. "Brüder, wißt ihr nicht, daß die Wettläufer in der Rennbahn zwar alle laufen, aber nur einer den Preis erlangt? Laufet so, daß ihr ihn erlangt. Jeder, der sich am Wettkampf beteiligt, übt in allem Enthaltsamkeit. Sie tun es, um einen ver· gänglichen, wir aber, um einen unvergänglichen Kranz zu empfangen. Ich laufe daher, aber nicht ins Ungewisse; ich kämpfe, aber nicht wie einer, der bloß Luftstreiche ausführt, sondern ich züchtige meinen Leib und bringe ihn in Dienstbarkeit." Und ein drittes, ein warnendes Beispiel und Vorbild: das

Sonntag: Durch Kampf zum Sieg I 9

auserwählte Volk Israel. Taufe und Eucharistie stehen im Mittelpunkt der Osterfeier, die wir heute beginnen. Aber, so sagt uns die heilige Liturgie, erwäget wohl: auch das auserwählte Volk Gottes hatte eine Taufe und eine Eucharistie. Sie waren "im Schutz der Wolke, zogen durch das Rote Meer und wurden unter Moses in der Wolke und im Meere getauft. Sie aßen dieselbe geistliche Speise (das Manna) und genossen denselben geistlichen Trank (das Wasser aus dem Felsen). Und doch hatte Gott an den meisten von ihnen kein Wohlgefallen." Nur ein paar erreichten das Gelobte Land: die große Mehrzahl war Gott untreu geworden trotz Taufe und Manna. Wehe uns, wenn wir nicht im Sinn der heiligen Taufe und der heiligsten Eucharistie leben! Wir können auch das Heiligste mißbrauchen.

3. ,,] eder, der sich am Wettkampfe beteiligt, übt in allem Enthaltsamkeit." Das ist das Programm zu Beginn der heiligen Fastenzeit: allem entsagen, gar allem. Wozu? Damit Christus, der Kämpfer und Sieger, in uns Raum gewinne und in uns siege. Allem entsagen, in vollkommener Reinigung von allem, was Christi Wirken in uns hemmen mÜßte. Stirb und werde! Sterben. der Sünde, auch der geringsten bewußten Untreue und Unvollkommenheit. Sterben jedem eigenen Vliunsche und Verlangen, das nicht ganz in Gottes Willen eingegangen ist. Sterben dem eigenen Geiste und Wirken, um vollkommen unter dem Antrieb und Wirken des Geistes Christi und der Gnade zu stehen. Das ist's, was Septuagesima und die Fastenzeit an uns erreichen wollen. Sind wir entschlossen, allem zu entsagen?

"Wißt ihr nicht, daß die Wettläufer in der Rennbahn alle laufen? Aber nur einer erlangt den Preis. Laufet so, daß ihr ihn erlangt" (Epistel). Nur einer erlangt den Preis. Dieser eine ist Christus, der Sieger über Tod und Sünde. Wir erlangen den Preis nur so weit, als wir dem einen verbunden sind, Glieder des Leibes Christi, getragen von Christi

10 I. Vorfastenzeit : Septuagesimawoche.

Kraft, Sein Leben mitlebend, in Seiner Kraft kämpfend und siegend. Er in uns! Das Haupt in den Gliedern. Das entscheidet, daß wir in Ihm seien, Er in uns. Im Opfer der heiligen Messe gehen wir heute noch mehr als bisher in Ihn ein, nehmen wir Seinen Geist und Seine Kraft in uns auf. In Ihm erringen wir den Siegespreis, den ewigen, seligen Besitz Gottes.

G eb et.

Du bist zur rechten Zeit der Helfer in der Not.

Darum mögen auf Dich hoffen, die Dich kennen; denn Du, 0 Herr, verlässest keinen, der Dich sucht. Denn nicht auf immer wird vergessen sein der Arme: des Armen Leiden gehen nicht verloren für die Ewigkeit. Steh auf, Herr, nicht soll der Mensch obsiegen (Graduale).

Wir bitten Dich, Herr, erhöre gnädig das Flehen Deines Volkes; wir werden ja mit Recht für unsre Sünden gezüchtigt; doch befreie uns in Deiner Barmherzigkeit um der Ehre Deines Namens willen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Montag der Woche nach Septuagesima.

Die e r s t e S ü n d e.

I. "Geht in Meinen Weinberg." Wo sind wir demi. gewesen, bevor Er uns in Seinen Weinberg gedungen? Die Antwort gibt uns die Schriftlesung der Mette. Sie berichtet in der Woche von Septuagesima von der Erschaffung des Menschen .und vom Sündenfall. Vor unserem Geiste steht die Tatsache der Erbsünde, der Gottferne, in der wir lebten, hätte Gott uns nicht in Seinen Weinberg, die Kirche, ge-

nommen. .

2. "Die Schlange w'ar listiger als alle üb r i gen T i er e. Sie sprach zum Weibe: ,Warum hat Gott euch geboten, ihr dürft nicht von allen 13äumen qes Paradieses essen?' Das Weib sprach

Montag: Die erste Sünde.

zur Schlange: ,Wir dürfen von den Früchten der Bäume, die im Paradiese sind, essen. N ur von der Frucht des Baumes, der mitten im Garten steht, sprach Gott, dürft ihr nicht essen, ja sie nicht einmal berühren: sonst müßt ihr sterben.' Da sprach die Schlange zum Weibe: ,Ihr werdet sicher nicht sterben. Nein, Gott weiß ganz gut: sobal~ ihr davon esset, gehen euch die Augen auf. Ihr werdet Gott gleich werden, Gutes und Böses erkennend.' Da sah das Weib, daß der B-aum gut war, davon zu essen, und für die Augen eine Lust und lieblich zum Anschauen. Da nahm sie von der Frucht und aß. Dann gab sie ihrem Manne. Und er aß" (I Mos. 3, 1 ff.). Das fatale "Warum?" Die trügerische Verheißung:

Es werden euch die Augen aufgehen. Eva läßt sich mit der Versuchung ein. Sie glaubt dem Versucher und übertritt Gottes Gebot. Stolz, Ungehorsam, Unglauben gegenüber Gott, Undank.

uD a r i e f der Her r den A d am und sprach zu ihm: ,\1.10 bist du? Hast du von dem Baum gegessen, von dem Ich dir geboten hatte, nicht zu essen?' Adam sprach: ,Das Weib, das Du mir gegeben hast, gab mir von dem Baume, und ich aß.' Da sprach Gott der Herr zum Weibe: ,Warum hast du das getan?. Ich will die Beschwerden deiner Schwangerschaften vervielfältigen; mit Schmerzen sollst du Kinder gebären und unter der Gewalt des ~1annes sein, und er soll Herr über dich sein.' Zu Adam aber sprach Er: ,Weil du der Stimme deines Weibes Gehör gegeben und von dem Baume gegessen hast, von dem Ich dir geboten nicht zu essen, so sei die Erde verflucht ob deiner Tat. Mit vieler Arbeit sollst du dich von ihr nähren, dein Leben lang. Dornen und Disteln soll sie dir tragen. Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen, bis du zur Erde wiederkehrst, von der du genommen bist: denn du bist Staub und sollst zum Staube zurückkehren'" (I Mos. 3,9 ff.). Eine harte Strafe! Ausstoßun~ aus dern Paradies, ein Leben

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12 I. Vorfastenzeit : Septuagesimawoche.

voll Mühe, Unrast, Leiden, und am Ende der bittel Tod! Und dann in der Ewigkeit?

3· Die S ü n deist Gottferne, ist Abkehr vc Gott und Seinem Gebot, ist Undank, ist Empörun gegen den Herrn. Die Sünde bedeutet soviel, a Gott hinter ein geschaffenes Gut, hinter einen eig, nen Wunsch, hinter eine momentane Lust, hinÜ das liebe 'ch zurücksetzen. Ich, eine Laune, die B, friedigung meiner Leidenschaft an erster Stelle, Go an zweiter Stelle! Eine in gewissem Sinn unenc liche Beleidigung und Zurücksetzung Gottes.

Wir vereiriigen uns heute mit der ganzen sür digen Menschheit und beten in ihrem Namen un aus ihrer Sündennot heraus den Introitus der Messe "Todesstöhnen hält mich umfangen, der Unterwe Qualen umschließen mich." Wehe uns, wenn de Hausvater nicht ausgeht und uns nicht in erbat mender Liebe in Seinen Weinberg, in die heilig Kirche, aufnimmt! Wie müssen wir Ihm heut danken! Mit welch großer Treue müssen wir in Sei lIem \Veinberg arbeiten und Seinen vVillen tun, ur uns Ihm dankbar zu zeigen!

"In meiner Not schrie ich zum Herrn, und E erhörte meinen Ruf." So kommen wir heute zur hei ligen Messe, nehmen unsre Opfergabe, den Lei! und das Blut des Herrn, in unsre Hand und hebel sie zum Vater empor: "Vater, um Deines Sohne willen habe Erbarmen, verzeihe uns und nimm un alle in Gnaden auf. "Laß leuchten Dein Antlitz übe Deinem Knechte", über Deiner heiligen Kirche, übe der armen Menschheit! "In Deiner Barmherzigkei errette mich" (Communio). "Wenn Du es nicht ver gessen kannst, Herr, daß wir gesündigt, Herr, we. kann dann bestehen?" (Tractus.)

Ge b e t.

"Aus Tiefen schrei' ich, Herr, zu Dir: 0 Herr erhör mein Rufen. Schenk doch Gehör dem Beter Deines Knechtes" (Tractus).

Dienstag: "Gehet in Meinen Weinberg 1" 13

Wir bitten Dich, 0 Herr, erhöre gnädig das Flehen Deines Volkes. 'Wir werden ja mit' Recht für unsre SÜnden gezüchtigt. Doch befreie uns in Deiner Barmherzigkeit um der Ehre Deines N amens willen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

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Dienstag der Woche nach Septuagesima.

"Gehet in Meinen \Veinberg!"

1. "G eh tau chi h r in Me i n e n We i nbe r g." Da findet ihr Arbeit, das ganze Leben lang reichlich Arbeit. Wenn ihr nur ganze Arbeit tut!

2. Gott ruf tun s in den We i n be r gun sere r See I e. Rette deine Seele, heilige deine Seele! "Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden leidet?" (Matth. 16,26.) Zuerst die Seele und über alles die Seele, das Heil, der innere Fortschritt der unsterblichen Seele! Alles andere kommt in zweiter Linie und steht im Dienste dieser ersten Aufgabe. Die Zielsetzung heißt: Seele und Ewigkeit. Wir schaffen viel. Wir haben die Hände immer voll Arbeit. Wir leben in einem ewigen Getriebe, in einer unaufhörlichen Hast und Hetze und Unruhe: Unternehmungen, \Verke, Tagungen, Sitzungen, Beratungen, Methoden, Bücher, Formeln, Übungen ohne Ende und ohne Maß! Für die Seele, für die Selbstbesinnung, für das innerliche Gebet, für den stillen Umgang mit Gott, für ein ruhiges Viertelstündchen beim Tabernakel, für die ruhige, aufmerksame Besorgung des \Veinbergs der Seele, für die Pflege der Tugenden, für die schwere Arbeit der inneren Loslösung vom Ich und von den Dingen haben wir fast keine Zeit. Noch viel weniger die notwendige Ruhe. Unglaublich! Gottes Sohn wird Mensch, geht ans Kreuz, gründet Seine Kirche, setzt die heiligen Sakramente ein, lebt unter uns im Tabernakel: alles für das HeU und die Heiligung unsrer Seele. Sie allein kommt für Ihn in Betracht. "Suchet zuerst

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14 1. Vorfastenzeit : Septuagesimawoche.

das Reich Gottes, und alles andere wird euch hinzugegeben werden" (Matth. 6,33). Er lebt in uns. Er drangt uns mit Einsprechungen, mit Vorwürfen, mit Süßigkeiten, mit Prüfungen von innen und von außen, daß wir Sein Interesse teilen und mit Ihm dem Einen leben: dem Heil, der Heiligung unsrer Seele. Und wir? Und ich?

Gott ruft uns in den 'vVeinberg des Re ich e s Go t t es, der Gesamtheit, der heiligen Kirche. Ein Herz ist im Mittelpunkt der Welt, das heiligste Herz J esu. Durch die ihm innewohnende strahlende, leuchtende, erwärmende, befruchtende und belebende Kraft hält es alle Herzen zusammen. Es hebt die Entfernungen zwischen den Herzen auf, die sich Ihm ergeben haben. Durch dieses Herz senden die Christo geeinten Herzen einander ihr Licht zu und ziehen sich, den Gestirnen des Weltalls gleich, einander an, berühren sich und stehen miteinander in lebensvollem Kontakt. Sie tragen einander, sie leben füreinander, sie teilen ihre Kräfte, Güter und geistlichen Reichtümer miteinander. Gemeinschaft der Heiligen! Was einer im Weinberg der eigenen Seele schafft, das schafft er in das Ganze, in die Seelen der Brüder und Schwestern hinein. "Gehet in Meinen Weinberg!" Wir sind berufen, die Seelen der Brüder und Schwestern mitzuerlosen, Christi Kraft, Geist und Leben, das wir in uns tragen, in die Seelen der andern auszustrahlen. "Ihr seid das Licht der Welt" (Matth. 5,14)· Wer am meisten im Weinberg der eigenen Seele arbeitet, sich heiligt und Christi Leben mitlebt, der arbeitet zugleich am meisten auch für das Ganze, für das Reich Gottes. Die Rose, die sich schmückt, schmückt zugleich den Garten. So ist es heiliges Gesetz der Gnadenordnung: "Nichts geht verloren." Ich habe die Macht, der Welt Heil zu bringen und der Welt Unheil zu bringen. Ich bin der Welt, den Seelen, entwecI,er nützlich oder positiv schädlich. Nicht helfen, nicht nützen ist soviel als schaden.

Dienstag: "Gehet in Meinen Weinberg!" 15

Entweder lebe ich das Leben der Gnade und Tugend - dann lebe ich es für das Ganze. Oder ich bin tot, siech, krank, fahm - dann bin ich eine Hemmung des Ganzen, ein Herd der Ansteckung für das Ganze, des Verderbens für das Ganze. Alles wirkt sich aus, alles kommt zur Geltung, so oder anders. Entweder bin ich ein Helfer Gottes - oder ich bin ein Helfer Satans. Neutralität gibt es nicht. Ich bin mitverantwortlich für das Ganze. So groß, so weit, so arbeitsreich ist der Weinberg, in den Gott mich berufen. Er hat mir eine große, verantwortungsvolle Arbeit zugedacht und angewiesen. Habe ich es wohl bedacht?

3. "Geht auch ihr in Meinen Weinberg." Septuagesima drängt mit aller Macht: Raffe dich auf. Arbeite solider, treuer als bisher. Gott ve'rlangt Arbeit, ernste, gute Arbeit. Du schuldest es deinem Gott, der dich gerufen; du schuldest es deiner eigenen Seele, deiner Ewigkeit. Du schuldest es dem Ganzen, den andern.

Betrachte die Wettläufer in der Rennbahn! Sie enthalten sich von allem. Sie tun es, um einen vergänglichen Kranz zu erhalten. Wir aber, um einen unvergänglichen Kranz zu gewinnen. Betrachte den Apostel Paulus: ;,Ich kämpfe, aber nicht wie einer, der bloß Luftstreiche ausführt, sondern ich züchtige meinen Leib und bringe ihn in Dienstbarkeit, damit ich nicht selbst verworfen werde, nachdem ich andern gepredigt habe" (Epistel). Darf ich vielleicht anders handeln?

"Wer Mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge Mir" (Matth. 16, 24).

Ge be t.

Gott, unsre Zuflucht und Stärke, stehe den Bitten Deiner Kirche bei und gib, daß wir, den göttlichen Dingen ergeben, mit Leib und Seele Dir dienen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

16 I. Vorfastenzeit : Septuagesimawoche.

Mittwoch der Woche nach Septuagesima.

Gottes Ruf.

1. "Das Himmelreich ist gleich einem Hausvater, der am frühen Morgen ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg zu dingen." Um die dritte, um die sechste, um die neunte Stunde geht er wiederum auf die Suche. In der elften Stunde, d. i. in der Zeit der Erfüllung, des N euen Testamentes, ruft Er auch uns, mich. "Was steht ihr müßig? Geht in Meinen Weinberg" (Evangelium). Das die Botschaft von Septuagesima.

2. Die e r s t e B e ruf u n g. Der Hausvater Gott der Herr - ging aus, am frühen Morgen unseres jungen Lebens, uns für Seinen Weinberg zu dingen. Es war die Stunde unserer heiligen Taufe. "Geht auch ihr in Meinen Weinberg." Er schloß uns den Eingang zu Seinem Weinberg, zur heiligen Kirche, auf und wies uns die Arbeit an. "Du sollst den Herrn Deinen Gott lieben aus ganzem Herzen, aus ganzem Gemüte, aus allen Deinen Kräften." "Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine fremden Götter neben Mir haben." Wir erklärten uns bereit. Seitdem sind wir von Gott gedungen, gehören Ihm, sollen Ihm leben, Seinem Gebot, Seinem Willen, Seiner Ehre, Seinen Interessen. Wir sollen wirken, leiden, streiten, entsagen, beten, arbeiten nur für Ihn. Uns unsrer Hände bedienen, nur um zu tun, was Er will; unsrer Zunge, nur um zu reden, was Er wünscht; unsrer Füße, nur um dahin zu gehen, wo Er will; unsres Geistes, nur um uns mit dem abzugeben, was Er will; unsres Herzens, nur um Ihn zu lieben; unsrer Gesundheit, Talente, Kräfte, unsrer Zeit, nur um Seinem Willen und Wohlgefallen zu leben. Und kein Götze neben Ihm! Es ist unsre Pflicht, in nichts uns selber zu leben, dem eigenen Willen, den natürlichen Wünschen und Neigungen unsres Herzens. Einzig Ihm, ganz Ihm. Wir sind

Mittwoch: Gottes Ruf.

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auf Erden, um Gott zu erkennen, Ihn zu lieben und Ihm zu dienen. Das ist unsere Berufung.

Die ern e u t e Be ruf u n g. Mit Septuagesima treten wir in den Osterkreis ein. Im Zentrum der Osterfeier steht Christi Auferstehung von den Toten, und unsre Auferstehung vom Tode der Sünde, im Empfang der heiligen Taufe. Tauferneuerung ist in der Vorbereitung auf Ostern die Losung der Liturgie. \leues, tieferes Erfassen der erhabenen Berufung, die wir erhielten, und der unaussprechlichen Güter, die uns die heilige Taufe gebracht hat. Neues, tieferes Erfassen auch der Obliegenheiten, die wir in der ersten Berufung auf uns genommen haben. Und die ernste Frage: Haben wir den Obliegenheiten entsprochen? "Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine fremden Götter neben Mir haben." Haben wir das geleistet, wofür uns der Herr erstmals in Seinen Weinberg gedungen hat? Haben wir alles, alles ganz geleistet? Gilt nicht auch uns die vorwurfsvolle Frage des Hausvaters: ,,\Vas steht ihr müßig?" Was arbeitet ihr soviel anderes, Unwesentliches, Nebensächliches? Was dient ihr so vielen falschen Göttern? Der Welt, dem Geld, dem Körper und seinem Wohlbehagen? \Vas sucht ihr soviel Eitelkeiten, Größe bei den Menschen, Ehre, Weihrauch, iIdischen Glanz und Erfolg? Was lebt ihr soviel der Sünde, dem Eigenwillen, dem eigenen, gottabgewandten Ich? Der Hausvater geht aus, uns heute neu zu berufen und zu dingen. Wir erneuern das Dienstverhältnis. Wir dienen von heute an Dem, der uns wohlmeinend gedungen hat, eifriger, treuer, hochherziger, freudiger.

3. Wir legen im Opfergang der heiligen Messe unsem Willen, unser Ja zum vollkommenen Dienst an Gott neu auf die Patene. "Dich liebe ich, Herr, meine Stärke. Der Herr ist mein Fels, mein Hort und mein Befreier" (Introituspsalm ). "Gut ist es - das einzige, wahre Gut -, den Herrn zu preisen und Deines Namens Lob zu singen, Allerhöchster" (Offer-

Baur, Werde Licht! ll. 2

18 1. Vorfastenzeit : Septuagesimawoche.

torium). Nicht bloß mit Worten, sondern mit dem Leben, mit unsrer Hingabe, mit unsrem Dienste. Nichts für mich, alles nach Deinem Willen, alles zu Deiner Ehre! Mit diesem Willen feiern wir das heilige Opfer mit.

Der Lohn ist uns gegeben im Denar der heiligen Eucharistie, der heiligen Kommunion. "Wer Mein Fleisch ißt und Mein Blut trinkt. der hat das ewige Leben" (Joh. 6, 55) schon jetzt. "Und Ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken" (ebd.) zum Vollbesitz des ewigen Lebens im Himmel. Ein' Lohn, der es verdient, daß wir im Weinberg des Hausvaters arbeiten.

"Viele sind berufen, aber wenige auserwählt."

Wenige entsprechen vollkommen ihrer Berufung. Ich will zu den wenigen gehören, koste es, was es wolle!

Gebet.

Gott, laß Deine Gläubigen durch Deine Gaben (Eucharistie) erstarken; ihr Genuß wecke neues Verlangen, und das Verlangen wirke ein Genießen ohne Ende. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Donnerstag der W oehe nach Septuagesima.

Durch Nacht zum Licht!

T. Wir stehen an der Schwelle der Oster zeit.

Unser Auge ruht auf dem Geheimnis des Leidens und der Auferstehung des Herrn, auf Golgotha und dem lichten Ostermorgen. Im Kämpfer und Sieger Laurentius, in dessen Heiligtum wir die heilige Feier begehen, erkennen wir mit der Liturgie Christus den Herrn. Er betet den Introitus: "Todes stöhnen hielt mich umfangen, der Unterwelt Qualen umschlossen mich. In meiner Not schrie ich zum Herrn, und Er erhörte meinen Ruf."

2. "T 0 des s t ö h n e n h i e I t mi c h um fan gen." 50 ringt Christus der Herr in Seinem Leidens·

Donnerstag: Durch Nacht zum Licht! 19

kampfe. Wir begleiten Ihn an den Ölberg. Wir sind Zeugen Seines furchtbaren Todeskampfes, der Ihm den blutigen Schweiß aus den Poren treibt. Zeugen Seiner innern Leiden und Qualen. "Vater, wenn es möglich ist, so laß diesen Kelch an Mir vorübergehen, doch nicht wie Ich will, sondern wie Du willst" (Matth. 26, 39). Wir begleiten Ihn in den Gerichtssaal, vor die jüdischen Gerichtsbehörden. Wir folgen Ihm, da Er vor den heidnischen Richter Pilatus gestellt wird. Wir betrachten Ihn in den Qualen der Geißelung, der Dornenkrönung und Verspottung durch die mutwilligen Soldaten. Wir folgen Ihm auf dem Kreuzweg und leben die Qualen der Kreuzigung und der drei Stunden am Kreuze mit. "Todesstöhnen hat Mich umfangen, der Unterwelt Qualen umschlossen Mich."

"I n M ein erN 0 t s c h r i e Ich zum Her r n , und Er erhörte Meinen Ruf." So Christus der Herr in Seinem Sieg. "Du bist der Helfer in der Not. Drum mögen auf Dich hoffen, die Dich kennen:

Herr, Du verlässest keinen, der Dich sucht" (Graduale). Glorreich ersteht Er am Ostermorgen zu neuem Leben. Er hat sich den Siegespreis der Auferstehung und Verklärung geholt. Er ist der siegreiche Triumphator über Satan, Sünde und Tod. Er hat von nun an die Herrschaft über die Geister, über die Herzen. Dafür, daß Er "gehorsam geworden ist bis zum Tode am Kreuze, hat Gott Ihn erhöht und Ihm einen N amen gegeben, der ist über alle Namen. Im Namen Jesu haben sich alle Kniee zu beugen im Himmel und auf Erden und in der Unterwelt. Und alle Zungen haben zur Verherrlichung des Vaters zu bekennen: J esus Christus ist der Herr:' (Phi!. 2,8 fL). "Ich schrie zum Herrn, und Er erhörte Meinen Ruf."

3- Christus der Herr ist das Haupt, der Weinstock. Er lebt in uns, Seinen Gliedern, weiter. Wir haben mit Ihm auf Grund der heiligen Taufe Lebensund Schicksalsgemeinschaft. Er ist aber hier auf

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20 1. Vorfastenzeit : Septuagesimawoche.

Erden wesenhaft der kämpfende, der leidende, der erniedrigte Herr. Der leidende, kämpfende Herr hat uns in Seinem Kampf "in sich getragen" (Bossuet). \Vir sind in einem stärkeren Sinn Sein Leib, als es Sein natürlicher Leib gewesen. Wir sind Ihm in höherem Sinn Glieder als es die Glieder Seines natürlichen Leibes ge\~·esen. Was an Seinem gottmenschlichen Leibe geschah, ist nur die unmittel· bare Offenbarung dessen, was an uns zu geschehen hat. Wir sind kraft der Taufe dazu berufen und gehalten, das Leben des Herrn mitzuleben, Seinen Tod mitzusterben, Seinen Kampf mitzukämpfen, Seine Auferstehung und Verklärung ewig mitzubesitzen. Durch Kampf zum Sieg, durch den Tod zur Auferstehung, zum Leben! Christus lebt in mir. Ich kann allcs in Dem, der in mir lebt und kämpft und siegt!

Wir kommen zur heiligen Messe. Da sehen wir Ihn, Seinen Tod und Seine Aufcrstehung geheimnis· voll auf dem Altar erneuern. Wir lassen Ihn nicht allein. Wir gehen in heiliger Opfergemeinschaft ill Ihn ein, entschlossen, mit Ihm ein Ganzopfer an den Vater zu werden. Wir geben alles hin, den Leib, die Seele, den eigenen Willen, die äußeren Güter, die Gesundheit, die Kräfte des Leibes und der Seele. Nimm alles hin! vVir legen alles auf die Patene, daß es eine reine, heilige Gabe an den Vater werde. Wir sterben. Und wir erstehen zu neuem Leben, wenn Er in der heiligen Kommunion herniedersteigt, uns mit Seinem Leben und Seiner Kraft zu erfüllen. In Seiner Kraft gehen wir an die Auf· gaben des Tages und kämpfen den guten Kampf de~ Glaubens (I Tim. 6, 12). V"ir rufen zum Herrn, und Er erhört uns. Wir werden siegen, den Siegesprei~ erringen.

Ge be t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, erhöre gnädig das Fleher Deines Volkes; wir werden ja mit Recht fÜr unsn

Freitag: Gott allein.

21

Sünden gezüchtigt; doch befreie uns in Deiner Barmherzigkeit um der Ehre Deines }J amens willen. Durch Christus unsern Herrn. Amen,

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Freitag der Woche nach Septuagesima.

Der Sie g e s p r eis.

I. "Ich laufe, aber nicht ins Ungewisse; ich kämpfe, aber nicht wie einer, der bloß Luftstreiche macht" (Epistel). Paulus, der also zu uns redet, weiß, was er will. Zielbewußt ringt er um die unvergängliche Krone, um den Lorbeerkranz. Er will, er muß den Siegespreis erobern. üns ein Vorbild.

2. "Ich glaube an das ewigeLeben." Das ist das Ziel. Es ist Ruhe nach dem Kampf. Es ist die Fülle alles wahrp.aft Guten, das man sich wünschen mag. Es ist der Besitz des höchsten, liebenswürdigsten, den Menschen nach Geist und Herz, nach Leib und Seele vollkommen sättigenden Gutes. Ein unvergänglicher Siegeskranz, nicht bloß äußerlich um die Schläfen gewunden: er ist innere Freude, selige Wonne. Er ist ein entzückendes Schauen, ein \\'onniges Lieben Gottes, ein Mitleben des Lebens Gottes und des verklärten Christus. Es ist Ehre bei Gott, Ehre vor dem ganzen Himmel, vor Engeln und Menschen. Und nicht bloß für einen Tag, sondern für ewig. Es ist Vollendung des ganzen NI ensehen, des Geistes und seiner Kräfte und Fähigkeiten, des Willens und des Herzens, des Temperamentes nach allen seinen edlen Seiten, des Charakters, der Persönlichkeit. Die Persönlichkeit hat in ihrer Einmaligkeit und Einzigkeit ewig Geltung vor Gott und vor der Gemeinschaft der Heiligen und Seligen. Verdient dieser Preis es nicht, daß wir mit aller Kraft um ihn kämpfen? Daß wir deshalb allem entsagen, was nicht der Gewinnung des Siegespreises dient? ,,] eder, der sich am Wettkampf beteiligt, übt sich in aller Enthaltsamkeit."

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22 I. Vorfastenzeit : Septl1::tg-esim::twoche.

Frömmigkeit dagegen ist zu allem nütze. Sie hat die Verheißung für das gegenwärtige und das zukünftige Leben" (I Tim. 4, 8). Einen Siegespreis auch schon im gegenwärtigen Leben! Er ist Gott, der Gott der vollkommenen Seele. Sie kennt nur noch eines: Gott allein, Gottes Wille, Gottes Ehre! Ihr Wollen ist nichts anderes mehr als ein vollkommenes Mitwollen des Wollens Gottes und Christi. Sie hat nur mehr eines im Auge: den Willen, das \Vohlgefallen Gottes. Weiß sie, was Gott von ihr verlangt oder wünscht, so ist ihr kein Opfer mehr zu schwer. Sie tut ihre Pflicht ohne Hast, ohne Ängstlichkeit, ohne Unruhe, fest und ungezwungen, im Drang der Liebe zu Gott, komme, was da wolle, und mögen Menschen es ihr auslegen wie immer. Gott allein und sein heiliger Wjlle. Sie kennt nur einen Maßstab für ihr Urteil: das Urteil Gottes. Nur eines, was sie nie aufgeben wird: das Wohlgefallen Gottes. Sie steht j eden Augenblick bereit, ihre harmloseste und bestberechtigte Neigung, ihre liebgewonnene Arbeit und Beschäftigung, ja selbst das, woran die Menschen am meisten sich zu hängen lieben, ihre Hoffnungen und die eben keimenden Früchte ihrer Aussaat zu verlassen. Sie erweist sich in allen Dingen und Verhältnissen gleichmütig: in Ehre und Schmach, bei Erfolg und Mißerfolg, bei Beleidigungen und Verleumdungen, ja selbst wenn sie Fehler begangen und sich eine Beschämung ge· holt hat. Sie liebt die Ihrigen, aber Gott und ihre Pflicht geht ihr über alles. Jedem Menschen ist sie gut: aber das Höchste ist ihr die Wahrheit und die Gerechtigkeit. Sie tadelt ohne Bitterkeit und Furcht, sie sagt die 'Wahrheit ohne MenschenrÜcksicht und ohne Aufregung, um Gottes willen. Sie fordert nichts, sie schlägt nichts ab. Sie trauert mit den Trauernden, sie freut sich mit den sich Freuenden. Sie erfüllt treu alle Gebote, aber sie hängt sich nicht daran. Sie ist jeden Augenblick bereit, um der Liebe, um Gottes willen alles zu lassen. Zu allem, was sie nach

Freitag: Gott allein.

Gottes \Villen tun und opfern kann, ist sie bereit, stets voll heiligen Gleichmuts und heiliger Freude. Sie hat Gott gefunden. Und in Gott sich selbst, und die Freiheit, die Ruhe und Zuversicht des Geistes. "So wird's dann in der Seele stille, es lebt in ihr nur Gottes Wille. Sie gibt sich Ihm, Er gibt sich ihr: da schweigt die niedere Begier". (Mechtild von Magdeburg). Der Geist der Kindschaft, der in ihr zur Herrschaft gelangt ist, treibt alle Furcht, Unruhe und Sklaverei hinaus. Der Siegespreis der Frömmigkeit schon hier auf Erden! Eine heilige Ruhe in Gott. Eine Ruhe, welche die Seele himmelhoch über die Unrast und das Unstete des Geschaffenen erhebt. Eine Ruhe tief drinnen im Grunde der Seele, da, wohin nur Gott vordringt. Eine Ruhe, die nichts mehr wünscht und die über nichts mehr klagt. Eine Ruhe, welche die Leidenschaften zügelt, die Phantasie in Ordnung hält, den Geist festigt und das Herz vor aller Unbeständigkeit und Aufregung sicherstellt und bewahrt. Ruhe in Gott! Was immer der Tag und das Leben bringen, wird der Seele groß, ehrfürchtig, eine Botschaft von Gott und Seiner Liebe. Der Siegespreis des wahrhaft christlichen Lebens schon im gegenwärtigen Leben!

3. Kein Siegeskranz ohne Kampf. Das Reich Gottes und Christi ist nicht fauler Friede, nicht Weichheit und Sentimentalität, nicht träumende, schmachtende Seligkeit: es ist Kampf. Es ist der Krieg des Himmlischen mit dem Irdischen, des Lichtes mit der Finsternis, Christi des Hauptes in uns den Gliedern mit Belial und seinem Anhang.

Der Kampf um die Siegeskrone kostet Mut. Nur die Mutigen werden sie sich holen, die Harten, die Neinsager. Nein zu allem, was gegen Gott und Christus ist. Nein zu allem, was uns an das Ich, an das Vergängliche kettet und von Gott und Christus zurückhält!

24 I. Vorfastenzeit : Septuagesimawoche.

Ge be t.

\Nir bitten Dich, 0 Herr, mache uns rein und erhöre uns in Gnaden. Durch Christus unsern HerflI. Amen.

Samstag der Woche nach Septuagesima.

Sei b s t ver leu gnu n g.

1. "Jeder, der sich am Wettkampf beteiligt, Übt in allem Enthaltsamkeit. Ich laufe daher, aber nicht ins Ungewisse. Ich kämpfe, aber nicht wie einer. der bloß Luftstreiche macht, sondern ich züchtige meinen Leib und bringe ihn in Dienstbarkeit, damit ich nicht selbst verworfen werde, nachdem ich andern gepredigt habe" (Epistel). Die Zeit der Vorfasten und der Fasten ist eine Zeit ernster, zielbewußter AbtÖtung. Selbst ein Paulus fürchtet, daß er verworfen werde, wenn er seinen Leib nicht züchtigt und dem Geiste unterwirft.

2. "Wer Mir na c hf 0 I gen will, ver· leugne sich selbst (Matth. 16,24). Keiner ist in diesem Erdenleben so vollkommen, daß er der Abtötung, d. i. der Unterwerfung der Sinne und der Leidenschaften unter den Geist, entbehren könnte. Niemand hat das Erdreich seiner Seele so gejätet, daß es nichts mehr zu jäten gäbe. Denn kaum hat er das Unkraut ausgerissen, so wächst es wieder nach. Mag einer noch so vollkommen sein, die Wurzeln und Keime des Bösen sind in ihm nicht erstorben. Deshalb gibt es ohne eine ernste Abtötul1g keine vollkommene Tugend, ja überhaupt keine wahre Tugend. Wer kann gehorsam sein! wenn er nicht den Eigenwillen Überwindet? Wer kann keusch und rein sein, wenn er die Begierden des Fleisches nicht 111 einem ununterbrochenen Kampfe dem Gesetze des Geistes unterwirft? Wer kann das Gebot der N ächsten- und Feindesliebe erfüllen, wenn er sich nicht beständig überwindet und den inneren Regungen Einhalt gebietet? Erst recht bedürfen der Abtötul1g

Samstag: Selbstverleugnung.

25

diejenigen, welche nach Fortschritt in der Tugend ringen. "Soviel wirst du vorankommen, als du dir selber Gewalt antust" (Thomas von Kempis, Nach· folge Christi I, 25, II). Warum bleiben wir nach einer bestimmten Zeit des Fortschrittes im geistlichen Leben hängen? 'Woher der Mangel an Frische und an Kraft? Antwort: Es fehlt an der Abtötung. Ohne sie gibt es auf die Dauer keine Andacht, keine Wärme im Gebet, keine Kraft gegen die Versuchungen, keinen Sieg über das Fleisch, keine Ausdauer, keine Vollkommenheit. Darum: "Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst."

"Wa n dei tim Gei s t e, dann werdet ihr das Begehren des Fleisches nicht erfüllen. Als Werke des Fleisches sind offenkundig: Unzucht, Schamlosigkeit, Wollust, Feindschaft, Streit, Eifersucht, Zorn, Zwietracht, Spaltungen, Parteiungen, Neid, Trunksucht, Schwelgerei. Die derartiges treiben, werden das Reich Gottes nicht erben. Die Früchte des Geistes sind: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Güte, Vertrauen, Sanftmut, Bescheidenheit, Enthaltsamkeit, Keuschheit" (Ga!. 5, r6 ff.). "Wandelt im Geiste."Auf dieses hat es die christliche Abtötung abgesehen. Sie will die Natur von der Herrschaft der ungeordneten Sinnlichkeit und der Leidenschaften befreien und sie so der Gnade, dem Leben des Geistes erschließen. Die Abtötung ist Unterwerfung des niederen Menschen unter den Geist; sie ist Arznei und Mittel zur Kräftigung und Gesundung des geistigen Menschen; sie ist das unerläßliche Hilfsmittel zur Erlangung der vollkommenen Vereinigung mit Gott und mit Christus. "Die Christus angehören, haben ihr Fleisch mit seinen Leidenschaften und Begierden gekreuzigt" (Ga!. 5,24). Und wir Christen von heute? Wir schätzen die Abtötung nicht, wir fliehen sie. Sind wir so noch Christen?

J. In der Vorfasten- und Fastenzeit stellt die heilige Liturgie das Leben der Abtötung, der Selbst·

26 I. Vorf<lstenzeit: Septu<lg-esimawoche.

verleugnung in den Vordergrund. Täglich wiederholt sie uns das Lob der Abtötung, wenn sie uns in der Fastenpräfation beten läßt: "Durch das Fasten unterdrückst Du, Gott, in uns die Sünde (d. i. die Vv'urzeln der Sünde, die Leidenschaften), erhebst Du den Geist, spendest Tugendkraft und Verdienst." Denken wir auch so? Ist das unsere überzeugung? Leben wir nach dieser Überzeugung?

Die Kirche betont die Abtötung nicht bloß für die "großen Sünder" oder die Büßer, für die Novizen oder die neugeweihten Priester. Gerade die Fortgeschrittenen, die Älteren, bedürfen der Abtötung, der körperlichen und insbesondere der seelischen Abtötung: der überwindung des Stolzes, des ElgenwJllens, der Launenhaftigkeit, des Widerspruchsgeistes, der Unzufriedenheit, der Bitterkeit, der Kritiksucht, der Selbstsucht in ihren tausend Formen. Auch sie erfahren es täglich, wie sehr die Natur zum Bösen geneigt ist, wie auch das Alter nicht vor Torheit schützt, wie die alten Versuchungen immer wieder anklopfen und sich aufdrängen, wie wenig es braucht, zu fallen, wenn nicht dem Willen durch jede Art von Abtötung neue Kraft zugeführt wird.

"Nur wenn wir mit Christus sterben, werden wir auch mit Ihm verherrlicht werden" (Röm. 8,17)· Stirb und werde! Ohne das Sterben der Fastenzeit kann es keine Auferstehung zum neuen Menschen geben, erst recht keine zur Auferstehung zur ewigen Herrlichkeit.

Ge be t.

Wir bitten dich, 0 Herr, erhöre gnädig unser Flehen. Löse uns von den Banden der Sünde und behüte uns vor allem Unheil. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Die liturgische Meßfeier des Sonntags Sexage sima.

J. Den Gottesdienst feiern wir heute in der Kirche des hl. Paulu'S, des mannhaften Streiters. Er ist heute der \Vortführer der um ihn versammelten Kirchengemeinschaft. Ihre Not ist seine Not, ihre Bedrängnis ist seine Bedrängnis, ihr Rufen ist sein Rufen. Er hat alles, was die Gemeinde, die Kirche an Bitterkeiten und Schwachheiten leidet, an sich selbst erfahren und läßt uns heute, wo wir um ihn versammelt sind, seinen Kampf miterleben und mitleiden.

2. "Wach auf, 0 Herr, warum schläfst du? Es klebt am Boden unser Leib." Arme Kirche Chr:isti! Der Psalm 43 erzählt dir von \Vundern und Zeichen, die der Herr an dir getan, wie Er machtvoll für dich eingetreten, wie Er deine Feinde mit starker Hand zerstreut hat - und heute klagst du: "Es klebt am Boden unser Leib." Ach ja, du erhebst deine Augen und siehst deine Kinder, die du in der heiligen Taufe dir geboren, die du für Gott erzogen, die du mit heiliger Lehre unterwiesen, die du im Sakramente der Buße wieder geheilt und mit dem Brot der heiligsten Eucharistie labend genährt hast. Und heute, in den Tagen der oft zügellosen Faschingsvergnügungen, der Bälle und Tänze, in den Tagen des krassen Materialismus, der einseitigen Diesseitskultur mit ihren gott- und christusfremden, ja gottlosen Auswüchsen, da stehst du vor so vielen lebenden Leichen: in so vielen deiner Kinder klebst du am Boden! "Wach auf, 0 Herr, warum schläfst Du?" (Introitus.) Ein tief empfundenes Kyrie eleison entwindet sich der Brust der betenden Kirche. Daß sie doch Einsicht hätten und die Sprache des Apostels verständen, um dessen Grab die Kirche heute zu

28 1. Vorfastenzeit : Sexagesimawoche.

Gebet und Opfer versammelt ist! Sie lautet: Wer Christo Treue schwört, der muß auf Bedrängnisse aller Art, auf den Kampf gefaßt sein und unerschrocken den Kampf für Christus auf sich nehmen. Nicht ErdengenÜsse fÜhren zu Christus, sondern Entsagung, Mühe, Geduld in Leiden, Starkmut in Prüfungen und unerschütterliches Vertrauen auf die Kraft der übernatürlichen Gnade. \Vas wäre Paulus ohne die Bedrängnisse, ohne die Ketten, ohne das Martyrium! Aber was wäre Paulus ohne die Gnade, ohne die allvermögende Hilfe von oben? (Graduale.) Doch die Gnade allein genügt nicht. Sie mUß auf ein geeignetes Erdreich fallen, auf ein Erdreich, wie Pauli Seele es war. Wo das Samenkorn der Erleuchtung fÜr den Geist und der Anregung für den \iVilien auf den \Veg fällt, da wird es zertreten; wo es auf steinigen Grund fällt, da kann -es nicht gedeihen, weil es keine Feuchtigkeit findet; und wo der Same unter die Dornen fällt, da wird die junge Saat erstickt. Erst wo der Same der Gnade auf ein gutes Erdreich fällt, da bringt er viele Frucht (Evangelium). Wie viele sind es, die der Kirche angehören, in einem Meer von Gnaden schwimmen, und doch keine Frucht bringen! Fehlt es etwa am Samenkorn der Gnade? Nein, am Buden fehlt es, am Erd-

reich.

3. Darum wählen wir im Opfergang den Weg

des heiligen Apostels Paulus, den Weg der freiwilligen Entsagung, der Losschälung von den Zerstreuungen, von der Hingabe an die ErdengenÜsse und an die unnützen Sorgen, den Weg der mÜhsamen Arbeit im Dienste Christi und Seiner Interessen und übergeben uns, unsern Willen, die Kräfte des Leibes und des Geistes restlos dem Altar, Christus. Wir wollen ernste Fastenarbeit leisten, den alten Menschen mit seinen Neigungen im Opfer der heiligen Messe kreuzigen, um durch das heilige Opfer mit Christus zu einem neuen, ganz gottgeweihten und gott geeinten Leben zu erstehen. Das

Sonntag: Stark in der Schwachheit. 29

ist die hundertfältige Frucht, das neue Leben mit Christus, das im Empfang der Kommunion seine Vollendung findet, wenn Christus selbst uns mit Seine(ll Leben erfüllt und durchherrscht : "Wer in ~[ir bleibt und Ich in ihm, der bringt viele Frucht; denn ohne M ich vermögt ihr nichts" (Joh. 15,6). Dies neue Leben selber ist wieder das Samenkorn zu einer letzten herrlichen Frucht, nämlich zur end· gültigen Vereinigung mit Gott im seligen Genusse und Besitze. Dort ist unsere Auferstehung vollkommen, dort ist unser Leben zu seiner Vollendung gelangt, im ewigen, unwandelbaren Ostern der himmlischen Verklärung. Noch "klebt unser Leib am Boden". Aber "wache auf, 0 Herr, steh uns bei und erlöse uns", jetzt im heiligen Opfer und Opfermahl, endgültig in der Zulassung "zum Altare Gottes (im Himmel), zu Gott, der mich jung macht und froh" (Communio) im seligen Ostern des ewigen Lebens.

Sonn tag Sexagesima

S t a r kin ~ e r S c h w ach h e i t.

1. Wir feiern den Gottesdienst in St. Paul, am Grabe des großen Apostels. Er ist heute Typus der Kirche: bis zum äußersten geprüft, in Leiden und Demütigungen aller Art - aber eben deshalb voll der Kraft Christi. Denn "die Kraft (Christi) kommt in der Schwachheit (des Menschen) zur Vollendung" (Epistel).

2. "A m B 0 den k leb tun s e r Lei b. Wach auf,

o Herr, hilf uns, erlöse uns." Der Ruf der unerlösten Menschheit. Aber auch der Ruf der Gemeinschaft der streitenden Kirche. Sie ist erlöst. Aber sowenig ihr Haupt, der Herr, der heilige Sohn Gottes, in Seinem Erdenleben von dem Gesetz des Leidens ausgenommen war, ebensowenig sind die Kinder der Kirche, die Glieder Christi, vor den Leiden, Kämpfen und Nöten des gegenwärtigen Lebens geschÜtzt und bewahrt .. Das Bild des in Seiner Kirche,

~ LVQ..<:l~~ Oswald (Diskussion) 16:01, 25. Jul. 2022 (CEST)'-

in den Aposteln, Priestern und treuen Gläubigel immerfort auf Erden ringenden, leidenden, "schwacl gewordenen" Christus zeichnet die Epistel: "Vieler lei Mühen, häufige Kerkerhaft, Mißhandlungen übe die Maßen. Gefahren von Räubern, Gefahren val meinem Volke (den Juden), Gefahren von den Hei den, Gefahren von falschen Brüdern; Mühsal um Elend, Nachtwachen, Hunger und Durst, Kälte une Blöße" (Epistel). Ein gerütteltes Maß von Wider· spruch, Verleumdung, Verfolgung, Unterdrückung Mißtrauen von außen; von Menschlichkeiten, Sün· den und Ärgernissen von innen; von bitteren Er· fahrungen mit manchen ihrer Priester, ihrer Ehe· leute, ihrer Ordensleute ; von ungerechter, bitterer Kritik, von Mißtrauen, von Weltlichkeit und sitt· licher Verkehrtheit vonseiten ihrer eigenen Kinder. Wir fühlen es mit und verstehen es, wenn die Kirche, d. i. der in Seiner Kirche unter uns fortlebende Herr, aufschreit: "vVach auf, was schläfst Du, Herr! \iVach auf, verstoß uns nicht auf ewig! Was wendest Du Dein Antlitz ab, vergissest unserer Not? Es klebt am Boden unser Leib. Wach auf, o Herr, hilf uns, erlöse uns" (Introitus). Wir selber können uns nicht erlösen und vom Boden nicht erheben. So elend, nichtig und schwach sind wir.

"D u mac h t e s t beb e n, 0 Her r, das La n d, Du h ast es er s c h ü t te r t. Heil' seine Risse, es stürzt ja zusammeD-" (Graduale). Das sind die Leiden und Kämpfe der Kirche und ihrer Kinder hier auf Erden. Es sind Werke Gottes. Prüfungen Gottes. Im Leiden, in den Nöten, in den Versuchungen, in den demütigenden Mißerfolgen des innern und äußern Lebens wird das Land der christlichen Seele "erschüttert" und zerrissen. Gottes Werk! Er nimmt die Seele in Seine starke Hand und schüttelt und rüttelt sie, bis daß sie einmal zur Einsicht in das eigene Unvermögen und eigene Nichts gelangt. Jetzt erkennt, anerkennt und bekennt sie ihre Armut und Unwürdigkeit, ihren Un-


Sonntag: Stark in der Schwachheit. 3 I

wert und ihr Unvermögen. Jetzt ist das Erdreich der Seele gelockert, offen für das Samenkorn der Gnade. Sie erwartet nichts Ihehr von sich selbst, sondern alles von Gott, von der Gnade, von der Liebe ihres Heilandes. Das Samenkorn, . das der Herr In die also erschütterte, aufgerissene Seele streut, fällt auf gutes Erdreich. Die Seele nimmt es auf, bewahrt es "in gutem, sehr gutem Herzen und bringt Frucht in Geduld" (Evangelium). In der Schwachheit des Menschen kommt die Kraft Christi zur Vollendung. In der in Demut aufgenommenen, anerkannten und bekannten eigenen. Schwäche, Unwürdigkeit, SÜndhaftigkeit und Nichtigkeit, in den in Demut von Gottes Hand entgegengenommenen Leiden und Nöten wird die Seele für die Aufnahme der Kraft und Gnade Christi zubereitet. Je mehr sie I'on Gott aufgerüttelt und zerrissen wird, und je mehr sie sich dieser Prüfungen unterwirft, um so tiefer dringt der Same Seiner Kraft und Seines Lebens in sie ein und wird er in ihr fruchtbar. Darum ist die Kirche und die wahrhaft christliche Seele dem Herrn fÜr die Prüfungen, die Er ihr auferlegt, dankbar. Noch immer ist ja "das Blut der Martyrer der Same der Christen". Noch immer ist im Kreuze das Heil. Noch immer gilt das Wort des Herrn: "Wer sich erniedrigt, wird erhöht" (Luk. 14, II). Und das Wort des Apostels Petrus: "Beugt euch unter die mächtige Hand Gottes, damit Er euch zur rechten Zeit erhöhe" (I Petr. 5, 6). In den Demütigungen, Leiden und Prüfungen, die Gott über die Kirche kommen läßt, liegt das Geheimnis ihres innern Wachstums. Je mehr sie geprÜft wird, um so tiefer wächst sie in Christus hinein und um so unüberwindlicher, lebenskräftiger wird sie. Die Kirche im großen, die Kirche im kleinen, die einzelne Seele. So glaubt die heilige Liturgie. Auch wir glauben so. "Jede Rebe an Mir, die Frucht bringt, reinigt der Vater, damit sie noch mehr Frucht bringe" (Joh. 15, 2).

32 1. Vorfastenzeit: Sexagesimawoche.

3. In der Feier der heiligen Messe kommt der Herr, Seinen Samen zu streuen, das Samenkorn der heiligen Eucharistie. In dem Erdreich der Seele, die sich in Demut den Prüfungen und Leiden unterwirft, die das Leben über sie bringt, wird dieses Samenkorn reiche Frucht bringen. "Die Kraft (der heiligen Eucharistie) wird in der Schwachheit (des Menschen) vollendet," Wenn wir nur in den vielen Prüfungen und Leiden die Hand Gottes sehen würden, die das Erdreich rüttelt und erschÜttert, 'Nenn wir nur uns immer vollständig dem Willen und Wirken Gottes an uns beugten und mit geschlossenen Augen blind uns in die Wasser der PrÜfungen stÜrzten, vollkommen auf Ihn vertrauend! Es fehlt uns der Glaube, es fehlt uns die Kraft zum ganzen,

vorbehaltlosen Ja!

Unter allen Arten, in welchen Gott in Seiner Kirche, in unsern Seelen wirkt, ist die gewöhnlichste und kräftigste das Leiden von außen, das Leiden von innen. Nie wirkt Er mächtiger oder fruchtbarer an der Kirche, an den Seelen! Das ist die Überzeugung der Liturgie des Sonntags Sexagesima Leiden schickt der Herr Seiner Kirche und dei Seele, weil Er sie liebt, weil Er ihr wohl will. Seim Liebe drängt Ihn, zwingt Ihn. Er muß so handeln um Seiner Kirche, um der Seele vollkommenes fruchtbareres Leben einzuströmen I "Du machs beben das Land." Nur so gibt es ein fruchtbare

Erdreich!

"Laß mich in Treue Deine Wege wandeln, dami mein Fuß nicht wanke. Laß Dein Erbarmen (al mir) \,vunder wirken: denn Du er'rettest, Herr, di auf Dich vertrauen" (Offertorium). Mit dieser Gebete geben wir uns opfernd der Kraft Christi hil die dem Opfer entquillt. Die Schwachheit (des Mer sehen) wird in der Kraft (Christi) vollendet. I Christi Kraft wandelt die Kirche, die Seele, i Treue die Wege des Herrn. Sie gibt neues Lebe (Stillgebet), heilige Freude (Communio), eine

Montag: Die Sintflut,

33

Gottes würdigen Wandel (Postcommunio). So glauben und beten wir mit der heiligen Liturgie.

Ge b e t.

Gott, Du siehst, wir gewinnen aus keinem unserer Werke Zuversicht. Darum verleihe in Huld, daß der Beistand des Völkerlehrers uns gegen alles Widrige schirme, Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Montag der Woche nach Sexagesima.

Die Si n t f I u t.

I. In den Metten wird in dieser Woche der Bericht der Heiligen Schrift über die Sintflut gelesen. Die heilige Liturgie steht die ganze Woche hindurch unter dem erschütternden Eindruck dieses Strafgerichtes Gottes Über die sÜndige, unbußfertige Menschheit.

2. "A I s die M e n s c h e n an f i n gen, sich zu vermehren und ihnen Töchter geboren wurden, sahen die Söhne Gottes (die Nachkommen des gottesfÜrchtigen Seth) die Töchter der Menschen (Nachkommen des Kain), daß sie schön seien, und nahmen sich zu Frauen, welche sie wollten. Da Gott sah, daß die Bosheit der Menschen auf Erden groß war und das Sinnen und Trachten ihres Herzens auf das Böse gerichtet war, da reute es Ihn, den Menschen gemacht zu haben." Er gedachte, ihn zu vernichten. Aber Er hatte noch 120 Jahre Geduld. Er berief den Noe, daß er vor aller Augen die Arche baue und ihnen das nahe Strafgericht Gottes verkünde, wenn sie nicht von ihren bösen Wegen umkehren wollten. Die Verblendeten hatten für den Bußprediger und seine Arche nur Hohn und Spott. Da erfüllte der Herr, was Er angedroht hatte. "Es kam die Flut über die Erde, vierzig Tage lang. Und das Wasser wuchs und hob die Arche empor. Es stieg in gewaltige Höhe über die Erde, so daß alle Berge davon bedeckt wurden. Da starb alles Fleisch, das Baur, Werde Licht! U. 1.1

34 1. Vorfastenzeit : Sexagesirnawoche.

sich auf Erden regte, Vögel, Vieh und Gewürm s, wie alle Menschen. So vertilgte der Herr alles B stehende, das auf dem Erdboden war, vom Mel sehen bis zum Vieh und Gewürm und den Vöge des Himmels. Nur Noe und die bei ihm in der Are! waren, blieben übrig" (I Mos. Kap. 6 und 7)· Gc läßt Seiner nicht spotten. "Wenn ihr nicht Bul tut, werdet ihr alle verloren gehen" (Luk. 13, 5)·

R e t tun gis t nur in der Ar c he, in Christu Der normale Weg aber zu Christus ist die Kirch Sie ist Sein Leib. Nur dadurch, daß wir uns d Kirche eingliedern, werden wir gerettet, d. i. d Gnade und der Erlösung Christi teilhaftig. Dei "der kann Gott nicht zum Vater haben, der d Kirche nicht zur Mutter hat" (hl. Cyprian). D Kirche, so sagt derselbe Heilige, gleicht der Arcl des N oe: nur wer in der Kirche ist, wird gerett, Nur dadurch entgehen wir dem ewigen Tode, d wir uns der Autorität der Kirche, ihrer Lehl ihrem Hirtenamt, ihrem Priestertum und ihren h( ligen Sakramenten in Glaube und Demut untE werfen. "Wahrlich, Ich sage euch (den Aposte und ihren Nachfolgern): Alles, was ihr auf Erd bindet, wird auch im Himmel gebunden sein, u alles, was ihr auf Erden löset, wird auch im HiI mel gelöset sein" (Matth. 18, 18). "Wer euch hö hört Mich, und wer euch verachtet, verachtet Mic (Luk. 10, 16). Rettung ist nur in der Arche, in d Kirche.

3. "Das Sinnen und Trachten des ,Menschen auf das Böse gerichtet." Wir erfahren es an u selbst, wie furchtbar die Macht des Bösen, d Sünde und der Leidenschaft im Menschen ist. 1 Paulus bekennen wir: "Ich tue nicht, was ich w (das Gute), sondern vollbringe das, was ich v( abscheue (das Böse). Wenn ich das Gute will, li, mir das Böse nahe. Das Wollen des Guten lie mir nahe, aber nicht das Vollbringen. Dem inne Menschen nach habe ich zwar Freude am Gese1

Montag: Die Sintflut.

35

11 n

d

Gottes: aber ich gewahre in meinen Gliedern ein anderes Gesetz, das dem Gesetz meines Geistes widerstreitet und mich unter dem Gesetz der Sünde gefangen hält, das in meinen Gliedern herrscht" (Röm. 7. 18 ff.). Wir bekennen in Demut unsere Verdorbenheit und gestehen uns die AbgrÜnde der Sündhaftigkeit ein, die sich in uns auftun. "Ich unglücklicher Mensch! Wer wird mich von diesem todbringenden Leibe befreien? Die Gnade Gottes durch Jesus Christus, unsern Herrn!" (Röm. 7,24·) Zu Ihm flÜchten wir, uns, unserem Herrn und Heiland, In Seiner Kirche. Hier ist die rettende Arche.

"Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle verloren gehen." Die Sintflut ist die Strafe Gottes für die Sünde und die Unbußfertigkeit der Menschen. "Säume nicht, dich zum Herrn zu bekehren, und verschieb es nicht von einem Tag auf den andern" (Sir. 5, 8). "Durch deine Verstocktheit und dein unbußfertiges Herz häufest du dir Zorn für den Tag des Zornes und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes" (Röm. 5, 2).

Mit göttlichem Has,se haßt Gott die Sünde. Furcht-

bar str,aft Er den Sünder, der in seiner SÜnde verharrt. In Seiner Hand hat Er verzehrende Flammen, die Sein gerechter Zorn, Seine beleidigte Heiligkeit, in alle Ewigkeit entzündet, um ,den SÜnder mit allmächtigem Arme niederzuhalten. Er hat Seines eigenen Sohnes nicht gescho'nt, nur weil dieser, fÜr sich göttlich rein und sÜndelos, sich fÜr die Sünden der Menschen zum Bürgen gemacht hat.

Wie eine alles verheerende Flut wälzt sich die Sünde Über die Menschheit hin. Wer kann ihr entrinnen? Nur, wer sich in die Arche flÜchtet, in die heilige Kirche. In ihr wird die Sünde über-

wunden.

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Ge be t.

Gott, du siehst, wir gewinnen aus keinem umerer Werke Zuversicht. Darum verleihe in Huld, daß 3*

36 1. Vorfastenzeit : Sexagesimawoche.

der Beistand des V ölkerlehrers uns gegen alles Widrige schirme. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Dienstag der Woche nach Sexagesima.

S t. Pa u lu s.

1. Die Stationskirche für die heilige Opferfeier von Sexagesima ist die Basilika von St. Paul. Da sind wir im Hause des hl. Paulus und wissen uns mit ihm in innigster Geistes- und Gebetsgemeinschaft, als "Mitbürger der Heiligen". Er ist Vollchrist, glühend von Eifer für Christus, bereit zu allen Mühen und Opfern um Christi willen (Epistel).

2. "I c h k e n n e ein e n Man n in C h r ist u s."

Es ist Paulus selbst. Wir staunen, wenn wir ihn heute von seinen MÜhen um die Seelen, fÜr Christus den Herrn, berichten hören. Vielerlei Mühen, oftmalige Kerkerhaft, Mißhandlungen über die Maßen, oft Todesgefahren, fünfmal mit Geißeln und Ruten geschlagen, einmal gesteinigt, dreimal Schiffbruch, Reisen in großer Zahl, Gefahren auf Flüssen und durch die Räuber, Hunger, Durst, Fasten, Kälte, Blöße, Verfolgungen ohne Ende. Das ist der Mann in Christus. Derselbe ist aber auch "ins Paradies entrÜckt und hört geheimnisvolle Worte, die kein Mensch aussprechen darf". Und er ist zugleich der Mann, der sich seiner Schwachheiten rühmt, seines Unvermögens bewußt ist und doch "alles vermag in dem, der ihn stärkt". Ihm ist ein Stachel ins Fleisch gesetzt, ein Engel Satans, daß er ihn mit Fäusten schlagen soll. "Gerne will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi in mir wohne." Das ist der Mann in Christus, voll Mut, voll Opferkraft, voll Heroismus, voll Hingabe an die Seelen. Und wir? So schwach, so wehleidig, so kleinlich in unserer Frömmigkeit, so egoistisch, so karg Gott, dem Heiland, den andern gegenüber, so stümperhaft in unserer Tugend.

Dienstag: St. Paulus.

37

Wa! gib t P au I u s die s e H ö h e, diese Tiefe, diese Weite, diese Glut? Er weiß sich in Christus, gleichsam in Christus drin stehend, völlig eins mit Christus. Er fühlt Christi Kraft in seinen Adern; Christi Ziele und Absichten leben in ihm; er ist von der Liebe zu Christus und den Seelen erfaßt: diese drängt ihn, sie ist das verzehrende Feuer, das in den Opfern, Leiden, Mühen, Verfolgungen, im Gebet und selbstloser Uneigennützigkeit immer neue :-.!ahrung findet. Pallius kennt nur mehr eins: Christus, Alles andere ist ihm Eitelkeit, Verlust. Nur eines hat für ihn einen Sinn, daß er Christus gewinne und immer vollkommener in Christus lebe und

'Christus in ihm. "Mir ist Christus das Leben" (Phi!. I, 21).

3. "In Christus" sind auch wir, Christo eingegliedert durch die heilige Taufe, in der lebendigen Verbundenheit mit Christi Leib, der heiligen Kirche. "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Rebzweige .... Bleibet in Mir und Ich in euch, so bringt ihr viele Frucht" (Joh. I5, 5). Christo werden wir täglich noch tiefer eingegliedert in dem Empfang der heiligen Kommunion. Da wird der "Mann in Christus" gebildet.

Wir glauben an das Geheimnis unserer Eingliederung in Christus. 'Wir danken für das Glück, ein Zweig an Ihm, dem \Veinstock, zu sein, teilhaft Seines Lebens, Seiner Kraft. "Ich kann alles in dem, der mich stärkt", der mich mit Seinem Leben erfüllt und durchströmt. Er tut es insbesondere mittels der heiligen Kommunion.

Heute gehen wir in das Haus des Paulus. Wir wollen dort im Opfer der heiligen Messe, im Opfermahl der heiligen Kommunion, heilige Geistesgemeinschaft mit Paulus holen, sie erneuern, sie steigern, mit Paulus "der Mann in Christus" werden. Stark, ein anderer Paulus, kommen wir von der heiligen Opferfeier zurück und tragen Pauli Geist, das "In-Christo- J esu-sein", in unsern Alltag

38 I. Vorfastenzeit : Sexagesimawoche.

hintin. , .. "Ich kann alles in dem, der mich stärkt" (Phil. 4,13).

Ge b e t. ,

Gott, Du siehst, wir gewinnen aus keinem unserer Werke Zuversicht: darum verleihe uns in Huld, daß der Beistand des Völkerlehrers uns gegen alles Widrige schirme. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Mittwoch in der Woche nach Sexagesima.

Der g ö t t I ich e S ä man n.

1. "Ein Säma"nn ging aus, seinen Samen zu säen."

Drei Viertel des Samens mÜssen unfruchtbar bleiben, weil der Same keinen geeigneten Boden findet. Was aber auf guten Boden gefallen ist, bringt dreißigfältige, sechzigfältige und hundertfältige Frucht (Evangelium von Sexagesima).

2. vV i r be d ü rf end e s S ä man n s. Das Erdreich unseres Herzens (Geistes, Gedächtnisses, Willens) kann aus sich keine Frucht bringen, nicht den geringsten guten Gedanken fassen, keinen guten Entschluß, nicht den kleinsten, leichtesten Akt der christlichen Tugend hervorbringen. "Wir sind aus uns nicht fähig, auch nur einen Gedanken zu fassen: unser ganzes Können kommt von Gott (2 Kor. 3, 5), "Gott ist es, der in uns das Wollen und das Vollbringen wirkt" (Phil. 2, 13). So sehr sind wir auf den Sämann angewiesen, auf Seine Erleuchtung, Anregung, Gnade und Kraft. "Ohne Mich könnt ihr nichts" (Joh. 15, 6), einfachhin nichts - als sündigen, versagen, in die Tiefe hinabsinken ähnlich dem Stein, der sich aus sich nicht in die Höhe erheben, wohl aber aus sich in den Abgrund stÜrzen kann. Nichts als sündigen, ä'hnlich den Menschen vor der Sintflut, von denen die Schriftlesung der Mette berichtet: "Alles Sinnen und Trachten ihres Herzens war auf das Böse gerichtet." "Was hast

Mittwoch: Der göttliche Sämann. 39

du (Gutes), das du nicht empfangen hMt? Wenn du es aber empfangen hast, was rÜhmst du dich desselben, als hättest du es nicht empfangen?" (I Kor. 4, 7.) Wir bedÜrfen des Sämanns, der seinen guten

Samen in unsere Seele streue.

Der Sä man n kom m t zu uns, Seinen guten Samen auszustreuen. Erstmals legte Er den guten Samen in das Erdreich unserer Seele in der heiligen Taufe und in der gnadenvollen Berufung zur lebendigen Eingliederung in Christus und die heilige Kirche. Er hat so oft Seinen Samen in unser Herz gelegt: in dem Worte Gottes, das Er uns durch Seine heilige Kirche, durch das Priestertum, durch heilige Lesung predigte. In dem leuchtenden Vorbild, das Gott uns im Leben, Wirken und Leiden Seines Sohnes vor Augen stellt: "Dieser ist Mein geliebter Sohn, Ihn sollt ihr hören" (Matth. 17, 5)· Der Sämann Christus kommt zu uns vorzÜglich in den vielen Einsprechungen und Anregungen Seiner Gnade und in den lebenspendenden heiligen Sakramenten, den eigentlichen Gnadenmitteln. Im Sakrament der heiligen Taufe strömt Christi Opferblut in unsere Seele, reinigt sie von aller Erbschuld und durchtränkt sie mit Seinen heiligen Lebenskräften, auf daß der neue Mensch erstehe, der Mensch der Gotteskindschaft. Im Sakrament der heiligen Firmung senkt der Sämann Christus Seinen Starkmut, Seinen Heldengeist in unsere Seele, um uns zur Vollkommenheit der Gotteskindschaft, zur geistlichen, übernatürlichen Mannbarkeit und Lebensfülle zu erheben. Im Sakrament der heiligen Eucharistie gibt Er uns sogar Sein eigenes Ich. Wir essen Sein Fleisch und trinken Sein Blut. Er erfÜllt uns nicht mehr bloß mit Seiner Kraft und Seinem Geist, Er durchlebt uns vielmehr wahrhaft mit Seinem Ich, tritt mit uns in Fleisch- und Blutgemeinschaft und verbindet uns mit Seinem Wesen wie der Weinstock die Rebe. In allen bedeutsamen Wendepunkten un-

seres Lebens, in seinen Höhen und Tiefen, in der f

40 l. Vorfastenzeit : Sexagesimawoche.

Wieg:e, am Traualtar, am Krankenbett, in allen Krisen und schweren Erschütterungen, die über uns kommen mögcn, steht der Herr da, in der verhüllten Form des sakramentalen Gnadensegens, in unsere Seele den Samen der Gnade zu streuen! Hätten wir doch nur das Auge des Glaubens, daß wir Ihn sähen; das innere Ohr, daß wir Sein Kommen und stilles Säen vcrnähmen und Seiner warteten und achteten! Und daß wir Ihm dankten! Und die Seele weit aufmachten, daß sie den Samen tief in sich aufnehme, den Er in sie hineinstreut !

3. "In jener Zeit, als viel Volk zusammengekommen war und die Leute aus den Städten zu Jesus eilten" (Evangelium). Die Leute, von denen das Evangelium erzählt, sind wir selber, die wir uns heute zum heiligen Opfer um den Altar, um Chri· stus drängen. Da haben wir den Sämann in unserer Mitte. Jetzt, in dieser heiligen Stunde, will Er Seinen guten Samen in unser Herz streuen, in der heiligen Unterweisung durch die Lesungen der Epistel und des Evangeliums, in dem ergreifenden Bei.spiel, das Er selber gibt, da Er sich dem Vater als Opfergabe weiht, dereinst blutigerweise am Kreuze, täglich vor unsern Augen, unblutigerweise in ,der eucharistischen Feier. "Seid so gesinnt wie Christus. Er entäußerte sich selbst. Er erniedrigte sich \lnd ward gehorsam bis zum Tode" (Phil. 2, 5 ff.).

"Ein Sämann ging aus, seinen Samen zu säen."

Der Same, den Christus heute in dieser heiligen M esse in die Herzen der Seinen streut, ist in der heiligen Liturgie insbe'sondere die heilige Eucharistie, die heilige Kommunion. Wie sehr mÜßte dieser Same sechzigfältige und hundertfältige Frucht bringen, wenn er immer auf ein gutes Erdreich fiele! Aber am Erdreich unserer Seele fehlt es so oft. Es ist nicht zubereitet. Wir sind zu sehr in die Geschäfte, in die Sorgen und die Genüsse des Lebens vertieft; wir sind zu äußerlich, zu weltlich, zu wenig auf Gott und das Ewige bedacht. So ist der Boden uu-

Donnerstag: Verschiedenes Erdreich. 41

serer Seele zu hart und zu steinig, um das Samenkorn gebührend aufzunehmen! Die heiligen Sakramente zeitigen ihre Frucht, so bezeugt es das Kon-

zil von Trient, entsprechend unserer Vorbereitung •

und Verfassung!

Ge be t.

Laß mich in Treue Deine Wege wandeln, damit mein Fufi nicht wanke. 0 neig Dein Ohr, erhöre meine Bitte. Laß Dein Erbarmen Wunder wirken; denn du errettest, Herr, die auf Dich hoffen (Offertorium).

Donnerstag der Woche nach Sexagesima.

Ver 5 chi e den e s Erd r e ich.

1. Die Fastenzeit ist nahe, der Frühling der Seele, die Zeit der Aussaat. Der göttliche Sämann streut Seinen Samen reichlich aus. Insbesondere will in der heil igen M esse das eucharistische Weizenkorn in unsere Seele gesenkt werden, Ist der Boden bereitet?

2, "B e i m Säe n f i eie i n i g e 5 an den Weg, Es wurde zertreten, und die Vögel des Himmels pickten es auf." "An den vVeg wird es gesät bei denen, die es nur hören: dann kommt der Teufel und reißt es aus ihren Herzen." Die zerstreuten, ausgegossenen Seelen: sie haben fast nur mehr Sinn für die äußern Dinge und Vorgänge, kennen keine Sammlung der Gedanken, keine Hinordnung der Affekte auf Gott, keine ernste Wachsamkeit über die Sinne, die Phantasie, die Wünsche und Regungen des Herzens. "Sie hören das Wort, aber dann kommt der Teufel und reißt es aus ihren Herzen."

"A n der e s f i e lau f s t ein i gen G run d. Es ging zwar auf, aber verdorrte." Es keimt, aber nach kurzer Zeit hort das Wachstum auf. Das Samenkorn kann nicht Wurzel fassen. Es sind die empfänglichen Seelen, die es gut meinen: aber sobald es

42 T, Vorfastenzeit : Sexag-esimawoche.

Opfer kostet oder eine Gelegenheit, eine Versuchung an sie kommt, sind sie schwach, versagen. "Zur Zeit der Versuchung fallen sie ab."

"Wieder anderes fiel mitten unter die D 0 r n e n, bei denen, die es zwar hören, aber dann in den Sorgen, Reichtümern und LÜsten des Lebens ersticken." Die Seele will zu Gott; sie meint es ehrlich und nimmt die Gnade auf. Aber zugleich wachsen im Herzen die verschiedenen unbeherrschten Neigungen, Anhänglichkeiten, die übermäßige Sorge um Besitz, Fortkommen, um die Zukunft, um die Gesundheit, die übertriebene Furcht vor einer Ver demütigung, der übermäßige Kummer ob eines Unrechtes, das einem angetan worden, ob der ungünstigen Lebensverhältnisse, der Schwierigkeiten im äußern, im inncrn Leben. Das Samenkorn wird erstickt und kann keine Frucht bringen ....

3. "Ich will hintreten zum Altare Gottes, zu Gott, der mich jung und froh macht" (Kommunionlied). Hintreten zur heiligen Eucharistie. Sie ist der gute Same. Ich will ihn heute in einern guten Herzen aufnehmen. Ich will die Furchen der Seele weit auftun. Ich will der heiligen Kommunion ein reines Erdreich darbieten, ohne Steine, ohne Dornen, auf daß das Samenkorn in mir tief Wurzeln fassen könne, zu hundertfältiger Frucht.

"Hundertfältige Frucht." Jesus schenkt uns in der heiligen Kommunion Sein Fleisch, und im Fleisch und durch das Fleisch Seinen Geist. Dieser dringt in uns ein und bewirkt in unserer Seele dasselbe, was das Blut im Körper wirkt. Er erfüllt uns, durchlebt uns. Wenn wir Seinen An'regungen und Erleuchtungen folgen, wird er uns bald zur. vollen Verähnlichung mit Christus führen. Dann slild wir nur mehr eins mit Ihm' ein Herz und elile Seele. Dann sehen wir alle Di~O'e so an, wie Christus sie

o .

ansieht. Dann urteilen wil- wie Er. Dann haben WH dieselben Wünsche wie Er. Denselben Willen wie Er. Dieselbe Liebe wie Er. Dann ist unser Herz

Freitag: Die läßliche Sünde.

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Christi Herz und sprechen wir mit Paulus: "Eigentlich lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir" (Gal. 2, 20). Dann ist Christus an die Stelle unserer Seele getreten, Wir sind in Wahrµeit "ein anderer Christus" geworden, durch die Verschmeizung der Herzen und der Seelen. Wir haben unser eigenes Leben verloren und durch das Leben des Herrn ersetzt erhalten. Es ist dann an uns das Wort des Herrn in Erfüllung gegangen: "Wie Ich durch den Vater lebe, so wird auch der, welcher Mich ißt, durch Mich leben" (Joh. 6, 57). Das ist die hundertfältige Frucht der heiligen Kommunion.

Aui daß wir zu dieser Frucht gelangen, macht der Herr "das Land (unserer Seele) beben und erschüttert es" (Graduale) durch DemÜtigungen, Prüc fungen, Leiden, Schwierigkeiten aller Art. "Die Kraft (Gottes) kommt in der (unserer) Schwachheit zur Voilendung" (Epistel).

G eb et.

In Demut bitten wir Dich, allmächtiger Gott: verleihe denen, die Du mit Deinen Sakramenten erquickst, die Gnade, auch durch wohlgefälligen Wandel Dir würdig zu dienen. Durch Christus uns ern

Herrn. Amen,

Freitag der Woche nach Sexagesima.

Die I ä ß li c he S ü n d e.

1. "Ein Sämann ging aus, seinen Samen zu säen.

Als er nun säte, fiel einiges auf den Weg. Da wurde es zertreten, und die Vögel des Himmels pickten es auf." "Die am Wege sind jene, die es hören; dann kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihren Herzen" (Evangelium). Er nimmt es dadurch aus ihren Herzen, daß er sie in der freiwilligen läßlichen Sünde, insbesondere in der gewohnheitsmäßigen läßlichen Sünde festhält. Dann ist es um das Keimen und Wachsen der Gnadeneinsprechungen

geschehen.

Freitag: Die läßliche Sünde.

45

und Sichgeben ; träge, ungenau in religiösen Dingen; unbeherrscht, zu frei im Reden; sie gehen leichtfertig mit dem guten Namen und Ruf des M itmenschen um, sind nicht ganz ehrlich, sind nicht genügend mildtätig usw. Sie wissen um ihre Fehler. Sie klagen sich darüber an. Aber sie bereuen sie nicht ernst und wenden in Wahrheit nie die Mittel an, den Fehlern zu begegnen. Sie beachten nicht, daß jede dieser Untreuen und Sünden ein MÜhlstein um ihren Hals ist, der sie niederzieht. Sie beachten nicht, wie sie anfangen, nur noch rein menschlichnatürlich zu denken; wie sie nur noch nach rein menschlich-nahirlichen Beweggründen handeln. Sie beachten nicht, wie sie den Einsprechungen und Anregungen der Gnade gewohnheitsmäßig widerstehen und sie mißbrauchen. Lauter guter Same, aber auf den Weg gestreut. ,,0 daß du kalt wärest oder warm. Weil du aber lau bist, will ich dich aus·meinem Munde ausspeien" (Offb. 3, 16). Lauheit, Gleichgültigkeit gegen die läßlichen Sünden, die sog. "Kleinigkeiten". Der Same ist auf den 'Weg gefallen, auf steinigen Grund. Kann er da Wurzel fassen? In einer Seele, die der gewohnheitsmäßigen läßlichen Sünde ergeben ist? Die dauernd im Zustande der Schlaffheit, der Halbheit dahinlebt und die Gnaden dauernd mißbraucht? Die kaum mehr betet, ganz von sich und von den Geschöpfen eingenommen ist und so dem Heiligen Geiste widersteht? (Apg. 7, Sr.)

3· "Wach auf, 0 Herr, verstoß uns nicht auf ewig.

Es klebt am Boden unser Leib. Wach auf, 0 Herr, hilf uns, erlöse uns" (Introitus), von dem Übel der vorsätzlichen, der gewohnheitsmäßigen läßlichen Sünde! Wer kann uns noch retten, wenn wir einmal in Ihren Schlingen sind? Nur Gottes Erbarmen. Aber wenn selbst der erbarmende Gott "anfangen muß, uns aus Seinem Munde auszuspeien"? Doch in der heiligen Fastenzeit wird Er mit uns Erbarmen haben.

Was soll unser Christenleben anders sein als ein Leben der liebenden Hingabe an Gott, in Christus

46 1. Vorfastenzeit : Sexagesimawoche.

Jesus! Wie aber, wenn wir, wir Gottgeweihte, Priester, Ordensleute, dauernd bewußt gegen Gott und Christus, unsern Herrn und Erlöser, gemein sind, bedacht zurückhaltend, dem zugeneigt, was Ihm verhaßt ist, und wenn wir uns beständig der ,Gefahr aussetzen, Ihm vollends ganz den RÜcken zu kehren? Es ist höchste Zeit, daß wir mit der vorsätzlichen SÜnde brechen.

Was hindert in uns, daß der göttliche Same Frucht bringe? Ist es die unbekämpfte Selbstsucht, die jede Abtötung scheut? Ist es die Eitelkeit, die keinen Vorwurf ertragen will? Ist es der Eigendünkel, der unsere guten Werke verdirbt? Ist es ein irgendwie festgehaltener niedrigerWunsch, ein geheimer Drang der heimlichen Leidenschaft, dem wir nicht ganz widerstehen? Ist es etwas in unserm natÜrlichen Temperament, das wir nicht unterdrücken und bessern wollen? Ist es die Vernachlässigung des Gebetes? Die Hast und Zerstreuung im Gebet? Möge der Herr uns das Licht geben, daß wir erkennen, welche Gewohnheitssünde unsere Seele einnimmt und unfruchtbar macht.

So flehen wir mit dem Offertorium: "Laß mich in Treue Deine vVege wandeln. 0 neig Dein Ohr, erhöre meine Bitte. Laß Dein Erbarmen Wunder wirken. Denn Du errettest, Herr, die auf Dich hoffen."

Gebet.

"Du machtest beben, 0 Herr, das Land (die Seele) und hast es erschüttert. Heil seine Risse, es stÜrzt ja (sonst) zusammen. Gib ein Entrinnen vor des Bogens Pfeilen, schenk Rettung Deinen Auserwählten" (Traktus). Reiße uns heraus aus den Banden der läßlichen Sünde. Amen.

Samstag der Woche nach, Sexagesima.

Das gut e Erd r e ich.

1. Wir sind im Heiligtum des heiligen Apostel!

Paulus. Mit Staunen vernehmen wir aus dem Munde

Samstag: Das gute Erdreich,

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des Apostels, wie reiche Frucht der Same des Wortes gezeitigt hat, das der Herr vor Damaskus in seine Seele legte (Epistel). "Was (vom Samen des Wortes Gottes) auf gute Erde fiel, das sind jene, die das Wort hören, es in gutem, sehr gutem Herzen bewahren und Frucht bringen in Geduld." So hat Paulus das Wort, die Gnade Gottes aufgenommen und bewahrt und es Frucht bringen lassen in Geduld,

2. "E inS ä man n gin gau s, sei n e n Sam e n zu säe n." Voll Mordgier und Wut gegen die Jünger des Herrn zieht Saulu5 von J erusalem nach Damaskus in Syrien, um alle, die sich zu Christus bekennen, gefangen zu nehmen und nach Jerusalem abzuführen. In dieses Herz, voll der Glut für die Religion der Väter, voll ungestümen Eifers für das Gesetz des Moses und die religiösen Überlieferungen seines Volkes, streut der Herr vor Damaskus Seinen Samen. "Plötzlich umstrahlte den Saulus ein Licht vom Himmel. Er stürzte zu Boden und vernahm eine Stimme, die ihm zurief: Saulus Saulus, warum I'erfolgst du Mich? Wer bist Du, He;r? fragt Saulus. Ich bin Jesus, den du verfolgst. Es ist hart für dich, gegen den Stachel auszuschlagen. Zitternd und bebend fragt Saulus: Herr, was willst Du, daß ich tun soll? Der Herr: Steh auf und geh in die Stadt: dort wird man dir sagen, was du tun sollst" (Apg. 9, I ff.). Das Samenkorn ist gesät. Saulus hat es aufgenommen. "Was willst Du, daß ich tun soll?" Er tut, wie der Herr ihm gesagt, und geht in die Stadt. Da ist er drei Tage, ohne sehen zu können, ohne zu essen und zu trinken. Er betet. Er läßt sich von Ananias die Hände auflegen, wird sehend und läßt sich taufen. Das Samenkorn hat sich in der Einsamkeit, im Fasten und Beten tief in die Seele eingewurzelt. Es keimt mächtig auf. Saulus ist Paulus geworden. Er hat von nun an nur nO,ch eine Idee: Christus und die Kirche, die Seelen. Er "vergißt, was hinter ihm liegt" (Phil. 3, 13). Er könnte ja auch "auf das

48 1. Vorfastenzeit : Sexagesimawoche.

Fleisch vertrauen": er ist beschnitten am achten Tage, aus dem Volke Israel, aus dem Stamme Benj amin, ein Hebräer von hebräischen Ahnen; er war ein gesetzestreuer Pharisäer und von untadeligem Wandel, was die Gerechtigkeit nach dem Gesetze betrifft. "Aber was mir einst als Gewinn galt, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja ich erachte es als Kehricht, um Christus zu gewinnen" (Phil. 3, 4 ff.). Er kennt nur noch eines, Christus, den Gekreuzigten. "Christus ist für mich das Leben, und das Sterben ist mir Gewinn. Ich habe das Verlangen, aufgelöst und bei Christus zu sein" (Phil. I, 2I 23). 'vVo die Seele so sehr nur auf Christus bedacht ist, Ihm zu leben, Ihm zu gefallen, Ihn zu besitzen; wo die Seele so sehr im Eifer für Christus und die Seelen, die Kirche, erglüht; wo die Seele mit allem, was nicht Christus und die Kirche ist, gebrochen hat, da ist sie ein gutes Erdreich. Da dürfen wir uns nicht wundern, daß des Apostels Worte und Werke an den Menschen so fruchtbar sind, daß er so heroisch ist im \Virken und Leiden, daß er zu den erhabensten Höhen des Gebetslebens und der Vereinigung mit Gott zugelassen und bis in "den dritten Himmel entrÜckt" wird (Epistel). "Was auf gute Erde fiel, das sind jene, die das \Vort hören, es in gutem und sehr gutem Herzen bewahren und Frucht bringen in Geduld.

"D i e e s i n gut e m, s ehr gut e m Her zen b e w a h ren." Wir haben das Wort Gottes gehört und hören es immerfort. Am Hören fehlt es also nicht. Aber ob wir es in gutem und sehr gutem Herzen bewahren? So wie Sankt Paulus es bewahrt und mit ihm gewuchert hat. Was hält uns ab, es zu bewahren und es fruchtbar werden zu lassen? Es sind genau die drei Hindernisse, welche das Gleichnis vom Samann aufdeckt. "Einiges fällt auf den Weg", in eine ausgegossene, zerstreute Seele, die sich eitlen und unnützen Gedanken, Phantasien, Plä-

Samstag: Das gute Erdreich.

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nen überläßt; die alle Neuigkeiten erfahren will, alle Zeitungen gelesen, alles, was vorgeht, wissen, hören muß; die sich immerdar mit dem beschäftigt, was gewesen ist, was eben geschieht, was die Zukunft bringen wird; die keine Zeit hat für Gott, für das innere Gebet, die heilige Sammlung, den inneren Umgang mit dem in ihr lebenden Gott. "Anderes fiel auf steinigen Grund": in eine abgestandene, lau gewordene, jede MÜhe und jedes Opfer scheuende Seele. Sie ist fromm, hört Gottes Wort, hat religiöse Gefühle, bringt es zu heiligen Affekten, aber versagt, sobald es sich darum handelt, eine Schwierigkeit zu überwinden, einer Versuchung zu widerstehen, ein Opfer zu bringen. "Wieder anderes fiel unter die Dornen, die mitaufwuchsen" : in eine Seele, die zwar das ·Wort, die Gnade Gottes aufnimmt und entschlossen ist, es in Tugenden und guten Werken fruchtbar werden zu lassen. Aber mit diesem guten Wollen läßt die Seele bestimmte Anhänglichkeiten zusammenbestehen, welche den guten Samen ersticken: ungeordnete Anhänglichkeiten an ein bequemes, sinnliches Leben, an materielle Genüsse, an Geld und Besitz, an Lob und Geltung bei den Mensehen; Anhänglichkeiten an die Arbeit, das Studium, das Geschäft, an Menschen, an Liebhabereien; Anhänglichkeit an die eigene Meinung, den eigenen Willen, die eigene Art, den eigenen Charakter, übertriebene Sorge um die Gesundheit und das körperliche Wohlergehen. Diese Anhänglichkeiten, mit denen wir nie ernstlich brechen wollen, sind die Dornen, die die guten Keime ersticken, die der Sämann Christus in die Seele streut. Ausgegossenheit, Lauigkeit, ungeordnete An,hänglichkeit: das sind die ~[ächte, die in uns das Aufwachsen und Fruchtbringen des göttlichen Samenkorns hindern und vereiteln. Am Samen fehlt es nicht. Es fehlt am Boden: durch unsere Schuld.

3. Wir sind im Haus, am Grab des hl. Paulus.

Wir wissen uns eins mit ihm und wollen uns heute, Baur, Werde Lichtl U, 4

50 1. Vorfastenzeit : Sexagesimawoche.

da wir uns um ihn als den StationsheiligeIl schare von seinem Geiste wieder erfassen und erfüil, lassen! Wären wir doch, wie er es war, eip gut Erdreich für den Samen, den Christus der Sämal so reich] ich in unsere Seele ausstreut!

Wir haben viel zu bessern, soll der Same in u, reiche Frucht bringen. Vor allem den Boden b reiten. Wie? Dadurch, daß wir die Hindernisse we: räumen: die Ausgegossenheit, die Abgestandenht und Lauigkeit, insbesondere die ungeordneten A hänglichkeiten und verkehrten, übermäßigen Sorgt jeder Art!

Uns gilt das Wort des Apostels: "Wenn ein LaI den reichlich niederströmenden Regen aufnimmt ur denen, die es bestellen, die erwünschte Frucht he vorbringt, so empfängt es Segen von Gott. Brini es aber nur Dornen und Disteln hervor, so ist, wertlos und dem Fluche nahe und wird am En( ausgebrannt" (Hebr. 6, 7 8).

Wir kommen zur Feier des heiligen Opfers. W legen die Bitte auf die Patene, daß Gott um d, Opfers J esu willen uns, uns allen, die Einsicht ur den Mut gebe, allem vollkommen zu entsagen, w, dem Gedeihen des Samens entgegensteht, den der S; mann Christus in unsere Seele legt.

Gebet.

Wir bitten Dich, 0 Herr, erhelle unsern Geist m dem Lichte Deiner Klarheit, damit wir sehen könnel was wir zu tun haben, und auszuführen vermögel was recht ist. Durch Christus unsern Herrn. Amel

!J\t liturgische MeLlfeier des Sonntag~ Quin q uagesima.

I. Die Kirche enthüllt uns mit dem heutigen Evangelium das Geheimnis der nahen Fasten- und Osterzeit : "Siehe, wir ziehen hinauf nach J erusalern; dort wird alles in Erfüllung gehen, was die Propheten vom Menschensohn geschrieben haben. Er wird den Heiden überliefert, mißhandelt und angespieen werden; man wird Ihn geißeln und töten, aber am dritten Tag wird er auferstehen." Die Apostel, auch Petrus, um den wir uns in der Stationskirche versammelt haben, verstehen das Wort vom leidenden Christus nicht. "Sie verstanden nichts davon; die Rede war ihnen dunkeL" Aber sie gehen tapfer an Seiner Seite und ziehen mit Ihm nach J erusalem hinauf.

2. Im heiligen Opfer, das wir zu feiern im Begriffe stehen, nimmt uns die heilige Liturgie mit nach Jerusalem, auf den Kalvaria des Altars. Dort soll sich vor unseren Augen geheimnisvoll das Schauspiel wiederholen, das Christus im Evangelium angekündigt hat. Und wir schließen uns im heiligen Opfer dem Hohenpriester Christus an und wählen den Weg, den Er uns führt: Durch Kampf und Leiden zum Sieg der Auferstehung, durch das tägliche Sterben zum unsterblichen Leben im ewigen Ostern! So flehen wir mit dem Heiland, der seinen schmerzlichen Opfergang nach Jerusalem antritt, im Introitus: "Sei mir ein schützender Gott und eine Zu· fluchtsstätte ! Rette mich! Auf Dich, 0 Herr, vertraue ich." Die Kil-che, wir, gehen betend, vertrauend in den mühevollen Kampf, den die Fastenzeit uns auferlegt: Kampf gegen den alten M enschen in uns, gegen die Leidenschaften, gegen die VerfÜhrung durch die Welt und durch die Hölle.

4*

52 1. Vorfastenzeit : QUlnquagesimawoche.

Herr, erbarme Dich unser! "Löse uns von den Ban, den der Sünde und behüte uns vor allem Unheil' (Oratio). Widerstehen, entsagen; starkmÜtig über winden und heldenhaft kämpfen, das ist die Filsten arbeit. Aber sie muß getragen sein vom rechte! Geist, vom Geist der Liebe. Was ist alles Tun une Wissen, was alles Opfern und Leiden ohne die Liebe' Drum singt der Apostel in der Epistel das Hohelie( der Liebe. Die Liebe war es, die Christus drängte nach J erusalem hinaufzuziehen, sich für uns Zl opfern; sie drängt Ihn, in dieser Stunde im heiliget Opfer uns die Früchte Seines Erlösungstodes erbar mend zuzuwenden und sich heilend, helfend zu un herabzulassen. Dankbar bekennen wir im Graduale "Du bist Gott, Du allein tust Wunder, Du hast (mi Deinem Sterben am Kreuze) Dein Volk erlöst." "Ju belt Gott zu, Er hat uns (in Seinem Sterben fÜr da übernatürliche, ewige Leben) geschaffen: wir sinl Sein Volk."

3. Die Liebe drängt auch uns. Liebend gehen wi mit Ihm, liebend opfern wir mit Ihm; liebend gebel wir alles, Leib und Seele, Zeit und Gesundheit, da ganze Herz mit seinen Neigungen und Anhänglich keiten. So machen wir mit dem sich opfernden Hei land den Opfergang. Wir sind bereit, Sein Los Zl teilen, mit Ihm verspottet und gegeißelt zu wer den, ja in den Tod zu gehen. "Lehre mich Dein Satzungen" (Offertorium). Heile uns von der Blind heit, die das Geheimnis des Sterbens, des Kreuze, des Opferns und wahren Mitopferns nicht erfassel will, und laß uns sehend, verstehend Dir folgen uni nachleben, was Du uns im heiligen Opfer vorlebst Durch Sterben zum Leben! "Wer sein Leben liebt wird es verlieren; wer es hingegen in dieser vVel haßt, wir.d es für das ewige Leben bewahren" (Joh T2,25). Nachdem wir in der heiligen Wandlung un selbst mit Christus zum Opfer gebracht haben, wil'l uns in der Kommunion das Leben geschenkt: "Si, aßen und wurden satt" (Kommuniongesang). Petrlls

Sonntag: Erleuchtung.

S3

um den wir versammelt sind, geht uns den Weg zum Leben voran. Erst konnte auch er das Vv' ort vom Leiden und Kreuz nicht fassen, die Liebe öffnete ihm die Augen; sie drängte ihn, dem Meister zu folgen, mit seinem Heiland den blutigen Kreuzestod zu teilen. Die Liebe öffnete ihm den Eingang zum Leben, zum Ostertag der Ewigkeit.

Sonntag Quinquagesima.

E r leu c h tun g.

J. Kampf und NI ühe ist der Anteil des Herrn und Seiner Kirche. Auch unser Anteil. Wir wissen, daß wir von unserer Schwäche nur Niederlagen und Enttäuschungen zu erwarten haben. Aber in unserer Schwachheit liegt unsere Kraft: je mehr wir uns ob u'nserer Unzulänglichkeit demÜtig, vertrauend an den Herrn halten, um so sicherer werden wir siegen. Von Ihm erwarten wir Kraft und Sieg. Drum flüchtet sich die Kirche und flüchten wir uns heute mit dem Blinden des Evangeliums zum Herrn. "Sei Du mein Schützergott, mein Zufluchtsort, und rette mich. Denn Du bist ja mein Hort und meine Zuflucht. Um Deines Namens willen sei Du mir Führer und ~rnähre mich. Auf Dich, 0 Herr, vertraue ich, ich werde nicht enttäuscht in alle Ewigkeit" (Introitus).

2. "A I s E r (J e s u s) sie h J e r ich 0 näh e r t e , saß ein Blinder am Wege und bettelte. Als er das Volk vorbeiziehen hörte, fragte er, was das sei. Sie sagten ihm, J esus von N azareth gehe vorüber. Da rief er: J esus, Sohn Davids, erbarme dich meiner. Die Vorausgehenden schalten ihn, er solle schweigen. Er aber schrie noch lauter: Sohn Davids, erbarme dich meiner! Da blieb J esus stehen und ließ ihn zu sich bringen. Als er herangekommen war, fragte Er ihn : Was soll Ich dir tun? Er antwortete: Herr, daß ich sehe. J esus sprach zu ihm:

Sei sehend. Dein Glaube hat dir geholfen. Sogleich sah er, pries Gott und folgte Ihm. Und alles

54 1. Vorfastenzeit : Quinquagesimawoche.

Volk, das Zeuge davon war, lobte Gott" (Evangelium). In der Tat: Jesus ist der Heiland, stark und bereit, der Armut, dem Elend der Menschen abzuhelfen. Aber Er verlangt Glaube und ganzes Vertrauen. "Dein Glaube hat dir geholfen."

"D i e W und e run s e res Her r nun cl H e i -

I an des mÜssen wir also verstehen: wir g-lauben, daß Er sie tatsächlich gewirkt hat. Sodann sehen wir in ihnen zug-Ieich ein anderes, das in ihnen ausgedrÜckt ist. Denn Seine \Vundertaten sprechen uns einerseits von Seiner Macht und sind anderseits ein Symbol für etwas anderes. Wer jener Blinde gewesen ist, ist uns unbekannt: aber wen er im Symbol darstellt, das wissen wir. Der Blinde ist die Menschheit, die durch Adams SÜnde der Helle des übernatürlichen Lichtes beraubt, der Finsternis der ewigen Verdammnis Überantwortet ist" (Gregor der Große in den Lesungen der Mette). Der Blinde ist in der Liturgie des heutigen Sonntags die Kirche aus den Heiden, Sich selbst überlassen, ist sie der Blinde am Weg, bettelnd, in größter Armut und tiefstem Elend. Wie verlangt sie, sehend zu werden! Sehen wäre ihr ganzer Reichtum. Aber wer wird, wer kann ihr dieses Gut verschaffen? Da steigt der Sohn Gottes hernieder und kommt des Weges. Sie hat von Seinem Kommen erfahren. Sie ruft aus der Tiefe ihres Elendes, ihrer Armut, ihrer Hilflosigkeit zu Ihm empor: "Sohn Davids, erbarme dich meiner." Er hat Erbarmen. "Was soll Ich dir tun?" "Daß ich sehend werde," Nur sehen! Nur zum Licht kommen! Dann ist sie reich, dann ist alles gewonnen. Und Er macht sie sehend: Er gibt ihr das Licht des Glaubens! Jetzt ist ihr Sehnen gestillt. Im Glauben hat sie alles, Gott und Welt, Zeit und Ewigkeit, Gegenwart und Zukunft, Licht und Liebe. Dankbaren Herzens jubelt sie: "Nur Du bist Gott, nur Du wirkst Wunder. Die (Kirche aus den) Heiden ließest Du erkennen Deine Macht, Mit starkem Arm hast Du Dein Volk (von der Blindheit) befreit" (Graduale),

Sonntag: Erleuchtung.

"Jubelt Gott, ihr Lande alt, dienet dem Herrn mit Freuden. Wir sind Sein Volk, die Schäflein Seiner Weide" (Tractus). Ihr Loben und Beten ist Dank, ist Jubel. Sie preist Gott und folgt in dankbarer, bräutlicher Liebe dem Herrn.

3. Die Kirche sind wir. In der heiligen Taufe heilte Er unsere Blindheit. "Erleuchtung" nannten unsere Väter die hl. Taufe. Da ging uns im Lichte des Glaubens Gott auf, Christus, die Wahrheit, unser einziges Gut und Alles. Würde es doch von uns gelten können: "Sogleich sah er, pries Gott und folgte Ihm (Jesus)."

Der heutige Tag ist der heiligen Liturgie ein Tag des Dankes für die Gnade der "Erleuchtung". Wie viele Blindenheilungen, innere Erleuchtungen hat der Herr seit jener ersten Erleuchtung an uns gewirkt. Und wir haben sie so selten geschätzt und benützt. Hätten wir den Sinn der heiligen Liturgie, die heute nicht müde wird, dem Erleuchter zu danken, Gott zu preisen und dem Herrn in Treue zu folgen! "Gepriesen bist Du, Herr; lehre mich Deine Gebote. Mit meinen Lippen künd' ich alle Lehren Deines Mundes" (Offertorium).

Zuvor der arme, hilflose Blinde. Durch Christus hat er das Gesicht. Nun sieht er die Wunderwelt der Gaben und Gnaden Gottes. Und ihren Sammelpunkt, Mittelpunkt und Höhepunkt, die heilige Eucharistie. Da kommt Er heute wieder und gibt :hnen neues Licht, neue Einsichten, im Opfer der heiligen Messe, im Opfermahl der heiligen Kommunion. "Sie aßen, bis sie ganz satt waren. Der Herr erfüllte ihr Verlangen. Sie wurden in ihrer Sehnsucht nicht getäuscht" (Communio). \Ver ist so glücklich, so reich wie wir, die Kinder der Kirche? ~ ein, bei Christus, in unserer heiligen Kirche sind wir nicht getäuscht und nicht enttäuscht.

In unserer Schwäche liegt unsere Kraft: sie drängt uns zu J esus hin, zur heiligen Taufe, zur heiligen Eucharistie, zum Altar, zur restlosen Hingabe an

5S

56 1. Vorfastenzeit : Quinquagesimawoche.

Seine Hand, an Seine Führung. "Du bist mein Hort und meine Zuflucht. Um Deines Namens willen sei Du mir Führer und ernähre mich" (Introitus) mit Deiner Kraft und Deinem Leben. ,;Wie Ich durch den Vater lebe, so wird auch der, welcher M ich ißt, durch Mich leben" (Joh. 6,57).

Ge be t.

\Vir bitten Dich, 0 Herr, erhöre gnädig unser Flehen. Löse uns von den Banden der Sünde und behÜte uns vor allem Unheil. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Montag der Woche nach Quinquagesima, Das H 0 hel i e d der L i e b e.

1. Mit inniger Dankbarkeit lobsingt die Kirche dem Herrn, der sie von der Blindheit geheilt hat. Er hat ihr das Licht des Glaubens gegeben. Und mit dem Lichte die heilige Liebe. Die Welt, die Menschheit wird von der Liebe regiert. Sie ist zweifach: eine unreine, unheilige Liebe, die nach unten zieht, die Eigenl iebe, die bis zur Hintansetzung Gottes und zur Verachtung dessen fortschreitet, was Gott angeordnet und geboten hat; die Liebe, die sich als Augenlust, Fleischeslust und Hoffart des Lebens (I J oh. 2, 16) auswirkt, die den Menschen erniedrigt, von Gott trennt und ins UnglÜck stürzt. Und eine reine, heilige Liebe, die Liebe zu Gott, die nach oben strebt und nach oben hebt, die den Menschen sich selber vergessen läßt, ihn ganz an Gott hingibt und in Gott beseligt. Das ist heute der Dankesj ubel der heiligen Liturgie. Mit dem Licht hat der Herr Seiner Kirche die reine, heilige Liebe geschenkt. Das ist ihr Reichtum: sie liebt Gott und in Gott den Nächsten. Das ist der Gedanke der Epistel des Sonntags Quinquagesima: er singt das Hohelied der Gottes- und Nächstenliebe.

2. "B r ü der, wen n ich die S p r ach e der

Montag: Das Hohelied der Liebe. 57

M e n s c he n und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz und eine klingende Schelle. Und wenn ich die Gabe der Weissagung hätte und alle Geheimnisse wÜßte unu alle Wissenschaft, und wenn ich einen Glauben hätte, so daß ich Berge versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich meine ganze Habe zur Speisung der Armen austeilte und meinen Leib zum Verbrennen hingäbe, hätte aber die Liebe nicht, es nützte mich nichts." Auf die Liebe kommt es an. Wie sieht sie aus?

"D i e Li e bei s t ge d u I d i g, ist g ü t i g. Die Liebe beneidet nicht, handelt nicht prahlerisch, bläht sich nicht auf, ist nicht ehrgeizig, nicht selbstsüchtig, sie läßt sich nicht erbittern, sie denkt nichts Arges, sie freut sich nicht am Unrecht, sondern hat Freude an der Wahrheit. Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles." Siehe da das tiefste Innere der heiligen Kirche, ihr Herz, ihre Liebe zu Gott, ihre Liebe zu den Menschen. Denke so von der Mutter Kirche; dann denkst du wahr yon ih r !

"D i e L i e b e hör t nie auf. Weissagungen vergehen, Sprachen (die Sprachengabe ) nehmen ein Ende, Wissenschaft hört auf. Denn Stückwerk ist l!l1Ser Wissen und StÜckwerk ist unser Weissagen. Kommt aber das Vollkommene (in der Anschauung Gottes im Himmel), dann hört das StÜckwerk auf. Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei: das größte aber unter ihnen ist die Liebe", die ÜbernatÜrliche Gottes- und Nächstenliebe.

3. Das ist der Reichtum der heiligen Kirche: sie hat den Glauben, sie hat die Hoffnung, sie hat in vielen ihrer Kinder das Wissen, die Gabe der Weissagung, die Gabe der Wunder. Aber über alle diese Gaben geht die Gabe der Liebe, der reinen, heiligen Gottesliebe. Die Liebe, welche die Gebote Gottes erfüllt, nicht aus Furcht oder aus Zwang, auch nicht

58 I. Vorfastenzeit : Quinquagesimawoche.

allein um des Lohnes willen, sondern um Dem zu gefallen und Dem Freude zu machen, dem sie sich in Liebe ergeben hat. Aus dieser Liebe heraus ist ihr Sinnen und Trachten stets auf Gott gerichtet, I4n anzubeten, Ihm zu huldigen, Ihm zu dienen. Aus dieser Liebe heraus ist ihr Arm stark und ihr Mut ungebrochen und nimmt sie alle Kämpfe und Opfer auf sich.

Aus dieser Liebe zu Gott heraus ist die heilige

Kirche unerschöpflich in Werken und Taten der Nächstenliebe. Die Geschichte der Kirche ist ein ununterbrochener Lobgesang auf ihre heroischeN ächstenliebe. Ihrer liebenden Sorge um die Kinder, um die Armen, um die Witwen, um die Waisen, um die Sklaven, um die Verbannten, um die Gefangenen, um die Betrübten und Hilfsbedürftigen. Was ,künden die Priester, die Missionare, die Seelsorger, die Ordensleute beiderlei Geschlechtes anders als die liebende Sorge der Kirche um das geistige und leibliche Wohl der Menschen?

In diesen Tagen der Fastnacht, wo die Welt ihr Glück im Taumel der Ausgelassenheit, der Torheit und des Sinnengenusses sucht, enthÜllt uns die heilige Kirche, worin sie ihren Reichtum, ihr Glück gefunden und findet. Wir verstehen ihre Sprache und freuen uns mit ihr. Wir entsagen dem vVahn der Welt und drängen uns zur Mutter, um ihr GlÜck mitzugenießen, das Glück der heiligen, reinen Gottesund Nächstenliebe.

Wir prüfen uns ernstlich auf die'vVorte der Epistel.

Haben wir den Geist der Liebe? In der heiligen Taufe ist uns der Geist der Liebe eingesenkt worden. Durch die Feier des heiligen Opfers und durch die Teilnahme am heiligen Opfermahl soll die Glut der Liebe neu angefacht, die Liebe gemehrt werden.' Leben, pflegen wir das Leben der Liebe? Haben wir uns nicht vieles vorzuwerfen? vieles zu bessern? viel zu bitten: "Herr, entzÜnde in uns das Feuer der Liebe"?

Dienstag: "Hinauf nach J erusalem." S 9

Ge be t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, erhöre gnädig unser Flehen; löse uns von den Banden der SÜnde und behüte uns vor allem Unheil. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Dienstag der Woche nach Quinquagesima.

"H in auf na c h Je r usa lern."

1. Wir stehen unmittelbar vor dem Eintritt in die heilige Fastenzeit. In drei Stufen hat uns die Kirche vorbereitet. In den Lesungen der Mette fÜhrte sie uns drei mächtige Gestalten vor: Adam, N oe, Abraham. Adam, der Urheber der Sünde, ist zugleich Vorbild des neuen Adam Christus. Noe, in der Arche gerettet, ist Vorbild der durch die Wasser der Taufe in der Arche der Kirche geretteten, erlösten Menschheit. Abraham opfert seinen Sohn Isaak auf Moria: ein Vorbild des Opfertodes Christi auf Kalvaria. Drei große Gestalten des N euen Testamentes treten in den drei Stationskirchen der drei Sonntage auf:

Laurentius, Paulus, Petrus. Drei Grundgedanken beherrschen die drei Evangelien dieser Sonntage: Die Einladung Gottes zur Arbeit im 'Weinberg der Seele (Sonntag Septuagesima). Das \Virken Gottes an der j(irche: Er streut den Samen des Wortes und der Gnade aus, 11m reiche Frucht zu ernten (Sonntag Sexagesima). Das Ziel dieses Wirkens Gottes: die Erleuchtung, das Sehendwerden, in dem heiligen Sakrament der heiligen Taufe als Beginn der Erleuchtung, d. i. der Verklärung im Ostern des Himmels.

2. "I n jen erZ e i t nah m J e s u s die Z w ö I f e bel sei t e und, sprach zu ihnen: Seht, wir ziehen hinauf nach J erusalem. Dort wird alles in Erfüllung gehen, was die Propheten über den Menschensohn geschrieben haben. Er wird den Heiden ausgeliefert, \'erspottet, mißhp.ndelt und angespieen werden; man wird Ihn geißeln und töten; aber am dritten Tage

60 1. Vorfastenzeit : Quinquagesimawoche.

wird Er wieder auferstehen" (Evangelium). Mit ruhigem Ernst und heiliger Festigkeit geht der Herr Seinem Leiden und Sterben entgegen. Seine Jünger, die Kirche, geht mit Ihm. Sie ist eins mit Ihm. "Seht, wir ziehen hinauf nach Jerusalem", der Karwoche, Ostern entgegen. Ja, in jeder Feier der heiligen Messe wird es wieder wahr: "Wir ziehen hinauf nach J erusalem", auf die Höhe von Kalvaria, und leben dort das Leiden und Sterben und die Auferstehung des Herrn mit. Unser christliches Leben ist wesenhaft nichts anderes als: "Wir ziehen nach J erusalem hinauf", um dort mit dem Herrn den Leidensweg zu teilen. Sterben zum Leben. "Nur müssen wir mit Ihm leiden, um mit Ihm auch verherrlicht zu werden" (Röm. 8, I7). SO kündet uns die heilige Liturgie unzweideutig den Kurs an, den wir mit der heiligen Liturgie der nahen Fastenzeit zu nehmen haben. Wir sind in der heiligen Taufe dem Herrn einverleibt worden, berufen, Sein Leben mitzuleben. Die heilige Fastenzeit will uns jede Täuschung und jeden etwaigen Zweifel zerstören und weist uns den klaren Weg. "Wir ziehen hinauf nach Jerusalem", um mit dem Herrn zu leiden, zu sterben und dereinst zur ewigen Herrlichkeit aufzuerstehen. Durch Kampf zum Sieg! Es dürfen nicht

leere Worte bleiben!

"A 11 ein, sie ver s t a n den n ich t s d a von;

. diese Rede war für sie dunkel und sie begriffen nicht, was damit gemeint war." Drei Jahre gehen die Apostel mit dem Herrn um. Er hat sie beleJ+rt, Er hat ihnen das Leben des menschgewordenen Gottessohnes vorgelebt, in Demut, Geduld, Mühen aller Art. Und noch immer denken sie so menschlich. Ihr Hoffen steht auf einen Nationalhelden, der die Macht der Römer brechen und ein neues Judenreich aufrichten wird. Und sie, die Zwölfe, träumen von den ersten posten und Ämtern im neuen Reich' "Sie verstanden nichts davon", wenn Er ihnen vom Gottesreich predigte, das nicht von dieser Welt ist,

Dienstag: "Hinauf nach Jerusalem." 61

das nicht auf politischer und nationaler Macht und Größe, sondern auf dem Kreuz, auf dem Leiden gegründet ist. Wie sie blind sind, nachdem sie schon so lange mit dem Lichte, das in diese Welt gekommen war, in dauernder Berührung gewesen! So schwer geht dem Menschen, auch dem Frommen, das Wort vom Leiden, von der Verdemütigung ein! Die blinden, für das Kreuz des Herrn verständnislosen Zwölfe sind wir selber. \-Vir gehen der heiligen Fastenzeit, dem Karfreitag, dem Kreuz entgegen. Betrübt steht die heilige Kirche und stellt fest, wie sehr wir Christen von heute den Sinn für das Opfer eingebüßt haben. Wir lassen den Herrn allein Seinen Kreuzweg gehen. Wir flehen Ihn an, Er möge uns mit dem Kreuze verschonen. Wir bewundern und feiern die Helden der Kreuzes- und Opferliebe, die heiligen Märtyrer, die großen Heiligen der Kirche. Ja, sie! sagen wir. Aber wir bemühen uns reichlich wenig um ihren Heldensinn, um ihre Kreuzesliebe. Wir modernen Christen, in der Welt und im Kloster, haben verlernt, das Kreuz zu schätzen und zu lieben. Die Zeit, in der wir stehen, mahnt uns dringend, alles zu verkaufen, um diesen Schatz uns zu erwerben, die Liebe zum Kreuze, das Unterscheidungsmerkmal der Auserwählten, ihre kräftigste Waffe und Stütze. Allzusehr hat das Kreuz in unserem Geiste, in unserem Herzen, in unserem Leben, selbst in unserem Glauben seine Kraft eingebüßt (I Kor. 1,17). Wir haben es verlernt, uns im Kreuze Jesu Christi zu rühmen (Gal. 6,14). Wir würden uns schämen, von uns sagen zu lassen, daß wir "nichts wissen als Jesus Christus, den Gekreuzigten" er Kor. 2,2). Im Kreuz ist unsere Kraft! Aber das ist uns alles Theorie. Wir lesen und betrachten das entzückende Kapitel der Nachfolge Christi: Über den königlichen Weg des Kreuzes. Es bleibt Theorie. Wir stimmen in die Texte und Melodien der Meßfeier ein: "Nos autem gloriari oportet in cruce Domini Nostri Jesu Christi - Wir müssen uns rüh-

62 1. Vorfastenzeit : Quinquag-esimawoche.

men im Kreuze unseres Herrn Jesus Christus." Es bleibt Theorie. Wir singen: "Mir ist die Welt gestorben und ich der Welt." Es bleibt Theorie. Wir feiern das Leiden und Sterben des Herrn mit, täglich in der heiligen Messe. Ja wir nehmen in der Kommunion den geopferten Herrn in unser Herz auf. Er will uns mit Seinem Opfergeist, Seiner Kreuzesliebe erfüllen: und wir kommen in den Alltag und fliehen das Kreuz. "Allein, sie verstanden nichts davon!" Wir Getaufte, wir Christen, wir Priester und Ordensleute!

3. "Herr, daß ich sehend werde!" fleht die Kirche, wenn der Herr heute in der heil igen Messe unter uns erscheint. "Daß ich sehend werde", daß alle ihre Kinder das Geheimnis des Kreuzes, des Karfreitags, wieder verstehen lernen!

"Herr, daß ich sehend werde!" Ein neuerer Ankläger unserer heiligen Kirche wirft ihr vor, es sei ihr wie ihren Priestern mit dem Himmel nicht ernst. Die Verehrung Gottes sei nur auf Überraschung der Phantasie und auf Befriedigung der Sinnlichkeit berechnet. Man wisse zu Zeiten passend von der N ichtigkeit der Welt zu sprechen, lasse sich aber im übrigen ihre Freuden wohl schmecken. Hat der Ankläger, bei aller übertreibung, ganz unrecht? Er nennt uns modernisierte Christen. Er wirft uns unsere optimistische Ruhebedürftigkeit, unsere hellenistische Schönheitsfreudigkeit, unsere genußsÜchtige Weltlichkeit vor. Hat er ganz unrecht? Darin ja, daß er meint, diese Kreuzesflucht, diese Weltlichkeit sei der Geist der Kirche. Nein, es ist unser Geist, ein Abfall vom Geist der Kirche und vom Geiste der Liturgie. "Herr, daß wir sehend werden!" Daß wir erkennen, daß es kein Heil gibt als in der Teilnahme am Kreuze Christi, in der Nachfolge des Gekreuzigten! Nicht bloß bis in den Abendmahlssaal, sondern auch an den ölberg, an die Geißelsäule, ans Kreuz!

"Herr, daß ich sehend werde!" Daß wir erkennen, daß Abtötung und Selbstverleugnung das eigentliche

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Gesetz du- '\1 aÜrt:lI Dieller Gottes ulld das Kennzeichen der echten Nachfolger Christi, der echten Christen sind!

"Herr, daß ich sehend werde!" Das sei heute unser Flehen, für uns, für alle K:inder der heiligen Kirche. Was 11J1S so nottut, ist die Liebe zum Kreuz, zur Abtötung, zur Selbstverieugnung, zum Opfer.

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Wir bitten Dich, 0 Herr, erhöre gnädig unser Flehen. Löse uns von den Banden der Sünde und behüte uns vor allem Unheil. Durch Christus unsern Herrn. Amen .

H. DIE FASTENZEIT

Die heilige Fastenzeit. "Z e i t der G n ade."

1. Die heilige Kirche geht mit dem Herrn "nach Jerusalem hinauf". Sie will mit Ihm leiden und sterben und auferstehen. Sie sehnt sich nach dem Licht der Auferstehung. Sie kann es nur gewinnen, wenn sie den Leidens- und Todesweg Jesu teilt. Je mehr sie das tut, um so mehr wird Sein Leben in ihr wachsen. In dieser Absicht tritt die heil ige Kirche und treten wir mit ihr in die heilige Fastenzeit ein. Ursprünglich begann die Fastenzeit erst mit dem jetzigen ersten Fastensonntag.

2. "Seht, jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist der Tag des Heils" (Epistel des ersten Fastensonntags). Die "Zeit der Gnade". Die Kirche spielt mit diesem Worte auf das sog. Jobeljahr der alten Israeliten an. Jedes fÜnfzigste Jahr war ein Jahr des Erlasses: alle Schulden, die einer während der vorausgegangenen Jahre gemacht, wurden erlassen; alle israelitischen Sklaven erhielten die Freiheit; jedes verkaufte Besitztum wurde dem ursprünglichen Besitzer zurÜckgegeben; alle Arbeit auf dem Felde ruhte: man lebte vom Überertrag der vorhergehenden Jahre. Das war das Freij ahr, das J obelj ahr. Da wurde man wieder daran erinnert, daß Gott allein der wahre Herr der ErdengÜter ist und daß es Ihm zusteht, darÜber zu verfÜgen. Man wurde daran erinnert, daß das Volk Gottes sich fÜr Gott und Seinen Dienst freizuhalten und ganz dem Lobpreis Gottes, des Herrn, zu leben hat. Man wurde daran erinnert, daß es des auserwählten Volkes erste Beschäftigung ist, Gott zu leben, und daß die Beschäftigung mit dem Irdischen doch nur etwas Nebensächliches ist.

Das Jobeljahr ist ein Vorbild der "einstigen Wiederherstellung aller Dinge" (Apg. 3. 21), der 6*

68

11. Die Fastenzeit.

Enderlösung. Es ist zugleich ein Vorbild der Zeit des messianischen Heiles. d. i. der Zeit des N euen Testamentes, der christlichen Weltzeit, in der wir leben. In ihr ist durch das Blut des Sohnes Gottes alle unsere Schuld getilgt. Wir sind von der Sklaverei Satans freigekauft. Wir sind Kinder Gottes, in die Familie Gottes aufgenommen, genährt mit dem Brote der Kinder Gottes, der heiligen Eucharistie. Unsere erste und wesentliche Beschäftigung besteht darin, daß wir unserem Gott und Herrn Dank sagen und Ihm lobsingen. Dazu legt uns die heilige Kirche ihre Psalmen und Hymnen in den Mund und gibt uns ihr göttliches Offizium in die Hand. Ja sie übergibt uns Brot und Wein, den Leib und das Blut Christi, auf daß wir damit dem Vater eine "reine, heilige, makellose Opfergabe" darbringen. "Seht, jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist der Tag des Heils", das Gnadenj ahr, das Jobelj ahr.

Freilich "tragen wir diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwenglich große Kraft nicht uns, sondern Gott beigemessen werde. Von allen Seiten sind wir bedrängt, doch nicht erdrückt; in Not, doch nicht verzweifelt; unterdrückt, doch nicht zu Grunde gerichtet. Allzeit tragen wir J esu Todesleiden an unserem Leibe, damit auch das Leben J esu an unserem Leibe offenbar werde" (2 Kor. 4, 7 ff.). "Wir erweisen uns in allen StÜcken als Diener Gottes, in großer Geduld, in TrÜbsal, in Nöten und Ängsten, bei Ehre und Schmach, bei Übler N achrede und bei Lob, für Betrüger gehalten und doch wahrhaftig, unbekannt und doch wohlbekannt, arm und doch viele bereichernd, ohne Besitz und doch alles besitzend" (2 Kor. 6, 3 ff. Epistel des ersten Fastensonntags ).

3. Das ist der Christ der Epistel des ersten

Fastensonntags: Gott lobsingend und dankend, reich in Ihm, Ihm verbunden, die Welt, ihre Güter und Ideale unter sich lassend. Indes weiß die Kirche zu gut, daß viele ihrer Kinder sich zu diesem Ideal

"Zeit der Gnade."

nicht zu erheben vermögen. Sie leben noch ein gut StÜck mit der Welt, teilen ihre Anschauungen, ihre Bestrebungen, ihre ungeordnete Sorge um die zeitlichen Werte. Sie weiß sich in vielen ihrer Kinder unre'in, befleckt. Deshalb gibt sie uns die heilige Fastenzeit, die Zeit der Reinigung und Läuterung. ,,0 Gott, Du läuterst Deine Kirche allj ährlich durch vierzigtägiges Fasten" (Kirchengebet des ersten Fastensonntags). In dieser Zeit der Reinigung soll der Glanz der vollkommenen Gottbezogenheit der Kirche in allen ihren Kindern wiederhergestellt werden. "Es werde Licht."

Wir gehen in diesen heiligen Tagen in die Absicht der Kirche und ihrer Liturgie ein. Wir waschen den Schmutz und Staub der SÜnde und der ungeordneten Hingabe an das Irdische, Zeitliche, Weltliche ab. Wir entsagen allem, was uns von der Höhe des christlichen Lebens bisher zurückgehalten hat. Dieses Entsagen kostet Mühe, Kampf, Opfer. Wir schließen uns dem entsagenden, kämpfenden, leidenden Herrn an, überzeugt, daß Er, das Haupt, auch in uns, Seinen Gliedern, siegen wird. Je vollkommener wir in der Gemeinschaft der heiligen Opferfeier und des Opfermahles der heiligen Kommunion in Ihn eingehen, um so sicherer werden wir zu Ostern an Seiner Verklärung, am neuen Leben teilhaben. Dann werden wir als Auferstandene, als neue Menschen "im Gnadenj ahr des Herrn" unser Leben Gott weihen.

4. Es sind drei große Gedanken, die uns durch die Liturgie der heiligen Fastenzeit begleiten: Leiden und Auferstehung Christi, Taufe, Buße. Wir leben das Leben des unschuldig verurteilten, geschmähten, verfolgten, dem Tode Überantworteten Christus mit und nehmen zusammen mit Ihm die MÜhen, Opfer, Ver demütigungen und Leiden dieser Fastenwochen auf uns. An Hand der wunderbaren Fastenliturgie lassen wir in uns die Erinnerung an die Gnade und die Feier der heiligen Taufe lebendig werden und

I I. Die Fastenzeit.

erneuern unser: "Ich widersage, Ich glaube", das wir in der heiligen Taufe gesprochen haben. vVir treten im Geiste in die Reihe der Büßer ein und tun Buße und leisten SÜhne für unsere vielen Sünden und Vernachlässigungen. Wir ziehen uns von der vVelt zurück und leben mehr als sonst dem Gebete, der Sammlung, der heiligen Lesung, dem innerlichen Gebet. Eine Hauptpflicht der heiligen Fastenzeit wi.rd uns die tägliche Mitfeier der heiligen Messe sem.

Durch sinnig tiefen Brauch geweiht Sei diese lieilige Fastenzeit,

Die uns von Gott gegeben ist

In vierzig Tage langer Frist.

In Speis und Trank herrsch' Mäßigkeit, In Wort und Scherz Bescheidenheit, Kurz sei der Schlummer, treu bewacht Sei unsrer Triebe dunkle Nacht.

Da Du uns schenkst die Gnadenzeit, Gib, daß durch Tränen schuldbefreit Wir unser Herzensopfer rein

In Liebesglut Dir freudig weIhn.

Du heiligste Dreifaltigkeit,

Die eins ist in der \Vesenheit,

Laß Dein Geschenk, die Fastenzeit, Uns fruchtbar sein in Ewigkeit. Amen.

Am Aschermittwoch. ~ekehret euch ... !

1. Wir nehmen aus der Hand der Kirche das Aschenkreuz entgegen lind treten damit in die Reihe jener ein, die in den früheren Jahrhunderten in den vierzIg Tagen der Fastenzeit öffentlich, im Angesicht der ganzen Gemeinde, für ihre SÜnden strenge Buße taten. Sie waren von der heiligen

Aschermittwoch: Bekehret tuch ... l

Kommunion ausgeschlossen, exkommuniziert, und wurden am GrÜndonnerstag wieder in die volle Gemeinschaft der Kirche aufgenommen. Das Aschenkreuz ist das Kennzeichen der Bereitschaft zu einem Leben der Buße. "Gedenke, 0 Mensch: Staub bist du und kehrst zum Staube zurÜck."

2. "B e k ehr e t e u c h zuM i r von g a n z e m Her zen unter Fasten,Weinen und Wehklagen. Zerreißet eure Herzen ... und bekehret euch zum Herrn, eurem Gott: denn Er ist gÜtig und barmherzig, langmütig und von großer Erbarmung, und bereit, das Böse zu vergeben .... Stoßt in die Posaune auf Sion, haltet ein heiliges Fasten, rufet zum Gottesdienst, versammelt das Volk, heiliget die Gemeinde .... Zwi>ehen Vorhof und Altar sollen weinen die Priester des Herrn und rufen: Verschone, 0 Herr, verschone Dein Volk und gib Dein Erbe nicht der Schmach preis" (Epistel). Der Aufruf an die Kirche des Alten Bundes. Gott fordert Buße, die innere Gesinnung der Buße, die Reue, Zerknirschung. Und das äußere Werk der Buße, das Fasten, die Abtötung. Durch die SÜnde haben wir uns im Ungehorsam gegen Gottes Gebot von Gott abgewandt und Ihm die Ihm gebührende Ehrung und Anerkennung entzogen. Wir haben uns einem andern, einem geschaffenen Dir!g. zugewandt und es zu unserem Gott gemacht. Die Buße muß dieses doppelte Vergehen der Abkehr von Gott und der ungeordneten H ingabe an das Geschöpf wieder gutmachen. Die Seele muß sich in Reue wieder zu Gott hinwenden: "Bekehret euch zu Mir von ganzem Herzen." Sie muß sich zugleich dafÜr, daß sie in ungeordneter Weise sich einem Geschaffenen hingegeben und es Gott vorgezogen hat, eine Strafe auferlegen, einen Verzicht, eine Entsagung, im Bußwerk, in einem Werk der Abtötung. Nur so löst sich der Mensch von der Sünde los, die er begangen, und setzt er sich in den Stand, von Gott Verzeihung zu erhalten. Ohne wahre Reue und Buße gibt es für den Menschen

7~

I I. Die Fastenzeit.

keine Verzeihung der Sünde. "Bekehret euch zu Mir von ganzem Herzen."

"Wen n ihr fa s t e t, sollt ihr kein finsteres Gesicht machen, wie die Heuchler, die ihr Gesicht entstellen, damit die Leute sehen, wie sie fasten. Vielmehr (trage Sorge), daß die Menschen dein Fasten nicht merken, sondern nur Dein Vater, der im Verborgenen ist. Und Dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir vergelten" (Evangelium). Zu diesen Worten des Evangeliums bemerkt der hl. Augustinus in den Lesungen der Mette: "Es ist offensichtlich, daß dieses Gebot des Herrn unser ganzes Streben auf die innern Freuden hinrichten will. Wir sollen (mit unsern Fasten) nicht äußere Anerkennung suchen und so der Welt gleichgest~ltet werden. Wir wÜrden dadurch nur die Verheißung des innern Glückes verlieren, das um so fester und gegründeter ist, je innerlicher es ist, und durch das wir dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet werden (Röm. 8, 29)· Der Mensch ist so eitel, daß er sich nicht bloß auf den äußern Glanz und Aufwand etwas einbilden kann, sondern sogar auf ein vernachlässigtes und entstelltes Äußeres. Diese Eitelkeit ist um so gefährlicher, je mehr sie unter dem Namen der Frömmigkeit täuscht." Das Christentum ist die Religion der Innerlichkeit, nicht des Großtuns vor den Menschen, nicht des Scheines. Die christliche Frömmigkeit schaut auf Gott und Seinen heiligen Willen. Ihr Beweggrund ist der Beweggrund der Liebe zu Gott. Daran werden wir, nicht mit Unrecht, zu Beginn der heiligen Fasten erinnert. Niemand soll es uns äußerlich anmerken. Wir sind gesammelter als sonst, wir sind strenger gegen uns als in dem Übrigen Jahr; wir entziehen uns etwas vom Schlaf, wir widmen mehr Zeit dem Gebet, wir achten sorgfältiger auf die Tugend der Schweigsamkeit. Aber wir sind dabei andern gegenüber um so liebevoller, um so dienstbereiter, um so liebenswürdiger, aufgeräumter und herzlicher. Niemand

Aschermittwoch: Bekehret euch ... 1 73

soll um das wissen, was wir uns in diesen Wochen mehr als sonst abtöten. "Sammelt euch nicht Schätze (an Ehre, Anerkennung, Lob) auf Erden, wo sie Rost und Motten verzehren. Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel", vor Gott, kraft der Absicht, Ihm allein zu gefallen. Nach diesen Richtlinien des heiligen Evangeliums nehmen wir die Werke der heiligen Fastenzeit auf uns.

3. "Laßt uns trauern in Sack und Asche. Fasten und weinen wollen wir vor dem Herrn. Denn groß im Erbarmen und im Verzeihen unserer SÜnden ist unser Gott."

"Laßt uns gutmachen, was wir in Unwissenheit gesündigt, damit wir nicht, plötzlich vom Tage des Todes überrascht, eine Frist zur Buße suchen, ohne sie finden zu können. Hab acht, 0 Herr, erbarme Dich, denn wir haben gegen Dich gesÜndigt. Hilf uns, 0 Gott, Du unser Heil. Herr, um der Ehre Deines Namens willen mach uns frei."

"Durch das körperliche Fasten unterdrÜckst Du, Herr, die bösen Neigungen in uns, erhebst Du unsern Geist, spendest Du Kraft zur Tugend und gibst Du uns reichen Lohn" (Präfation der Fastenzeit).

Wir beten und tun Buße im N amen der Gemeinschaft, der gesamten streitenden Kirche auf Erden. Wir wissen und fühlen uns eins mit allen unsern Brüdern und Schwestern in Christus und flehen einer für alle, alle für einen: "Erbarme Dich meiner, Gott, erbarme Dich meiner. Auf Dich vertraut meine Seele. Du erbarrnest Dich aller, Herr, und hassest keines Deiner Geschöpfe. Du siehst um der Buße willen über die Sünden der Menschen hinweg und schonest ihrer, weil Du der Herr, unser Gott bist. Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste" (Introitus).

Ge be t.

Herr, gewähre Deinen Gliwbigen, die hehre Feier der Fasten mit gebührender Frömmigkeit zu be-

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I I. Die Fastenzeit.

ginnen und in ungestörter Hingabe zu Ende zu führen.

o Herr, schau gnädig auf uns, die wir vor Deiner Majestät uns neigen, damit wir, mit der göttlichen Gabe (der heiligen Eucharistie) gestärkt, dereinst immerdar mit himmlischen Gaben genährt werden. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Donnerstag nach Aschermittwoch.

,B i t te t, und ihr wer d e t e m p fan gen."

1. Zum Gottesdienst versammeln wir uns im Heiligtum des Soldaten und Martyrers St. Georg. Er betet in Gemeinschaft mit uns den Introitus: "Ich schrie zum Herrn, und Er erhörte meinen Ruf und schützte mich vor denen, die mir feindlich nahen. Wirf deine Sorge auf den Herrn, Er wird dich nähren." Ein Aufruf zum eifrigen, vertrauensvollen Beten! Beten wie der König Ezechias in der Epistel, beten wie d~r Soldat, der römische Offizier im Evangelium. Die Fastenzeit ist eine Zeit des Betens.

2. "I n jen e n Tag e n war der König Ezechias todkrank. Der Prophet Isaias kam zu ihm und sprach: So spricht der Herr: Bestelle dein Haus, denn du mußt sterben und kannst nicht länger leben. Da wandte Ezechias sein Gesicht zur Wand und betete zum Herrn: Ich flehe Dich im, Herr: gedenke, wie ich vor Dir in Treue wandelte und vollkommenen Herzens, und tat, was in Deinen Augen gut ist. Und Ezechias brach in lautes Weinen aus. Da erging das V/ort des Herrn an Isaias also:

Gehe hin und sage dem Ezechias: Ich habe dein Gebet gehört und deine Tränen gesehen. Siehe, Ich will deinen Lebenstagen noch fÜnfzehn Jahre hinzufÜgen und dich samt dieser Stadt (Jerusalem) aus der Hand des Königs von Assyrien befreien und sie beschirmen" (Epistel). Ezechias bittet, und es wird ihm mehr gegeben, als er nur zu erbitten gewagt hatte. "Bittet, und ihr werdet empfangen"

Donnerstag: "Bittet, und ihr werdet empfangen." 75 (Luk. II, 9). Wirf deine Sorgen auf den Herrn, Er wird dich nähren" (Introitus).

Mit g roß e m GI au ben kom m t der So 1- da t, der römische Offizier, zu J esus (Evangelium), gedrängt von der liebenden Sorge um seinen kranken Sklaven. Er bittet den Herrn: "Herr, mein Knecht liegt gelähmt zu Hause und leidet große Qual." J esus sagt zu ihm: "Ich will kommen und ihn gesund machen." Der Offizier antwortet: "Herr, ich bin nicht wÜrdig, daß Du unter mein Dach eingehest; sprich nur· eiI~ Wort, so wird mein Knecht gesund. Denn sogar ich, der ich selber unter einer Obrigkeit stehe, brauche einem meiner Soldaten nur zu sagen: Geh, und er geht; und zu einem andern: Komm, und er kommt; und meinem Knechte:

Tu das, und er tut es." Diesem Vertrauen kann der Herr nicht widerstehen. Er erhört das Gebet des Offiziers: "Geh hin: es geschehe dir, wie du geglaubt hast. Und in derselben Stunde war der Knecht gesund." "B i ttet, und ihr werdet em pf an gen. " "Alles, um was ihr immer im Gebete mit Glauben bitten werdet, werdet ihr erhalten" (Matth. 21, 22).

3. Die heilige Liturgie erkennt im römischen Offizier des Evangeliums den Stationsheiligen St. Georg. Er kommt heute zum Herrn und fleht fÜr seinen kranken Knecht, d. i. fÜr die Gemeinde, die sich heute in seinem Hause einfindet. Er kommt mit der Liebe und mit der Sorge des Hauptmanns des Evangeliums und legt fÜr uns, seine Gemeinde, Fürsprache ein. Er wird erhört. Mit diesem Vertrauen trete.n wir in die Stationskirche ein.

Zusammen mit dem heiligen Martyrer Georg machen wir den Opfergang: "Zu Dir, 0 Herr, erhebe ich meine Seele, auf Dich vertraue ich." St. Georg hat für den Herrn Blut und Leben 'gegeben. Auch wir geben im Opfer der heiligen Messe alles und sind ein Ganzopfer an den Herrn. Tot der Sünde, tot der Welt und Weltlichkeit, tot der Eigenliebe und Selbstsucht, gehen wir den Weg des Mar-

I I. Die Fastenzeit.

tyrers, den Weg der Entsagung und der heiligen Liebe zu Gott und Christus, und leben einzig dem heiligen Willen und Wohlgefallen Gottes, nicht uns oder einem Geschöpf um seiner selbst willen.

Die heilige Liturgie mahnt uns heute eindringlich zum Gebet, zum Bittgebet. Für uns, wie Ezechias es getan, zum Gebet für die andern, wie es der Offizier des Evangeliums tut. "Bittet, und ihr werdet empfangen", lautet das große Gesetz der Gnadenordnung. Wer also nicht bittet, wird nicht empfangen. Wer wenig bittet, wird wenig, wer viel bittet, wird viel empfangen. "Die Hungrigen erfüllt Er mit Gütern, die Satten (die nicht bitten) läßt Er leer ausgehen" (Luk. I, 53). "Alle (Erwachsenen), die gerettet sind, sind deshalb gerettet, weil sie gebetet haben. Und alle, welche verdammt sind, sind deshalb verdammt, weil sie nicht gebetet haben" (hl. Alphons von Liguori). Das Gebet ist das ordentliche Mittel, um von Gott Gnaden zu erhalten.

Eine gläubige, eifrige Zeit pflegte in der heiligen Fastenzeit häufig die sieben Bußpsalmen zu beten, den Kreuzweg zu gehen, täglich den Gottesdienst zu besuchen und verschiedene besondere Fastenübungen zu verrichten. Wir haben wohl nicht weniger Grund als frÜhere Zeiten, in der heiligen Fastenzeit mehr als sonst zu beten.

Wir schließen uns in der Mitfeier der heiligen Messe insbesondere den tief empfundenen Gebeten an, die der Priester vom Aschermittwoch an täglich um die Fürbitte der Heiligen (A cunctis) und für die Lebenden und die Verstorbenen (Omnipotells sempiterne Deus) verrichtet.

Gebet.

Gott, Du wirst durch die Sünde beleidigt und durch die Buße versöhnt: sieh gnädig auf das Gebet Deines flehenden Volkes und wende ab die Geißeln Deines Zornes, die wir für unsere Sünden verdienen.

Freitag: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst." 77

Verschone, 0 Herr, verschon Dein Volk, auf daß es, mit verdienten Geißeln gezüchtigt, in Deinem Erbarmen wieder aufatme. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Freitag nach Aschermittwoch.

"L i e b e dei n e n N ä c h s t e n wie d ich sei b s t."

1. Die heilige Liturgie fÜhrt uns heute in das Haus der "zwei Männer der Barmherzigkeit", der heiligen Martyrer Johannes und Paulus. Sie hatten ihr großes Vermögen an die Armen ausgeteilt, damit sie "um so ungeheml11ter den Weg zum Himmel antreten könnten". Um ihrer Barmherzigkeit willen "hat der Herr sie erhört und sich ihrer erbarmt. Der Herr ward ihr Helfer" (Introitus). Angesichts dieser zwei Heiligen der helfenden Nächstenliebe belehrt uns die heilige Kirche heute über die dritte Seite unserer Fastenarbeit und Tauferneuerung : sie besteht im Geist der vollkommenen, wirksamen christlichen Nächstenliebe. "Wer nicht liebt, bleibt im Tode (der Sünde)" (I Joh. 3, 14).

2. "D a s ist ein Fa s t e n, wie Ich es haben will: Löse auf gottlose Fesseln, löse drückende Bande. Gib frei die UnterdrÜckten, zerbrich jedes ungerechte Joch. Brich dem Hungrigen dein Brot und führe Arme und Obdachlose in dein Haus. Siehst du einen Nackten, so bekleide ihn und verachte nicht dein eigen Fleisch (deinen Mitmenschen). Dann wird dein Licht gleich dem Morgen hervorbrechen und deine Heilung rasch erfolgen. Dann wirst du rufen, und der Herr wird dich erhöreli. Du wirst flehen, und Er wird antworten: Siehe, da bin Ich. Denn Ich bin barmherzig, Ich, der Herr, dein Gott" (Epistel. Is. 58, 6 ff.). "Selig die Bannherzigen, sie werden Barmherzigkeit erlangen" (Matth. 5, 7). Fasten, Abtötungen, Bußwerke sind gut und notwendig: aber nur, wenn sie dem ersten Gebot, dem Gebot der Liebe zu Gott und zum N äch-

11. Die Fastenzeit.

sten, untergeordnet sind und der Liebe, der GÜte, dem Erbarmen mit den Fehlern und Schwächen des Mitmenschen dienen! "Und wenn ich alle meine Habe den Armen austeilte und meinen Leib zum Verbrennen hingäbe, hätte aber die Liebe nicht, so würde es mir nichts helfen" (I Kor. 13, 3). "Wer den Nächsten liebt, hat das Gesetz erfüllt. Jedes andere Gebot ist in der einen Vorschrift enthalten:

Du sollst Deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe (zum Nächsten) ist also die Erfüllung des Gesetzes" (Röm. 13, 8). Vom Fasten kann es eine Dispens geben, aber von der Liebe nicht. "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" (Matth. 19, 19). Handeln wir so?

"I h r hab t geh ö r t, daß ge sag t w u r d e :

Du sollst deinen Nächsten lieben und - so fÜgten die Pharisäer hinzu - deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde; tut Gutes denen, die euch hassen, und betet für die, welche euch verfolgen und verleumden, auf daß ihr Kinder eures Vaters seid, der im Himmel ist, der Seine Sonne aufgehen läßt über Gute und Böse und regnen läßt Über Gerechte und Ungerechte" (Matth. 5, 43 ff.). Zur Heiligung der Fastenzeit gehört der Wille zur Nächstenliebe und die Tat der Nächstenliebe, selbst der Feindesliebe. "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern." "Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Richtet nicht (lieblos), so werdet auch ihr nicht gerichtet werden; verdammet nicht, so werdet auch ihr nicht verdammt werden. Vergebet, so wird euch vergeben werden. Gebet, so wird euch gegeben werden" (Luk. 6, 36 ff.).

3. "Ein neues Gebot gebe Ich euch: daß ihr euch einander so liebet, wie Ich euch geliebt habe" (Joh. 13, 34). "Wer sagt, er sei im Lichte (im Besitz der göttlichen Gnade) und haßt seinen Bruder, der ist noch in der Finsternis (der Sünde, Gottferne). Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Lichte. Wer da-

Freitag: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst." 79 gegen seinen Bruder haßt, ist im Finstern und wandelt im Finstern" (I Joh. 2,9). "Daran erkennen wir, daß wir aus dem Tode (der SÜnde) ins Leben (der Gnade, Gotteskindschaft ) versetzt worden sind, daß wir die Brüder lieben. Wer nicht liebt, bleibt im Tode" (I Joh. 3, 14). Wie ist also wahre Buße, wie ist eine Verzeihung der SÜnde durch Gott, wie ist eine Tauferneuerung und ein Leben des neuen Menschen möglich, w~nn wir uns nicht eifrig um die Nächstenliebe bemühen?

Die Liturgie des heutigen Tages erinnert uns an zwei besondere Gebiete der Nächstenliebe: an das Almosengeben und an die Feindesliebe. Die Stationsheiligen Johannes und Paulus sind der Liturgie die Männer der Barmherzigkeit, der Wohltätigkeit gegenüber den Armen. Wenn die heilige Kirche heute uns in ihr Haus nimmt, so wÜnscht sie, daß wir in ihren Geist eingehen und mit ihr \Verke der Barmherzigkeit tun, insbesondere Almosen geben. Tun wir da unsere Pflicht? Haben wir in der heiligen Fastenzeit nicht manches nachzuholen? "Wer die Güter dieser Welt hat und seinen Bruder Not leiden sieht, vor ihm aber sein Herz verschließt, wie kann die Liebe zu Gott in ihm bleiben?" (I Joh. 3, 17.) Wie kann er von Gott Verzeihung erlangen?

Und die Feindesliebe. "Liebet eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen, und betet für diejenigen, welche euch verfolgen und verleumden, auf daß ihr Kinder eures Vaters seid, der im Himmel ist, der Seine Sonne aufgehen läßt über Gute und Böse und regnen läßt über Gerechte und Ungerechte." Die Feindesliebe ist nicht nur etwa ein Rat, sie ist ein heiliges, vollwertiges Gebot des Herrn. Sie ist der Beweis für die Echtheit der Nächstenliebe und der Gottesliebe. Wenn die vom Evangelium geforderte Feindesliebe auch unter uns Christen so selten ist, so beweist das nur, daß es unter uns Christen - es ist leider wahr - nur wenig Liebe gibt. Und die Berufung auf die Not-

80

Ir. Die Fastenzeit.

wendigkeit der Selbstachtung, der berechtigten Verteidigung, der Gerechtigkeit usw., die man ins Feld zu fÜhren pflegt, um trotz des Gebotes der FeinclesI iebe sich rächen zu können, beweist nur, wie wenig ehrlich und konsequent wir sind. "Heute, wenn ihr Seine Stimme höret, verhärtet eure Herzen nicht" (Ps. 94. 8).

Hier liegt der schwache Punkt in unserem Christenleben. Wir lassen es an der Nächstenliebe innerlich und äußerlich fehlen. Wir leben der Eigenliebe und sind voller Selbstsucht. Hier hat die Fastenarbeit einzusetzen. Das ist das Sterben, das die heilige Fastenzeit von uns fordert: "Liebet eure Feinde. Tut Gutes denen, die euch verleumden und verfolgen." Sterben der Eigenliebe, der Selbstsucht. Das ist die wichtigste Abtötung. Wollten ,vir doch endlich mit der Fastenarbeit Ernst machen!

Ge b e t.

Gott, Du Stärke derer, die auf Dich hoffen, sei unserem Flehen zugegen; und weil ohne Dich die menschliche Schwachheit nichts vermag, so schenke uns den Beistand Deiner Gnade, damit wir bei der ErfÜllung Deiner Gebote durch unser Wollen und Handeln Dir wohlgefallen. Durch Christus ullsern Herrn. Amen.

Samstag nach Aschermittwoch.

Unser Helfer.

1. Es ist Nacht. Wir ringen mühsam auf dem Meere des Lebens und bringen unser SchiffleiD kaum vom Fleck. Am Gestade steht Jesus. Um die vierte Nachtwache, d. i. gegen Morgen, da das eucharistische Opfer gefeiert wird, steigt Er in unser Schifflein und führt es glÜcklich an das ersehnte Land (Evangelium). Hart ist die Arbeit der Buße, der Reinbewahrung von jeder Sünde und Untreue, der Tauferneuerung. Aber wir vertrauen: wir haben

Samstag: Unser Helfer.

81

in der heiligen Eucharistie die Kraft, die Fastenarbeit zu leisten.

2. Her r I ich ist die F r u c h t der gut voll b r ach t e n he i I i gen Fa s t e n z e i t. "Wenn du die Fesseln (mit denen du die andern bindest) entfernst und aufhörst zu reden, was nicht frommt; wenn du mit dem Hungernden Mitleid hast und die Seele des Bekümmerten tröstest: dann wird dein Licht erglänzen in der Dunkelheit. Der Herr wird dir Ruhe geben immerdar. Mit Licht wird Er deine Seele erfÜllen, und du wirst wie ein reich bewässerter Garten sein. Und durch dich werden aufgebaut die Ruinen der Vorzeit. Grundmauern für ganze Geschlechter wirst du legen. Der M und des Herrn hat also gesprochen" (Epistel). Wo der rechte Geist der Fastenzeit lebt und wirkt, da erblüht in der Seele das göttliche Leben der Gnade, der Tugenden und der guten Werke in reichster Fülle. Da wird der Christ Miterbauer des Gottesreiches im eigenen Innern und zugleich des Gottesreiches der heiligen Kirche, Mitarbeiter an der Rettung und Heiligung des Ganzen: durch sein Beispiel, durch sein Gebet und seine Verdienste. Ein Baustein, der das Ganze tragen und mitaufbauen hilft. Seine Fastenarbeit kommt dem Ganzen zugute und bringt allen Licht, Gnade, Bekehrung. Wir stehen im Ganzen, und das Ganze hängt von uns ab. Was also, wenn wir der Gnadenzeit der Fasten nicht entsprechen? Welcher Schaden für uns selbst und für das Ganze? Wir können nicht anders, als in die Heilsgeschichte der andern eingreifen, entweder als M iterbauer oder als Zerstörer, entweder zum Leben oder zum Tode. Ein Neutralsein gibt es nicht. Das ist die Gemeinschaft des Leibes Christi. Darum der Ernst der heiligen Kirche angesichts der Fastenzeit. Daß wir ihn teilen!

Die Kraft zur richtigen Fastenarbeit und den Mut dazu gibt uns der Herr. Wir sind die Apostel, die im heutigen Evangelium widrigen vVind liaur, Werde Llchtl 1I. 6

82

11. Die Fastenzeit.

haben und trotz des angestrengten Ruderns nicht vorwärts kommen. Immer widriger Wind! Immer Widerstände gegen das göttliche Leben in uns. In uns die gefallene, zum Bösen geneigte Natur und die Blindheit, Verständnislosigkeit für das einzig Notwendige, das Ewige, Göttliche. Von außen die \Velt mit ihren Lockungen, Grundsätzen und Ideen. Dazu Satan mit seiner Überlegenheit und List. Wie sollen wir da vorankommen? Da gibt uns das E vangelium heute den großen Trost: "Auf dem Berge", im Himmel, im Tabernakel, "betet der Herr" (Mark 6, 46) und die mit Ihm verbundene Kirche. In der Frühe kommt der Herr in dem Opfer der heiligen Messe und in der heiligen Kommunion in unser Schifflein. "Und der Wind legte sich." Getragen von Seinem und Seiner Kirche Gebet und von Selller Einkehr in der heiligen Kommunion vollenden wir die schwierige Fahrt durch die heilige Fastenzeit des Erdenlebens und landen glücklich am seligen Gestade des ewigen Ostern. So denkt die heilige Kirche.

3. "Dienet dem Herrn (in dieser heiligen Fastenzeit) mit Furcht und jauchzet Ihm mit Zittern (Ehrfurcht). Nehmet (in der Kraft der heiligen Kommunion) Zucht an (Fastenzucht), damit Ihr nicht vom rechten Wege irrt und ins Verderben stürzt" (Communio).

Wir glauben an die Frucht und den Wert unse~er Fastenarbeit. Wir schauen nicht so sehr auf die MÜhen und Opfer der Fastenzeit, als vielmehr auf den Herrn, der uns mit Seinem und mitl Seiner Kirche Gebet, ja mit Seiner eigenen Person, mit Seiner Weisheit und Allmacht nahe ist. Er kommt in der heiligen Messe und in der heiligen Kommumon.

"Der Herr ist mir (in der heiligen Eucharistie) Helfer geworden. Ich preise Dich, Herr, daß Du mich (in Deine heilige Gemeinschaft, Kirche) aufgenommen hast." "Eines nur erbitte ich mir vom

Samstag: Unser Helfer.

Herrn, \m \\ause des 'tlern1 zu We1\en. \J'l.'l.Ü tJ.:t~ \ttl. die Lieblichkeit des Herrn schauen darf und in Seinem Tempel (Kirche, Meßfeier mit Opfermahl, Himmel) Schutz finde" (Graduale).

Ge be t.

o Herr, sei unserem Flehen hilfreich nahe und gib, daß wir dieses feierliche Fasten, das zur Gesundung von Seele und Leib eingesetzt ist, in treu ergebenem Dienste begehen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Gott, laß Deine Gläubigen durch Deine Gaben (heilige Kommunion) erstarken: ihr Genuß wecke neues Verlangen, und das Verlangen wirke ein Genießen ohne Ende. Durch Christus unsern Herrn. Amen ..

Die li t ur gis ehe Me ßf eie r des er s t e n Fasten sonn tags.

1. Heute ziehen wir mIt den Gläubigen des altchristlichen Rom in die Basilika des Erlösers, die Lateranbasilika. Von der Apsis leuchtet uns das altehrwÜrdige Mosaikbild des göttlichen Erlösers entgegen. Wir scharen uns um den Erlöser. Wir fühlen uns in Seiner Nähe, in Seinem Haus, eines Geistes, eines Strebens mit Ihm. An Seiner Seite wollen wir uns vierzig Tage ein Leben der Entsagung, des Fa s t e n s auflegen. Vom Himmel her tönt uns die tröstliche Verheißung des Vaters entgegen: "Er (d. i. Christus und mit ihm die Kirche, wir alle zusammen und jeder für seine Person) ruft 1\1 ich an, und Ich erhöre Ihn. Ich errette Ihn und bringe Ihn zu Ehren" (Introitus). So rufen wir vertrauensvoll unser Kyrie eleison und beten das Gebet der Kirche mit.

2. Der Weg, den wir in der heiligen Fastenzeit

gehen wollen, ist der Weg der E n t sag u n g, der' freiwilligen überwindung und geduldigen Übernahme der Widerwärtigkeiten, Leiden und Verdemütigungen. Eine Gnadenzeit, eine Zeit des Heiles. "Wir sind wie Sterbende, und doch, wir leben." Je mehr wir im Geist der Fastenzeit uns selber absterben, um so mehr werden wir leben (Epistel). Voll Zuversicht dürfen wir in die heilige Fastenzeit eintreten. Gottes Hilfe steht uns zu Gebote (Graduale, Tractus). Wo die Natur versagt, da greift die Gnade ein. So gehen wir im EvangelIum mit Christus in die Wüste der vierzigtägigen Fastenzeit. Er, der Satan und dessen Versuchungen so sieghaft Überwunden hat, Er kämpft und siegt auch in uns. Er macht uns stark und unüberwindlich. \Vir werden aus dem Kampfe als Sieger hervor-

Die liturg-ische Meßfeier des ersten Fastensonntag-s. 85 gehen, durch das tägliche Sterben der Fastenzeit hindurch zum großen Ostertag gelangen. Im 0 p fe rga n g tragen wir unsern Entschluß, mit Christus den Weg des Opfers und der Entsagung zu gehen, zum Altar, legen ihn auf die Patene und treten mit dem sich vor unsern Augen opfernden Erlöser in engste Opfergemeinschaft : Wir wollen mit Ihm eine Opfergabe sein.

3. In der heiligen W an d I u n g kommt Er in Person in unsere Mitte. Er ist unsere Opfergabe an den Vater. Wir nehmen Ihn als unser Eigentum in unsere Hand und Übergeben Ihn, Seine Verdienste, Sein Ringen in der Wüste, Sein Fasten und Entsagen, Sein Leiden und Sterben, Sein heiligstes Herz mit allem, was es in sich schließt, dem Vater, stellvertretend fÜr uns und die ganze heilige Kirche. Und mit Ihm bringen wir uns selbst als Opfergabe dar: wir leben fortan nicht mehr uns, wir sind Gott geweiht, Gott angehörig, wir sind Geopferte, uns, der Sünde, der Welt gestorben. Im 0 p f e r m a h 1 der heiligen Kommunion steigt das, was wir in der heiligen Wandlung geopfert, in der Form von Gnade und Heil in unsere Seelen herab. "Er überschattet dich mit Seinen Schwingen, du bist geborgen unter Seinen Flügeln. Mit einem Schild umgibt dich Seine Treue." Die heilige Eucharistie selbst, Christus, der starke ~ld wider Satan und Seine Anschläge, wider die Welt und SÜnde, ist uns Schutz und Schild. Sollen wir nicht voll Mut und Hoffnung dem Kampf der heiligen Fastenzeit entgegengehen? Die heilige Eucharistie, die wir genossen, gibt uns die Gewähr, daß wir dereinst zu einem ewig seligen Leben, zum Genuß des vollendeten Heiles (Postcommunio) auferstehen werden. Voll Dank für das, was wir in der heiligen Liturgie der heutigen Messe erlebt, sprechen wir unser "Deo gratias". Mit dem Segen des Priesters, d. i. Christi, gewappnet, gehen wir heim, in dcn Kampf des Geistcs wider das Fleisch, des Kindes Gottes gegen das Weltkind in

86 I!. Die Fastenzeit: Erste Woche.

uns. Christus, der Kämpfer und Sieger, wohnt und lebt in mIr: ich werde nicht wanken. "Seinen Engeln hat Er befohlen, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen."

Am ersten Fastensonntag.

Uns e reS t ä r k e.

I. Jubelnd erklingt das Eröffnungslied : "Er ruft M ich an, und Ich erhöre ihn." Christus in der Wüste, betend, fastend. Die Kirche mit Ihm. "Er ruft Mich an." Die heilige Fastenzeit. "Und Ich erhöre ihn; Ich rette ihn und bringe ihn zu Ehren. Ich will ihn sättigen mit langem Leben." Ostern, Auferstehung, ewiges Leben in den Seligkeiten der Verklärung des Himmels. Die heilige Fastenzeit weist wesenhaft auf die Herrlichkeit des Auferstehungsmorgens, auf c1.en Anbruch des verklärten Lebens im Himmel hin. Sie trägt in sich die Sicherheit der Erlösung, der Rettung durch Gott, der Erhebung zum Auferstandenen, der Sättigung mit dem ewigen Leben. In Wahrheit eine "Zeit der Gnade". Darum liegt auf der MeßIiturgie des ersten Fastensonntags ein Ton der Freude, des Jubels, des Vertrauens, der Sehnsucht nach den Gütern des Ostertages.

2. "I nie n erZ e i t w u r d e J es u s vom (Heiligen) Geiste in die WÜste gefÜhrt, um dort vom Teufel versucht zu werden. Als Er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte Ihn. Da trat der Versucher heran." In J esus wird die Kirche und werden wir alle in die Wüste der heiligen Fastenzeit geführt. Fastenzeit bedeutet Zeit der Entsagung und der Leiden. Auch Zeit der Versuchung durch Satan, das Fleisch und die Welt. Dreimal wagt sich der Versucher zu dem Herrn heran: "Wenn Du der Sohn Gottes bist, so befiehl, daß diese Steine Brot werden." Ein zweites Mal nimmt Ihn der Teufel auf die Zinne des Tempels in Jerusalem: "Wenn

Sonntag: Unsere Stärke.

Du Gottes Sohn bist, so stürze Dich hinab; denn es steht geschrieben: Seine Engel hat Er zu Deinem Schutze befohlen." Ein drittes Mal nimmt der Teufel Ihn auf einen hohen Berg und zeigt Ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit: "Dies alles will ich Dir geben, wenn Du niederfällst und mich anbetest." Dreimal wird der Versucher überwunden und besiegt. "Und siehe, Engel kamen und dienten Ihm" (Evangelium). In Jesus wird die Kirche und werden wir, di<! Glieder Jesu, vom Teufel 'belästigt und versucht. Aber in Jesu Sieg über den Versucher ist auch der Kirche und unser Sieg über Sünde und Satan gewährleistet, vorgebildet und vollzogen. Wenn wir nur mit der Kirche und durch sie mit Christus ganz eng verbunden sind, in Wahrheit lebendige Zweige an Ihm, dem Weinstock, von Seiner Kraft durchströmt und erfÜllt, "in Christus Jesus". Wir brauchen den V .ersucher nicht zu fÜrchten: in uns ist die Kraft des großen Übenvinders Christus wjrksam. Aus uns selber schwach, unfähig, dem Versucher zu widerstehen, sind wir stark in Christus. Um so stärker, je inniger wir Christo verwachsen sind, je mehr wir uns von Ihm und Seiner Gnade abhängig machen.

Z w e i vor z ü g I ich e Mit tel zum Sieg über Satan, Fleisch und Welt bietet uns die Liturgie des heutigen Sonntags an: Christi Leib und Christi Wort. Christi Leib im Opfer und Opfermahl der eucharistischen Feier. Auf dem Altar, auf dem das heilige Opfer gefeiert wird, entspringt der Quell, aus dem wir in der heiligen Kommunion den Geist und die Kraft Christi trinken. In der Kraft dieses Trankes schleudern auch wir dem Versucher das Wort entgegen: "Es steht geschrieben." Und wiederum: "Es steht geschrieben." Und: "Weiche, Satan!" Hier schöpft die Kirche und schöpfen wir, ihre Kinder, den Mut, den Angriffen des Versuchers zu widerstehen. Und das sichere Vertrauen, daß der Feind uns nicht überwinden wird. "Es steht ge-

88 TI. Die Fastenzeit: Erste Woche.

schrieben." Reichlich bietet uns die Liturgie der heiligen Fastenzeit das Wort der Heiligen Schrift. In jeder M eßfeier werden uns neue Texte geboten. Eine heilige, geistige Speise. "Nicht vom (irdischen) Brote allein lebt der Mensch, sondern von jedem \Vorte, das aus dem Munde Gottes kommt" (Evangelium). Jedes Wort der Heiligen Schrift, das uns in diesen Fastenwochen in den Lesungen und Gesängen der heiligen Messe gelesen wird; kommt aus dem Munde Gottes, stark, gotterfÜllt, den Versucher zunichte machend. Kann uns also der Versucher, der Teufel, die Welt, das Fleisch etwas anhaben, wenn wir zu den uns gebotenen Mitteln der heiligen Eucharistie und des Wortes Gottes unsere Zuflucht nehmen?

3· Wir gehen mit Christus in die WÜste, vierzig Tage zu fasten und den Kampf mit dem Versucher aufzunehmen, wenn Gott ihm gestattet, uns zu erproben. Können wir schon nicht so fasten, wie Er es tat, so tun wir wenigstens das wenige, was wir können. Das ist freilich eine unabweisbare Forderung der heiligen Fastenzeit. In der Wüste der heiligen Fastenzeit erweisen wir uns in allen Stücken als Diener Gottes: in Geduld, in Trübsal, in Nöten und Ängsten; in Mühen, Nachtwachen und Fasten; durch Keuschheit, Weisheit, Langmut, Freundlichkeit, ungeheuchelte Liebe; bei Ehre und Schmach, bei Übler Nachrede und Lob" (Epistel), ohne ungeduldig zu werden, ohne zu klagen, ohne einer Verstimmung oder Ermüdung nachzugeben, in einem Leben des steten Opfers, um Christi und Gottes willen.

Der Grundton, auf den unser Leben in der heiligen Fastenzeit abgestimmt ist, ist das Vertrauen auf den in uns und mit uns fastenden, kämpfendeIl und siegenden Herrn. "Mein Hort bist Du und meine Burg, mein Gott, dem ich vertraue. Er ist es, der mich rettet aus des Jägers (des Versuchers) Schlinge. Er Überschattet dich mit Seinen Schwingen,

Montag: Taufgabe und -aufgabe. 89

du bist geborgen unter Seinen Flügeln. Mit einem Schild umgibt dich Seine Treue (Gnade), du brauchst nicht fürchten nächtlich Grauen. Denn Seine Engel hat der Herr zu deinem Schutz befohlen: sie sollen wachen über dich auf allen 'deinen Wegen. Weil er auf M ich vertraut, so rett Ich ihn. Ich schütz ihn, weil er Meinen Namen kennt. Er ruft Mich an, und Ich erhöre ihn, in jeder Not bin Ich ihm nah. Ich rette ihn und bringe ihn zu Ehren. Ich will ihn sättigen mit iangem Leben und zeige ihm Mein Heil" (Ps.90. Tractus). So glauben, so vertrauen Wir.

Gebet.

o Gott, Du läuterst Deine Kirche allj ährlich durch, vierzigtägiges Fasten. Gewähre Deiner Familie, in guten vVerken zu betätigen, was sie durch Enthaltsamkeit von Dir zu erlangen strebt. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Montag nach dem ersten Fastensonntag.

Tau f gab e und - auf gab e.

r'. vVir schließen uns den Täuflingen an und erwecken in uns die Gnade der heiligen Taufe, die wir beim Eintritt in die Welt empfangen haben. In der heiligen Taufe wurden wir auserwählt und unter "die Gesegneten des Vaters" aufgenommen. Stationskirche ist St. Peter zu den Ketten: In dem gefesselten, von Christus wunderbar erretteten heiligen Petrus erkennen wir uns selbst, in der heiligen Taufe bzw. in der "zweiten Taufe", d. i. dem heiligen Sakrament der Buße, von Christus aus der Gefangenschaft der Sünde befreit. Die Meßfeier erinnert uns an die Taufgabe und an die Taufaufgabe.

2. Die Tau f gab e. "Ich werde meine Schäflein aus den Völkern (Heiden) ausscheiden und sie aus den Ländern sammeln und in ihr Land (die heil ige Kirche) zurückführen. Ich werde sie auf den

Bergen Israels weiden, auf die fetteste Weide werde ich sie führen. Was (von meinen Schäflein) verloren war, werde ich aufsuchen; was versprengt, zurückführen; was gebrochen, verbinden; was schwach ist, werde ich kräftigen" (Epistel). In der heiligen Taufe hat Christus liebend, erbarmend uns aus der Welt des Heid~ntums ausgesondert, hat uns in Seine heilige Kirche aufgenommen. Da ist Er uns der Gute Hirte und führt Er uns auf die gute Weide (Gnaden, Wahrheit, Sakramente, insbesondere heilige Eucharistie). Durch Seine heilige Kirche und ihr'e Gnadenmittel führt Er uns zur endgiltigen Trennung der Schafe von den Böcken, "Wenn der Menschensohn in Seiner He.rrlichkeit kommen wird, dann werden alle Völker um Ihn versammelt werden, und Er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Die Schafe wird er zu Seiner Rechten, die Böcke zu Seiner Linken stellen. Dann wird er' zu denen auf Seiner Rechten sagen: Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters, nehmet das Reich in Besitz, das euch bereitet ist" (Evangelium). "Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden" (Matth. r6, r6). Wir sind getauft, Kinder Gottes, Erben des Himmels. Sind wir unserer Taufe treu, dann werden wir im Gericht das Wort vernehmen dürfen: "Kommt, ihr Gesegneten Meines Vaters, nehmet das Reich in Besitz, das euch von Anbeginn der Welt an bereitet ist." Wie werden wir dem Herrn ewig dafür dankbar sein, daß Er uns durch die heilige Taufe sich und Seiner Kirche einverleibt hat!

Die Tau f auf gab e. Die heilige Taufe hat uns in die lebendige Gemeinschaft mit Christus, dem Haupt, dem Weinstock und dadurch mit Seiner heiligen Kirche versetzt. In den Gliedern Christi, den Zweigen am Weinstock, lebt Er selbst, Christus. Was wir also den Gliedern tun, tun wir Ihm selber. "Ich war hungrig, und ihr habt Mich gespeist. Ich war krank, und ihr habt Mich besucht. Ich war im

Montag: Taufgabe und -aufgabe. 9 I

Kerker, und ihr seid zu Mir gekommen." "Ich war hungrig, und ihr habt Mich nicht gespeist. Ich war durstig, und ihr habt M ich nicht getränkt. Ich war krank und im Kerker, und ihr habt M ich nicht besucht." Deshalb: "Weichet von Mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinem Anhang bereitet ist."Und warum? "Wahrlich, Ich sage euch, was ihr einem dieser Geringsten nicht getan, habt ihr Mir nicht getan." "Dann werden diese in die ewige Pein gehen, die Gerechten aber in das ewige Leben" (Evangelium). Wir sind in der heiligen Taufe in die Gemeinschaft des Leibes Christi, d. i. in die Gemeinschaft der heiligen Liebe, eingetreten. Unser Getauftsein ruft nach Erfüllung: in der Liebe, in der Nächstenliebe um Gottes und Christi willen. "Ich bitte für sie, daß sie alle eins seien, wie Du, Vater, in Mir bist und Ich in Dir bin. So sollen auch sie eins sein, damit die 'Welt glaube, daß Du Mich gesandt hast. Ich habe ihnen Demen Namen kundgetan, damit die Liebe, mit der Du Mich liebst, in ihnen sei und Ich in ihnen" (Joh. 17,2126). "Das ist Mein Gebot, daß ihr euch einander so liebet, wie Ich euch geliebt habe" (Joh. IS,12). Danach werden wir dereinst gerichtet werden, ob und wie wir es mit der Nächstenliebe gehalten haben.

3. "Sieh, wie der Sklaven Augen auf die Hand des Herrn, so blicken unsere Augen auf zum Herrn, bis Er sich über uns erbarmt. Erbarm Dich unser, Herr, erbann Dich unser" (Introitus). So flehen wir mit den Täuflingen, die sehnsuchtsvoll nach der Stunde der heiligen Taufe ausschauen. So flehen wir in der heiligen Fastenzeit insbesondere auch für alle diej enigen, die durch das Sakrament der Buße sich mit Gott wieder auszusöhnen haben. Wir fühlen mit ihnen und flehen mit ihnen und für sie, daß sie in der heiligen Fastenzeit zum Herrn zurückkommen. "Siehe, jetzt sind die Tage der Gnade": auch für die vielen, die sich von Gott entfernt haben. In ihrem

92 I I. Die Fastenzeit: Erste Woche.

N amen flehen wir zum Herrn: "Wie der Sklaven Augen auf die Hand des Herrn, so blicken unsere Augen auf zum Herrn, bis Er sich unser erbarmt" und uns Verzeihung und Gnade gewährt. "Erbarme Dich unser, 0 Herr, erbarme Dich unser."

"Was ihr dem Geringsten der Meinigen getan, habt ihr Mir getan." Es ist ein heiliges Werk der geistlichen Barmherzigkeit, für die Sünder zu beten und zu opfern, auf daß sie zu Gott zurückkehren. Wir fühlen uns für ihre Umkehr zu Gott mitverantwortlich. Insbesondere in dieser heiligen Zeit der Fasten. Da versichert uns der Herr: "So wahr Ich lebe, Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe."

Mit Nachdruck betont die Liturgie in der Communio die Worte des Evangelisten: "Wahrlich, Ich sage euch: was ihr einem M einer Geringsten getan habt, das habt ihr Mir getan. Kommt, ihr Gesegneten Meines Vaters, nehmet das Reich in Besitz, das euch von Anbeginn der Welt an bereitet 1st." Die Kirche wird nicht müde, uns es immer wieder einzuhämmern: Die erste und eigentlichste Frucht des Empfanges der heiligen Kommunion ist die Liebe. "An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen" (Matth. 7,16). Die Frucht der heiligen Kommunion ist die Liebe: die ertragende, verzeihende, dienende, helfende Liebe, die Liebe, welche die Menge der Sünden Und menschlichen Fehler und Gebrechen mit schonender Hand zudeckt. Wir gehen so oft zur heiligen Kommunion. Und die Frucht, die Liebe?

"Ich hebe meine Augen auf, um Deine Wunder zu betrachten", die Wunder der Liebe unseres Heilandes, der sich in der Stunde der heiligen Messe für uns opfert; die Wunder der Liebe, die Er an uns in der heiligen Taufe, im Empfang des Sakramentes der Buße, der heiligen Kommunion getan. ,,0 lehr mich Dein Gesetz und gib mir Einsicht, damit ich lerne Dein Gebot" (Offertorium), Dein heiliges Gebot der Liebe.

Dienstag: Suchet den Herrnf

93

Ge b e t.

Gott, unser Heiland, wende Dich uns zu und unterweise unsern Geist in himmlischen Lehren, damit uns das vierzigtägige Fasten nütze.

Wir bitten Dich, 0 Herr, löse die Fesseln unserer Sünden und wende gnädig die Strafen ab, die wir für sie verdienen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Dienstag nach dem ersten Fastensonntag.

Suchet den Herrn!

I. Absage an das, was nicht Gott ist und von Gott zurückhält, und aufrichtige Hinkehr zu Gott! Dazu ruft uns die Liturgie der heutigen Messe auf. Wir feiern den Gottesdienst in der Kirche der heiligen Martyrin und Jungfrau Anastasia. Wir gehen an dem geräuschvollen Viehmarkt vorbei, welcher der Stationskirche vorgelagert ist, vorbei an dem einseitig irdisch-weltlichen Sorgen und Leben, der Anastasis (Auferstehung) entgegen, dem Ostern des Himmels.

2. "S u c h e t den Her r n, sol a n ge Erz u f i n den ist. Ruft Ihn an, solange Er nahe ist. Der Gottlose verlasse seinen Weg, und der Frevler lasse ab von seinen Ränken; er kehre zurück zum Herrn, und Er wird sich seiner erbarmen, zu unserm Gott, der gern bereit ist, zu verzeihen" (Epistel). Jesus zieht feierlich in Jerusalem ein. Die ganze Stadt "geriet in Aufregung. Man fragte: Wer ist dieser? Die Scharen aber sagten: Das ist J esus, der Prophet von N aiareth in Galiläa." Sie erkennen in Ihm den Messias. J esus geht in den Tempel. Da findet Er zuerst die Geldwechsler, die Händler, die Käufer und Verkäufer. Sie sind von der Sorge um das Irdische gefangen genommen und haben für den Herrn, der unter ihnen erscheint, kein Auge. Sie ignorieren, Übersehen Ihn, kümmern sich nicht um Ihn. Er treibt sie alle hinaus: "Es steht geschrieben: Mein Haus ist ein Haus des Gebetes, ihr aber habt es zu einer

94 I!. Die Fastenzeit: Erste Woche.

Räuberhöhle gemacht." Dort findet Er sodann die Pharisäer: die Selbst~erechten, die Wissenden, die Gottesgelehrten, die Satten. Sie wissen um Ihn, sie bemerken Ihn, ja sie ei fern gegen Ihn, sie murren wider Ihn und machen Ihm Vorwürfe. Sie verwerfen Ihn und beschließen Seinen Tod. Er ist ihnen im Wege. "Er ließ sie stehen und ging zur Stadt hinaus." "Suchet den Herrn, solange er zu finden ist." Er ist da: aber die Käufer und Verkäufer im Tempel suchen Ihn nicht. Sie haben anderes zu tun. Er ist da: aber die Pharisäer suchen Ihn nicht. Im Gegenteil: sie wissen um Ihn, sie sehen Ihn, - und sie weisen Ihn ausdrücklich ab. Uns zum warnenden Beispiel für die heilige Fastenzeit. Das Kommen Jesu ist jenen zum Heil, die Ihn aufrichtig suchen. Denen aber, die Ihn stehen lassen oder sich gar mit den Pharisäern positiv gegen Ihn stellen, zum Verderben. "Suchet den Herrn, solange Er zu finden ist." "Seht, jetzt sind die Tage der Gnade, jetzt ist die Zeit des Heils." Jetzt, in der heiligen Fastenzeit, ist der Herr nahe. "Suchet Ihn, solange er zu finden ist."

"D a n n kam e n B I i n d e und La h m e i m Te m p e I zu Ihm, und Er heilte sIe." Und die Kinder riefen ihm zu: "Hosanna dem Sohne Davids." Den Pharisäern, die ob des Hosannas der Kinder unwillig werden, und den ;Herrn darob zur Rede stellen: "Hörst du, was diese sagen?' antwortet Er: "Ja, Ich höre es. Habt ihr nie gelesen: Aus dem Munde der Kinder und Säuglinge hast Du Dir Lob bereitet?" Die Blinden und Lahmen und die Kinder erkennen Ihn, wenn Er zu ihnen kommt. Sie suchen Ihn. Sie scharen sich um Ihn. Es sind diej enigen, welche den Betrieb, den Lärm, die Unruhe und Geschäftigkeit der Welt nicht mitmachen können. Es sind diej enigen; die der Welt nichts gelten und die sich im Leben nicht durchsetzen können. Die suchen den Herrn. Glaubend, vertrauend, anbetend, Hosanna rufend, drängen sie sich um Ihn! Ein Bild. \Vir sind'

Dienstag: Suchet den Herrn!

95

die Kinder, die Blinden, die Lahmen. Wir lassen die übermäßige Sorge um das Irdische, wir schließen unser Auge freiwillig vor den Nichtigkeiten und Eitelkeiten des Weltlebens, wir entziehen uns dem großen Markt und suchen den Herrn. "Hosanna dem Sohne Davids. Gebenedeit, der da kommt im Namen des Herrn" jetzt, in der heiligen Wandlung. In der heiligen Kommunion. in den vielen Einsprechungen und Anregungen der Gnade. Wir entsagen dem, wasnicht Gott ist und uns vom Leben für Gott und die unsterbliche Seele zurückhält. Wir lassen unsern Taufschwur in uns neu aufleben: "Ich wider sage" und wenden uns mit ganzer Seele zum Herrn. "Suchet den Herrn, solange Er zu finden ist."

3. "Hierauf ließ Er sie stehen und ging zur Stadt hinaus, nach Bethanien, und blieb daselbst" (Evangelium). Der Herr kommt in dieser heiligen Fastenzeit. 'vVer die Gnade des Kommens des Herrn verscherzt, den läßt Er stehen. Und dann? Wird Er diese Gnade ein zweites Mal geben?

"Er ging zur Stadt hinaus, nach Bethanien." Da wo im Herzen die Weltlichkeit, die übermäßige Sorge um das Zeitliche, der Lärm der Leidenschaften, die Unrast und Unruhe der maßlosen Geschäftigkeit sich breit gemacht, da kann es dem Herrn nicht gefallen. Da ist kein Raum für Ihn und seine Gnade. "Ihr habt das Haus des Gebetes zu einer Räuberhöhle gemacht." das Innere des Christen muß ein heiliger Tempel Gottes sein, ein Haus des Gebetes, rein von allem Profanen und Sündhaften. Dann kann Er in uns Wohnung nehmen und an uns das Werk der Erlösung und Heiligung vollziehen. Wir reinigen also den Tempel unseres Herzens, wir schaffen alle Götzen hinaus und machen ihn zu einer heiligen Opfer- und Gebetsstätte. Wir sind ein stilles Bethanien in Bußgeist, Gebet, Abtötung, Sammlung, Zurückgezogenheit. So suchen und finden wir den Herrn.

"Auf Dich, 0 Herr, vertraue ich. Ich sag': Du

96 I!. Die Fastenzeit: Erste Woche.

bist mein Gott, in Deinen Händen ruhet mein Geschick" (Offertorium). "Du bist mein Gott." Allem andern entsage ich. Unbeschwert von der ungeordneten Hingabe an das Leben mit seinen Zerstreuungen, Gütern, Mühen, Freuden und Sorgen, suche ich Dich.

"Suchet den Herrn." Nichts anderes, als Ihm zu gefallen, als Seinen heiligen Willen zu tun. Wenn nur Er mit mir zufrieden ist, dann ist alles gut. Gott allein genügt!

Gebet.

Blick auf Deine Familie, 0 Herr, und gib, daß unser Geist, der sich durch Abtötung des Fleisches in Zucht nimmt, vor Deinem Antlitz in Sehnsucht nach Dir erglühe.

Laß unsere Gebete zu Dir aufsteigen, 0 Herr, uno wehre alles Böse ab von Deiner Kirche. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Quatembermittwoch in der Fastenzeit.

Zum Berge Gottes!

1. "Während Er (Jesus) noch zum Volke redete, standen Seine Mutter und Seine Brüder draußen und wollten mit Ihm reden" (Evangelium). Mit Maria der Mutter, die uns heute in ihrem Heiligtum (Stationskirche Maria Maggiore) um sich sammelt, kommen wir zu Jesus, da Er in der Feier des heiligen Opfers unter uns erscheint. Aufmerksam lauschen wir Seinen \Vorten: Er erinnert uns an die große Auserwählung, die uns in der heiligen Taufe zuteil geworden ist, und an die Gefahr, daß wir uns dieser Auserwählung unwürdig machen.

2. "D i e M ä n n e r von Ni n i ve (d i eHe iden, wir) werden im Gerichte gegen dieses Geschlecht (das einst auserwählte Volk Israel) aufstehen und es verdammen; denn sie haben auf die Predigt des Jonas hin Buße getan; hier aher ist

Quatembermittwoch : Zum Berge Gottes I 97

mehr als Jonas. Die Königin des Südens (von Saba) wird sich beim Gerichte gegen dieses Geschlecht erheben und es verdammen; denn sie kam von den Grenzen der Erde, um die Weisheit Salomons zu hören: hier aber ist meh r als Salomon." Das erstberufene Volk will von Seinem Erlöser und Herrn nichts wissen. Es verwirft Ihn und wird deshalb selber verworfen. Wir, die Heiden, werden an seiner Statt berufen. Maria, die Kirche, führt uns zu Ihm. In der heiligen Taufe macht sie uns Ihm zu "Brüdern und Schwestern~' und vereinigt uns mit Ihm in heiliger Geistes-, Willens- und Lebensgemeinschaft. Wir tun von nun an "den Willen des Vaters, der im Himmel ist". So wie Er den Willen des Vaters getan. So wie Maria, die Mutter Gottes, den Willen des Vaters getan: "Siehe, ich bin eine Magd des Herrn." Da streckt Jesus seine Hand über uns aus und spricht über uns das große Wort: "Seht da, Meine Mutter und Meine Brüder! Denn jeder, der den Willen Meines Vaters tut, der im Himmel ist, der ist Mir Bruder und Schwester und Mutter." Christsein heißt Ihm Bruder, Schwester und Mutter sein: in der Einheit der gleichen Gesinnung und des gleichen Dranges, den Willen des Vaters zu tun. Haben wir den Sinn unserer heiligen Taufe bisher ganz erfaßt? Und ganz in allem dem Willen des Vaters gelebt? Nichts anderem?

Das auserwählte Volk hat versagt.

Trotz der vielen Gnaden, trotz der wunderbaren Führungen Gottes, trotz der Bekehrungen und Mahnungen durch die Propheten, trotz der heiligen Schriften und des Wortes Gottes, trotz des wahren Glaubens und der Hoffnung auf den verheißenen Messias! Der lang ersehnte Messias kommt in "Sein Eigentum; aber die Seinen nahmen Ihn nicht auf" (Joh. I, II). Israel weist seinen Messias ab, verwirft und tötet Ihn. Ist es möglich? Ja. Uns zur Warnung! Die Auserwählung zur Taufe, zu Christus, zum Glauben, zur heiligen Kirche sichert uns noch Baur, Werde Licht I 1I. 7

98 11. Die Fastenzeit: Erste Woche.

nicht gegen Untreue und Abfall. .. Wer steht, sehe zu, daß er nicht fal1e" (I Kor. 10,12). Immer ist der Feind an der Arbeit, der "unreine Geist". Immer geht "euer Feind, der Teufel, umher wie ein brüllender Löwe, suchend, wen er verschi inge" (I Petr. S,8). "Ist er (im Empfang der heiligen Taufe, des Sakramentes der Buße) vom Menschen ausgefahren, dann schweift er durch öde Gegenden und sucht Ruhe, findet sie aber nicht.-Alsdann spricht er: Ich wil1 in mein Haus (die Seele), aus dem ich fortgezogen bin, zurückkehren. Und er kehrt zurück, findet es leer, mit Besen gereinigt und geschmückt (Gnade, Tugenden). Nun geht er hin, nimmt noch sieben andere Geister mit sich, die schlimmer sind als er. Und sie ziehen ein und wohnen da selbst. Und die letzten Dinge dieses Menschen werden schiimmer sein als die ersten. So wird es auch diesem verdorbenen Geschlechte geschehen." Wir können die Gnade verlieren, veruntreuen, abfal1en. Wie viele solcher Beispiele berichtet uns die Geschichte der heiligen Kirche, des Klerus, der Orden und Klöster! Darum der dringliche Aufruf zur Buße, zur Einkehr, zur Besinnung auf uns selbst in diesen Tagen der heiligen Fastenzeit. Darum die leuchtenden Vorbilder der zwei Lesungen: Moses und Elias. Moses auf dem Berge Sinai, in der Wolke, ferne der Welt, hoch über den Niederungen des menschlich natürlichen Denkens und Treibens, vierzig Tage fastend, im stil1en 'Verkehr mit Gott, das Gesetz Gottes entgegennehmend. Und Elias, vierzig Tage fastend und in der Kraft der Speise, die ihm vom Engel gereicht worden, dem Berge entgegenwal1end: Wir s1l1d in der heiligen Fastenzeit. Moses, ferne der Welt, im stillen Umgang mit Gott. Wir sind Elias, und ziehen in der Kraft der heiligen Eucharistie, fastend, betend, an den Vergnügen und Eitelkeiten des Lebens vorbei, mutig, standhaft, dem Berge, Christus, entgegen! Wäre es doch ganze Wirklichkeit!

3· Wir danken dem Herrn innig für die Berufung

Quatembermittwoch : Zum Berge Gottes! 99

zur heiligen Taufe und deren Gnaden. Wir erneuern in uns den Willen und das Verlangen, den Willen des Vaters zu tun. "Ich überdenke Dein Gebot, das ich gar innig liebe. Ich strecke meine Hände aus nach Deinen Satzungen, die ich liebe" (Offertorium). Gottes heiliger Wille in allem und über alles! Dann bin ich Ihm Bruder und Schwester und Mutter, eines Geistes mit Ihm.

"Wer steht, sehe zu, daß er nicht falle." "Der uns gemacht hat ohne uns, rettet uns nicht ohne u.ns" (hl. Augustinus). Wir flehen für alle unsere Brüder in Christus, daß Gott ihnen die Gnade gebe, der Berufung zur Taufe, zu Christus, zur Kirche, treu zu sein und unerschütterlich treu zu bleiben. "Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse, bewahre uns vor dem übel", auch nur einer einzigen Gnade zu widerstehen, auch nur einmal der Versuchung

nachzugeben! .

"Seid nüchtern und wachsam; denn euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen könne. Widersteht ihm fest im Glauben. Der Gott aller Gnade, der euch durch J esus Christus berufen hat, wird euch nach kurzem Leiden zur Vollendung führen, euch stärken, kräftigen und befestigen" (I Petr. S, 8 ff.). e

Ge be t.

Herr, denk an Deine Güte, Dein Erbarmen, die' seit ewig währen: nie mögen unsere Feinde herrschen über uns. Befreie uns, Gott Israels, aus allen unsern Nöten" (Introitus).

Erhöre gnädig unser Flehen, Herr, und laß Deine Majestät ihre Rechte ausstrecken gegen alles, was 'uns feindlich ist. Erhelle unsern Geist mit dem Lichte Deiner Klarheit, damit wir sehen können, was zu tun ist, und auszuführen vermögen, was recht ist. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

, 7"

100 11. Die Fastenzeit: Erste Woche.

Donnerstag nach dem ersten Fastensonntag.

TutBuße!

I. Ein ausgesprochener Bußtag. Die Kirche nimmt uns in das Heiligtum des hl. Laurentius in Panisperna, an die Stelle, wo Laurentius auf dem glühenden Rost sein glorreiches Martyrium vollendet haben soll: durch das Leiden und Sterben zur Krone, zum Leben! Wir teilen sein Martyrium, seine Leiden und sein standhaftes Ringen und sühnen so die Sünden, mit denen wir Gott so viel beleidigt haben.

2. "D i e See I e, die s ü n d i g t, sie soll s t e rben." Sie soll nicht die Schuld von sich abwälzen und sagen: Die Väter aßen saure Trauben und den Kindern sind davon die Zähne stumpf geworden. "So wahr ich lebe, spricht der Herr: Mein sind alle Seelen, die Seele des Vaters wie die des Sohnes. Die Seele, die sündigt, die soll sterben." Sie kann nur leben, wenn sie, was sie gesündigt hat, abbüßt, und wenn sie vom Bösen abläßt. "Wer gerecht ist und Recht und Gerechtigkeit übt; wer niemand drückt, das Pfand dem Schuldner wieder zurückgibt; wer sein Brot dem Hungrigen reicht und den Nackten mit einem Gewande bekleidet; wer nicht auf Wucher ausleiht; wer nach Meinen Geboten wandelt, Meine Satzungen beobachtet und nach der Wahrheit handelt, der ist gerecht, der soll leben, spricht der Herr" (Epistel). Das sind die Bußwerke, die dem Herrn gefallen und die Seele retten: Gerechtigkeit, erbarmende, helfende Liebe und Treue gegen die Gebote Gottes!

"I n jen erZ e i t zog s ich J e s u s in die Gegend von Tyrus und Sidon zurück. Da kam ein kanaanäisches (heidnisches) Weib aus jener Gegend und rief: Herr, Sohn Davids, erbarme Dich meiner. Meine Tochter wird von einem bösen Geiste arg gequält. Er gab ihr keine Antwort. Das Weib aber kam herbei, fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir. Da antwortete Er: Es i~t nicht recht, das

Donnerstag: Tut Buße!

101

Brot den Kindern (des auserwählten Volkes Israel) zu nehmen und es den Hunden (den Heiden) vorzuwerfen. Sie aber sprach: Gewiß, Herr; aber auch die Hündlein fressen von den Brosamen, die vom Tische ihres Herrn fallen. Da antwortete ihr J esus:

Weib, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst. Und ihre Tochter war von diesem Augenblicke an gesund" (Evangelium). Siehe da die Kirche! Sie ist die Kanaanäerin, die Heidin, die in der heiligen Fastenzeit dem Herrn gleichsam Gewalt antut und ihn beschwört: "Herr, Sohn Davids, erbarme Dich meiner: meine Tochter wird arg von einem bösen Geiste gequält." Die Kirche ringt um Verzeihung und Gnade für ihre sündigen Kinder, die bei der heiligen Osterfeier mit den Büßern am Eingang in die Kirche stehen, fern vom Altar, und vom Opfergang und vom Empfang der heiligen Kommunion ausgeschlossen sind: die "Hündlein", die das Brot der Kinder nicht teilen dürfen. "Es ist nicht recht, den Kindern das Brot zu nehmen und es den Hunden zu geben." Die Armen! Sie haben sich durch ihre Sünden von der Familie der Kirche ausgeschlossen und dürfen nicht mehr das Brot der Kinder der Kirche, die heilige Kommunion, den Leib des Herrn, bekommen. So sehr die Kirche sie ausschließen und zu harter Buße verurteilen muß, ebenso sehr hat sie Sorge um sie und Mitleid mit ihnen und läßt nicht ab, für sie zum Herrn zu beten, daß Er ihnen verzeihe und sie wieder an den Tisch der Familie zulasse, das Brot der Kinder mitzuessen. Die Kirche hört nicht auf zu flehen, auch wenn der Herr sie unerhört zu lassen scheint. Sie wird Sein Herz bezwingen. "Weib, dein Glaube (Vertrauen) ist groß. Dir geschehe, wie du willst!"

3. "Die Seele, die sündigt, soll sterben." Aber sie hat noch eine Zuflucht: Sie hat die Mutter Kirche, welche für sie betet: "Herr, Sohn Davids, erbarme Dich meiner." Die Kirche macht die Sache ihres sündigen Kindes zu ihrer eig-enen Sache und ver-

102 II. Die Fastenzeit: Erste Woche.

tritt 'sie betend und flehend vor dem Herrn. Darum gibt sie ihr Gebet, ihre Psalmen und Orationen den Priestern und Ordensleuten in die Hßnd. Sie ruft ein ganzes Heer von Betern auf, damit diese ihre Hände zum Herrn erheben und für die Armen, die in der Sünde leben, um Gnade und Erbarmen rufen. Wie sehr dürfen wir auf das Beten und Flehen der Kirche vertrauen! Welch großer Trost, daß wir nicht allein sind mit unserer Sorge um die Bekehrung eines unserer Lieben! Die Mutter Kirche betet für unser und ihr Sorgen~ind. Sie wird erhört!

Wir sind heute im Sinn der heiligen Liturgie ganz BÜßer. Mit der Kanaanäerin flehen wir beharrlich und inständig: "Herr, erbarme Dich meiner: meine Tochter (Seele) wird von einem bösen Geiste arg gequält." Tief gebeugt und voll Reueschmerz beten wir im Staffelgebet unser "mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa". Wir wenden uns an unsere himmlische Mutter Maria, an die heiligen Apostel Petrus und Paulus, an den heiligen Täufer Johannes und an alle Heiligen des Himmels, daß sie für uns bei Gott um Verzeihung unsrer Sünden bitten. Wir wenden uns an den zelebrierenden Priester und in ihm an die ganze heilige Kirche auf Erden, daß auch sie für uns ihr Wort bei Gott einlege. Wir vertrauen! Die Kirche betet für uns: "Der allmächtige Gott erbarme Sich eurer. Er lasse euch die Sünden nach." "Gott, wende Dich zu uns und gib uns neues Leben. Erzeige uns, Herr, Deine Huld und schenke uns (in dieser heiligen Meßfeier) Dein Heil." "Kyrie, eleison; Christe, eleison; Kyrie, eleison." Die Kirche findet Erhöhung.

Wir bringen der allerheiligsten Dreifaltigkeit das Opfer, das wir feiern, als SÜhnopfer für unsere SÜnden und für die Sünden der anderen dar. Wir nehmen nach der heiligen Wandlung Christi Blut in unsere 'Hand und heben es zum Himmel empor:

"Vergib uns unsere Schuld."

Quatemberfreitag : Lebendige Wasser. 103

Ge be t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, schaue gütig auf den frommen Eifer Deines Volkes, auf daß alle, die sich durch Enthaltung leiblich abtöten, durch die Frucht dieses guten Werkes geistig erstarken.

Verleihe den christlichen Völkern, geistig zu erfassen, was sie bekennen, und die Himmelsgabe zu lieben, die sie so oft empfangen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Quatemberfreitag in der Fastenzeit.

Lebendige Wasser.

I. Der Quatemberfreitag versammelt uns in der Kirche der Zwölf Apostel. Die M eßfeier hat die Täuflinge und die Büßer zugleich im Auge. Wir schließen uns ihnen an und flehen mit dem Introitus:

"Aus meinen Nöten rette mich, Herr. Sieh an mein Elend und mein Leid: vergib mir alle meine Sünden. Zu Dir, 0 Herr, erhebe ich meine Seele, auf Dich vertraue ich."

2. "Wenn der Gottlose für seine Sünde B u ß e tut, wenn er alle Meine Gebote hält und Recht und Gerechtigkeit übt, so soll er leben: leben soll er und nicht sterben. All der Frevel, die er begangen, will Ich nicht mehr gedenken: um seiner Gerechtigkeit willen, die er geübt hat, soll er leben Sollte Ich denn Wohlgefallen haben am Tode des Sünders, spricht der Hetr, und nicht vielmehr dar an, daß er sich bekehre von seinen Wegen und lebe? Wenn aber der Gerechte sich von seiner Gerechtigkeit abwendet und Unrecht verübt ähnlich den Greueln, die der Gottlose zu tun pflegt, wie sollte er da leben? All der Gerechtigkeit, die er geübt, wird nicht mehr gedacht werden. Wegen der M issetaten, die er verübt, wird er sterben. Doch, wenn der Gottlose sich abwendet von seiner Ungerechtigkeit, in der er gelebt hat, und Recht und Gerechtigkeit übt, so wird er sich das Leben erhalten. Weil

104 11. Die Fastenzeit: Erste Woche.

er in sich gegangen und sich von allen Freveln, die er begangen hat, abgewendet hat, wird er das Leben haben" (Epistel). Selige Buße! Und wie viel dem Herrn daran gelegen ist, daß Er uns verzeihen kann! Er verzeiht jede Sünde dem, der Buße tut und von seinen verkehrten Wegen abläßt. "Jetzt sind die Tage der Buße gekommen", mahnt uns die Liturgie täglich in der Antiphon zur Terz. "Jetzt sind die Tage der Buße gekommen, uns von unsern Sünden zu reinigen und unsere Seele zu retten." Und das Capitulum mahnt weiter: "Es verlasse der Gottlose seinen Weg, und der Sünder seine Gedanken und kehre zum Herrn zurück. Und Er, der Herr, wird sich seiner erbarmen."

,,]esus ging nach Jerusalem hinauf."

Es war Sabbat. Er kam zum Teich Bethsaida. Um den Teich herum legte sich ein Gebäude mit fünf Hallen. Darin lag eine große Menge Kranker, die auf die Bewegung des Wassers warteten. Kam das Wasser des Teiches in Bewegung, so wurde derj enige, welcher zuerst in das Wasser hinabgestiegen war, von seiner Krankheit geheilt. Da traf der Herr einen Mann, der schon achtunddreißig Jahre krank lag. "Willst du gesund werden? Der Kranke antwortete: Herr, ich habe niemand, der mir in den Teich hinabhilft, wenn das Wasser aufwallt. Bis ich komme, ist schon ein anderer vor mir hinabgestiegen. Da sprach Jesus zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh! Sogleich ward der Mann gesund, nahm sein Bett und ging." Was das Evangelium hier berichtet, ist der Liturgie lebendige Gegenwart. Das Siechenhaus um den Teich Bethsaida ist die Welt. Sie krankt an so vielen übeln. Der Teich Bethsaida ist die heilige Kirche mit dem ewig sprudelnden Quell der Gnade, den heiligen Sakramenten der Taufe, der Buße, der Eucharistie. Der Kranke des Evangeliums sind wir selber. Woran wir kranken, sagt die Zahl achtunddreißig Vierzig, erklärt der hl. Augustinus, ist die Zahl der Vollkommenheit. In,

Quatemberfreitag: Lebendige Wasser. 105

dieser Vollkommenheit fehlen uns zwei: jene zwei, in denen die Erfüllung des Gesetzes liegt, nämlich die zweifache Liebe zu Gott und zum Nächsten. Wo diese zwei fehlen, da sind wir krank. Der Sabbat aber, an welchem der Herr uns erstmals aufsuchte und heilte, ist die heilige Osternacht, die Gnadenstunde der heiligen Taufe. Dankbar gedenken wir heute jener ersten Begegnung mit dem Herrn, da Er uns von der Erbsünde heilte. Dankbar gedenken wir so vieler Sabbate, da Er im Sakrament der heiligen Buße sich uns nahte. "Willst du gesund werden?" Wir bekannten Ihm in Seinem Stellvertreter unser Elend und unsere Schuld. Er aber sprach zu uns: "Steh auf und gehe." "Deine Sünden sind dir vergeben." "Sieh, du bist gesund geworden. Sündige fortan nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre."

3. "Aus meinen Nöten rette mich, Herr. Sieh an mein Elend und mein Leid. Vergib mir alle meine Sünden."

"Sieh, du bist gesund geworden." Und dankbaren Herzens sprechen wir mit dem Offertorium: "Lobsinge meine Seele dem Herrn. Vergiß nie Seines Wohltuns überfülle. So wird dir wieder neue Jugendkraft, gleichwie dem. Adler", jetzt, in der heiligen Messe, im Empfang der heiligen Kommunion. "Du bist gesund geworden. Sündige fortan nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre."

Die heilige Liturgie dringt so sehr auf Buße. Sie hat recht. Wir Christen des 20. Jahrhunderts verstehen die Buße, ihre Notwendigkeit, ihre Bedeutung, ihren Sinn und Wert so gut wie nicht. Bußgesinnung, Bußwerke sind uns vielfach unbekannte Größen. Wir fliehen die Abtötung, die Einschränkung. Wir kennen keine Geduld im Leiden, keine überwindung, keine ernste Entsagung, keinen Verzicht auf die eigenen Wünsche. Wir wollen es nicht einsehen, daß es für unsere Seele eine Gefahr bedeutet,

106 11. Die Fastenzeit: Erste Woche.

wenn wir so lange. schlafen, so gut essen, uns so weich kleiden, jeder körperlichen Unbequemlichkeit und jeder geistigen Belästigung aus dem Wegp gehen. Es ist uns zuviel, daß wir 1m Aufstehen, In der Arbeit eine feste Ordnung einhalten sollen~ daß wir unnützen Zeitvertreib lassen und eitle Vergnügungen opfern so\1en. Es ist uns zuviel, daß wir Auge und Zunge beherrschen, Neugier und VonVltz zähmen, uns hie und da einen süßen Bissen versagen, ein VergnÜgen abbrechen, einen Genuß aufgeben sollen, wenn er anfängt, uns zu tyrannisieren. Wie sollen wir so der Sünde entgehen? Uns vor der Sünde rein bewahren? "Das Himmelreich tder Tugend und Vollkommenheit) leidet Gewalt, und nur die Gewalt brauchen, reißen es an sich" (Matth. [I, 12). "Tretet ein durch die enge Pforte. Weit ist die Pforte und breit der Weg, der ins Verderben führt, und viele betreten ihn. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben fÜhrt! Und nur wenige finden ihn" (Matth. 7, 13 14)·

Ge b e t.

Herr, sei gnädig Deinem Volke. Du machst es Dir ergeben. So stärke es auch voll Erbarmen durch Deinen gütigen Beistand.

Erhöre uns, barmherziger Gott, und zeige unserer Seele das Licht Deiner Gnade. Durch Christus unsern Herrn. Amen

Quatembersamstag in der Fastenzeit.

Ver k I ä run g.

I. Wir machen heute im Geiste mit den früheren Jahrhunderten den Nachtgottesdienst in St. Peter mit: die Lesungen, die Gebete, die Erteilung der heiligen Weihen. In der Frühe des Sonntags, beim Aufgang der Sonne, schließen wir die Nachtfeier mit dem eucharistischen Opfer und dem Empfang der heiligen Kommunion ab. Durch die Nacht der

Quatembersamstag: Verklärung. 107

Fastenzeit des Erdenlebens geht es dem Morgen der seligen Auferstehung und Verklärung entgegen.

2. Die he i I i geL i t u r g i ewe c k tin uns die Se h n s u c h t nach dem Licht, nach dem Auferstehungsmorgen, nach der Erlösung. Sie versetzt uns in die Stunde, da uns erstmals in der 'heiligen Taufe ein Strahl des göttlichen Lichtes traf. Da stießen wir die Finsternis der Sünde, Satan, den Fürsten der Finsternis, mit einem energischen, entschlossenen "Ich widersage" von uns. Wir wandten uns dem Lichte, dem Morgen, der Sonne, Christus zu und gelobten: Ich glaube, weihe mich Gott, ich weihe mich Jesus Christus, ich weihe mich dem Heiligen Geist in der Gemeinschaft der heiligen Kirche. Heute lassen wir diesen heiligen Augenblick in uns aufleben: "Heute gebietet dir der Herr, dein Gott, daß du diese Satzungen (Taufgelübde, Taufverpflichtungen) aus ganzem Herzen haltest und erfüllest. Du hast dir heute den Herrn erwählt, daß Er dir Gott sei: so wandle denn auf Seinen Wegen, halte Seine Anordnungen und gehorche Seinem Befehle. Und der Herr hat dich heute erwählt, daß du Sein Ihm gehöriges Volk seiest und alle Seine Gebote haltest, auf daß du seiest das heilige Volk des Herrn, deines Gottes" (erste Lesung). Als "das heilige Volk des Herrn" wandern wir durch die Nacht des Erdenlebens dem Lichte entgegen. Von allen Seiten umgeben uns feindliche, finstere Mächte (zweite, dritte, vierte Lesung). Wir sehen uns von Satan, von der Welt, von der bösen Begierlichkeit und der Verderbtheit unseres Herzens bedroht. Wir flehen: "Erbarme Dich unser, Du, Gott des Alls, schau auf uns herab und laß uns leuchten das Licht Deiner Erbarmungen" (vierte Lesung). "Schau hernieder, 0 Gott, unser Schiitzer, und laß uns, die wir von der Last unserer Sünden erdrückt werden, Barmherzigkeit erlangen und so mit freier Seele Dir dienen." "Herr, wende Dich zu uns, und laß Dich erbitten über Deine Knechte." Ein mächtiges

108 11. Die Fastenzeit: Erste Woche.

Sehnen nach Licht, nach Freiheit, nach der Auferstehung aus dem Tode der Sünde und aller Unfreiheit. Ein Sehnen, daß der Engel des Herrn auch tins der Nacht des Todes entreiße und dem Leben zurückgebe, wie er es den drei Jünglingen im Feuerofen getan (fünfte Lesung).

Die Liturgie zeigt uns die Erfüllung tI n s e r e r Se h n s u c h t. Im Evangelium führt sie uns auf den Berg Tabor, damit wir mit Petrus, in dessen Haus wir die heilige Feier mitmachen, Zeu· gen der Verklärung des Herrn seien. Die N acht der Fastenzeit der Erdenpilgerschaft, die Nacht des Kreuzes, der Abtötung, der Verdemütigung, des Kämpfens führt über sich hinaus, hinauf auf die Höhen des Tabor, der Verklärung. Jesus ist das Haupt, wir sind Seine Glieder, eins mit Ihm. So wahr Er heute im Glanze der Verklärung erstrahlt und im heiligen Opfer als der Verklärte unter uns erscheint, ebenso wahr sollen und werden wir, Seine Glieder, und wird die Kirche, Sein Leib, Seine Braut, ewig das Leben Seiner Verklärung teilen und mitleben. Der auf dem Tabor unseres Altares verklärte Herr ist uns das Vorbild und zugleich das sichere Unterpfand unserer und der heiligen Kirche zukünftigen Verklärung. Wir glauben. Wir vertrauen. Wir richten den Blick nicht so sehr auf die uns jetzt noch umfangende Nacht und Finsternis, als vielmehr auf den Morgen der Verklärung, der uns im ewigen Ostern erwartet. "Herr, hier ist gut sein."

3· Heute erneuern wir unsere Taufe. In der M itieier der heiligen Messe wiederholen wir unser:

"Abrenuntio - Ich widersage. " Wir tragen in den Gaben von Brot und Wein unser eigenes Ich zum Altar und bitten: "N imm hin meine Freiheit, mein Gedächtnis, meinen Verstand, meinen Willen. Ich Übergebe alles Dir, damit Du mich nach Deinem heiligen Willen leitest."

Verklärung! Am Ende aller Mühen und Opfer

Quatembersamstag : Verklärung. 109

der FastenzeIt des Erdenlebens steht die Verklärung. Wir sehen zumeist bloß auf den harten, steinigen Weg, den wir geführt werden. Wir bleiben bei unsern Opfern, Werken, Anstrengungen, Gebeten und Übungen stehen und verlieren den Blick auf das Große, das unser wartet. Der Osterglaube, der Blick auf die einstige Verklärung gäbe uns den Mut und die Kraft, die Opfer freudiger zu bringen und die Mühen und Leiden der Gegenwart lieber ,auf uns zu nehmen. Wenn nur der Verklärte viel lebendiger in unserem Bewußtsein lebte! Das ist heute der Gedanke und Wunsch der heiligen Liturgie.

Heilige Sehnsucht! "Die Hungernden erfüllt Er mit Gütern, die Satten läßt Er leer ausgehen" (Magnifikat). Ein Grundgesetz der Gnadenordnung! Und wir! Wir fühlen uns so wohl in unserer Erdverhaftung, in den Ni.ederungen des irdischen Wohlergehens, der zeitlichen Güter. Wir, berufen, Kinder des Lichtes zu sein, dem Ewigen, Zukünftigen. Göttlichen zu leben, lieben die Nacht. Ja, wir empfinden die Nacht nicht einmal mehr. So wenig leben wir im Geist der heiligen Taufe, der Absage an die Nacht, der Hingabe an das Licht.

"Auf daß du seiest das heilige Volk des Herrn!"

Taufe, Ordensprofeß, heilige Weihen! Wie oft vergessen wir, daß wir Ihn gewählt haben! Wie oft haben wir neben Ihm einen andern Gott, ja vertauschen wir unsern Gott mit einem Götzen!

Gebet.

Wir bitten Dich, 0 Herr, schaue gnädig auf Dein Volk und wende voll Milde die Geißeln Deines Zornes von ihm ab.

Komm unserem Tun mit Deinen Eingebungen zuvor und begleite es mit Deiner Hilfe, auf daß all unser Beten und Handeln stets von Dir begonnen, und, wie begonnen, auch durch Dich vollendet werde. Durch Chri~tus unsern Herrn. Amen.

Die liturgische Meßfeier des zweiten Fa s t e n s 0 n n tag s.

I Ehedem, als die Christen n0ch den Heroismus und den Gebetseifer der ersten Zeiten hatten, begann die Feier des Quatembersamstags erst am späten Abend dieses Tages. Die Gläubigen Roms versammelten sich in St. Peter. Ob der vielen Lesungen und Gesänge, ob der Erteilung der heiligen Weihen an die Priesteramtskandidaten, ob der Ablieferung des nicht unbeträchtlichen Fastenopfers der Gläubigen an die Kirche und die Armen, ob der Predigt des Bischofs dauerte der Nachtgottesdienst bis in den frühen Morgen des Sonntags hinein. So kam es, daß die Messe, die wir heute in der Frühe des Quatembersamstags feiern, bereits auf den Sonntag fiel. Nun kam ein schwächeres Geschlecht: der Nachtgottesdienst wurde in gekürzter Form auf den Morgen des Samstags vorgerückt und für den Sonntag ein neuer M eßtext geschaffen, gleichsam ein Ersatz und eine Stellvertretung der Messe des Quatembersamstags. Aber der Geist dieser Messe, ihre I d e e, ist herausgeboren aus der Messe des Quatembersamstags. Im Mittelpunkt steht der Tabor und über ihm im Lichtglanz der Ver k I ä run g Christus, unser Heiland Mitten in die düstere Fastenzeit leuchtet die nahe 0 s t er so n n e : durch Nacht zum Licht, durch Leiden und Sterben zum Leben, ZUI Auferstehung und Verklärung!

2. Wir fühlen uns als Sünder. Aus der Sündennot rufen wir im I n t r 0 i t u s um Gottes Erbarmen, um Nachlaß und Verzeihung, um Reinigung unserer Seele von allen bösen, sündigen Gedanken (Oratio). Wir wollen zum Licht der Auferstehung (Ostern) gelangen, das uns in dem auf Tabor verklärten Heiland entgrgel1leuchtet. Aber "was haben Licht und

Die liturgische Meßfeier des zweiten Fastensonntags. I I I

Finsternis gemein?" (2 Kor. 6, 14). De~hälb dürfen wir nicht in den Niederungen der Leidenschaften, der Unzucht, der Habsucht verweilen. "Gott hat uns nicht zur Unlauterkett berufen, sondern zur Heiligkeit", zum Wandel im Lichte (Epistel). Im Lichte wandeln heute die drei Apostel auf Tabor (Evangelium). Voll Staunen, Ehrfurcht und Seligkeit fallen sie nieder. "Herr, hIer ist gut sem." Die Apostel sind heute wir selbst. Wir schauen die göttliche Herrlichkeit, und wir glauben an den Verklärten, auch wenn wir Ihn bald in Schmach und Schwäche und Erniedrigung sehen, am ölberg und auf Golgatha. Wir glauben aber auch an unsere eigene Verklärung, die Frucht der Leiden, Entsagungen, Kampfe und Nöten des Lebens. Durch Nacht zum Licht! In diesem tröstlichen Bewußtsein sprechen wir freudig und zuversichtlich unser Credo:

Ich glaube an die Auferstehung von den Toten und an ein ewiges Leben. Unser Entschluß steht fest:

"Ich überdenke Dein Gebot, das ich liebe; ich strecke meine Hände aus nach Deinen Satzungen, die ich liebe" (Offertorium): Wandel im Lichte!

3. In der heiligen Wandlung wird das, was uns das Evangelium berichtet, leibhaftige Gegenwart und Wirklichkeit. Unser Altar ist der Tabor. Auf ihm thront die Herrlichkeit des Verklärten. Vom Himmel herab ruft der Vater die Worte: "Dieser ist Mein geliebter Sohn, an dem Ich Mein Wohlgefallen habe." Ihm, diesem geliebten Sohn, sind wir in heiliger Opfergemeinschaft innigst verbun~ den, mit Ihm ein Opfer, eine Hostie, eine Opfergabe geworden. Mit Ihm und durch Ihn sind wir Kinder Gottes. Mit Seinem Munde und mit Seinem Herzen rufen wir: Pater no ster. Wahrlich, an diesem unserem Rufen und Flehen, aus dem der Vater die Stimme Seines Vielgeliebten heraushört, hat Er Sein ganzes Wohlgefallen. Was muß es uns noch wundern, wenn Er über uns in der heiligen Kommunion die Fülle Seines Segens und Seiner Gnade

II 2 11. Die Fastenzeit: Zweite Woche.

ergießt, uns mit dem Leben Christi nährt und sättigt? In der heiligen Kommunion ist mein eigenes Herz der Tabor geworden, der Schauplatz der wonlÜgen Verklärung. Das Licht, das den Verklärten einhüllt, erleuchtet die Finsternisse meines Wesens. Die Wonnen, die sich über den Verklärten ergießen, strömen über auf meine Seele. Der vielgeliebte Sohn ist mein Eigentum und Besitztum. Er lebt in mir, nicht mehr ich selbst. Er senkt mir den unvergänglichen Keim der ewigen Verklärung ins Herz. So schreite ich wacker, stark und standhaft voran, durch die N acht zum Licht, zur Helle eines ewigen Ostertages. "Wandelt als Kinder des Lichtes" (Eph. S, 8).

Zweiter Fastensonnta~.

Tab 0 r h öh e.

1. Vor acht Tagen sahen wir den Herrn in der Wüste, vom Teufel versucht, gedemütigt. Heute auf den Höhen des Tabor, verklärt, von Moses und Elias, d. i. dem Alten Testament, geglaubt und anerkannt und vom Vater im Himmel bezeugt und bestätigt: "Dieser ist Mein geliebter Sohn, an dem Ich Mein Wohlgefallen habe; Ihn sollt ihr hören" (Evangelium)

2. "I n jen erZ e i t II ahm J es u s den Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes mit sich und führte sie abseits auf einen hohen Berg. Dort wurde Er vor ihnen verklärt. Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und Seine Kleider wurden weiß wie Schnee. Und siehe, es erschienen ihnen Moses und Elias und redeten mit Ihm. Da nahm Petrus das Wort und sprach: Herr, hier ist gut sein. Und während er noch redete, überschattete sie eine lichte Wolke. Und eine Stimme erscholl aus der Wolke:

Dieser ist Mein geliebter Sohn, an dem Ich Mein Wohlgefallen habe; Ihn sollt ihr hören" (Evangelium). In Petrus, Jakobus und Johannes erkennen

Sonntag: Taborhöhe.

1I3

wir die heilige KIrche. In der Fastenzeit nimmt sie der Herr abseits, auf den Berg, um ihr dort Seine Herrlichkeit, Sein wahres, himmlisches Wesen zu enthüllen. Sie soll angesichts der nahen Passion durch die Schau Seiner Herrlichkeit in dem Glauben an Ihn gestärkt und Seines göttlichen, unsterblichen Lebens gewiß werden. Die Kirche sind wir. Wir besteigen heute mit Ihm den Tabor und sehen Seine Verklärung. Wir werden an Ihm, wenn Er in die N acht des Leidens und der Schmach hinabsteigt, nicht irre. Wir glauben an Ihn, den wir heute auf jem Tabor schauen und über dem die Stimme des Vaters erschallt: "Dieser ist Mein geliebter Sohn."

"B r ü der, wir bit t e nun der m ahn e 11 euch im Herrn Jesus: Wandelt so, wie wir euch zu wandeln gelehrt haben, damit ihr Gott gefallet und immer vollkommener werdet. Denn ihr wißt, welche Vorschriften ich euch gegeben habe. Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung: daß ihr euch rein haltet von Unzucht. Gott hat uns ja nicht zur Unlauterkeit berufen, sondern zur Heiligkeit in ChrIstus Jesus, unserem Herrn" (Epistel). Lichte Taborhöhen! Daneben die dunklen Abgründe der Finsternis und Unheiligkeit. Die Epistel nennt die Unzucht, die Entheiligung der Ehe, die Hingabe an die sinnliche Lust; dazu die geschäftliche übervorteilung des Mitmenschen. "Der Herr rächt all das, wie wir euch schon früher gesagt und eingeschärft haben. Gott hat uns ja nicht zur U nlauterkeit, sondern zur Heiligkeit berufen." So ist es die Aufgabe der heiligen Fastenzeit, daß wir uns zum Verklärten etheben und uns von ihm verklären lassen. Nicht erst im jenseitigen Leben, schon jetzt hier auf Erden. Wir ringen um Verklärung, Heiligung unserer Gedanken, unserer Neigungen, unserer Absichten und Beweggründe; um Verklärung unseres Betens, Arbeitens und Leidens. "Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung." Verklärung in der Erhebung über die sinnlichen Begierden, über die Baur, "'Cl ic Liebt! H. ~

114 11. Die Fastenzeit: Zweite Woche.

Augenlust, FleIscheslust und Hoffart des Lebens. Über alles, was Unehrlichkeit im Handel und Wandel ist. Verklärung des äußern Menschen durch Inzuchtnahme des Körpers, der Sinne, der Zunge; Verklärung des innern Menschen durch Erhebung zur Unbeflecktheit, Reinheit, Lauterkeit des Denkens und Wollens. So leuchtet in uns Christen täglich etwas mehr vom Lichtglanz des verklärten Herrn auf; etwas von der Reinheit Seines weißen Gewan· des und Seines sonnenhaften Antlitzes auf Tabor. Verklärung ist das Ziel der Fastenarbeit. Der Weg zur Verklärung führt über Golgotha, über da s Kreuz, über das Sterben.

3. Wir erheben heute unsere Augen zu den Höhen des Tabor, den Verklärten zu sehen und uns so im Glauben an Ihn, den Sohn Gottes, zu bestärken. Wir schauen zu Ihm empor, um in Seinem Anblick die Kraft zu holen, tapfer den Weg der Verklärung zu gehen; daß wir tot ·der Sünde, tot der sinnlichen Leidenschaft und dem ungerechten Gelderwerb so wandeln, wie wir gelehrt worden sind, damit wir Gott gefallen und immer vollkommener werden. Das ist der Wille Gottes, unsere Heiligung, unsere Verklärung: daß der neue, vergeistigte, verklärte Mensch in uns entstehe. Wir verlangen mit ganzer Seele, jetzt in der heiligen Fastenzeit, über die N iederungen der Sinnlichkeit, Weltlichkeit und Ichsucht emporzusteigen, auf die Höhen des Tabor, verklärt zu werden. "Herr, denk an Deine Güte und Deine Erbarmungen, die seit ewig währen. Befreie uns, Gott Israels, aus allen unsern Nöten" (Introitus), von allem, was in uns noch Sünde, Erdverhaftung, Ungeistigkeit, Unfreiheit ist. "Vernimm mein Rufen, hab acht auf meiner Stimme Flehen, mein König und mein Gott: ich richte mein Gebet an Dich" (Communio): wandle Du in der Kraft der heiligen Eucharistie mein Wesen um, daß es rein werde, fern aller Unlauterkeit, verklärt durch die heiligmachende

Sonntag: Taborhähe.

II5

Gnade, durch die Fülle der Gaben des HeilIgen Geistes, der Tugenden und heiligen Werke.

Heute, in der Feier des heiligen Opfers, schauen wir den Verklärten auf dem Tabor des Altars. Sein Angesicht leuchtet wie die Sonne. Sein Gewand ist weiß wie Schnee. Ehrfürchtig fallen wir mit Petrus, Jakobus und Johannes auf unser Angesicht und beten an. In der heiligen Kommunion läßt Er sich zu uns herab, rührt uns an und ruft uns auf: "Steht auf und fürchtet euch nicht." In der Kraft dessen, was ihr gesehen und empfangen habt, geht mutig an die Mühen und Opfer des Alltags, in den Kampf wider Satan, Fleisch und Welt. Die heilige Kommunion gibt uns die Kraft, so zu wandeln, wie wir es gelehrt worden sind, um in allem Gott zu gefallen und uns zu heiligen. Das Geistige, das Seelische, das Glück in Gott, die innere Reinheit, der Friede, der heilige Frohsinn leuchtet in der äußern Gestalt hervor und kündet allen die Verklärung unseres Wesens. "Preiset den Herrn, denn Er ist gut, ewig währet Sein Erbarmen. Wer mag schildern des Herrn gewaltiges Wirken (an uns): wer wird künden all Seinen Ruhm? Selig, wer das Gesetz befolgt und allzeit handelt nach Gerechtigkeit (so wie Gott es befohlen hat)" (Tractus).

Wir fühlen tief den Schmerz der Mutter Kirche mit. Sie leidet angesichts der großen Zahl ihrer Kinder, die nicht wandeln, wie sie gelehrt werden. Sie gefallen Gott nicht. Sie halten sich nicht rein von Unzucht. Sie überlassen sich der sinnlichen Leidenschaft und entweihen, wie "die Heiden, die Gott nicht kennen", das Heiligtum der Ehe. Sie wären berufen und hätten die Gnade, mit dem Herrn auf Taborhöhen zu wandeln, im Glanze eines reinen, heiligen, verklärten Lebens. Statt dessen waten sie im Sumpf der Sinnlichkeit und Unlauterkeit. Wie tut das der Kirche wehe! "Die Ängsten meines Herzens haben sich gemehrt", betet sie zum Herrn. "Aus meinen Nöten rette mich, 0 Herr. Sieh an

8*

116 I1. Die Fastenzeit: Zweite Woche.

mein Elend und mein Leid" (Graduale), meine Sorge, meinen Kummer um so vieler verirrter Kinder willen. Wir heben rühmend, bittend das kostbare Erlöserblut zum Himmel empor und flehen: "Vergib uns unsere Schuld. Führe uns nicht in Versuchung. Erlöse uns, bewahre uns vor dem Übel" der Sünde, der Sinnlichkeit, des ewigen Todes.

Ge be t.

Du siehst, 0 Gott, daß jede Kraft uns mangelt.

Darum behüte Du uns innen und außen, auf daß unser Leib vor allem übel gesichert sei und unsere Seele von verkehrten Gedanken gereinigt werde. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Montag nach dem zweiten Fastensonnta~.

"Ich gehe hin."

I. Zum ersten Mal tritt heute in den Fastenmessen das Leidensmotiv auf: Christus von den J l1den bekämpft. Wir nehmen an diesem Kampfe gegen un~ern Heiland innigen Anteil. Er findet im Kreuzestode Jesu seinen Höhepunkt, im Leben des mysti~chen Christus, d. i. der heiligen Kirche, seinen steten Fortgang und am Jüngsten Tage, im glorreichen Ttiumph Christi und Seiner Kirche, seinen Abschluß.

2. Der b e t end e Dan i eid e r E pis tel ist uns C h r ist u s, der Er lös e r. Unser Heiland nimmt unsere Sünde auf sich, büßt sie ab und fleht am Kreuze mit blutigen Tränen für uns, an unserer Statt, um Verzeihung und Vergebung: "Herr, unser Gott, Du hast Dein Volk mit starker Hand aus Ägypten geführt (Taufe). Wir haben gesündigt und unrecht gehandelt gegen alle Deine Satzungen. Ich bitte Dich flehentlich: Möge Dein Zorn und Dein Grimm weichen von Deiner Stadt Jerusalem (der heiligen Kirche); denn wegen unserer Sünden und um der Verschuldungen unserer Väter willen

Montag: "Ich gehe hin."

117

ist Jerusalem und Dein Volk zum Gespött geworden allen, die ringsum wohnen. So erhöre denn, unser Gott, das Gebet Deines Dieners und sein Flehen, und laß um Deiner selbst willen Dein Angesicht leuchten über Deinem Heiligtum. Erhöre uns, Herr, sei gnädig. Hab acht auf uns, 0 Herr, und handle! Um Deiner Selbst willen säume nicht. Denn Dein Name ist über Deine Stadt und Dein Volk angerufen, Herr, unser Gott." So fleht unser Heiland stellvertretend für uns. Einmal am Stamme des heiligen Kreuzes. Heute täglich im Opfer der heiligen Messe: sie ist ein Opfer der Sühne und der Bitte um Verzeihung und Gnade. Ach, die vielen Sünden und Ungerechtigkeiten, die von den Kindern der Kirche, von uns, dem heiligen Volke Gottes, begangen werden! Wie, wenn Er nicht unsere Sünden auf sich genommen hätte! Wenn Er nicht unaufhörlich fÜr uns s[ihnte und zu Gott flehte! Und wie Er uns Unwürdige liebt! Am Kreuze, im Opfer der heiligen M esse I

"I c h geh e hin" (Evangelium). Vor Seinem Auge stehen die Schrecken des Olgartens, der Geißelung, der entehrenden Szenen vor den Richtern, der Verspottung durch Herodes und durch die Soldaten; der Verwerfung durch Sein Volk, das Er so innig liebt, der Kreuzigung und des Todes. "Ich gehe hin." Im Drang der Liebe zum Vater, daß Er die Ihm zugefügte Beleidigung wieder gutmache. Im Drang der Liebe zu uns, daß Er uns aus Kindern der ewigen Verdammnis und des Zornes Gottes zu geliebten Kindern des Vaters mache; daß wir die Reichtümer und Seligkeiten des Lebens Gottes, der Gnade und des ewigen Besitzes und Genusses Gottes mitbesitzen und mitgenießen können. "Ich gehe hin", Mich zu opfern, alles zu geben.

"Ich gehe hin." Jetzt, in der Feier der heiligen Messe. Da tritt Er für Seine, durch die Sünden so vieler Kinder, auch durch meine Sünden, erniedrigte Kirche im Namen der Büßenden vor den

I 18 11. Die Fastenzeit: Zweite Woche.

Vater hin und vollzieht auf dem Altar unblutigerweise das Opfer, das Er einmal am Kreuze dargebracht hat. Um Seiner Kirche, um uns Verzeihung, Gnade und Hilfe zu erwirken. Alles, was Er im Erdenleben erduldet, getan, gebetet, verdient hat; Seinen Leib, Seine Seele, Sein Blut, Sein Herz opfert Er in der heiligen Messe, stellvertretend für jeden von uns. Wir gehen mit. Wir erkennen im Opfer des Altars das lebendige Nachbild Seines Opfers am Kreuze, die gleiche Liebe zu uns, wie Er sie am Kreuze hatte, den gleichen Drang, uns zu erlösen, zu retten. Wir gehen mit Ihm: Wir werden im Brot und vVein zusammen mit Ihm ein Opfer der Sühne, der Hingabe an Gott. Ein Opfer der Liebe, bereit, alles zu geben, mit unserem Herrn und HeIland uns hinausstoßen, ungerecht behandeln, verurteilen, kreuzigen zu lassen. "Ich gehe hin."

3. Wir schließen uns dem mit Seiner Kirche und für Seine Kirche flehenden und sÜhnenden Erlöser an und beten im Namen der ganzen Menschheit, die heute so sehr darniederliegt, die ergreifenden Worte der Epistel.

Wir sind im Heiligtum des hl. Klemens. Von der Höhe der Apsis leuchtet uns das herrliche Kreuz in Mosaik entgegen und illustriert uns die Worte des Evangeliums: ,,\Venn der Menschensohn (am Kreuze) erhöht sein wird, dann werdet ihr erkennen, daß Ich es bin." In Seinem Leiden, in Seiner Hingabe und Sühne für uns, in dem Übermaß Seiner Verdemütigung und Seiner Liebe zu uns sollen wir Thn in der heiligen Fastenzeit kennen lernen.

"Der Mich gesandt hat, der ist mit Mir, und Er läßt Mich nicht allein, weil Ich stets tue, was Ihm wohlgefällig ist" (Evangelium). Könnten auch wir mit unserem Heiland also sprechen: "Ich tu allzeit, was Ihm wohlgefällig ist"! l;)as sollte die Frucht des heiligen Opfers sein, das wir mitfeiern.

Dienstag: Liebendes Geben.

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Ge b e t.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, gib, daß Deine Familie, die sich in der Nahrung Abbruch tut, um den Leib zu züchtigen, auch von Sündenschuld sich enthalte, um nach der Gerechtigkeit zu streben.

Sei unserem Flehen hilfreich nahe, und wie Du uns Vertrauen auf Deine Vatergüte einflößest, die wir erhoffen, so laß uns auch in Deiller Güte die Wirkung Deiner gewohnten Barmherzigkeit zukommen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Dienstag nach dem zweiten Fastensonntag.

L i e ben des G e ben.

I. "Dein Antlitz suche ich; ja, Herr, Dein Antlitz will ich suchen. Dein Antlitz wende nicht hinweg von mir." Mit diesem Sehnen nach dem "Antlitz des Herrn" im Herzen ziehen wir mit den BÜßern und Täuflingen in das Heiligtum der heiligen Jungfrau Balbina. Weg vom Profanen und Weltlich-Zeitlichen, hin zum Herrn, dessen Gestalt aus der Apsis der Basilika uns entgegenstrahlt. Der Grundgedanke der Liturgie des heutigen Tages ist:

Das Leben des Christen ist liebendes Geben und demütiges Dienen.

2. Li e ben cl e s Ge ben. Balbina reiht sich jenen heldenhaften römischen Jungfrauen an, welche sich ganz in den Dienst der Caritas stellten. Ihr Vermögen, ihre Zeit, ihre Kraft gehörte den in den Kerkern gefangengehaltenen Martyrern, den Armen und Bedrängten, den Kranken und Leidenden. Balbina, die Stationsheilige, ist in der Witwe von Sarepta, der Heidin, vorgebildet, von der die Epistel heute berichtet. Elias, der Prophet, kommt nach Sarepta. Zufällig sieht er da die Witwe etwas Holz auflesen. Er bittet sie: "Gib mir ein wenig Wasser zu trinken. Und einen Bissen Brot." Die Witwe teilt den letzten Bissen Brot, den sie eben für sich und ihren Sohn bereiten will, mit dem Unbekannten.

r 20 Ir. Die Fastenzeit· Zweite Woche.

Ihr Entgegenkommen, ihr Almosen wÜ'd reich belohnt. "Das Mehl im Gefäß sol1 nicht ausgehen und der ölkrug nicht leer werden." Und von diesem Tage an "nahm das Mehl im Gefäß nicht ab, und der ölkrug wurde nicht leer". Almosen bringt Segenl Sei eine Witwe von Sarepta, sei eine Balbina! Gib, gib gern! "Gebet, so wird euch gegeben werden; ein gedrücktes, gerütteltes und aufgehäuftes Maß wird man euch in den Schoß werfen: denn mit dem gleichen Maße, womit ihr messet, wird-euch wiedergemessen werden" (Luk. 6, 38).

DemÜtiges Dienen. "Wer der Größte ist unter euch, sol1 euer Diener sein" (Evangelium). Anders der Nichtchrist, der Ungetaufte, dargestellt in den Pharisäern und Schriftgelehrten. Sie sitzen auf dem Lehrstuhl des Moses. Sie sind die Lehrer, die Tonangebenden. Sie verpflichten die andern auf ihre Weisheit. Sie lieben es, gehört, gesehen und bewundert zu werden. Sie wol1en gegrüßt sein und lassen sich Rabbi, Meister, heißen. "Nicht so ihr, die Getauften!" " Wer der Größte ist unter euch, soll euer Diener sein." Des Christen Größe besteht nicht ;n der Ehre vor den Menschen, nicht in Ämtern und hohen Titeln, sondern darin, daß er in Demut und Liebe seinen Brüdern in Christus diene, so wie Balbina es uns vorlebt. Dienen im Geiste christlicher Demut. ,,\Ver sich erniedrigt, der wird erhöht werden" (Evangelium). Wir sehen in den Brüdern das Gotteskind, das Glied Christi, ja Christus selber. In heiliger Ehrfurcht vor dem Göttlichen im Mitmenschen, vor dem in ihm lebenden Christus, dem Haupte, schätzen wir uns glücklich, ihm dienen, ihm helfen, ihm geben, ihm Freude machen zu dürfen. "Was ihr dem Geringsten der Meinigen getan, habt ihr Mir getan" (Matth. 25, 41).

3· Eine eindringliche Mahnung der heiligen Liturgie, daß wir in der heiligen Fastenzeit den Mitmenschen Gutes tun, insbesondere den Bedürftigen Almosen geben. "Wirf deine Sorge auf den Herrn,

Dienstag: Liebendes Geben.

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Er wird dich nähren" (Graduale). So hat es die Witwe von Sarepta gemacht. Sie hat nur noch "soviel Mehl im Gefäß, als man mit emer Hand fassen kann, und nur noch ein wenig öl im Kruge". Sie wil1 sich und ihrem Sohne ein kleines Brot zubereiten, "damit wir essen und dann sterben". Es ist ja eben die große Hungersnot im Lande. "Sei ohne Sorge", ruft ihr der Prophet zu, "mach mir zuerst einen Brotkuchen und bringe ihn mir; hernach magst du für dich und deinen Sohn einen bereiten." Sie tut, wie Elias ihr gesagt. Und siehe! Von "diesem Tag a,n nahm das Mehl im Gefäß nicht ab, und der ölkrug wurde nicht leer". So lohnt Gott das Almosen, das um Gottes und Christi wil1en gegeben wird. "Wirf deine Sorge auf den Herrn, Er wird dich nähren." Sage nicht: Ich kann kein Almosen geben. Das Almosen, gegeben im Vertrauen auf Gott, wird immer gelohnt.

"Brich dem Hungernden dein Brot, und Dürftige und Obdachlose führe in dein Haus. Siehst du einen Nackten, bekleide ihn, und verachte nicht dein Fleisch." Die ersten Christen haben dieses Wort, das uns die Liturgie der Fastenzeit täglich wiederholt, buchstäblich genommen und erfÜl1t. Jeder teilte mit al1en sein Brot und sein Eigentum. Sogar den Erlös der Arbeit und ihr Vermögen brachten sie zu den Aposteln, auf daß keiner der Mitchristen darben müßte. Das ist der Geist des Christentums!

"Erbarm Dich meiner, Gott, nach Deiner großen Barmherzigkeit; Herr, tilge meine SÜndenschuld" (Offertorium). Im Almosengeben haben wir ein vorzügliches Mittel, die Verzeihung unserer Sünden zu erhalten.

"Wer der Größte unter euch ist, soll euer Diener sein." "Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden." Wir schauen in der Feier der heiligen Messe Ihn, der "Sich selbst erniedrigt hat und gehorsam geworden ist bis zum Tode, zum Tode am Kreuze.

122 11. Die Fastenzeit: Zweite \Voche_

Deshalb hat Gott Ihn erhöht und Ihm einen Namen gegeben, der Über alle Namen ist" (Phi!. 2, 6 ff.). Wir gehen Seinen Weg der Selbsterniedrigung, der Demut, _ des Kleinseins, des liebenden Dienens, des Untergeben seins.

Gebet.

Wir bitten Dich, 0 Herr, vollende in uns gütig Deinen Beistand zur Beobachtung der heiligen Fasten, damit wir das, was wir unter Deiner Anregung als Pflicht erkannten, unter Deiner Mitwirkung auch' vollbringen,

Herr, höre gnädig auf unser Flehen und heile die Schwächen unserer Seelen, damit wir nach erlangter Verzeihung uns immerdar Deines Segens erfreuen. Durch Christus unsern Herrn, Amen,

Mittwoch nach dem zweiten Fastensonntag. e ä c i 1 i a - die Kir c h e.

1. J esus steigt mit Seinen JÜngern nach J erusalem hinauf und kündet ihnen Sein Leiden an: "Der Menschensohn wird den Hohenpriestern und Schriftgelehrten überliefert werden. Sie werden Ihn zum Tode verurteilen und den Heiden zur Verspottung, Geißelung und Kreuzigung ausliefern, Doch am dritten Tage wird Er wieder auferstehen." Da macht sich die Mutter der bei den Apostel Jakobus und Johannes an Ihn heran, Sie bittet, Er möge in Seinem Reiche den einen ihrer Söhne zur Rechten, den andern zu Seiner Linken setzen. J esus wendet sich an die zwei Apostel: "Ihr wißt nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den Ich trinken werde?" Sie antworteten: ,,] a, wir können es." Die Liturgie nimmt uns heute in das Haus der heiligen Cäcilia, Wie Salome im Evangelium ihre zwei Söhne zu Christus führt, so fÜhrt Cäcilia ihre zwei geistlichen Söhne, Valerian und Tiburtius, zur heiligen Taufe, zu Christus, ZUlP Martyrium. Salome und

Mittwoch: Die betende Kirche. 12:5

Cäcilia sind, heute ell1 Bild der Kirche, die in der heiligen Fastenzeit ihre Kinder, die Täuflinge, zur Taufe, zu Christus, zur Teilnahme am Sterben und an der Auferstehung Christi führt.

2, Die Kir c heb e t e t für ihre Kinder. Die betende Kirche ist heute im Evangelium in der um ihre zwei Söhne so mütterlich besorgten Salome d.argestellt. Sie vergißt auf sich selbst, tritt fÜr ihre Kinder ein, kommt zum Herrn, wirft sich vor Ihm nieder und bittet für sie. Ebenso stellt uns die heutige Liturgie die betende Kirche in der Epistel vor Augen. Esther, die Königin, fleht beim König Assuerus um Gnade fÜr ihr dem Untergang geweihtes Volk. Sollten doch an einem Tage im ganzen weiten Perserreiche alle Kinder Israels ermordet werden. Esther bittet um Gnade fÜr ihr Volk und wird erhört. Ein Bild der fürbittenden, bei Gott alles vermögenden heiligen Kirche. Sie betet Tag und N acht in ihren Priestern, in ihren Ordensleuten, in den vielen heiligen-, betenden Seelen auf Erden, in ihren Heiligen und Seligen des Himmels: "Herr, Deiner Macht ist alles unterworfen, und niemand vermag Deinem Willen zu widerstehen, wenn Du beschließest, Israel (die Seelen) zu retten, Und nun, Herr und König, erbarme Dich Deines Volkes, denn unsere Feinde wollen uns verderben und Dein Eigentum vertilgen. Verschmähe Dein Erbteil nicht, das Du aus Ägypten errettet hast. Erhöre mein Gebet und sei Deinem Erbe und Anteil gnädig und wandle unsere Traurigkeit in Freude, auf daß wir leben und Deinen Namen preisen, 0 Herr. Laß doch nicht den Mund derer verstummen, die Dir lobsingen, Herr, unser Gott," So betet die Kirche in der heiligen ·Fastenzeit für ihre Kinder, die Täuflinge, die Sünder und Büßer, für uns alle. Dies ihr Gebet legt sie in der heiligen Messe auf die Patene, auf daß der Herr es in Sein Gebet und Opfer mitaufnehme und vor dem Vater vertrete! Hätte die Welt

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11. Die Fastenzeit: Zweite Woche,

die Kirche l1lcht, die betet, opfert, sühnt, sie könnte nicht bestehen,

Die Kir c h e f ü h r t z u C h r ist u s, So· sehen wir sie heute in Cäcilia, die die Heiden Valerian und Tiburtius zu Christus führt; so sehen wir sie in Salome im Evangelium. Die Kirche, die Mutter führt auch uns zu Christus. Sie kann nicht anders, sie sucht und will nichts anderes, als zu Christus führen: in der heiligen Taufe, in der Predigt, im heiligen Opfer, in der heiligen Kommunion, im Sakrament der Buße, in der Letzten ölung, im Leben, im Sterben, in der Ewigkeit. Zu Christus, der Wahrheit, dem Quell der Gnade, des Lichtes, zum Leben, Heilige Kirche, wie müssen wir dir danken! Du und nur du führst zu Christus, zum Heil. Wir lassen uns von dir führen_ Nimm uns mit, du weißt den Weg!

Die Kirche führt zur Teilnahme am Lei den s k e Ich des Her r n. Das ist der Sinn der heiligen Taufe und des Christseins : den Kelch des Herrn mittrinken. "Könnt ihr den Kelch trinken, den Ich trinken werde?" so fragt uns der Herr. Mit Jakobus und Johannes, mit Valerian und Tiburtius sprechen wir: "Ja, wir können es." Wir sind entschlossen, mit Christus zu gehen, dem wir in der heiligen Taufe eingegliedert worden sind, Wir gehen mit Ihm: in der Abkehr von der Sünde und von der Welt mit ihren Eitelkeiten. In der Liebe zur Armut und Entbehrung. In der Abtötung und Entsagung. In der Hingabe an die Mühen und Arbeiten des Berufslebens. In dem vollen Ja zu den Schwierigkeiten, Leiden, Krankheiten, Nöten, Zurücksetzungen, Verleumdungen - Martyrer der Liebe, des Glaubens an Seine Vorsehung und Liebe,

3· Die Kirche betet für ihre Kinder, führt sie zu Christus und zur Teilnahme am Leidenskelch des Herrn. Wir erschrecken nicht, wenn sie uns auf den Weg des Fastens, der Entsagung, des Kreuzes ruft. Damit beweist sie nur, daß sie von oben ist, nicht

Mittwoch: Die betende Kirche, 125

von dieser Erde. Daß sie erfüllt ist von Gottes und Christi Geist, nicht vom Geist des Menschen, der

Welt.

Die heilige Kirche führt uns zu Christus ins-

besondere in der Feier der heiligen Messe und im Empfang der heiligen Kommunion, Wir kommen zur heiligen Messe, um den Kelch des Herrn mitzutrinken. Wir nehmen uns selbst mit allem, was wir sind, haben, können, erwarten, in die Hand und legen alles auf den Altar, unmittelbar neben das hochheilige Opferlamm Christus, Wir wollen allen Ernstes mit Ihm eine Hostie sein, Seinen Kelch trinken. Deshalb kommt Er in der heiligen Kommunion mit Seinem Opferwillen und mit Seiner Opferkraft und gibt sich uns. ] etzt fÜhlen wir uns stark und sind bereit, den Tag hindurch Seinen Kelch zu trinken, Wir wissen: zu einer guten Kommunion gehören zwei Hostien, Er und ich. Zur heiligen Messe gehen, in der geistigen Atmosphäre des Altars leben, bedeutet fÜr uns, nur mehr im Opfer leben, Die heilige Kommunion empfangen, bedeutet für uns, unser ganzes Leben auf der Opfergesinnung aufbauen. Bedeutet fÜr uns, ein Mensch werden, der sich 'ohne Vorbehalt hingibt, bedeutet für uns, Hostie werden: ein zwischen den MÜhlsteinen des Berufslebens, der uns von Gott zugedachten Leiden, der freiwillig Übernommenen Verzichte gemahlenes Korn sein; ein Brot, das in der KonsekratIOn aufhört, Brot zu sein, d. i. den eigenen WÜnschen und Plänen zu leben; ein Brot, das Chri stus geworden ist. Ich will Bu sein, tot dem Ich, ganz Dein Leben mitleben.

Ge be t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, schau gnädig auf Dein Volk, und wie Du uns befiehlst, Abbruch zu tun in der Nahrung für den Leib, so verleihe uns auch die Gnade, von verderblichen Leidenschaften abzulassen,

Gott, Du \i\,Tiederhersteller und Freund der Un-

r 26 Ir. Die Fastenzeit: Zweite Woche.

schuld, gib den Herzen Deiner Knechte die Richtung auf Dich, damit sie, von der Glut Deines Geistes entflammt, standhaft im Glauben und eifrig in Werken erfunden werden, Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Donnerstag nach dem zweiten Fastensonntag.

F 1 u c h und F r u c h t der S ü n d e,

1. Wir leben heute ganz der Buße, Wir schließen uns in S. Maria in Trastevere den BÜßern an. Sie dürfen der Opferfeier nur "an der Türe" beiwohnen und sind vom Empfang der heiligen Kommunion ausgeschlossen; sie sind der arme Lazarus, der an der Türe des Reichen, d. i. der Christen, die mitopfern und kommunizieren dürfen, auf "die Brosamen wartet, die vom Tische des Reichen fallen". Wir wollen uns auf den Fluch der Sünde in diesem Leben und auf die Frucht der Sünde im Jenseits besinnen und ernsthaft bÜßen. sühnen.

2, \Al ass 0 11 t e n, was k ö n n te n wir C h r is t e n sei n? Ein Baum, der, am Wasser gepflanzt, nach dem Bach hin seine Wurzeln ausstreckt. Sein Laub bleibt immer grÜn und nimmer hört er auf, Früchte zu tragen" (Epistel). Ein Baum, gepflanzt an den Wassern der Gnade, in dem fruchtbaren Erdreich der Kirche. Ein Zweig am Weinstock Christus, getragen und erfüllt von der Kraft und Fruchtbarkeit des Weinstockes, Wir sündigen. Wir hören auf, zu grünen und Früchte zu tragen. Wir sind ein verdorrter Baum, kahl, reif zum Verbrennen. Wir haben uns von Gott getrennt. Die Lebensader, die uns mit Christus verband, ist durchgeschnitten, Wir sind fÜr das Leben der Gotteskindschaft, der Gnade tot. Die heilige Liebe ist aus der Seele entflohen. Die göttlichen Tugenden des Glaubens und der Hoffnung bleiben in der Seele noch zurÜck, stumme Zeugen der Verwüstung an heiliger Stätte, Auch sie

Donnerstag: Fluch und Frucht der Sünde. 127 werden bei wiederholter Sünde sterben. Das Joch der SÜnde drückt immer schwerer. Die bösen Gewohnheiten schlagen die Seele in eiserne Fesseln und rauben ihr alle Freiheit. Sie verliert den Mut zum Widerstand und wird eine leichte Beute der Versllchungen und Leidenschaften, Der Fluch der Sünde schon hier auf Erden.

Die letzte Frucht der SÜnde ist die e w i geH ö 11 e, Sie Ist Ausschluß von Gott, vom Licht, vom Leben, vom wahrhaft Guten, BeglÜckenden, Sättigenden, Sie ist Qual und Unseligkeit in den unbarmherzigen Flammen, in denen im Gleichnis des heutigen Evangeliums der reiche Prasser schmachtet. Er verlangt nach einem Tröpfchen Wasser, um seine Zunge abzukÜhlen. Umsonst! Er leidet unsägliche Pein. Er schaut nach Hilfe aus. Umsonst! Die Zeit des Erbarmens Gottes, der Gnade, der fruchtbaren Reue und Buße, der Umkehr ist vorbei. Es bleibt nur das eine: eine ewige Hölle. Das ist der Sold der Sünde! Jetzt, hier auf Erden, muß sie gesühnt werden, im Jenseits ist's zu spät! So tun wir Buße, leisten wir Sühne und "empfehlen wir uns (Gott) durch viel Geduld, durch Fasten und durch die Waffen der Gerechtigkeit" (Antiphon zur Sext), d. i. durch ein reines, heiliges, christliches Leben.

3. Im Opfergang der heiligen Messe schließen wir uns dem wahren Moses an, Christus, unserem Heiland. Er kommt in der heiligen Messe, um sich für unsere Sünden stellvertretend als Opfer an den Vater hinzugeben. Er kommt, um für uns zu sÜhnen, Genugtuung zu bieten und uns Verzeihung zu erlangen. Wir nehmen in der heiligen Wandlung das kostbare Blut unseres Heilandes in unsere Hände und heben es flehend zum Himmel empor: "Herr, was zürnst Du Deinem Volke? Sänftige Deinen Zorn; gedenke Deines Sohnes, der fÜr uns am Stamme des heiligen Kreuzes Sein kostbares Blut dahingegeben hat. Um Seinetwillen erbarme Dich

128 11. Die Fastenzeit: Zweite Woche.

unser. Und der Herr ließ sich besänftigen und sah von dem Unheil ab, das Er Seinem Volke angedroht hatte" (Offertorium). In der heiligen Kommunion bietet um der Vater in Seinem Sohne, den Er uns schenkt, den Kuß des Friedens, wir haben den Frieden, die Gemeinschaft mit Gott, sind wieder Kinder Gottes, lebendig Christo einverleibt, damit Er uns zum seligen Ostern daheim beim Vater mit sich nehmen könne. "Wer Mein Fleisch ißt und Mein Blut trinkt, der bleibt in Mir und Ich in ihm" (Communio).

Der arme Lazarus und der reiche Prasser, der Lebemensch! Wer von beiden ist in Wahrheit besser daran? Wohin ist der Lebemensch mit seinen Genüssen, mit seinem Geld gekommen? Das Geld hat ihn verführt: nun ist er in der Hölle begraben. "Wehe euch, ihr Reichen" (Luk. 6,24). Im Reichtum liegt für den Menschen die Gefahr! "Verflucht, wer sein Vertrauen auf Menschen setzt und Fleisch zu seinem Arme macht (d. i. sich auf sterbliche Menschen, auf Erdengüter, Geld, Stellung stützt) und dessen Herz (dadurch) abtrünnig wird vom Herrn! Er wird so unfruchtbar wie eine Tamariske in der \i\Tüste sein." Der reiche Prasser!

"Gesegnet, wer auf den Herrn vertraut, dessen Zuversicht der Herr ist. Er gleicht einem Baume, der, am Wasser gepflanzt, nach dem Bache hin seine Wurzeln ausstreckt und sich nicht zu fÜrchten braucht, wenn die Hitze kommt. Sein Laub bleibt grÜn, und nimmer hört er auf, Früchte zu tragen" (Epistel). Der arme, kranke Lazarus!

"Bös ist des Menschen Herz, mehr als alles, und unerforschlich. Wer wird es durchschauen? Ich, der Herr. Ich durchforsche das Herz und durchprüfe die Nieren. Ich vergelte jedem nach seinem \Vandel und nach der Frucht seiner Taten, spricht der Herr", dem Prasser wie dem Lazarus,

Wer sich erniedrigt, wie der arme Lazaru5, wer Buße tut, seine Sünde beweint, in Demut b~kellllt

Freitag: Leidensgemeinschaft. 129

und in ernster Abtötung und Selbstverleugnung sie büßt und sühnt, der wird erhöht. "Tut Buße!"

Ge b e t.

Herr, wir bitten Dich, verleihe uns den Beistand Deiner Gnade, auf daß wir, dem Fasten und Gebet mit gebÜhrendem Eifer obliegend, von den Feinden des Leibes und der Seele befreit werden.

Herr, stehe Deinen Dienern bei und schenke den Bittenden Deine immerwährende Huld, um in ihnen, die sich Deiner als ihres Schöpfers und Lenkers rühmen, das Erworbene zu erneuern und das Erneuerte zu bewahren, Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Freitag nach dem zweiten Fastensonntag.

Lei den s g e m ein s c h a f t.

I. Heute in vier Wochen ist Karfreitag. Wir flehen im Kirchengebet, daß wir die Gnade erhalten, uns auf die kommenden Feiern mit reinem Sinne vorzubereiten. Wir leben also heute im Gedanken an das Leiden und Sterben des Herrn. Karfreitagsstimmung liegt auf der Liturgie des Tages, Karfreitagstimmung lagert sich auch auf unsere Seele.

2. Vor b i 1 d des 1 eid end e n Her r n ist der heiligen Liturgie von heute der ägyptische Joseph. Er ist der Lieblingssohn des Jakob. Von den eigenen Brüdern ist er tödlich gehaßt. Jakob sendet ihn zu den Brüdern nach Sichem, die dort die Schafe weiden, J oseph folgt dem Befehl des Vaters, findet seine Brüder aber nicht in Sichem, sondern weiter fort, in Dothain. Sie sehen ihn kommen und sprechen:

"Wir wollen ihn töten, in eine alte Zisterne werfen und sagen, ein wildes Tier hat ihn gefressen." Ruben, einer der elf BrÜder aber, widersetzte sich diesem Plan. So begnügen sich die andern damit, den Joseph in eine ausgetrocknete Zisterne zu werfen und ihn dann UIIl dreißig Silberlinge als Sklave an HandelsBaur, Werde Licht I JI, ~

130 11. Die Fastenzeit: Zweite Woche.

leute zu verkaufen, die eben nach Agypten ziehen. Dem Vater melden sie, ein wildes Tier habe ihn gefressen. Aber denselben Joseph, den seine Brüder verkauft und verworfen, hat der Herr in Ägypten wunderbar erhöht. Er wird der erste Minister des Königs von Ägypten und rettet Land und Volk vor der Hungersnot. Er wird der Retter auch der Seinigen. Die Brüder, die ihn verkauft, kommen zu ihm und huldigen ihm. Der alte Vater eilt zu seinem totgesagten und von ihm totgeglaubten Sohn und findet bei ihm Hilfe und Heimat. "Ich schrie zum Herrn, und Er erhörte mich. Herr, rette mich vor Lästerltppen und vor Lügenzungen" (Graduale): so läßt die Liturgie den J oseph in Ägypten, so läßt sie im Vorbild den Heiland beten.

"E i n Hau s v a t e r p f 1 a n z tee i n e n '0/ ein be r g, umgab ihn mit einem Zaun, grub dariri eine Kelter und baute einen Turm (zum Schutz). Dann verpachtete er ihn an Winzer und verreiste. Als die Zeit der Weinlese kam, schickte er seine Knechte zu den Winzern, um die Früchte in Empfang zu nehmen." Die Winzer aber ergriffen die Knechte, schlugen und töteten sie. Der Hausvater sandte andere Knechte. Die Winzer behandelten sie ebenso wie die früheren Knechte. "Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen, indem er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Ehrfurcht haben." Als die Winzer den Sohn sahen, sprachen sie bei sich: "Das ist der Erbe: kommt, wir wollen ihn umbringen und sein Erbe in Besitz nehmen. Sie ergriffen ihn also, stießen Ihn zum rv einberge hinaus und töteten ihn" (Evangelium). Der Hausvater ist Gott. Er sandte in Seinen auserlesenen Well1berg, d. i. an das Volk Israel, Seine Propheten und Boten. Aber Israel verwarf die Boten Gottes, steinigte, tötete sie. Da sandte Gott Seinen eigenen Sohn. "Er kam in Sein Eigentpm : aber die Seinigen nahmen Ihn nicht auf" (Joh. I, II). Er zieht nach J erusalem hinauf. "Dort wird der Menschensohn den Hohenpriestern und Schriftge-

Freitag: Leidensgemeinschaft. 131

lehrten überliefert werden. Sie werden Ihn zum Tode verurteilen und den Heiden zur Verspottung, Geißelung und Kreuzigung übergeben: doch am dritten Tage wird Er wieder auferstehen" (Matth. 20,18). Sein eigener Apostel verrät Ihn an die Feinde und verschachert Ihn um dreißig Silberlinge. Sein Volk, dem Er nur Gutes getan, vor dem Er sich als den Messias und den Gottessohn ausgewiesen, fällt von Ihm ab und ruft dem heidnischen Richter zu: "Ans Kreuz mit Ihm, ans Kreuz mit Ihm. Sein Blut komme über uns und Über unsere Kinder." Verraten, verachtet, entehrt, mit dem Fluche Seines Volkes beladen, geht Er den Weg z)1r Höhe des Kalvaria empor. Dort wird Er gekreuzigt und verblutet Er. "Aber am dritte l Tage wird Er wieder auferstehen." "Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen, und es ist wunderbar in unsern Augen" (Evangelium). "Gott hat Ihn erhöht und Ihm einen Namen gegeben, der Über alle Namen ist. In Seinem N amen haben sich alle Kniee zu beugen, derer, die im Himmel sind, und derer, die in der Unterwelt, und derer, die auf Erden sind, und alle mÜssen sie bekennen, daß Christus, der von Seinem Volk schmählich Verworfene, der Herr ist, der Kyrios" (Phi!. 2,8 ff.).

3. Die Kirche führt uns heute in das Heiligtum des Martyrers Vitalis, den sie lebendig in eine Grube warfen und dann mit Steinen und Erde verschütteten. Ähnlich, wie einst die Söhne Jakobs ihren Bruder Joseph in eine Zisterne geworfen. Im Martyrer führt Jesus Sein Leiden und Sterben in der vollkommensten Weise fort. In Vitalis, dem Stationsheiligen, nimmt die Kirche an den Leiden und Ver demütigungen, an der Verwerfung und am Kreuze des Herrn Anteil. Sie ist wes~nhaft Martyrin und teilt den Weg des Herrn. Sie läßt sich von derWelt hassen, verleumden, lästern, kreuzigen, Gerade dadurch beweist sie, daß sie zu Christus ge-

9'"

132 11. Die Fastenzeit: Zweite Woche,

hört, Seine Braut, Seine wahre Kirche ist. Auch von ihr gilt das Wort des Psalmisten, das sich am ägyptischen J oseph ebenso wie am Heiland erfÜllt hat:

"Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden,"

In Vitalis wählen auch wir heute in der Mitfeier der heiligen Messe den \Veg der Leidensgemeinschaft mit Christus. Wir wollen in der heiligen vVandlung mitgekreuzigt und mitgeopfert werden. In der heiligen Kommunion empfangen wir die Martyrerweihe und die Glut der Martyrerliebe, um standhaft und treu den Weg des Kreuzes mit Ihm zu teilen: mit J esus gehaßt, verleumdet, gedemütigt, zertreten. "Wenn ihr Leiden zu erdulden habt, obschon ihr recht tut: das ist Gnade bei Gott. Denn dazu seid ihr ja berufen" (I Petr. 2, 20).

Zur Leidensgemeinschaft mit dem Herrn sind wir berufen. Sie haben wir in der heiligen Taufe gewählt. Sie wählen wir in jeder heiligen Messe und Kommunion neu. Jetzt die Teilnahme am Leiden des Herrn. Jetzt ringen und beten wir: "Ich schrie zum Herrn in meiner Not" (Graduale). Jetzt der Karfreitag. Aber jenseits des Karfreitags steigt der Tag der Erhöhung herauf: "Und Er erhörte mich" (Graduale). "Ich aber werde in Gerechtigkeit vor Dir erscheinen, des GlÜckes voll, wenn Deine Herrlichkeit sich offenbart" (im Tode, im Weltgerichte, in der Auferstehung des Fleisches: Introitus). "Du, Herr, wirst uns auf ewig bewahren und behüten vor diesem Geschlechte" (Communio): daß wir in der Kraft der heiligen Kommunion der Leidensgemeinschaft mit Dir treu bleiben und so auch zur Gemeinschaft der Herrlichkeit mit Dir gelangen.

Ja, treu zum Herrn, zum leidenden, zum gekreuzigten Herrn! Armes Volk Israel! Es ist von seinem Herrn abgefallen. "Darum sage Ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volke gegeben, das gute Früchte bringt. Wer auf diesen Stein fällt, wird zerschmettert werden, und auf wen

Samstag: Umkehr.

133

er fällt, den wird er zermalmen" (Evangelium). Wer an dem leidenden, erniedrigten Herrn, an der erniedrigten, gehaßten Kirche Christi Ärgernis nimmt, wird zerschmettert werden.

"Mein Volk, was habe Ich dir getan? Womit dir wehe getan? Weil Ich dich aus dem Lande Ägypten geführt, hältst du für deinen Heiland das Kreuz bereit! Als Meinen schönsten Weinberg pflanzte Ich dich, und so bitter wurdest du Mir. Mit Essig stillst du Meinen Durst, und mit einer Lanze durchbohrst du deinem Heiland die Brust. Ich war's, der dich aus Ägypten geführt, der vor dir das Rote Meer aufgetan, der dich mit Manna nährte in der Wüste und dir aus dem Felsen die Wasser des Heils zu trinken gab. Und du führst Mich zur Geißelung, Und du verrätst Mich an die Hohenpriester. Und du tust Mir mit einer Lanze die Brust auf, gibst Mir Backenstreiche und Geißelhiebe und gibst Mir Galle und Essig zu trinken. Mein Volk, was habe Ich dir getan? Womit dich betrübt? Antworte Mir!"

Ge be t.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, gib, daß wir, in heiligem Fasten geläutert, durch Dich mit reinem Herzen zu den kommenden Festen gelangen dürfen.

Wir bitten Dich, Herr, gib Deinem Volke Gesundheit an Leib und Seele, damit es durch Eifer in guten Werken verdiene, allezeit in der Obhut Deines mächtigen Schutzes zu weilen. Durch Christus unsern Herrn, Amen.

"Ich aber werde in Gerechtigkeit vor Dir erscheinen, des Glückes voll, wenn Deine Herrlichkeit sich offenbart" im seligen Ostern (Introitus). "Fiat - Es geschehe." Amen.

Samstag nach dem zweiten Fastensonntag.

Umkehr.

1. Die Stationsheiligen Petrus und Marcellinus erinnern an die beiden Brüder Esau und Jakob des

134 11. Die Fastenzeit: Zweite Woche,

Alten Testamentes und an die zwei BrÜder des Evangeliums vom verlorenen Sohn, Jakob und Esau ,telIen uns das Geheimnis unserer Auserwählung und Berufung zu Christus und zur Kirche, der verlorene Sohn unsere Berufung zur Buße und Bekehrung vor Augen. "Das Gesetz des Herrn ist ohne Fehl, es wandelt die Seelen, Die Himmel künden Gottes Herrltchkeit, und Seiner Hände Werk (Gottes Gnadenwirken) rühmt das Himmelszelt" (Introitus).

2. Jak 0 b, der j ü n ger e So h n, wird in geheimnisvoller Auserwählung dem erstgeborenen Bruder Esau vorgezogen. Er erhält den großen Segen des sterbenden Vaters, des Isaalc "Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde. Völker sollen dir dienstbar sein. Wer dir flucht, der sei verflucht, und wer dich segnet, der erhalte die Fülle des Segens." In Jakob ist die aus den Heiden gesammelte Kirche, sin-l wir gemeint. Wir, die Heiden, sind vollkommen ohne unser Verdienst, all unserer Unwürdigkeit zum Trotz, in geheimnisvoller Auserwählung dem Volk Israel, dem Erstgeborenen vorgezogen worden. Wir haben den großen Segen erhalten: Christus und Sein Hei!. "Den Jakob liebte Ich, spricht der Herr, dem Esau gehörte Meine Liebe nicht" (Röm. 9,13). "Was sollen wir dazu sagen? Gibt es bei Gott Ungerechtigkeit? Nimmermehr. Denn zu Moses sagt Er: ,Wessen Ich Mich erbarme, dem schenke Ich Erbarmen, und mit wem Ich Mitleid habe, dem erzeige Ich Mitleid.' Demnach ist nicht das Wollen oder das Laufen (des Menschen) entscheidend, sondern Gottes Erbarmen. Also erbarmt Er sich, wessen Er will, und läßt verstockt sein, wen Er will" (Röm. 9,14 ff.) .. Reines Erbarmen Gottes an uns! Ohne unser Verdienst hat Er uns geliebt und uns Seine Barmherzigkeit erwiesen. Warum mußte der Erstgeborene, das Volk Israel, verworfen werden? Warum mußte das Heil von Israel weg zu den Heiden wandern? Warum hat Gott gerade uns, mich gerufen und so viele andere,

Samstag: Umkehr.

135

die besser sind als wir, sich selbst Überlassen? "Wie unerforschlich sind Seine Ratschlüsse, wie unergrÜndlich Seine Wege! Wer gibt Ihm zuerst etwas, daß Er es ihm vergelten müßte?" (Röm. II, 33·) Wie kommt es, daß "zwei auf dem Felde arbeiten: der eine wird aufgenommen, der andere bleibt zurÜck"? Wie kommt es, daß "zwei auf der Mühle mahlen: die eine wird (in das Reich Gottes) aufgenommen, die andere bleibt zurück"? (Matth. 24,40.) Wie kommt es, daß der eine das Licht hat und in sich geht, der andere nicht? Wer es hat, dem ist es gegeben, in einer unendltch liebevollen und ebenso unendlich geheimnisvollen Auserwählung des einen vor dem andern, dem Jakob vor dem erstgeborenen Esau, Staunend, dankend bekennt die Liturgie: "Gut ist's, den Herrn zu preisen und Deines Namens Lw zu singen, Allerhöchster. Schon frÜh am Morgen Dein Erbarmen zu verkünden und Deine Treue (Güte) in der Nacht (wenn es noch Nacht ist)" (Graduale). Haben wir es schon bedacht? Haben wir gestaunt? Gedankt? "Was hast du, das du nicht empfangen hast?" (I Kor. 4, 7-)

Wie haben wir die Liebe des Vaters be a n t w 0 r t e t? Wie haben wir unserer Auserwählung entsprochen? Die Antwort darauf gibt uns das Evangelium. Wieder sind wir der jÜngere Sohn, der zum Vater kommt und ihn bittet: "Vater, gib mir meinen Vermögensanteil, der mir zukommt." Nach einigen Tagen nimmt er seine ganze Habe und zieht in ein fernes Land, fort vom Vater. Dort verschwendet er sein Vermögen in einem ausschweifenden Leben. Es entsteht eine Hungersnot. Dem Armen geht es schlecht. Er verdingt sich an einen Bürger jenes Landes. Er wird auf das Landgut geschickt, die Schweine zu hÜten. Er leidet Hunger. Da kommt er zu sich. "Wie viele Taglöhner Meines Vaters haben. Brot im Überfluß, ich aber sterbe hier vor Hunger. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und sagen: Vater, ich habe gesündigt

136 Ir. Die Fastenzeit: Zweite Woche.

gegen den Himmel und vor dir: ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen." Und er macht sich auf und geht zum Vater. Der Vater erkennt den heimkehrenden Sohn schon von weitem. Er ist von Mitleid gerührt, eilt ihm entgegen, umarmt und küßt ihn. Reumütig fällt der Sohn dem Vater zu Füßen:

"Vater, ich habe gesündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen." Der Vater verzeiht. Er befiehlt seinen Knechten: "Bringt geschwind das beste Kleid und legt es ihm an; gebt ihm einen Ring an die Hand und Schuhe an seine FÜße. Schlachtet das Mastkalb : wir wollen ein fröhliches Mahl halten, denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist wieder gefunden." Alles lebendige, traurige Wirklichkeit und Gegenwart! Die Geschichte der Kirche; die Geschichte unserer eigenen Verirrung. Und ein eindringlicher Ruf zur Umkehr, zur Bufie, zum Bekenntnis: "Vater, ich habe gesündigt." Die Bufie allein kann uns retten! Dem BÜßenden kommt der Vater erbarmend entgegen. Die Sünde und die ewige Strafe wird nachgelassen, die guten Werke, die wir vor der Sünde getan, und die Verdienste, die wir durch die Sünde verloren hatten, leben. wieder auf. Der Vater nimmt uns wieder zu Seinen Kindern an und hält mit uns das Freudenmahl der heiligen Kommunion (Osterkommunion),

3· Gottes Liebe und Erbarmen auf der einen, unser Abfall und unsere Untreue auf der anderen Seite. MÜßte Er uns nicht ebenso verstoßen, wie Er Sein Volk Israel verworfen hat? Haben wir es nicht verdient? Und sieht es nicht vielfach so aus, als ob Gott das untreue Geschlecht unserer Tage seine eigenen Wege gehen lassen wollte? Wir hätten es verdient.

Was kann uns retten? Allein die Buße, die Einkehr und Umkehr. "Bekehret euch zu Mir, von ganzem Herzen, mit Fasten und V/einen und BuBtränen" (Capitulum der Terz). "Es verlasse der

Samstag' Umkehr,

I37

Böse seinen Weg und der Ungerechte lege seine Gedanken ab und kehre zum Herrn zurück. Er wird Erbarmen Üben, denn Er ist gern bereit zu verzeihen" (Capitulum der Sext). "Siehe, jetzt sind die Tage der Gnade, jetzt ist die Zeit des Heils" (Epistel des ersten Fastensonntags).

Was kann uns retten? Die Umkehr zum Gesetz und Gebot des Herrn. "Des Herrn Gesetz ist ohne Fehl. Es wandelt, es erquickt die Seelen" (Introitus), "Mach hell meine Augen (für Dein Gesetz), damit ich nicht sinke in Todesschlaf. Mein Feind (Satan, Welt, Fleisch, SÜnde) soll sich nicht rühmen dÜrfen: Bezwungen hab' ich ihn" (Offertorium).

Ge be t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, gib unserem Fasten heilsamen Erfolg, auf daß die von uns übernommene Abtötung des Fleisches sich umsetze in Lebenskraft für unsere Seelen.

BehÜte Deine Familie unablässig in Deiner Vatergüte. Sie findet ja die einzige StÜtze ihrer Hoffnung nur in der himmlischen Gnade. Darum möge sie allezeit unter Deinem Schutz in Sicherheit sein. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Die liturgische Meßfeier des dritten Faste n so n n tags.

1. Die heutige Feier hat zunächst die Katechutl)encn im Auge, d. h, diejenigen, welche ehedem (als Erwachsene) in der Osternacht die heilige Taufe empfangen sollten. Wir, die bereits Getauften, schließen uns ihnen an und erleben mit ihnen aufs neue das große Ereignis der heiligen Taufe, auf dem unser christliches Leben ruht. Wir ziehen in die Kirche des großen Martyrers Laurentius, unter dessen Schutz die Katechumenen am Sonntag Septuagesima gestellt worden sind. Heute wird an ihnen der erste Akt der Tauffeierlichkeit vorgenommen, die erstmalige' Teufelsaustreibung, Voll Sehnsucht nach der Befreiung aus der Hand Satans und voll Verlangen, sich auf die Seite Christi zu stellen, Christen zu sein, beten sie und beten wir, die bereits Getauften:

"Meine Augen schauen immerdar auf den Herrn (Christus), Er ist's, der meine FÜße aus der Schlinge (des Teufels) lösen wird." Sehnsuchtsvoll flehen wir mit den Katechumenen: "Schau her auf mich und hab mit mir Erbarmen" (Introitus), und fügen unser eindringl iches Kyrie eleison an. Mit der Oration bitten wir: "Schau herab auf das Flehen der Gebeugten und strecke die Rechte'Deiner Majestät zu unserem Schutze aus."

2. Was wollen die Katechumenen? Was streben sie an? Welches ist der Beruf und die Aufgabe der schon Getauften? Die Antwort darauf gibt die Epistcl. "Ahmet Gott nach als Seine vielgeliebten Kinder. Unzucht aber und jede Unreinigkeit und Geiz sollen unter euch nicht einmal genannt werden. Ihr waret einst Finsternis, nun aber seid ihr Licht im Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts." Das ist der Sinn

Diet liurgische Meßfeier des dritten Fastensonntags. 139 der heiligen Taufe, die wir empfangen. Ist's nicht dringend notwendig, daß wir heute an Hand der Epistel uns ernstlich auf unsere Gabe und Aufgabe besinnen und die Taufgesinnung in uns neu aufleben lassen, zu einem Leben, wie es die heiltge Taufe von uns fordert? Und darum flehen wir:

"Steh auf, 0 Herr, daß der .(alte) Mensch (in uns) nicht übermächtig werde, Zu Dir erhebe ich meine Augen. Erbarme Dich unser. Herr, erbarme Dich unser" (Graduale, Tractus). Gib Licht und Kraft! Der vom Teufel Geknechtete des Evangeliums sind die Täuflinge, sind wir selbst. Christus, der "Stärkere", drängt Satan, den "Starken". aus unserem Herzen hinaus und nimmt ihm seine ganze Waffenrüstung ab, so daß er keine Gewalt mehr über den Getauften hat. Vielmehr ist "das Reich Gottes", das Reich der Gnade und des übernatürlichen Heils in die Seele eingegangen. Aber damit ist noch nicht alles getan. Dem Gnadenwirken Christi am Getauften muß die treue Mitwirkung des Getauften zur Seite stehen. Daher die ernste Mahnung an die Täuflinge und an uns, die Getauften' "Wer nicht mit Mir ist, ist wider Mich." Christo gegenÜber gibt es keine Neutralität, keine Halbheit, keinen Zweiherrendienst, sondern nur ein entschiedenes: Entweder - Oder. Das ist die Aufgabe, die die heilige Taufe dem Täufling und dem Getauften stellt: Ungeteilt mit Christus sein: im Glauben an Sein Wort, in der Nachfolge Seines Beispiels, im Gehorsam gegen Sein Gebot. Wo einer nicht mit Christus ist, da ist er wider Ihn und treibt Ihn aus sein'em Herzen, Satan kehrt in diesen Menschen zurÜck, "nimmt noch sieben andere Geister mit sich: sie ziehen ein und wohnen daselbst, und die letzten Dinge dieses Menschen werden ärger ,sein als die ersten". Dankbar bejahen wir im Credo unsere Taufe und unsere Taufverpflichtungen, die Satzungen des Herrn (Christi), sÜßer als Honig (Offertorium).

3, Wir machen den Opfergang und stellen uns un-

140 Ir. Die Fastenzeit: Dritte Woche.

geteilt auf Christi Seite. "Wer nicht mit Mir ist, der ist wider Mich." Wie das Wassertröpfchen mit dem Wein im Kelch eins wird, so wollen wir mit Christus im heiligen Opfer eine Hostie werden, mit Ihm gekreuzigt der Sünde, der Welt und dem Weltgeist, mit Ihm geopfert, gottgeweiht im Denken, Streben, Tun und Lassen (heilige Wandlung), eine reine, heilige, makellose Opfergabe. Unser Mitopfern wird besiegelt durch die heilige Kommunion. Der "Stärkere" kommt in unser Herz und hält. mit Seiner Kraft den Starken in Schach. "Er streckt die Rechte Seiner Maj estät zu unserem Schutze aus" (Oratio). Wir sind in Christus geborgen. Wunderbare Frucht der heiligen Taufe und des heiligen Opfers! "Selig, die in Deinem Hause wohnen" (Communio), durch die Taufe, durch das Opfer und das heilige Opfermahl der heiligen Kommunion mit Christus verbunden, christuserfüllt ! Von Seinem Geiste neubelebt, legen wir heute mit der ganzen Glut des Herzens unser Taufgelöbnis ab: Mit Christus, fÜr Christus arbeiten wir, leiden wir, beten wir. "Meine Augen schauen immerdar auf den Herrn. Er ist's, der meine FÜße aus der Schlinge lösen wird" (Introitus), Durch den Kampf der Fastenzeit des Diesseits zum Licht der Verklärung in der Ewigkeit!

Dritter Fastensonntag.

Kin der des Li c h t e s.

1. Zum Gottesdienst versammeln wir uns am Grab des hL Laurentius, des Patrons der Täuflinge. Auf dem glühenden Rost reift er zur Verklärung heran. Sehnsüchtig schaut er nach ihr aus. So reinigen und läutern auch wir uns in der heiligen Fastenzeit und sehnen uns der Verklärung, dem lichten Ostermorgen entgegen. "Oculi mei sem per ad Dominum Meine Augen schauen immer auf zum Herrn" (Introitus). Wir flehen, daß Er an uns in dieser heiligen Fastenzeit das Werk der Läuterung und Er-

Sonntag: Kinder des Lichtes. 141

neuerung vollende, an uns und an allen Klllderll der heiligen Kirche,

2. "I n jen erZ e i t tri e b J e s u sei n e n T e ufe rau s, der stumm war. Als Er den Teufel ausgetrieben hatte, redete der Stumme, und das Volk wunderte sich" (Evangelium). In dem Heiligtum des hl. Laurentius wurden in früheren Zeiten an den Täuflingen die Teufelsaustreibungen vorgenommen. vVas das Evangelium berichtet, nahm der Herr einmal, in der Gnadenstunde unserer Taufe, an uns selber vor. In seinem Vertreter, dem Priester, trat Er an uns heran und gebot dem Teufel, der uns beim ersten Eintritt ins Leben in seine Gewalt bekommen· hatte: "Ich beschwöre dich, unreiner Geist, im Namen Gottes des allmächtigen Vaters und im Namen Jesu Christi, Seines Sohnes, unseres Herrn und Richters, und in der Kraft des Heiligen Geistes, daß du dieses Geschöpf Gottes verlassest, das unser Herr zu Seinem Tempel auserwählt hat: es soll ein Tempel des lebendigen Gottes sein, und der Heilige Geist soll in ihm wohnen." Der "Stärkere", Christus, hat den "Starken", Sfltan, überwunden und aus unserer Seele ausgetrieben. Wir sprachen mit ganzer Entschlossenheit unser: Ich widersage dem Satan, und nahmen fÜrs ganze Leben den Kampf gegen den Starken auf. Wir wurden Christo, dem Stärkeren, lebendig einverleibt und eingegliedert. Christi Kraft, die in Laurentius auf dem Rost gesiegt, ist auch in uns wirksam. So gingen wir auf den Kampfplatz des christlichen Lebens, zum Entscheidungskampf. "Wer nicht mit Mir ist, ist wider Mich," Wir stellten uns auf Christi Seite. Neutralität kann es da keine geben. Alle haben wir innere und äußere Kämpfe zu bestehen gehabt. Heute, in der Mitte der heiligen Fasten, schauen wir zurück. Wie weit sind wir unserem Taufeid treu geblieben? Hat Satan, die Finsternis, die SÜnde, an uns keinen Anteil gehabt? Gar keinen? Oder hat die heilige Liturgie nicht recht, wenn sie uns heute die Worte der Epistel

142 I!. Die Fastenzeit: Dritte Woche.

zur Erwägung vorlegt: "Unzucht aber und jede Unreinigkeit oder Geiz (Habsucht) sollte unter euch nicht einmal genannt werden, wie es sich für Heilige geziemt. Ebensowenig Schamlosigkeit, törichtes Gerede und Possen, die sich nicht schicken. Denn das wisset wohl und merket. Kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Geiziger hat Anteil am Reiche Christi und Gottes." So prüfen wir uns ernstlich, "Heute, wenn ihr Seine Stimme höret, verhärtet euere Herzen nicht" (Ps. 94, ~). Wehe uns, wenn der unreine Geist wiederkehrte und noch sieben andere mit sich brächte, die ärger sind als er. Die letzten Dinge wÜrden ärger sein als die ersten.

"I h r war e t ein s t F ins t ern i s, nun ab e r sei d ihr Li c h tim Her r n. Wandelt als Kinder des Lichtes. Die Frucht des Lichtes aber bestel;lt in lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Ahmet Gott nach als Seine vielgeliebten Kinder und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt und Sich für uns als Opfergabe hingegeben hat zum lieblichen Wohlgeruch" (Epistel), Kinder des Lichtes, die keine Finsternis mehr kennen. Kinder des Lichtes, die ständig im Lichte wandeln, d. i. im Aufblick zu Gott, in einem intensiven Glaubensleben, in ununterbrochenem Gebet und Lobpreis Gottes. Und die Frucht des Lichtes? Sie besteht in lauter GÜte gegenüber den andern, in lauter Gerechtigkeit, die immer tut, was recht ist, gegenüber Gott, gegenüber dem Nächsten, gegenÜber sich selbst; in lauter Wahrheit, die nichts gemein hat mit der Unaufrichtigkeit, Verstellung, Diplomatie der Welt, mit Gewundenheit, Ziererei, Unnatürlichkeit und Verstellung. Die Seele des christlichen Lebens aber ist die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Der Weg des Christen ist der Weg der Liebe. Jener Liebe, die vollkommen mit der SÜnde bricht, mit der Toosünde ebenso wie mit der geringsten bewußten, erkannten läßlichen Sünde oder Untreue; jener Liebe, die an sich keine freiwil1ige UI1\~ollkommellheit duldet; die

Sonntag: Kinder des Lichtes. 143

nichts anderes mehr kennt und sucht als das, was dem Vater lieb ist; die alles tut, was sie zu tun hat, und es vollkommen tut im Drang der Liebe zu Gott und Christus; jener Liebe, die verlangt, Gott und dem Heiland alles zu geben, die letzte Kraft, den letzten Tropfen Blutes; jener Liebe, die bereit ist, allen Leiden und DemÜtigungen sich zu unterwerfen, ja die das Leiden liebt und glÜcklich ist, für den Herrn etwas erdulden zu dÜrfen. "Wandelt in der Liebe." Und wir? Ich?

3, Kampf gegen den Starken, daß er nicht in seine Wohnung zurückkehre, aus der ihn der Stärkere vertrieben hat. Und Kampf um die Liebe, um die Frucht des Lichtes, um das Gutsein, um das Gerechtsein, um das Wahrsein in allem. Das ist unsere weitere Fastenarbeit. Aus uns leisten wir sie nicht. Darum erheben wir die Augen zum Herrn und beten: "Sieh, wie der Knechte Augen auf die Hand des Herrn, und wie der Magd Augen auf der Herrin Hand, so blicken unsere Augen auf zum Herrn, unserem Gott, bis Er sich unser erbarme, Erbarme Dich unser, o Herr, erbarme Dich unser" (Tractus). Voll Vertrauen wenden wir uns mit der heiligen Kirche an Ihn. "Oculi mei semper ad Dominum - Meine Augen schauen immer auf zum Herrn; Er ist's, der meine Füße aus der Schlinge (des Feindes) lösen wird, Schau auf mich her und habe Erbarmen mit mir: ich bin so einsam und so arm" (Introitus).

Jetzt, heute, in der Mitfeier der heiligen Messe, nehmen wir den Kampf neu auf. Wir sprechen, wie einst am Tag der heiligen Taufe, unser: Ich widersage dem Satan, der Welt, dem Fleisch, der SÜnde, Wir gehen in den sich opfernden Herrn ein. In der hetligen Kommunion lassen wir uns neu und tiefer in Ihn einverleiben. In Seiner Kraft gehen wir den Weg de.s Kampfes gegen das Böse, des Kampfes um das Gute, um das Lichtkind in uns. Als Kinder des Lichtes gehen wir dem Osterlicht der ewigen Verklärung entgegen.

144 11. Die Fastenzeit: Dritte Woche,

"Selig, die das Wort Gottes hören und es befolgen" (Evangelium). Das ist der Weg des Lichtes und der Liebe. Nur der Liebe ist es ja eigen und möglich, das Gebot Gottes ganz zu erfüllen. Freudig antwortet die Liebe auf die Seligpreisung des Herrn:

"Des Herrn Gesetze sind gerecht, sie machen froh das Herz. Und Seine Satzungen sind sÜßer noch als Honig und Honigseim. Daher befolgt sie Dein Knecht" (Offertorium),

Ge be t.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, schau auf das Flehen der DemÜtigen und strecke die Rechte Deiner Maj estät zu unserm Schutze aus. Durch Christus unsern Herrn, Amen.

Montag nach dem dritten Fastensonntag.

Kin der des R e ich e s G 0 t t e s,

1. N aaman, der Offizier des König,s von Syrien, ein Heide, kommt zum Propheten Elisäus, unterwirft sich in Demut dessen Weisung, badet im Jordan und wird in Israel, d. i. in der Kirche, vom Aussatz gereinigt (Epistel). Während der Heide in Israel Heilung findet, verwerfen die Landsleute, die Einwohner von N azareth, den "Propheten", Christus, und suchen Ihn zu töte'n. Das auserwählte Volk verwirft das Heil, und wir, die Heiden, werden zum Heil, zu, Christus, berufen. Von diesen Gedanken erfüllt, kommen wir in die Kirche des heiligen Papstes Markus, hier das heilige Opfer zu feiern.

2. "E r kam inS ein E i gen t um, und die Seinen nahmen Ihn nicht auf" (JOh.I,II). Er kommt nach N azareth. Sie kennen Ihn gut. Seitdem Er Sein öffentliches Leben begonnen, haben sie von Seinen Wundern gehört, von Seinen Krankenheilungen im nahen Kapharnaum und in ganz Galiläa. Sie spötteln und witzeln Über Ihn und Seine Wunder. Warum tut Er die großen Dinge, die Er

Montag: Kinder des Reiches Gottes, 145

im nahen Kapharnaum gewirkt, nicht auch hier 111 Nazareth? Er aber sagt ihnen: "Wahrlich, Ich sage euch, kein Pwphet ist in seiner Heimat willkommen. Es gab viele Witwen in Israel zur Zeit des Elias, Aber zu keiner von ihnen ward Elias gesandt, als zur Witwe in Sarepta in der Landschaft Sidon. So gab es zur Zeit des Propheten in Israel viele Aussätzige. Aber keiner von ihnen wurde gereinigt außer Naaman, der Syrer," Sie verstanden die Anklage, die in diesen Worten liegt, und wurden voll Zorn, Sie stießen Ihn zur Stadt hinaus und führten Ihn an den Rand des Berges, auf dem N azareth gebaut ist, um Ihn hinabzustÜrzen. "Er aber schritt mitten durch sie hindurch und ging hinweg" (Evangelium). Israel, N azareth erkennt die Zeit der Gnade nicht, Es hat für Christus nur Unglauben, Spott, Haß und will Ihn aus dem Wege räumen. "Er aber ging hinweg." Wo Er nicht aufgenommen wird, da drängt Er sich und Seine Gnade nicht auf. Durch ihre eigene Schuld "werden die Kind~r des Rdches ausgestoßen" (Matth. 8,12). Wieder die ernste Mahnung der heiligen Liturgie, daß wir Christus und Seine Gnade, Seine Anregung zur Buße, zur Umkehr, zu einer guten Osterbeicht, zur wahren Bekehrung nicht von uns weisen. Es ist eine furchtbare Strafe, wenn "Er hinweggeht". Dahinter steht das die ganze Ewigkeit entscheidende Wort: "Ich kenne' euch nicht" (Matth. 25,12). Mit Gott, mit Christus, mit der Gnade läßt sich nicht scherzen.

"E s gab zur Z e i t des Pro p h e t e n EI i sä u s in Israel viele Aussätzige. Aber keiner von ihnen wurde gereinigt außer N aaman, der Syrer (der Heide)" (Evangelium), Das Reich Gottes, der Wahrheit, der Gnade, wandert vom Stolzen, Ungläubigen, Satten hinweg zu dem, der glaubt und nach dem Reiche Gottes verlangt. Naaman, der Heide, verlangt nach neuem, frischem, gesundem Leben. Er kommt vom fernen Damaskus nach Samaria. Er demÜtigt sich, unterwirft sich den Anord- 133m, W.r~. Lichtl I1, 10

146 11. Die Fastenzeit: Dritte Woche.

nungen des Elisäus und steigt in die Wasser des Jordan hinab. Glaube, Demut, Verlangen, Unterwerfung bringen ihm die Heilung vom Aussatz. "Es gab zur Zeit des Elisäus viele Aussätzige in IsraeL Aber keiner von ihnen wurde gereinigt." Die Heiden kommen und empfangen das Heil; Israel geht des Reiches Gottes und seiner Güter verlustig, Es wird uns, mir angeboten in der heiligen Kirche. Aber nur, wenn wir glauben, wenn wir uns demütig den Lehren und Geboten Christi und Seiner Kirche unterwerfen und nach Seinem Heile verlangen. \Nenn wir unserer Unwürdigkeit und Unfähigkeit bewußt uns hilfesuchend, vertrauensvoll an Ihn wenden:

"Erhör, 0 Gott, mein Beten, verschmähe nicht mein Flehen, Hab acht auf mich, erhöre mich" (Offertorium). "Erbarm Dich meiner, Herr, denn man zertritt mich, den ganzen Tag bedrängt mich der Gegner" (Graduale).

3, ~'ir sind heute in der heiligen Liturgie der Heide N aaman. Wir eilen in der Feier der heiligen Messe zum großen Propheten Christus, Wir unterwerfen uns mit Glauben, Demut und Vertrauen Seinem Worte, Seinem Wirken und Seiner Gnade, mit der Er in der heiligen Kommunion bei uns Einkehr hält. "Wer Mein Fleisch ißt und Mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben. Er bleibt in Mir und Ich in Ihm" (Joh, 6, 54 56). "In Gott will ich mich rühmen ob (di:cser Seiner) Verheißung, im Herrn mich rühmen ob Seines Wortes: "Wie Mich der lebendige Vater gesandt hat und Ich durch den Vater lebe, so wird auch der, welcher l\Iich ißt, durch Mich leben" (loh. 6, 57). "Ich vertraue auf Gott und fürchte Mich nicht. Was könnte auch der Mensch mir antun?" (Introitus), nachdem in der Kraft der heiligen Taufe und Kommunion Christus in mir lebt das Haupt in Seinem Gliede? "Ich kann alles' (PhiL 4, 13)·

Was wir heute bei Christus in Seiner Kirch( finden, ist ja alles nur der Anfang. Das volle Hei'

Montag: Kinder des Reiches Gottes, 147

wartet unser im anderen Leben, im wahren Ostern, N ach diesem schauen wir in der Communio aus:

"Wenn einst der Herr die Knechtschaft Seines Volkes wenden wird, da wird sich Jakob freuen und Israel frohlocken." "ln Gott will ich mich rühmen ob Seiner Verheißung." "Ich erwarte die Auferstehung von den Toten und das ewige Leben." Nur muß ich zum großen Propheten nach dem Lande Israel kommen, zu Christus in Seiner Kirche im heiligen Opfer und Opfermahl.

"Wer zu stehen vermeint, sehe zu, daß er nicht falle" (I Kor. IO, 12). Konnte das auserwählte Volk des Heiles verlustig gehen, warum sollte das nicht auch uns passieren können ? Was schützt vor diesem Unglück? Die Demut. Di~ Unterwerfung unter Christus und Seine Kirche. Der Glaube. Christus, das Göttliche, die Gnade will mit Glaube und Ehrfurcht behandelt sein.

Das Reich Gottes wird dem Volke Israel genommen und "einem Volke gegeben, das die Früchte desselben hervorbringt" (Matth. 21, 43). "Ich habe euch (in der heiligen Taufe, Profeß, Priesterweihe) auserwählt, auf daß ihr Früchte bringt" (Joh. 15,16). Haben wir die Früchte gebracht, die der Herr von uns erwarten konnte und erwarten mußte?

Ge b e t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, gieße huldvoll Deine Gnade in unsere Herzen, damit wir ebenso, wie wir uns von Speisen fÜr den Leib enthalten, auch unsere Sinne von verderblicher Ausgelassenheit zurückhalten,

Deine Barmherzigkeit, 0 Herr, komme uns zu Hilfe; so werden wir aus den Gefahren, die wegen unserer SÜnden uns drohen, durch Deinen Schutz entrissen und durch Deine befreiende Hand errettet, Durch Christus unsern Herrn. Amen.

10'

I48 Ir. Die Fastenzeit: Dritte Woche,

Dienstag nach dem dritten Fastensonntag.

Das ö I der G n ade.

1. Das Opfer der heiligen Messe wird heute im Hause der heiligen Jungfrau Pudentiana gefeiert, an der Stätte, an der Petrus in Rom gelebt und gewirkt hat. Pudentiana, die Jungfrau, trägt den ölkrug der barmherzigen Liebe in der Hand. "Sie hatte zahllose PrÜfungen überstanden, hatte einer großen Zahl heiliger Blutzeugen ein ehrenvolles Begräbnis bereitet und hatte ihr gesamtes Vermögen aus Liebe zu Christus unter die Armen verteilt. So stieg sie von der Erde zum Himmel empor" (Mar· tyrologium),

2. "I n jen e n Tag e n r i e f ein e Fra u dem Propheten Elisäus zu: Mein Mann ist gestorben, Nun kommt der Gläubiger und nimmt mir meine zwei Söhne weg, um sie zu seinen Sklaven zu machen, Elisäus fragt sie: Was hast du in deinem Hause? Sie antwortet: Nichts als ein wenig öl. Elisäus befiehlt ihr: Geh hin und laB dir von allen N achbarinnen leere Gefäße leihen, und zwar nicht wenige, Alsdann geh in dein Haus, verschließe die TÜre, wenn du mit deinen Söhnen drin bist, und gieße aus jenem Gefäß in alle diese ein. Wenn sie voll sind, nimm sie weg. Die Frau tut so. Nun hat sie öl im Überfluß. Der Prophet befiehlt ihr: Geh hin, verkaufe das öl und bezahle deinen Gläubiger: von dem Übrigen möget ihr leben, du und deine Söhne" (Epistel). Sieh da ein Bild des Segens, den unsere Fastenarbeit uns bringt. Die Witwe ist die heilige Kirche. Seit den Tagen, da ihr Bräutigam in der Himmelfahrt von ihr geschieden ist, wird sie verfolgt. Der Gläubiger, Satan, will ihr die Kinder, die sie in der heiligen Taufe geboren hat, wegnehmen und demVerderben preisgeben. Sie aber wendet sich an den Propheten, an Christus, und erwirkt von ihm Hilfe. In der heiligen Fastenzeit gießt Er in reichstem Maße das öl der Verzeihung und der Gnade

Dienstag: Das 01 der Gnade. 149

über die Kinder der Kirche aus. Jetzt ist die Zeit der Gnade. Jetzt löst Er die Bande der Schuldverhaftung (Taufe und Bußsakrament). Jetzt rufen wir nicht umsonst zum Himmel: "Ich schrei' zu Dir, 0 Gott, denn Du erhörest mich. 0 neig Dein Ohr, erhöre meine Bitte. BehÜte mich, 0 Herr, wie Deinen Augenstern, im Schatten Deiner FlÜgel schirme mich" (Introitus). "Herr, mach mich rein von meinen unbewußten SÜnden, halt fremde Schuld von Deinem Knechte fern" (Graduale). Jetzt werden wir erhört und finden wir Verzeihung,

"Wahrlich, Ich sage euch (den Apos tel n): Was immer ihr auf Erden binden werdet, wird auch im Himmel gebunden sein. Und was immer ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöset sein" (Evangelium). In dem Haus der Puden~iana ist uns Petrus nahe. Ihm und den übrigen Aposteln hat der Herr die Gewalt, zu binden und zu lösen, verliehen. Wir haben Petrus. Wir können zu Petrus, zur Kirche kommen. Hier finden wir den sicheren Nachlaß unserer SÜnden. Der Gläubiger, Satan, hat dann auf uns kein Recht mehr. Die Kirche hat die Gewalt, durch ihr Priestertum jede, auch die schwerste Schuld von uns zu nehmen. Was sie löst, ist auch im Himmel, vor Gott, gelöst, "Welchen ihr die SÜnden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen" (Joh. 20. 22), im heiligen Sakrament der Buße. Wir brauchen nur zu Petrus, zur Kirche zu kommen, und reumÜtig, demÜtig unsere Schuld zu bekennen. Dann ergeht Über uns das Wort der Verzeihung, das alle unsere Schuld und Strafe von uns nimmt, das Wort: "Ich spreche dich von deinen Sünden los." Da erfahren wir es an uns: "Die Rechte des Herrn wirkt Wunder, die Rechte des Herrn hat mich erhöht. Ich sterbe nicht (gehe nicht verloren), ich werde leben und werde kÜnden die Werke des Herrn" (Offertorium), Die heilige Fastenzeit ist uns ein dringlicher Ruf zur

150 Ir. Die Fastenzeit: Dritte Woche.

Buße, zum guten, würdigen Empfang des heiligen Bußsakramentes.

3· Die Kirche betet für ihre Kinder. Ihr Gebet ist wirksam. ,,\\Tenn zwei von euch auf Erden einmütig um irgend eine Sache bitten, so wird sie ihnen von Meinem Vater im Himmel gegeben werden. Denn wo zwei oder drei in Meinem N amen versammelt sind, da bin Ich mitten unter ihnen" (Evangelium). Der Herr selber, der große Beter und Anbeter Christus, betet in und mit Seiner Kirche.

"Die Rechte des Herrn wirkt Wunder, die Rechte des Herrn hat mich erhöht. Ich sterbe nicht, ich werde Ieben und werde künden die vVerke des Hernn" (Offertorium): Wunder der Verzeihung und des- Erbarmens Gottes, in Seiner Kirche, an jenen, di'e ihrem Bruder von Herzen verzeihen. "Vergebet, so wird euch vergeben werden. Gebet, so wird euch gegeben werden: denn 'mit dem gleichen Maße, womit ihr messet, wird euch wiedergemessen werden" (Luk. 6, 37 38).

Wir kommen heute zur Feier des heiligen Opfers.

Wir bieten dem Vater Christus an, Seine Gebete, Sein Leiden und Sterben, Seinen Gehopsam, Seine Liebe, Sein heiligstes Herz. "Herr, mache uns rein von unsern Sünden." Wir erinnern uns aber der heiligen Ordnung, di'e der Vater gesetzt hat: Er verzeiht uns, wenn und soweit wir dem Bruder verzeihen. Und ebenso des Gebotes des Herrn im heutigen Evangelium: "Wenn dein Bruder wider dich gefehlt hat, so stelle ihn unter vier Augen zur Rede. Gibt er dir Gehör, so hast du seine Seele gewonnen." Das ist das Wichtige, daß du die Seele des Bruders gewinnest, gerade da, wo er dir wehe und unrecht getan.

Sei allezeit eine Pudentioana mit dem ölkrug der barmherzigen, helf.enden, gewinnenden Li'ebe!

Gebe t.

Allmächtiger, barmherziger Gott, erhöre uns und gewähre uns gnädig die Gnade heilsamer Enthaltsamkeit.

Mittwoch: Gottes Gebote.

I 5 I

Schirme uns, Herr, durch Deinen Beistand und bewahre uns stets vor aller Bosheit. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Mittwoch nach dem dritten Fastensonntag.

Gottes Gebote.

I. Mit den Täuflingen nehmen wir heute am Grabe des heiligen Papstes und Martyrers Sixtus II. (gemartert 258) die Zehn Gebote entgegen, deren Text in der altell Kirche heute den Täuflingen zum Erwägen und Auswendiglernen übergeben wurde.

2. Wir s i n d i m Gei s t e a m S i n a i.

Donnerschläge, Blitze, Posaunenschall, der rauchende Berg künden die Nähe des helligen Gottes. Mit Israel sind wir von Furcht ergriffen. "So spricht der Herr: Ehre deinen Vater und deine Mutter ... , Du sollst nicht töten .... " "Die Furcht vor Ihm soll in euch sein, daß ihr nicht sündigt." "Macht euch keine Götzen aus Silber oder Gold. Erstellt vielmehr !llir einen Altar aus Erde" und bringet Mir auf ihm eure Opfer dar. Die Zehn Gebote, die wir in der Stunde der heiligen Taufe entgegennahmen und auf die wir den Taufschwur ablegten, sind nichts anderes als der Ausdruck des Willens Gottes, heilig, weise, unantastbar wie Gott selbst, geboren aus der Güte, Weisheit, Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes. Kann es für uns etwas Besserys, Vernünftigeres, Heiligeres, Wichtigeres und Beglückenderes geben als den heiligen Willen, die Zehn Gebote Gottes? Wir haben in der heiligen Taufe die Gebote beschworen, da wir uns Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geiste zu eigen gaben. Wir erwählen heute wiederum den Weg Seiner Gebote. Sie bewegen sich um das "große Gebot": Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus allen deinen Kräften. U ud deinen Nächsten wie dich selbst."

Wie hab e n wir Go t te s Ge bot zu er f ü lI

I52 Ir. Die Fastenzeit: Dritte Woche.

I e n? Nicht wie die Schriftgelehrten und die Pharisäer des heutigen Evangeliums. Sie deuten Gottes unantastbares Gebot um, erfüllen es dem Scheine, dem Buchstaben nach, tun aber in Wirklichkeit ihren eigenen Willen unter der Maske des Gebotes Gottes. Sie "heben das Gebot Gottes um ihrer Überlieferungen willen auf" (Evangelium). Menschensatzungen setzen sie an die Stelle des Gebotes und \\Tillens Gottes. Da<; sei von uns, den Getauften, ferne! Wir ergreifen die Gebote Gottes mit heiliger Ehrfurcht, mit dem Glauben, daß in ihnen Gottes Wille sich ausspricht, mit dem Verlangen, ganz Seinen "Villen zu tun und anzunehmen, aus heiliger, aufrichtiger Liebe zu Gott, zu Christus, aus dem Beweggrund, weil Er es will, weil es Ihm so lieb ist. Das Gebot, der Wille Gottes, ist unsere Freude. "Meine Speise ist es, daß Ich den Willen dessen tue, der Mich gesandt hat" (Joh. 4, 34). In der heiligen Taufe sind wir dem eigenen Ich, dem Verlangen des alten Menschen, sich selber zu leiten, autonom zu sein, dem eigenen Willen und den eigenen Wünschen zu leben, gestorben: "Dein Wille geschehe!" "Ich bin gekommen (getauft), nicht meinenWillen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat" (Joh. 6, 38). Hier liegt der Kern des christlichen Lebens: tot dem eigenen Willen, vorbehaltlos, blind vertrauend dem heiligen Willen Gottes zu leben, in den heiligen Willen Gottes einzugehen, in allem, aus Lust am Willen Gottes, am Gebote Gottes, an der Führung, Schickung, Vorsehung Gottes! Denken, leben wir so?

3· Im Opfergang der heiligen Messe legen wir heute unser Herz, unsern Willen auf die Patene:

Wir wollen uns sterben, um im heiligen Willen Gottes aufzuerstehen und zu leben. "Herr, nimm mich mir und gib mich Dir." In der heiligen Kommunion durchdringt Er uns mit Seinem Geiste und mit Seiner Kraft, der nie einen eigenen Willen kannte, nie ell1e Zurücksetzung, Vernachlässigung

Donnerstag-: Der göttliche Arzt. 153

des Gebotes des Vaters: "Meine Speise ist es, daß Ich den Willen dessen tue, der Mich gesandt hat." Lebt Er dieses Sein Leben wirklich in uns weiter? Ist unser Leben, wie das Leben des Herrn, ein vollkommenes Mitwollen dessen, was dem Vater lieb ist? (Joh. 8, 29.) Das muß doch die natürliche Frucht der Teilnahme am heiligen Opfer und des Empfanges der heiligen Kommunion sein.

Es fehlt uns Christen an der Ehrfurcht vor Gott, dem Göttlichen, dem Gebote, den Anordnungen Gottes. Wir halten nicht viel darauf, wir behandeln Gottes Gebote ehrfurchtslos, übertreten sie, leichtsinnig. Hier liegen die Anfänge der Sünde und des Verderbens, das mit der Sünde über die Seele, die Familie, die Gemeinschaft kommt. "Erbarm Dich meiner, Herr" (Graduale). "Herr, laß mir Dein Erbarmen widerfahren um Deines Namens willen" (Offertorium), jetzt, in der Feier der heiligen Messe.

Tu mir, wenn Du in der heiligen Kommunion zu mir gekommen, "des Lebens Wege kund. Erfülle mich mit Deines Angesichtes (Deiner Gerechtigkeit) Wonne" (Communio), jetzt auf Erden, vollkommen dereinst im Himmel.

Ge be t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, gib, daß wir, geschult in heilsamem Fasten, uns auch von schädlichen Leidenschaften freihalten und so Dein Erbarmen leichter erlangen.

Allmächtiger Gott, wir verlangen nach Deinem gnädigen Beistand und bitten, gewäh're, daß wir, von allem Bösen befreit, Dir freudigen Herzens dienen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Donnerstag nach dem dritten Fastensonntag.

Der göttliche Arzt.

I. Mit t fa s te n. Am Grab der heiligen Ärzte Kosmas und Damian erfleht uns die besorgte Mutter

154 TI. Die Fastenzeit: Dritte Woche.

Kirche von Gott die Kraft, die zweite Hälfte der Fasten mit ungebrochenem tllut und standhafter Treue zu heiligen.

2. J e s u s kom m tin das Hau s des S i mon Pet r u s. "Die Schwiegermutter des Petrus lag an einem heftigen Fieber darnieder. und man bat Ihn für sie. Er trat zu ihr heran, gebot dem Fieber, und es verließ sie. Sogleich stand sie auf und diente Ihm" (Evangelium). Das ist ja der Drang Seines liebenden Herzens, zu heilen. "Heiland" ist Sein Name, Sein Wesen. Die Fieberkranke sind wir. "Unser Fieber ist die Habsucht, die Wollust, der Ehrgeiz, die Reizbarkeit", deutet der hl. Ambrosius unser Evangelium. Wir sind krank und bekennen in Demut unsere vielen Gebrechen, Schwächen, Fehler aller Art. Nur Er kann uns heilen. Wir eilen zu Ihm, jetzt in der heiligen Meßfeier, im Empfang der heiligen Kommunion, im heiligen Sakrament der Buße, in Akten der Reue, in Werken der SÜhne, im Flehen um Seine Hilfe. "Aller Augen warten auf Dich, 0 Herr, und Du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit. Du öffnest Deme Hand und erfüllest alles, was lebt, mit Segen" (Graduale). Du bist der Heiland. Du kommst in dies~r heiligen Fastenzeit, Du kommst heute in der heiligen Wandlung und Kommunion, um Deiner Kirche, um uns Heiland zu sein. "Aller Augen· warten auf Dich." "Denn kein anderer Name unter dem Himmel ist den Menschen gegeben worden, durch den wir das Heil erlangen sollen" (Apg. 4, 12). "Des Volkes Heil bin Ich, spricht der Herr. In j euer Not, in der sie zu Mir rufen, will Ich sie erhören: Ich will ihr Herr (Heiland) sein eWiglich" (Introitus).

"Im Haus des Petrus" wirkt der göttliche Arzt Seine Werke, d. i. in der heiligen Kirche. "Hört das Wort des Herrn, ihr alle aus Juda, die ihr durch diese Tore (durch die heilige Taufe in das Haus der Kirche) eintretet, um den Herrn anzubeten: an dieser Stätte (in der Gemeinschaft uer

Donnerstag: Der göttliche Arzt. 155

heiligen Kirche, im Haus des Petrus). will Ich bei euch wohnen" (Epistel). Je mehr ~r in die Gemeinschaft des Glaubens der Kirche, des Gehorsams gegen sie, der Unterwerfung unter ihre Autorität, in die Gemeinschaft ihres Opfers und ihrer Sakramente eingehen, um so näher kommt uns der Heiland. Die Stellungnahme zu der heiligen Kirche, dem Leibe Christi, entscheidet. Hier, in der Gemeinschaft der heiligen Kirche, finden wir, nachdem "die Sonne untergegangen ist" (d. i. nachdem der Herr für uns in den Tod gegangen und uns in Seinem Sterben die Erlösung erwirkt hat), alles Heil. "Des Volkes Heil bin Ich." "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben."

3. Jesus, unser Heiland, im Hause des Simon Petrus, d. i. in Seiner heiligen Kirche. "Selig, die in Deinem Hause wohnen" (Ps. 83, 5). Wir beherzigen ernstlich das Wort der Epistel: "Befleißiget euch eines guten Wandels und guter Gesinnung. \,venn ihr euch bemüht, einen guten Wandel zu führen und recht zu handeln, wenn ihr Gerechtigkeit übt gegeneinander, Fremdlinge, Waisen und Witwen nicht bedrückt; wenn ihr fremden Göttern nicht nachlauft, dann will Ich bei euch wohnen an dieser Stätte" (in der Gemeinschaft der heiligen Kirche). "Verlaßt euch nicht auf Lügenworte und saget nicht: Der' Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn": "Ich bin katholisch." Gott verlangt mehr als nur einen Taufschein, ein Abzeichen. Gott verlangt eine heilige Gesinnung und einen heiligen Wandel in der Gemeinschaft der heiligen Kirche! Dann ist Er "des Volkes Heil" und will uns erhören, wenn wir zu Ihm rufen.

Was hat es sich der Sohn Gottes kosten lassen, uns Menschen Heiland zu werden? Was sagt uns die Menschwerdung? Seine Armut, Seine Schmach. und Erniedrigung? Wie viel haben sie Ihn verleumdet und verleumden sie Ihn durch die J ahrhunderte, auch heute! Wie viel Undank hat Er von

156 I r. Die Fastenzeit: Dritte Woche.

Seinem Volke geerntet, da es dem Pilatus zurief:

"Ans Kreuz mit ihm!" Was sagt uns der ölgarten, die Geißelsäule, die Dornenkrone, das Zepter, das Ihm die rohen Soldaten in die Hand gegeben, der Kreuzweg, die Kreuzigung, der Tod am Kreuze? Das alles, um uns, um mir Heiland, Erlöser sein zu können. Wie muß ich Ihm danken!

Die heutige heilige Messe soll uns vornehmlich ein Opfer des Dankes an den Vater sein, der "die Welt so sehr geliebt, daß Er für sie Seinen eingeborenen Sohn dahingab" (Joh. 3, 16), uns zum Heiland gab! In der heiligen Kommunion schließen wir uns heute mit neuem Glauben an J esus, uns ern Heiland, an. "Du hast befohlen, treu Deine Gebote zu beobachten." Unser Programm: "Auf die Beobachtung Deiner Gebote sei mein Wandel stets gerichtet" (Communio), in der Kraft der heiligen Kommunion.

Ge be t.

Es verherrliche Dich, 0 Herr, das Gedenkfest der Beseligung Deiner Heiligen Kosmas und Damian, bei der Du ihnen die ewige Glorie, uns aber in unaussprechlicher Vorsehung Hilfe gewährt hast.

Die erlösende Kraft Deines Sakramentes (des heiligen Opfers und Opfermahles), 0 Herr, sei uns gewiß: sie wird ja erfleht in Gemeinschaft mit den Verdiensten Deiner heiligen Martyrer Kosmas und Damian.

Wir bitten, 0 Herr, himmlisches Erbarmen lasse Dein unterwürfiges Volk erstarken und mache es allezeit dienstbar Deinen Geboten. Durch Chri.stus unsern Herrn. Amen.

Freitag nach dem dritten Fastensonntag.

Der Fe I s in der' W ü s t e.

1. Wieder sind wir in einem Heiligtum des hl. Laurentius, des Patrons und Vorbildes der Täuflinge. Inder Nähe der Kirche steht, im alten Rom,

Freitag: Der Fels in der Wüste. 157

ein öffentlicher Brunnen. Er wird heute der heiligen Liturgie ein Hinweis auf das Wasser der heiligen Taufe, das "ins ewige Leben fortströmt". Wir vereinigen uns mit den Täuflingen und lassen die Gnade der heiligen Taufe in uns aufleben.

2. Mo ses sc h I ä g t Was s e rau s dem Fe 1- sen (Epistel) und rettet dadurch das Volk Israel in der Wüste vor dem Tode. Ein Bild! Der Fels ist Christus (I Kor. TO, 4). Der Stab, mit dem Moses den Felsen schlägt, ist das heilige Kreuz, an das Christus geschlagen wird. Das Wasser aus dem· Felsen sind die heiligen Sakramente, durch die uns, wie durch Kanäle, die Gnade zugeleitet wird. Zuerst die Gnade der heiligen Taufe, welche die T~uf· linge sehnsüchtig erwarten. Die Taufe rettet uns vor dem Untergang, so wie das Wasser aus dem Felsen das Volk Israel vor dem Tode des Verschmachtens bewahrt und ihm die Kraft gibt, den Weg durch die Wüste fortzusetzen und zu vollenden. In der Kraft der heiligen Taufe pilgern wir, das neue Israel, auf dem Wüstenweg des Erdenlebens dem gelobten Lande entgegen, geführt und beschützt von der Licht- und Wolkensäule der liebenden Vorsehung Gottes. Christus, der Fels, begleitet uns. Immer und immer dürfen wir aus dem Felsen die lebendigen Wasser der Gnade trinken, die Christus uns in Seinem Leiden und Sterben verdient hat: im Opfer der heiligen Messe, im Empfang der heiligen Kommunion und des Bußsakramentes, beim Tabernakel. Aus Seinem mit Geißeln geschlagenen, mit grausamen Nägeln durchbohrten Leibe; aus Seinen klaffenden Wunden; aus dem von der Lanze weit geöffneten Herzen strömen unaufhörlich die Sakramente des Wassers (Taufe) und des Blutes (Eucharistie). Ohne diese Wasser aus dem Felsen in der Wüste Tod und Untergang. "Wer (aber) von dem Wasser trinkt, das Ich ihm geben werde, den wird in Ewigkeit nicht dürsten" (Evangelium). Kostbare Verheißung! In der heiligen

158 Ir. Die Fastenzeit: Dritte Woche.

Taufe sind wir erstmals dem Fels in der Wüste begegnet und haben aus ihm zu trinken bekommen. Wasser des Heils! Wir glauben, wir danken. Wir schreiben das Bild vom Felsen in der Wüste, wie die Christen der Katakomben es getan, tief in unsern Geist und in unser Herz hinein.

J e s u s e r k I ä r t das Geh e i m n i s des W a sse r s, welches das ewige Leben gibt (Evangelium). Der Herr setzt sich, vom anstrengenden Suchen nach Seelen ermattet, am Jakobsbrunnen bei Sichar nieder. Er wartet auf die Samariter in, die Sünder in. Er bietet ihr vom Wasser an, das Er geben wird. Wer davon trinkt, den dürstet nicht mehr. Es ist ein Wasser, welches das ewige Leben verleiht. Unvermerkt, mit der ganzen Zartheit Seines Herzens, tränkt Er die Seele der Samariterin mit diesem lebendigen und lebenspendenden 'vVasser und macht aus der Sünder in eine Jüngerin, eine Apostolin. Die Frau läßt den Krug, mit dem sie gekommen war, um aus dem Brunnen Wasser zu schopfen, stehen: sie vergißt das bloß natürliche, irdische Wasser: nachdem sie vom lebendigen Wasser, das der Herr ihr gegeben, getrunken hat, hat es für sie keinen Wert mehr. Eine neue Welt ist ihr aufgegangen. Neue Ziele, neue Ideale, neue Impulse und Kräfte. Der neue Mensch, der mit der Sünde und mit dem bloß Irdischen gebrochen hat und mit dem Geiste Christi genährt ist! Wer ist die S~mariterin? Wir selber sind sie, die Täuflinge, und wir, die Getauften. Am Jakobsbrunnen, am Quell der heiligen Sakramente, im Tabernakel, wartet der Herr in Liebe auf uns Sünder, Unwürdige. Er will uns retten: durch die lebendigen Wasser, die Er uns gegeben und täglich zu geben bereit Ist! Er gibt uns davon zu trinken. Mit der Samariter in lassen wir den Krug stehen, mit dem wir gekommen, den alten Menschen mit seinen Anschauungen, Zielen, Motiven. Für uns hat nur noch eines einen Wert: das Leben der Gnade, das J esus gibt, das Leben der

Freitag: Der Fels in der Wüste. 159

Gnade, der Gotteskindschaft, der christlichen Tugend, das Leben der heiligen Liebe zu Gott, zu Christus, zu den Seelen. Wir wollen Apostel Jesu sein, Seiner Lehre, Seiner Gnade! Wir wollen die Samariterin sein, die am Jakobsbrunnen Christus, das Leben gefunden hat und die nunmehr von Seinem Leben und Geiste lebt!

3. Jesus am Brunnen, am Quell der Gnade, jetzt in der Feier der heiligen Messe. Da wartet Er auf mich, um mich, die Samariterin, durch die Lesungen der Epistel und des Evangeliums, die Predigt zu belehren. Ich spreche mein Credo. Er wartet auf mich, um mich in dem hochheiligen Opfer zum Vater zu führen und mir die Gnaden, die er einmal im blutigen Opfer am Kreuze uns verdient hat, zuzuwenden, ja um mir sich selbst in der heiligen Kommunion zur Nahrung zu geben. Tief ergriffen singt die Communio: "Wer das Wasser trinkt, das Ich ihm geben werde, dem wird es zum Quell, der weiterströmt ins ewige Leben." Uns gibt Er es in der heiligen Kommunion zu trinken. Wir tragen in uns den Quell, der ins ewige Leben fortströmt, den lebendigen Quell der Gnade und des ewigen Lebens. "Wenn du die Gabe Gottes erkenntest!" Es fehlt uns das innere Licht. Wir sind viel zu wenig von der Anhänglichkeit an das Irdische, an das eigene Ich gereil11gt und losgelöst. Deshalb kann es in uns nicht licht werden. Deshalb haben Gnade, Gotteskindschaft, Einverleibung in Christus, ewiges Leben, heilige Kommunion uns so wenig zu sagen. \Vir würdigen und schätzen diese Werte nicht. Es ist Zeit, daß wir umkehren und gründlich umlernen, vor allem, daß wir entschieden den Weg der Absage an die bloß zeitlichen und irdischen Werte, an das eigene Ich, an den alten Menschen gehen! Darall fehlt es'

"Herr, tu an mir ein Zeichen (Wunder) Deiner Güte, auf daß meine Hasser sehen und zuschanden werden, da Du, 0 Gott, mein Helfer und mein TrÖ-

160 Ir. Die Fastenzeit: Dritte Woche.

ster wurdest" (Introitus). So ruft die heilige Kirche zum Himmel empor. "Herr, neige Dein Ohr zu mir und erhöre mich: denn ich bin arm und hilflos" (Introituspsalm). Die Kirche auf dem langen Wüstenweg der Erdenpilgerfahrt, arm und hilflos, aller menschlichen Stützen beraubt, vom Teufel, dem Fürsten dieser Welt, und seinen Helfern verfolgt, gehaßt. Sie hat nur eines: den Fels in der Wüste, den lebenspendenden Fels, Christus in der heiligen Eucharistie. Die heilige Eucharistie hat ihr Gott als "das Zeichen Seiner Güte" auf den Wüstenweg mitgegeben. Sie wird nicht verderben, sie wird leben, stets neue Kraft besitzen, jugendfrisch, in ihrer innern' Schönheit und Fülle ihren Weg ins Gelobte Land weitergehen. Wir gehen mit ihr, täglich neu gestärkt vom lebenspendenden Felsen, Christus in der heiligen Eucharistie. "Auf ihn vertraut mein Herz, da wird mir Hilfe: neu blüht mein Fleisch wieder auf. Von ganzem Herzen will ich Ihn lobpreisen" (Graduale).

Hier, bei Jesus, im Glanze der lichten Hostie, "blüht unser Fleisch neu auf" (Graduale). Hierher kommen wir mit dem verschmachtenden, dem Tode nahen Volk Israel in der Wüste, mit der Sünderin, dem Weib aus Samaria. Hier tut Er an uns jeden Tag ein Zeichen Seiner Güte.

"Hab acht auf meiner Stimme Flehen, mein König und mein Gott. Ich richte mein Gebet an Dich, o Herr" (Offertorium). Er hat das Flehen des Volkes Israel in der Wüste, Er hat am Jakobsbrunnen die Bitte der Sünderin erhört. So kommt auch die Kirche und komnien wir zu Ihm, da Er in der Feier dpr heiligen Messe auf unserem Altar erscheint. "Leite unsere Tage in Deinem Frieden, bewahre uns gütig vor der ewigen Verdammnis und reihe uns in die Schar Deiner Auserwählten ein." "Unser tägliches Brot gib uns heute. Vergib uns unsere Schuld. Führe uns nicht in Versuchung. Erlöse uns von dem Übel." Beim Herrn allein ist Heil und Leben!

Samstag: Die Ehebrecherin.

161

"Kommt alle zu Mir. Ich will euch erquicken" (Matth. I I, 28).

Ge b e t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, begleite unser Fasten mit Deiner liebreichen Huld, auf daß wir auch mit unserem Geiste den Leidenschaften entsagen, so wie wir mit unserem Leibe in den Speisen Enthaltung üben.

Laß uni, die wir auf Deinen Schutz l'ertrauen, mit Deiner Hilfe alle Anfechtungen überwinden. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Samsta, nach dem dritten Fastensonntag.

Die Ehe b r e c her i n.

1. Wir lind heute ganz Büßer. Wir erkennen unsere Sünde, mit der wir Gott und dem Heiland die Treue gebrochen, und flehen zum Herrn mit dem Introitus der heiligen Messe: "Dein Ohr vernehme meine Worte, Herr, vernimm mein Rufen (um Verzeihung). Hab acht auf meiner Stimme Flehen, mein König und mein Gott."

2. Ein e S ü n der in, ein e Ehe b r e c her i n.

Es sind die Tage des Laubhüttenfestes. J esus ist SChOll frühmorgens in den Tempel gekommen. Alles Volk strömt Ihm zu. Er setzt sich und lehrt. Da tühren die Schriftgelehrten und Pharisäer ein Weib herbei, das sie eben im Ehebruch ertappt haben. Sie stellen es in die Mitte und sprechen zu Ihm: "Meister, dieses Weib ist beim Ehebruch ertappt worden. Nun hat Moses im Gesetz befohlen, ein solches Weib zu steinigen. Was sagst Du dazu?" Eine Sünde der schwersten Art; sie kann nach dem Gesetz des Alten Bundes nur durch den Tod gutgemacht werden. - Die Ehebrecherin ist für die Liturgie die chrjstliche Seele, die sündigt, sind wir. Wir haben in unserer Sünde Gott, dem Heiland, der heiligen Kirche schmählich die Treue gebrochen. B&ur, Werde Liehtl II. 11

162 Ir. Die Fastenzeit: Dritte Woche.

Wir haben Ihm den Rücken gekehrt, der uns seit der Stunde unserer heiligen Taufe nur mit Liebe und Wohltaten überhäuft hat. Unser Herz, unsere Liebe haben wir Gott entzogen und an einen andern verkauft: an eine unwürdige Lust, an eine Eitelkeit, immer und in jeder SÜnde an Satan, den Widersacher Gottes, an denj enigen, der uns ewig verderben will. Treubruch, Ehebruch! Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa!

Jesus nimmt sich der Sünderin in G n ade an. Die Ehebrecherin steht vor dem Herrn. 'Vas wird Er ihren Anklägern zur Antwort geben? Wird Er ihnen recht geben? Jesus schweigt. Er bückt sich zur Erde nieder und schreibt in den Sand, wie um zu sagen, daß Er mit dem Prozeß nichts zu tun haben wolle. Er ist ja nicht gekommen, die Seelen zu verderben, sondern zu retten. Die Ankläger dringen in Ihn, daß Er ihnen sage, was Er zum Falle meine. Da richtet Er sich auf und spricht:

"Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Steih auf sie." Auf dieses Urteil waren die Ankläger nicht gefaßt. Sind sie ohne Sünde? Dürfen sie also einen Stein auf die Angeklagte werfen? Nein. Beschämt gehen sie hinweg, einer nach dem andern. Sie lassen die Sünderin mit Jesus allein. "Weib, wo sind deine Ankläger? Hat dich keiner verurteilt?""Keiner, Herr." - "So will auch Ich dich nicht verurteilen." Er ist ja gekommen, zu suchen und zu letten, was verloren war. "Auch Ich verurteile dich nicht." Jesus verzeiht auch die schwerste Sünde. Aber eine Forderung stellt Er: "Sündige nicht mehr." - "Auch Ich verurteile dich nicht." UnserTrost! Wir haben gesündigt, viel gesündigt. Aber wir sind noch nicht verloren, wenn wir im Sakrament der Buße, in Reue und Zerknirschung zu Jesus kommen, demütig unsere Sünde Christi Stellvertreter bekennen und entschlossen sind, nicht mehr zu sündigen. "Er nimmt sich der Sünder an." "Auch wenn ich in Todesschatten wandeln müßte (wie die Ehebrecherin

Samstag-: Die Ehebrecherin.

in der Hand Ihrer AnkElger), Ich fürchte kein Unheil. Du, Herr, bist ja bei mir" (Graduale). Du willst nicht den Tod des Sünders, sondern daß 'er sich bekehre und lebe.

3. Die gesetzeseifrigen Pharisäer denken nur daran, wie sie die Ehebrecherin dem Tode überantworten. Schonungslos, erbarmungslos. Anders Jesus. Er will nicht verderben, Er will retten. "Er nimmt sich der Sünder an." Wie sehr Er die Sünde verwirft und verurteilt, offenbart Er in Seinem Leiden und Sterben. Er verurteilt die Sünde - aber den Sünder will Er retten. Wir glauben an Sein Verlangen, uns zu verzeihen,. alles zu verzeihen. Wir tun das Unsrige: wir bereuen, wir bekennen unsere Sünde, wir tun Buße und meiden von nun an die Sünde. "Leite meine Schritte, daß nicht Uno recht (die Sünde) Über mich herrsche, 0 Herr" (Offertorium) .

In der Epistel das Gegenbild! Susanna, die Frau des Joakim, wird von den zwei Altesten lügenhaft des Ehebruchs angeklagt. Schon führt man sie zur Steinigung hinaus. Da bringt Daniel, vom Geiste Gottes erleuchtet, die Wahrheit an den Tag. Durch seinen Spruch wird die unschuldige Susanna vor dem Tode gerettet und wird ihre Ehre wieder hergestellt. Die Bosheit und Lüge der Ankläger wird aufgedeckt und mit dem Tode bestraft. Der Alte Bund ist der Bund der Gerechtigkeit: die Sünde wird' mit dem Tode bestraft. Der Neue Bund ist der Bund der Gnade: er tötet den Sünder nicht, er rettet ihn _ durch die Buße. Er gibt die Kraft, die Lei· denschaften, die Sünde zu überwinden und sich zum Leben der Tugend und Heiligkeit zu erheben. Wir danken für die Gnade, daß wir Christus kennen, daß wir durch Ihn das heilige Sakrament der Buße haben. Und das Sakrament der heiligen Eucharistie. Kraft dessen wir immer tiefer Ihm einverleibt, Seines L.ebens und Seiner Kraft teilhaft werden!

"Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster 11*

164 11. Die Fastenzeit: Dritte Woche.

einen Stein auf sie." Wie wird es im Gerichte des Herrn ergehen, wenn Er diesen Maßstab an uns an. legt, die wir so viel, so ungerecht, so lieblos über die Fehler des Nächsten urteilen, auf ihn Steine werfen! Haben wir ein Recht dazu? Hier haben wir uns gründlich zu bessern. Allzu leicht gleichen wir den zwei lasterhaften Anklägern der Susanna und den Pharisäern des Evangeliums. Und wir sol. len und wollen Christi Geist besitzen! Die Sünde hassen, den Sünder lieben!

Gebet.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, gib, daß jene, die in der Nah rung Abbruch tun, um den Leib zu züchtigen, auch von Sündenschuld sich enthalten, indem sie nach Gerechtigkeit streben.

Reiche, 0 Herr, Deinen Gläubigen vom Himmel her Deine helfende Hand, damit sie Dich mit gan. zem Herzen suchen und zu erlangen verdienen, um was sie geziemend bitten. Durch Christus unserii Herrn. Amen.

Die liturgische Meßfeier des vierten Fastensonn tags.

I. "Wie freue ich mich, da man mir sagt: Wir ziehen zum Hause des Herrn!" Heute erscheinen wir in der Kirche "zum heiligen Kreuz in Jerusalem". Jerusalem! Hier fühlen die Katechumenen und die Gläubigen (Getauften) heiligen Boden unter ihren Füßen: in Jerusalem ist Christus gestorben, begraben, auferstanden. J erusalem ist ihnen aber noch mehr als eine Erinnerung: es ist ihnen räumliche und zeitliche Gegenwart und süße Wirklichkeit, die heilige katholische Kirche, in die die Katechumenen demnächst d1lrch die heilige Taufe eintreten sollen. "Wie freue ich mich, da man mir sagt: Wir ziehen zum Hause des Herrn!" "Frohlocken sollet ihr und satt euch trinken an der Tröstung Überfülle, die euch quillt" (Introitus). In der heiligen Kirche sind die Quellen der Gnade und des Heils erschlossen. Wie erhaben steht es da, das neue J erusalem! Im alten J erusalem, der Synagoge, ist alles nur Schatten, nur Gesetz, Furcht und Knechtschaft; im Jerusalem der heiligen Kirche, des N euen Bundes, sind wir Kinder Gottes, an den Familientisch Gottes herangezogen, Brüder und Schwestern des menschgewordenen Sohnes Gottes, Erben des Himmels, KintIer "der Freien", die vom Himmel stammt, die unsere Mutter ist (Epistel). Welches Glück, diesem neuen J erusalem einverleibt zu sein! Drum der freudige Jubel des heutigen Sonntags: "Wie freue ich mich, da man mir sagt: 'vVir ziehen zum Hause des Herrn!" "Ewig wankt nicht; wer in J erusalem wohnt" (Graduale).

2. In dem Jerusalem der heiligen Kirche lebt und wirkt Christus. Sie ist der Berg, den J esus im heutigen Evangelium be3teigt. Viel Volk begleitet Ihn,

166 Ir. Die Fastenzeit: Vierte Woche.

fernab von dem Getriebe der Welt, von den Städt und Dörfern. Aber woher sollen diese Tausen essen? Dafür, daß sie Ihm in die Wüste gefolJ daß sie der Welt und ihren Genüssen (durch die h, lige Taufe) entsagt, erhalten sie aus Christi Ha anderes Brot, ein Brot, das alle Süßigkeit in si enthält. Allen gibt Er zu essen, so viele ihrer au sein mögen. Er gibt ihnen Brot und Fisch, die ht ligste Eucharistie. Auf den Höhen der Altäre d katholischen Kirche wird das Brot bereitet. So ,,10 den Herrn, denn Er ist gütig, singet Seinem Name denn Er ist lieb. Was immer Er will, alles vollbrin Er im Himmel und auf der Erde" (Offertorium).

3· Schon kommt Er in Person in unsere Mitl Wir sind heute die Volksscharen des Evangeliurr die dem Heiland folgen. Wir wollen bei Ihm sei Was wir einmal in der heiligen Taufe gelobt: i, entsage - ich glaube und folge Christus nach, d geloben wir in der heiligen Messe wieder. Wir geh, in Christus ein und machen uns zu einer Opfergal mit Ihm. Wir verlassen die Pfade der Sünde, d ungeordneten Genüsse und Weltfreuden, wir geht in der Fastenzeit der Erdenwanderung mit unsere Heiland in die 'Wüste, fernab von der Welt. W haben Ihn, das genügt uns. Wir halten uns an Ih hören auf Ihn, folgen Ihm, erfüllen uns mit Seine Geiste und leben mit Ihm ein neues, gottgeweiht, Leben, als Geopferte, Gotthingegebene (heilii Wandlung). Das ist der Sinn und die Aufgabe d, heiligen Taufe, die wir einmal empfangen und d wir in jeder heiligen Messe neu aufleben lasse:

Die heilige Messe mitopfern, heißt ja nichts andere als mit Christus sterben und mit Christus lebe:

"Was Seinen (Christi) Tod betrifft, so ist Er ei ~ür alle Mal tot der Sünde; was aber Sein Lebe angeht, so lebt Er nur für Gott. So betrachtet aue ihr euch als solche, die der Sünde abgestorben sin und nur für Gott leben in Christus ]esus" (Rön 0, IO f.). Wo wir also in die heilige Wandlung eir

Sonntag: Freu dich, Jerusalem! 167

gegangen sind, wo wir einen guten Schritt weiter gekommen sind im Werk unserer "Wandlung" und innern Umgestaltung - und das sollte jede Mitfeier der heiligen Messe bewirken -, da sind wir reif geworden für die Teilnahme am Opfermahl der heiligen Kommunion. Das Glück der heiligen Kommunion! Man muß es erfahren haben. Aber diese;; höchste und tiefste Glück wird nur in dem ] erusalern der heiligen Kirche gegeben: ,,]erusalem, stattlich gebaut! Dort hinauf pilgern die Stämme des Herrn (die Getauften), zu preisen Seinen Namen" (Communio) in der innigsten, lebendigsten Vereinigung mit demjenigen, der sich uns in der heiligen Kommunion zu eigen gibt. "Frohlocken sollet ihr und satt euch trinken an der Tröstung überfülle, die

euch quillt."

Vierter Fastensonntag.

Freu dich, ]erusalem!

I. So n n tag L ä t are! Der Sonntag der Freude inmitten des Ernstes der heiligen Fastenzeit. Wir sind auf dem Weg durch die Wüste. In Fasten und Gebet tun wir Buße. Wir wollen uns von aller Sünde und der Verkehrtheit unseres Sinnes und Lebens reinigen, uns zusammen mit der heiligen Kirche wahrhaft erneuern und in Christus zum Leben des neuen Menschen auferstehen. Heute halten wir einen Augenblick inne, um nach dem Ziele auszuschauen, dem wir auf dem Weg der Fastenzeit unseres Erdenlebens entgegengehen. Das Ziel ist ] erusalem, die Stadt Gottes, in die wir dereinst, nach getaner Arbeit, eingehen dürfen. "Wie freue ich mich, da man mir sagt: Wir ziehen zum Hause des Herrn" (Graduale), nach] erusalem!

2. "E s s t e h t ge s c h r i e ben: Ab rah a m hatte zwei Söhne, einen von der Magd (Agar) und einen von der Freien (Sara) .... Das ist bildlich gesprochen: eS bedeutet die beiden Testamente. Das

I68 II. Die Fastenzeit: Vierte Woche.

eine (das Alte Testament) stammt vom Berge Sinai und gebiert zur Knechtschaft .... Jenes J erusalem aber, das von oben stammt, ist frei: das ist unsere Mutter!" J erusalem, die heilige Stadt Israels, die in ihren Mauern den Tempel barg! Hier wohnte Gott. Von der Gegenwart der Herrlichkeit Gottes war die ganze Stadt erfüllt und verklärt. Hier vollzog sich der heilige Opferdienst. Hierher pilgerten die Israeliten, um ihre Opfer darzubringen, zu danken, zu sühnen, zu bitten, opfernd Tischgenossen Gottes zu sein. Ob der Verbindung mit dem in ihr lebenden Gott ist die heilige Stadt die Braut Gottes, von Ihm mit besonderer Liebe bedacht und behütet. In Jerusalem sollte die Herrschaft des kommenden Messias aufgerichtet werden. Von ihm aus mußte das Heil sich über die Menschheit ergießen. Wahrlich, der Prophet hat Grund genug, der Stadt das Wort entgegenzurufen : Laetare J erusalem - Freue dich, J erusalem!" Und dieses begnadete, auserwählte Jerusalem, die Braut, wurde Gott untreu. Der Herr kam. "Er kam in Sein Eigentum, und die Seinen nahmen Ihn nicht auf" (J oh. I, I I). Es wird zur Sklavin, eine Unfreie, gefangen in den Banderi des tötenden Buchstabens und menschlicher Gesetze, die es sich von den Schriftgelehrten und blinden Eiferern für das Gesetz des Moses auflegen läßt. Denj enigen, der es der Freiheit der Kinder Gottes, der Freiheit der heiligen Liebe Gottes zurückgeben will, verschmäht es. Es kreuzigt Ihn. "Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!" (Matth. 27, 25.) Diesem treulosen Jerusalem gilt das Wort: "Verstoßt die Magd mit ihrem Sohne; denn der Magd Sohn soll nicht Erbe sein!" An Stelle des untreu gewordenen Jerusalem schafft sich der Herr ein anderes, ein neues J erusalem.

2. "J e n e s J e r usa I e m ab er, das von 0 ben stammt, ist frei. Und das ist unsere Mutter." Eine unmittelbare Setzung des menschgewordenen Gottessohnes selbst. Sein Leib, Seine sichtbare Er-

Sonntag: Freu dich, Jerusalem! 169

Icheinung, Seine Braut. die Er liebt, "für die Er 5ich hingegeben hat, um sie zu heiligen, um sie sich herrlich zu gestalten, auf daß sie heilig und makellos sei" (Eph. 5,25 f.). Sie ist die Stadt, erbaut auf Christus, dem unsichtbaren Heils- und Lebensgrund. Auf Ihn sind wir "al!! lebendige Bausteine aufgebaut zu einem geistigen Tempel, ein auserwähltes Geschlecht, ein heiliger Stamm, ein zu eigen erworbenes Volk. Einst ein N icht- Volk, jetzt aber Gottes Volk, aus der Finsternis zu Seinem wunderbaren Lichte berufen" (I Petr. 2, 4 ff.). "Wie freue ich mich, da man mir sagt: Wir ziehen zum Haus des Herrn!" In das Haus, erbaut auf dem einen Glauben, auf dem einen Herrn und Gott. Eine streng geschlossene Einheit der Steine und Mauern mit dem Fundament, Christus, eine Einheit und Gemeinschaft des Glaubens, des Opfers, der heiligen Sakramente, der alle verbindenden heiligen Liebe. Zur heiligen Kirche wallen die Stämme des Herrn aus allen Ländern und Zonen. Alle haben sie Gemeinschaft an ihr, reichsten Anteil an der Fülle der Wahrheit und Gnade. Unaufhörlich wird an ihr weiter gebaut. Der aus dem Steinbruch der Menschheit gewonnene Stein wird in der heiligen Taufe zugerichtet und dem lebendigen Grundstein Christus aufgebaut und selber ein lebendiger Stein. So werden wir "Hausgenossen Gottes und Mitbürger der Heiligen" (Eph.~, 19). In diesem Haus ist "Friede, und Überfluß in seinen Türmen". Der Herr legt in Seiner Kirche die Fülle Seiner Güter, der Wahrheit, Gnade, des Lebens, nieder, im Geheimnis der heiligen Eucharistie. Er gibt allen, die in dem Haus der Kirche wohnen, das Brot der Eucharistie, daß sie sich sättigen. Zu diesem heiligen Mahle "wallen die Stämme, Gottes Stämme" (Communio), insbesondere jetzt, in der österlichen Zeit, da sie durch das Gebot der Kirche verpflichtet sind, die heilige Kommunion zu empfangen. Wohlan denn, so "freue dich, Jerusalem, Kirche. Kommt alle zu sam-

11. Die Fastenzeit: Vierte Woche.

men, die ihr die Kirche liebt. Frohlocken sollet ihr und satt euch trinken an der Tröstung Überfülle, die euch (in der Kirche) quillt" (Introitus).

"J e r usa I e m, d u S t a d t s 0 w 0 h I g e bau t.

Die Stämme, Gottes Stämme, wallen dort hinauf, zu preisen Deinen Namen, Herr" (Communio). Das J erusalem der heiligen Kirche weist nach oben, nach dem Jerusalem des Himmels. Dort ist die Vollendung. Friede und Überfülle der Seligkeit. Friede: gebannt ist jede Furcht und Angst, unverlierbar ist die sichere Ruhe, die wonnigliche Gottesschau, die reine, süße Liebe in der ewig unlösbaren Einigung mit dem höchsten Gut. Und Überfülle der Seligkeit. Von Gott und Christus strömt der Ozean der Glorie über die Seligen hin. durchflutet sie mit Seinem Feuerglanz, verklärt sie mit Seinem Lichte und sättigt sie mit den Wonnen der himmlischen Seligkeit. 'vVelche Freude, wenn man mir einmal im Sterben sagen wird: \Vir ziehen zum Hause des Herrn!

3. Als wir die heilige Taufe empfingen, da durften wir in das Haus des Herrn einziehen. Wir danken heute für die Gnade der heiligen Taufe. "Lobet den Herrn, denn Er ist gütig. Singet Seinem Namen, denn Er ist lieb" (Offertorium).

Wir halten zur heiligen Kirche. Sie ist uns die heilige Stadt Jerusalem, Christi Braut, unsere Mutter. An ihrer Hand wallen wir in der Fastenzeit des Erdenlebens dem himmlischen Jerusalem entgegen.

Tapfer gehen wir jetzt den Weg der Buße, der Reinigung, des Verzichtes und der Abtötung. "Wir ziehen zum Hause des Herrn." Kurz ist der Weg, und kurz ist das Leid: dann kommt die Fülle des himmlischen Jerusalem!

Wir gedenken heute der vielen, die das neue J erusalem der heiligen Kirche nicht kennen. Die Armen! Sie haben nicht die Mutter, bei der sie an der Tröstung Überfülle sich satt trinken könnep.

Montag: Der lebendige Tempel. 171

Gebet.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, laß uns, die wir mit Recht für unsere Missetaten gezüchtigt werden, durch den Trost Deiner Gnade wieder aufatmen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Montag nach dem vierten Fastensonntag.

"Zerstöret diesen Tempel."

1. rxIit dem heutigen Tag tritt das Motiv des Leidens des Herrn in den Vordergrund der Fastenliturgie. Wir werden aufgerufen, Sein Leiden und Sterben in inniger, tatkräftiger Anteilnahme mitzuerIeben. "Könnt ihr den Kelch trinken, den Ich trinken werde?" (Matth. 20,22). Ja, wir können es. Wir wollen es. Deshalb finden wir uns im Haus der Vier Gekrönten Martyrer ein. Mit ihnen folgen wir Christus, dem großen Martyrer. Wir wollen den Kelch des gedemÜtigten, verstoßenen, gekreuzigten Herrn mittrinken und so zur Auferstehung gelangen.

2. "G e b t jen erd a sKi n die ben dun d t ö t e t es ni c h t" (Epistel). Zwei Mütter wohnen im gleichen Hause. Beide haben ein Kind geboren. Die eine hat im Schlaf das ihrige erdrückt. Sie nimmt das tote Kind und legt es der andern, während diese schläft, in den Arm. Das lebende Kind nimmt sie für sich in Anspruch. Aber die andere merkt am Morgen, daß das tote Kind in ihren Armen nicht ihr Kind ist. So kommen sie zum König Salomo, den Streit um das lebende Kind auszufechten. Kraft der ihm von Gott verliehenen Weisheit entscheidet Salomo und stellt fest, welches die Mutter des lebenden Kindes ist. Er weist es seiner Mutter zu. Wieder ein Bild! Die zwei Frauen sind die Synagoge und die Kirche. Die Synagoge, das Alte Testament, kann, nachdem Christus erschienen ist, die Seelen nicht mehr retten: es kann sie nur töten und verderben. Die Kirche aber rettet die Seelen. Sie entreißt sie der Räuberin und dem Tode. Christus ist

172 Il. Die Fastenzeit: Vierte Woche.

der Richter. Vom Kreuze herab weist Er die Menschheit, die Seelen, die Er durch Sein Blut gekauft hat, der Kirche zu. Der Vorhang des Tempels zerreißt: der Alte Bund hat nichts mehr zu geben. "Gebt jener - der Kirche des Neuen Bundes - das Kind lebend und tötet es nicht: denn sie ist seine Mutter." Christus spricht nicht nur das Urteil, wie der Salomo der Epistel. Er nimmt da~ Kreuz auf sich und geht in den schmachvollen Tod, um uns die Mutter zu geben und sie mit all dem auszustatten, was ihr notwendig ist, um uns in Wahrheit Mutter zu sein und uns für das ewige Leben retten zu können. "Jubelt Gott, ihr Lande all, dienet dem Herrn in Freuden. Tretet frohlockend vor ihn hin: denn Er, der Herr, ist Gott" (Offertorium). In Seinem Tode hat Er uns die Mutter Kirche und in ihr das Leben gegeben.

"Zerstöret diesen Tempel" (Evangelium).

Herrlich steht der (herodianische) Tempel da. Sechsundvierzig Jahre hat Israel daran gearbeitet, ihn herzustellen. Nun entweiht und schändet es ihn durch das weltliche Treiben in den Vorhöfen. Da macht J esus sich eine Geißel aus Stricken und treibt die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel hinaus. Die Juden sind empört. Sie fragen Jesus: "Mit welchem (Wunder-) Zeichen beweisest du, daß du die Vollmacht hast, also im Tempel zu walten?" Er weist sie auf Seine eigene Person hin, auf den Tempel Seine! Leibes, und sagt zu ihnen: Das ist das Zeichen, mit dem Ich mich ausweise: "Zerstöret diesen Tempel, und in drei Tagen werde Ich ihn wieder aufrichten." Ein zweifacher Tempel: der Tempel von Stein und der geistige Tempel, Christus selbst. Die Juden entweihen den Tempel aus Stein, und bald werden sie auch den Tempel des Leibes Christi zerstören. Aber, und das ist das Zeichen, das die Juden begehrt haben, nach drei Tagen wird J esus den Tempel wieder aufrichten, in Seiner glorreichen Auferstehung' von den Toten. - Die Juden

Montag; Der lebendige Tempel. 173

verstehen Seine Rede nicht: sie schnauben Rache. Auch die Apostel verstehen im Augenblick das Wort des Meisters nicht. Aber sie schweigen, sie warten zu und "erinnern sich nach J esu Auferstehung von den Toten daran, daß Er das gesagt hatte", d. i. daß Er bei der Tempelreinigung Seinen Tod und Seine Auferstehung vorausgesagt hatte. Die Jünger werden durch ihren unerschütterlichen Glauben und ihr Vertrauen zum Meister Schritt für Schritt zum Verständnisse und zum Vollichte der Person und der Geheimnisse Jesu und zur Fülle der Gnaden geführt, während die Juden ob ihres Unglauben"; an demselben J esus und Seinen Geheimnissen immer mehr der Verblendung und dem Untergang entgegenreifen. An Jesus entscheiden und scheiden sich die Wege der Menschen, Zeit und Ewigkeit, Himmel und Hölle! "Dieser ist gesetzt zum Fall und zur Auferstehung der vielen" (d. i. aller) (Luk. 2, 34)·

3. "Zerstöret diesen Tempel." Jesus weist sich mit dem Kreuze aus. Einmal am ersten Karfreitag. Und täglich in dem Opfer der heiligen Messe. Sie ist die lebendige Darstellung Seines Todesleidens und Seiner Auferstehung. Er weist sich mit dem Kreuze aus in der Geschichte Seiner Kirche und Seiner Heiligen. Womit hat sich also der Christ, habe ich mich auszuweisen? Etwa mit irdischen Gütern, mit Ehren und Ämtern, mit zeitlichen Erfolgen und Leistungen? Wahrhaftig nicht! "Wer Mir nachfolgen will, der nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge Mir" (Luk. 9, 23). "Mit Christus bin ich ans Kreuz geheftet" (Ga!. 2, 19). Das ist der Kern des Christentums. Das ist das Christentum Christi, der Ausweis der wahren Kirche Christi, das Christentum der heiligen Martyrer, an deren Grab wir heute den Gottesdienst feiern. Wie wenig ist es verstanden, wie wenig gelebt? Lebe ich es?

,,0 Gott, in Deinem N amen rette mich, in Deiner Kraft befreie mich. 0 Gott, erhöre mein Gebet, vernimm die Worte meines Mundes" (Introitus). Das

174 II. Die Fastenzeit: Vierte 'Voche .

. Flehen des Heilandes am ölberg, an der Geißelsäule, auf dem Kreuzweg, am Kreuze! Das innige Flehen der mit dem H eilande leidenden, verfolgten, gekreuzigten Kirche. Wir schließen uns diesem Flehen des leidenden Herrn und Seiner Kirche an.

Im Opfer der heiligen Messe gehen wir in die Leidens- und Todesgemeinschaft mit dem Herrn ein. Wir wollen Christen, d. i. Martyrer sein. Wir geben alles hin, um mit Ihm und in Ihm, als Seine Glieder, der Sünde, den Leidenschaften, der Welt entsagend, ein reines Opfer an den Vater zu sein. Wir wollen Martyrer der Liebe zu Gott sein, der vollkommenen Überlassung an alles, was Er uns gibt und nimmt.

Wir danken dem Herrn dafür, daß Er uns die Mutter gegeben und uns in der heiligen Taufe ihr zugesprochen hat. Wir glauben an sie und übergeben uns ganz ihr. Wir lassen uns nicht irremachen, wenn wir sie gelästert und -verfolgt sehen. I m Gegenteil. Das ist uns der sichere Beweis, daß sie zu Christus, dem Gekreuzigten, gehört.

Ge be t.

Wir biten Dich, allmächtiger Gott, laß uns durch die Feier der heiligen Fasten, die wir allj ährlich in frommer Hingabe begehen, mit Leib und Seele Dir wohlgefällig sein.

Herr, erhöre gnädig unser Flehen. Schenke uns, denen Du Eifer zu demütigem Beten verleihst, Deinen hilfreichen Schutz. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Dienstag nach dem vierten Fastensonntag.

"D a war d der Her r ver s ö h n t !"

1. Laurentius, der Stationsheilige, lenkt unsere Gedanken auf den großen Martyrer Christus am ölberg, am Kreuz. "Erhör, 0 Gott, mein Beten, verschmähe nicht mein Flehen, hab acht auf mich, erhöre mich. Ich bin vor Gram tief traurig, verwirrt

Dienstag-: "Da.ward der Herr versöhnt!" 175 durch das Geschrei der Feinde, ob der Bedrängung durch die SÜnder" (Introitus). Da hängt Er am Kreuz, in namenloser Qual, "der Mittler zwischen Gott und den Menschen" (I Tim. 2, 5), und fleht mit Seinem Blut für uns, die Untreuen, die Sünder, um Erbarmen. "Laß Deinen Zorn sich besänftigen. Laß Dich versöhnen ob der Missetat Deines Volkes" (Epistel). Dem betenden, sich für sein Volk hinopfernden Herrn schließt sich die Kirche an. "Laß Dich versöhnen", so ruft sie zum Himmel empor, "ob der Missetat Deines Volkes." Jetzt, in der Feier des hochheiligen Opfers: "Da ward der Herr versöhnt."

2. Der Her r be t e t für uns. M oses, so berichtet die Epistel weiter, weilt vierzig Tage (Fastenzeit) auf der Höhe des Sinai. Am Fuß des Berges macht sich das Volk, das eben noch unter Blitz und Donner das Gesetz erhalten hat, einen Götzen, tanzt fröhlich um den "neuen Gott" herum und bricht den Bund mit Jahwe. Moses steigt vom Berg herab. Mit Entrüstung sieht e~, was das Vofk getan, und zerschmettert die Gesetzestafeln an einem Stein. Gott will das abtrünnige Geschlecht vernichten. "Ich sehe, daß dieses Volk halsstarrig ist: laß M ich, auf daß Mein Zorn gegen sie entbrenne und Ich sie vernichte." Gott verheißt dem Moses, daß er "ihn dann zum Stammvater eines großen Volkes machen" wolle. Aber Moses setzt sich für das verblendete Volk ein und fleht zum Herrn: "Herr, warum entbrennt Dein Zorn wider Dein Volk? Laß Deinen Zorn sich besänftigen, laß Dich versöhnen ob der Missetat Deines Volkes." "Da ward der Herr versöhnt und führte das Unheil nicht aus, das Er Seinem Volke angedroht hatte." In Moses, derl um Gnade fleht, erkennen wir mit der heiligen Liturgie Christus, unsern Herrn. Das sündige, abtrünnige Volk sind wir. In der heiligen Taufe hat der Herr uns in Liebe aus Ägypten herausgeführt, der Knechtschaft Satans und der Sünde entrissen. Er hat uns in Sein Reich aufgenommen und mit den Gütern des

176 11. Die Fastenzeit: Vierte Woche.

übernatürlichen Lebens, der Gotteskindschaft, gesegnet. Schnell aber sind wir vom Wege abgewichen, den Er uns durch Wort und Beispiel gelehrt hat. Wir haben unscr Herz an die citlen Güter des Diesseits gehängt und haben uns einen Götzen gemacht, ein goldenes Kalb, es angebetet und ihm geopfert. Gott zürnt uns ob solchen Frevels und Treubruchs. Da steigt der Sohn Gottes zu dem iündigen Volke herab. Er fleht zum Vater: "Herr, warum entbrennt Dein Zorn wider das Volk:, das Du mit so starkem Arm aus Ägypten herausgeführt hast? Laß Deinen Zorn sich besänftigen, laß Dich versöhnen ob der Missetat Deines Volkes." So fleht Er im ersten Augenblick, da er in der Menschwerdung in dieses Leben eintritt. So fleht Er ohne Unterlaß in Seinem Erdenleben, in der Krippe in Bethlehem ebenso wie in Seinem heiligen Stilleben in N azareth. So fleht er im öl garten, an der Geißelsäule, da, wo Er von Seinen Richtern und von Seinem geliebten Volke verurteilt und verworfen wird. So fleht Er auf dem schweren Gang zur Kreuzigung. So fleht Er am Kreuze. So fleht Er ohne Unterlaß droben Olm Throne des Vaters, "immerdar lebend, um für uns Fürbitter zu sein" (Hebr. 7, 25). So fleht Er Tag und Nacht in der Stille des Tabernakels. "Laß Dich versöhnen ob der Missetat Deines Volkes." "Erhör, 0 Gott, Mein Beten, verschmähe nicht Mein Fiehen. Hab acht auf Mich, erhöre Mich."

Der Her r 0 p f e r t s ich für uns. J esus lehrt im Tempel. Die Ihm feindlich gesinnten Juden üben Kritik an Ihm. "Wie kennt der da die Schrift, nachdem er doch nie Unterricht gehabt hat?" Es folgt eine ernste Auseinandersetzung. Schließlich suchen sie Ihn zu ergreifen. Aber Seine Stunde ist noch nicht gekommen. Sie wird erst da sein, wenn es Ihm gefällt. Dann, nach sechs Monaten, werden sie Hand an Ihn legen, Ihn gefangen nehmen, Ihn vor parteiische Richter führen, Ihn dem heidnischen Landpfleger ausliefern und Ihn ans Kreuz bringen. Frei-

Dienstag: "Da ward der Herr versöhnt!" 177 willig wird Er alles auf sich nehmen, nur um uns zu retten. Ein blutiges: "Herr, laß Deinen Zorn besänftigen, laß Dich versöhnen ob der Missetat Deines Volkes." Jesus setzt sich selber für Sein Volk ein, haftet für es mit Seinem Blut und Leben, nimmt den Schuldschein, den wir nicht einlösen können, mit sich ans Kreuz und bezahlt die ganze Schuld in Seinem Blut. "Laß Deinen Zorn besänftigen, laß Dich versöhnen ob der Missetat Deines Volkes. Da ward der Herr versöhnt und fÜhrte das Unheil nicht aus, das Er Seinem Volke angedroht hatte."

3. Dankbaren Herzens drängen wir uns an den sich für uns opfernden Heiland. Wir begleiten Ihn auf Seinem Leidenswege in den öigarten, in das Haus des Hohenpriesters, in das unheimliche Verlies, in welchem sie Ihn die Nacht hindurch gefangenhalten. Wir folgen Ihm, da sie Ihn zu Pilatus, von Pilatus zu Herodes, von Herodes wieder zu Pilatus zerren. Wir fühlen es mit Ihm, da sie auf das "Ecce homo" des heidnischen Richters die Antwort geben: "Ans Kreuz mit Ihm." Da sie einen gemeinen Verbrecher, Barabbas, losbitten, Christus dagegen verwerfen. Wir folgen Ihm zur grausamen Geißelung, zur Verspottung und Dornenkrönung durch die rohen Soldaten. Wir folgen Ihm auf den Berg Kalvaria und erleben das Furchtbare mit. Er betet, Er opfert,sich für uns, für mich! "Laß Dich versöhnen ob der Missetat Deines Volkes. Und der Herr ward versöhnt" im Tode Seines Sohnes, unseres Erlösers, des großen Mittlers. Ihm danken wir alles!

Mit dem gleichen Verlangen, uns, die Untreuen, die Unwürdigen, mit clem Vater wieder zu versöhnen und fÜr das, was wir täglich sündigen, Sühne zu leisten, opfert Er sich heute und täglich auf unsern Altären dem Vater auf. Eine geheimnisvolle Nachbildung Seines Leidens und Sterbens am Kreuze. Und die Zuwendung der Gnaden, die Er uns am Kreuze erworben und verdient hat. Da fleht Er im

Baur, W'erde Licht! n.

12

178 TI. Die Fastenzeit: Vierte Woche.

Opfer der heiligen Messe für uns: "Laß Deinen Zorn sich besänftigen, laß Dich versöhnen. Da ward der Herr versöhnt und führte das Unheil nicht aus, das Er Seinem Volke angedroht hatte." Wir nehmen J esu Blut in unsere Hände und heben es zum Himmel empor: "Laß Deinen Zorn besänftigen, laß Dich versöhnen ob der Missetat Deines Volkes." "Vergib uns unsere Schuld. Führe uns nicht in Versuchung. Erlöse uns von dem Übel der Sünde, der Unbußfertigkeit, der Unbeständigkeit, eines bösen Todes. Amen."

J esus betet für uns und opfert sich für uns. Nicht damit wir nichts mehr zu tun haben. Nicht damit wir fortfahren zu sündigen, sondern damit wir die ganze Bosheit unserer Sünde erkennen, sie endlich lassen und für sie Buße tun in Gebet und Fasten und Abtötung. Damit wir mit Ihm beten und leiden und Sühne leisten für die eigenen Sünden ebenso wie für die Sünden der Gemeinschaft. Wir sind nicht bloß für unsere eigene Seele verantwortlich, sondern Miterlöser aller anderen, mitverantwortlich für ihr Heil. vv'ir werden unser Miterlöseramt soweit ausführen können, als wir in den betenden und sich opfernden, in den leidenden, gekreuzigten Herrn eingehen und uns von Seinem Geiste erfüllen lassen, in der Mitfeier der heiligen Messe und im Empfang der heiligen Kommunion.

Dann gehen wir, von Christi Geist -gedrängt, in elen Alltag, um ihn durch Beten und Opfern zu heiligen und dadurch unsern Brüdern in Christus in elen Gefahren für Glaube und Sitte Mut und Kraft zu erwirken.

Ge b e t.

Wir bitten, 0 Herr, die Beobachtung der heiligen Fasten erwirke uns Wachstum in frommem Wandel und den dauernden Beistand Deiner Gnade.

Herr, erbarme Dich Deines Volkes, das unter !tändigen Drangsalen zu leiden hat, und laß es gnä-

Mittwoch: "Ich bin das Licht der Welt". 179

dig wieder aufatmen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Mittwoch nach dem vierten Fastensonntag.

"Ich bin das Licht der Welt."

1. Wir begleiten die Täuflinge in die Basilika des Völkerapostels Paulus. Dort werden sie heute einem strengen Examen unterworfen, das entscheiden soll, ob sie zur heiligen Taufe, zum Christentum, zugelassen werden können. Haben sie die Prüfung bestanden, dann wird die Zeremonie der "öffnung der Ohren" an ihnen vorgenommen: sie empfangen aus der Hand der Kirche das Evangelium, das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser. Heilige Erinnerungen an unsere Taufe wachen in uns auf.

2. "I n jen erZ. ei t, da J e s u s vor bei gin g , sah Er einen Mann, der von Geburt an blind war." Blind geboren. Ewige Nacht! Kein Auge, kein Licht. Das Weltbild ist für den Blinden ein ganz anderes, durchaus unvollständiges. Vieles, sehr vieles bleibt ihm zeitlebens genommen. Der Arme! Da kommt Tesus. "Ich bin das Licht der Welt." Er bereitet a~s Speichel und Erde einen Teig und streicht ihn dem Blinden auf das Auge. Dann befiehlt Er ihm: "Gehe und wasche Dich im Teiche Siloe." Der Blinde geht hin, wäscht sich im Teiche und kommt sehend zurück. - Der Blindgeborene sind wir, bin ich. Aus uns selbst, infolge der Erbsünde, N acht, Finsternis, blind, allen göttlichen, höheren Lichtes bar. Da kam ] esus vorbei. Er ließ sich zu uns herab und schickte uns in das Bad der heiligen Taufe. In den Wassern der heiligen Taufe wurden wir sehend. Eine neue Welt tat sich vor uns auf, wie vor dem Blinden, der auf einmal von seiner Blindheit geheilt ist. Über das körperliche Auge und über das Auge der natürlichen Vernunft hinaus haben wir kraft der heiligen Taufe das Auge und das Licht der vollen Wahrheit, des heiligen Glau-

]2*

å±±±±±±±±±180 I I. Die Fastenzeit: Vierte Woche.

bens. Im Glauben schauen wir in Gottes Gedanken welt hinein und denken wir Gottes Gedanken mit V/ir haben "das Licht des Lebens" (Joh. 8,12). Wi erkennen dieWahrheit über die großen und höchster Lebensfragen, auf die zuletzt alles ankommt. Wil haben das Licht über unser Woher, vVohin, Wozu Wir wissen vollkommen sicher und bestimmt, wozt wir hier auf Erden sind, was wir zu tun haben, wal unser nach diesem Leben wartet, im Himmel odel in der Hölle. Wir waren blind: nun sind wir durcl die heilige Taufe sehend geworden. Gottes großt Welt ist uns aufgegangen! Wie hat uns die heiligt Taufe, die Gnade, das Christentum sehend gemacht

,,\Venn Ich in euch geheiligt bin (we11l ihr euch zu Mir bekehrt habt), will Ich reines WasseI (Ta'uf~) über euch ausgießen; dann werdet ihr VOI allem Schmutze (der SÜnde) gereinigt. Und eir neues Herz werde Ich euch geben und einen neuer Geist in euer Inneres legen; das Herz von Steir werde Ich aus euerem Leibe nehmen und euch 'eir H erz von Fleisch geben. Ich werde Meinen Geisl in euer Inneres legen und bewirken, daß ihr naci1 Meinen Geboten wandelt und Meine Rechte beobachtet und übt. Dann sollt ihr im Lande wohnen. das ich euern Vätern gegeben habe (im Himmel); und ihr soIIt Mein Volk sein, und Ich werde euer Gott sein" (Epistel). Siehe da, der neue Mensch, der von der Blindheit Geheilte, der Getaufte! Der soIIte ich sein!

3. "Ich bin das Licht der Welt." Wie die Sonne im Frühling die Pflanzen aus der Erde lockt, so zwingen die warmen Strahlen zugleich auch das böse und giftige Gewürm aus seinen dunklen Schlupfwinkeln hervor. J esus heilt den Blindgeborenen, und sofort sind auch die Feinde und Hasser auf dem Plan. Der Geheilte fürchtet sich nicht. Mit einer entzückenden Einfalt, mit unerschrockenem Freimut, mit einem Herzen, das ob der empfangenen Gnade VOll Dank und !7reude Überströmt, erzählt er seine

Mittwoch: "Ich bin das Licht der Welt." I 8 I

Heilung aIIen, die es wissen wollen. Lebten auch wir immerdar im dankbaren Andenken an die heilige Taufe?

Eine herrliche Erscheinung, dieser Blindgeborene !

Ein Wunderbild der Erbarmung und Liebe unseres Herrn! Ein armer Blinder, und doch eine Säule des Glaubens. Ein Bettler, aus der menschlichen Gesellschaft ausgestoßen, und doch ein Held! Ein Bekenner Christi, ein Lehrer derWahrheit, ein Apostel! Die Pharisäer stoßen ihn wegen seines Einstehens iür Christus aus der Synagoge aus, exkommunizieren ihn. J esus nimmt den Verstoßenen in Gnaden auf. "Glaubst du an den Sohn Gottes?" Der Geheilte:

"Wer ist es, Herr, daß ich an Ihn glaube?" Und Jesus sprach: "Du hast Ihn gesehen. Der mit dir redet, der ist's." "Herr, ich glaube." Und er fiel nieder und betete Ihn an.

"Selig das Volk (der Getauften), dessen Gott der Herr ist, das Volk, das sich der Herr zum Eigentum erkoren. Durch das Wort des Herrn sind die Himmel geschaffen, aII ihre Sternenheere durch den Hauch Seines Mundes" (Graduale). Und dieser Gott hat uns zu Seinem besonderen Eigentum erkoren. "Preiset, ihr Völker, den Herrn, unsern Gott. Er gab (in der heiligen Taufe) meiner Seele das Leben und ließ meine Füße nicht wanken" (Offertorium).

"Der Herr bereitete einen Teig aus dem Speichel und bestrich mir die Augen. Ich ging hin und wusch mich, und ich sah, und ich glaubte an Gott." Diese Worte singt die Kirche zur Communio. Die Frucht der heiligen Kommunion: "Ich sah und ich glaubte." Daß sie auch in uns diese Frucht zeitigte! Licht und Leben für Gott, für Christus und die Seelen!

Gebet.

Gott, Du gewährest um des Fastens willen den Gerechten den verdienten Lohn und den Sündern Verzeihung; so erbarme Dich unser, die wir in Demut zu Dir flehen, und laß uns durch das Bekennt-

182 IJ. Die Fastenzeit: Vierte Woche.

nis unserer Schuld die Nachlassung der Siinden erlangen.

o I-Ierr, möge Dein Ohr sich voII Erbarmen den Bitten der Flehenden öffnen, und damit Du den Bittenden ihre Wünsche gew~ihren könnest, laß sie verlangen, was Dir wohlgefällig ist. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Donnerstag nach dem vierten Fastensonntag.

"J ü n gl i n g, Ich sag e dir, s t ehe auf!"

1. In der Kirche des Totenerweckers Martinus von Tours leben wir heute die Totenerweckung des Kindes der Sunamitin (Elisäus, Epistel) und des JÜnglings von N aim (Evangelium) mit. "Such~t den Herrn, so werdet ihr stark. Immerdar suchet Sein Angesicht" (Introitus). Sein Erbarmen, Seine Gnade.

2. Je s u s kom m t, wie zu f ä I I i g, mit Seinen Jüngern nach Naim. Am Stadttor begegnet Ihm ein Leichenzug: sie tragen einen Jüngling zu Grabe, die Hoffnung und StÜtze der Mutter, die weinend ll,inter der Bahre einherwankt. Der Heiland wird von Mitleid gerÜhrt, tritt an die Bahre heran und befiehlt dem Toten: "JÜngling, Ich sage dir, stehe auf!" Der Tote richtet sich auf, und Jesus gibt ihn der glLick.Iichen Mutter zurück. Ja, das ist das Herz unseres gÜtigen Heilandes, voll Verständnis, voll Tetlnahme. Und Seine Macht, mit der Er selbst dem Tode gebietet: "JÜngling, Ich sage dir, stehe auf!" Er gibt das Leben, Er gibt der Mutter den Sohn zurÜck, Er schafft Freude, Hilfe und GlÜck! Wie gut ist Er! Er kommt scheinbar zufällig: aber auch nur scheinbar. Er kommt mit dem Verlangen und in der Absicht, Heiland, Helfer, Totenerwecker zu sein.

Der he i I i gen Li t u r g i e ist das, was Epistel und Evangelium von der Vergangenheit berichten, lautere Gegenwart. Der tote Knabe der Sunamitin, der tote JÜngling des Evangeliums, sin,d wir, tot, reif fÜr das Grab der Hölle, durch die ErbsÜnde,

Donn~rstag: ,.Jüngling. Ich sage dir, stehe auf!" 183 in der wir empfangen und geboren wurden, und durch die vielen persönlichen Sünden, mit denen wir uns an Gott versündigt haben. So liegen wir auf der Totenbahre. Die uns auf der Bahre hinaustragen, um uns in der Hölle zu begraben, sind unsere ungeordnete Begierlichkeit, unsere Trägheit in den Dingen Gottes und unseres Heiles; sind unsere Leidenschaften, unser Stolz, unsere Habsucht, unsere Eigenliebe; sind die Welt, das Fleisch, der Teufel. Ein trauriger Leichenzug! Nur Leichen, Leichen, lauter Jugend, die leben sollte - und sie ist tot! Hinter der Bahre die Mutter, weinend, die heilige Kirche. Sie weiß um die geistig Toten, um die Kinder, die sie zum Leben geboren, die sie alle zum ewigen Leben fÜhren möchte - und so viele ,ihrer Kinder haben den Tod gewählt, den Weg der Sünde, des Verderbens. So steht sie trauernd an den vielell Totenbahren. Da kommt Christus. Er sieht die Mutter weinen. Das greift Ihm ans Herz. "Weine nicht." Er tritt im Sakrament der Buße, insbesondere jetzt in der heiligen Osterzeit, an die Toten heran und befiehlt: "Ich sage dir, stehe auf!" "Ich spreche dich los von deinen Sünden." Der zum Leben Erweckte erhebt sich. Er verläßt den Weg der Sünde und der Gottesferne und wird der Mutter wiedergegeben. Das ist die Osterfreude, die Auferstehungsfreude der Mutter Kirche.

3. Eine Totenerweckung, erwirkt durch das Gebet und die Tränen der Mutter Kirche. Die Verzeihung, die Gnade zur Buße und Umkehr, kommt zu uns auf dem Wege Über die Gemeinschaft, über die betende, opfernde, sühnende Mutter Kirche. "Sie weint über jedes ihrer Kinder, als wäre es ihr eigenes Kind. Sie leidet bitteren Schmerz, wenn sie sieht, daß ihre Kinder durch die SÜnde dem Tode verfallen sind" (St. Ambrosius). Das Weinen und Beten der Kirche, der Mutter, ist nicht fruchtlos. Auf die Tränen der Kirche stützen wir uns, wo wir fÜr unsere Lieben beten, die den rechten Weg verloren

184 Ir. Die Fastenzeit: Vierte \Voche.

haben. Die SÜnde, die Abkehr von Gott, ist Tod. Tot ist der l\T und: er öffnet sich nicht mehr zum Gebet, zum Lobe Gottes. Tot sind die Augen: sie sehen nicht mehr Gott, sondern nur noch das Geschaffene und sprechen zum Geschaffenen, zu einem Götzen:

"Mein Vater bist Du, mein Gott, mein Alles." Tot sind die Hände: sie arbeiten nicht mehr fÜr Gott, sondern gegen Ihn. Tot sind die Füße: sie tragen uns auf den Wegen des Verderbens. Da kann allein einer noch Hilfe schaffen, Gott, der Totenerwecker. Was tut Er? Mit der ganzen FÜlle der lebendigen Gottheit nimmt Er unsere Menschennatur an und wird uns in allem gleich, die SÜnde ausgenommen (Hebr. 4, 15). Ein anderer Elisäus, legt Er gleichsam Seinen Mund auf unsern Mund, Seine Augen, Hände, FÜße auf unsere Augen, Hände und FÜlle. Er, das Leben, nimmt das Gewand des Todes an, durchheiligt die Glieder, öffnet den Mund dem Lobpreise Gottes, die Augen sehen das Heil, die Hände arbeiten fÜr Gottes Ehre, die Füße wandeln die \Vege Gottes. Die Seele ruft mit all ihren Kräften: "Meine Seele preise den Herrn, und alles, was in mir ist, Seinen heiligc;n Namen" (Ps. I02, r). Jesus, der neue EI isäus! Wie muß ich Ihm danken!

Die Kirche weint um die SÜnder! Und mit der Mutter weinen auch wir, die Kinder, Über die BrÜder und Schwestern, die auf der Bahre hinausgetragen werden, um in der Hölle begraben zu werden. Wir teilen den Schmerz der Mutter, wir beten mit ihr fÜr die SÜnder, die BÜßer. Wir machen uns eins mit den unglÜcklichen Opfern der SÜnde, der VerfÜhrung, der Blindheit. Mit dem Propheten Elisäus beten wir, suchen wir den Toten in seiner Kammer auf, geben wir uns ihm ganz hin, legen wir unsere Augen auf die Augen, unsern Mund auf den Mund, unsere Arme auf die Arme des Toten, in innigster Liebe und Teilnahme. Wir verachten ihn nicht. Wir meiden ihn nicht, wir sehen in ihm die todkranke Seele. Wir haben für ihn Mitleid, Gebet, Opfer,

Freitag: "Ich bin die Auferstehung und da~ Leben!" 185 Sühnewerke, aus dem Verlangen, ihm Miterlöser zu sein, und allen alles zu werden, ganz wie die betende, weinende Mutter Kirche. "Ich will nicht den Tod des SÜnders, sondern daß er sich bekehre und lebe" (Ez. 33, II).

Ge b e t.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, laß uns, in Zucht genommen durch das feierliche Fasten, durch eben diesen heiligen Dienst auch froh werden, so daß wir nach Abtötung der irdischen Begierden leichter das Himmlische erfassen.

Gott, Du Lehrer und Lenker Deines Volkes, vertreibe die SÜnden, die es bestÜrmen, so. wird es allezeit Dein Wohlgefallen besitzen und unter Deinem Schutze sicher sein. Durch Christus unserH Herrn. Amen.

Freitag nach dem vierten Fastensonntag.

"I c h bin die Auf e r s t e h u n gun d das Leben!"

1. Gehobenen Herzens ziehen wir heute nach Sankt Eusebius. Wir sind auf dem großen Gräber- und Totenfeld des alten Rom. Vor unserem Geiste steht Christus, der Totenerwecker, der Herr Über Tod und Grab. Wir jubeln Ihm mit dem Introitus zu:

"Meines Herzens Sinnen ist allezeit vor Dir, 0 Herr, mein Helfer und Erlöser." Du hast auch mich vom

• Tode ( der SÜnde) erweckt, Du wirst mich am J Üngsten Tage endgÜltig vom Tode zum Leben erwecken. "Die Himmel (die vom Tode der SÜnde zum Leben der Gnade und Glorie Erweckten) künden Gottes (Christi) Herrlichkeit, und Seiner Hände Werk (Wundertaten, Totenerweckung) rühmt das Himmelszelt (die Geretteten auf Erden und im Himmel)" (Ps. 18,2, Introituspsalm).

2. Je s u s er w eck t den La zar u s zum L ebe 11. Das ist eines der bedeutsamsten vVunder, die

Er in Seinem Erdenleben gewirkt. \Vir staunen d libero Aber mit Recht belehrt uns der hl. Augustin' "Wenn wir auf denjenigen schauen, der diesesWI der gewirkt, so müssen wir weniger darüber st nen, als uns freuen. Der, welcher den Mensel vom Tode erweckt hat. ist derselbe, der ihn a erschaffen hat, der Sohn des Vaters. Was Wun( wenn einer durch denjenigen vom Tode wieder weckt wird, durch welchen täglich so viele ins Le

, gerufen werden? Wenn Er wollte, könnte Er pi lich alle Toten erwecken: dies hat Er jedoch aufs Ende der Zeiten vorbehalten. Es wird Stunde kommen, in der alle Seine Stimme hö wie jetzt der tote Lazarus, und aus ihren Grä' hervorgehen werden (Joh. 5,28). Durch das Wu an Lazarus sollen wir auf das große Wunder allgemeinen Auferstehung vorbereitet werden, d wir nicht zum Tode, sondern zum Leben auferstel Jesus ist der große Totenerwecker! Was E Lazarus tut, das hat Er an uns allen geistiger' getan in der heiligen Taufe, oft und oft im S ment der Buße. Im Genuß der heiligen Komm' senkt Er in unsere Körper den Keim der ein~ Auferstehung, damit auch der arme Körper ewig lebe und die Freuden des Himmels mitgel "Ich bin die Auferstehung und das Leben. W M ich glaubt, wird leben, auch wenn er schc

storben ist."

Jesus erweckt die geistig Toten

Leb e n. "Als J esUS die Schweste'r des Lazaru \\~\\ 'Sah., warCl ~T '::re1. ~'i~"i;.a~ \lUd erschütte sprach: Wo habt ihr ibn ni.n-gek%,t( Sie a teten: Herr komm und sieh! Da weinte Die ] uden aber sprachen: Seht, wie lieb hatte." Das alles ist der heiligen Liturgie ein nis, ein Bild. Warum weinte der Herr und betrübt? Die Antwort gebe uns wieder der h stinUS: "Weil der Tote, der schon vier '1 Grabe lag, das Bild eines Sünders ist, den

I R6 11. Die Fastenzeit· Vierte Woche.

Er in Seinem Erdenleben gewirkt. Wir staunen dutiber. Aber mit Recht belehrt uns der hl. Augustinus:

"Wenn wir auf denjenigen schauen, der diesesWunder gewirkt, so müssen wir weniger darüber staunen, als uns freuen. Der, welcher den Menschen vom Tode erweckt hat. ist derselbe, der ihn auch erschaffen hat, der Sohn des Vaters. Was \iVunder, wenn einer durch denj enigen vom Tode wieder erweckt wird, durch welchen täglich so viele ins Leben gerufen werden? Wenn Er wollte, könnte Er plötzlich alle Toten erwecken: dies hat Er jedoch bis aufs Ende der Zeiten vorbehalten. Es wird die Stunde kommen, in der alle Seine Stimme hören, wie jetzt der tote Lazarus, und aus ihren Gräbern hervorgehen werden (Joh. 5, 28). Durch das Wunder an Lazarus sollen wir auf das große Wunder der allgemeinen Auferstehung vorbereitet werden, damit wir nicht zum Tode, sondern zum Leben auferstehen." Jesus ist der große Totenerwecker! Was Er an Lazarus tut, das hat Er an uns allen geistigerweise getan in der heiligen Taufe, oft und oft im Sakrament der Buße. Im Genuß der heiligen Kommunion senkt Er in unsere Körper den Keim der einstigen Auferstehung, damit auch der arme Körper lebe, ewig lebe und die Freuden des Himmels mitgenieße! "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an Mich glaubt, wird leben, auch wenn er schon gestorben ist."

Jesus erweckt die geistig Toten zum Leb e n. "Als Jesus die Schweste'r des Lazarus weinen sah, ward Er tief ergriffen und erschüttert und sprach: Wo habt ihr ihn hingelegt? Sie antworteten: Herr komm und sieh! Da weinte Jesus. Die Juden aber sprachen: Seht, wie lieb Er ihn hatte." Das alles ist der heiligen Liturgie ein Gleichnis, ein Bild. Warum weinte der Herr und war Er betrübt? Die Antwort gebe uns wieder der hl. Augustinus: "Weil der Tote, der schon vier Tage im Grabe lag, das Bild eines Sünders ist, den die Last


Freitag: "Ich bin die Auferstehung und das Leben I"~ 187

der Sünden druckt. Er deutet damit an, wie auch du betrübt sein sollst, wenn eine große Sündenschuld auf dir lastet. Wenn du dich schuldig erkennst; wenn du sagst: Das habe ich getan, und Gott hat sich meiner erbat'mt: das habe ich begangen, und Gott hat meiner geschont: ich bin getauft, und doch wieder in Sünde gefallen, was fange ich an? W oh in soll ich gehen? Wohin entfliehen? Wenn du reuevoll also sprichst, dann seufzet der Heiland aus Mitleid mit dir." "Wo habt ihr ihn hingelegt?" Er weifi alle<;. Warum fragt Er also? Um uns zu belehren: .,Ich kenne euch nicht." So sehr hat die Sünde uns entstellt, verabscheuungswürdig und unansehnlich gemacht. Eine abstoßende, verwesende Leiche. "Komm und sieh." Er sieht unser Sündenelend an - und weint. "Seht, wie Er ihn lieb hatte!" Dann tritt er im Sakrament der heiligen Taufe, im Sakrament der Buße an den Sünder heran und befiehlt mit Macht:

"Komm heraus!" Brich mIt Tod, Grab und Verwesung, laß die Sünde und das Böse. "Komm heraus" und lebe das Leben der Gnade, der Gotteskindschaft! Eine Totenerweckung in der Taufe und im heiligen Bußsakrament. "Dem (in der Sünde) gedemÜtigten Volke bringst Du Rettung. 0 Herr. Wer ist Gott außer Dir?" (Offertorium.)

3. Der heutige Tag ist ein Tag innigen, freudigen Dankes für die Erweckung von den Toten, d. i. für die unschätzbare Gnade der heiligen Taufe und des Sakramentes der Buße.

Es ist ein Tag eifriger Fürbitte für die Täuflinge und insbesondere für die vielen Unglücklichen, die durch. die SÜnde geistig tot sind. Daß sie die Gnade erhalten, vom Grabe der SÜnde auferweckt zu werden und eine gute Osterbeicht zu machen. Daß sie die Kraft bekommen, aus dem Grabe endgültig herauszukommen, und von nun an im Licht des Glaubens zu wandeln. Es braucht viel Gebet und Opfer

unsererseits.

Es ist ein Tag fester EntschlIlIssenheit: "Laßt uns

mit Ihm gehen, daß wir mit Ihm sterben." So sprechen wir heute mit dem Apostel Thomas im Evangelium. "Laßt uns mit Ihm gehen, daß wir mit Ihm sterben." Denn soweit werden wir das Leben haben, als wir' mit Ihm sterben. Das will die heilige Taufe, mit der wir besiegelt sind. Das will die tägliche heilige Messe: Opfergemeinschaft mit dem sich opfernden Herrn, damit wir, tot dem Ungöttlichen, dem eigenen Geist, mIt J esus ungeteilt dem Vater leben. Das will das christliche Leben überhaupt: "Ihr sollt euch als solche betrachten, die, der Sünde gestorben, für Gott leben in Christus J esus" (Röm. 6, II). Das will vor allem die heilige Fastenzeit.

Ge b e t.

o Gott, Du erneuerst die Welt durch unaussprechliche Sakramente (das Geheimnis des Leidens, des Todes und der Auferstehung des Herrn); so gib, wir bitten Dich, daß Deine Kirche durch diese Überzeitlichen Einrichtungen (geistlich) wachse, aber auch der zeitlichen Hilfe nicht entbehre.

Allmächtiger Gott, unserer eigenen Schwäche wohl bewußt, vertrauen wir auf Deine Kraft und bitten Dich, laß uns unter dem Schutze Deiner Vatergüte allzeit freudig sein. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Samstag nach dem vierten Fastensonntag.

"Kommet ans Licht!"

1. Ein Tag heiligen Jubels. Die Täuflinge haben sich im Heiligtum des großen heiligen Bischofs Nikolaus eingefunden. Sie machen ihr Taufexamen. Jetzt erfolgt dIe Einladung an sie: "Ihr Dürstenden kommet zu den Wassern (der heiligen Taufe). Kommt her und trinkt in Freuden" (Introitus). \Vas werden sie in der heiligen Taufe, im Christentum, in der Kirche finden?

2. I n der h eil i gen Tau f e f i n den wir

Samstag: "Kommet ans Licht I" 189

den Herrn und Hirten unserer Seelen (Epistel). "So spricht der Herr (zum Messias, zu Christus): Am Tag des Heils (da Du das Werk der Erlösung wirkst, in der Passion) helfe Ich Dir. Ich rette Dich und grÜnde auf Dich den Bund mit l\leinem Volke: Du sollst dem Lande aufhelfen und die verödeten Erbteile in Besitz nehmen." Der Vater übergibt die Menscl~eit, insbesondere die Heidenweit, uns, Seinem menschgewordenen Sohn, nicht damit Er die Welt richte, sondern damit Er sie rette (Joh. 3, 16). Der von Gott gesandte Retter ruft uns alle zu sich. ,Ihr Gefangenen, kommt heraus! Ihr, die ihr in Finsternis schmachtet, kommt ans Licht! Sie werden weiden an den Wegen, auf allen Ebenen werden ihre Triften sein. Sie werden weder Hunger noch Durst leiden, noch wird Sonnenhitze sie quälen: denn ihr Erbarmer wird sie fÜhren und an Wasserbächen tränken. Dann kommen sie von ferne, jene vom Norden und vom Meer, und diese aus dem Mittagslande. Denn der Herr hat Sein Volk getröstet und Seiner Ärmsten (der Heiden, unser) sich erbarmt." Aus Liebe. "Kann denn ein Weib ihr Kind vergessen, daß sie kein Mitleid trÜge mit dem Sohne ihres Schoßes? Und wenn sie seiner vergessen könnte, so werde doch Ich nie deiner vergessen." Der Vater hat uns ohne unser Verdienst in der heiligen Taufe Seinem Sohne, dem Erlöser, geschenkt unq anvertraut. Er ist der gute Hirt, der uns weidet. Er ist das Brot des Lebens, der Quell lebendigen vVassers (Taufe und Eucharistie). Darum hin zu Christus, dem guten Hirten. ,,0 Herr, Dir ist der Arme (sind wir) Überlassen, und dem Verwaisten bist Du Helfer" (Graduale). "Lobsinget, ihr Himmel, und frohlocke, Erde: Der Herr hat Sein Volk getröstet und Seiner Armen sich erbarmt" (Epistel) in den Sakramenten der heiligen Taufe, der Buße, der heiligen Eucharistie. "Der Herr ist mein Fels geworden, mein Hort und mein Bef;eier. Auf Ihn vertraue ich" (Offertorium).

190

11. Die Fastenzeit: Vierte Woche.

"Ich bin das Licht der Welt (die Sonne).

Wer Mir nachfolgt, wandelt nicht in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben." Unglücklich diej enigen, welche noch nicht durch die heilige Taufe zu Christus gekommen sind. Unglücklich diejenigen, welche ~ach der Taufe durch das Leben der SÜnde sich von Christus, dem Licht, getrennt haben. Sie wandeln in der Finsternis, in der Nacht, wie die Juden des heutigen Evangeliums, die sich vom Licht abwenden. Sie können das Licht nicht ertragen. Sie wollen es auslöschen. "Aber Seine Stunde ist noch nicht gekommen." Das Licht zieht sich immer mehr von ihnen zurÜck. Sie wandeln in der Finsternis. Wenige Tage noch, dann werden sie in ihrer Verblendung vom heidnischen Richter die Vollmacht erb'itten, ihren Messias ans Kreuz zu schlagen. Sie werden denj enigen, auf den ihre Väter sehnsüchtig gewartet, den ihre Propheten seit langen Jahrhunderten vorausgesagt und angekündigt haben; denj enigen, auf den ihr gesamtes religiöses Leben, der Kult und die Opfer im Tempel zu Jerusalem hingewiesen haben, vor dem heidnischen Richter, vor der ganzen Welt verwerfen. "Gib uns den Barabbas frei!" - "Was soll ich dann mit J esus tun, dem König der Juden?" fragt sie Pilatus. Und sie rufen: Kreuzige Ihn. Kreuzige Ihn. Sein Blut komme über uns und unsere Kinder." "Sie wandeln in der Finsternis", in der Verblendung. "Ich bezeuge ihnen", schreibt der hl. Paulus, "daß sie Eifer für Gott haben. Aber es fehlt die rechte Einsicht. Da sie die Rech,tfertigung durch Gott verkannten und auf ihre eigene Rechtfertigung (ihr eigenes Tun und Wirken) pochten, haben sie sich der Rechtfertigung durch Gott (sie erfolgt durch den Glauben an Jesus und durch die Werke aus dem Glauben an Jesus) nicht unterworfen" (Röm.1O, 2). "Was Israel anstrebte (das Heil), das hat es nicht erreicht. Nur der auserwählte Teil hat es erreicht: die andern blieben verstockt, nach dem \N' orte der

Samstag: "Kommet ans Licht!" 191

Schrift: Gott gab ihnen einen Geist der Betäubung, Augen, um nicht zu sehen, Ohren, um nicht zu hören, bis auf den heutigen Tag" (Röm. I I, 7). Kann es für ein Volk, fÜr die Menschheit, für eine Seele ein größeres Unglück geben als das UnglÜck der geistigen Verblendung? Gott nicht mehr sehen, Christus nicht sehen, das Licht! In der Finsternis wandeln! Der Stolz, das Pochen auf die eigene Anstrengung, auf die Treue gegen das Gesetz des Moses, hat Israel blind gemacht. Es sah das Licht, die Sonne, Christus nicht.

3. "Ich bin das Licht der Welt." Israel hat das Licht abgelehnt. Es wandert zu uns, den aus den Heiden Berufenen. In der heiligen Taufe, in der Zugehörigkeit zu Christus, zur heiligen Kirche "hat Er uns der Gewalt der Finsternis entrissen und in das Reich Seines geliebten Sohnes versetzt. In Ihm haben wir die Erlösung durch Sein Blut, die Vergebung der Sünden. Er ist das Haupt des Leibes der Kirche. Er ist auch der Anfang, der Erstgeborene unter den Toten" (Kol. I, 13 ff.). Ihm sind wir einverleibt, lebendig verwachsen. "Ich bin das Licht der Welt", die Sonne der Wahrheit und Gerechtigkeit (Heiligkeit).

Wandeln w.ir in Wahrheit im Lichte? Die heilige Taufe allein tut es nicht. Sie muß gelebt werden. Unser Leben muß ein dauerndes "Abrenuntio" sein, ein: Ich widersage allem, was Gott entgegen ist oder nicht für Ihn ist. Und ein: Ich glaube an Gott, an Christus, an die heilige Kirche, an das Jenseits, an die Auferstehung und das ewige Leben! Und weil ich glaube, darum liebe ich Gott und Sein Gebot aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus allen meinen Kräften. Und der unzweideutige Beweis dafür, daß ich im Lichte wandle? "Wer sagt, er sei im Lichte und haßt seinen Bruder, der ist noch immer in der Finsternis. Wer seinen Bruder (Nächsten) liebt, der bleibt im Lichte, und kein Anstoß ist .. 11 ihm. Wer aber seinen Bruder haßt, ist im Fin-

192 Ir. Die Fastenzeit· Vierte Woche.

stern und wandelt im Finstern. Er weiß ni wohin er gerät: denn die Finsternis hat seine Au geblendet" (r Joh. 2, 9 ff.). Dankbar bekennen, wenn wir heute die heilige Kommunion empfan haben: "Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mangeln. Er weidet mich auf grüner Au. Er fü mich zu erquickenden Gewässern" (Communio).

Ge b e t.

Wir bitten, 0 Herr: durch Deine Gnade m, unsere Opfergesinnung FrÜchte bringen; denn I dann werden uns die Übernommenen Fasten nütz wenn Deine VatergÜte an ihnen Gefallen findet.

Gott, Du willst Dich derer, die auf Dich hoff eher erbarmen, als ihnen zÜrnen. So laß uns ( Böse, das wir getan, gebührend beweinen, dar wir die Gnade Deines Trostes zu finden verdien Durch Christus unsern Herrn. Amen.

!Ir. DIE HEILIGE PASSIONSZEIT

Einführung.

Ein neuer Abschnitt der heiligen Fastenzeit beginnt. Bisher lebten wir von Septuagesima an der Reinigung und Läuterung unseres Wesens und Lebens. Das bezweckte die Liturgie dieser sieben Wochen. Durch die Zucht der Sinne und der Leidenschaften, durch die Entsagung, das Fasten, Beten und Almosengeben sind wir für das Große, das uns von jetzt an zu beschäftigen hat, empfänglicher geworden. "Selig die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen", das göttlich Hehre und Heilige, das sich in den zwei Wochen der Passionszeit vor unsern Augen abspielt.

/ I Von reute an nehmen wir ganz am Tod und an

der Auferstehung des Herrn Anteil. Das ist jetzt das Wesentliche, daß wir uns von den Feiern und Geheimnissen des Leidens und Sterbens Christi vollkommen ergreifen und erfüllen lassen. Auf diese Weise gelangen wir zu den erhabenen Gütern, die uns diese Feiern zu vermitteln bestimmt sind.

Im Mittelpunkt der heiligen Liturgie steht das heilige Kreuz. Jetzt ist es an uns, das Kreuz im Sinne des Herrn schätzen, verstehen und lieben zu lernen. Denn vom Kreuze geht das Heil des Menschengeschlechtes aus. Vom Baume des Paradieses kam der Tod: vom· Baume des Kreuzes kommt das Leben. Am Baume des Paradieses hat Satan den Menschen besiegt, am Baum des Kreuzes wird er besiegt durch Christus unsern Herrn (Präfation vom heiligen Kreuz). Aber nicht bloß das Kreuz Christi! Vielmehr im Kreuze des Herrn unser Kreuz, die Leiden und Bitterkeiten des Lebens verstehen, schätzen und lieben lernen! Das ist jetzt unsere

13*

Die liturgische Meßfeier de~ Passionsson n tags.

Mit dem heutigen Sonntag tritt Christus in Seinem Opferleiden und Opfertod in den Vordergrund Die Kirche geht in zartem, liebendem Verstehen und Empfi.nden in Sein Leiden und Sterben ein. Sie legt die Trauerkleider an. Sie verhüllt ihren Schmuck, die Kreuze und Bilder, sie unterläßt in der Feier der heiligen Messe jedes "Ehre sei dem Vater". 1m Brevier wird die laufende Schriftlesung aus den Büchern Mosis unterbrochen. Statt dessen tritt der Prophet Jeremias "auf den Plan, das Vorbild des leidenden Christus. "Aus dem Rachen des Löwen rette mich, Herr". so lautet der immer wiederkehrende Fleh- und Hilferuf. Die Kirche lebt ganz in der liebenden Teilnahme am Leiden und Sterben des Erlösers. Aus dieser seelischen Verfassung der Kirche heraus muß die Meßliturgie der Passionszeit

gewertet. und miterlebt werden.

1. Gleich der Introitus versetzt uns in den An-

blick des Hohenpriesters Christus am Fuße des Kalvaria. Wir sind Zeugen Seines Flehens und Seiner tiefen Beklemmung: "Schaff Recht mir, Gott, und führe meine Sache gegen ein unheiliges Volk", das mich zU verderben gedenkt. Aber wir bleiben nicht bloß Zeugen des Ringens Christi, wir wissen uns eins mit Ihm, wir mitsamt der ganzen heiligen Kirche identifizieren uns mit Ihm, wir machen Seine ~ot zu unserer eigenen Not und Sein Gebet zu unserem Gebet. Ein gewaltiges Rufen Christi und Seiner Kirche, das sich in den ernsten Melodien des Kyrie eleison und in der Oration zum Himmel

emporarbeitet.

2. Christus tritt Seinen schwer~ Opfergang an.

Er tritt nicht wie der Hohepriester des Alten Bundes

196 III. Die heilige Passionszeit: Einführung. Aufgabe. "Wer Mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben um Meinetwillen verliert, der wird es finden" (Matth. 16, 24 f.).

"Alles ist für uns im Kreuze beschlossen, im

Sterben. Es gibt kei.nen ~ ...ML-<f."'"~ao-..a-o€w ~~.",nfrefl Jrmern Frieden als den des Kreuzes und des täglichen Sich-selber-Sterbens. Je mehr einer sich selber stirbt, um so mehr beginnt er Gott zu leben. Gäbe es für das Heil des Menschen etwas Nützlicheres und Besseres als leiden, dann hätte Christus es durch Wort und Beispiel kundgetan" (N ach folge Christi, II. Buch, 12. Kapitel).

Ill. Die heilige Passionszeit.

mit dem Blut von Tieren, mit dem fremden Opferblut vor Gottes Angesicht hin, sondern im priesterlichen Ornat des eigenen Blutes, das Er bis auf den letzten Tropfen hingibt. Er bringt. sich selbst als 'ein unbeflecktes, heiliges Opfer dar, das den Vater mit uns Menschen versöhnt und eine neue Menschheit schafft: in der heiligen Kirche (Epistel). Es ist kein leichter Gang, ein Gang voll der Qual und Seelennot. Aus ihr heraus betet Christus und beten wir mit Ihm die rührenden Worte des Graduale und Tractus. ,,0 Herr, errette mich von meinen Feinden." Im Evangelium umringen sie Ihn, verdächtigen und schmähen sie Ihn; ja sie heben bereits Steine wider Ihn auf. Aber "Jesus verbarg sich und ging hinweg aus dem Tempel". Ein bedeutsames Ereignis. Er verläßt die Synagoge, die Seine Person und Sein Wort ablehnt und von sich stößt, und wendet sich der Kirche des Neuen Bundes zu. Sie hört Sein Wort und wird Seines Lebens teilhaft: "Wenn jemand Mein Wort hält, wird er den Tod nicht schauen in Ewigkeit." Die heilige Kirche, wir wollen Sein Wort halten und bejahen diesen unsern Willen in einem kräftigen "Credo - ich glaube", und ich will leben, was ich glaube. "Das tue an Deinem Knecht, daß ich lebe und Deine Gebote halte" (Offertorium).

3. Nun vollzieht Er auf unserem Altare in wirklicher, wenn schon unblutiger und geheimnisvoller Weise Seinen Erlösertod. Wir folgen Ihm. Wir teilen Seinen Todesgang in ebenso geistig-wirklicher wie geheimnisvoller, innerlich verborgener Weise. Wir erwarten und begrüßen Ihn dankbaren Herzens als unsere reine, heilige, unbefleckte Opfergabe, die wir der unendlich erhabenen Gottheit stellvertretend für uns, als Gabe des Dankes, der Huldigung, der Fürbitte, der SÜhne übergeben. Aber wir tun ein Z weites. Wir Jassen Ihn nicht allein vor den Vater hintreten und sich opfern. Wie Er gehen auch. wir den Todesgang und treten "mit dem eigenen Blute" in das Allerheiligste ein, vor Gottes Angesicht. Wie

I

Passionssonntag: Der Hohepriester. 199

die Substanz des Brotes und Weines aufhört zu sein, gleichsam stirbt, so hören auch wir, ein M itopfer mit Christus geworden, auf, der alte Mensch zu sein. Wir ziehen den neuen Menschen an, wir leben neue Gedanken, verfolgen neue Ziele, leben ein neues, ganz in Christus aufgegangenes Leben. Wir sind Geopferte geworden, Gott Zugehörige, in die Welt Gottes hineingehoben, mit Christus gekreuzigt, der Sünde und jeder Ungerechtigkeit gestorben. Mit Christus ein Opfer geworden, leben wir nur mehr Gott (Röm. 6, rr). Als neue Menschen verlassen wir die Feierstunde der heiligen Messe. Mit Christus sind wir mit Gott in innigste Gemein- . schaft getreten. Mit Christus haben wir aus übervollem Kindesherzen unser Vaterunser gebetet, den Erguß der kindlichen Liebe und Hingebung an den Vater. "Gib uns heute unser tägliches Brot." Wie sollte Er uns in diesen heiligen Augenblicken nicht hold sein, wo wir Ihm im Mitopfer mit Christus so nahe gekommen sind? In väterlicher Herablassung schenkt Er uns als Unterpfand Seiner Freundschaft und Vatersorg-e den Inbegriff alles Guten, Seinen eigenen Sohn und in Ihm Sein seliges, göttliches Leben. "Das ist Mein Leib, das ist Mein Blut. Tut dies zu Meinem. Andenken" (Communio), nicht äuJ3erlich, sondern innerlich, in wahrem geistigem, innerlichem Mitopfern, Mitsterben und Mitleben Wir erwarten voll Zuversicht, daß das Wort des Evangeliums sich an uns erfÜlle: "Wenn jemand 'Mein Wort hält, wird er den Tod nicht schauen in

Ewigkeit."

Passionssonntag.

Der Hphepriester.

I. "Iudica me - Schaff Recht mir, Gott, und führe meine Sache gegen ein unheiliges Volk. Von frevelhaften, falschen Menschen rette mich; denn Du bist ja meip Gott und meine Stärke" (Introitus). ,,0 Herr,

200 III. Die heilige Passionszeit. Passionswoche.

errette mich vor meinen Feinden. Sie feiodeten gar oft mich an von Jugend auf. Auf meinem Rücken schmiedeten die Sünder Sie trieben ihre Bosheit lange; doch der Herr brach der Sünder Nacken" (Tractus). So betet die Kirche aus dem Herzen des Bräutigams heraus. So tief empfindet sie Seine Not und Sein Leiden mit. Er steht unmittelbar vor Seiner Passion. Schon ist Er der Gewalt Seiner Feinde ausgeliefert.

2. "B r ü der ICh r ist u s e r s chi e n als Ho her p r i e s t e r der künftigen Güter. Er ging durch das erhabenere und vollkommenere Zelt (den Himmel) nicht mit dem Blute von Böcken und Stieren (wie der Hohepriester des Alten Bundes), sondern mit Seinem eigerien Blute ein für alle Mal in das Allerheiligste (des Himmels) ein, nachdem Er (am Kreuze) eine ewige (für ewig gültige und wirksame) Erlösung bewirkt hatte." Die Tieropfer des Alten Bundes können die Reinigung von Sünden nicht bewirken. Christi Blut aber "reinigt unser Gewissen von den toten Werken (Sünden), auf daß wir dem lebendigen Gotte dienen. Darum ist Er der Mittler des N euen Bundes, damit durch Seinen Tod die Berufenen das verheißene, ewige Erbe erhielten durch Christus Jesus unsern Herrn" (Epistel). Jesus geht mit Seinem eigenen Blute in das Allerheiligste des Himmels ein. Anders der HOhepriester des Alten Testamentes am Versöhnungstag. Er nimmt fremdes Blut, das Blut der Opfertiere, und trägt es in das (irdische) Allerheiligste des Tempels in Jerusalem. Der Hohepriester des Alten Testamentes tut sich mit seinem Opfern nicht wehe. Anders Jesus. Er opfert alles, Seinen letzten Tropfen Blutes, unter namenlosen Verdemütigungen, Ungerechtigkeiten, innern und äußern Leiden und Qualen: im ölgarten, an der Geißel säule, auf dem schmerzvollen Kreuzweg, am Kreuze. Um uns, die Seinen, von der Sünde loszukaufen, und uns, den Berufenen, das ewige Erbe zu sichern.

Passionssonntag' Der Hohepriester. 201

"S i e hob e n S t ein e auf, um na chI h m zu wer f e n. Er aber verbarg sich und ging hinweg aus dem Tempel" (Evangelium). Sie können Ihm nichts anhaben. Er ist der Stärkere. Sie glühen von Haß. Sie mißdeuten Seine Worte. Er erklärt ihnen:

"Ich kenne den Vater und halte Seine Worte. Abraham, euer Vater, hat frohlockt, daß er Meinen Tag sehen werde: er sah ihn (im Geiste) und freu'te sich." Das reizt die Gegner zum Äußersten. "Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und willst Abraham gesehen haben." Er antwortete ihnen: "Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Ehe Abraham ward, bin Ich." Jetzt heben sie Steine auf, um gegen Ihn zu werfen. Aber gegen Seinen Willen können sie Ihm nichts anhaben. Er geht vom Tempel hinweg. Wenn sie Ihn ergreifen, verurteilen und morden, so können sie es nur, weil und soweit Er es ihnen gestattet. Freiwill~g unterzieht Er sich dem Leiden und Sterben. "Er wurde geopfert, weil Er selber es wollte" (Js. 53, 7). In souveräner Macht über den Willen und die Pläne Seiner Feinde bestimmt Er den Augenblick, die Art und die Dauer Seiner Passion. In der Schwachheit, in der Niederlage des Todes am Kreuze ist Er der unüberwindliche Starke, der Triumphator. "Vater, verzeih ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun" (Luk. 23, 34). "Wer von euch kann Mich einer Sünde beschuldigen?" (Evangelium.) Als der Starke, der Sieger geht Jesus in Seine Passion ein. Als Sieger geht Er aus ihr hervor.

3. Was ~ir in der Passion und am Kreuz des Herrn sehen, ist nicht bloß ein menschliches Blutopfer; es. ist die Erscheinung und Darstellung des Göttlichen, mitten im zerbrechlichen und zerbrochenen Leibe des Gekreuzigten, mitten im Trauerspiel menschlicher Verblendung und Leidenschaft. Da ist nichts vom Geräusch des irdischen Martyriums, kein sich brüstendes Heldenbewußtsein, kein Groß- und Wichtigtun, keine Sensation, keine Menschenverachtung, kel11 Haß, nichts vom Krampf des eigenen

102 Irr. Die heilige Passionszeit: Passionswoche.

Erlebens und Leidens, der die Seele gegen außen verschließt: nur der friedvoIIe Sieg der Liebe des Erlöserherzens über die Leidenschaft, Schwäche uncl Blindheit der Menschen. Das Herz des Gekreuzigten strömt zu uns Über: "Vater, verzeihe ihnen." Es ist Friede geschlossen. Der Sieg des Göttlichen im Tode des Gottmenschen! "Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn" (Mark. 15, 39).

"In Seinem eigenen Blute", aus göttlich inniger, starker Liebe zur Menschenseele, zu meiner Seele. Und wir? Die Kirche verhüllt heute das Kreuz. Sind wir vielleicht nicht mehr wert, es anzuschauen? Sind vielleicht auch wir Seine Feinde und antworten, wir auf Seine Liebe, auf Seine Wunder, auf Sein Blut, mit Steinen? Er hat für die Seelen Seiner Brüder Angst ausgestanden bis aufs Blut, sich geißeln, mit Dornen krönen, kreuzigen lassen - und uns läßt die Not der andern so kalt. Was liegt uns an einer Seele ? Wenn wir ein wenig für sie gebetet, wenn wir sie mit armseligen Worten getröstet, wenn wir ein paar Schritte fÜr einen Bedrängten getan, ihn bei einer Caritasstelle empfohlen, dann sind wir zu Ende. Und Er? Er hat grausame Geißeln auf sich genommen; Er hat die Dornenkrone getragen. Er hat das schwere Kreuz geschleppt - und wir? Wir pflegen unsern Leib so sorglich, als wäre er unser Alles und Letztes; wir wollen um unser Haupt immer einen Kranz von Rosen und Lorbeer tragen und sind unglücklich, ungeduldig, wenn wir dem Kreuzträger Christus auch nur ein Splitterchen Seines. Kreuzes nachtragen sollen, das liegen geblieben ist. Sind wir wirklich eines Geistes mit Ihm, das gleiche wollend und nicht wollend, Seine Freunde? Sind wir nicht vielmehr das Gegenteil? Er lebt nur für Gott und für die andern, fÜr uns Sünder, fÜr mich - und wir leben fÜr uns selbst, unsern vVÜnschen, unsern Leidenschaften!

Christus und Seine Glieder sind eins. Sie gehen den gleichen Weg, den Weg der Passion. Nicht

Passionssonntag: Der Hohepriester. 203

bloß in der liturgischen Feier, in erhebenden Gedanken und Feiern, sondern im Alltag, in der rauhen Wirklichkeit des Lebens. Christus sucht die Passion auf. Er wählt sie freiwillig! Hier bewährt sich Sein Geist, Seine Lehre. Er flieht die rauhe Seite des Lebens nicht. Er macht das Leiden in uns, Seinen Gliedern, dem Leben des Geistes dienstbar, der Loslösung von der Erde und von dem Zeitlichen, der Erhebung über das Gegenwärtige und Egoistische zum Ewigen, zum einen Notwendigen.

Jetzt ist die Zeit, in der wir anfangen sollen, das Kreuz, das Leiden zu schätzen und zu lieben. Im Kreuz, im Leiden, im Mitgekreuzigtwerden mit dem Herrn ist unser Heil. Im vollen Ja zu allen Ungerechtigkeiten, die uns persönlich zugefügt werden, zu den täglichen Unannehmlichkeiten, Widerwärtigkeiten, Krankheiten, Mühen, Opfern und überwindungen. Es fehlt uns der tiefe Glaube. Darum wandeln wir, Gott sei es geklagt, "als Feinde des Kreuzes Christi" (Phil. 3, 18). Wir fliehen das Leiden, das Kreuz, und sollten es schätzen, lieben, freudig empfangen wie der Herr.

Ge b e t.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, sieh gnädig auf Deine Familie herab, damit durch Deine Freigebigkeit ihr leibliches Leben FÜhrung und ihr geistiges Leben durch Deine Obhut Schutz habe. Durch Christus unserb Herrn. Amen.

Es ist recht und heilsam, Dir immer und überall Dank zu sagen, alimächtiger Vater, e.wige.r Gott. Dein Wille war es, daß vom Kreuzesholze das Heil des Menschengeschlechtes ausgehe. Von einem Baume kam der Tod, von einem Baume sollte das Leben erste,hen. Der am Holze siegte (Satan im Paradiese), sollte auch am Holze besiegt werden durch Christus unsern Herrn (Präfation vom heiUgen Kreuz).

204 III. Die heilige Passionszeit: Passionswoche.

Montag der Passionswoche.

Mitgekreuzigt mi t Christus I

1. Der Herr ladet uns heute dringend ein,. Genossen Seiner Passion zu werden und, "was von den Leiden Christi noch aussteht, an unserem Fleische zu ergänzen" (Kol. I, 24). Darum nimmt uns die heilige Liturgie heute zum heiligen Martyrer Chrysogonus: mit ihm, nach seinem Vorbilde und in seinem Geiste sollen wir an der Passion unseres Heilandes teilnehmen.

2. "D i e S a t te n I ä ß t Er 1 e e rau s geh e n" (Luk. I, 53). Sie sind im Evangelium dargestellt. Sie wissen um den Herrn. Sie haben viel von Ihm gehört. Sie haben sich für Ihn interessiert _ aber sie brauchen Ihn nicht. Er hat ihnen nichts zu geben. Sie werden allein fertig. Sie leben glücklich ohne Ihn. Im Gegenteil, Er ist ihnen lästig, ein Vorwurf, ein Dorn im Auge. Aber neutral kann gegenüber Christus nun einmal niemand sein. Gut, so nehmen sie Stellung gegen Ihn, hassen Ihn. Heute senden die Satten, die Hohenpriester und Pharisäer, bereits ihre Leute aus, auf daß sie den ihnen Unbequemen ergreifen und unschädlich machen. Er aber sprach zu ihnen: "Noch eine kurze Zeit bin Ich bei euch: dann gehe Ich zu dem, der Mich gesandt hat. Ihr werdet Mich suchen, aber nicht finden. Wo Ich bin, dahl11 könnt ihr nicht kommen." Das furchtbare Urteil über die Satten! Sie werden Ihn doch noch einmal brauchen: sie werden Ihn in der Not herbeiwÜnschen und suchen: aber "ihr werdet Mich nicht finden". Ewig werden sie von Ihm getrennt sein:

"Wo Ich bin, dahin könnt ihr nicht kommen." Das "Ich kenne euch nicht" (Matth. 25, 12), "Hungrige sättigt Er mit Gütern, Reiche, d. i. die Satten, läßt Er leer ausgehen" (Luk. I, 53): ein Grundgesetz der christlichen Gnadenordnung.

"D i e H u n ger n den sät t i g t E r mit G üte r n" (Luk. I, 53). Der Herr wendet sich von den


Montag: Mitgekreuzigt mit Christus I 205

Satten, den Juden, weg zu den Heiden. Die Elllwohner von Ninive werden gerufen (Epistel). Jonas, der Prophef, kommt zu ihnen und predigt Buße. "Noch vierzig Tage", und Ninive geht unter. Da "glaubten die Bewohner von Ninive an Gott und riefen ein Fasten aus, und alle, groß und klein, zogen Bußkleider an. Auch zum König in Ninive drang die Kunde. Er verließ seinen Thron, legte seinen Mantel ab, zog ein Bußkleid an und setzte sich in Asche." Er gab den Befehl, daß Menschen und Tier fasten, sich "in Bußkleider hüllen und mit Macht den Herrn anrufen". Die Heiden dürsten nach Gott. Sie glauben dem Fremden, der sie zur Buße ruft, und folgen seinem Worte. "Und der Herr erbarmte sich Seines Volkes." Ein großes Symbol! Die Heiden von Ninive, die Dürstenden, Verlangenden, sind wir. Uns ruft der Herr. Wir glauben, wir tun Buße, wir stehen ganz zu Ihm. Nicht etwa bloß mit geistvollen Betrachtungen und schönen Erwägungen über die Passion des Herrn. Nicht bloß mit Gebetsübungen und Beteuerungen, sondern mit dem praktischen alltäglichen Leben des Gehorsams, der Zufriedenheit, der Geduld in Leiden, der Entsagung und der Abtötung. Das ist der Sinn der heutigen . Meßliturgie : Mitgenossen der Passion unseres Herrn, Mitgekreuzigte sollen wir sein und werden. Und das nicht in Verdrossenheit oder nur gezwungen, aus Furcht vor dem Verluste des Heils. Der Herr sueht solche, die nach der Teilnahme an Seiner Passion dürsten, die das Kreuz, das Mitgekreuzigtwerden als ein Gut ansehen und aufrichtig da'nach verlangen. Er sucht· Ganze. Er sucht Tapfere, Starke, so wie Chrysogonus einer war. Taufgeist, Christengeist ist Martyrergeist, ist Wille zum Mitgekreuzigtwerden mit Ihm.

3. Wir wählen heute, im Heiligtum des Martyrers Chrysogonus, in der heiligen Messe den schmerzvollen Weg der Teiln.ahme an der Passion Christi. Wir helfen Ihm das Kreuz tragen. Mit Ihm sind

206 III. Die heilige Passionszeit: Passionswoche.

wir "den ganzen Tag bedrängt ·und zertreten" (Introitus). Immer am Kreuze. Wir harren aus. Wir stellen uns herzhaft neben unsern Herrn und Heiland, daß sie uns mit Ihm geißeln, vor aJler Welt ungerecht verurteilen, uns dem gemeinsten Verbrecher an di.e Seite stellen und fÜr uns nur den grausamen Ruf haben: Ans Kreuz mit ihm. Mit Christus mitgekreuzigt werden! Das ist der Weg des Christen, den er in der Mitfeier der heiligen Messe j eden Tag neu betritt und bej aht. "Erbarme Dich meiner, 0 Herr, man zertritt mich; den ganzen Tag bedrängt mich der Gegner" (Introitus). So fleht J esus in Seiner Passion, so fleht die Kirche und flehen wir mit ihr. Der Herr gibt uns die Kraft, den Kelch der Leiden mit Ihm zu trinken. "Der Herr der Himmelsheere: Er ist der König der Herrlichkeit" (Communio).

"J esus hat viele Liebhaber Seines himmlischen Reiches, aber höchst wenige sind es, die Sein Kreuz mittragen. Viele hat Er, die verlangen nach Trost, aber wenige, die nach Leiden verlangen. Alle wollen mit Ihm einst sich freuen, aber nur wenige wollen etwas mit Ihm leiden. Viele folgen Ihm bis zum Brotbrechen, aber nur wenige bis zur Teilnahme an Seinem Kelch. Viele preisen Seine Wundertaten, aber die wenigsten folgen Ihm in die Schmach Seines Kreuzes" (Nachf. Christi, II. Buch, Ir. Kap.).

Gebet.

Wir bitten Dich, 0 Herr, heilige unser Fasten und schenke uns gnädig Verzeihung aller Schuld.

Gib Deinem Volke Gesundheit an Leib und Seele, damit es durch Eifer in guten Werken verdiene, allezeit in der Obhut Deines Schutzes zu weilen . . Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Dienstag: Daniel in der Löwengrube. 207

Dienstag der Passionswoche.

pan i e I i n der L ö wen g r u b e.

1. Zum Gottesdienst begeben wir uns in das Heiligtum des Martyrers Cyriakus. Er hat dem in Seinen Gliedern gefangenen Daniel des Neuen Bundes, Christus, Hilfe und Trost gebracht, wie dereinst Habakuk dem Daniel in der Löwengrube in Babyion wunderbare Speise gereicht hat.

2. Im Dan i el in der L ö wen g r u be erkennt die Liturgie Christus, umgeben vom Unglauben, vom beißenden Spott Seiner eigenen Brüder und Verwandten in Galiläa. In J erusalem gehen sie schon allen Ernstes damit um, Ihn zu töten. Viele sagen von Ihm: Er ist gut; viele aber sagen: Er ist ein Verführer des Volkes (Evangelium). Noch wenige Tage, dann werden sie gegen Ihn falsche Zeugen aufrufen, Ihn vor Annas und Kaiphas schleppen, Ihn dem Heiqen Pilatus überliefern, Seine Verurteilung fordern und das Volk aufstacheln, daß es rufe: Kreuzige Ihn! Daniel in der Löwengrube! Nun haben sie ihr Ziel erreicht und können Ihn aus dem Wege schaffen. Sie wollen sich an ihm rächen und ruhen nicht, bis Er am Kreuze hähgt. Da stehen sie um das Kreuz herum und weiden sich an der Schmach und an den Qualen des Verhaßten. Sie lästern Ihn, schütteln den Kopf und sagen: "Ei, Du wolltest den Tempel Gottes zerstören und in drei Tagen wieder aufbauen. Nun hilf Dir selbst! 'Wenn Du der Sohn Gottes bist, dann steig herab vom Kreuze." "Andern hat Er geholfen, sich selbst kann Er nicht helfen. Ist Er der König Israels, so steige Er herab vom Kreuze, und wir wollen an Ihn glauben." Daniel, unschUldig, in der Löwengrube ! Er stirbt. Sein Leib wird ins Grab gelegt. Da ,stellen sie Wachen um das Grab und versiegeln es; Löwen, die ihre Beute bewachen! ,,0 Herr, führe Du meine Sache. Vom frevelhaften, falschen Menschen errette mich" (Graduale).

Dan i e I wir d w und erb arg e r e t t e t. Die

208 III. Die heilige Passionszeit: Passion;woche. hungernden Löwen lassen den Daniel, den Diene Gottes, unberÜhrt. Die Feinde wähnen, Jesum ver nichtet zu haben. Gott aber beschämt ihr Sinne] und Planen. Der Gemordete, Besiegte erhebt siel am dritten Tage glorreich von den Toten und mach alle Pläne Seiner Feinde zuschanden. Er grÜnde Sein Reich. Er sendet Seine Apostel: alle Völkel beugen sich Ihm, glauben an Ihn und Seine Worte beten zu Ihm, huldigen Ihm, lieben Ihn, dienen Ihm Ungezählte verlassenVater und Mutter, verzichten au: irdische Liebe und Gemeinschaft, wählen ein Leber der Abtötung, des Verzichtes, der mühsamen Arbei: an, den Seelen, alles, um Ihm zu dienen, dem Köni~ der Geister und Herzen. "Er hat sich selbst erniedrigt Deshalb hat Gott Ihn erhöht und Ihm einen N am er gegeben, der ist über alle Namen. Alle sollen Seinem N amen das Knie beugen und bekennen, daß Christm der Herr ist, zur Verherrlichung des Vaters" (Phi!. 2, 6 ff.). "Am siebten Tage kam der König (von Babel), um über Daniel zu trauern. Als er zur Löwengrube kam, da saß Daniel mitten unter den Löwen. Nun rief der König mit lauter Stimme:

"Groß bist Du, 0 Herr, Gott Daniels." Und er ließ ihn aus der Löwengrube herausziehen. Jene aber, die ihn hatten verderben wollen, ließ er in die Grube werfen, und sie wurden sofort vor seinen Augen aufgefressen. Da sprach der König: "Alle Bewohner des ganzen Landes sollen den Gott Daniels fÜrchten: denn Er ist der Retter, der Zeichen und Wunder tut auf Erden. Er, der den Daniel aus der Löwengrube befreit hat." Christus, der in die Grube Verstoßene, dem Tode Preisgegebene, siegt! Er lebt, Er triumphiert durch Sein heiliges Kreuz und Seine 'Passion! "Auf Dich, 0 Herr, sollen alle hoffen, die Deinen Namen kennen: denn Du verlässest keinen, der Dich sucht. Lobsinget dem Herrn, der auf Sion (in Seiner Kirche) wohnt: denn Er hat die Gebete der Armen nicht vergessen" (Offertorium).

3· Daniel in der Löwengrube ! Christus verleum-

Dienstag: Daniel in der Löwengrube. 209

det, gehaßt, in der Hand Seiner Feinde! In Seiner Person, in Seiner Lehre, in Seinen Geboten und sittlichen Forderungen, in Seinem hochheiligen Sakrament; in Seiner Kirche und ihrem Oberhaupt, in ihren Bischöfen und Priestern, in ihren Lehren und Ansprüchen, in ihrer Geschichte, in ihren Gliedern. So muß es sein. Daniel in der Löwengrube ! Das war den Christen der Katakomben das Bild, das ihnen das Geheimnis Christi und der mit Ihm streitenden, verfolgten, gehaßten Kirche offenbarte. Warum also an dem Daniel in der Löwengrube, an Christus und Seiner Kirche, der Verfolgten, Geschmähten, irre werden? Mußte nicht "Christus alles das leiden und so in Seine Herrlichkeit eingehen?" (Luk. 24, 26.)

"Geh nach J udäa, spotten die BrÜder, d. i. Verwandten Jesu in Galiläa (Nazareth), damit auch Deine Jünger (die dort sind) die Werke sehen, die Du vollbringst. Denn niemand, der bekannt werden will, wirkt im Verborgenen. Offenbare Dich der Welt!" So beurteilt Fleisch und Blut, der irdische Mensch, Christus und Sein Werk. Er hat nur Spott und Hohn und Mißdeutung. Und das sind die aus der Familie und Verwandtschaft! Mit göttlicher Überlegenheit antwortet ihnen Jesus: "Meine Zeit ist noch nicht gekommen: eure Zeit ist immer da." Sie unterschieben dem Herrn das Streben nach irdischer Ehre,.., Er aber sucht den Weg der Erniedrigung. Die Erhöhung und Verherrlichung ist für eine andere Zeit aufgespart. "Hoch ist die Heimat, demÜtig, niedrig der Weg zu ihr. Die Heimat ist Christi' (verklärtes) Leben, der Weg zur Heimat ist Christi Sterben .. Die Heimat ist Christi Ruhen (zur Rechten des Vaters), der Weg zur Heimat ist Christi Leiden" (St. Augustin).

"Meine Zeit ist noch nicht gekommen." So sprechen auch wir, Christi Glieder. Wenn die Liebhaber dieser Welt uns locken, dann antworten wir: Meine Zeit ist noch nicht gekommen. Denn: "Ihr seid geBaUf. \Ver~e Lieht! II. 14

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starben, und euer Leben ist mit Christus - in (;ott verborgen" (KaI. 3, 3). Wann wird denn unsere Zeit gekommen sein? "Wenn Christus, euer Leben, erscheinen wird, dann werdet auch ihr mit Ihm erscheinen In Herrflcli.keit" (Kai. 3, 4)· Das wjJ-d unsere Zeit sein.

Gerne folgen wir Ihm jetzt auf dem Weg der Erniedrigung und des Kreuzes. "Seine" Zeit kam. an Ostern. Auch "unsere" Zeit kommt im ewigen, seligen Ostern der Verklärung. "Auf Dich, 0 Herr, sollen alle hoffen, die Deinen N amen kennen: denn Du verlässest keinen. der Dich sucht."

Ge be t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, laß Dir unser Fasten wohlgefallen. Möge es sühnend Deiner Gnade uns würdig machen und uns zu den Quellen des ewigen Heiles führen.

Verleihe uns, Herr, beharrliches, Deinem Willen entsprechendes Dienen, damit in unsern Tagen das Dir dienende Volk an Verdienst und Zahl wachse. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Mittwoch der Passionswoche.

S c h ä f lei n C h r ist i.

J. Beim heiligen Papst und Martyrer M arcellus nehmen wir heute im Geiste am Skrutinium, d. i. an der Prüfung der Täuflinge auf die Gebote Gottes, teil, die sie vor vierzehn Tagen zum Lernen und Befolgen bekommen haben. Ein Prüfungstag auch für uns, die Getauften, ob wir treu gehalten, was wir in der heiligen Taufe gelobt haben.

2. "M e i 11 e Sc ha feh öre n auf Me i n e S tim me und fo I gen Mir" (Evangelium): Christus der Hirte, die heilige Kirche die Herde. Sie hört auf Seine Stimme. tut immer und in allem, seit zweitausend Jahren, wie Er es angeordnet und befohlen hat. Er befiehlt: "Gehet hin und lehret alle

Mittwoch: Schäflein Christi.

211

Völker und taufet sie im Namen des Vaters usw." Die Kirche führt diesen Befehl des Herrn gewissenhaft aus: "Das ist Mein Leib; das ist der Kelch Meines Blutes." Er befiehlt: "Tut dies zu Meinem Andenken." Und die Kirche feiert ununterbrochen, in Glauben und Ehrfurcht, die heilige Eucharistie. Sie nimmt Sein Wort, Seine Lehre, Seine M ahnungen im Evangelium, aus dem Munde der Apostel, mit demütigem Glauben und heiligem Gehorsam auf:

"Meine Schafe hören auf Meine Stimme." Zu dieser Kirche gehören wir durch die heilige Taufe. Wir schließen uns ihr an. In ihr und mit ihr hören wir auf J esu "Stimme und folgen Ihm": Seinen Geboten, Seinem Beispiel der Liebe zur Armut, zur Verdemütigung, zum Leiden, zum Kreuz! Ernstlich prüfen wir uns darauf, ob wir in allweg auf Seine Stimme hören; ob wir in allem zuerst auf Seinen Willen, auf Sein Gebot achten. Ob wir nicht allzu viel uns nach dem Geist, den Anschauungen, U rteilen und Grundsätzen des bloß natürlichen Menschen und der Welt oder nach den Lockungen des Fleisches und der I:eidenschaften richten. "Meine Schafe hören auf Meine Stimme und folgen Mir."

"I c h k e n n e sie." Er weiß um Seine Getauften, um Seine Schäflein. Er schaut auf sie, Er sorgt sich um sie, daß Er sie nicht verliere, daß sie das Leben haben. "Niemand wird sie Meiner Hand entreißen." So sehr>osind wir Ihm, kraft der heiligen Taufe, ans Herz gewachsen. VI/as hat Er es sich nicht kosten lassen, um uns in Seine Herde aufnehmen zu können? . Wie viele Mühen, Verdemütigungen, Opfer! Sein eigenes Leben mußte Er lassen, um es uns in der hei'ligen Taufe geben zu können. "Ich gebe ihnen das ewige Leben." Kreuz, Taufe, Eucharistie! "Ich kenne sie." Ich liebe sie. Ich gebe Ihnen Meine Verdienste, Meine Genugtuungen. Mein Blut, Mein Leben. "Du rettest mich vor feindseligen Menschen, Du erhebst mich über meine Feinde. Ich liebe Dich, IIerr, Meine Stärke: "Du, Herr, mein Fels, mein

14*

2 I 2 !Ir. Die heilige Passionszeit: Passionswoche.

Hort und mein Befreier" (IntrOItus). "Ich preise Dich, Herr, daß Du mich (unter Deine Schäflein) aufgenommen hast und meine Feinde nicht über mich hast triumphieren lassen" (Graduale).

3. Der heutige Tag ist ein Tag der ernsten Prüfung. "Meine Schafe hören auf Meine Stimme." "Schäflein Christi sind, die an Ihn glauben; Schäflein Christi sind, die dem Hirten folgen; Schäflein Christi sind, die den Erlöser nicht abweisen, die durch die Türe in den Schafstall eingehen, die ausgehen und Weide finden: sie werden das ewige Leben genießen. Siehe, das sind ihre Weidentriften. Eingetreten sind sie durch den Glauben (die heilige Taufe); ausgehen werden sie beim Tode. Gleich wie wir aber durch die Türe des Glaubens eingetreten sind, so wollen wir im Glauben aus dem Körper ausziehen, um die himmlischen Weiden zu finden. Gute Weidetrift ! Das ewige Leben!" (hl. Augustinus). Gehören wir also zu Seinen Schäflein? Hören wir auf Sein Wort? Es ergeht heute in der Epistel an die Täuflinge, es ergeht auch an uns. "Ich bin der Herr, euer Gott. Du sollst den Namen Deines Gottes nicht entweihen. Ich bin der Herr: Du sollst deinem Nächsten kein Unrecht tun. Ich bin der Herr: Du sollst nichts Unrechtes tun und kein ungerechtes Urteil fällen. Ich bin der Herr: Halte Meine Gebote. Denn Ich bin der Herr, euer Gott." "Du sollst nicht auf die Person des Armen schauen (um ih~ ungerecht zu 'behandeln), noch auf den Mächtigen Rüchsicht nehmen. Du sollst den Nächsten gerecht richten. Du sollst kein Verleumder und Ohrenbläser sein. Du sollst deinen Bruder in deinem Herzen nicht hassen, sondern ihn offen zurechtweisen, damit du nicht etwa seinetwegen eine Sünde auf dich ladest. Du sollst deinen Freund lieben wie dich selbst. Halte Meine Gebote! Denn Ich bin der Herr, euer Gott."

Ein Tag des Dankes: "Ich kenne sie, Ich gebe ihnen das ewige Leben", in der Gemeinschaft der

Donnerstag: Deine Sünden sind dir vergeben! 2 I 3 Schäflein Christi, der heiligen Kirche und ihrer gnadenvollen Sakramente, besonders der heiligen Kommunion: "Ich weile so gerne bei Deinem Altare. Da preise ich alle die Wunder" (Deiner Weisheit, Liebe und Güte) (Communio).

Ein Tag der heilsamen Furcht angesichts dessen, was das Evangelium uns heute von den Juden berichtet: sie sehen Ihn, sie hören Seine Worte, sie schauen Seine Wunder, Seine Tugend, Seine Heiligkeit und Sündelosigkeit: und sie glauben nicht, sie weisen Ihn ab. Auch wir können die Gnade mißbrauchen und um den Glauben kommen. "Wer steht, sehe, daß er nicht falle" (I Kor. 10, 12). Herr, bewahre uns vor dem Übel des Mißbrauches der Gnade, der Verblendung, des Unglaubens! Gib, daß wir immer und allzeit auf Deine Stimme hören und Dir folgen.

Gebet.

o Gott, heilige dieses Fasten und erleuchte voll Erbarmen die Herzen Deiner Gläubigen; und wie Du ihnen religiösen Eifer verleihst, so schenke in Deiner Güte ihrem Flehen liebevoll Gehör.

Allmächtiger Gott, sei unserm Flehen hilfreich nahe, und wie Du uns Vertrauen einflößest auf Deine Vatergüte, die wir erhoffen, so laß in Deiner GÜte uns <U1ch die Wirkung Deiner gewohnten Barmherzigkeit zukommen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Donnerstag der Passionswoche.

Deine Sünden sind dir vergeben!

1. Am letzten Donnerstag vor de.m GrÜndollllerstag, dem Tag der Wiederaufnahme in die Kirche, feiern wir die heilige Messe in der Kirche des heiligen Bischofs und Martyrers Apollinaris. Wir sind heute die in Zerknirschung zu den Füßen des Heilandes weinende, büßende und beichtende Sünder in des Evangeliums.

2 14 I I l. Die heilige Passionszeit: Passionswoche.

2. ,,111 j e 11 erZ e i t bat ein Pharisäer J esus, daß Er bei ihm speise. Er ging in das Haus des Pharisäers und setzte sich zu Tische. Nun lebte in jener Stadt ein Weib, eine Sünderin." Sie erfährt, daß Jesus·im Hause des Simon sei. Sie muß zu Ihm kommen. Ihr Gewissen läßt ihr keine Ruhe mehr. Ungerufen und unangemeldet tritt sie in den Saal. Angesichts aller Anwesenden wirft sie sich vor dem Herrn nieder, henetzt mit ihren Tränen Seine Füße, trocknet sie mit ihren Haaren, küßt sie und salbt sie mit öl. Simon, der Pharisäer, der Gastgeber, schaut sich die Szene an. "vVenn dieser ein Prophet wäre, so wüßte Er, wer und was für eine dieses Weib ist, das Ihn berührt: sie ist ja eine Sünder in" , eine Dirne. Der Herr kennt die Gedanken des Gastgebers. "Wenn ein. Gläubiger seinen zwei ~chuldnern, von denen keiner zahlen kann, die Schuld erläßt, dem einen fünfhundert Denare, dem andern fünfzig, welcher von ihnen wird den Gläubiger am meisten lieben?" Simon:

"Ich glaube der, dem er mehr geschenkt hat." "Du hast recht geantwortet", entgegnet ihm J esus. "Siehst du dieses Weib? Sie hat Meine Füße mit Tränen benetzt, sie hat nicht aufgehört, Meine Füße zu kilssen, sie hat sie mit Salbe übergossen. Du aber, Simon, hast Mir, da Ich zu dir kam, kein Wasser für Meine Füße gegeben; du hast Mir keinen Kuß gegeben, noch Mein Haupt mit öl gesalbt. Darum sage Ich dir: Ihr, der Sünderin, werden die vielen Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat. Wem aber weniger vergeben wird, der liebt auch weniger." Dann wendet Er sich zur Sünderin: "Deine Sünden sind dir vergeben. Dein Glaube hat dir geholfen, Gehe hin in Frieden." Wir sind die Sünderin zu Füßen des Herrn. Wir bekennen mit Tränen der Reue und Liebe unsere vielen Sünden und flehen mit der Sünderin des Evangeliums um Gnade und Verzeihung. "Herr, um Deines Namens willen, verstoB uns nicht für immer und löse Deinen Bund nicht

Donnerstag: Deine Sünden sind dir vergeben! 2 15 auf. Laß uns mit zerknirschtem Herzen Aufnahme bei Dir finden" (Epistel).

"Ver her r I ich e Dei n e n Na me nun d handle an uns nach der Fülle Deiner Barmherzigkeit" (Introitus). Die Gnade und Barmherzigkeit des Herrn wirkt in der Sünder in das Wunder der Bekehrung. Durch das geheimnis-

\ volle Wirken Seiner Gnade hat Er der Unglücklichen die Augen geöffnet. Er hat sie die Häßlichkeit und Abscheulichkeit ihres SÜndenlebens erkennen lassen. Er hat ihr den Gedanken ins Herz gelegt, Buße zu tun, umzukehren, mit dem bisherigen Leben zu brechen und sich bei Ihm die Verzeihung ihrer Missetaten zu holen. Er hat ihr den Mut eingeflößt, ins Haus des Simon zu gehen und da vor allen Anwesenden ihre SÜnde zu bekennen. Und wie Er sie, die Er gerufen, behandelt! Er nimmt ih re Reue, ihre Tränen gütig auf. Er macht ihr keinen Vorhalt. Er hat für sie kein hartes Wort. Er verzeiht ihr, nimmt alle Schuld von ihr und versichert sie:

"Deine Sünden sind dir vergeben. Dein Glaube hat dich gerettet: gehe hin in Frieden." Wie ist Er voll Verstehen, voll Erbarmen. voll Verlangen zu verzeihen, zu beglücken! "Ich bin gekommen, nicht die (in ihren eigenen Augen) Gerechten (die keine Buße zu bre-uchen wähnen) zu rufen, sondern die Sünder" (Matth. 9,13), die sich als Sünder wissen, die bereuen und büßen.

3. "Tollite hostias - Bringet (mit der Sünder in des Evangeliums) die Opfergaben (der Buße, der Reue, der Genugtuung für die Sünden, des Gebetes, des Fastens, des Almosens) herbei und tretet (wie die Sünderin) ein in Seine Hallen. Failet nieder vor dem Herrn in Seinem Heiligtum. Lichtungen bricht der Herr in das Urwalddickicht (der sündigen, verfinsterten, unglÜcklichen Seele). In Seinem Tempel aber rufen alle (die ganze Kirche auf Erden und im Himmel): "Dir sei Ehre" (Graduale). Wir sind heute ganz Büßer, ganz die Sünder in des Evangeliums,

2 16 I I I. Die heilige Passionszeit: Passionswoche.

zu den Füßen des Herrn und Seines Priesters, in der Gemeinschaft der heiligen Kirche. Dann ergeht an uns das Wort: "Deine Sünden sind Dir

vergeben." .

"Weil sie viel geliebt hat". erhält die Sünder in die Verzeihung. "Wem aber weniger vergeben wird, der liebt weniger. "Und weil er weniger liebt, wird ihm weniger verziehen. Von der Vollkommenheit der Liebe, der Liebesreue hängt der Grad der N achlassung der Sünde und Strafe ab. Vollkommene Liebesreue, und alles, alles, auch die zeitlichen Sündenstrafen, das Fegfeuer, alles ist getilgt.

"Dein Glaube hat dir geholfen. Gehe hin in Frieden." Im Glauben kommen wir zum Stellvertreter Christi. Im Glauben bekennen wir dem Menschen an Christi Statt unsere Sünden. Im Glauben nehmen wir das "Ego te absolvo" des Priesters entgegen. Im Priester steht der Herr vor uns, genau wie vor der Sünder in des Evangeliums und gibt uns die Lossprechung. "Gehe im Frieden" mit Gott, mit dir, mit deinem Gewissen. Zerrissen sind die Fesseln des sündigen Lebens. Wenige Tränen haben die drohenden Höllenflammen ausgelöscht. Krank bist du gekommen. Du bist geheilt. Wie neugeboren gehst du von Jesus und Seinem Priester weg. "Gehe hin in Frieden. Deine Sünden sind dir vergeben. Dein Glaube hat dir geholfen." Wunderbares Sakrament der Buße!

Die Sünder in "brachte ein Alabastergefäß mit Salböl" mit, da sie zuJesus kam. Bisher hat sie sich gesalbt und geschminkt, um der Welt· zu gefallen. Heute legt sie das, womit sie bisher der Welt, dem Körper, der Eitelkeit und Sünde gelebt, dem Heiland zu Füßen. Sie bricht aufrichtig mit dem alten Leben! Das ist ganze Buße und Umkehr! Uns zum Vorbild!

,,0 Herr, Deines Wortes an Deinen Knecht sei eingedenk." Des Wortes: "Ego te absolvo - Deine Sünden sind dir vergeben." Mit ihm gabst Du mir

Freitag: Die anbrechende Leidensnacht. 2 I 7

Hoffnung: das ist mir Trost in meinem Elend" (Communio). Wir danken innig für die Gabe des heiligen Sakramentes der Buße.

Ge be t.

Allmächtiger Gott, wir bitten, gib, daß die Würde der menschlichen Natur, die durch Unmäßigkeit verletzt wurde, durch den Eifer in heilsamem Fasten wiederhergestellt werde.

Sei Deinem Volke gnädig. 0 Herr, auf daß es verabscheue, was Dir mißfällt, und dafür mit den Wonnen Deiner Gebote erfüllt werde. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Freitag der Passionswoche.

Die a nb r e c h end e Lei den s n ach t.

1. Noch acht Tage, dann sehen wir Ihn am Kreuze bluten und sterben. Der heiligen Liturgie schwebt heute der Karfreitag vor Augen. Sie führt uns in das Heiligtum des Erzmartyrers Stephanus: wir sollen heute mit Christus dem "M artyrer" leben.

2. J e s u F ein d e b e s chI i e ß e n Sei n e n Tod (Evangelium). Die Hohenpriester und Pharisäer versammeln den Hohen Rat. "Was fangen wir an? Dieser Mensch wirkt soviele Wunder. Lassen wir Ihn gewähren, dann glauben noch alle an Ihn." Also, Er muß aus dem Wege geschafft werden. "Es ist besser, daß einer für das Volk stirbt, als daß das ganze Volk zu Grunde gehe", erklärt der Hohepriester Kaiphas. "Von diesem Tage an waren sie entschlQssen, J esus zu töten." Noch eine kurze Woche. Dann führen sie ihren Plan aus. Sie dingen den Verräter Judas. Im ölgarten nehmen sie Ihn gefangen, stellen Ihn im Haus des Kaiphas falschen Zeugen gegenüber, treiben mit Ihm ihr scheinheiliges Spiel, schleppen ihn vor das Tribunal des römischen Landpflegers und erzwingen von diesem das Todesurteil über den Gehaßten. Sie begleiten ihr

2I8 Irr. Die heilige Passionszeit: Passionswoche.

Opfer auf den Kalvaria, weiden sich an Seinen Wunden, Leiden und Qualen, und verhöhnen und lästern Ihn, da Er am Kreuze blutet und für Seine Mörder zum Vater betet: "Vater, verzeihe ihnen." - Seine Feinde. Aber stellen nicht auch wir uns allzuoft in die Reihen Seiner Ankläger und Feinde? Ist nicht jede Sünde eine Verwerfung J esu, Seiner Gebote, Seiner Grundsätze, Seiner Güter und Verheißungen? Wie oft entscheiden menschliche Leidenschaften, Pläne, Rücksichten im Menschenleben und Christenleben gegen Christus und Seine Anordnungen! Auch bei mir! Herr, gib mir Licht, daß ich im Lichte Deiner Passion die Bosheit und Häßlichkeit meiner Sünden und Untreuen erkenne. Gib mir die Gnade, daß ich meine Sünden bereue und nie mehr mit Deinen Feinden gemeinsame Sache mache'

Jesus weiß um den Beschluß Seiner Fe i n d e. Er weiß genau, was Ihm bevorsteht. Kraft der Anschauung Gottes, die Seine Seele ununterbrochen genießt, steht es greifbar lebendig vor Seiner Seele, was Seiner wartet: der Verrat durch J udas, die Verleugnung durch Petrus, die Verdemütigungen und Leiden aller Art. Es wird Ihm bitter schwer, den Weg der Passion zu gehen. "Erbarm Dich Meiner, Herr, Ich bin bedrängt .. Befreie Mich, entreiße Mich den Händen Meiner Feinde und Verfolger. Herr, laß Mich nicht zuschanden werden. Ich rufe zu Dir" (Introitus). ,,0 Herr, gib Mich nicht der Wut Meiner Verfolger preis: denn falsche Zeugen haben sich erhoben wider Mich" (Communio). J esus "wandelte nicht mehr ,öffentlich unter den Juden, sondern zag sich in eine Gegend zurück, nahe der Wüste, in_ eine Stadt, die Ephrem heißt". In der Einsamkeit und Weltferne rüstet Er sich zum schweren Gang. Mit derselben Hingabe, mit der Er sich beim Eintritt in das Erdenleben dem Willen des Vaters übergeben hatte, spricht Er jetzt Sein Fiat: ,~N icht M ein Wille, sondern der Deinige

Freitag: Die anbrechende Leidensnacht. 219

geschehe" (Luk. 22,42). Nicht gezwungen, sondern freiwillig, im Drange der Liebe zum Vater geht Er den Weg der Passion. "Das, was dem Vater lieb ist, tue Ich immerdar" (Joh. 8, 29). Und mit der glühenden Liebe zu uns Menschen, zu mir persönlich, 1m lebendigsten Verlangen, uns zu retten. In dieser Gesinnung verläßt Er nach wenigen Tagen die Einsamkeit. Noch einmal umjubelt Ihn Sein Volk, da Er sich wieder in Jerusalem blicken läßt. Dann naht die Stunde, da Seine Feinde Gewalt über Ihn bekommen. In stiller Erwägung leben wir mit Jesus in Seiner Einsamkeit und Zurückgewgenheit. Mit Ihm holen auch wir uns in Schweigen und Gebet das Licht und die Kraft, an Seiner Seite den Kreuzweg zu 'wählen und zu gehen.

3. Wir schließen uns im Heiligtum des Erzmartyrers Stephanus zusammen mit der ganzen, auf Erden von den Menschen verfolgten, geächteten Kirche dem zum Tode verurteilten König der Martyrer an. Mit Ihm wollen wir Martyrer sein, leiden, sterben. Wir flehen in unserm eigenen N amen und im Namen der heiligen Kirche und aller ihrer Glieder: "Erbarm Dich meiner, Herr, Ich bin bedrängt. Befreie mich, entreiße mich den Händen meiner Feinde und Verfolger. Herr, laJ3 mich nicht zuschanden werden. Ich rufe zu Dir. Auf Dich vertraue icll, 0 Herr" (Introitus).

Je mehr die Feinde Jesl1 in alter und neuer Zeit sich gegen Ihn stellen und Ihn zum Tode verurteilen, um so treuer stehen wir zu Ihm und bekennen mit der Epistel: "Herr, alle, die Dich verlassen, werden zU,schanden; die von Dir abfallen, werden in den Staub geschrieben, weil sie den Herrn, den Quell des lebendigen Wassers, verlassen haben. Heile mich, 0 Herr, so bin ich heil; hilf mir, so ist mir geholfen. Siehe, jene halten mir (spottend) entgegen: Wo ist des Herrn Wort? Es treffe doch ein! Doch ich lasse mich nicht einschüchtern und folge Dir, meinem Hirten. Ich ersehne nicht gute Tage

220 III. Die heilige Passionszeit: Passionswoche.

nach Menschenart: Du weißt es. Meine (Christi, der Kirche) Verfolger wird Schande treffen, mich aber nicht! Sie werden erzittern, ich aber nicht! Der Tag des Unheils wird über sie kommen, und mit doppeltem Schlage wirst Du sie zerschmettern, Herr, unser Gott." Über der Nacht des Karfreitags leuchtet schon ein Strahl der Ostersonne !

Ge b e t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, gieße huldvoll Deine Gnade in unsere Herzen, auf daß wir es vorziehen, unsere bösen Lüste durch freiwillige Abtötung zäh, mend, zeitliche Züchtigung zu ertragen, statt ewigen Strafen überantwortet zu werden.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, laß uns, die wir nach Deinem gnadenvollen Schutz verlangen, von jeglichem Übel befreit, Dir ohne Furcht dienen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Samstag der Passionswoche.

Das g ö t t I ich eWe i zen kor n.

1. Schon hören wir im Evangelium vom Einzug des Herrn in die StadtJerusalem. "Hosanna! Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, Israels König!" So sehr hat die Auferweckung des Lazarus die Menge für Jesus begeistert. Sogar Heiden kommen mit der Bitte, Jesus zu sehen. Vor Jesu Auge steigt die Zukunft auf, die Frucht der Passion:

Die Heiden werden sich Ihm anschließen, während die Juden Ihn verstoßen.

2. Die Heiden wollen Jesus sehen. Andreas und Philippus bringen deren Bitte vor den Herrn. Da nimmt J esus Veranlassung, auf die Verherrlichung hinzuweisen, die Ihm durch die Bekehrung der Heidenwelt erwachsen wird. "Die Stunde ist gekommen, daß der Menschensohn verherrlicht wird." Denn "Israel ist zum Teil mit Blindheit geschlagen, bis die Fülle der Heiden eingetreten sein

Samstag: Das göttliche Weizenkorn. 22 I

wird" (Röm. I 1,25). Seine Verherrlichung unter den Heiden aber muß sich J esus durch die Verdemütigungen der Passion verdienen. "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde gesenkt wird und stirbt, bleibt es allein: wenn es aber stirbt, so bringt es viele Frucht." Jesus selber ist das Weizenkorn. Er muß sterben, sagt der hl. Augustinus, durch die Treulosigkeit der Juden, und auferstehen durch den Glauben der Heiden. "Das Sterben des Weizenkorns ist indes nicht sein Tod: es ist Entfaltung des Lebens und Schaffung neuen Lebens. Zusammen mit Jesus sind auch wir das Weizenkorn. "Wenn es stirbt, bringt es viele Frucht." "Wer seine Seele (sein Leben) liebt, wird sie verlieren; und wer seine Seele in' dieser Welt haßt, der wird sie zum ewigen Leben bewahren." In dem Grade werden wir die Frucht der Passion unseres Herrn sein und Ihm zur Verherrlichung gereichen, als wir mit Ihm das Weizenkorn sind: "Wenn es stirbt, bringt es viele Frucht." Anders nicht!

"J e t z t (i n der Pas s ion des Her r n) e r geh t das Gericht über die Welt; jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden. Ich aber werde, wenn Ich von der Erde erhöht sein werde, alles an Mich ziehen." Vom Kreuze aus, als der Gekreuzigte, wird Er die Heidenwelt an sich ziehen. Der Gek"'reuzigte wird siegen, sich die Geister, die Herzen, die Völker unterwerfen. Sie kommen, die Geschlechter der Heiden, eine Generation nach der andern, zum Kreuz des Herrn. Sie bekennen: ,,"Vir aber müssen uns rühmen im Kreuze des Herrn: in Ihm (dem Gekreuzigten) ist uns das H eil, das Leben, die Auferstehung; durch Ihn (den Gekreuzigten) sind wir gerettet und erlöst" (Gal. 6,14)· "Den Juden ist das Kreuz ein Ärgernis, den Heiden eine Torheit, uns aber, den Berufenen, Gottes Kraft und Gottes Weisheit" (I Kor. 1,23). Alle eilen sie zum Gekreuzigten und bekennen sie: "Du bist geschlachtet worden' und Du hast uns mit Deinem

222 III. Die heilige Passionszeit: Passionswoche.

Blute erlöst aus allen Sprachen und Völkern und Nationen" (Geh. Offb. 5,9). "Wahrhaft würdig und recht ist es, Dir immer und überall Dank zu sagen, heiliger Herr, ewiger Gott. Dein Wille war es,. daß vom Kreuzesholze das Heil dem Menschengeschlechte ausgehe: von einem Baume kam der Tod, von einem Baume sollte das Leben erstehen; der am Holze siegte (Satan), soll auch am Holze besiegt werden, durch Christus unsern Herrn" (Präfation der heiligen Messe). Am Fuße des Kreuzes entspringen die unversieglichen Quellen der Gnade, d. i. die heiligen Sakramente; vom Kreuze haben wir alle Erleuchtung und Anregung, allen Sieg über das Böse, alle Kraft zum Guten, alle Hoffnung auf die Verzeihung unserer Sünden, alle Zuversicht für die Zukunft. Im Kreuze finden wir Licht und Trost in den Finsternissen und Leiden des Lebens. Im Kreuze haben wir den Schlüssel zur Türe des Himmels.

o crux, ave spes unica Hoc passionis tempore. Piis adauge gratiam Reisque dele crimina.

Kreuz, einz'ge Hoffnung, sei gegrüßt In dieser heil'gen Leidensfrist.

Mehr allen Frommen Gottes Huld Und tilge aller Sündenschuld.

3. Frucht der Passion! Unser Herr und Heiland hat das Leiden dur.chgeistigt und ihm einen Sinn gegeben. Es ist Ihm der "Preis der Erlösung". Der Menschensohn ist ja Ilich t gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und "Sein Leben als Lösepreis für die vielen hinzugeben" (Mark. 10,45). Wir sind durch die. heilige Taufe "in Seinen Tod hineingetaucht" (Röm. 6, 3). Wir leiden also Seine Leiden mit und geben unserem Leiden denselben Sinn wie Er: es steht im Dienst der Erlösung. Wohl ist das Werk unserer Erlösung

Samstag: Das göttliche Weizenkorn. 223

mit dem Opfer auf Golgatha vollendet: aber es muß im unblutigen Opfer der heiligen Messe und in der Leidenslast jedes einzelnen von uns weiterleben. Leidend "ergänzen wir in unserem Fleische, was vom Leiden Christi noch aussteht", und das "für den Leib Christi, die Kirche" (Kol. 1,24). Unser Leiden ist Miterlöserturn an der Welt, an den Seelen. Und weil WIr die Menschen, die Seelen, unsere eigene Seele lieben, deshalb lieben wir das erlösende Leiden.

"Wenn Ich am Kreuze erhöht sein we~de, werde Ich alles an M ich ziehen." Viele Getaufte werden an ihrem Kreuze Krüppel, seelenlahm, zerbrochen, glaubensschwach. Unkönigliche Christen, die sich vom Gekreuzigten nicht emporziehen und erhöhen lassen! Sie verstehen das "an den Leiden Christi teilnehmen dürfen" (I Petr. 4,13) nicht. Sie verstehen auch Paulus nicht, wenn er bei aller Trübsal von Freude übervoll ist (2 Kor. 7, 4). Christlich leiden heißt am Kreuze wachsen, groß werden, fruchtbar werden. "Wenn Ich am Kreuze erhöht sein werde, werde Ich alles an Mich ziehen." Das gilt auch von uns. Auch wenn das Leben uns betrogen, so arbeiten wir weiter. Auch wenn unser Leben nichts anderes ist als Arbeit und Sorge, wir sind es zufrieden . .Auch wenn wir geliebt und gegeben haben und dafür Undank ernten, so lassen wir uns nicht besiegen, sondern erheben uns über alle Wechselfälle, Enttäuschungen und Bitterkeiten. Am Kreuze wachsen! Dann zIehen wir alles an uns, zu allererst das \Vohlgefallen, die Gnade und den Segen Gottes! Dazu ist uns das Kreuz auf den Lebensweg mitgegeben, daß wir an ihm erhöht werden und alles an uns ziehen. Im Kreuze ist das Heil!

Ge be t.

Wir bitten Dich, 0 Herr: das Dir geweihte Volk möge voranschreiten in der Gesinnung kindlicher Hingabe, damit es, durch heilige I'eiern herangebiJ-

224 IIr. Die heilige Passionszeit· Passionswoche. det, mit um so herrlicheren Gnaden bereichert w, je mehr es Deiner Majestät wohlgefällig wird.

Wir bitten Dich, 0 Herr: Deine Rechte mÖgE flehende Volk schützen, läutern und huldvoll he bilden, damit es durch die Tröstung in dieser den künftigen Gütern entgegenschreite. Durch ( stus unsern Herrn. Alllen.

Die liturgische Meßfeier des Palmsonntags.

I. Heute stehen WH am Eingang der Leidenswoche. In erschütternder Dramatik entwickelt sich vor uns in diesen Tagen das höchste Geschehnis der Weltgeschichte, das Leiden und Sterben des Erlösers der Menschheit.

Am Palmsonntag 'hielt dereinst der Heiland Seinen feierlichen Einzug in Jerusalem. Er kam vom 01- berg her. In dankbarer Liebe bildete die Kirche von Jerusalem schon im 4. Jahrhundert diesen Einzug Christi nach. Die Christen versammelten sich auf dem Olberg. Dort nahmen sie 01- und Palmzweige in die Hände und zogen unter dem Ruf: "Hosanna! Hochgelobt, der da kommt", in die heilige Stadt. Die römische Kirche überrtahm die Prozession von der Kirche in Jerusalem. Die Kirche St. Silvester ward als der Olberg gedacht. Hier versammelte man sich und empfing die geweihten 01- und Palmzweige. Unter den jubelnden Hosannarufen zog man zur Stationskirche, der Kirche des Erlösers (Lateranbasilika). Wo sich die Prozession dem Lateran näherte, kamen ihr die Kleriker und Sänger dieser Kirche entgegen und stimmten in die Hymnen mit ein. Dann zog man in die Basilika ein und feierte die heilige Messe.

2. Wesentlich dasselbe tun wir heute. Wir sind auf dem Olberg. Der Priester weiht die Palmen und gibt sie dann uns in die Hand. Die Prozession bewegt sich. Wir geben unserem Erlöser, der im Priester (Bischof) in unserer Mitte versinnbildlicht ist, freudig das Geleite. Wir schwingen die Palmen und bekennen uns damit zu Christus, dem König der Martyrer, dem Kämpfer und glorreichen Triumphator. Ja wir wollen an der Seite Christi mit

Baur, Werde Licht I II.

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226 111. Die heilige Passionszeit: Karwoche:

Ihm Martyrer sein und sind bereit, Ihm in den Toc zu folgen. Das künden die Palmzweige in unserel Hand. In heiligem Jubel singen wir Ihm unsel Hosanna zu: Gesegnet, der da kommt im Namer des Herrn! 0 würden wir doch aus innerstem Her zensgrunde und aus ganzer, voller Überzeugung il den Hymnus einstimmen: "Ruhm und Preis une Ehre sei Dir, Christus, Erlöser! Du bist Israel König ... Jene gefIelen Dir wohl, so laß auch un Dir gefallen, gütiger König." Hätten wir den Glau ben und den Martyrer- und Bekennergeist unsere Ahnen! Stände doch hinter jedem Worte, das wi bei der heutigen Feier sprechen, und hinter jede Zeremonie unsere ganze Persönlichkeit, unser Icl: ein starker, konsequenter Wille, gestützt auf ein unerschütterliche Überzeugung, auf einen felsen festen, freudigen, opferbereiten Martyrerglauben !

3. Die Prozession ist zu Ende. Mit einem SchIa hat sich die Szene geändert. Derselbe Gottkönig, de wir eben noch mit jubelndem Herzen begrüßt, stöhr in bitterer Not und Seelenqual: "Herr, laß Dein Hilfe nicht fern sein von Mir." Er sieht sich vor Rachen des Löwen verschlungen, von Gott verlasse und schreit in bitterem Weh laut auf (Introitus Er, der es für keine Anmaßung halten kann, sic als wesensgleich mit Gott dem Vater zu wissen un zu bekennen, Er ist erniedrigt, in den Staub gt drückt, mit den Sünden Seiner Brüder und Schwt stern belastet, im Begriff, stellvertretend für de Hochmut und die Empörung der Menschen widt Gott Sühne zu leisten. Deshalb ist Er gehorsam g' worden bis zum Tode, ja bis zum schmachvollen ur qualvollen Tode am Kreuze. Aber Vernichtung, En ehrung und Erniedrigung sind nicht das letzte: s sind nur der Weg zur Erhöhung, zur Verherrlichun zum seligen Ostern (Epistel). Drum findet die See des Geängstigten im Graduale das tröstliche, b ruhigende Wort: "Du nimmst meine rechte Han du führst mich und nimmst mich in Ehren auf

Palmsonntag: Der König der Martyrer. 227

Ein wohltuendes Osterlicht hinein in die N acht und in die Not, die aus dem Traktus spricht. Und nun zieht in der Leidensgeschichte nach Matthäus die ganze Pas s ion des Gottmenschen an uns vorüber: hier die Unschuld, dort die Ankläger, die Richter, die Menschen yoll der Ungerechtigkeit und moralischen Gemeinheit; hier ein Barabbas, daneben ein Christus, jener begnadigt, dieser verworfen. Tieferschüttert sinken wir bei den Worten: ,,] esus rief mit lauter Stimme und gab den Geist auf", nieder und sehen, was Menschen fertig bringen. Wir halten die Palmzweige in der Hand und drücken damit aus, daß wir entschlossen sind, den Kreuzweg Christi zu teilen, allem zu sterben, um einem zu leben: Gott.

4. Mit dem Opfergang treten wir unsere Todesgemeinschaft mit Christus an: im Brot und Wein machen wir mit Christus uns selbst zur Opfergabe. Wir sterben dem alten Menschen und gehen in Christus ein, wenn Er in der heiligen Wandlung Sein Sterben am Kreuz erneuert und geheimnisvoll vollzieht. Es kostet Opfer, Verzicht, Entsagung: aber ohne Sterben kein Leben, ohne Kreuz kein Heil und keine Ostern. Unsere Todesgemeinschaft mit Christus besiegeln wir durch die heilige Kommunion: der Geopferte, durch das Sterben ganz in Gott aufgegangene Christus zieht uns in der heiligen Kommuni01l an sich, durchdringt uns mit Seinem Geist, dem Geist des Sterbens, zum Leben. Wir sind Mitgeopferte, Mitgekreuzigte, aber eben deshalb auch Mitlebende, die nur noch eines kennen: das, was der Vater will. "Vater, Dein Wille geschehe" (Com-

munio). '

Palmsonntag.

Der K ö n i g der M art y r e r.

1. In der Kirche des "Heiligsten Erlösers" (Lateran) scharen wir uns heute um unsern Erlöser. Mit Palmen und ölzweigen in der Hand begleiten wir 10*

228 IIr. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

Ihn auf Seinem Einzug in die Stadt Jerusalem. Es geht in den Kampf, in die Passion, in den Tod, Ostern, dem Sieg, der Auferstehung entgegen. Wir wissen uns eins mit Ihm. Wir lassen Ihn .nicht allein!

2. C h r ist u s, der K ö n i g der M art y r e r.

Die Kirche weiht Palm- und ölzweige und gibt si~ uns in die Hand. Die Palm- und ölzweige "deuten den Sieg an, der über den Fürsten des Todes errungen werden soll. Die ölzweige verkünden, daß die geistliche Salbung (d. i. die Fülle der Erbar· mungen Gottes) gekommen ist," Palm- und ölzweige "haben den vorbildlichen Sinn: unser Erlöser werde aus Erbarmen mit dem Elend der M enschen für das Leben der ganzen Welt mit dem Fürsten des Todes kämpfen und sterbend über ihn triumphieren." Wir "erkennen die Vorbedeutung und die Erfüllung und bitten flehentlich, 0 Gott, daß wir in Ihm und durch Ihn, zu dessen Gliedern Du uns gemacht hast, den Sieg über die Herrschaft des Todes erringen und würdig werden, an Deiner glorreichen Auferstehung teilzunehmen." "Gib, daß Dein Volk, was es heute äußerlich feiert, innerlich mit ganzer Hingebung vollbringe, d. i. daß es den Sieg über den Feind erstreite und daß es das Werk Deiner Barmherzigkeit (der Erlösung) innigst liebe" (Worte der Palmweihe). So nehmen wir die Palmund ölzweige in die Hand, Ihm zu folgen. Wir sollen, wir wollen mit Ihm Martyrer werden. Das ist der Sinn der heiligen Zeremonie. Ihn kündet uns klar die Martyrerpräfation, die zur Palmweihe gesungen wird. "Dir dienen Deine Geschöpfe, weil sie in Dir allein ihren Urheber und Gott bekennen. Alles, was Du gemacht hast, lobt Dich. Und es preisen Dich Deine Heiligen (gemeint sind die heiligen Martyrer): denn mit freimütiger Stimme bekennen sie vor den Königen und Mächtigen dieser Welt den hohen Namen Deines Eingeborenen." Wir sind in der Präfation gemeint, wir, mit der Palme

..

Palmsonntag: Der König der Martyrer. 229

der Martyrer 111 der Hand. Wir sind die Heiligen, die Martyrer, die mit freimütiger Stimme vor den Mächtigen dieser Welt Christus bekennen und Ihm zum Martyrium und zum Sieg, zur Auferstehung folgen. Wir sind "die Kinder der Hebräer" und jubeln Ihm unser Hosanna zu. Wir singen dem Christkönig unser "Gloria, laus et honor tibi sit - Ruhm, Preis und Ehre sei Dir, Christkönig, Erlöser." Wir erkennen im feierlichen Einzug J esu in J erusalem den großen Triumphzug des Herrn, da Er in großer Macht und Herrlichkeit kommen wird, die Seinen in das J erusalem des Himmels einzuführen. Wir eilen Ihm mit ölzweigen und Palmen entgegen, mit unsern guten Werken, mit unsern Siegen über Sünde, Fleisch und Welt und ziehen mit Ihm in die Wonnen des himmlischen Brautgemachs ein, zur ewigen Vermählung. Das Kreuz, und nur das Kreuz, öffnet wie unserem Herrn und Erlöser so auch uns den Eingang in die Herrlichkeit des Himmels. Wir nehmen es mutig auf uns, in Christi Kraft. So werden wir auch mit Christus verherrlicht werden (Röm. 8, 17).

Der Weg zum Sie g des M art y r i ums.

Mit tiefer Ergriffenheit folgt die Kirche heute den Worten der E pistel: "Brüder! Seid so gesinnt wie Christus Jesus. Er, dem die Gottesgestalt eigen war, glaubte ni~ht, über Seine Gottgleichheit wie über einen Raub 'wachen zu sollen. Nein, Er entäußerte sich selbst (d. i. Er legte die äußere Herrlichkeit und Maj estät der Gottheit ab), nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und im Äußern wie ein Mensch' erfunden. Er hat sich selbst erniedrigt und ist gehorsam geworden bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze." Der Weg der Erniedrigung, der Schmach, der Leiden, wie ihn die Pas'sion, die in der heiligen Messe gesungen wird, eingehend uns vor Augen stellt. Christi Weg unser Weg! "Nur Schmähung und Leid hat Mein Herz zu erwarten. Da schau Ich aus, ob einer Mitleid mit Mir habe, und niemand kommt" (Offertorium). Nein,

230 Ill. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

wir kommen. Wir teilen Seinen Weg der Schmacl und des Leidens. So haben wir es Ihm in der hei ligen Taufe (in der heiligen Profeß) versprochen Wir kommen zur heiligen Messe, um in heilige Opfergemeinschaft mit Ihm Seinen Weg zu gehen "Er hat sich selbst entäußert und ist gehorsam ge worden, bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze.' Das sei unser Weg! Dafür holen wir uns im Opfe der heiligen Messe den Mut und die Kraft.

3. Heute das Hosanna. In wenigen Tagen da "Ans Kreuz mit ihm." So machen es die Juden. Uni wir Christen? Heute nehmen wir die Palmen in di Hand. Die Liturgie deutet uns mit klaren Wortel den Sinn dessen, war wir tun Und sind wir mit de "Funktion" fertig, dann legen wir, Gott sei es ge klagt, mit den Palmen gleichsam auch die Idee de Palmprozession weg. Wo ist unser Martyrergeist Wo die ernste, wirkliche Nachfolge Christi?

"Ich schaue aus, ob einer Mitleid mit Mir hab - und niemand kommt. Einen Tröster such Ich und keinen finde Ich." Die wenigsten sind Liebhabe des Herrn und Seines Kreuzes. Viele, viele sinl Feinde des Kreuzes. Können sie dann Liebhabe des Gekreuzigten sein?

"Heute, wenn ihr Seine Stimme höret, dann ver härtet eure Herzen nicht!" (Invitatorium zur Mette.

Ge be t.

Allmächtiger ewiger Gott, nach Deinem Wille: hat unser Heiland, um de{l1 Menschengeschlecht ein Beispiel der Demut zur Nachahmung zu geber Fleisch angenommen und den Kreuzestod erlitten so verleihe uns gnädig, daß wir uns an das Vorbil. Seines Duldens halten und an Seiner Auferstehun, teilzunehmen verdienen. Durch Christus unser' Herrn. Amen,

Montag. Heilige Salbung.

Montag in der Karwoche.

H eil i g e S alb u n g.

1. Die Kirche lebt ganz mit dem von den Feinden verfolgten, geschmähten Herrn. "Mein Anblick wende l.ch nicht von denen ab, die M ich schlagen und anspeien. Dreißig Silberlinge bin Ich von ihnen eingeschätzt. Herr, schau auf die Lippen :'deiner Hasser und auf das, was sie wider Mich sinnen" (Antiphonen der Laudes und Tagzeiten). Zur Feier der heiligen Messe versammelt uns die Kirche im Heiligtum der heiligen Jungfrau Praxedis. Zusammen mit Pudentiana hat sie sich dem Dienste

'der Armen geweiht, d. i. "die Füße des Herrn gesalbt" (St. Augustinus): denn "Arme habt ihr immer bei euch" (Evangelium). Praxedis ist der Liturgie die Übersetzung der Maria des Evangeliums, die heute in Bethanien dem Heiland die Füße salbt "fÜr den Tag Meines Begräbnisses". Judas, der Verräter, tritt auf. Er ist wegen der Auslagen, die Maria für die Salbung des Herrn macht, ungehalten. Die Liturgie bewegt sich um die doppelte Tatsache: -Der Herr bietet Seinen Leib den Feinden dar zur Qual, der Maria in Bethanien, Seiner Kirche, uns, zur Salbung.

2. "G 0 t t der Her r Ö f f n e t Mir (dem Heiland) daL' Ohr (d. i. gibt Mir Seinen Auftrag): Ich aber widerstehe nicht und weiche nicht zurück. Meinen Leib biete Ich denen hin, die M ich schlagen, und Meine Wangen jenen, die Mich zerraufen. Mein Antlitz wende Ich nicht ab von denen, die Mich schmähen und anspeien. Doch Gott, der Herr, ist Mein Helfer" (Epistel). In inniger Teilnahme betrachten wir, wie Er Seine Wangen dem Verräter zum Kusse reicht: "Mit einem Kusse verrätest du den Menschensohn"; Seine Hände denen, die Ihn 1m Öl garten gefangennehmen und fesseln; Seinen Leib denen, die Ihn geißeln; Sein Angesicht denen, die Ihm Backenstreiche geben und Ihn anspeien;

232 II!. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

Sein Haupt denen, die Ihm die Dornenkrone in die Schläfen drücken; Seine Hände und Füße denen, die Ihn mit harten Nägeln ans Kreuz schlagen; Sein Herz dem Soldaten, der es mit der Lanze durchbohrt. Nun hat Er alles gegeben, im Geliorsam gegen den Auftrag des Vaters, im Drang der Liebe zu uns: "Durch Seine Wunden sind wir ge-' heilt" (Is. 53, 5).

Maria, die Schwester des vor kurzem vom Tod e er w eck t e n La zar u s in Bethanien, bringt gute, duftige Salbe herbei. Sie wirft sich nieder und salbt die Füße Jesu. Maria ist der Liturgie die heilige Kirche. Sie drängt sich liebend zum Herrn heran und nimmt an Seinem Leiden den innigsten Anteil. In dem Augenblick, da Er von den Feinden gefangengenommen und grausam gemartert wird, steht sie um so inniger, um so treuer und teilnehmender zu Ihm. Die die Füße J esu salbende Maria sind wir selber. Wir kommen in diesen Tagen mehr als sonst zum Heiland, Ihn zu trösten, Ihm unsere Teilnahme, unsern Glauben, unsere Treue zu beweisen. Ihm auf Seinem Leidenswege nahe zu sein, mit Ihm zu fühlen und zu leiden. Mit Maria und Praxedis, der Stationsheiligen, "salben wir die Füße des Herrn". Die Füße des Herrn sind die Glieder des Herrn, die Armen, die Notleidenden .

• ;Was ihr einem Meiner Geringsten getan habt, habt ihr Mir getan" (Matth. 25, 40). Wir trösten sie, helfen ihnen, geben ihnen, so gut wir es vermögen. So trösten wir Christus in Seiner Not, in Seinem Leiden.

3· Da, wo Maria den Meister "zum Begräbnis" salbt, entschließt sich Judas, Ihn an Seine Feinde zu v·erraten. Er ist den einen der Gegenstand ihres Hasses, den andern der Gegenstand ihrer innigsten, hingebendsten Li'ebe. Je mehr wir in diesen Tagen der Karwoche, in unserer Zeit Ihn gehaßt sehen, v.erleugnet, gelästert und wie.der gekreuzigt, um so mehr stehen wir in Liebe zu Ihm. "Di'eser ist gesetzt

Dienstag: Ringsum die Feinde. 233

zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel und zum Zeichen, dem man wider·sprechen wird" (Luk. 2, 34).

"Meinen Leib biete Ich denen hin, die Mich schlagen, und Meine Wangen jenen, die Mich zerraufen." Mit unerschütterlicher Gedul.d, ohne eine Widerrede, ohne zu zürnen oder zu grollen. Nur das Gebet: "Vater, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun" (Luk. 23, 24). "Lernet von Mir, Ich bin sanftmütig und demütig von Herzen" (Matth. II, 29).

"W·e!1In ihr Leide,n erduldet, obschon ihr Gutes tut, das ist Gnade bei Gott. Dazu seid i'hr herufen. Auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel hinterlassen, daß ihr in Seine Fußstapfen eintretet. Er trug unsere Sünde an Seinem Leibe auf das Kr.euzesholz hinauf, damit wir der Sünde sterben und der Gerechtigkeit leben. Durch Seine Wunden wurdet ihr geheilt" (1 Petr. 2, 20 ff.).

Ge be t.

Allmächtiger Gott, wir bitten Dich: laß uns, die wir inmitten so vieler Schwierigkeiten infolge unserer Schwachheit erliegen, durch die Verdienste des Leidens Deines eingeborenen Sohnes wieder neu aufatmen. ..

Hilf uns, Gott, unser Heil, und laß uns freudig zur Feier jener Wohltaten gelangen, durch die Du uns in Gnaden hast erneuern wollen. Durch ChristuiO unsern Herrn. Amen.

Dienstag in der Karwoche. R i n g s um die F ein d e.

1. Wir sehen den Herrn von Seinen Feinden umringt. Wie ein Lamm wird Er zur Schlachtbank gefÜhrt. Seine Apostel sind geflohen. Petrus, das Haupt der Apostel, verleugnet Ihn. Der Herr richtet Seinen Blick auf den Vater. Er wird Ihn durch die Nacht


234 Irr. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

des Leidens und Todes zum Licht der Auferstehung führen. "Wir aber rühmen uns im Kreuze unseres Herrn J esus Christus" (Introitus). Wir sind glücklIch, Sein Kreuz mittragen zu dürfen, Seinen Kelch mittrinken zu können. So fühlt die heilige Kirche ..

2. R i n g s u m die Fe i n d e. "Herr, Du hast Mir's kundgetan, und Ich erkannte es. Du zeigtest Mir ihre Pläne." Schon vom ersten Augenblick an, da der Herr den Fuß in diese Welt setzte, ist es Ihm vollkommen klar, daß Er gekommen ist, um zu leiden und zu sterben. Ununterbrochen hat Er Seine Passion in all ihren Einzelheiten klar vor Augen. "Aber Ich war sanft wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Ich wußte nicht (d. i. Ich wehrte mich nicht dagegen), daß sip Anschläge wider Mich sannen und sprachen: Lasset uns sein Brot vergiften und ihn aus dem Lande der Lebendigen austilgen, damit seines Namens fürder nicht mehr gedacht werde" (Epistel). Wie ein Lamm, das zur Schlachtbank gefÜhrt wird: Kein Wort der Erregung, der Selbstverteidigung, des Murrens, der Klage. So läßt Er sich von Seinen Feinden gefangennehmen, von den Hohenpriestern und Pilatus zum Tode verurteilen, geißeln, mit Dornen krönen, ans Kreuz schlagen, lästern und verhöhnen. Er schweigt. Er betet. "Dir habe Ich Meine Sache anvertraut, Herr, Mein Gott" CE pistel) . Je mehr Er schweigt, betet und in Geduld Seine Sache dem Vater anvertraut, um so sicherer wird Gott die Pläne und Absichten Seiner Feinde vereiteln. Sie werden Ihn töten, aber im Tode wird Er siegen. Über der Ungerechtigkeit der Feinde steht Gott, der Herr der Heerscharen: "Du richtest gerecht und erforschest Herz und Nieren. Dir habe Ich Meine Sache anvertraut, Herr, Mein Gott." Das Kreuz wird. der Weg zum Heil, zur Auferstehung, zur Verklärung.

SeI b s t Pet ru s ver leu g n e t den Her r n.

Er ist im Vorhof des Hohenpriester~. Eine Magd

Dienstag: Rmgsum die Feinde. 235

des Hauses sieht ihn, schaut ihn an und sagt: "Auch du warst bei Jesus dem Nazarener." Petrus leugnet es: "Ich verstehe nicht, was du sagst." Petrus geht in die Vorhalle hinaus. Der Hahn kräht. Die Magd sieht ihn wieder und sagt zu den Umstehenden:

"Dieser ist einer von ihnen." Er leugnet es wieder. Da sagen einige, die herum sind, zu Petrus: "Du bist einer von ihnen, denn du bist ein Galiläer." Er beginnt zu fluchen und zu schwören: "Ich kenne den Menschen nicht, von dem ihr redet." Jetzt kräht der Hahn das zweite Mal. Da erinnert sich Petrus ~n das Wort, das J esus ihm gesagt hatte: "Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du Mich dreimal verleugnen." Nun bricht er in Tränen aus. Nie mehr hat Petrus vergessen, daß er den Herrn verleugnet hat. Er hört nicht auf, seine Missetat zu bereuen, zu sÜhnen und vor aller \N elt offen zu bekennen. \Nas Markus in seinem Evangelium berichtet, ist nichts anderes als die Predigt, wie Petrus sie in den verschiedenen Gemeinden gehalten hat. Mit ergreifender Otfenheit und Demut verkündigt er allen Gläubigen und allen Zeiten, was er gefehlt und wie ihm der Herr verziehen hat.

3. Je mehr die Feinde Ihn umringen, um so mehr wendet Er sich an den Vater. "Ich aber sprach, das Haupt tiefgebeugt zur Brust gekehrt, Meine Gebete. Richte, 0 Herr, die Mir schaden. Steh auf, Mir zu helfen" (Graduale). "Herr, schütze mich vor der Hand des Sünders, entreiße lVI ich den Missetätern" (Offertoriul1J.). "Die an dem Tore (auf dem öffentlichen Platze) sitzen, reden wider Mich. Man stimmt Spottreden auf Mich an. Ich aber richte Mein Gebet an Dich, 0 Herr" (Communio). In die tiefste Nacht der Leiden gehüllt, von den Feinden umringt, denkt der Herr nicht an Seine Leiden und nicht an Seine Feinde: Er wendet sich an den Vater. Er betet. Der Vater wird "Ihn vor der Hand der Sünder schÜtzen und Ihn den Missetätern entreißen" (Offertorium), d. i. Ihn am dritten Ta&,e yon den Toten

'36 !Ir. Die heilige Passionszeit: Karwoche. auferwecken und Ihn zum König und Herrn des Alls erheben!

"Wir aber müssen uns des Kreuzes unseres Herrn rühmen." Wir stehen zum Gekreuzigten. Wir eJ:achten es als unser wahres Glück und Gut, am Kreuze des Herrn teilzunehmen, den Kelch des Herrn mitzutrinken. "Oder wißt ihr nicht, daß wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, auf Seinen Tod hin getauft sind", d. i. in Seinen Tod hinein getaucht, mitgekreuzigt sind? (Röm. 6, 3). Sind wir wahre Christen, dann freuen wir uns, daß wir die Schmach des Kreuzes Christi teilen, ein Leben des Opfers, der Selbstverleugnung und Entsagung, der Leiden und der Verdemütigung führen dürfen. Wir erachten die Teilnahme am Kreuze Jesu als eine Gnade. Leider denken wir noch allzu sehr bloß nach Menschenart natürlich, selbst angesichts der Passion des Herrn.

Gebet.

Allmächtiger, ewiger Gott, laß uns die Gedächtnisfeier des Leidens des Herrn also begehen, daß wir in Gnaden Verzeihung erhalten.

Gott, Deine Barmherzigkeit reinige uns von allen verborgenen Resten des alten Menschen und mache uns für eine heilige Neuschaffung empfänglich. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Mittwoch in der Karwoche.

Der Ver rät e r.

1. In Santa Maria Maggiore in Rom, bei der mit ihrem Sohne mitleidenden Mutter, begehen wir in der heutigen Meßfeier die Erinnerung an die Passion des Herrn. Die Kirche gedenkt insbesondere des Verrates durch Judas. Dem Andenken an ihn weiht sie von alters her den Mittwoch jeder Woche und zeichnet ihn durch die Bußfasten aus.

2. J ud asn a h t. Jesus macht im Ölgarten Sein

Mittwoch: Der Verräter.

237

Staffelgebet zum großen Hochamt auf Kalvaria. Er betet. Er leidet unaussprechliche Seelenqualen. Er schwitzt Blut, so groß ist die innere Not. Er geht zu Seinen Aposteln, die Er in der Nähe zurückgelassen hat: "Stehet auf und betet", mahnt Er sie. Während Er noch zu ihnen redet, naht sich die Rotte derer, die Ihn gefangen nehmen wollen, an ihrer Spitze Judas, der Apostel. Er schreitet auf J esus zu und küßt Ihn. "Mit einem Kusse verrätst du den Menschensohn." J esus, von Seinem eigenen Apostel verraten und an die Feinde ausgeliefert! Wie viel Undank, Heuchelei, Gemeinheit und Niederträchtigkeit liegt in dieser Tat! Um des Geldes willen! Die heilige Kirche fühlt den Schmerz des Heilandes mit. In Judas schaut sie ja so viele ihrer Kinder, die im Laufe der Geschichte an ihrem Herrn und Erlöser Verräter geworden sind. Ein furchtbares Geheimnis! Der Apostel wird der Verräter! Der Bevorzugte, aus Millionen Auserwählte, wendet sich gegen den Herrn und verkauft Ihn um dreißig Silbergroschen an Seine-Feinde! "Wer zu stehen glaubt, sehe zu, daß er nicht falle" (I Kor. 10, 12). "Wachet und betet, daß ihr nicht in Versuchung fallet" (Matth. 26, 41).

J e 5 u s sie h t den Ver rät e r her a n k 0 mme n. Er weiß um seine Absichten. Er entzieht sich der Berührung mit dem Unwürdigen nicht. Er reicht Ihm Sein Antlitz zum Kusse dar. Er bringt dem Verräter, nur Liebe entgegen. "Mein Freund." Wenn du schon Mich nicht mehr liebst, Ich liebe dich und bin bereit, dir das Unrecht zu verzeihen, das du Mir antust. J esus kennt keine Bitterkeit, keine harten Vorwürfe. Er hat für den gefallenen Apostel nur Mitleid! Und was verdient der arme Apostel anders als Mitleid? Dreißig Silbergroschen - und dafür den Fluch Gottes! Ein kleiner zeitlicher Profit und dafür die dauernden Vorwürfe des Gewissens, ja die ewige Verdammnis. "Mysterium iniquitatis!" Das Geheimnis der Sünde, der Blindheit und Ver-

238 I I I. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

kehrtheit des Menschenherzens! \,y enn der Herr nicht so voll Güte und Verstehen wäre, wenn Er nicht mehr liebte, auch wo wir uns Seiner Liebe unwürdig gemacht haben: was würde aus uns w.erden! Aus dem Apostel kann ein Verräter werden!

3. Der Entehrung des Herrn durch Judas setzt die heilige Kirche die eindrucksvolle Huldigung entgegen: "Im Namen Jesu beuge sich jedes Knie im Himmel, auf Erden und unter der Erde; denn der Herr ist gehorsam geworden bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze: darum ist nun auch J esus Christus der Herr in der Herrlichkeit Gottes des Vaters" (Introitus). Der Herr in Seiner Erniedrigung durch Ju.das. Er ist gehorsam und unterwirft sich sogar den Absichten eines Verräters. So ist es der Wille des Vaters. Und das genügt J esus!

" Wozu bist du gekommen?" Wozu der Verrat am Herrn? Was bringt er ein? Armer, verblendeter Apostel! Und wir Christen! Wozu die ewigen Sorgen und das nervöse Mühen um etwas Geld, um eine Stelle, um ein Amt, um Menschenehre ? Dafür opfern wir, wenn nicht die Religion und die Ewigkeit, so doch den Eifer für Gottes Interessen, für das Gebet, für die heiligen Sakramente, für das eine Notwendige. Was bleibt uns von allen zeitlichen Vorteilen? Eine Leere, die den armen Judas dazu trieb, sich am eigenen Leben zu vergreifen.

"Sirnon, dormis? - Simon, du schläfst? Konntest du nicht eine Stunde mit Mir wachen?" Mit diesen Worten des Herrn an Petrus ruft uns heute die heilige Liturgie in den Laudes auf, daß wir doch in diesen Tagen den Heiland in Seinen Leiden und Verdemütigungen nicht allein lassen. Wenigstens in den letzten Tagen der Karwoche bleiben wir nicht teilnahmslos. Drum werden wir nach Maria Maggiore geführt. Siehe, die Mutter! Siehe, wie Maria mit J esus leidet! M aria ist die heilige Kirche. Wir sollen Maria sein, mit dem teilnehmenden Herzen, mit dem Mut und mit der Kraft der Liebe, die uns

Gründonnerstag: Das neue Gebot. 239

stark macht, den Kreuzweg des Sohnes mitzumachen und unter dem Kreuze zu stehen. Sind wir es? Gilt uns nicht der Vorwurf: "Sirnon, du schläfst? Siehst du den Judas nicht? Er schläft nicht, sondern beeilt sich, Mich an die Juden zu verraten" (Responsorium der Mette). Immer die alte Sache: Die Freunde J esu schlafen, die Feinde sind an der Arbeit!

Ge b e t.

Allmächtiger Gott, unaufhörlich niedergebeugt wegen unserer ZÜgellos-igkeit, bitteI1 wir Dich: gib, daß uns Erlösung werde durch das Leiden Deines eingeborenen Sohnes.

o Gort, Du wolltest, daß Dein Sohn die Si=hmach des Kreuzes auf sich nehme, damit Du die Macht des Feindes von uns vertreibest; so verleihe denn uns, Demen Dienern, daß wir die Gnade der Auferstehung erlangen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Gründonnerstag.

Die L i e beb isa n sEn d e.

1. Im Lateran, der Kirche des heiligsten Erlösers, sind wir heute Zeugen der Wiederaufnahme der Büßer in die Gemeinschaft der Gläubigen. Sie haben Buße getan. Sie waren vom gemeinsamen Opfergang und von der Teilnahme an der heiligen Kommuniol1 ausgeschlossen. Heute dürfen sie die Bußzeit beenden. Sie dürfen wieder ihre Gaben zum Altare tragen und das erste Mal die heilige Kommunion empfangen. Wir fühlen ihre Freude und ihre Dankbarkeit gegen den Erlöser mit. VI/ir stimmen in ihr Gebet ein, mit dem sie ihren ersten Opfergang machen: "Ich werde nicht sterben, ich werde leben" (Offertorium). Wir erinnern uns heute zugleich an die Ereignisse im Leben J esu, die den Gründonnerstag auszeichnen: den Abschied J esu

240 II I. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

von Bethanren, den Gang zum Abendmahlssaal, das Abendmahl (Ostermahl), die Fußwaschung, die Einsetzung der heiligsten Eucharistie und des Priestertums, die Abschiedsrede des Heilandes und das hohepriesterliche Gebet, den Gang in den Olgarten, das Olbergleiden, den Verrat des Judas, die Gefangennahme Jesu. Die heilige Liturgie gedenkt insbesondere der Einsetzung des allerheiligsten Altarssakramentes.

2. "D a Erd i e Sei n e n I i e b t e, die in der Welt waren, erwies Er ihnen eine Liebe bis zum Ende" (Joh. 13, I): in der Einsetzung des allerheiligsten Sakramentes des Altars. Es genügt Seiner Liebe zu uns nicht, für uns zu leiden und am Kreuze zu sterben. Er will immer mit uns sein. Ja Er will die Nahrung unserer Seele werden, uns mit Seiner Kraft und Seinem Leben erfüllen, uns in die innigste Lebensgemeinschaft mit sich hineinheben. Er der Weinstock, wir die Zweige! Eine Liebe bis ans Ende Seines Lebens, am Kreuze; bis ans Ende der Zeiten, im Tabernakel. Eine Liebe ohne Grenzen und Enden droben im Himmel. Das ist unser Reichtum in aller Armut. Und das ist unser .alles überragendes Glück: Er liebt uns bis ans Ende, bis an die Grenzen der Möglichkeiten. "Wie Mich der Vater geliebt hat, so liebe Ich euch" (Joh. J5,9). "Bleibet in Meiner Liebe!" (Ebd.) Auch wir unserseits lieben Ihn bis zum Ende, aus ganzer Kr.aft.

Einen weiteren Erweis Seiner Liebe gibt Er Seinen Aposteln in der Fußwaschung. Die Liturgie des heutigen Tages bringt die Fußwaschung in engste Verbindung mit dem Empfang der heiligen Kommunion. Deshalb betet sie zur Austeilung der heiligen Kommunion an die Gläubigen: "Als der Herr Jesus mit Seinen Jüngern das Abendmahl gehalten hatte, wusch Er ihnen die Füße und sprach:

Versteht ihr, was Ich euch getan habe? Ich, der Herr und Meister? Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so tuet" (Communio). Eucha-

Gründonnerstag: Das neue Gebot. 24 I

rtstie (Kommunion) und werktätige' Nächstenliebe gehören zusammen, ergänzen und halten sich. ,,\Venn wir einander lieben, bleibt Gott in uns und ist Seine Liebe in uns vollkommen. Wenn einer sagt: Ich liebe Gott, seinen Bruder aber haßt, so ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, der kann Gott nicht lieben" (I Joh. 4, 12 20). Wie kann er also würdig die heilige Kommunion empfangen? Anderseits drängt der würdige Genuß des eucharistischen Christus naturnotwendig zur Liebe des mystischen Leibes Christi, der Glieder Christi, des Mitmenschen. Auf diesen Zusammenhang weisen die Texte der Fußwaschung hin. "Ein neues Gebot gebe Ich euch: Liebet einander, wie Ich euch geliebt habe, spricht der Herr. Selig die Makellosen auf dem Lebenswege, die wandeln nach des Herrn Gesetz." "Wenn Ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, wieviel mehr sollt ihr einander die Füße waschen! Hört es, alle Völker I Horchet auf, ihr Bewohner der Erde! Wenn Ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, wieviel mehr sollt ihr einander die Füße waschen!" "Daran werden alle erkennen, daß ihr Meine Jünger seid, daß ihr Liebe zueinander habt." Die heifige Eucharistie ist die Gabe der Liebe: sie wird uns zur Aufgabe: "Ein neues Gebot gebe Ich euch, daß ihr euch einander so llebt, wie Ich euch geliebt habe." Wir prüfen uns ernstlich darauf, ob wir, die wir täglich die heilige Kommunion empfangen, dies Gebot des Herrn ip Wahrheit halten. Die Liebe entscheidet!

3. "Wo d'ie Minne, wo die Liebe, da ist Gott.

Christi Liebe hat unsere Schar geeint. Jubeln und frohlocken wollen wir in Ihm. Fürchten wollen wir und lieben den lebendigen Gott. Und aus lauterem Herzen wollen wir uns minnen. Wo die Minne, wo die Liebe, da ist Gott. Da wir denn miteinander verbunden sind, habt acht, daß wir im Geiste nicht voneinander getrennt werden. Das böse Hadern höre Baur, Werde Lichtl II. 16

242 I II. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

auf, weichen soll der Streit. Und in unserer Mitte wohne Christus, Gott. \"10 die Minne, wo die Liebe, da ist Gott. Dürften wir doch alle mit den Seligen schauen Christus, Gott, Dein Antlitz, herrlich strahlend. Welche Freude, unermeßlich groß und rein! Durch der Ewigkeiten grenzenlose Weiten. Amen." (Zur Fußwaschung.)

Die heiligste Eucharistie ist die Frucht des Kreuzes. Wir werden demnach dem Geheimnis des Altars um so näher kommen und an dessen Gnaden und Segnungen um so mehr Anteil erhalten, als wir in Liebe und glaubensvoller Hingabe mit dem Heiland das Kreuz umfassen. "Uns sei es ferne, daß wir uns in etwas anderem rühmen als nur im Kreuze unseres Herrn J esus Christus" (Introitus). So s011te es sein! In \Virklichkeit aber fliehen wir das Kreuz und entziehen uns ihm, wo immer wir könne!!. Wir sind unzufrieden mit dem Kreuz, das uns aufgelegt ist, wIr hadetn mit Gott. Welch ein Christentum! Darum bleibt uns auch das Geheimnis der heiligen Eucharistie verschlossen und gelangen wir nicht zur Liebe, die wir der heiligen Eucharistie, dem Sakrament der Liebe schulden.

"In Ihm ist unser Heil, unser Leben, unsere Auferstehung" (Introitus). In Ihm, der im Tabernakel unter uns wohnt, für uns betet, sich opfert, uns liebt. "Glücklich, die in Deinem Hause wohnen, Herr" (Ps. 83, 5).

Ge be t.

Gott, Du hast uns in dem wunderbaren Sakramente das Andenken an Dein Leiden hinterlassen. Wir bitten, laß uns das heilige Geheimnis Deines Leibes und Blutes so verehren, daß wir die Frucht Deiner Erlösung allezeit in uns wahrnehmen. Der Du lebst und herrschest in alle Ewigkeit. Amen.

Karfreitag: Jesl1s stirbt am Kreuze. 243

Karfreitag.

J e s u s s t i rb tarn K r e uze.

1. Der Trauerfreitag der Kirche, der Gläubigen.

Im Mittelpunkt der liturgischen Feier steht das Kreuz, an dem der Herr, dem Gebote des Vaters gehorsam, Sein Leben für uns Sünder hingibt. "Er hat mich geliebt und sich für mich hingegeben" (Gal. 2, 20).

2. Je s u s s t i rb tarn K re uze. "Als man an dem Orte, der Schädelstätte heißt, ankam, kreuzigte man Ihn. Ebenso die Missetäter, einen zu Seiner Rechten, den andern zu Seiner Linken. J es,us aber betete: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Dann verteilten sie durch das Los Seine Kleider unter sich. Das Volk stand da und schaute zu. Die Mitglieder des Hohen Rates spotteten: "Andern hat Er geholfen; Er helfe sich selbst, wenn Er der Gesalbte Gottes, der Auserwählte ist." Auch die Soldaten verspotteten Ihn. Sie traten hinzu und reichten Ihm Essig mit den Worten: "Bist Du der König der Juden, dann hilf Dir selbst." Es war ungefähr um die sechste Stunde, da brach über das ganze Land eine Finsternis herein, die bis zur neunten Stunde dauerte. Die Sonne verfinsterte sich, und der Vorhang des Tempels riß mitten entzwei. Jesus rief mit lauter Stimme: "Vater, in Deine Hände befehle Ich Meinen Geist." Mit diesen Worten verschied Er (Luk. 23, 33 ff.). "Er ist gehorsam geworden bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze." ,,0 Herr, wer hätte je geglaubt, was wir jetzt (übe'r den Messias) vernehmen? Und wem ist offenbar geworden der Arm des Herrn? Er (der Messias) wuchs empor wie ein Reis, wie aus dürrem Erdreich eine Wurzel. Nicht Schönheit hat Er oder Gestalt, um unsern Blick auf sich zu ziehen. Verachtet ist Er und der Letzte unter den Menschen, ein Mann der Schmerzen, der weiß, was Siechtum ist. Gleich dem, der sich verhüllen mUß,

16*

244 111. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

verachtet, so daß man Ihn nicht ansehen mag (Is. 53, I ff.). ,,0 ihr alle, die ihr des Weges gehet, habt acht und sehet, ob ein Schmerz gleich sei meinem Schmerz" (Klagel. I, 12). Sein heiliger Leib ist von den Geißelhieben zerfleischt, eine einzige brennende, klaffende Wunde! Die Dornenkrone schmerzt, der Durst quält und martert Ihn. Zu den Leiden des Körpers kommen die seelischen Leiden. Er schaut das verblendete Volk, das Ihn verworfen:

"Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder." Er hört die Spottreden der Feinde. Er schaut den Undank der Christen, der vielen, die für Ihn, Seine Liebe, Seine Hingabe in den Tod nur Gleichgültigkeit und Kälte haben. Was liegt ihnen daran? Sie haben andere Interessen. Sie haben für Ihn nichts übrig. Sie nehmen die Gnaden, die Er ihnen mit unendlicher Mühe und unter so viel Opfern erworben hat, nicht an, mißbrauchen sie und verlieren durch eigene Schuld ihre Seele, ihr wahres Glück, das Er ihnen mit Seinem Blut und Leben erworben hatte. Wie dieser Undank, diese Verblendung Ihn schmerzt! Ich' wollte dich retten: "du aber hast nicht gewollt". Wir sind Maria und Johannes am Kreuze des Herrn und leiden in innigster Teilnahme Seine Qualen und Leiden mit.

Je s U's s ti rb t an uns e r e r S tat t. "Unsere Leiden trug Er, und unsere Schmerzen (d. i. die Strafe, die wir für unsere Sünden verdient hatten) nahm Er auf sich. Wir hielten Ihn für einen mit

dem Aussatz Behafteten, für einen, den Gott geschlagen und zunichte gemacht hat. Er aber ist verwundet worden um unserer Missetaten willen. Er ist zerschlagen wegen unserer SÜnden. Unseres Friedens wegen (d. i. damit wir die Versöhnung, Gemeinschaft mit Gott haben) hat Ihn die Züchtigung getroffen, und durch Seine Wunden wurden wir geheilt. Wir alle sind wie Schafe abgeirrt
ein jeder wich von seinem Wege ab. Da legte der Herr auf Ihn unser aller Missetaten" (Is. 53,4 ff.). Die Be-

Karfreitag: J esus stirbt am Krel1ze. 245

leidigung Gottes, die in der Sünde liegt, kann kein Sterblicher sühnen, nicht einmal ein Enge!. "Suche nicht nach einem Bruder (Menschen), der dich erlöse, sondern nach dem einen, der deine Natur weit überragt, nach dem Gottmenschen J esus: Er allein kann Genugtuung leisten" (h!. Basilius). Er ist über allen, darum kann Er alle erlösen. Er nahm unsere Schuld auf sich. Er zerriß den Schuldbrief, der gegen uns zeugte, und heftete ihn ans Kreuz (Eph. 1,7). "Wir sind (aus der Gefangenschaft der Sünde, Satans, der ewigen Hölle) losgekauft, nicht mit vergänglichem Silber oder Gold, sonderri mit dem kostbaren Blute des unbefleckten Lammes" (I Petr. I, 18). "Durch Seine Wunden sind wir geheilt." Was Er leidet, haben wir verdient und hätten von Rechts wegen wir zu leiden. Er nimmt uns das Leiden, das wir verdient hatten, ab, da wir doch nie Sühne leisten und uns die Verzeihung und die Erlösung erwerben könnten. Er trägt, was wir zu sühnen hatten, an Seinem eigenen Leibe und in Seiner eigenen Seele! "Eine gröBere Liebe hat niemand, als diese ist, daß einer sein Leben für seine Freunde hingibt" (Joh. 15,13). Und erst für seine Feinde? Das tat Jesus!

3. J esus stirbt für uns, fÜr j eden von uns persönlich.

Der Tod ist der Sünde Sold. Alle Folgen der Sünde, aller Schmerz, alle Not des Lebens drängen sich im Tode zusammen. Gottes Gerechtigkeit hat in nichts so tief und so greifbar den Menschen erfaßt wie in der Angst und in den Schauern des Todes. Vor dem Tode bebt jede Kreatur. Nichts ist so sehr die natürliche Strafe der Sünde wie der Tod, der gewaltsam die Fäden durchschneidet, welche die Seele an den Leib und an die Erde fesseln: denn die Sünde hat zuerst das Band zerrissen, mit welchem sie an Gott gebunden war. Und Er, unser Heiland, gibt sich, um unseretwillen, freiwillig in den Tod. Das ist Seine Liebe, "stark wie der Tod". Der furchtbarste Ausdruck der göttlichen Gerechtigkeit, der Tod, wird

246 II I. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

die höchste Tat Seiner Liebe. Sein tiefstes Leiden wird Seine höchste Tat der Liebe zu uns, zu mir!

J esus stirbt für uns. Er opfert Seinen Leib. Und indem Er Seinen Leib opfert, hat Er den Leib der Menschheit, den Leib des Todes, in dem die Sünde wohnt, ans Kreuz geschlagen. Er hat unsere sündige Natur in die reinigende, sühnende Glut Seiner Opferflamme, in das reinigende, heilende Bad Seines Blutes eingetaucht: sie geht wiedergeboren, reif für die Kindschaft Gottes und für die ewige Verklärung, daraus hervor.

J esus stirbt für uns, an unserer Statt! Geheimnisvolle Ordnung! Der Ungerechte sündigt, der Gerechte wird gestraft. Der Schuldige begeht das Verbrechen, der Unschuldige büßt es. Der Herr bezahlt, was der Knecht verbrochen. Gott übernimmt, was der Mensch verschuldet. Meine Ungerechtigkeit, und Gottes Gerechtigkeit und Liebe. Das tut Gott für mich. Was tue ich für Ihn?

Ge be t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, schau auf diese Deine Familie hernieder, für die unser Herr Jesus Christus bereitwillig den Händen der Frevler sich ausliefern ließ und die Marter des Kreuzes erduldete. Der mit Dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.

Mein Volk, was habe Ich dir getan? Womit betrübt' Ich dich? Antworte Mir! Weil Ich dich aus dem Lande Ägypten herausgeführt, hältst du das Kreuz bereit für deinen Heiland. Weil Ich dich durch die Wüste geleitet und mit Manna gespeist; weil Ich dich in ein Land führte, so überaus gut, hältst du das Kreuz bereit für deinen Heiland. Was hätte ich dir noch mehr tun sollen und ta:t es nicht? Als Meinen schönsten Weinberg pflanzte Ich dich, und so bitter wurdest du Mir; mit Essig stillest du Meinen Durst, und mit der Lanze durchbohrst du deinem Heiland die Brust. Ich war's, der dir zuliebe Ägypten schlug samt seiner Erstgeburt; und du, du

Karfreitag: Der König der Juden. 247

überlieferst Mich zur Geißelung. Mein Volk, was habe Ich dir getan? Womit betrÜbt' Ich dich? Antworte Mir! Ich war's, der aus Ägypten dich geführt, der untergehen ließ den Pharao im Roten Meer; und du verrätst M ich an die Hohenpriester. Mein Volk, was habe Ich dir getan? Ich war's, der vor dir aufgetan das Rote Meer; und du tust Meine Brust auf mit einer Lanze. Ich war's, der dich mit Manna nährte in der WÜste; und du gibst Backenstreiche Mir und Geißelhiebe. Mein Volk, was habe Ich dir getan? Womit betrÜbt' Ich dich? Antworte Mir! Ich war's, der dir ein Königszepter gab; und du gibst Meinem Haupte die Dornenkrone. Mein Volk, was habe Ich dir getan? Womit betrÜbt' Ich dich? Antworte Mir! Ich war's, der dich gar hoch erhob durch große Macht; und du h~ingst hoch Mich auf am Kreuzesgalgen. Mein Volk, was habe Ich dir getan? Womit betrÜbt' Ich dich? Antworte Mir! \Vir antworten mit dem Ausdrucke unserer Dankbarkeit und Hingabe. "Heiliger Gott! Heiliger Starker! Heiliger Unsterblicher, erbarme Dich unser."

Karfreitag.

Je s u s der K ö n i g.

1. Jesus zum Tode verurteilt und gekreuzigt! Pilatus, der Vertreter der römischen Weltmacht, stellt Christus den Juden als ihren "König" vor. Das Volk aber verwirft ihn und tauscht heute, am Karfreitag, die Gottesherrschaft gegen die Herrschaft des römischen Kaisers ein. "Wir haben keinen König als nur den (römischen) Kaiser." Mit der Verwerfung J esu hat das arme Volk sein Schicksal für immer besiegelt. Niemand kann ja J esus verwerfen, ohne dadurch sich selber zu verwerfen und zu verderben.

2. Je s u s, der von Sei ne m V 0 I k e verwo r f e n e K ö n i g. Es ist, als ob der heilige Evangelist J ohanr:es in seinem Berichte über die Verurteilung J esu uns mit Nachdruck auf die köni~-

248 III. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

liehe Haltung hinweisen wollte, mit welcher der Herr in das Leiden eintritt, mit welcher Er es besteht und mit welcher Er nach drei Tagen wieder unter den Seinen erscheint. "Bist Du der König der Juden?" fragt Pilatus. Jesus antwortet ihm:

"Mein Reich ist nicht von dieser Welt." "Also bist Du doch ein König?" "Ja, Ich bin ein König. Dazu bin Ich geboren und in die Welt gekommen, daß Ich für die Wahrheit Zeugnis gebe." Die Soldaten setzen Ihm eine Krone von Dornen auf das Haupt und höhnen Ihn: "Sei gegrüßt, Du König der Juden." Pilatus setzt sich auf den Richterstuhl. "Es war der Rüsttag (Freitag), ungefähr um die sechste Stunde. Er sprach zu den Juden: "Euern König soll ich kreuzigen?" Sie antworten: "Wir haben keinen König als den Kaiser." Als König hängt J esus am Kreuze. So bezeugt es die Überschrift:

"J esus von N azareth, König der Juden." Wie ein König verfügt der Herr über Seinen Leib. Als die Soldaten die Gebeine der bei den zerschlagen hatten, die mit Jesus gekreuzigt worden waren, kamen sie zu Jesus. "Sie zerschlugen Ihm die Gebeine nicht, sondern einer der Soldaten öffnete Seine Seite mit einer Lanze." So war es vorhergesagt: "Ihr sollt an Ihm kein Bein zerbrechen" (Ps. 33,21). Wir erkennen in dem Gekreuzigten heute den König, unsern König, und huldigen Ihm. Wie ist Er verdemütigt, geschmäht, verworfen: Er, der König!

"E r hat s ich zum So h n eGo t t e s gern ach t."

Das ist die Anklage, mit welcher die Hohenpriester zu Pilatus kommen. Das ist der Rechtsgrund, auf den hin sie Ihn des Todes schuldig erklären. Für Sein Zeugnis, daß Er der Sohn Gottes sei, erleidet Jesus den Tod. Er unterschreibt es mit Seinem Blut. Der Evangelist aber erkennt hinter dem, was die Menschen urteilen und sagen, das geheimnisvolle, unsichtbare Wirken Gottes, des Vaters. Kaiphas, der Hohepriester, hat den Mitgliedern des Hohen Rates erklärt: "Ihr wißt und bedenkt nicht, dafi

· Karfreitag: Der König der Juden. 249

es für uns besser ist, wenn ein Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zu Grunde geht." "Das sagte er aber nicht aus sich selbst", bemerkt J ohannes, "sondern weil er der Hohepriester jenes Jahres war, weissagte er, daß Jesus für das Volk sterben werde. Doch nicht bloß für das Volk sollte Er sterben, sondern auch um die zerstreuten Kinder Gottes zu sammeln und zu vereinen" (Joh. II, 50 ff.). N ach Gottes Ratschluß ist Er auch für uns gestorben, für alle, die zur Kindschaft Gottes berufen sind, um uns vor dem ewigen Verderben zu bewahren und zur Kindschaft Gottes zu erheben. In Seinem Kreuzestode hat Er das Reich Gottes, das Reich der Kindschaft Gottes auf Erden, begründet. Heute, am Gründungstage, am Tage der Erlösung drängt sich die Kirche um das Kreuz und fleht, Er möge das Reich, das Er in Seinem Blute am Kreuze gegründet, erhalten, ausbreiten und der Enderlösung entgegenführen. Wir schließen uns den ergreifenden Fürbitten der heiligen Kirche an. Sie sind heute besonqers wirksam.

3. Gegenüber dem Unglauben des Volke~ Israel bekennen wir: "Du bist der Sohn des lebendigen Gottes. Du allein der Heilige, Du allein der Herr. Du allein der Allerhöchste, J esus Christus, zusammen mit dem Vater und dem Heiligen Geiste."

Wir erwählen den Gekreuzigten zu unserem König und Herrn. Deshalb vereinigen wir uns mit der heiligen Kirche und machen wir die Verehrung des heiligen Kreuzes (d. i. des im Kreuze symbolisierten Herrn) mit. "Seht das Holz des Kreuzes, an welchem das Heil der Welt gehangen hat. Kommt, laßt uns anbeten!" "Heiliger Gott! Heiliger Starker! Heiliger Unsterblicher, erbarme Dich unser." "Dein Kreuz verehren wir, 0 Herr, wir preisen und verherrlichen Deine heilige Auferstehung. Denn sieh, durch das Holz entstand Freude in aller Welt."

250 111. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

Ge b e t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, schaue hernieder auf diese Deine Familie, für die unser Herr J esus Christus sich bereitwillig den Händen der Frevler ausliefern ließ und die Marter des Kreuzes erduldete, der mit Dir lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Kar sam s tag.

"A b g e s t i e gen z u der H ö 11 e."

I. Joseph von Arimathäa erhält von Pilatus die Erlaubnis, den Leichnam Jesu vom Kreuze abzunehmen. "Auch Nikodemus kam und brachte eine Mischung von Myrrhe und Aloe, wohl an hundert Pfund. Sie nahmen den Leichnam J esu und hüllten ihn samt den duftenden Kräutern in leinene Tücher. An dem Ort, wo Er gekreuzigt worden war, war ein Garten, und in dem Garten ein neues Grab. Dahin legten sie Jesus" (Joh. 19,38 fL). Die Kirche feiert heute die geheimnisvolle Ruhe Jesu im Grabe. Wir gedenken zugleich der sog. Höllenfahrt Jesu. "Abgestiegen zur Hölle." Mit Maria, der Mutter Jesu, harrt die Kirche und harren wir der Stunde der Auferstehung des Herrn entgegen.

2. J e s u Lei b wir d v 0 111 K r e uze ab gen 0 mme 11 und beg r a ben. Der Rüsttag (Tag vor dem jüdischen Osterfest, unser Karfreitag) geht zu Ende. Sie nehmen den Leib Jesu vom Kreuze ab ,und legen Ihn in den Schoß der betrÜbten Mutter. Jesus gehört Seiner Mutter. Sie hat Ihn mitaufgeopfert, da Er am Kreuze sich für uns zum Opfer brachte. Sie darf deshalb auch am Fuß des Kreuzes das Erlöserverdienst J esu in Besitz nehmen. Wie ist sie reich! Joseph von Arimathäa und Nikodemus ordnen alles Notwendige zum Begräbnis an. Ehrfürchtig betten sie Jesu Leib ins Grab. Da ruht Er von den Mühen und Leiden des Erlösungswerkes aus, das Ihm so sauer geworden war. In fremdem' Grabe. Ihm war

Karsamstag: "Abgestiegen zu der Hölle." 2 5 I ja der Tod nicht geschuldet, wie er es uns ist, denn Er ist ohne SÜnde. Der Tod aber ist die Strafe der Sünde. Er hat den Tod nur von uns auf sich übertragen und Übernommen. Er brauchte also kein eigenes Grab. Stand denn Sein Thron nicht im Himmel? Brauchte der ein eigenes Grab, der das Leben ist? Der nach drei Tagen sich vom Tode zum Leben erheben wird? So legen sie Ihn in ein fremdes Grab. Und in ein neues Grab. "Wie im Schoß der allerseligsten Jungfrau niemand vor Ihm noch nach Ihm empfangen wurde, so wurde auch in diesem Grabe keiner vor Ihm oder nach Ihm beigesetzt" (Augustinus). Überall meldet sich bereits der Glanz des Triumphes an. Den Juden ist Jesu Leichnam entzogen. Sie sorgen nur noch für den guten Verschluß und für die Versiege1ung des Grabes. Sie erbitten und erlangen von Pilatus dann noch Soldaten als Wache und dienen so ungewollt, ja gegen ihren Willen, der wirksamen und einwandfreien Bezeugung der Wirklichkeit der Auf-

ersteh,mg des. HerrI), .am (Jstermarg-eJY.

Je s u Se er e s t ei g tin Gi e Vo r b orfe n (na b. Hier sil)d die Seelen der Heiligen und Gerechten der Vorzeit, des Lichtes der Gottanschauung und der himmlischen Seligkeit noch beraubt: denn der Bimmel ist verschlossen. Mit Sehnsucht harren sie der Stu?de ihrer. Erlösung und Vollendung entgegen. Zu Ihnen steigt der Herr, unmittelbar nach Seinem Tode, Seiner Seele nach, hinab und bringt den Wartenden die Frohbotschaft: Das Opfer der yersöhnung ist. dargebracht, das Werk der Erlösung Ist voll~ogen, die ?chuld der Menschheit ist gesühnt, bald Wird der Himmel aufgeschlossen. Wie Er es eben am Kreuze dem reumÜtigen Schächer versprochen hat: "Heute noch wirst du mit Mir im Paradiese sein" (Luk. 23, 43), so tut Er es an den Seelen der Vorhölle: Er füh~t sie in das Licht der seligen Gottanschauung ein, die Er ihnen am Kreuz verdient hat. Wer kann sich das Glück jener Seelen

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252 I I 1. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

denken, die heute vom Herrn in die Freuden der Gottanschauung eingeführt werden? Auch zu den Seelen des Fegfeuers kommt Jesu Seele, um ihnen den Trost der Hoffnung auf die baldige BefreiuI]g und auf die Aufnahme in die Wonnen des Himmels zu bringen. So ist es Jesu Art: Wohin immer Er kommt, schafft Er Trost, Freude, himmlisches Glück, Erlösung.

3· Karsamstag! Mit dem Abstieg zur Hölle, mit der Grabesruhe beginnt für den Herrn die Erhöhung. Bisher ist Sein Leben eine beständige Selbstentäußerung und Erniedrigung. Sie hat ihren Höhepunkt in der Schmach des Kreuzestodes erreicht. Die Höllenfahrt ist der erste Schritt im Leben der Erhöhung, der Beginn der Verherrlichung Jesu als des Königs und Herrn des Alls, die Morgenröte des "Tages Seiner Kraft" (Ps. lO9, 3). "Seines Reiches, Seiner Herrschaft, wird kein Ende sein" (Luk. 1,33)· "Consummatum est." Das große Werk ist getan. Vorbei sind die Verdemütigungen, vorbei die Qualen und Bitterkeiten des Todes. Ein neues Leben beginnt. Der so tief Verdemütigte, der von Seinem Volke Verstoßene und Verworfene wird vom Vater zum Herrn des Universums eingesetzt. Auch Seiner Menschheit nach ist Er der König, der Herr. Ihm haben sich Himmel und Erde und was unter der Erde ist, zu beugen, und alle Zungen heben an zu bekennen, daß Christus der Herr ist, der Kyrios (Phi!. 2, lO). Ihm ist "alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden" (Matth. 28,20). "Würdig ist das Lamm, das geschlachtet wurde, zu empfangen Macht und Reichtum, Kraft, Ehre, Preis und Lob. Die ganze Schöpfung im Himmel, auf Erden, unter der Erde und auf dem Meere hörte ich singen: Dem, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamme sei Lob, Ehre, Ruhm und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit" (Geh. Offb. 5, 12 ff.).

Freudigen Herzens sind wir heute Zeugen des Beginnes der Erhöhung unseres Herrn. In aller

Karsamstag: 0 glückliche Schuld! 253

Stille und Verborgenheit tritt Er heute Seine Herrschaft als König an. Wir huldigen Ihm: "Tu solus Dominus. Tu solus Altissimus. - Du allein bist der Herr. Du allein der Allerhöchste, Jesus Christus mit dem Heiligen Geiste in der Herrlichkeit Gottes, des Vaters" (Gloria der Messe). Nach vierzig Tagen wird Er feierlich, vor den Augen des Himmels und der Erde, Seinen Thron besteigen. "Er hat Sich selbst entäußert, und ist gehorsam geworden bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze. Darum hat Gott Ihn erhöht und Ihm einen N amen gegeben, der ist über alle Namen" (Phi!. 2, 7 ff.). "Wer sich erniedrigt, der wird erhöht." So lautet das Gesetz der Gnade.

"Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde gesenkt wird und stirbt, bleibt es allein (ohne Frucht). Wenn es aber gestorben ist, dann bringt es viele Frucht. Wer sein Leben lieb hat, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt haßt (Abtötung, Entsagung, Aszese), der wird es für das ewige Leben retten. Wer Mir dienen will, der folge Mir. Denn wo Ich bin (iR der Verdemütigung, in der Erniedrigung, dann in der Erhöhung), da soll auch Mein Diener sein. Wer Mir dient, den wird Mein Vater verherrlichen" (Joh. 12,24 ff.).

Ge b e t.

Gott, der Du den Menschen wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erlöst hast, wir bitten Dich, laß uns den Lockungen der Sünde mit der Kraft des Geistes widerstehen, damit wir zu den ewigen Freuden gelangen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Kars am stag.

o glückliche Schuld!

1. Die große Tauffeier in der Nacht des Kar- 5amstags auf den Ostersonntag ist gegenwärtig schon auf den frühen Morgen des Samstags verlegt. Ein

254 II 1. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

besonderes Merkmal der Karsamstagsfeier ist die Segnung der 0 s t er k erz e. Die Liturgie erkennt mit Ergriffenheit und Bewundemng den Zusammenhang der Wunderwerke Gottes, der Vorbilder im Alten Testament und der Erfüllung in Christus. "Es nützte uns nichts, geboren zu werden, wäre uns nicht Hilfe geworden durch die Erlösung. 0 wunderbare Herablassung Deiner Güte zu uns! 0 unschätzbarer Erweis der Liebe! Um den Knecht zu erlösen, gabst Du den Sohn hin. 0 wahrlich notwendig gewordene Sünde Adams, die durch Christi Sterben getilgt ward! 0 glückliche Schuld, die einen so großen Erlöser zu erhalten verdiente!"

2. ,,0 felix culpa - 0 glückliche Schuld!"

Im Lichte der Osterkerze, der Auferstehung des Herrn wird uns jene Frage gelöst, die den grübelnden Verstand des Menschen unaufhörlich quält und beschäftigt: Warum läßt Gott das Böse zu? Er könnte es ja so leicht verhindern und unmöglich machen. Das Böse, so sehr es die freie, persönliche Tat des Menschen ist, untersteht doch ganz der Macht der Vorsehung Gottes. Er könnte es also hindern. Warum hindert Er es nicht? Warum läßt Er es zu? Antwort: Damit in der überwindung der SÜnde und des Bösen Gottes Macht um so herrlicher erstrahlt. Damit wir uns von Seiner Liebe, mit der Er sich um uns bemüht, noch viel mehr überzeugen lassen. Damit sich Seine Weisheit noch viel vollkommener bewähre, als es im bloßen Werk der Schöpfung geschehen war. Damit uns vor allem eine Eigenschaft des göttlichen Wesens offenbar werde: Gottes Barmherzigkeit. Ohne die Sün,de hätten wir sie nie so tief erfaßt und kennen gelernt. Die Barmherzigkeit Gottes sendet das Opferlamm. Die menschgewordene Barmherzigkeit Gottes gibt sich zum Opfer hin. Gottes Barmherzigkeit nimmt das Opfer in Gnaden auf. So soll im Tode Christi das höchste Wunder offenbar werden: die Allmacht wird zur Ohnmacht, die Stärke zur Schwäche, das

Karsamstag: 0 glückliche Schuld! 255

Leben stirbt im Tode. Gott ließ die Sünde zu, um ein noch Höheres zu schaffen, als es die erste Schöpfung war, nämlich einen Gottmenschen und in Ihm das Reich der Erlösten. ,,0 glückliche Schuld, die einen so großen Erlöser zu erhalten verdiente." Es ist eine in Schrift und Überlieferung begründete, von der Mehrheit der Gottesgelehrten verfochtene Lehre, daß der Sohn Gottes überhaupt nicht Mensch geworden wäre, wenn wir in Adam nicht gesündigt hätten. Um unseres Heiles, um unserer Erlösung willen ist der Sohn Gottes vom Himmel herabgestiegen und rvlensch geworden, bekennen wir im Credo der Messe. Tief ergriffen von solcher Liebe und Barmherzigkeit, Weisheit, Macht und Gerechtigkeit Gottes, stammeln wir die Worte des Exsultet: "Es nÜtzte uns nichts, geboren zu werden, wä'fe uns nicht durch die Erlösung (durch Christus) Hilfe geworden. 0 wunderbare Herablassung Deiner Güte zu uns! 0 unschätzbarer Erweis der Liebe! Um den Knecht zu erlösen, gabst Du den Sohn hin. 0 wahrlich notwendig gewordene Sünde Adams! 0 glückliche 'Schuld, die einen so großen Erlöser zu erhalten verdiente." Das Böse, die Sünde der Menschen, wird für Gott Anlaß, das höchste Werk zu schaffen, das Werk der Menschwerdung und Erlösung. Das Böse muß sich in den Dienst Gottes stellen! Es dient dem Guten! Darum läßt Gott es zu!

Im Kr eu z ist das H eil. Konnte der Herr nicht mit einem einzigen Tropfen Blutes,. ja mit einem einzigen Gebete, mit einer einzigen Bitte um Verzeihung und Gnade uns alle erlösen? Ohne Zweifel. "Um soviel als ein Ozean einen Tropfen übertrifft, um ebensoviel übertrifft Christi Verdienst unsere Schuld" (St. Chrysostomus). Deshalb konnte die Gerechtigkeit Gottes, auch wenn sie eine völlig hinreichende Sühne für unsere Sünde forderte, das bittere Leiden und den Tod des Herrn streng genommen nicht verlangen: es war ihr mit weniger bereits ebenso genuggetan. Aber Er hat dies alles ge-

256 III. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

litten, damit wir Seine, ganze, unendliche Liebesmacht erfahren, wie sie noch kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gekommen war (I Kor. 2, 9). In Seine Schmerzen ge- I taucht und mit Seinem Leiden geeint, sollte aller Schuld Schmerz und alles Leiden der Menschheit, der bittere Tod mit eingeschlossen, geweiht und geheiligt werden. Es sollte uns insbesondere das Geheimnis aufgehen, das dem natürlichen Menschen unbekannt bleibt, das Geheimnis des Kreuzes, des Leidens. Wir sollten einsehen, daß Niedrigkeit, Armut, Elend, Leiden von nun an der Adelsbrief des Menschen vor Gott sind. Das Siegel und Zeichen Seiner besonderen Liebe zu uns. Das Unterpfand dafür, daß Er uns Seinem geliebten Sohne vollkommener verähnlichen will. "DieWelt wird sich freuen; ihr aber werdet trauern. Indes euere Traurigkeit wird sich in Freude verwandeln" (Joh. 16,20). Die Leiden sind die Pforte, durch die wir zum ewigen Leben eingehen. Die freiwillig getragenen Leiden sind der Erweis unserer Hingabe an Gott, unserer völligen Unterwerfung unter den heiligen Willen Gottes. Sie sind eine besondere Verherrlichung Gottes: denn keine Liebe kann inniger und keine Hingabe kann heroischer sein als jene, die sich im freiwilligen Leiden kundgibt. Er, unser Herr und Meister, hat statt der Freude den Schmerz umfangen und hat der Schmach nicht geachtet (Hebr. 12,2). Der Geist der Welt gibt Güter, Ehren, Freuden, Gen.üsse, Ämter. Der Geist Christi aber macht diejenigen, die sich ihm ergeben, von allem, was nicht Gott ist, los: von der Welt, vom Fleisch, von den Dingen, vom Ich, sogar von Gott. Wen der Herr zur Heiligkeit erheben will, den hebt Er am Kreuze empor. Darum sind auch die am meisten gekreuzigten Seelen die am meisten mit Gnaden erfüllten Seelen. Die schönste Wissenschaft ist wissen zu leiden. Das wahrste und größte Glück des Menschen hier auf Erden ist, mit J esus zu leiden, ver-

Karsamstag: 0 glÜckliche Schuld! 257

achtet, erniedrigt, gekreuzigt zu sein. Durch das Kreuz drückt uns der Herr Seine Heiligkeit ein. Es trennt und scheidet die Seele von den Geschöpfen. Es reinigt und bereitet die Seele für die reine Liebe Gottes. Wer das Leiden flieht, flieht den Fortschritt in der heiligen Liebe, flieht die Reinheit der Liebe. Im Kreuz ist das Heil!

3· Da, wo die Ungerechtigkeit triumphierend das Haupt erhebt, wird sie besiegt. Derj enige, den sie besiegt und aus der Welt geschafft zu haben glauben, lebt und erhebt sich aus dem Grabe. Christus, Seine Kirche muß verfolgt und unterdrückt sein. Aber eben dann, wenn die Feinde sie vernichtet zu haben glauben und über ihr den Grabhügel auftürmen, ersteht !ie zu neuem Leben. Aus dem Tode das Leben I "Das Blut der Martyrer ist der Same der Christen."

"Denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Guten" (Röm. 8, 28). Sie mögen von den Menschen noch so gehaßt und unterdrückt werden. Dahinter steht und wirkt Gott Sein heiliges Werk. Er verbirgt Seine Liebesabsichten hinter den Übelwollenden Absichten der Menschen. Sie haben ihre Absichten, Gott die Seinigen. Der Christ erkennt hinter den Leiden und Ungerechtigkeiten, die er durch die Menschen erfährt, die Liebesabsichten Gottes des Vaters. So hat J esus es getan. Mit J esus bleibt der Christ nicht bei den Leiden, den Ungerechtigkeiten, den Menschen und der Menschen Tun stehen: er schaut auf die Absichten Gottes, dankt Ihm, lobpreist Ihn und vertraut auf Seine Gnade und Hilfe. "Denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Guten." "Im Kreuz ist das Heil."

Ge be t.

Allmächtiger ewiger Gott, wunderbar in der Anordnung aller Deiner Werke, mögen Deine Erlösten erkennen, daß die \Veltschöpfung im Anfang ein nicht erhabeneres Werk war als am Ende der Zeiten '1.ur. Werde Licht I U. 17

258 I I I. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

das Werk der Hinopferung Christi, unsere~ OstE lammes, der mit Dir lebt und herrscht von Ewigkl zu Ewigkeit. Amen.

Karsamstag.

Tau f e und Auf e r s t e h u n g.

1. Der Liturgie des Karsamstags ist es sichtli darum zu tun, uns tief in das gnadenvolle Geheir nis unserer heiligen Taufe, unserer AuferstehUl mit Christus, einzuführen und in uns den Tat gedanken lebendig werden zu lassen. Wir folgen d Liturgie. \Vir lassen uns von ihr erleuchten Ul stimmen dankbaren Herzens in den Jubel ein, d heute das Herz der Kirche ,erfüllt.

2. Was die h eil i g eTa u f eis t, erklärt U die Liturgie des Karsamstags in den zwölf Proph tien und in der Weihe des Taufwassers. Wunderb hat Gott den Menschen geschaffen (erste ProphetiE wunderbarer hat Er uns neugeschaffen in der Wi dergeburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geisl Aus den Wogen der alles vernichtenden Sintfl sind wir durch die heilige Taufe in die retten I Arche aufgenommen, in die heilige Kirche (zwei Prophetie): wir sind gerettet, nachdem wir ohne d Taufe unfehlbar verloren waren. In der heiligl Taufe sind wir durch das Rote Meer hindurchg gangen: Pharao, der höllische, Satan, der Mensl der Sünde, ist ertränkt. Wir sind im Blute Chri~ gerettet. Wir folgen dem Moses des Neuen Test mentes ins Gelobte Land des Himmels (vierte Pr, phetie). Ohne die Taufe sind wir die verdorrt( Gebeine der Vision des Ezechiel (siebte Prophetie An sie ergeht das Wort des Herrn: Seht, Ich wi Geist in euch kommen lassen, daß ihr wieder lebel dig werdet. Ich will euch Sehnen geben und Fleis( über euch wachsen lassen und euch mit Haut übe ziehen; Ich will euch Geist verleihen, daß ihr lebel dig werdet und erkennet, daß Ich der Herr bin. E

Karsamstag: Taufe und Auferstehung. 259

entstand ein Rauschen und es regte sich: Gebein fügte sich an Gebein, ein jedes zu seinem Gelenk. Sehnen und Fleisch legen sich über sie, und Haut spannte sich darüber. Geist kam in sie: sie erhielten Leben und stellten sich auf ihre Füße. Es war eine große, gewaltige Zahl. Und Gott sprach: All diese Gebeine sind das Haus Israel (die Getauften, ~ie Christen). Ich werde eure Gräber öffnen und euch, Mein Volk, in das Land Israel führen." Die Taufe ist Auferweckung vom Tode zum Leben. Sie ist Errettung aus dem Feuerpfuhle der Hölle, dem wir durch unsere Sünde von Rechts wegen verfallen sind (zwölfte Prophetie von den drei Jünglingen im Feuerofen). Jetzt wird das Taufwasser geweiht und sein Geheimnis verkündet. Im Wasser der Taufe werden die Völker neugeboren. Dem Wasser wird eine geheimnisvolle Gotteskraft beigemischt und aus dem makellosen Mutterschoß des göttlichen Bornes wird eine neue Schöpfung geboren, ein himmlisches Geschlecht. Im Wasser der Taufe werden die Flecken der Sünde getilgt. Hier wird die durch die Sünde entstellte Menschennatur in der Würde ihres Ursprungs wiederhergestellt und von allem Schmutz gereinigt. Hier werden wir zu einer neuen Kindheit wahrer Unscnufd wiedergeboren. Durch Christus unsern Herrn. Das ist der ReIchtum der heiIigen Taufe! Wieviel Grund haben wir zu danken! Wir sind gerettet, neugeboren, in das Leben der Auferstandenen hineingeboren, der neue Mensch!

Was die Tau f e von uns f 0 r der t, sagt uns die Epistel des Karsamstags. Eben sind die Täuflinge von dem Taufraum in die Basilika eingetreten, mit den weißen Taufkleidern angetan. Sie sind die neugeborenen Glieder der Gottesfamilie, belebt vom Geiste der Kindschaft, an Leib und Seele erneuert, mit dem Verlangen im Herzen, dem Herrn einen makellosen Dienst zu weihen (Oration). Da tritt die Mutter Kirche vor sie hin. "Wenn ihr mit Christus auferstanden (d. i. getauft, Christen gewor-

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260 I Il. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

den) seid, so sl1cht, was droben ist, wo Christus zur Rechten des Vaters sitzt. Was droben ist, sei euer Sinnen, nicht das, was auf Erden ist. Denn ihr seid (der SÜnde) gestorben, und euer Leben ist mit Christus in Gott verborgen. Wenn aber Christus, euer Leben, erscheinen wird (in der Herrlichkeit des Jüngsten Tages, bei Seiner Wiederkunft), dann werdet auch ihr mit Ihm erscheinen in Herrlichkeit." Was droben ist. Wir sind ein himmlisches Geschlecht, geistige Menschen geworden. Unsere Eucharistiefeier ist Festgemeinschaft, Festmahl mit dem auferstandenen, himmlischen Herrn. Wir schauen in der Eucharistie das Wunder Seines verklärten Leibes. Wir greifen und sehen es täglich in der heiligen Kommunion. Dieser tägliche Verkehr mit dem Auferstandenen wirkt durchgeistigend auf unser Denken und Wollen, auf unser Sinnen und Trachten, sogar auf unsere Leiblichkeit. Durchdrungen und belebt vom verklärten Leibe des Herrn, der "im Geiste" ist, wird in uns das Leibliche dem Geiste untertan und nimmt in etwa bereits an der großen Verklärung teil. Wir wandeln "in der Neuheit des Lebens" (Röm. 6, 4). Wir sind der SÜnde tot. Unser Leben ist Christus. Wir leben Sein Leben mit! Das ist der Sinn des Christseins, des Getauftseins !

3. "Preiset den Herrn, denn Er ist gut, denn ewig währet Sein Erbarmen. Ihr Völker alle, lobet den Herrn. Denn machtvoll waltet Sein Erbarmen über uns!"

Dankbar stimmen wir in das Magnifikat ein, mit dem der heutige Gottesdienst abschließt. Es ist das Dankgebet der Kirche für das Große, das Gott an ihr in der Wiedergeburt der Völker aus dem Wasser und dem Heiligen Geiste gewirkt hat. "Hoch preiset meine Seele den Herrn, und mein Geist frohlockt in Gott, meinem Heiland. Denn Er hat herabgeschaut auf die Niedrigkeit Seiner Magd: siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn Großes hat an mir getan der Mächtige, heilig ist Sein

260 II I. Die heilige Passionszeit: Karwoche.

den) seid, so sucht, was droben ist, wo Christus zur Rechten des Vaters sitzt. Was droben ist, sei euer Sinnen, nicht das, was auf Erden ist. Denn ihr seid (der SÜnde) gestorben, und euer Leben ist mit Christus in Gott verborgen. Wenn aber Christus, euer Leben, erscheinen wird (in der Herrlichkeit des Jüngsten Tages, bei Seiner Wiederkunft), dann werdet auch ihr mit Ihm erscheinen in Herrlichkeit." Was droben ist. Wir sind ein himmlisches Geschlecht, geistige Menschen geworden. Unsere Eucharistiefeier ist Festgemeinschaft, Festmahl mit dem auferstandenen, himmlischen Herrn. Wir schauen in der Eucharistie das Wunder Seines verklärten Leibes. Wir greifen und sehen es täglich in der heiligen Kommunion. Dieser tägliche Verkehr mit dem Auferstandenen wirkt durchgeistigend auf unser Denken und Wollen, auf unser Sinnen und Trachten, sogar auf unsere Leiblichkeit. Durchdrungen und belebt vom verklärten Leibe des Herrn, der "im Geiste" ist, wird in uns das Leibliche dem Geiste untertan und nimmt in etwa bereits an der großen V erklärung teil. Wir wandeln "in der Neuheit des Lebens" (Röm. 6, 4). Wir sind der Sünde tot. Unser Leben ist Christus. Wir leben Sein Leben mit! Das ist der Sinn des Christseins, des Getauftseins !

3. "Preiset den Herrn, denn Er ist gut, denn ewig währet Sein Erbarmen. Ihr Völker alle, lobet den Herrn. Denn machtvoll waltet Sein Erbarmen über uns !"

Dankbar stimmen wir in das Magnifikat ein, mit dem der heutige Gottesdienst abschließt. Es ist das Dankgebet der Kirche für das Große, das Gott an ihr in der Wiedergeburt der Völker a·us dem Wasser und dem Heiligen Geiste gewirkt hat. "Hoch preiset meine Seele den Herrn, und mein Geist frohlockt in Gott, meinem Heiland. Denn Er hat herabgeschaut auf die Niedrigkeit Seiner Magd: siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn Großes hat an mir getan der Mächtige, heilig ist Sein

Karsamstag: Tal1fe und Auferstehung. 26 I

Name. Und Sein Erbarmen waltet von Geschlecht zu Geschlecht über allen, die Ihn fürchten. Er übet Macht mit Seinem Arme, zerstreut die Stolzgesinnten. Machthaber stürzt Er vom Throne, und Niedrige erhöht Er. Hungrige überhäuft Er mit Gütern, und Reiche läßt Er leer ausgehen. Um Israel, Seinen Knecht, nahm Er sich an, eingedenk Seiner Barmherzigkeit. So wie Er es verheißen dem Abraham und Seinen Kindern auf ewig. Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste, wie es war im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen."

"Das sind die neuen Lämmlein; sie singen Alleluj a. Eben sind sie zum Quell (der Taufe) gekommen. Sie erstrahlen in reinster Herrlichkeit, alleluja, alleluja. Vor dem Lamme sind sie geschmückt mit weißen Kleidern, und Palmen sind in ihren Händen" (Responsorium der Mette). Das sind wir. In Dank und Jubel eilen wir dem Auferstandenen entgegen, uns Ihm in Liebe hinzugeben.

Ge be t.

Gott, Du erhellst diese hochheilige Nacht durch die glorreiche Auferstehung des Herrn; erhalte in den neugeborenen Gliedern Deiner Familie den Geist der Kindschaft, den Du ihnen gegeben, damit sie, an Leib und Seele erneuert, einen makellosen Dienst Dir weihen.

Gib uns, 0 Herr, den Geist Deiner Liebe ein, damit alle, die Du mit den Oster geheimnissen gesättigt hast, durch Deine Vaterliebe eines Herzens seien. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

H eil i gen fes t ein der F ast e n z e i t. 5. Februar: Fest der hl. Agatha.

1. Agatha, aus einem vornehmen sizilianischen Geschlecht entsprossen, stark im Kampfe um ihre Keuschheit und um ihren heiligen Glauben, weigert sich, den Götzen zu opfern, bleibt Christo treu und erringt in der Verfolgung des Kaisers Decius um das Jahr 250 den Sieg des Ma-rtyriums. Wir sind heute Zeugen ihres Ringens und ihres Sieges.

2. "D a s , was der We I t t ö r ich t e r s c h ein t, hat Gott erwählt, um die Weisen zu beschämen; und das, was die Welt schwach nennt, hat Gott er. wählt, um das, was sich stark dünkt, zu beschämen;

und das, was gering ist in den Augen der Welt und verachtet und nichts gilt, das hat Gott erwählt, um das, was etwas gilt, zunichte zu machen, damit sich niemand vor Ihm rühren kann" (Epistel). "Auch dem schwachen Geschlecht hast Du, Gott, den Sieg des Martyriums verliehen" (Oration). Ein herrlicher Sieg der wehrlosen, zarten Jungfrau Agatha Über den mächtigen römischen Statthalter QuintiaI1US! "Warum führst du", fragt er sie, "aus edlem Geschlechte geboren, das niedere Sklavenleben der Christen?" - "Ich bin eine Magd Christi", antwortet ihm Agatha, "und deshalb kleide ich mich in das Gewand einer Magd: das ist der höchste Adel, Christo als Magd zu dienen." Quintianus droht ihr mit den schrecklichsten Martern, wenn sie nicht Christo entsage. ,;Wenn du mit wilden Tieren drohst, so wisse, daß sie im Namen Christi zahm werden; wenn du Feuer anwenden willst, dann werden mir die Engel des Himmels heilsamen Tau zuträufeln." Jetzt wird Agatha mit Ruten geschlagen. Sie geht freudestrahlend in den Kerker, als ob es zu einem F ~stl1lahle ginl?e. Tags darauf erscheint sie wi-ecl~r

5. Februar: Fest der hJ. Agatha. 263

vor dem Richter. "Wenn du nicht dafür sorgst, daß mein Leib von den Henkern zerfleischt wird, kann meine Seele nicht mit den Martyrern in das Paradies des Herrn eingehen." Agatha wird auf die Folter gespannt, mit glühenden Eisen gebrannt, der Brüste beraubt. In der Nacht wird sie vom Apostel Petrus geheilt. Nochmals legt sie Zeugnis für Christus ab. Halbtot bringt man sie in den Kerker zurück. Dort verrichtet sie ihr Sterbegebet : "Herr J esus Christus, guter Meister, ich danke Dir, daß Du mir über die Martern der Henker den Sieg verliehen hast: laß mich glücklich zu Deiner unverwelklichen Herrlichkeit gelangen." Wunderbares christliches Heldentum!

"E s gib t Ehe los e, die schon seit ihrer Geburt von Natur aus dazu bestimmt sind; und es gibt Ehelose, die von den Menschen zur Ehe unfähig gemacht worden sind; und es gibt Ehelose, die von sich aus nichts von der Ehe wissen wollen um des Himmelreiches willen. Wer es fassen kann, fasse es" (Evangelium). Agatha, die Ehelose, die Jungfrau um des Himmelreiches willen! Quintianus ist in Liebe zu ihr entbrannt. Agatha aber will von einer. Ehe mit ihm nichts wissen. Sie kennt höhere Güter und Werte, die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen. Der Statthalter will sie um jeden Preis um ihre Jungfräulichkeit bringen. Er übergibt sie einem schlechten Weibe, das die Jungfrau für das Lasterleben gewinnen sollte. Umsonst. Agatha blieb fest und unbesiegt. Sie weiß, worin das wahre Glück dl"s Menschen gelegen ist. Mit der Doppelkrone der Keuschheit und des blutigen Martyriums geschmückt, geht sie dem himmlischen Bräutigam

entgegen.

3. "Gaudeamus omnes in Domino ... - Frohlocken lasset uns alle im Herrn bei der Feier des Festtages der heiligen Jungfrau und Martyrin Agatha. Ob ihres Martyriums frohlocken die Engel und jubeln <las Lob des Gottessohnes" (Introitus). Sieges.

264 Heiligenfeste in der Fastenzeit.

freude erfüllt heute die Kirche im Himmel und die Kirche auf Erden. Freude im Herrn! Agathas Sieg ist ja Christi Sieg, der Triumph Seiner Kraft und Seiner Gnade, der Kraft und Gnade des Hauptes in Seinen Gliedern, Christi in Seiner Kirche. In Agatha ist die Kraft Christi, die Kraft des Christentums offenbar geworden, die Kraft der Gnade, die auch uns zur Verfügung steht: wir sind wie Agatha Glieder Christi, von Christi Gnade und Kraft durchströmt.

Was Agatha gelebt, getan, gerungen, gelitten, gebetet und gesiegt hat, gehört der Gesamtheit, der Kirche, auch mir an. Wir bringen heute Agathas Leiden, Verdienste und Sieg in der Feier der heiligen Messe Gott dar als Ergänzung und Ersatz für unsere Mängel und Niederlagen, als Genugtuung und Sühne für unsere Untreuen und Sünden, als Bitte um Gnade und Hilfe. Wir freuen uns über den Sieg unserer Schw~ster in Christus. Wir danken dem Herrn, daß Er sie mit Kraft und Starkmut ausgerüstet hat.

Agatha ist der heiligen Liturgie Typus der heiligen Kirche und der christlichen Seele. Darum ist sie heute Brautführerin der heiligen Kirche und der Gläubigen, die die heilige Messe mitfeiern. Wir bilden Agathas Jungfrauengefolge (Offertorium) und werden in der Feier der heiligen Messe von Agatha Christus entgegengeführt. Wir sind entschlossen, heute mit Agatha Martyrer der heiligen Liebe, der Treue, der Keuschheit zu sein und geben deshalb in unsern Opfergaben von Brot und Wein uns selber hin, um als eine andere Agatha ganz Christus zu leben.

Gebet.

Gott, Du hast neben den andern Wundern Deiner Macht auch dem schwachen Geschlechte den Sieg des Martyriums verliehen; gib in Deiner Gnade, daß wir dem Beispiel Deiner heiligen Jungfrau und

10. Februar: Fest der hl. Scholastika. 265

Martyrin Agatha folgen und so Dir entgegenschreiten. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

10. Februar: Fest der hl. Scholastika.

1. St. Scholastika, die leibliche Schwester des heiligen Ordensstifters Benediktus, von zartester Kindheit an Christo, dem Herrn, geweiht, stirbt um das Jahr 542. Die Liturgie ehrt in ihr heute vorzüglich die in Liebe zu Christus erglühende, der ewigen Vermählung entgegenharrende Braut.

2. S c hol ast i kai s t die B rau t des Her r n.

Als Bra'ut ist sie im Evangelium der Messe gezeichnet: die Jungfrau, mit der brennenden Lampe in der Hand, dem Bräutigam entgegengehend! Dem Bräutigam gehört ihr Herz. Darum hat sie von Jugend auf die Welt geopfert und hat ihr ganzes Interesse ungeteilt dem Bräutigam zugewandt. Sie lebt ein Leben der Verborgenheit, des Gebetes, des liebenden Umgangs mit dem Bräutigam. Kein Wunder, paß sie über das Herz und den Arm des Bräutigams so große Macht hat. Sie ist, wenige Tage vor ihrem Heimgang, so wie sie es sonst jedes Jahr einmal getan, zu St. Benedikt gekommen. Heilige, himmlische Unterredungen füllen den Tag aus. Es wird Abend. St. Benedikt drängt nach Hause zurück, in sein Kloster auf dem Berge. Aber Scholastika will die himmlischen Unterredungen die ganze N acht fortsetzen: so sehr lebt sie bereits im Himmel. Was der Bruder ihr abschlägt, das erbittet sie vom Bräutigam. Kaum, daß sie in ein paar Worten ihn um die Entscheidung gebeten, da kommt ein schweres Gewitter. ·St. Benedikt kann das Haus nicht verlassen. Der Bräutigam hat den Wunsch der Braut erfüllt. Wenige Tage darauf stirbt Scholastika. St. Benedikt sieht ihre reine Seele in Gestalt einer Taube dem Bräutigam zueilen, zur ewigen, himmlischen Vermählung.

Scholastika ist Typus der heiligen

266 Heiligenfeste in der Fastenzeit.

Kir c h e, der christlichen Seele. In Scholastika erkennt die Liturgie die Kirche, die Braut des Herrn. Die heilige Kirche, wir, die wir die Kirche bilden, wir sind die Jungfrauen des Evangeliums, die dem Bräutigam entgegengehen. Um die Kirche, um die christliche Seele eifert der Apostel in der Epistel mit "göttlicher Eifersucht", daß wir ja Christo, dem Bräutigam, die Treue halten und keinen andern erkennen, dem wir unser Herz und unsere Liebe weihen, als Ihn allein. "Ich habe euch einem einzigen verlobt und euch als reine Jungfrau Christo geweiht." Unsere Aufgabe. unser Beruf ist es, als Braut dem einen zu leben, dem Bräutigam Christus, dem wir in der heiligen Taufe erstmals angelobt worden sind. In Scholastika harrt die Kirche, harrt die christliche Seele dem Herrn entgegen und hält sich für die Stunde bereit, in welcher der Bräutigam kommt, sie zur endgültigen Vermählung heimzuholen. In Scholastika liebt die Kirche, "lieben wir die Gerechtigkeit (d. i. Christus) und hassen das Unrecht (alles, was nicht Christus ist)". Unser Wahlspruch lautet: "Ich weihe mein Werk dem König" (Introituspsalm). So denkt die heilige Liturgie von uns!

3. Das Himmelreich (der Kirche) wird zehn Jungfrauen gleichen, die ihre Lampen nehmen und dem Bräutigam entgegengehen. Der Bräutigam kommt, jetzt in der heiligen Opferfeier. Wir erwarten Ihn mit brennenden Lampen in der Hand und halten uns mit dem öl der guten Werke, d. i. unserer Opfergaben, bereit, wenn Er in der heiligen Wandlung kommt, uns zum Hochzeitsmahl der heiligen Kommunion zu führen. Die heilige Kommunion ist uns beglückende Vermählungsfeier.

Der Bräutigam kommt im Sterben. Das Erdenleben des Christen darf in Wirklichkeit nichts anderes sein als ein bräutliches, ßehnsüchtiges DemBräutigam-En(gegenharren, bis Er im Tode kommt, uns zur volll,ommenen Vermählung in den Himmel

19. März: Fest des hl. ]oseph. 267

heimzuholen. "Dem Bräutigam entgegen!" Aber wie wenig-entsprechen wir diesem Gedanken des Evangeliums der heiligen Liturgie. Wir hängen am Zeitlichen und leben dem Diesseits, so wie die törichten Jungfrauen des Evangeliums! "Wachet, denn ihr wißt weder den Tag noch die Stunde." Tun wir in Wahrheit so?

Braut Christi! Christo dem Herrn entgegen!

Scholastika voran. Wir bilden ihr Brautgeleite und werden von ihr, der Braut, zum König Christus geführt. Jetzt in der heiligen Messe, dereinst im Sterben! Wie ganz anders wäre unser Leben, wenn wir vom Bewußtsein unserer Brautschaft mit Christus erfüllt wären!

G eb et.

o Gott, Du ließest die Seele Deiner heiligen Jungfrau Scholastika in Gestalt einer Taube zum Himmel emporsteigen, um ihren unschuldigen Wandel zu offenbaren. Gib uns um ihrer Verdienste und Fürbitten willen die Gnade, so unschuldig zu leben, daß wir zu den ewigen Freuden gelangen dürfen. Durch Christu.s unsern Herrn. Amen.

19. März: Fest des hl. joseph.

1. Zweimal im Jahre feiert die heilige Liturgie den hl. Joseph. Einmal in der dritten Woche nach Ostern: als den Schirmherrn der Kirche. Heute ehrt sie in ihm den von Gott auserwählten und hochbegnadigten Gemahl der Gottesmutter Maria, dem mit der Mutter zugleich das Kind anvertraut ist.

2. "W i e die P alm e s t e h t der Ger e c h t e in B 1 ü t e, in der Fülle der Kraft wie die Libanonzeder, gepflanzt im Hause des Herrn" (Introitus). Von Gott mit all den Gnaden und Gaben ausgestattet, die ihn würdig machen, Gemahl und Lebensgefährte der jungfräulichen Mutter Jesu zu sein, eines Sinnes, Geistes unq Strebens mit ijJ.r, so steht der

268 . Heiligenfeste in der Fastenzeit.

hl. J oseph vor uns. Das ist sein Vorrecht: er i.t der Mann der Gottesmutter, in wahrer Ehe ihr verbunden. Sie ist ihm anvertraut, ihm untertan, ihm mit innigster Hochschätzung und Liebe zugeta.n. Keiner steht ihr nach Jesus so nahe wie Joseph. Keiner ist so tief in ihr Geheimnis eingeweiht. Keiner kennt sie besser, keiner liebt sie mehr und hat innigeren Austausch mit ihr als St. Joseph. Wie er sie liebt und schätzt, deutet das Evangelium des heutigen Festes an. Maria hat vom Heiligen Geiste empfangen. Joseph weiß um dies Geheimnis noch nicht. "Weil nun Joseph, ihr Mann, gerecht war und sie nicht in üblen Ruf bringen wollte, so gedachte er sie heimlich zu entlassen." Das sind seine bittersten Stunden und Tage. Er leidet schwer. Da gibt ihm Gott durch den Engel die befreiende Kunde:

"Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen: denn was sie empfangen hat, ist vom Heiligen Geiste." Joseph erkennt, was Gott von ihm will. Mit ganzer Hingebung und heroischem Opfer sinn stellt er sich in den Dienst der Jungfrau-Mutter, teilt mit Treue und Ausdauer ihr Leben der Armut, der Verborgenheit, der Leiden, der Verbannung in Ägypten, der Arbeit, der Innerlichkeit und des heiligen Umganges mit Jesus in Nazareth. ,,0 Herr, Du kamst ihm entgegen mit köstlichem Segen; Du kröntest sein Haupt mit einer Krone von Edelsteinen" (Graduale).

"S i e wir dei n e n So h n ge bär e n, dem sollst du den Namen Jesus geben" (Evangelium). Den Namen zu geben, ist in Israel das Vorrecht des Vaters. St. J oseph hat über J esus die Rechte und die Autorität eines Vaters. Das ist das zweite Vorrecht Josephs. Was Maria vom Heiligen Geiste empfangen hat, gehört naturgemäß Joseph, dem rechtmäßigen Gemahl Mariens, zu und ist sein Eigentum. So hat er kraft der Vermählung mit Maria ein wahres Recht auf Jesus und über Jesus. Er ist Ihm in einem wahren Sinn Vater, mit den

19. März: Fest des hl. ]oseph. 269

Rechten und Pflichten des Vaters gegenüber dem menschgewordenen Gottessohn. Wer von uns wird die Würde und Tragweite dieser jungfräulichen Vaterschaft verstehen oder auch nur ahnen? J esus erkennt und ehrt in St. Joseph den Vater. Ihm will Er untertan, von ihm abhängig, ihm Kind sein, jedem seiner Worte und Wünsche gehorchen. Mit ihm will Er zusammen sein, zusammen leben, zusammen arbeiten, zusammen beten, Umgang haben Tag und Nacht, wohl dreißig Jahre lang. Wie rein, wie jungfräulich, wie heilig muß also St. Joseph sein! So lange, ununterbrochen an der Seite des Heiligen, der Heiligen! Ein unaussprechliches Geheimnis der Fülle und Kraft der Gnade Gottes und der Heiligkeit des hl. Joseph. Wie die Palme steht der Gerechte, St. Joseph, da, in der Fülle der Gnade und Tugend, gepflanzt im Hause des Herrn, inmitten der heiligen Familie von N azareth. "Meine Gnade und Mein Erbarmen begleiten ihn" (Offertorium).

3. In der Feier des heiligen Opfers ist uns heute St.Joseph Fürsprecher bei Jesus. Noch mehr! Er opfert ~it uns. Er stellt sich im Opfergang an unsere Spitze. Wir sind eins mit ihm. Von ihm und zugleich von uns, die wir ihm geeint sind, singt das Offertorium: "Meine (Gottes) Treue (d. i. Gnade) und Mein Erbarmen begleiten ihn. Erhöhen wird sich seine Macht in Meinem Namen." In der Kraft unserer Opfergemeinschaft lind Einheit mit dem hl. J 0- seph finden wir im heiligen Opfer den Nachlaß unserer Sünden. Wir werden "erhöht", mit aufgenommen in Christi Opfer, teilhaft der kostbaren Opferfrucht: der Reinheit, Gerechtigkeit und Innerlichkeit des hl. Joseph. So denkt die Liturgie von der Gemeinschaft der Heiligen.

"Was sie empfangen hat, ist vom Heiligen Geiste" (Communio). Joseph glaubt. Und auch wir sind Joseph: wir glauben, daß das, was wir in der heiligen Kommunion erhalten, der Sohn Gottes ist, geboren

270 Heiligenfeste in der Fastenzeit.

aus Maria, der Jungfrau. Würden wir wenigstens die kurzen Augenblicke nach der heiligen Kommunion oder bei der Besuchung des Allerheiligsten mit dem tiefen, starken Glauben des hl. Joseph mit dem Herrn umgehen. Dann würde dieser Umgang auch uns heiligen! Heiliger Joseph, erflehe uns lebendigen Glauben!

Wie doch die Gedanken Gottes so ganz andere sind als die der Menschen! Menschen hätten an einen ihrer Großen gedacht, ihrer Könige oder Geistesgroßen : einem solchen würde es anstehen, dem menschgewordenen Sohne Gottes Vater zu sein. Was vor den Menschen groß ist, hat vor Gott nichts zu bedeuten. Einen jungfräulich reinen, demütigen, den Menschen weiter nicht bekannten Mann hat Gott auserwählt, einen Armen, Besitzlosen! So denkt Gott! Wo ist die wahre Größe?

Ge be t.

Wir bitten, 0 Herr, durch die Verdienste des Bräutigams Deiner heiligsten Mutter möge uns Hilfe werden, damit auf seine Fürbitte uns geschenkt werde, was wir aus eigener Kraft nicht erlangen. Der Du lebst und herrschest mit dem Vater und dem Heiligen Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

21. März: Fest des heiligen Vaters Benediktus.

1. Der hl. Benedikt, in Umbri'!n um das Jahr 480 geboren, weihte sich in jungen Jahren in der Einsamkeit von Subiaco dem Mönchsstand. Durch seine Regel wurde er der Organisator des Mönchs- und Ordenslebens im Abendland. Von seinem Orden ging die Missionierung und Christianisierung der germanischen Völker Mittel- und Nordeuropas aus. Auf der Regel des hl. Benedikt gründet eine stattliche Anzahl späterer Orden. St. Benedikt starb auf Monte Cassino um das Jahr 543·

2. "Os iusti - In des Gerechten Mund ist

2r. März: Fest des heiligen Vaters Benediktus. 271 Weisheit, und seine Zunge spricht Gerechtigkeit" (Introitus). So zeichnet die heilige Liturgie das Bild des h1. Benedikt. Er ist "gerecht. In seinem Herzen, in seinem Munde ist die Weisheit." Schon solange er in Rom seine Studien macht, ist er nach dem Zeugnis des h1. Gregor d. Gr. seinem Alter weit voraus. Er überläßt sich nicht den irdischen Freuden und Genüssen wie seine Mitstudenten. Ihm ist die Welt nichts anderes als eine welke Blume. Ihn drängt es, Gott zu leben, Gott ganz zu leben. Er ist ein Charakter, zielbewußt, voll tiefen Lebensernstes. So verläßt er Rom, "bewußt ungelehrt und weise ungebildet" (h1. Gregor). In ihm lebt die wahre, übernatürliche Weisheit, der Geist der christlichen Weisheit. Er sieht die Dinge im Lichte Gottes und der Ewigkeit. Er weiß, daß Gott gerade das, was vor der Welt töricht ist, auserwählt hat, um das, was vor der'Welt weise ist, Lügen zu strafen (I Kor. I 26 f.). Vom Geiste der 'N eisheit getrieben, liebt und wählt Benedikt das harte Leben in der einsamen Höhle von Subiaco. Fern von den Menschen, bar jeder Bequemlichkeit, ist er dem Hunger, der Hitze, der Kälte ausgesetzt. Er wählt das Leben des Gebetes, des steten Umganges mit Gott, des Stillschweigens, des rastlosen Kampfes gegen die Leidenschaften und all das, was ihn im Streben nach Gotterfülltheit zurückhalten kann. "In seinem Herzen trägt er das Gesetz Gottes" (Introitus). Gott allein, Gottes Gebot, Gottes Wille, Gottes Wohlgefallen. Das ist seines Lehens Gesetz und Norm. So lebt er in Subiaco in heiliger Einsamkeit mit Gott, "unter den Augen des himmlischen Zuschauers" (h1. Gregor). pa "ließ Gott ihn Seine Stimme hören und führte ihn ins Wolkendunkel" , in die heilige Gottesnähe und Gottesgemeinschaft wie dereinst den Moses auf dem Berge Sinai. "Er gab ihm selber die Gebote, das Gesetz des Lebens und der Zucht" (Epistel). Er führte ihn aus der Enge und Abgeschlossenheit des Tales von Subiaco auf die Höhen des Berges Cassino, auf daß

272 Heiligenfeste in der Fastenzeit.

sein Licht die ganze Welt erhelle. Dort schreibt St. Benedikt, vom Geiste Gottes gedrängt und geleitet, jene heilige Regel, durch deren Befolgung sich Ungezählte geheiligt haben, das "Gesetz des Lebens und der Zucht". ,,0 Herr, Du kamst ihm mit göttlichem Segen (benedictionibus) entgegen" (Graduale). Er ist der "Gesegnete, wie dem Namen (Benedictus = der Gesegnete) so der Gnade nach" (h1. Gregor). "Wie die Palme steht der Gerechte in Blüte, in der Fülle der Kraft wie eine Zeder des Libanon" (Allelujavers). Von ihm geht ein mächtiger Strom des Segens aus, ergießt sich über die Länder, Völker und Zeiten und beglückt sie alle mit Segen.

"S i ehe, wir hab e n all e s ver las sen." So erklärt Petrus dem Heiland (Evangelium). "Wir haben alles verlassen und sind Dir nachgefolgt." Das ist das Geheimnis des Lebens und der Segensfülle des h1. Benedikt. Er hat alles verlassen: Vater und Mutter, Heimat und Familie, Besitz und Ehrenstellen, die ihm, dem Patrizier sohn, winkten. Er verläßt sogar das ihm lieb gewordene Studium an den Schulen Roms, da er sieht, wie viele dabei an ihrer Seele Schaden nehmen. Er hat nur eines im Sinn:

Christus zu gewinnen und Christi Leben zu teilen: das Leben der freiwilligen Armut, des Verzichtes auf den eigenen Willen, auf die Wünsche und Neigungen des eigenen Herzens; das Leben des Gehorsams, des Gebetes, der Konzentration auf Gott; das Leben der angestrengten Arbeit, der Abtötung, qer Gemeinschaft mit den Brüdern, reich an überwindung, an Gelegenheiten zur Geduld, zu Verdemütigungen, zur Sanftmut, zum Verzicht auf sich selbst, zur Erfüllung des großen Gebotes der Liebe Gottes und des Nächsten. "Siehe, wir haben alles verlassen und sind Dir, dem Herrn, nachgefolgt." Darum ist Benedikt vom Herrn gesegnet: "benedictus". "Wer spärlich sät, wird auch spärlich ernten, und wer in Segensfülle sät, der wird auch in Segensfülle ern-

2r. März: Fest des heiligen Vaters Benediktus. 273 ten" (2 Kor. 9, 6). "Hundertfaches" hier auf Erden, "und dazu das ewige Leben". Hier auf Erden ein Leben der innern Ausgeglichenheit, des edlen, reinen, abgeklärten Charakters und Wesens, des innern Friedens, des fruchtbarsten Wirkens für die eigene Seele und für das ewige, wahre Wohl der andern, der Kirche, der Menschheit. "Und dazu das ewige Leben." "Leben erbat er von Dir, und Du schenktest ihm langes Leben für ewige Zeiten" (Graduale). "Seiner Seele Sehnen hast Du gestillt, 0 Herr, und hast seiner Lippen Begehren ihm nicht versagt. Du kröntest sein Haupt mit einer Krone von Edelsteinen" (Offertorium).

3. "Wer in Segensfülle sät, der wird auch in Segensfülle ernten." Die Aussaat entscheidet. Das hat St. Benedikt erkannt. Erst ein Geben, dann ein Empfangen. Erst ein alles Verlassen, dann ein alles Gewinnen. "Wer Mein Jünger sein will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir. Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben um Meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, der wird es retten. Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze vVelt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden leidet? Denn was kann der Mensch als Lösegeld für seine Seele geben?" (Mark. 8, 34-37·) Das "alles Verlassen" in der heiligen Taufe, in dem Opfer der heiligen Messe, ist alles gewinnen, "Hundertfaches in diesem Leben, und dazu das ewige Leben". Das ist wahre Weisheit.

St. Benedikt ist der heiligen Liturgie der "treue und kluge Knecht, den der Herr über Seine Familie gesetzt, damit er ihnen zur rechten Zeit das Brot

. gebe" (Communio). Er ist zum Gesetzgeber, Vater und Führer der großen Familie der Mönche und Ordensleute gesetzt. Durch sein Beispiel, durch seine Regel, durch sein Gebet bei Gott gibt er uns zur rechten Zeit das Brot, dessen wir bedürfen. Er erwirkt uns Weisheit, Licht und Kraft, daß auch

Baur. 'Yerde Licbtl H.

18

.~.. 'Ule~ venaOswald (Diskussion)E, 9@ffi ffHffl falgeR lind f:iundertfaches erlangen, und dazu das ewige Lebt

Ge be t.

Allmächtiger ewiger Gott, Du hast heute Dein Bekenner, den hL Benedikt, aus dem Gefängnis d Körpers in den Himmel erhoben. Gewähre Dein Dienern, die dieses Fest feiern, den Nachlass , ihrer Sünden, damit sie ihm, über dessen Herrlic keit sie glücklich sind, kraft seiner Fürbitte au( durch ihre guten Werke verbunden werden. Dun Christus unsern Herrn. Amen.

25· März; Fest Mariä Verkündigung.

I. Neun Monate vor dem heiligen Weihnacht! feste gedenken wir mit der heiligen Kirche de Tages, da das ewige Wort Gottes auf die Botschaf des Engels hin im Schoße der aIIerseligsten Jung frau Maria unsere menschliche Natur annahm, un uns von der Sünde und der ewigen Verdammnis, dei wir verfallen waren, zu erlösen. Es ist dieser Tag der größte Tag der gesamten Menschheitsgeschichte, der Tag des Einbruches des Göttlichen in die Menschheit, wie ein solcher nie vollkommener erfolgt war oder je erfolgen kann, der Tag der Vermählung des Sohnes Gottes mit der Menschheit.

2. Der K ö n i g Ach a z von Je r usa I e mist von äußern Feinden hart bedrängt. Statt sich an den Herrn um Hilfe zu wenden, will er die Agypter rufen, daß sie mit ihm gegen Assur kämpfen. Gott fordert ihn auf, um irgend ein Wunderzeichen zu bitten als Unterpfand der göttlichen Hilfe. Achaz weist das Anerpieten Gottes zurÜck." Es fehlt ihm der Glaube an Gott und das Vertrauen auf Ihn. Er setzt sein Vertrauen auf Menschen, auf die Kriegsmacht Agyptens. "Ich will kein Zeichen (von Gott) forder"n und den Herrn nicht versuchen", spricht er mit gotteslästerlichen Lippen. Weil er Gott zurück-

25. März: Fest Mariä Verkündigung.

. 275

gewiesen hat, "darum wird der Herr selber euch ein Zeichen geben", das Zeichen der Jungfrau-Mutter. "Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und Sein Name wird sein Emmanuel, Gott mit uns" (Epistel). Heute, am Tage der Menschwerdung des Sohnes Gottes, ist diese Verheißung in Erfüllung gegangen. Der Engel kommt zur Jungfrau. "Fürchte dich nicht, Maria. Du hast Gnade gefunden bri Gott. Sieh, du wirst empfangen und einen Sohn gebären. Er wird groß sein und der Sohn des Allerhöchsten genannt werden." Die Jungfrau wird Jungfrau bleiben und Mutter sein. "Der Heilige Geist wird über dich kommen. Darum wird auch das Heilige, das aus Dir geboren wird, Sohn Gottes genannt werden." Da sprach Maria: "Siehe, ich bin eine Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort" (Evangelium). "Und das Wort ist Fleisch geworden", im Schoße der Jungfrau. Mit den Worten des Engels begrüßen wir sie beim Opfergang: "Ave Maria - Sei gegrüßt, du Gnadenvolle. Der 'Herr ist mit dir, dein Kind. Du bist gebenedeit unter den Weibern." Maria, die Mutter Gottes, das Wunderwerk Gottes, wie es nach dem Gottmenschen J esus Christus ein grö[3eres nicht mehr geben kann.

"Ich bin eine Magd des Herrn." Maria ist die Magd des Herrn, völlig hingegeben an das, was Gott ~ünscht und will, völlig abhängig vom leisesten Wunsche Gottes. So sehr ist sie sich selber erstorben; so sehr ist ihr Wille mit dem Wollen Gottes' eins geworden. Der ehrenvollen Begrüßung durch den Engel, der einzigartigen Würde und Auszeichnung, die ihr vom Engel angekündigt wird, setzt Maria das Wort der Demut entgegen: "Ich bin eine Magd des Herrn. Mir geschehe nach Deinem Worte." In dem Augenblick, da der Himmel sich zu ihr beugt und sie um ihr Jawort ersucht; in dem Augenblick, wo das unerschaffene Wort des Vaters in sie herabsteigt und ihr Kind wird, von

18*

276 HeiJigenfeste in der Fastenzeit.

ihr abhängig: da kann und will sie nur die Magd des Herrn sein. Je höher sie erhoben wird, um so mehr verdemütigt sie sich. Das ist die Frucht der Größe, die uns von Gott zukommt: sie verpflichtet zur Erkenntnis der eigenen Kleinheit und Unwürdigkeit, zur Demut. Die niedere Meinung von uns selbst nimmt mit der Größe zu, die Gott uns verleiht. Das, was uns Gott am nächsten bringt und am innigsten vereinigt, sind nicht die Gnaden an sich, sondern ist die Treue, mit der wir in unserem Nichts verharren und demütig bleiben, in der Erkenntnis der eigenen Nichtigkeit, in der vorbehaltlosen Hingabe an das, was Gott wohJgefällt, in der Liebe zum Magdsein. "Wer sich erniedrigt, der wird erhöht" (Matth. 23,12). "Mir geschehe nach Deinem Wort." Maria gibt ihre Einwilligung. Im gleichen Augenblick empfängt sie den Sohn Gottes. Er erfüllt ihre Seele mit Seinem Lichte und gießt in sie die Reichtümer Seiner Gnade aus. Sie ist Ihm aufs innigste vereinigt. Die Gesinnungen und Gefühle des Sohnes gehen auf die Mutter über. Maria unJ' Jesus sind eins geworden. Maria hat keinen Gedanken, keinen Willen, kein Verlangen, keine Regung außer in Vereinigung mit J esus. Sie lebt mit Ihm, in Ihm. Sie verschwindet in ihren Augen gänzlich, nachdem sie Mutter Gottes geworden ist. Der Unendliche, den sie in ihrem Schoße trägt, verzehrt gleichsam ihr \Vesen. Sie verliert sich in den Abgründen der Gottheit: die kostbare Frucht des demütigen Magdseins und des: "Mir geschehe nach deinem Wort." "Ave Maria - GegrÜßt seist du Maria, voll der Gnade. Der Herr ist mit dir."

3. "Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und Sein Name wird sein: Emmanuel, Gott mit uns." Im Schoße der Jungfrau vermählt sich der Sohn Gottes mit der Menschheit. Mit heiliger Ehrfurcht schaut die heilige Liturgie diese Vermählung mit dem Gott-König. "Du, Mägdlein, höre, sieh und neige dein Ohr. Vergiß dein VoJk und dei-

25. März: Fest Mariä Verkündigung. 277

nes Vaters Haus. Es sehnt der König sich nach deiner Schönheit: Er ist dein Herr, du wirst Ihm huldigen." Schon nahen die Völker, um der Königin am Tage ihr'er Vermählung ihre Verehrung zum Ausdruck zu bringen. Die Töchter der Stadt Tyrus voran. Ihnen folgen in langem Zuge die Vertreter der reichsten Völker der Erde, Huldigungsgaben in der Hand. "Die Tyrustöchter weihen dir (Maria, Kirche) Geschenke, des Volkes reichste Fürsten huldigen dir. Ganz Pracht ist im Gemach die Königstochter, von Gold durchwoben ist ihr Kleid. In farbenstrahlendem Gewand wird sie zum König hingeleitet", heute, in der Empfängnis des Sohnes Gottes. "Ihr folgen Jungfrauen", die zu Christus bekehrten Völker und Menschen. Mit Freude und Frohlocken ziehen sie der Königin Maria, Kirche, nach und treten in das Gemach des Königs ein, in den Mitbesitz der übernatürlichen Gnaden und Gaben, einmal für immer und ewig in dem Mitbesitz der ewigen Seligkeit. "In Freud' und Jubel werden sie geleitet und ziehen ein in den Palast des Königs" - durch Maria, durch die Kirche (Introitus, Tractus).

"Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft." Der Sohn Gottes will sich mit der Menschheit in Liebe vermählen. Maria ist die Vertreterin der gesamten Menschheit. In Maria hat die Menschheit, haben wir alle uns zu entscheiden, ob wir den Antrag Gottes annehmen, ob wir das Heil wollen oder nicht. In Maria hat die Menschheit, haben wir unser Ja gesprochen. "Und das Wort ist Fleisch geworden." Wir danken der Jungfrau, daß sie an unserer Statt das "Fiat" gesprochen.

Auch wir werden zu jeder Gnade, die der Herr uns anbietet, unser Ja sagen. "Jungfrauen folgen ihr", reine Seelen, frei und losgelöst von allem, was sie an der Liebesvereinigung und geistigen Vermählung mit dem Herrn hindern könnte.

"Siehe, die Jungfrau wird empfangen", singt die Liturgie zur Communio. Täglich erlebt die Jungfrau-

278 Heiligenfeste in der Fastenzeit.

Mutter Kirche, täglich erleben wir alle im Empfang der heiligen Kommunion die gnadenvolle Gottesempfängnis und Vermählungsfeier Mariens mit. Wären wir nur rein wie sie, die Jungfrau!

Ge b et.

Gott, Du wolltest, daß Dein Wort auf die Botschaft des Engels hin im Schoße der seligsten Jungfrau Mana Fleisch annehme. So gewähre denn unsere Bitte und laß uns durch ihre Fürsprache bei Dir Hilfe finden, die wir sie gläubig als wahre Gottesmutter bekennen. Durch denselben Christus unsern Herrn. Amen.

Fest der Sieben Schmerzen Mariä.

1. AchtTage vor dem Karfreitag richtet die Kirche teilnahmsvoll ihren Blick auf Maria, die Schmerzensmutter. Was Simeon im Tempel vorausgesagt, ist Wirklichkeit geworden: "Auch deine Seele wird ein Schwert durchdringen, auf daß die Gedanken vieler Herzen offenbar werden" (Luk. 2,35). Maria. ist in ihrer Teilnahme an dem Leiden ihres Sohnes Vorbild und Vertreterin der Kirche und der christlichen Seele.

2, "In jener Zeit standdn bei dem K r e uze J e s u Sei n eMu t t e r und die Schwester Seiner Mutter, die Frau des Kleophas, und Maria Magdalena" (Evangelium). Maria konnte nicht anders: sie durfte ihren Sohn auf Seinem Leidensweg nicht allein lassen. Sie wußte schon von der Stunde an, da sie J esus im Tempel darstellte, daß ~r dereinst als Sühnopfer für die Sünden der Welt sterben werde und daß sie, Seine Mutter, zu diesem Opfer mitzuwirken habe. Von jenem Tage an stellte sich ihr das Bild, das der greise Simeon ihr gezeichnet hatte, unablässig vor die Seele. Schon immer sah sie im Geiste die Hände ihres Kindes in Fesseln geschlagen und mit harten Nägeln durchbohrt.

Fest der Sieben Schmerzen Mariä. 279

Immerfort sah sie Ihn von den Feinden umringt, verspottet, gekreuzigt. Ein dauerndes Martyrium! Sie sah den Augenblick immer näher kommen, an dem Er Seine Passion antreten sollte. Immer neue Leiden! Sie wußte um die Vorgänge im ölgarten, im Haus des Hohenpriesters, im Gerichtssaal des Pilatus. Sie war zugegen, da Pilatus Ihn dem Volke yorführte: "Seht, welch ein Men~ch!" (Joh. 19,5·) Wie sie Ihn zugerichtet haben! Sie ist dabei, da .Pilatus Ihn neben den Barabbas stellt und das Volk ihrem Sohn den gemeinen Verbrecher vorzieht. "Was soll ich dann mit Jesus anfangen?" fragt Pilatus. "Kreuzige Ihn, kreuzige Ihn! Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder" (Matth. 27,22 ff.). Jetzt übergibt Pilatus Ihn den Juden zur Kreuzigung. Maria darf sich von Jesus nicht trennen. Sie begleitet Ihn, da Er Sein Kreuz trägt. Sie ist dabei, da sie Ihm die Kleider vom Leibe reißen, Ihn am Kreuze ausspannen und Ihm die dicken Nägel durch die Hände und Füße treiben. Sie drängt sich an das Kreuz heran, an dem ihr Sohn blutet. Da steht sie in tiefstem, namenlosem Weh, standhaft, ergeben, ruhig. Sie vereinigt ihre Schmerzen mit den Leiden ihres sich dem Vater hinopfernden Sohnes. Sie schließt sich dem Opfer ihres Sohnes an und opfert Ihn dem Vater auf, für das Heil der Welt, für jedes von uns. Das Opfer, das der Sohn dem Vater anbietet~ bietet gleicherweise auch die Mutter an: in innigster Leidens- und. Opfergemeinschaft. ,,0 ihr alle, die ihr des Weges kommt, merkt auf und schaut, ob je ein Schmerz wohl meinem Schmerze gleiche!" (Klage\. 1, 2; Traktus.)

"Weib, siehe da deinenSahn!" Jesussieht vom Kreuze herab Seine Mutter und den Lieblingsjünger Johannes. Da wendet Er sich an Seine Mutter. "Weib, siehe da deinen Sohn!" Und zu Johannes: "Siehe da deine Mutter!" (Evangelium.) Der Höhepunkt des Schmerzes für die Mutter! Da, wo sie ihrem Sohn den größten Beweis ihrer Mutter-

280 Heiligenfestc in der Fastenzeit.

liebe gibt; da, wo sie Sein Leid und Seine Todesnot teilt und bei Ihm bis zum letzten Augenblick ausharrt; da, wo J esus, voll Mitleid mit den Schmerzen der Mutter, ihr den vollkommensten Beweis Seiner Kindesliebe geben sollte, da hat Er für sie nur noch den Namen "Weib". Ein anderer soll ihr Sohn sein. Sie soll ihren Sohn nicht bloß durch den Tod verlieren - wäre das des Leides nicht genug? -, sie soll auch Ihm nicht mehr Mutter. Er ihr nicht mehr Sohn sein! Ein Fremder soll sie Mutterheißen. Dem eigenen Sohn, den sie als Mutter getragen und geboren, soll sie nur ,,'Weib" sein. Was ist das für ein Tausch! Man gibt ihr für J esus den J ohannes, für den Herrn den Knecht, für den Sohn Gottes den Sohn des Zebedäus! (St. Bernhard.) So ist es die heilige Anordnung Gottes. Ebenso wie das Opfer, das Jesus zu bringen hatte, nicht vollkommen gewesen wäre, hätte Ihn der Vater nicht "verlassen", so hätte auch dem Opfer der Mutter die Krone, die letzte Vollendung gefehlt, hätte Er sie, da Er am Kreuze hing, nicht gleichsam verlassen. Der Verlassenheit des Sohnes durch den Vater muß die Verlassenheit der Mutter durch den Sohn entsprechen. Die größte Pein für den Sohn am Kreuz ist die, daß der Vater Ihn verlassen; die größte Pein der Mutter unter dem Kreuze ist die, daß der Sohn sie verläßt und gleichsam verleugnet. "Weib, siehe da (in Johannes) deinen Sohn." Er hat sich von ihr getrennt, damit ihr Schmerz voll sei. ,,0 ihr alle, die ihr des Weges komme!, merkt auf und schaut, ob je ein Schmerz wohl meinem Schmerze gleichet!"

3. Maria folgt dem Herrn bis an den Fuß des Kreuzes! Die treue Mutter, die starke Mutter, bereit zu jedem Opfer. Sie teilt Jesu Schmach und Ver demütigung. Sie läßt Ihn den Kelch der Erniedrigung und der Leiden nicht allein trinken. Sie scheut sich nicht, ans Kreuz heranzutreten und je- . dermann es kundzutun, daß sie die Mutter des Verurteilten ist. Sie ist zu allem Leid bereit. Sie sagt

Fest der Sieben Schmerzen Mariä. 28 I

nicht: Es ist zu viel. Sie kennt gegenüber allem, was das Leben Bitteres bringt, nichts anderes als ein vorbehaltloses "Siehe, ich bin eine Magd des Herrn". Mir geschehe nach Seinem Willen und Wort (Luk. I, 38).

Maria verzichtet auf ihren Sohn! Was be·j ihr an leibliche Mutterschaft erinnerte, bringt sie unter dem Kreuz zum Opfer. Dieses Aufgeben der leiblichen Bindung an J esus trennt sie von J esus, doch nur, um sie noch tiefer zur Mutter des Herrn zu machen. Sie ist nicht mehr die - Mutter des irdischen J esus, wie ehedem in der jungfräulichen Empfängnis und Geburt, sondern die Mutter des himmlischen Herrn mit Seinem ganzen mystischen Leib, der heiligen Kirche. Sie darf "Christus nicht mehr dem Fleische nach kennen" (2 Kor. 5, 16), sondern einzig dem Geiste nach, um für die "neue Schöpfung" (2 Kor. 5,17), die aus dem Kreuzestode des Herrn aufblüht, die Mutter "des ganzen Christus", die neue Eva, die Mutter der Lebendigen zu werden: die Mutter des Johannes, in Johannes unsere Mutter! Uns hat sie geistigerweise -am Fuße des Kreuzes geboren. In unaussprechlichen Geburtswehen. Sie hat an Ostern J esus wieder erhalten. Aber sie hat nicht vergessen, daß Er uns an Seine Stelle gesetzt und gewollt hat, daß sie uns so liebe, als wären wir Er selber! So eng hat der Herr uns mit Seiner Mutter verbunden, da sie unter dem Kreuze stand. So viel hat es Maria gekostet, uns Mutter zu werden. Wir sind in Wahrheit Schmerzenskinder. Darum der Mutter um so teurerl Und um so dankbarer, um so vertrauender!

Der Liturgie ist Maria auf dem Kreuzweg, unter dem Kreuze des Herrn, mitleidend, mitopfernd, den Kelch des Herrn mittrinkend, Symbol und Typus, Vertreterin der Kirche. In Maria ist die Kirche, sind wir, vor allem in dieser 'Passionszeit, gemeint. Die Kirche, die liebende, verstehende Braut, geht dem Blutbräutigam treu, tapfer zur Seite. Sie teilt

282 Heiligenfeste in der Fastenzeit.

auf ihrem Gang durch die Jahrhunderte der Menschheit Seine Schmach, Seine Verdemütigung, Seine Passion. Sie geht mit dem Bräutigam tiefste Leidens- und Todesgemeinschaft ein. Sie macht täglich in der Feier der heiligen Messe das Selbstoprer des Herrn am Kreuze zu ihrer Opfergabe und legt, eine andere Maria unter dem Kreuze, das Opfer ihrer selbst zum Opfer des Herrn hinzu. Ein Herz und eine Seele mit Ihm, in innigster Opfergemeinschaft! Der Weg der Kirche, der christlichen Seele, ist notwendigerweise der Weg der "virgo dolorosa", der schmerzhaften Jungfrau, eine beständige Passion. Je näher sie beim Kreuze steht, um so fruchtbarer ist ihre Mutterschaft gegenüber den Seelen. "Wer seine Seele um Meinetwillen verliert, der wird sie gewinnen" (Matth. IO,39).

Ge be t.

o Gott, bei Deinem Leiden drang, wie Simeon es vorhergesagt, das Schwert des Schmerzes durch das liebevollste Herz der glorreichenJ ungfrau und Mutter Maria. Verleihe uns, die wir in frommem Gedenken ihre Durchbohrung und ihre Leiden verehren, die Gnade, daß wir auf Grund der glorreichen Verdienste und Fürbitten all der Heiligen, die treu beim Kreuze standen, die selige Wirkung Deines Leidens erlangen. Der Du lebst und herrschest von Ewigkeit ;tU Ewigkeit. Amen.

IV. DIE ÖSTERLICHE ZEIT

Einführung.

1. Ostern ist das Fest der Feste, der Höhepunkt und Mittelpunkt des gesamten Kirchenj ahres. Was wir vom Advent an bis heute gefeiert haben, weist und. blickt auf Ostern hin, und was wir in den folgenden Wochen des Kirchenj ahres noch feiern werden, ruht auf dem Ostergeheimnis und entnimmt ihm Sinn und Kraft.

Die Auferstehung des Herrn ist die Vollendung und das Ziel wie der Menschwerdung (des Weihnachtsg~heimnisses), so auch der Passion. Paulus enthüllt uns die Bedeutung dieses Ereignisses, wenn er an die Korinther schreibt: "Ist Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, ihr seid noch in eueren Sünden, und auch die Entschlafenen sind verloren" (I Kor. 15, 17). Menschwerdung und Passion allein können uns also nicht retten. "Er ist gestorben um unserer Sünden willen", betont der Apostel (Röm. 4,25), d. i. um den Tod der Sünde von uns wegzunehmen. Aber das genügt nicht. Wir brauchen das Leben, das volle, unsterbliche Leben. Um uns dieses Leben zu geben, ist Er auferstanden. So bezeugt es der Apostel: "Er ist auferstanden um unserer Rechtfertigung willen" (Röm. 4, 25), damit wir das Leben haben. Jenes vollkommene, ewige Leben, das J esus in Seinem Tode erworben hat und das in Seiner Auferstehung zuerst in Ihm, dem "Erstling" (I Kor. 15, 23) auf strahlt. Im Ostergeheimnis geht die Menschheit, geht die Kirche, gehen wir in Christus, dem Haupte, in die Herrlichkeit des verklärten Lebens ein. Von Anfang an sind wir für diese Herrlichkeit geschaffen. In Adam haben wir sie verloren. In Christi Auferstehung haben wir sie wiedergewonnen. Darum der laute Osterjubel. Darum das nicht enden wollende, dankerfüllte Alle-

286 Die österliche Zeit: Einflihrung.

luj a. In Christus ist die Menschheit, sind wir alle von der Schuld auferstanden und in den Besitz des unsterblichen, ewigen Lebens gelangt. Im neuen Leben, das uns Ostern gibt, besitzen wir bereits das ewige Leben, das bleibende, nie endende himmlis'che Leben. So bekennt es die Oration des Ostersonntags: ,,0 Gott, Du hast am heutigen Tage durch Deinen Eingeborenen den Tod besiegt und uns die Pforten des ewigen Lebens erschlossen." Immer und immer wieder unterstreicht die Liturgie der Osterwoche die Tatsache und den Glauben, daß wir in der zeitlichen Osterfeier die Wirklichkeit des ewigen Lebens, der himmlischen Herrlichkeit berühren. "Ich lebe, und auch ihr sollt leben" (] oh. 14, 19).

Die Osterfreude findet ihren naturgemäßen Ausdruck in dem Freudenmahl der heiligen Kommunion, im Ostermahl, im Paschamahl. Die heilige Kommunion ist die Nahrung des neuen Lebens. In ihr tritt der Auferstandene in Person in unsere Seele ein und durchglüht sie mit der Fülle Seines auferstandenen, über Welt und Tod erhabenen Seins und Lebens. Er wandelt uns in sich um. Was Er ist, sind auch wir: der Auferstandene. Wir wandeln "in der Neuheit des Lebens" (Röm. 6, 4).

2. Der Geist der Osterzeit ist ein Geist des innigsten Dankes an den Auferstandenen: durch Ihn besitzen wir das ewige Leben. "Ich lebe, und auch ihr sollt leben." Ein Geist der Freude und des sieghaften Jubels: wir tragen in uns das auferstandene, unsterbliche, über Sünde und Welt und Tod erhabene Leben, die Kraft des Auferstandenen, in der auch wir alle Mächte der Finsternis und des Todes überwinden. Ein Geist der lebendigen Zuversicht und Hoffnung: wir werden, nachdem Christus auferstanden ist, unfehlbar sicher am Jüngsten Tage auch dem armen Körper nach zum ewigen, seligen Leben auferweckt werden. "Ich sterbe nicht, ich werde leben." Ein Geist des unerschütterlichen Glaubens: Gott, der Vater, hat J esus von den Toten auf-

Die österliche Zeit: Einführung. 287

erweckt. Damit hat der Vater der Person, der Lehre, dem Leben und Wirken und Leiden Jesu das göttliche Siegel aufgedrückt und es als göttlich wahr und heilig bestätigt. Was Jesus lehrt und tut, was Er uns in Seinem Erdenleben vorlebt, ist göttlich yollkommen, gj'oß, heilig. In Jesus sind wir nicht betrogen.

Ostern stellt uns aber auch vor eine große Aufgabe. Wir leben das neue Leben, das Leben des auferstandenen Menschen. Wir sind ja in der heiligen Taufe mit Christus auferstanden. "Wenn ihr mit Christus auferstanden seid, so sucht, was droben ist, \\'o Christus zur Rechten Gottes sitzt. Was droben ist, sei euer Sinnen, nicht das, was auf Erden. Denn ihr seid (der Welt und Sünde, dem Zeitlichen) gestorben, und euer Leben ist mit Christus in Gott verborgen" (Ko1. 3, I ff.; Epistel des Karsamstags). "Schafft den alten Sauerteig hinaus, damit ihr ein neuer Teig seid. Ihr seid ja Ungesäuerte (rein). Laßt uns Festmahl halten (das Ostermahl), nicht mit dem alten Sauerteig, dem Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit dem ungesäuerten Brote der Lauterkeit und Wahrheit" (I Kor. 5, 7; Epistel des Ostersonntags). Mit Nachdruck erinnert und ruft uns die Liturgie der Osterzeit Tag für Tag im Stundengebet der Kirche die Worte des Apostels in Erinnerung: "Christus, von den Toten auferstanden, stirbt nicht mehr. Wenn Er gestorben, so ist Er ein für allemal der Sünde gestorben; wenn Er lebt, so lebt Er für Gott" (Röm. 6,9). "Christus", der ganze Christus, die Kirche, wir alle. Die Kirche, wir sind der über Welt, Tod und Sünde erhabene Christus. \Vir sind (in der heiligen Taufe) ein für allemal der Sünde gestorben. Was wir leben, leben wir für Gott. "Christus, von den Toten auferstanden, stirbt nicht mehr." Wir haben mit aller Sünde Schluß gemacht und leben nur noch Gott und Seinem heiligen. Willen und Wohlgefallen, Seinen Interessen und Sei'1er Ehre. "Unser \Vandel ist im Himmel"

288 Die österliche Zeit: Einführung.

(Phi!. 3,20). Ein Geist der Bereitschaft zum Leiden, zur Entsagung, zum Kreuz, ein Geist des Martyriums: wir können am Leben des Auferstandenen nur soweit teilhaben, als wir zu Ihm, dem Gedemütigten, Verstoßenen, Gekreuzigten stehen. "Mußte nicht Christus (der ganze Christus, die Kirche, wir) alles das leiden und so in Seine Herrlichkeit eingehen?" (Luk. 24, 26; Evangelium des Ostermontags.)

3. Die Zeit von Ostern bis Pfingsten einschließlich ist nichts anderes als die Weiterführung und Verlängerung des Osterfestes. Sie bildet mit Ostern ein einziges, ununterbrochenes Osterfest. Sie enthüllt uns in stets neuen Wendungen und Formen den Ostergedanken : den Gedanken an die Auferstehung der Menschheit in Christus, den Gedanken an die Mitteilung des auferstandenen, neuen Lebens an uns, das der Herr uns in Seinem Tode erworben hat. "Ich lebe, und auch ihr sollt leben."

Im engsten Zusammenhang damit steht auch die Zeit nach Pfingsten bis zum Advent. Sie will das Leben, das wir an Ostern erhalten, in uns entfalten und entwickeln. Auch in den langen Wochen nach Pfingsten lebt der Ostergedanke weiter: Christus lebt und wir leben in Ihm, Er in uns. Er lebt Sein unsterbliches, über \Velt und Sünde und Tod erhabenes Leben in uns, den Gliedern, weiter, wir leben Sein Leben mit. Jetzt zunächst der Seele nach. Es folgt auch für uns die Auferstehung des Fleisches, das selige Ostern des himmlischen Lebens der Seele und dem Leibe nach. "Ich glaube a!i.1 die Auferstehung des Fleisches und an das ewige Leben. Amen."

Die liturgische Meßfeier des heiligen Ostertages.

1. Auferstehung, Sieg, Licht, Leben: das ist die

. Frohbotschaft des Ostertages. Christus steht von den Toten auf, zunächst für Seine 'Person, sodann aber auch für uns und in uns, Seinen Gliedern. Christi Auferstehung ist der Kirche, ist unsere Auferstehung. Christi Sieg ist der Kirche, unser Sieg. Christi Leben ist der Kirche, unser Leben. Diese Ta.tsache kommt liturgisch in der innigen Verbindung der Tauffeier mit der Osterfeier zum Ausdruck.

In den früheren Zeiten gab es keine Karsamstagsfeier wie heute. Der Samstag war ein Tag stiller, lautloser Trauer um den Toten. Erst am späten Abend, wenn es dunkelt, versammeln sich die Gläubigen und die Täuflinge in dem Gotteshaus. Da findet die Lichtweihe statt (die jetzige Feuerweihe ). Am neuen Licht werden die Osterkerze und die Lichter der Kirche angezündet. Dann lauschen die Anwesenden dem Vorleser. Immer mehr geht den Täuflingen in den zwölf Lesungen aus dem Alten Testament der Sinn der heiligen Taufe auf, die sie in dieser Nacht empfangen sollen. Immer höher schlägt ihr Herz. Im Baptisterium wird die Weihe des Taufwassers vorgenommen. Dann steigen die Glücklichen, einer nach dem andern, in die heiligen Fluten, tauchen dreimal unter und empfangen durch den Bischof die heilige Taufe. Mit Christus entsteigen sie dem Grab (des Taufwassers) zu einem neuen Leben. Sie sind Christen geworden: neue Menschen, mit neuen Gedanken und Zielen, mit neuen An-

. schauungen und Idealen, mit einem neuen Geiste und -mit neuen Kräften, wiedergeboren aus dem Wasser und dem Heiligen Geist. Zum ersten Male l3aur, Werde Lichtl H. 19

IV. Die österliche Zeit: Osterwoclle.

machen sie in ihren Lichtgewändern, den weißen Taufkleidern, die Gläubigenmesse und die Eucharistiefeier mit und empfangen die heilige Kommunion. Ein Ostern, eine Auferstehungsfeier :voll wirksamen, nachhaltigen Erlebens !

2. Wir sind in Maria Maggiore, der Muttergotteskirche, in welcher wir einst Weihnachten gefeiert haben. Damals die Geburt, heute die Auferstehung, d. i. im Sinne der Alten die Wiedergeburt des Erlösers. Zwei Gedanken beherrschen den Meßtext: der Gedanke an die Auferstehung Christi und an das Osterlamm. Im Hintergrund steht der Gedanke an die Taufe. Das Osterlamm des Volkes Israel hat in Christus seine Erfüllung erfahren: es kündet Erlösung aus der Knechtschaft des Pharao (Satans), Rettung vor dem Untergang (im Durchzug durch das Rote Meer: Taufe), Einzug in das Gelobte Land (der Kirche, des Himmels, ewiges Leben). Im Auferstandenen haben wir das geschlachtete und zugleich das lebende und lebenspendende Osterlamm; Erlösung, Errettung, das ewige Leben.

3. Mit der Siegesfahne in der Hand tritt im Introitus der Auferstandene vor den Vater hin: "Auferstanden bin Ich und bin nun immer bei Dir." Du legtest im Leiden und Sterben schlagend und zugleich schützend, rettend, helfend "Deine Hand auf Mich", führtest in göttlicher Weisheit Mich durch die Nacht zum Licht, durch den Tod zum Leben. Mit Christus betet diese Worte die Kirche. "Auferstanden bin ich", durch den Tod des Herrn der Nacht der Schuld und Sünde, der Macht des Teufels entrissen, und "nun bin ich bei Dir", Vater, im Besitz des ewigen Lebens, in das ich in Christus eingegangen bin. Noch führst Du mich durch Nacht und Mühsal und Kampf. Noch lastet Deine Hand schwer auf mir, mich schlagend, schützend, rettend. Sie führt mich, die Kirche, die Gläubigen, durch die N acht zum Licht, durch den Tod zum Leben, zum Sieg über Sünde, Welt und Tod. Alleluja. Um diese

"III!

Die liturgische Meßfeier des heiligen Ostertages. 291 Ostergnade flehen wir im Kyrie eleison. Wir flehen um das neue Leben, daß es sich in alle Kinder der Kirche ergießen und sie alle beglücken möge. Herr,

erbarme Dich unser!

Ostern bedeutet neues Leben. Wollte ein Israelit das jüdische Osterlamm essen, so mußte er zuerst allen Sauerteig aus dem Hause geschafft haben . . Daraus folgert der Apostel: Also darf nur der das christliche Osterlamm essen, welcher den alten Menschen aus sich hinausgeschafft hat (Epistel). Er muß der neue Mensch geworden sein, der das Festmahl hält mit dem "ungesäuerten Brote der Lauterkeit und Wahrheit (Echtheit)". Dann, wenn er mit Magdalena und den übrigen Frauen, die zum Grabe kommen, die Finsternis hinter sich hat (Evangelium), wenn es in ihm licht geworden ist, kann er die Herrlichkeit des Aufer~tandenen schauen und Sein Leben

in Besitz nehmen.

Der Auferstandene erscheint in der Opferfeier in unserer Mitte. Hier, in unserem Gotteshaus, haben wir heute den Garten, ·in welchem der Auferstandene sich der Magdalena, Seiner Kirche, uns zeigt. Hier auf unserem Altar ist Er das Osterlamm. Wir nehmen es in unsere Hände und übergeben es als unsere Ostergabe dem Vater. "Eine reine, heilige, makellose Gabe." Wir wissen aber, daß diese unsere Gabe, in sich rein und heilig, vom Vater nur insoweit als unsere Gabe angenommen werden kann, als wir mit ihr geistig eins geworden sind, d. i. als wir das Leben des Auferstandenen mitleben und Seinen Sieg über die Sünde, die Welt und das Böse teilen. Ostern ist nicht bloß eine Erinnerung an Christi Auferstehung, an das Osterlamm, an unsere Taufe; es ist auch nicht bloß eine Tat von seiten Gottes, die Auferweckung Christi. Es ist eine Tat auch von unserer Seite: wir treten in das neue Leben ein, das Christus in Seinem Tode erworben hat. Wir eignen es uns in Taufe und Eucharistie an und leben es im Alltag praktisch mit. Wir sind nicht mehr die, die wir

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292 IV. Die österliche Zeit: Osterwoche.

gestern waren. Wir sind umgewandelt, aus dem Grabe unserer bisherigen Sündhaftigkeit, N achlässigkeit, Weltlichkeit, Halbheit, Selbstsucht und Weichlichkeit auferstanden. Wir sind der Sünde ein für allemal tot und leben Gott. Wir erheben uns über das bioß natürlich-diesseitige Sinnen und Trachten und sinnen auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde" (Kol. 3, I ff.; Epistel des Karsamstags). Den Beweis dafür, daß wir in den Auferstandenen eingegangen sind und Sein Leben in uns tragen, erbringen wir unzweideutig damit, daß wir in der Kraft der heiligen Eucharistie, der Osterkommunion, miteinander "eines Herzens" sind, erfüllt vom "Geiste Deiner Liebe". Um diese Osterfrucht flehen wir in der Postcommunio.

Ostersonntag. Auf e r s t a n den.

1. Im Nachtgottesdienst vom Karsamstag auf den heutigen Sonntag ward in früheren Jahrhunderten die Sehnsucht der Katechumenen erfüllt: sie haben in der Osternacht in der Erlöserkirche (Lateran) die heilige Taufe empfangen. Zur Feier des Ostersonntags begleiten wir die glücklichen Neugetauften nach Santa Maria Maggiore, zur Mutter des Auferstandenen, die unter dem Kreuze die Mutter der Erlösten, der Getauften geworden. Unser Ostergruß gilt nach dem Auferstandenen zuerst der Mutter. "Freu dich, du Himmelskönigin, alleluja!"

2. C h r ist u s ist von den Tot e n auf e r s t a nd e n. Sein erster Gedanke, Sein erster Herzenserguß gilt dem Vater: "Auferstanden bin Ich und bin nun immer bei Dir", dem Vater, im unsterblichen Leben der Verklärung. So wirft Er sich im Drang der dankbaren Liebe ans Herz des Vaters. "Du legtest" in der Schmach, Erniedrigung und Gottverlassenheit der Passion "Deine Hand auf Mich". Nun hat dieselbe Hand über Mich die Fülle

Ostersonntag: Auferstanden. 293

des Lebens, der Verklärung und Herrlichkeit aUigegossen. "Gar wunderbar ist Deine Weisheit" (Introitus). Gestern in der Schmach und Erniedrigung des Kreuzestodes, heute in der Herrlichkeit der himmlischen Verklärung! Es ist kein Zweifel möglich, ell ist unfehlbar sichere Tatsache: "Der Herr ist wahrhaft auferstanden" (Luk. 24, 34). Denselben "Jesui, den ihr gekreuzigt habt, hat Gott zum Herrn (Kyrios) und Christus gemacht" (Apg. 2, 36). War ehedem das Göttliche in Jesus nur wie ein gebrochener Strahl aufgeleuchtet, wenn es in Zeichen und Wundern die menschliche Hülle durchbrach, so strahlt es jetzt in seiner ganzen Fülle und Kraft. "Mein Herr und mein Gott" (Joh. 20, 28). Von ihm, der gestern noch am Kreuze hing, strömt fortan alles Leben, alle Gnade und Verzeihung, alle Vollmacht und Gewalt in die Menschheit und in die Kirche aus. In der Auferweckung aus dem Grabe hat Gott Sein eigenes, untrügliches und unzerbrechliches Siegel unter das Leben J esu gesetzt: "Diesen J esus hat Gott auferweckt" (Apg. 2, 32; 3, 13). Mit überwältigender Unmittelbarkeit hat Gott für Jesu Person und Ansprüche, für Jesu Worte, Leben und Beispiel, für J esu Verheißungen und Stiftung, die heilige Kirche, Zeugnis abgelegt. "Der Herr ist wahrhaft auferstanden." Also ist jedes Seiner Worte, jede Seiner Belehrungen und Verheißungen untrüglich wahr, jede Seiner Handlungen göttlich heilig. Also gibt es für uns nur noch eines: an J esus glauben, Seinem Beispiel folgen, Seinem Gebote uns vollkommen unterwerfen. "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh. 14,6). Wie sicher, wie reich macht uns die Auferstehung unseres Herrn! Wie wunderbar hat Gott Ihn in der Auferweckung von den Toten verherrlicht und erhöht! Wir glauben, wir wünschen unserem Erlöser Glück und freuen uns ilJnigst über Seine Auferstehung!

Mit 'Christus sind auch wir aufers t a!l cl e n. Jesus ist nicht bloß der Erlöser yon

294 IV. Die österliche Zeit: Osterwoche.

Sünde und Schuld: Er ist der Erlöser der Toten zum Leben. "Er hat uns miterweckt und mitversetzt in den Himmel in Christus Jesus" (Eph. 2, 6). Wir stehen in engster Schicksalsgemeinschaft mit J esus. Er ist auferstanden: so werden auch wir auferstehen. \Veil wir zum alten Adam gehörten, teilten wir das Schicksal Adams und mußten wir sterben. Weil wir nunmehr zum neuen Adam gehören, teilen wir das Schicksal des neuen Adam: wir werden auferstehen zum ewigen Leben. "Wenn Christus, unser Leben, erscheint, werdet auch ihr offenbar werden in Herrlichkeit" (Ko1. 3, 4). "Stehen die Toten nicht auf, dann ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, dann ist euer Glaube nichtig und seid ihr noch in euren Sünden. Nun aber ist Christus auferstanden, der Erstling der Entschlafenen. Durch einen Menschen ist der Tod gekommen: durch einen Menschen kommt die Auferstehung der Toten. Wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle das Leben erhalten. Ein jeder, 'wenn die Reihe an ihn 'kommt~ Christus als Erstling, sodann jene, die Christus angehören (I Kor. I5, r6 ff.). "Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches." Und an die Auferstehung der Seele. Sie ist für uns bereits in dem Empfang der heiligen Taufe vollzogen. Diese Auferstehung verkünden die Lesungen der Karsamstagsliturgie und die Weihe des Taufwassers. Diese Auferstehung verkündet die Spendung der heiligen Taufe in der Nacht vom Karsamstag auf den Ostersonntag. Auf diese Auferstehung wollte uns die ganze heilige Fastenzeit vorbereiten. Sie bildet einen der Grundgedanken der Osterliturgie. Das Emporsteigen des Christen aus den Wassern des Taufbeckens im Baptisterium der Lateranbasilika und das Hervorgehen J esu aus der Grabeshöhle sind der Liturgie ein und derselbe Vorgang: Auferstehung! Drum ruft uns Paulus zu: ,,\Velln ihr mit Christus auferstanden (d. i. getauft) seid, so suchet, was (:\roben ist, nicht das, WaS auf

Ostersonntag: Aurerstanden. 295

Erden. Denn ihr seid der Sünde gestorben, und euer Leben ist mit Christus in Gott verborgen" (Kol. 3, I ff.). Weil ihr in der heiligen Taufe mit Christus mitauferstanden seid, "schafft den alten Sauerteig (aus der Seele) hinaus, damit ihr ein neuer Teig seiet: ihr seid ja Ungesäuerte (d. i. neue, wiedergeborene, auferstandene Menschen). Darum laßt uns unser Festmahl (Ostermahl) feiern nicht mit dem alten Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit dem ungesäuerten Brote der Lauterkeit und Wahrheit" (Epistel).

3. "Auferstanden bin Ich und bin nun immer bei Dir." Nach den Mühsalen und Verdemütigungen ruht Er im Vater. "Ich bin bei Dir." Das ist des Herrn vollendetes Glück. Durch das Kreuz ist Er in den Besitz der Herrlichkeit des ewigen Lebens eingegangen. Er, der Eine, hat den Siegespreis errungen (vgl. Epistel von Septuagesima). In Ihm wir alle, die Kirche, die Menschheit. Schwer lag unsere Schuld und die Last des Zornes Gottes auf ihr. Nun ist sie in Christus von der Schuld auferstanden und ist bei Gott. "Auferstanden bin Ich und bin nun immer bei Dir." So betet mit Christus. die Menschheit, die Kirche. So beten. dankerfüllten Herzens wir, die Getauften, die Erlösten, wir alle. Oster-

glück!

"Die Erde bebte und schwieg (verstummte), da Gott aufstand zum Gericht" (Offertorium): Christi Auferstehung ist das Gericht, die Verurteilung jener, die den Herrn ablehnen. Vorgebildet in jenem Gericht, da in der Osternacht der Würgengel durch Ägypten zog und die Erstgeburt der Ägypter tötete, an den Häusern der Israeliten aber vorbeiging (Pascha = Vorübergang). Israel hatte seine Häuser mit dem Blute des Osterlammes bezeichnet. Wir sind das neue Israel. "Unser Osterlamm, Christus, ist geschlachtet, alle1uj a." Wir bezeichnen uns mit Sei-

. nem Blute, daß wir in der heiligen Eucharistie genießen; \Vjr sinc\ verschont, ~erettet, wir leben,

296 IV. Die österliche Zeit: Osterwoche.

"Der Herr ist auferstanden." Jesu Auferstehung ist das Unterpfand und die untrügliche Bürgschaft unserer Hoffnung; die sichere Stütze unseres Glaubens; die zuverlässige Garantie dafür, daß wir erlöst sind, daß wir die Verzeihung der Sünden haben und berufen sind, das ewige Leben zu besitzen. "Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat! da laBt uns frohlocken und fröhlich sein. Preiset den Herrn, denn Er ist gut, denn ewig währet Sein Erbarmen. Alleluja" (Graduale). "Unser Osterlamm, Christus, ist geschlachtet. Das Lamm erlöste die Schafe. Christus, der Reine, versöhnte die Sünder mit dem Vater" (Allelujavers, Sequenz).

Ge b e t.

Gott, Du hast am heutigen Tag durch Deinen Eingeborenen den Tod besiegt und uns die Pforte des ewigen' Lebens erschlossen; begleite unsere Wünsche, die Deine zuvorkommende Gnade uns eingibt, auch weiterhin mit Deinem Beistand. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Ost e r mon tag.

"D e r Her r ist dem Pet r u s er s chi e n e n."

1. Die Neugetauften werden heute zum heiligen Petrus geführt: Stationskirche St. Peter. Petrus stellt sich ihnen und uns allen als Zeuge der Auferstehung des Herrn vor. Er ist vom Herrn beauftragt, "dem Volke zu predigen und zu bezeugen, daß Er der von Gott bestimmte Richter der Lebendigen und Toten ist" (Epistel). Er lebt. Er wird mit Macht und Herrlichkeit wiederkommen. Er wird alle, die in den Gräbern schlummern, auferwecken und vor Sein gerechtes Gericht stellen. Glücklich die, welche in der heiligen Taufe mit dem Herrn . mitauferstanden sind und die in der Kraft der Taufgnade "vollkommene Freiheit erlangen und zum ewi-

Ostermontag: "Der Herr ist dem Petrus erschienen." 297 gen Leben voranschreiten" (Oration), zur dereinstigen glorreichen Auferstehung von den Toten!

2. "I nie n e n Tag e n t rat Pet r u s in mit ten des Volkes auf: Brüder, ihr wißt, wie Gott J esus von N azareth mit dem Heiligen Geiste und mit der Wunderkraft gesalbt hat. Wie Er umherzog und Gutes tat und alle, die vom Teufel besessen waren, heilte. Wir sind Zeugen all dessen, was Er im Judenlande und in J erusalem gewirkt hat. Ihn haben sie ans Kreuz geschlagen und getötet. Gott aber hat Ihn am dritten Tage auferweckt und Ihn erscheinen lassen, zwar nicht vor dem ganzen Volke, sondern nur vor den von Gott vorherbestimmten Zeugen, vor uns, die wir nach Seiner Auferstehung von den Toten mit Ihm gegessen und getrunken haben. Uns hat Er geboten, dem Volke zu predigen und zu bezeugen, daß Er der von Gott bestimmte Richter der Lebendigen und Toten sei. Von Ihm bezeugen sämtliche Propheten, daß alle, die an Ihn glauben, durch Seinen N amen die Vergebung der Sünden erlangen" (Epistel; Predigt des h1. Petrus im Hause des römischen Hauptmanns). Petrus ist der unmittelbare Augen- und Ohrenzeuge der Ostervorgänge ebenso wie des ganzen öffentlichen Lebens Jesu. Ebenso ist er der unmittelbare Zeuge der Aufträge des Herrn an die Menschen. Der Glaube an das Zeugnis des Petrus bringt dem Menschen das Heil. Die Kirche fühlt, was es um das Zeugnis des Petrus und um den Glauben an dieses Zeugnis ist. Es konnten nicht alle Menschen Augen- und Ohrenzeugen des Herrn sein. Wir alle sind auf das Zeugnis und auf d~n Glauben angewiesen. So kommen wir heute mit den Neugetauften zu Petrus, zum unmittelbaren Augen- und Ohrenzeugen, und lauschen seinem Zeugnis. Wir schließen uns den ungezählten Millionen an, die seit dem ersten Pfingsttage sich um Petrus scharen, sein Zeugnis mit Glauben entgegennehmen und für dasselbe in den Tod gehen! Wir glauben, Auf dem demütitien Glauben

298 IV. Die österliche Zeit: Osterwoche.

beruht unser Heil, nicht auf dem Wissen, auf dem Selbersehen. "Es steht ja geschrieben: Vernichten will ich die Weisheit der Weisen. Wo bleibt der Weise? Wo der Gelehrte? Wo der Forscher dieser Welt (der Philosoph)? Hat Gott nicht die Weisheit der Welt für Torheit erklärt? Denn da die Welt mit ihrer Weisheit Gott in Seiner göttlichen Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott, durch die Torheit der Predigt sie zu retten, die da glauben wollen" (I Kor. I, 19ff.). Wir glauben: "Gott hat Jesus am dritten Tag auferweckt und Ihn vor den von Gott vorherbestimmten Zeugen erscheinen lassen", vor Petrus. Im Glauben an das Zeugnis des Petrus "erlangen wir die Vergebung der Sünden" (Epistel), die Gnade, das ewige Heil. "Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet sein. Wer nicht glaubt, wird verdammt werden" (Mark. 16, 16).

"Der Herr ist wahrhaft auferstanden un d dem S imo n er s ch i e n e n" (Evangelium). Das Zeugnis, das Petrus in der Epistel für die Auferstehung des Herrn ablegt, wird von den übrigen Aposteln unterstützt und bekräftigt. Der Auferstandene hat sich den zwei Jüngern, die am Osterabend nach Emmaus gehen, kundgegeben. überglücklich, den Herrn erkannt und gesehen zu haben, eilen sie den weiten Weg nach Jerusalem zurück und "finden die Elf und ihre Genossen beisammen". Noch bevor die zwei Emmausjünger zu Wort kommen und berichten können, was sie erlebt und wie sie den Herrn am Brotbrechen erkannt haben, rufen ihnen die Apostel zu: "Der Herr ist wahrhaft auferstanden und dem Simon erschienen." Dem Petrus! Wenn also Petrus bezeugt: "Gott hat Ihn am dritten Tage auferweckt", so ist an diesem seinem Zeugnis kein Zweifel mehr möglich. "Der Herr ist wahrhaft auferstanden." Ist er aber auferstanden, dann ist der heilige, gerechte Gott für Ihn, den von den Menschen Verworfenen, eingetreten. Dann hat Gott selber bestäti&,t, daß jedes eier Worte göttlich wahr

Ostermontag: "D~r Herr ist demPetrus erschienen." 299 ist, die J esus gesprochen: daß all Sein Tun und Lassen heilig ist. Dann ist Er, der Gekreuzigte und Auferstandene, "der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh. 14, 6). Dann ist Er "Mein vielgeliebter Sohn: Ihn sollt ihr hören" (Matth. 17, 5)· Dann gibt es für uns nur ein Glück: Ihn, den Auferstandenen, zu kennen, an Ihn zu glauben, Ihm durch die heilige Taufe lebendig verbunden zu sein, und Sein Leben mitzuleben: jetzt das Leben der Erniedrigung und des Leidens, dereinst das Leben der Verkfärung, der Auferstehung, der ewigen Seligkeit.

3. "Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat: da laßt uns frohlocken und fröhlich sein" (Graduale).

"Es führte euch der Herr durch die heilige Taufe in das Land (der Kirche), das von Milch und Honig fließt. Nun sei auch das Gesetz des Herrn allezeit in eurem Munde", d. i. machet allen kund, was Großes Gott an euch getan, indem Er euch zum Glauben an Christus geführt hat.

"Der Herr ist auferstanden und dem Petrus erschienen" (Communio). In Petrus, im Haus des Petrus, in der Gemeinschaft mit Petrus und der auf Petrus gebauten Kirche ist der Auferstandene im Genuß der heiligen Eucharistie auch uns erschienen. Jetzt sind wir mit Petrus Zeugen des Auferstandenen: mit unserem Bekenntnis in Worten, mit dem neuen Leben, mit dem wir vor die Welt hintreten; mit unserem Blut, wenn es notwendig sein sollte!

Ge be t.

o Gott, durch die festliche Osterfeier hast Du der Welt heilende Kräfte mitgeteilt; nun bitten wir Dich, sei Deinem, Volke auch fernerhin nahe mit himmlischer Gabe, so daß es vollkommene Freiheit erlange und voranschreite zum ewigen Leben. Durch Christus uns ern Herrn. Amen.

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IV. Die österliche Zeit: Osterwoche.

Osterdlenstag.

C h r ist u s ist auf e r s t a n den.

j

1. Der heiligen Liturgie ist offensichtlich alles daran gelegen, daß sich die Neugetauften und die Gläubigen vom wirksamen Glauben an den Auferstandenen erfüllen lassen. "Ist Christus nicht auferstanden, dann ist unsere Predigt nichtig. Dann ist auch nichtig euer Glaube. Dann seid ihr noch in eueren Sünden und auch die in Christus Entschlafenen sind verloren. Wenn wir in diesem Leben bloß die Hoffnung auf Christus haben, dann sind wir die beklagenswertesten von allen Menschen" (I Kor. 15, 14 17). Deshalb sollen wir heute in der Feier der heiligen Messe die Erscheinung des Auferstandenen im Abendmahlssaale miterleben.

2. C h r ist u s ist w a h rh a f tau f e r s t a n d e 11.

So vernehmen wir es aus dem Munde des Völkerapostels, in dessen Heiligtum wir die heilige Liturgie feiern. Er redet zu seinen Brüdern aus dem Geschlechte Abrahams: Die Bewohner von J erusalem haben Jesus nicht erkannt und, obwohl sie keine Schuld an Ihm fanden, dennoch von Pilatus Seinen Tod gefordert. "Gott aber hat Ihn am dritten Tage auferweckt. An vielen Tagen erschien Er denen, die mit Ihm von Galiläa nach J erusalem gekommen waren. Sie sind jetzt Seine Zeugen vor dem Volke" (Epistel). Zu den ersten, welchen der Auferstandene erschien, gehören die Apostel. Es war am Abend des Ostertages. Da stand J esus "mitten unter Seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Ich bin es, fürchtet euch nicht. Sie aber, voll Angst und Schrecken, glaubten einen Geist zu sehen. Da sprach Er zu ihnen: Warum erschreckt ihr und steigen solche Gedanken in euren Herzen auf? Sehet Meine Hände und Füße. Ich bin es. Tastet und überzeugt euch. Dann zeigte Er ihnen Hände und Füße." Die Apostel sind voll Freude und Staunen und können es nicht glauben, claß Er ~s sei. Da ißt

Osterdienstag : Christus ist auferstanden. 30 I

Er vor ihren Augen und gibt ihnen das, was Er vom Fisch und Honigkuchen übrig läßt. Er erinnert sie daran, daß Er ihnen davon schon früher gesprochen hat, da Er noch bei ihnen· war. Dann erschließt Er ihnen den Sinn der Heiligen Schrift: "So steht es geschrieben: Christus mUßte leiden und so am dritten Tage von den Toten auferstehen. In Seinem Namen soll BUße und Vergebung der Sünden gepredigt werden unter allen Völkern." Die Apostel im Abendmahlssaale sind wir selber. In der Feier des eucharistischen Opfers steht der Auferstandene geheimnisvoll in unserer Mitte. "Friede sei mit Euch." Wir dürfen Ihn sehen, Seine verklärten Wundmale berühren, Ihn als unsere Opfergabe in unsere Hände nehmen und dem Vater an unserer Statt darbieten: eine reine, heilige, unbefleckte Opfergabe. Uns erschließt Er den Sinn der Schrift; daß Christus leiden und am dritten Tage auferstehen mußte: so war es vorausgesagt. Uns reicht Er den Fisch und das Brot, die heilige Eucharistie. Im Empfang der heiligen Kommunion erfült und durchdringt Er uns mit Seinem verklärten Geist und Leben. Da sind wir in Ihm auferstanden und suchen, was droben ist, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes: wir sinnen auf das, was droben ist, nicht was auf Erden (Communio). "Sursum corda!" Christus, der Auferstandene, muß heute unser Denken und Sinnen beherrschen, so wie Er bei Seiner Erscheinul1g im Abendmahlssaale das Denkel1 ul1d Sinnen der Apostel vollkommen in Anspruch genommen hat!

"S ehe t Me i n e H ä nd eu 11 d F ü ß e!" Die heilige Messe, in welcher Er unter uns erscheint, ist die Nachbildung und Darstellung des blutigen Opfers des Herrn am Kreuze. Wenn also der Auferstandene in der heiligen Wandlung zu uns kommt, dann enthüllt Er uns Seine Hände und Füße, Seine Wun-

. den und Leiden. "Sehet Meine Hände und Füße!"

Er hat das Leiden verklärt. Deshalb trägt Er in alle

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Osterdienstag.

C h r ist u s ist auf e r s t a n den.

1. Der heiligen Liturgie ist offensichtlich alles daran gelegen, daß sich die Neugetauften und· die Gläubigen vom wirksamen Glauben an den Auferstandenen erfüllen lassen. "Ist Christus nicht auferstanden, dann ist unsere Predigt nichtig. Dann ist auch nichtig euer Glaube. Dann seid ihr noch in eueren Sünden und auch die in Christus Entschlafenen sind verloren. Wenn wir in diesem Leben bloß die Hoffnung auf Christus haben, dann sind wir die beklagenswertesten von allen Menschen" (I Kor. 15, 14 17). Deshalb sollen wir heute in der Feier der heiligen Messe die Erscheinung des Auferstandenen im Abendmahlssaale miterleben.

2. C h r ist u s ist w a h rh a f tau f e r s t a n den.

So vernehmen wir es aus dem Munde des Völkerapostels, in dessen Heiligtum wir die heilige Liturgie feiern. Er redet zu seinen Brüdern aus dem Geschlechte Abrahams: Die Bewohner von J erusalem haben Jesus nicht erkannt und, obwohl sie keine Schuld an Ihm fanden, dennoch von Pilatus Seinen Tod gefordert. "Gott aber hat Ihn am dritten Tage auferweckt. An vielen Tagen erschien Er denen, die mit Ihm von Galiläa nach Jerusalem gekommen waren. Sie sind jetzt Seine Zeugen vor dem Volke" (Epistel). Zu den ersten, welchen der Auferstandene erschien, gehören die Apostel. Es war am Abend des Ostertages. Da stand Jesus "mitten unter Seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Ich bin es, fürchtet euch nicht. Sie aber, voll Angst und Schrecken, glaubten einen Geist zu sehen. Da sprach Er zu ihnen: Warum erschreckt ihr und steigen solche Gedanken in euren Herzen auf? Sehet Meine Hände und Füße. Ich bin es. Tastet und überzeugt euch. Dann zeigte Er ihnen Hände und Füße." Die Apostel sind voll Freude und 'Staunen und können es nicht glauben, claß Er ~s sei. Da ißt

Osterdienstag : Christus ist auferstanden. 301

Er vor ihren Augen und gibt ihnen das, was Er vom Fisch und Honigkuchen übrig läßt. Er erinnert sie daran, daß Er ihnen davon schon früher gesprochen hat, da Er noch bei ihnen· war. Dann erschließt Er ihnen den Sinn der Heiligen Schrift: "So steht es geschrieben: Christus mUßte leiden und so am dritten Tage von den Toten auferstehen. In Seinem Namen soll BUße und Vergebung der Sünden gepredigt werden unter allen Völkern." Die Apostel im Abendmahlssaale sind wir selber. In der Feier des eucharistischen Opfers steht der Auferstandene geheimnisvoll in unserer Mitte. "Friede sei mit Euch." Wir dürfen Ihn sehen, Seine verklärten Wundmale berühren, Ihn als unsere Opfergabe in unsere Hände nehmen und dem Vater an unserer Statt darbieten: eine reine, heilige, unbefleckte Opfergabe. Uns erschließt Er den Sinn der Schrift; daß Christus leiden und am dritten Tage auferstehen mußte: so war es vorausgesagt. Uns reicht Er den Fisch und das Brot, die heilige Eucharistie. Im Empfang der heiligen Kommunion erfült und durchdringt Er uns mit Seil1em verklärten Geist und Leben. Da sind wir in Ihm auferstanden und suchen, was droben ist, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes: wir sinnen auf das, was droben ist, nicht was auf Erden (Commul1io). "Sursum corda!" Christus, der Auferstal1dene, muß heute unser Del1ken und Sinnen beherrschen, so wie Er bei Seiner Erscheinung im Abendmahlssaale das Denken und Sinnen der Apostel vollkommen in Anspruch genommen hat!

"S ehe t Me i n e H ä nd eu 11 d F ü ß e!" Die heilige Messe, in welcher Er unter uns erscheint, ist die Nachbildung und Darstellung des blutigen Opfers des Herrn am Kreuze. Wenn also der Auferstandene in der heiligen Wandlung zu uns kommt, dann ent·hüllt Er uns Seine Hände und Füße, Seine Wunden und Leiden. "Sehet Meine Hände und Füße!" Er hat das Leiden verklärt. Deshalb trägt Er in alle

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IV. Die österliche Zeit: Osterwoche.

Osterdienstag.

C h r ist u s ist auf e r s t a n den.

1. Der heiligen Liturgie ist offensichtlich alles daran gelegen, daß sich die Neugetauften und die Gläubigen vom wirksamen Glauben an den Auferstandenen erfüllen lassen. "Ist Christus nicht auferstanden, dann ist unsere Predigt nichtig. Dann ist auch nichtig euer Glaube. Dann seid ihr noch in eueren Sünden und auch die in Christus Entschlafenen sind verloren. Wenn wir in diesem Leben bloß die Hoffnung auf Christus haben, dann sind wir die beklagenswertesten von allen Menschen" (I Kor. 15, 14 17). Deshalb sollen wir heute in der Feier der heiligen Messe die Erscheinung des Auferstandenen im Abendmahlssaale miterleben.

2. C h r ist u s ist w a h rh a f tau f e r s ta n d e ll.

So vernehmen wir es aus dem Munde des Völkerapostels, in dessen Heiligtum wir die heilige Liturgie feiern. Er redet zu seinen Brüdern aus dem Geschlechte Abrahams: Die Bewohner von J erusalem haben Jesus nicht erkannt und, obwohl sie keine Schuld an Ihm fanden, dennoch von Pilatus Seinen Tod gefordert. "Gott aber hat Ihn am dritten Tage auferweckt. An vielen Tagen erschien Er denen, die mit Ihm von Galiläa nach Jerusalem gekommen waren. Sie sind jetzt Seine Zeugen vor dem Volke" (Epistel). Zu den ersten, welchen der Auferstandene erschien, gehören die Apostel. Es war am Abend des Ostertages. Da stand Jesus "mitten unter Seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Ich bin es, fürchtet euch nicht. Sie aber, voll Angst und Schrecken, glaubten einen Geist zu sehen. Da sprach Er zu ihnen: Warum erschreckt ihr und steigen solche Gedanken in euren Herzen auf? Sehet Meine Hände und Füße. Ich bin es. Tastet und überzeugt euch. Dann zeigte Er ihnen Hände und Füße." Die Apostel sind voll Freude und Staunen und können es nicht glauben, c!aß Er ~s sei. Da ißt

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Er vor ihren Augen und gibt ihnen das, was Er vom Fisch und Honigkuchen übrig läßt. Er erinnert sie dar an, daß Er ihnen davon schon früher gesprochen hat, da Er noch bei ihnen· war. Dann erschließt Er ihnen den Sinn der Heiligen Schrift: "So steht es geschrieben: Christus mUßte leiden und so am dritten Tage von den Toten auferstehen. In Seinem Namen soll BUße und Vergebung der Sünden gepredigt werden unter allen Völkern." _ Die Apostel im Abendmahlssaale sind wir selber. In der Feier des eucharistischen Opfers steht der Auferstandene geheimnisvoll in unserer Mitte. "Friede sei mit Euch." Wir dürfen Ihn sehen, Seine verklärten Wundmale berühren, Ihn als unsere Opfergabe in unsere Hände nehmen und dem Vater an unserer Statt darbieten: eine reine, heilige, unbefleckte Opfergabe. Uns erschließt Er den Sinn der Schrift; daß Christus leiden und am dritten Tage auferstehen mußte: so war es vorausgesagt. Uns reicht Er den Fisch und das Brot, die heilige Eucharistie. Im Empfang der heiligen Kommunion erfült und durchdringt Er uns mit Seinem verklärten Geist und Leben. Da sind wir in Ihm auferstanden und suchen, was droben ist, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes: wir sinnen auf das, was droben ist, nicht was auf Erden (Communio). "Sursum corda!" Christus, der Auferstandene, muß heute unser Denken und Sinnen beherrschen, so wie Er bei Seiner Erscheinung im Abendmahlssaale das Denken und Sinnen der Apostel vollkommen in Anspruch genommen hat!

"S ehe t M ein e H ä n d e und F ü ß e!" Die heilige Messe, in welcher Er unter uns erscheint, ist die Nachbildung und Darstellung des blutigen Opfers des Herrn am Kreuze. Wenn also der Auferstandene in der heiligen Wandlung zu uns kommt, dann enthüllt Er uns Seine Hände und Füße, Seine Wunden und Leiden. "Sehet Meine Hände und Füße!" Er hat· das Leiden verklärt. Deshalb trägt Er in alle

302 IV. Die österliche Zeit: Osterwoche.

Ewigkeit die Wundmale an Seinem verklärten Leibe. Sie sollen uns künden, daß Er das Leid erlöst. Der Osterj ubel verschlingt den Karfreitag mit seinem Leid. Ostern ruft es in die Welt hinaus: "Die L.eiden dieser Zeit sind nicht zu vergleichen mit unserer zukünftigen Herrlichkeit" (Röm. 8, 18). Der Osterj ubel läßt es den wahren Christen vergessen, daß er Kreuzträger ist. Er weiß sich als Erlöster. Auch sein Leiden ist erlöst in Ihm, der "gehorsam geworden ist bis zum Tode am Kreuze. Ihn hat Gott erhöht, und Ihm hat Er einen Namen gegeben über alle Namen" (Phil. 2 8f.). Kein Grab ist in so tiefe Trauer getaucht wie Christi Grab. Keine Wunden sind so tief und schmerzlich wie Christi Wunden. Aber es ist auch kein Grab so voller Herrlichkeit wie Christi Grab. Und keine Wunden sind so glorreich wie Christi Wunden. "Sehet Meine Hände und Füße". und erkennet, daß die Leiden dieser Zeit nicht zu vergleichen sind mit der Herrlichkeit, die unser wartet. "Sehet Meine Hände und Füße" und erkennet, daß der Kelch des Leidens der Kelch des Heiles ist!

3. Christus ist wahrhaft auferstanden! Also ist unser Glaube gesichert. Also sind wir erlöst! Wir haben in Ihm die Verzeihung der Sünden, die Gnade der Gotteskindschaft, das Anrecht auf das Erbe im Himmel. "Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat: da laßt uns frohlocken und fröhlich sein. So mögen jetzt singen die Erlösten des Herrn" (Graduale) .

. Uns gilt das Wort des Introitus: "Mit dem Wasser Cd. i. am Quell) der Weisheit (Gnade) tränkte Er sie (Taufe); sie (die Gnade) erstarkt in ihnen (heilige Firmung: in früheren Zeiten empfingen die Christen die heilige firmung unmittelbar nach der heiligen Taufe; heilige Eucharistie); sie erhöht sie auf ewig (Auferstehung, himmlische Seligkeit)." Alles das gründet im Tod und in der Auferstehung des Herrn. Ihm jubeln wir dankbaren Herzens entgegen:

Mittwoch: Die heilige Taufe. 303

"Preiset den Herrn, lobsinget Seinem N amen, macht kund Seine Werke." "Vom Himmel donnerte der Herr, der Al1erhöchste ließ Seine Stimme erschallen: aufbrachen Wasserquellen, al1eluj a" (Offertorium; Hinweis auf die Gnade der heiligen Ta~fe).

Ge be t.

o Gott, Du schenkst Deiner Kirche ständigen Zuwachs an neuen Kindern; nun gewähre auch Deinen Dienern die Gnade, das Sakrament, das sie im Glauben empfingen (Taufe, Firmung und Eucharistie), durch ihren Lebenswandel treu zu bewahren. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Mittwoch in der Osterwoche.

Die h eil i g eTa u f e.

1. Im Heiligtum des hl. Laurentius erleben die Neugetauften, und mit ihnen wir alle, in der Feier der heiligen Messe die dritte Erscheinung des Auferstandenen.

2. "K 0 m met, ihr Ge s e g n e t e n M ein e s Va t er s, nehmet das Reich in Besitz, das euch seit Anbeginn der Welt bereitet ist. Alleluja" (Introitus). Mit diesen Worten empfängt der Herr an der Schwelle der Kirche des hl. Laurentius die Getauften. "N ehmet das Reich in Besitz", das Gottesreich, zunächst der heiligen Kirche auf Erden. Hier, in der heiligen Kirche, in die wir durch die heilige Taufe eingetreten sind, sind wir die vom Vater mit allem überirdischen Segen vom Himmel her Gesegneten. Hier dürfen wir dem Herrn "das neue Lied singen", das Lied der Getauften, der geliebten Kinder Gottes, das Lied der von der Sünde Erstandenen. Hier erscheint uns in der Feier der heiligen Messe der Herr. vVir auf dem schwankenden Schifflein. Er am sichern Gestade der Ewigkeit. Er hat uns auf dem Kohlenfeuer den Fisch und das Brot bereitet und ladet uns ein: "Kommet und esset." Er reicht

304 IV. Die österliche Zeit: Osterwoche.

uns das in der Glut der Passion gebackene Brot der heiligsten Eucharistie (Evangelium), das Manna, das Bret der Engel (Offertorium). Hier wandelt Er uns, von Sünden (in der heiligen Taufe) gereinigt, in neue Geschöpfe um (Schlußgebet) und legt in unsern Leib den Keim der Unsterblichkeit. "Christus, von den Toten auferstanden, stirbt nicht mehr, alleluja; der Tod hat keine Macht über Ihn, alleluj a, alleluj a" (Communio). Wir sind eins mit Ihm. In der Kraft der heiligen Kommunion werden wir mit der gesamten heiligen Kirche Mitgenossen Seiner Unsterblichkeit: der Tod hat keine Macht mehr über uns. Er muß uns freigeben, wenn Christus am Jüngsten Tage uns zum ewigen Leben erweckt. Dann werden wir in das selige Gottesreich des ewigen Lebens eingehen. "Kommet, ihr Gesegneten Meines Vaters, nehmt das Reich in Besitz, das euch seit Anbeginn der Welt bereitet ist." "Ich glaube an die Auferstehung von den Toten und an das ewige Leben. Amen."

"D e s sen si n d wir Z eu gen." "Ihr Männer von Israel und ihr Gottesfürchtigen (aus den Heiden), vernehmet meine Worte: Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs hat Seinen Sohn J esus verherrlicht. Ihr freilich habt Ihn ausgeliefert und vor Pilatus verleugnet, als dieser Ihn freigeben wollte. Ihr habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und euch einen Mörder (Barabbas ) freigeben lassen. Ihr habt den Urheber des Lebens getötet. Aber Gott hat Ihn von den Toten auferweckt. Dessen sind wir Zeugen", wir, die Getauften, die Christen. Die Taufe ist eine Zeugenweihe, eine Martyrerweihe. Deshalb feiern wir die heilige Liturgie heute bei dem heldenhaften Zeugen, Martyrer, St. Laurentius auf dem glühenden Roste. Er gleicht dem Fisch und Brote auf dem Kohlenfeuer im heutigen Evangelium. Er ist der Patron, das Vorbild der Getauften, die lebendige Darstellung der Idee, die in uns, den Getauften, zum Ausdruck kommen und verwirklicht werden soll.

Mittwoch: Die heilige Taufe.

Wir treten, ein anderer Petrus, ein anderer LaurentiU5, einer Welt von Ungläubigen und Abgeirrten entgegen. Wir sind Zeugen, Martyrer für Christus, den Auferstandenen. "Vir lassen uns im Empfang der heiligen Kommunion von Seinem Leben erfüllen und durchdringen. Wir werden der neue, der auferstandene Mensch. Wir haben neue Ziele .und Ideale, neue sittliche Kraft, eine neue, aus Gott stammende Anschauung der Dinge und des Lebens. Wir sind so ein lebendiges Zeugnis: Christus lebt und wirkt in den Seinen, der Weinstock in den Rebzweigen. Christus ist von den Toten auferstanden und lebt. Des·sen sind wir Zeugen, nicht mit bloßen Worten, sondern mit unserem praktischen Christenleben. "Ich lebe, doch nicht mehr ich, vielmehr lebt Christus in mir" (Gal. 2, 20).

3. "Kommet, ihr Gesegneten Meines Vaters." Die heilige Taufe gab und gibt uns einen Anspruch darauf, daß wir am Tage des Gerichtes auf die rechte Seite des Richters gestellt werden und dann triumphierend, mit Seele und Leib, in das Gottesreich der Ewigkeit eintreten dürfen. Wenn wir nur unsere heilige Taufe achten und ihrer würdig wandelnl

Die heilige Taufe ist wahrlich keine bloße Zeremonie. Sie ruft uns zum Martyrium (= Zeugnis) für Christus. Sind wir stark genug, abgetötet, losgelöst genug? Lebt in uns der Glaube eines hl. Laurentius? Die Bereitschaft, alles zu verlieren, um Christo die Treue zu bewahren und um Christus zu gewinnen? Können wir mit Paulus sagen: "Ich halte alles· für Verlust, weil die Erkenntnis meines Herrn J esus Christus, um dessentwillen ich auf alles verzichtet habe, über alles erhaben ist. Ja, ich erachte es für Kehricht, um Christus zu gewinnen. So möchte ich Ihn erkennen und die Macht Seiner Auferstehung (d. i. das glorreiche Leben, in welchem Er nunmehr lebt, und das Er den Seinen mitteilt) und die Teilnahme an Seinem Leiden (d. i. wie segens-

Baur. Werde Licht! II. 20

306 IV. Die österliche Zeit: Osterwoche.

voll es ist, mit Christus zu leiden), und Ihm will ich im Tode ähnlich werden in dem Gedanken, daß ich zur Auferstehung von den Toten gelange" (Phi\. 3, 8 ff.).

"Christus, von den Toten auferstanden, stirbt nicht mehr, alleluja. Der Tod hat fürder keine Macht mehr über Ihn, alleluja, alleluja" (Röm. 6, 8; Communio). Im Sinn der Liturgie: Christus, der mystische Christus, die Kirche mit ihren Gliedern, stirbt nicht mehr. Das ist die Frucht der gut empfangenen heiligen Kommunion: wir entsagen vollkommen allem und jedem Tode der Sünde. Christ sein, getauft sein, die heilige Eucharistie empfangen und sündigen, ist, richtig gesehen, ein Widerspruch. So denkt die Osterliturgie. "Wenn ihr mit Christus auferstanden seid (in der heiligen Taufe), dann sucht, was droben ist .... Ihr seid ja der Sünde- gestorben, und euer Leben ist mit Christus in Gott verborgen" (Ko\. 3, I ff.; Epistel des Karsamstags; Communio des Osterdienstags). "Schafft den alten Sauerteig (der Sünde) hinaus, damit ihr ein neuer Teig seid~ voll Lauterkeit und Wahrheit" (I Kor. 5,7 f.; Epistel des Ostersonntags).

Ge b e t.

o Gott, Du erfreuest uns allj ährlich durch das Hochfest der Auferstehung des Herrn. Verleihe gnädig, daß wir durch die Feste, die wir in dieser Zeit (des Erdenlebens) feiern, zu den ewigen Freuden gelangen dürfen. Durch Ihn, unsern Herrn Jesus Christus, der mit Dir und dem Heiligen Geiste lebt und herrscht von Ewigkeit Zij Ewigkeit. Amen.

Donnerstag in der Osterwoche.

M ar i a Mag d ale n a.

1. Vor acht Tagen, am Gründonnerstag, waren in der Kirche der Zwölf Apostel die BÜßer absol... iert und wieder in die Gemeinschaft der Kirche

Donnerstag: Maria Magdalena. 307

aufgenommen worden. In diesem Heiligtum erscheinen wir jeden Quatemberfreitag, um hier mit Magdalena, der Büßerin, zu den Füßen des Herrn unsere Sünden zu beweinen und das Wort zu vernehmen:

"Gehe im Frieden, deine Sünden sind dir vergeben." So steht die Apostelkirche in einer innigen Beziehung zu Magdalena, der Büßerin. Um so mehr, als Magdalena am Grabe des Auferstandenen "A posteI' geworden ist: "Gehe hin und melde ihnen (den Aposteln): Ich fahre auf zu Meinem Vater und euerem Vater." Die Liturgie verweilt heute bei Magdalena. Ihr, der Büßerin, ist (nach Maria, der Mutter) der Auferstandene zuerst von allen erschienen. Wir leben heute in der Feier der heiligen Messe die Erscheinung mit, die Magdalena in der Frühe des Ostermorgens am Grabe zuteil geworden ist.

2. M a r i a Mag d ale na "s t a n ddr a u ß e n beim Grabe und weinte. Während sie so weinte, beugte sie sich vor und schaute in das Grab hinein. Da sah sie zwei Engel in weißen Kleidern dasitzen. Diese sprachen zu ihr: Weib, warum weinest du? Sie erwiderte: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin sie Ihn gelegt haben.1 Nach diesen Worten wandte sie sich um und sah Jesus dastehen: sie wußte aber nicht, daß es J esus sei." "Maria Magdalena", so erklärt der hl. Gregor der Große das heutige Evangelium, "welche in der Stadt eine Sünder in gewesen, wusch in ihrer Liebe zu Jesus mit ihren Tränen die Flecken ihrer Laster rein. Ihr werden viele Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat (Luk. 7, 47). Sie, die früher in ihrem Sündenleben kalt geblieben war, glühte jetzt in heiliger Liebe. Von den Jüngern (die ans Grab gekommen waren) heißt es: Sie gingen wieder nach Hause (J oh. 20, 10). Aber von Magdalena heißt es: .Maria stand draußen beim Grabe und weinte. Welch groß.e Liebe erglühte im Herzen dieser Frau, daß sie sich vom Grabe des Herrn nicht trennen konnte,

20*

308 IV. Die österliche Zeit: Osterwoche.

während doch alle Jünger es verließen! Sie suchte mit Tränen, und von Liebe zu Ihm entflammt, brannte sie von heißer Sehnsucht nach Ihm, von dem sie glaubte, Er sei weggetragen worden. So kam es, daß sie allein Ihn sehen durfte, die allein zurückgeblieben war, Ihn zu suchen." Die Sünderin von ehedem, die Büßerin, ist die Auserwählte: sie darf den Herrn sehen: weil sie viel geliebt hat. Und weil sie zurückgeblieben war, Ihn zu suchen. Denn das Zeichen wahrer Tugend ist die Beharrlichkeit. "Wer ausharrt bis ans Ende, der wird selig werden." Glückliche Schuld, die zu solcher Glut der Liebe erhebt! Würden wir in VVahrheit also nach Jesus uns sehnen! Würden wir lieben wie Magdalena! Aber uns liegen vielfach so ganz andere Dinge am Herzen! Wir haben wenig Verlangen nach J esus. Wir hängen an den Torheiten und Nichtigkeiten dieses Lebens! Wann geht uns Jesus auf!

M ar i a er k e n n t den Her r n. "Was weinest du? Wen suchst du?" fragt Jesus Magdalena. "Im Glauben, es sei der Gärtner, sprach sie zu ihm:

Herr, wenn du Ihn weggenommen hast, so sag mir, wo du Ihn hingelegt hast, daß ich Ihn holen kann. Da sagte Jesus: Maria! Sie wandte sich um und sprach: Rabboni, guter Meister!" Sie wirft sich Ihm zu Füßen, sie mit ihren Tränen zu benetzen und zu umklammern. Ach, sie möchte Ihn, den sie gefunden, nie mehr lassen. Aber Er läßt sie nicht! Sie hat jetzt Wichtigeres zu tun, als Seine Nähe zu genießen. "Gehe hin und melde den Aposteln, daß Ich bald zum Vater in den Himmel heimkehren werde. Maria gehorcht, reißt sich los und bringt den Aposteln die Botschaft. So belohnt J esus die Liebe und das Verlangen der Seiner harrenden Seele. "Wünscht mir Glück, .ihr alle, die ihr den Herrn lieb habt: denn Er, den ich suchte, ist mir erschienen. Und ich sah den Herrn, als ich am Grabe weinte. 'Alleluj a, alleluj a. Während die Jünger fortgingen, entfernte ich mich nicht (vom Grabe). Vom

Freitag: Jesus erscheint den Jüngern. 309

Feuer der Liebe zu Ihm glühend, brannte ich vor Sehnsucht nach Ihm. Und ich sah den Herrn, als ich am Grabe weinte. Alleluj a, alleluj a" (Re'sponsorium der Mette).

3. Heute sind wir Magdalena. In der heiligen Messe und in der heiligen Kommunion erscheint uns der Herr und ruft uns beim Namen, so wie Er uns einst in der heiligen Taufe gerufen hat: Marial Wir kommen zum Altar und zur Kommunionbank mit der Sehnsucht und mit der Liebe der Maria Magdalena. Wir harren aus, auch wenn Er sich uns scheinbar entzieht und uns Seinen Trost, Seine Nähe, Seine Liebe nicht fühlen und empfinden läßt. Wir bringen Ihm ein Herz entgegen, das sich Seinen Anordnungen und Weisungen vollkommen unterwirft.

Wenn wir Ihn in der heiligen Kommunion erkannt und aufgenommen haben, dann sind wir Ihm "Apostel": Apostel der werktätigen Liebe zu dem Nächsten. Durch unsern Eifer der Nächstenliebe verkünden wir der Welt, daß Er auferstanden ist und als der erhöhte Christus in uns, Seinen mystischen Gliedern, lebt und wirkt.

M agdalena kennt, nachdem sie gesühnt und ge. büßt, nur mehr ein Glück: J esus zu haben! Magdalena, die Kirche, wir!

Ge b e t.

o Gott, Du eintest all die verschiedenen Völker im Bekenntnisse Deines Namens. So gib, daß ein Glaube im Denken, eine Liebe im Handeln die im Taufbrunnen Wiedergeborenen verbinde. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Freitag in der Osterwoche.

J e s u s e r s c h ein t den J ü n ger n.

1. Wir begleiten heute die Neugetauften nach "Sancta Maria zu den Martyrern". Da schauen wir

3 IO

IV. Die österliche Zeit: Osterwoche.

Maria, die wir vor vierzehn Tagen auf Golgotha gesehen, die Schmerzensmutter, die Königin der Martyrer, im Osterglanze, umgeben von ~em leuchtenden Heere der Martyrer. Hier leben wir die Erscheinung des Auferstandenen mit, die im heutigen Evangelium berichtet wird.

2. J e s u s er s c h ein t Sei n e n J ü n ger n. "In jener Zeit gingen die elf Jünger nach Galiläa, auf den Berg, wohin sie J esus beschieden hatte. Als sie Ihn sahen, beteten sie Ihn an. J esus trat näher und sprach zu ihnen: Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Gehet also hin und lehret alle Völker und taufet sie, und lehret sie alles halten, was Ich euch geboten habe. Und seht, Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt." Die Jünger folgten der Weisung des Herrn. Ihr Gehorsam wird belohnt: sie dürfen Ihn sehen. Sie erkennen in Ihm denselben, mit dem sie mehrere Jahre lang zusammengelebt, denselben, den die Juden hinausgestoßen und grausam gemordet hatten. Er ist auferstanden, Er lebt. Er spricht zu ihnen das tröstliche Wort: "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden." Eine uneingeschränkte Macht und Herrschaft. Nicht nur als Gott, auch als Mensch ist Er "der Herr", im Mitbesitz der Macht und Herrlichkeit Gottes, des Vaters. Wir gratulieren Ihm zu dieser Erhöhung und bekennen mit dem Gloria der Messe: "Du allein bist der Herr. Du allein der Allerhöchste, in der Herrlichkeit des Vaters, zusammen mit dem Heiligen Geiste". "Er ist gehorsam geworden bis zum Tode. Deshalb hat Gott Ihn erhöht" und muß Ihm jedes Knie sich beugen, derer "die im Himmel, und derer, die auf Erden und in der Unterwelt sind". Alle müssen sie bekennen: Du bist der Herr (Phi!. 2, 8). Dann gibt Er den Aposteln Seine eigene Autorität und Gewalt. "Gehet also (d. i. mit Meiner Macht und Gewalt ausgerüstet) hin und lehret alle Völker und taufet sie." Die Apostel und ihre Nachfolger, die Bischöfe

Freitag: Jesus erscheint den Jüngern. 3 I I

der Kirche, sind die von Christus autoritativ berufenen und beauftragten Lehrer der Völker, die Träger der Lehre und Wahrheit Christi, die Verkünder und Hüter des Glaubens. ,,'vVer euch hört, hört Mich. Wer euch verachtet, verachtet Mich" (Luk. 10, 16). Sie sind gesandt, die Seelen zu retten und in den Himmel zu führen. Zu diesem Zwecke hat Er ihnen Seine Macht verliehen und ihnen Seinen dauernden Beistand zugesichert. "Seht, Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt." Er, der Auferstanrlene, ist in Seiner Kirche. Er, deq1 alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, ist bei ihr und garantiert die Unverfälschtheit, Reinheit und Irrtumslosigkeit ihrer Lehre. Er ist bei Seiner Kirche, um in ihr und für sie gegen die Feinde zu kämpfen. "Die Pforten der Hö11e werden sie nicht überwältigen" (Matth. 16,r8). Es werden, es müssen Stürme über die Kirche kommen. Aber wir haben die Versicherung: "Seht, Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt." Freudig, zuversichtlich sprechen wir unser Credo.

Je s u s er s c h ein tun s, der Kir c h e. Wir sind heute die Jünger des Evangeliums, die der Auferstandene auf den Berg, d. i. zum Altar, zum Tabernakel, gerufen hat. Wir haben Seinen Ruf vernommen und sind Ihm gefolgt. Wir werden reichlich dafür belohnt: In der ):1eiligen Wandlung erscheint Er uns auf der Höhe des Altars. Wir fa11en nieder und beten an. Ja, das ist Er, der eben noch als der Mann der Schmerzen, der Schmach, in tiefsterTodesnot und Ohnmacht am Kreuze hing und im Grabe lag. Er ist auferstanden. Hier, vom Altar her, ruft Er uns die Worte zu: "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden." A11e Macht! Die Macht über die Elemente, über die Krankheiten, über die Herzen, Über die Geister. Er ist. auf dem Altar erschienen, um auch über uns zu herrschen und Seine Macht geltend zu machen. Wir unterwerfen uns Ihm. Er hat die Macht über die Feinde unseres Heils,

3 I 2 IV. Die äst,erliche Zeit: Osterwoche.

über unsere Leidenschaften, über unsere bösen Gewohnheiten, über unsere Begierlichkeit, über unsere Eigenliebe. "Mir ist alle Gewalt gegeben." Vom Berge des Altars aus gibt Er uns die Versicherun.g:

"Seht, Ich bin bei euch alle Tage." Er ist bei uns mit Seiner Liebe, die uns trägt und allüberallhin begleitet. Er ist bei uns mit Seiner Kraft zum Siege über das Böse, zur Tugend und Heiligkeit. Er ist bei uns mit Seinen Einsprechungen, Erleuchtungen, Anregungen. Was sollen wir fürchten? Wir flüchten uns immer und immer, sooft es uns möglich ist, auf den Berg, d. i. zum Altar, zum heiligen Tabernakel. Wir glauben an Sein Wort, an Seine unumschränkte Macht, an Seine Liebe, an Seine Bereitschaft, uns zu helfen, zu schützen, zu heiligen, und übergeben uns ganz Seiner Hand.

3· "Gehet hin und lehret sie alles halten, was Ich euch geboten habe. "N ach dem wir die heilige Taufe empfangen, hat die Kirche, kraft des Auftrages des Auferstandenen, die Gewalt und Vollmacht, uns autoritativ zu lehren und uns zu verpflichten, daß wir alles halten, was Er geboten hat. Sie kann von Seiner Lehre und Seinen Geboten nicht Abstriche machen. Sie kennt keinen Eklektizismus: sonst hört sie auf, Christi Kirche zu sein. So sind wir, die Getauften, der Kirche, ihrer Lehre, ihren Geboten, im Gewissen unterworfen wie Christus selbst. Wir können nicht von der Kirche an Christus appellieren. Wir können uns nicht der Kirche und ihrer Lehrgewalt und Gesetzgebung entziehen und uns über die Kirche hinweg zu Christus flüchten. "Wer euch hört, hört Mich. \Ver euch verachtet (d.i. nicht hört), verachtet Mich." Christus und Kirche sind solidarisch verbunden. Soweit stehe ich zu Christus, als ich zu Seiner Kirche stehe. Soweit darf ich auf Seine Nähe und Seine Führung bauen, als ich Mich Seiner Kirche übergeben habe.

"Gehet hin und lehret alle Völker", ruft uns die Communio zu. Wir, die wir das Brot der. heiligen

Samstag: Ablegung des Taufkleides. 3 I 3

Eucharistie genießen, sind berufen, Apostel und Missionare zu sein: Apostel des Gebetes, der Sühne, des reinen, heiligen Lebens und guten Beispiels. Das muß die Frucht der heiligen Kommunion sein, da Er mit der Fülle Seiner Macht in uns einzieht und uns mit Seinem Leben, Seinem Geist, Seinen N eigungen durchdringt und erfüllt! Seine Kraft muß von uns ausgehen und alle heilen, erleuchten, erheb<;n, emporziehen, wenn wir sooft zur heiligen Kommunion gehen.

Gebet.

Allmächtiger ewiger Gott, Du hast das Ostergeheimnis im Versöhnungsbunde mit der Menschheit gestiftet. So verleihe unsern Seelen Gnade, im Werke nachzubilden, was wir durch diese Feier bekennen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Ostersamstag.

AbI e gun g des Tau f k lei des.

1. Wir begleiten die Neugetauften in den Lateran, wo sie in der Osternacht die heilige Taufe empfangen haben. Hier legen sie heute die weißen Taufkleider ab, die alsdann in der Schatzkammer hinterlegt werden, ein Unterpfand der Treue gegen die heilige Taufe und eine Anklage gegen diejenigen, welche der Taufe untreu werden sollten. Wir erwägen die Symbolik des Taufkleides. Es bedeutet ein Ablegen und ein Anziehen.

2. "L e g eta b a 11 e B 0 s h e i t, a 11 e Arg I ist und Verstellung, alle Mißgunst und üble Nachrede" (Epistel). So hat ja auch der Herr in Seiner Auferstehung die Linnentücher, in die Sein Leichnam gewickelt war, im Grabe abgelegt und zurückgelassen. An den im Grabe zurückgelassenen Linnentüchern erkennen Petrus und Johannes, die am frühen Ostermorgen zum Grabe geeilt waren, daß der Herr auferstanden war. "Beide eilten miteinander. Der andere

3 14 IV. Die österliche Zeit: Osterwoche.

Jünger aber (d. i. J ohannes) lief schnel1er und kam zuerst zum Grabe. Er beugte sich vor und sah die Linnentücher daliegen, ging jedoch nicht hinein. Jetzt kam auch Simon Petrus hinter ihm nach. Er ging in das Grab hinein und sah ebenfal1s die LinlIen tücher liegen und auch das Tuch, das Sein Haupt verhül1t hatte: es lag aber nicht bei den Linnentüchern, sondern abseits zusammengefaltet an einem eigenen Platze. Da ging auch der andere Jünger hinein. Er sah und glaubte" (Evangelium). Die heilige Liturgie wil1 sagen: Daran, daß wir Christen alle Bosheit und Mißgunst und üble Nachrede ablegen, wird die Kirche erkennen, daß wir den alten Menschen in den Wassern der Taufe begraben und zurückgelassen haben und daß wir mit Christus auferstanden sind. So urteilt die Liturgie. Sie nimmt es mit unserem Ch ristsein ernst! Sie begnügt sich nicht mit einem Taufscheinchristentum. Sie wil1 Taten sehen. "Leget ab alle Bosheit, alle Argl ist und Verstellung, alle Mißgunst und üble Nachrede."

Z i ehe t den neu e n Me n s c h e n an. Eingehend zeichnet die Epistel den neuen Menschen, den wahren Christen. "Wie neugeborene Kinder verlangt nach der geistigen Milch (der christlichen Lehre, Grundsätze, insbesondere der heiligen Eucharistie), damit ihr durch sie zum Heile heranwachset. Ihr habt ja gekostet, wie gut der Herr ist. Zu Ihm tretet hin, dem lebendigen Eckstein, der zwar von den Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und geehrt worden ist. Lasset euch nun selbst als lebendige Steine aufbauen zu einem geistigen Tempel, zu einem heiligen Priestertum, um durch Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott wohlgefällig sind (vor allem das eucharistische Opfer, zu dem die Taufe beruft). Er ist zum Eckstein geworden, zum Stein des Anstoßes denen, die am Worte (am Evangelium Christi) Anstoß nehmen und nicht glauben. Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliger Stamm, ein

Samstag: Ablegung des Taufkleides. 3 I 5

Volk, das der Herr sich (in Seinem Tode) zum Eige'ntum erworben. Ihr sollt die 'Wundertaten dessen verkünden, der euch aus der Finsternis berufen in Sein wunderbares Licht. Ihr waret vorher ein Nicht-Volk (fern von Gott), jetzt aber seid ihr Begnadigte." Das ist der Christ. Der neue, der in der heiligen Taufe in das Leben Christi, des Auferstandenen, hineingehobene Mensch. Wollten wir die Worte der Epistel tief auf uns wirken lassen! Wollten wir unseren göttlichen Adel, unser in Christus Aufgenommensein, unser königliches Priestertum, unsern Beruf, die Wundertaten dessen zu kündigen, der uns in Sein wunderbares Licht berufen hat, ganz verstehen! Aber daran fehlt es!

3. Heute dürfen die Neugetauften das erste Mal selbständig, in eigener Person, ihre Opfergabe zum Altare tragen. Voll Freude begrüßt sie die Kirche, da sie ihren Opfergang machen: "Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn (der Neugetaufte) ! Vom Hause des Herrn her segnen wir (die Kirche) euch." Mit den glücklichen Neugetauften bekennen wir: "Der Herr (Christus) ist Gott" (Offertorium), mein Alles. Ihm weihe ich mich, Ihm lebe ich. "Er leuchtet (als die übernatürliche Sonne) vor uns auf . . Alleluja." Wir wandeln in Seinem Lichte. "Der Herr hat Sein Volk, Seine Auserwählten (uns, die Getauften) in Freuden aus Ägypten herausgeführt, alleluj a" (Introitus). "Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat. Alleluja. Lobet, ihr Kinder, den Herrn. Alleluja" (Allelujavers).

"Alle, die ihr in Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Alleluj a" (Communio). Die heilige Kommunion ist der Liturgie ein Christus-Anziehen. Wir haben das sichtbare Taufkleid abgelegt. Dafür ;J ber tragen wir unser ganzes Leben lang ein unsichtbares Kleid, das nie mehr abgelegt werden darf: "Ihr habt Christus angezogen." Sind wir in der heiligen Taufe ein Stück Christus geworden, ein Zweig am Weinstock, so wird in der heiligen

3 16 IV. Die österliche Zeit: Osterwoche.

Kommunion diese einmalige Eingliederung in Christus täglich erneut und vertieft. In der Kraft der heiligen Kommunion leben wir stets mehr Jesu Leben und strahlen Seinen Geist, Seine Art, ·Seine Reinheit und Heiligkeit aus. "Ich lebe, doch nicht mehr ich, vielmehr lebt Christus in mir" (Gal. 2, 20). So denkt die heilige Liturgie von uns, den Getauften.

Gebet.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott: laß uns in Deiner Huld durch das Osterfest, nachdem wir es ehrfurchtsvoll gefeiert haben, zu den ewigen Freuden gelangen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Die liturgische Meßfeier des Weißen Sonntags.

1. Die Meßfeier der Osterwoche nimmt unmittelbar auf die Neugetauften Bezug. Sie wohnten täglich dem eucharistischen Opfer bei, angetan mit dem weißen Taufkleide. Gestern, am Samstag der Osterwoche, legten sie die Taufkleider ab. Dieselben wurden in einem Nebenraum der Kirche hinterlegt, ein stummer und doch laut redender Zeuge der Taufe und der in der Taufe übernommenen Verpflichtungen der Neuchristen. Heute, am sogenannten Weißen Sonntag, erscheinen sie das erste Mal ohne das weiße Taufkleid. Die Meßfeier wird in der Kirche des hl. Pankratius abgehalten, des jugendlichen Martyrers, der seinen in der Taufe angetretenen Glauben mit seinem Blute besiegelt hat. Treu seinem heiligen Schwur, den er beim Empfang der heiligen Taufe abgelegt, ist er als Knabe von vierzehn Jahren in den Tod gegangen. Sein Bild steht den in seiner Kirche Versammelten vor der Seele, sein Geist schwebt über ihnen. Sie alle, die die heilige Taufe empfangen haben - wir mit ihnen -, wollen und sollen ein heiliger Martyrerheld Pankratius sein, treu dem Eidschwur der Taufe.

2. Mit mütterlicher Zärtlichkeit redet die heilige Kirche die Neugetauften an: "Wie neugeborene Kinder verlangt nach der geistigen, lauterem Milch" der he~ligen Eucharistie, der Frucht des heiligen Opfer$. Das ist der Durst der in der heiligen Taufe Wiedergeborenen: sie sehnen sich nach der Mitfeier des heiligen Opfers und nach der Teilnahme am Opfermahl der heiligen Kommunion. Auf ihren Lippen erklingt das Liea: "Jubelt Gott, unserm Helfer, jubelt dem Gotte Jakobs. Er hat Sein Volk auS Ägypten herausgeführt, Er hat es mit Brot

3 I 8 IV. Die österliche Zeit: Zweite Woche nach Ostern. (Manna) gesättigt und mit Honig sie gespeist" (Ps. 80) (Introitus). Dies sollte am Weißen Sonntag auch unser Herzensjubel sein, an dem Tage, da wir dereinst feierlich unser Taufgelübde erneuert und sehnsüchtigen Herzens die erste heilige Kommunion empfangen haben. Voll Dank singen wir heute zusammen mit den Neugetauften der früheren Jahrhunderte das "Gloria in excelsis Deo". Aufrichtigen Sinnes flehen wir mit der Oratio, daß wir das treu halten und mit unserem Leben besiegeln mögen, was in der heiligen Taufe und in der heiligen Kommunion in uns gewirkt wurde. In der heiligen Taufe haben wir den heiligen Glauben erhalten, an dessen allüberwindende Kraft uns die Epistel erinnert. "Wer anders überwindet die Welt als der, welcher glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist", d. h. als wir, die Getauften? Zu diesem Glauben haben wir uns in der heiligen Taufe bekannt, zu ihm bekennen wir uns beim Empfange der heiligen Kommunion. Ihn mehren und stärken wir mit den vielen Mitteln, die uns gegeben sind. In ihm sind wir stärker als die Lockungen des Bösen, stärker als das den Menschen zermürbende und erdrückende Leben. Mit Thomas, dem Apostel, sinken wir nieder und hekennen: "Mein Herr und mein Gott!" "Selig, die nicht sehen und doch glauben!" (Evangelium.) So beten wir denn aus vollem Herzen und mit der ganzen Bereitschaft unseres Willens, unseren allbezwingenden Glauben praktisch zu leben, das Credo.

3. Damit sind wir für den Opfergang und die eigentliche Opferhandlung vorbereitet. Wir gehen mit den frommen Frauen des Ostermorgens zum Grabe, dem Altar, und tragen dorthin unser Herz, erfüllt mit tiefem, lebendigem Glauben. Der Engel empfängt uns: "Der, welchen ihr sucht, ist auferstanden" (Offertorium). Bald erscheint Er als der Auferstandene lebendig und wahrhaft in unserer Mitte, in der heiligen Wandlung. Im Glauben singen wir Ihm das dreimal Heilig und begrüßen Ihp

Weißer Sonntag: Unser heiliger Glaube. 319

als den Gesegneten, der da kommt im N amen des Hern~. Wir sind die Apostel, die im Abendmahlssaal versammelt sind. Uns gilt Sein: "Friede sei mit euch." Uns zeigt Er Seine Hände und Seite. Und freudig bekennen wir Ihn als den Auferstandenen, als die Quelle unseres Heils und aller Gnaden. "Mein Herr und mein Gott." Zugleich nehmen wir Ihn glaubensvoll als unsere Opfergabe in unsere Hand und bringel1 Ihn, stellvertretend für uns und zugleich uns selber mit Ihm, als unsere Gabe Gott dar. In Ihm und mit Ihm und durch Ihn ist Gott alle Ehre Ul1d eine ganze, unendlich würdige Verherrlichung. Eins geworden mit Ihm, unserer hochheiligen Opfergabe, sprechen wir aus Seinem und unserem Herzen, gleichsam durch Seinen Mund, unser Vaterunser. Unser tägliches Brot g-ib uns heute, das lebendige Brot der heiligen Eucharistie. Er reicht es uns il1 der heiligen Kommunion. Da berühren wir mit Thomas Christi heilige Wunden und empfangen aus dieser Berührung göttliches Leben in dem Maße, als wir glauben. So ist unser Verlangen nach der gei,tigen, lauteren Milch, zu dem wir im Introitus ermahnt worden, gestillt. Dankbaren Herzens antworten wir auf das "Ite Missa est" des Diakons mit einem glaubensvollen "Deo gratias" "Selig, die glauben."

Weifler Sonntag.

Uns e r h eil i ger G lau b e.

1. Gestern haben die Neugetauften ihre weißen Kleider abgelegt. Heute kommen sie das erste Mal mit ihren gewöhnlichen Kleidern zur Kirche: sie sind jetzt vollreife Christen. Die letzte Stationsprozession machen sie in das Heiligtum des jugendlichen' Martyrers Pankratius, der seinen Taufschwur mit dem Blute besiegelt. Hier versprechen die Neugetauften, und wir mit ihnen, den Taufbund treu zu halten, treu bis in den Tod.

320 IV. Die österliche Zeit: Zweite Woche nach Ostern.

I

2. "A 11 es, was aus G 0 t t ge bor e n ist, übe r w i n d e t die W e I t" (Epistel). In der heiligen Taufe sind wir "aus Gott geboren" worden. Also können, also müssen wir die \Velt überwinden, d. i. über der Welt und der Weltlichkeit stehen. "Alles, was in der Welt ist, ist Augenlust (Habsucht), Fleischeslust und Hoffahrt des Lebens" CI Joh. 2, 16). \Vir aber sind aus Gott geboren, also göttlichen Geschlechtes und himmlischen Adels. Deshalb erheben wir uns über das Irdische. Ja wir verachten die Welt und was sie bietet. Wir wissen, daß wir Kinder Gottes sind. Also ist Gott für uns. Was kann dann die Welt uns schaden? "Wenn Gott für uns ist, wer kann dann wider uns sein? Was kann uns also trennen von der Liebe Christi? Trübsal oder Bedrängnis oder Verfolgung oder Schwert? In all diesem siegen wir in Ihm, der uns geliebt hat" (Röm. 8,31). \Vas kann die Welt uns nützen? Gar nichts. Sie ist unser nicht wert. "Menschliche Größe und menschliche Güter kann der nicht achten, der sich als Kind Gottes weiß. Wer noch etwa anderes anstaunen kann als Gott, stürzt sich von der Höhe seines Adels herab" Ch!. Cyprian). So stellen wir uns, weil aus Gott geboren, über die Welt und ihre Güter und Interessen. Unser Grundsatz lautet: "Entartet nicht und lasset nicht von den hohen und adeligen Gesinnungen des Kindes Gottes ab." Wir überwinden die Welt. Denn "alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt".

"D a s ist der Sie g, der die We I t übe rwindet, unser Glaube. Wer ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, welcher glaubt, daß J esus der Sohn Gottes ist?" (Epistel. ) Es gibt Menschen, die sich nur von den Sinnen leiten und bestimmen lassen. Und es gibt Menschen, die sich in allem nur nach ihrer Vernunft richten. Weder die einen noch die andern kennen die Erhabenheit und die Reichtümer des christlichen Lebens. Nur diej enigen wissen darum, die lebendig an Jesus, den

Weißer Sonntag: Unser heiliger Glaube. 321

Sohn Gottes, glauben. Aus diesem Glauben heraus verlangen sie nach nichts anderem, als wonach Jesus verlangte. Sie kel1nen kein höheres Ziel und kein anderes Ideal, als in die Fußstapfen J esu zu treten und dem nachzufolgen, der die Wahrheit, der Weg und das Leben ist und in dem "alle Schätze des Wissens und der Weisheit beschlossen sind" (Kol. 2, 3). Sie lieben, was Jesus geliebt hat. Sie wählen, was J esus gewählt hat: die freiwillige Armut, das Leiden, das Kreuz, das Nichtssein vor der Welt, die Entbehrung. J esus ist ihnen der Sohn Gottes. die untrügliche Wahrheit, Gottes Weisheit, ihr Alles. Das ist die Frucht des tiefen, lebendigen Glaubens an Jesus, den Sohn Gottes. Je tiefer, je lebendiger dieser Glaube die Seele durchherrscht, um so vollkommener erhebt sie sich über die Welt und alles Vergängliche. "Der Gerechte lebt aus dem Glauben" (Röm. I, 17). "Mein jetziges Leben ist ein Leben im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat" (Gal. 2, 20).

3. Der Apostel Thomas kann es nicht glauben, daß der Herr auferstanden und den andern Aposteln erschienen sei. Er will sehen, tasten. " Wenn ich nicht an Seinen Händen das Mal der Nägel sehe, glaube ich nicht." Da kommt nach acht Tagen. heute, am \Veißen Sonntag, der Herr wieder zu den Aposteln. Er geht auf Thomas zu. "Lege deinen Finger herein und siehe Meine Hände. Reiche deine Hand her und lege sie in Meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern glaube." Da sinkt Thomas anbetend nieder: "Mein Herr und mein Gott!" "Weil du M ich gesehen hast", antwortete ihm J esus, "hast du geglaubt: Selig, die nicht sehen und doch glauben." Jesus verl.angt Glauben. Nur wer glaubt, kann die Welt überwinden.

Die Osterkleider sind abgelegt. Da betet die Kirche für die Neugetauften und für uns, daß wir Baur. Werde Liehtl U. 21

322 IV. Die österliche Zeit: Zweite Woche nach Ostern. Ostern im Leben und Vi:andel festhalten (Oration). Ostern ist ein Fest, das nicht vorbeigehen und dem Alltag Platz machen darf. Unser ganzes Inneres muß Auferstehung sein, Erhebung über das Irdische und Alltägliche. Wir müssen die selbstsüchtigen Wünsche, die uns Tag für Tag erfÜllen und sich uns aufdrängen, zerreißen und wie ein erstickendes Totenkleid abtun. Auferstehung! Auferstanden sein heißt frei sein, unabhängig von der Erde und dem, was sie uns geben kann. Heißt jubelnd erfüllt sein von dem Glauben an den Auferstandenen, dem alle Gewalt gegeben ist im Himel und auf Erden. Auferstanden sein heißt Gottes, Christi Siegerkraft wie eine Sonne in sich tragen. Heißt in tiefster Seele davon durchdrungen sein, daß Christus der Herr ist. Daß der Fürst dieser Welt und alle seine Gesellen verurteilt und gerichtet sind. Auferstanden sein heißt, das erhabene Bewußtsein in sich tragen, daß wir die Verzeihung unserer SÜnden, die Kindschaft Gottes, das Unterpfand des ewigen Lebens und das Anrecht auf das Erbe im Himmel haben. Das lebendige Bewußtsein, daß Gott unser Vater, der Herr ist Über jede Macht und jede Lebensregung auf Erden. Der Herr auch über das Ge<;chrei, das die \Ve1t um uns, die Gotteskinder macht. Der Herr über jeden Gedanken und Anschlag, den die Unreinen gegen die I~einen, die Ungerechten gegen die Gerechten fÜhren. Hätten wir den ganzen Osterglauben, dann müßte in uns etwas Sieghaftes, Sonniges sein, das den Alltag mit seinen Nöten und Sorgen wunderbar verklärte.

Gebet.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, laß uns, die wir nunmehr am Ende der Osterfeier stehen, diese mit Deiner Gnade in Benehmen und Lebenswandel beibehalten. Durch Christus, unsern Herrn. Amen.

Montag: Unsere erste heilige Kommunion. 323 Montag der zweiten Woche nach Ostern.

Ul1sere erste heilige Kommunion.

1. Weißer Sonntag! Wir gedenken dankbaren Herzens des Glückes und der Gnaden unserer ersten heiligen Kommunion. Sie steht im engsten Zusammenhang mit dem Empfang der heiligen Taufe. Haben wir ja am Weißen Sonntag, unmittelbar vor dem Empfang der ersten heiligen Kommunion, feierlich, im Angesicht der Kirche, die brennende Kerze in der Hand, unsere Taufgelübde erneuert: "Ich widersage Satan, der Sünde, der Welt und ihren Eitelkeiten." Und "Ich glaube an Gott den Vater, an Jesus Christus, an Gott, den Heiligen Geist, an die heilige Kirche." Für diesen großen, heiligen Tag legt uns die heilige Liturgie die Worte des heiligen Paulus an die Kolosser zur Erwägung vor.

2. "Wen n ihr mit C h r ist usa u f e r s t a nden sei d, so sucht, was droben ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden. Ihr seid ja gestorben, und euer Leben ist mit Christus in Gott verborgen. Ertötet also, was an den Gliedern !rdisch ist: Unzucht, Unkeuschheit, Leidenschaft, böse Lust und Habsucht, die ja Götzendienst ist. Um ihretwillen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Auch ihr waret diesen Lastern einst ergeben. Jetzt aber (nachdem ihr getauft seid), legt auch alles ab: Zorn, Erbitterung, Bosheit, Lästerung und schändliche Reden aus euerem Munde. Belügt einander nicht. Ziehet den alten Menschen samt seinen vVerken aus und ziehet den neuen an, der zur vollen Erkenntnis fortschreitet und nach dem Bilde seines Schöpfers sich erneuert."

"S 0 z i ehe t den n an als Gottes Auserwählte, Heilige und Geliebte herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Geduld. Ertraget einander und verzeiht, wenn einer gegen den andern zu klagell hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt

2P

324 IV. Die österliche Zeit: Zweite Woche l1ach Ostern. auch Ihr. Über all das zieht die Liebe an: sie ist das Band der Vollkommenheit. Der Friede Christi (d. i. der von Christus gebrachte Friede, die Liebe zum Einssein, zur Eintracht) herrsche in euetn Herzen: für ihn seid ihr ja als ein Leib berufen. Zeigt euch dankbar. Laßt das Wort Christi in all seinem Reichtum unter euch wohnen und belehrt und ermuntert einander in aller Weisheit. Lobsinget Gott dankbaren Herzens mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern. 'vVas ihr auch tun möget in Wort oder 'vVerk, das tut im Namen des Herrn J esus Christus und danket durch Ihn Gott dem Vater. Seid beharrlich im Gebet und verbindet damit Wachsamkeit und Danksagung" (Kol. 3, 1-17; 4, 2).

3. Die heilige Kommunion empfangen ist also ebenso wie das Getauftwerden nicht bloß ein passives Empfangen, ein Nehmen. Es ist zugleich ein Geben. Ein Geben, bei welchem aus uns und dem in der heiligen Wandlung geopferten Herrn ein Wesen, ein Opfer wird. Um ohne Sünde die heilige Kommunion zu empfangen, muß ich im Stande der Gnade sein. Um gut und besser und mit ganzer Frucht zu kommunizieren, muß ich im Stande der Opfergesinnung sein, wie sie der hl. Paulus uns soeben vor Augen gestellt hat. So fühlten es die Christen der früheren Zeiten. Bevor sie sich vom Priester die heilige Hostie in die Hand geben ließen, legten sie beide Arme in Kreuzesform übereinander. Sie erinnerten sich so an die Pflicht, im Empfang der heiligen Kommunion ein Opfer zu werden, sich selber zu geben, sich vollkommen hinzuopfern. Die heilige Kommunion empfangen, bedeutet alles bekommen und alles geben. Halten wir es so?

Heilige Kommunion! "Komm, komm, Fleisch meines Erlösers. Komm, glühende Kohle, und brenne meine Lippen rein. Verbrenne mich mit der Liebe, die Dich dem Tode preisgegeben hat. Komm, Blut, das aus Liebe vergossen worden ist, ergieß Dich in

Dienstag: Das Kindsein vor Gott. 325

mein Herz, Flammenstrom. Du mein Erlöser, das ist also Dein Leib, von \Vunden aufgerissen. Jede dieser \\iunden möchte ich mitleiden: durch sie ist Dein Blut für mich entflohen. Nun bin ich der Welt gekreuzigt und die Welt mir. Die Welt will mich nicht haben. Um so besser für mich, wenn nur auch ich nichts mehr von ihr will. Gebrochen haben wir zwei, die Welt und ich. Für J esus lebe ich. J esus lebt in mir. So sollte es wenigstens sein. Das wäre die richtige Frucht der Eucharistie. Ach, daß ich noch so weit davon entfernt bin!" (Bossuet.) Das ist ja das Traurige: wir gehen sooft zur heiligen Kommunion und bieten dem Heiland und Gott nie etwas anderes an als ein lässiges, weichliches Leben.

Ge b e t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, gib, daß der Empfang Deines hochheiligen Sakramentes uns zu einer N euschöpfung mache in Christus, unserm Herrn. Amen.

Dienstag der zweiten Woche nach Ostern.

Das Kin d sei n vor G 0 t t.

1. "Wie neugeborene Kindlein, doch schon voll Einsicht, verlangt ohne Falsch nach Milch" (Introitus). $0 redet die Kirche am Weißen Sonntag die N eugetauften, die Erstkommunikanten, uns, die Gläubigen an. Wir sind der Kirche unser ganzes Leben lang "neugeborene K 111 der" .

2. "Wen n ihr n ich t wie die Kin der w e rd e t, könnt ihr in das Himmelreich (der Vollkommenheit) nicht eingehen." Das ist die Antwort Jesu auf die Frage der Apostel: "Wer ist wohl der Größte im Himmelreich ?" "Da rief J esus ein Kind herbei, stellte es mitten unter die Apostel und sprach: Wenn ihr nicht wie die Kinder werdet, werdet ihr in das Himmelreich nicht eingehen. Wer sich also verdemütigt (klein wird) wie dieses Kind, der ist der Größte im tIimme1reich" (Matth. 18, I ff.). Ein

326 IV. Die österliche Zeit: Zweite Woche nach Ostern. anderes Nl ai weist uns der Herr auf den Vater im Himmel hin: "Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist" (Matth. 5, 48). Wir sollen alle werden wie der reine, liebende, heilige Gott und zugleich wie das Kind, das an der Brust .der Mutter ruht. Das Größte auf der Welt, das Nachahmenswerteste von allem, was da ist, ist nicht der Denker, der Mann der Wissenschaft, der großen Leistungen, der Eroberer, der Reiche, sondern das Kleinste, das Unscheinbarste, das Kind, das eben aus den Händen des himmlischen Vaters hervorgegangen ist. Das Größte im Menschenleben, im Christenleben ist das Kindsein, das Kleinsein. "Aus dem Munde der Kinder und Säuglinge schaffst Du Dir Lob" (Ps. 8, 3). Was Gott ehrt, sind nicht unsere "großen Leistungen", unsere großen Pläne und Unternehmungen; auch nicht die großen Bußwerke und Abtötungen, unsere langen Gebete, unsere vielen frommen Übungen. Alles das ehrt an sich Gott nicht. Alles das kann ja von unserem Stolz und Eigendünkel vergiftet sein, und ist es leider. Alles das kann unserem eigenen Geist und eigenen Willen entspringen, und entspringt ihm nur allzuoft. Was Gott in Wahrheit ehrt, was uns vor Gott in \Vahrheit groß macht, was uns die Pforte zum Himmelreich der Gnade, Tugend, Vollko;nmenheit und Gottvereinigung erschließt, ist der Geist des Kindseins, des Kleinseins. Nicht umsonst beginnt Gott das große Werk der Erlösung mit dem Kindsein. Jedes gesunde geistliche Leben beginnt mit dem Kindsein und ruht auf dem Kindsein. Darum der Aufruf der Liturgie· an uns: "Wie neugeborene Kinder verlangt nach der Milch." "Wer klein wird wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich." So denkt Christus, so denkt Gott, so denkt die heilige Kirche, so denken und leben die Heiligen. So wählen auch wir mit neuem Entschluß den Weg

-:ler geistigen Kindheit.. .

"VV i e neu g e bor e n e Kin der", im Geist des

Dienstag: Das Kindsein vor Gott. 327

Kindseins, des Kleinseins. Den Geist des Kindseins besitzt derjenige, welcher im Bewußtsein seiner Unfähigkeit und Schwäche sich in allem voll und ganz von dem Lichte und Zuge der Gnade Gottes und VOl1 denen leiten läßt, welche Gottes Stelle an ihm vertreten. Er will klein, abhängig, aus sich selber nichts sein. Er glaubt in Einfalt, was man ihm sagt. Er tut, was man ihm aufträgt, ohne zu fragen, warum ich? Warum so? Blind führt er aus, was man ihn heißt. Erfüllt vom Geist des Glaubens steht er doch über allem Vernünftein und beunruhigt sich nicht mit der Sorge, auf welchem Wege und wohin er geführt werde. Der Geist des Kindseins macht, daß wir dem eigenen Geist, dem eigenen Wollen und Wünschen sterben und daß wir uns selber vergessen. In dem Uns-selber-Vergessen besteht unser innerer Fortschritt. Nicht in tiefen Einsichten, hohen Gedanken, großen Erleuchtungen. Soweit kommen wir il1 'Wahrheit voran, als wir dem eigenen Geist, dem eigenen Verstehen- und Wissenwollen, dem Verlangen, die Menschen, die Verhältnisse, uns selbst, Ul1ser inneres Leben, unser Gebet so gestalten können, wie wir es gern hätten, entsagen. Sind wir vom Geist des Kindseins erfüllt, dann sehen wir nicht mehr mit den eigenen Augen. Wir urteilen über niemand und über nichts aus uns selbst. Wir übergeben uns blind der Hand der Vorsehung, der Leitung Gottes. Wir gehen weiter, ohne auf den Weg zu sehen, den wir zu gehen haben, ob er steil, steinig oder leicht sei: wir schauen nur auf die Hand, die uns führt. Wir achten nicht darauf, ob und wie wir vorankommen. V/ir vergessen uns selbst und ruhen sorglos, ohne auf uns selbst zu achten, in den Armen, am Herzen eies Vaters, ganz so wie das neugeborene Kind am Herzen und in den Armen der

. Mutter. Sind wir wie die Kinder geworden, dann suchen wir keine Gelegenheiten, vor den Menschen die großen, bewunderten Tugenden zu üben. Die kleinsten, verborgensten sind uns die liebsten.

328 IV. Die österliche Zeit: Zweite Woche nach Ostern. Dann folgen wir mit heroischer Treue und Opferbereitschaft jeder Anregung der Gnade, jedem Befehl des Obern, jeder Regel, jeder Gelegenheit zu leiden, zu ertragen, zu entsagen, wie Gott sie uns schickt. Dann lieben wir das Armsein, die Einschränkung. Dann erkennen wir in allem, was der Tag bringt, Gottes heiligen Willen und entsprechen ihm mit ganzer, treuer, freudiger Hingabe. Dann sind wir um Gottes Willen der Umgebung gegenüber immer und allezeit voll S\inftmut und heiterer Freundlichkeit. Dann kennen wir keine Selbstsucht und keine Rücksicht mehr auf uns selbst:

Gott allein, Sein Wohlgefallen, und sonst keine Absicht. Alles ist Einfalt und Einfachheit. "Man braucht nur J esus zu lieben, ohne auf sich zu sehen und ohne seine Fehler zu viel zu erforschen. Ein Blick auf J esus und die Erkenntnis seines eigenen Elendes macht alles wieder gut." (HI. Theresia vom Kinde ] esu. ) "Wie neugeborene Kinder!"

3. "Die Vollkommenheit scheint mir leicht. Ich sehe, daß es genügt, sein Nichts anzuerkennen und sich wie ein Kind in die Arme des lieben Gottes zu legen. Ich freue mich, klein zu sein, da ja die Kinder allein, und die ihnen gleichen, zum himmlischen Gastmahle zugelassen werden." (HI. Theresia vom Kinde ]esu.)

Im Zustand der geistigen Kindheit ist Gott alles, der Mensch nichts. In diesem "Kinde" wirkt Gott alles das, was Er will, wie Er es will, soweit Er es will. Er findet in der Seele keinen Widerstand und kein Hindernis. Deshalb ruht jeder wahre innere Fortschritt auf dem Kindsein. "Gott freut sich mehr über das, was Er in einer Seele wirkt, die demütig in ihre Armut sich ergibt, als über die Erschaffung von Millionen Sonnen." (HI. Theresia vom Kinde J esu.) "Die heilige, geistige Kindheit ist ein vollkommenerer Zustand als die Leidensliebe, denn nichts vernic.htet den Menschen' so sehr, wie wahrhaft und friedvoll klein zu sein. Der Geist der Kindheit tötet

Mittwoch: Wiedergeboren. 329

den Stolz sicherer als der Geist der Buße" (Gay.). Im Geist der Kindheit erreichen wir die Vollkommenheit. "Wer klein wird wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich."

Ge be t.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, laß uns, die wir nunmehr am Ende der Osterfeier stehen, diese mit Deiner Gnade in Benehmen und Lebenswandel festhalten. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Mittwoch der zweiten Woche nach Ostern.

Wie der g e bor e n.

I. "Wie neugeborene Kindlein, doch schon voll Einsicht, verlangt ohne Falsch nach Milch" (der im Lateinischen ausgedrückte Sinn weicht vom Sinn des Urtextes ab), "damit ihr durch sie zum Heile heranwachset" (I Petr. 2, 2). Eine dringende Mahnung zum Wachstum im übernatürlichen Leben.

2. "I h r sei d wie der g e bor e n, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen durch das lebendige und bleibende Wort, das euch im Evangelium verkündet worden ist" (I Petr. I, 23). Daraus zieht Petrus die Folgerung.: "Legt also ab alle Bosheit und alle Arglist, alle Heuchelei, N eid und Verleumdungen", alles, was der christlichen Nächstenliebe entgegen ist. "Reiniget eure Seelen im Gehorsam gegen die Wahrheit (d. i. gegen die Vorschrift des Evangeliums) zu ungeheuchelter Bruderliebe und liebet so einander von Herzen mit Innigkeit, da ihr wiedergeboren seid aus dem unvergänglichen Samen des Wortes Gottes." Die Wiedergeburt aus Christus ertötet in uns den alten Menschen .mit seiner Bosheit und Selbstsucht, mit seiner Arglist und Heuchelei. Sie schafft uns zu neuen Menschen um, erstickt in uns die Selbstsucht und pflanzt uns die Liebe ein, die uns in Christus zu Brüdern verbindet und uns innerlich eint. Darin

330 IV. Die österliche Zeit: Zweite Woche nach Ostern. alw bewährt sich unser Christsein, daß es uns "zu ungeheuchelter Bruderliebe reinigt" und läutert. Darin bewährt sich die in uns wirkende Kraft des Evangeliums: es bildet uns, sofern wir es innerlich in uns aufnehmen und wirken lassen, zu Mensc4en der starken, heroischen, ertragenden, wohlwollenden, verzeihenden, rücksichtsvollen, helfenden, Trost und Freude spendenden Nächstenliebe um. "Wenn ihr einander liebet, werden alle daran erkennen, daß ihr Meine Jünger seid" (Joh. I3, 35). Wir sind wiedergeboren, getauft. Hat die Wiedergeburt uns "zu ungeheuchelter Bruderliebe" gereinigt?

"Wie neugeborene Kinder ve-rlangt nach der geistigen, un verfälschten Milch." Nach .ihrer positiven Seite ruft die Wiedergeburt nach dem Wachstum des Lebens der Gnade. So wie das neugeborene Kind nach der Muttermilch verlangt, so sollen auch wir mit heiliger Sehnsucht nach der unverfälschten geistigen Nahrung verlangen, durch die das Leben der Seele gestärkt und gekräftigt wird. Es genügt nicht, geboren, wiedergeboren zu sein: wir sind geboren, wiedergeboren, um zum Heil, zur Heiligkeit, zur Vollreife heranzuwachsen. Die Nahrung, durch die wir das Wachstum haben, ist die "geistige, unverfälschte Milch" des Wortes Gottes, das uns im Evangelium verkündet worden ist und durch die Kirche immer neu verkündet wird. Je bereitwilliger wir dieses \Vort des Evangeliums aufnehmen, um so sicherer und rascher werden wir zur Reife des Mannesalters, des Vollalters heranwachsen (Eph. 4, I3) und so das vollendete Heil im Himmel erlangen. "Verlangt nach der geistigen, unverfälschten Milch." Wie das Kind immer neu und immer heftiger nach der M uttermilch verlangt, wenn es einmal deren Süßigkeit gekostet hat, so werden auch wir immer von neuem nach dem Worte Gottes, des Evangeliums begehren, "wenn ihr wirklich gekostet habt, wie süß der Herr :5t" (I ·Petr. 2, 3). Die Wiedergeburt, die wir in eier

Mittwoch: Wiedergeboren.

331

heiligen Taufe erhalten, bewährt sich in dem steten lebendigen Verlangen nach dem Wort d.es Evangeliums, um durch diese Nahrung zum Heile heranzuwachsen.

3. Eine Lehre von größter Tragweite. Wir sind wiedergeboren, getauft. Wie hat sich die Wiedergehurt in unserem Leben zu bew~hren? Negativ durch vollkommene Reinigung von aller Selbstsucht und von allem, was die ungeheuchelte christliche Bruderliebe stört und hindert. Positiv durch ein stets glühenderes Verlangen nach innerem Wachstum und durch ein fortwährend gesteigertes Verlangen nach dem Wort des Evangeliums. Unsere Nahrung ist das Wort Gottes, das Evangelium. Sie wird uns täglich in der Feier der heiligen Liturgie neu geboten. Darauf arbeitet die Kirche in ihrer Liturgie hin, daJ3 wir immer mehr vom Lichte und von der Glut des Evangeliums uns erfassen und erfüllen lassen. Hier finden wir die unverfälschte Nahrung, die uns zum Wachstum dient. In der Kraft dieser Nahrung waren die Christen der Urzeit stark und opferfähig, in der freudigen Bereitschaft für Christus und ihren Glauben das Leben zu geben.

"Verlanget nach der unverfälschten Milch" der Lehre. Sie wird uns von der Mutter Kirche gereicht. Ihr ist der Auftrag gegeben: "Gehet hin und lehret alle Völker und lehret sie alles halten, was Ich euch geboten habe" (Matth. 28, I8). Das ist es, was die Kirche lehrt: "was Ich euch geboten habe". Unverfälscht die Lehre Christi. Deshalb verheißt ihr der Herr Seine ununterbrochene Nähe und Gegenwart: "Ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Welt" (Matth. 28, 20). Deshalb sendet Er Seiner Kirche den Heiligen Geist, den "Geist der Wahrheit" (Joh. I5, 26). "Wenn jener, der Geist der Wahrheit, kommt, wird Er euch in alle Wahrheit einführen. Er wird von dem Meinigen nehmen und es euch verkünden" (Joh. I6, I3 ff.). "Er

332 IV. Die österliche Zeit: Zweite Woche nach Ostern. wird bei euch bleiben und in euch walten" (Joh. I4, I7). Deshalb die Versicherung: "Wer euch hört, hört Mich" (Luk. IO, I6).

Weithin herrscht der Irrtum. Eine Unmenge von Weltanschauungen, Auffassungen, Gedanken, Lehren, Grundsätzen, die sich gegenseitig widersprechen, die den Menschen von Gott, von Christus, vom Evangelium, von der Kirche losreißen und unglücklich machen! Wir haben die unverfälschte Wahrheit, soweit als wir uns an die Kirche, ihr Dogma, )hre Sittenlehre, ihre Grundsätze, ihre Liturgie halten! "Verlanget nach der unverfälschten Milch."

Ge b e t.

Herr, unser Gott, wir bitten Dich: die hochheiligen Geheimnisse, die Du uns übergabst, um unsere Erlösung zu sichern, laß uns Heilmittel sein für jetzt und später. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Donnerstag der zweiten Woche nach Ostern.

Uns e r h eil i ger G lau b e.

1. Mit sichtlichem Nachdruck betont die Liturgie der ersten Woche nach Ostern den Glauben. "Wie neugeborene Kinder, doch schon voll Einsicht (rationabiles, voll Glaubenseinsicht) verlangt ohne Falsch nach Milch" (Introitus). "Das ist der Sieg, der die Welt (I:lie Augenlust, Fleischeslust, Hoffart des Lebens) überwindet, unser Glaube, der Glaube, daß J esus der Sohn Gottes ist" (Epistel). Im Evangelium überfÜhrt der Herr den Apostel Thomas seines Unglaubens. Thomas fällt vor dem Herrn nieder:

"Mein Herr und mein Gott!" Und Jesus: "Weil du M ich gesehen hast, Thomas, hast du geglaubt. Selig, die nicht sehen und doch glauben." Die Communio nimmt den Bericht des Evangeliums wieder auf und ruft uns, die wir den Herrn empfangen und berühren, zu: "Reiche deine Band und erkenne die

Donnerstag: Unser heiliger Glaube.

Male der Nägel und sei nicht ungläubig, sondern gläubig."

2. "Wie neugeborene Kinder, doch voll GI au ben sei n s ich t." Je mehr wir den Geist des Kindseins in uns tragen, um so vollkommener, kräftiger lebt in uns der Glaube. Das Christentum stellt alles auf den Glauben. Er ist der Anfang des Heils, die Wurzel des gesamten christlichen Denkens, Urteilens, Wertens, Wollens, Wirkens und Lebens. Glauben ist mehr, als nur davon überzeugt sein, daß es einen Gott, ein höchstes Wesen gibt. An Gott glauben bedeutet für uns soviel, als alles das anzunehmen und uns allem dem zu unterwerfen, was Gott zu glauben befiehlt. Und dies nicht, weil und soweit wir es mit unserer Vernunft einsehen, sondern weil Gott es sagt und befiehlt. Im Glauben bringen wir Gott uns selber zum Opfer und unterwerfen wir uns im Geist des Opfers, des bewußten Verzichtes auf das eigene Einsehenwollen, jedem Worte des sich offenbarenden Gottes aus heiliger Ehrfurcht vor Gott~s Wahrhaftigkeit und aus Gehorsam gegen Sein Gebot. Es ist wahrlich nichts Geringes, Eich selbst mit seinem ganzen Denken und Wollen Gott als Opfer zu weihen. Das tun wir im Glauben Noch mehr! An Gott glauben bedeutet für uns, Gott uns zu unserem letzten und höchsten Ziele setzen, auf da~ wir uns und unser gesamtes Denken, Tun und Lassen einstellen, um das sich unser gesamtes Streben und Leben dreht. Wir machen uns mit unserem ganzen Leben von Ihm abhängig und streben mit Geist und Herz und \Villen, mit dem ganzen Menschen, nach Ihm. An Gott glauben heißt, sich mit allem, was der Mensch ist, Gott ergeben. An Gott glauben ist Gott dienen mit einem Dienste, der Gott allein geleistet werden darf und kann. An Gott glauben kann niemand als der, welcher den christlichen Glauben hat. Umgekehrt sind wir alle, die wir den christlichen Glauben empfangen haben, heilig verpflichtet, in

334 IV. Die österliche Zeit: Zweite Woche nach Ostern. Wahrheit an Gott zu glauben, Gott zum Inhalt und Ziel unseres Sinnens und Trachtens zu machen, uns mit allem, was wir sind und haben, Gott zu Übergeben, Seinem Wort, Seinem Gebot, Seinen Anregungen, Seinen Erleuchtungen, Seinen Führunge'n und Schickungen. Tun wir das?

"D a s ist der Sie g, der die W e I t übe rw i n d e t, uns erG lau b e." Wir glauben an Gott. Aber dieser Glaube an Gott hat verschiedene Grade und Stufen. Wir bemühen uns um die Vollkommenheit des Glaubens. Der vollkommene Glaube ist der Glaube, der die Welt überwindet. Die erste Stufe des Glaubens haben wir erstiegen, wenn wir nach dem Glauben leben, den Forderungen des Glaubens im Leben entsprechen. Der Glaube ohne rlie Werke ist ja tot (Jak. 2,14). Der, welcher den Willen seines Herrn kennt, ihn aber nicht tut; der, welcher den Namen des Herrn im Munde führt, im Werke Ihn aber entehrt, macht sich größerer Strafe schuldig als der, welcher nie etwas vom Glauben kennen gelernt hat. "Nicht, wer zu Mir Herr, Herr sagt, wird ins Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen Meines Vaters tut" (Matth.7, 2I). Aber vollkommener ist es, nicht bloß mÜhsam sich hinter den Forderungen des Glaubens einherzuschleppen und so immer etwas hinter der Höhe des Glaubens zurÜckzubleiben, vielmehr freudig und frisch im Glauben zu leben. Das ist die zweite Stufe. Wer im Glauben lebt wie das Kind im Hause des Vaters, wie der Freie in seiner Wohnung, fühlt nichts mehr von der "Last" des Glaubens, welche die Sklavenseelen so schmerzlich drückt. Er ist im Lande des Glaubens heimisch geworden und bewegt sich im Lichte und in der Welt des Glaubens mit einer Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit, für welche die andern nur ein schmerzliches Bedauern oder eine hohe Bewunderung aufbringen. Ist es etwas Großes, daß uns der Glaube mit seinen Forderungen an Gei.st, Herz und Wille zur Heimat ge-

Donnerstag: Unser heiliger Glaube. 3 3 ~

worden ist, so ist es etw"as noch GröBeres, daß wir aus dem Glauben leben. Das ist die dritte Stufe, die Vollendung. Der Glaube lebt in uns, wir leben aus dem Glauben. "Deinen Willen zu tun, 0 Gott, das ist auch mein Wille, und Dein Gesetz lebt in der Mitte meines Herzens" (Ps. 39, 9). "Ich will Mein Gesetz in ihr Inneres legen und es in ihr Herz schreiben. Dann braucht keiner mehr seinen Bruder zu lehren und zu sagen: Erkenne den Herrn; denn alle werden selber Mich kennen, vom Kleinen bis zum Großen" (Jer. 3I, 3I). Die aus dem Glauben leben, brauchen nicht erst mühsam nach dem zu .suchen, was Gott von ihnen will. Ohne Anstrengung, wie von selbst, erkennen sie, spÜren sie in allen Ereignissen, Erlebnissen und Vorgängen, ob süß oder sauer, ob angenehm oder unangenehm Gott, Gottes Nähe, Gottes Wirken. Sie haben es nicht notwendig, mit gewaltsamen Mitteln und erkÜnstelter Feierlichkeit sich in Gottes Gegenwart zu versetzen. Sie fÜhlen sich Gott gegenwärtig, auch wenn sie in angestrengter Arbeit stehen oder mitten im GewÜhle der Menschen sind. Ihr Leben -bei Tag und Nacht ist eine beständige Liebesflamme, die sich für Gott verzehrt. Das ist die Frucht des Lebens aus dem Glauben. Der Glaube ist ihnen nichts äußerliches mehr. Er ist die Seele ihres Lebens. Dieser Glaube hat die Heiligen gebildet. Wo dieser Glaube in uns lebt, da haben wir die Welt mit ihrer Lust, die SÜnde, die Eigenliebe überwunden und ruhen wir nicbt, bis wir aie letzte Forderung und den letzten Rat erfÜllt haben, womit der Glaube unsere Liebe und unsere Großmut weckt.

3. Wir glauben. Wir leben nach dem Glauben.

Wir leben im Glauben. Wir leben aus dem Glauben. Darum stöfit sich die Welt an uns, den Christen. Und es muß so sein. Die \Velt faßt den Geist nicht, der uns Christen beseelt. Unsere Heimat, unsere Welt ist der Glaube. Seine "Kenntnis aber findet sich nicht im Lande derer, die sich das Leben be-

336 IV. Die österliche Zeit: Zweite Woche nach Ostern. quem machen wollen" (Job 28, I3). Je mehr die Welt uns mißversteht und ablehnt, um so mehr dÜrfen wir Gott danken. Er hat uns Seinen Geist gegeben.

über alles schätzen und lieben wir unsern heiligen Glauben, den wir in der heiligen Taufe eingegossen bekommen haben. Wir ruhen nicht, bis er uns in Fleisch und Blut übergegangen ist und wir das bloß natürlich-menschliche Denken vollkommen aufg-ehoben haben im Leben aus dem Glauben. "Wie neugeborene Kinder, doch voll Glaubenseinsicht."

Ge b e t.

Wir bitten Dich, allm5chtiger Gott, laß uns, die wir nunmehr am Ende der Osterfeier stehen, diese mit Deiner Gnade in Benehmen und Lebenswandel beibehalten. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Freitag der zweiten Woche nach Ostern.

Das h eil i g e S a k r a m e n t der B u ß e.

1. "Am Abend des ersten Wochentages (d. i. des Ostersonntages) waren die Jünger bei verschlossenen Türen versammelt. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sprach: Friede sei mit euch! N ach diesem Worte zeigte Er ihnen die Hände und Seite. Da freuten sich die JÜnger, als sie den Herrn sahen. Abermals sprach Er zu ihnen: Friede sei mit euch I Wie Mich der Vater gesandt hat, so sende Ich euch. Nach diesen Worten hauchte Er sie an und sprach zu ihnen: Empfanget den Heiligen Geist, Welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen, und welchen ihr sie behalten werdet, denen sind sie behalten" (Evangelium). Das Geschenk des Auferstandenen an Seine Kirche: das Sakrament der Buße, das "zweite Brett nach dem Schiffbruch" (St. Hieronymus), die "mühevolle Taufe" (Tertulliall), das große Rettungsmittel der Getauften.

Freitag: Das heilige Sakrament der Buße. 337

2. "W eIe he n ihr die S Ü n den na chI ass e n wer d e t, den e n s i n d sie n ach gel ass e n." Eben ist Er am Kreuze für uns gestorben. Konnte Er für uns noch mehr tun? Mußte nicht fürderhin der Anblick des Gekreuzigten, die Erinnerung an Seinen Tod, an Seine Liebe uns alle so sehr zur dankbaren Gegenliebe entzünden, daß wir nicht mehr sÜndigen könnten? Und erst die Gnade und Kraft der heiligsten Eucharistie, in der Er uns, den Getauften, sich selbst zur Nahrung der Seele schenkte! Hatte sie, hat sie nicht dte Kraft, die SÜnde zu überwinden und uns so zu heiligen, daß die Sünde an uns keinen Teil mehr hatte? Aber, fast als ob am Kreuz Sein Verständnis für der Menschen Schwachheit und Bosheit noch tiefer und Sein Herz in hingebender, suchender Liebe noch weiter geworden wäre, tritt Er am Osterabend vor Seine Kirche hin und gibt ihr das neue Mittel zur Reinigung von der Sünde, zur Reinbewahrung vor· der Sünde, zur Heilung der \Vunden, die die SÜnde uns schlägt, und zur Kräftigung gegen die Sünde. Er gibt uns das Sakrament der Vergebung, der Barmherzigkeit, der Versöhnung, des Friedens mit Gott und mit uns selbst:

"Friede sei mit euch!" Dies heilige Sakrament ist Sein Ostergruß an die Apostel, an die Kirche, an uns. Ein neuer Beweis Seiner Sorge um uns, Seiner . Liebe zu uns. Er will uns, selbst wenn wir Ihm trotz all des Großen und Guten, das Er uns getan, untreu werden sollten, wieder gnädig sein und verzeihen. "Friede sei mit euch!" Er setzt dem Empfang dieses Sakramentes keine Zahl und keine Grenzen:

Er kennt ja unsere Unbeständigkeit und Schwäche. Ebensowenig setzt Er Seiner Barmherzigkeit in diesem Sakrament eine Schranke: Es gibt keine Sünde, mag sie noch so furchtbar sein, die in diesem Sakramente nicht vergeben werden könnte. Auch die läßlichen SÜnden, die täglichen schuldbaren Fehler, was immer sündhaft ist, wird in diesem Sakramente verziehen. "Welchen ihr die Sünden nachlassen Baur, Werde Licht! 11. 22

338 IV. Die österliche Zeit: Zweite Woche nach Ostern. werdet, denen sind sie nachgelassen." Es ist dem Heiland so viel dar an gelegen, daß wir, Ihm durch Taufe und Eucharistie eingepflanzt und einverleibt, ein Christus mit ihm geworden, von jeder Sünde frei seien, reine, lichte Kinder Gottes; daß wir im neuen Leben wandeln, das keine Sünde, keine Untreue gegen den Vater mehr kennt! Möchten wir nur Seiner Absicht entsprechen!

"I chi e be, und au chi h r soll t leb e n."

Die Todsünde unterbindet und unterbricht die organische Lebensgemeinschaft des Getauften, des Gliedes mit dem Leib und mit dem Haupt, des Zweiges mit dem Weinstock. Wie die Taufe uns Christo, dem Haupte, einverleibte und uns so in Christus, in das göttliche Leben des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes hineinhob und mit ihm verband,

so löst die schwere Sünde die Lebensverbindung mit Christus, dem Haupte, und dadurch mit Gott. Wir hören auf, Kinder Gottes, der Gegenstand Seines Wohlgefallens, Seiner besondern Sorge und Liebe zu sein. Wir werden Ihm ein Gegenstand des Ekels, des Abscheus. Er kann ferner nicht mehr in uns Seine Wohnung nehmen: Er muß uns von sich stoßen, ähnhch wie Er einst Adam aus dem Paradies und von Seinem Antlitz und Umgang hinausgestoßen hat. 'Wir sind von dem Lichtreich des Lebens der Gotte~kindschaft in die N acht und in die Tiefe der Sünde herabgestürzt. Unser "Ende ist das Verderben'~ (Phi!. 3, 19)' Der Herr aber ist gekommen, uns das Leben zu geben (vg!. Joh. IO,_ 10), das heilige, welt- und todüberwindende Leben, das Er in Seiner Auferstehung angenommen hat. Er setzt am Ostertag das Sakrament der Buße ein. In der Kraft dieses Sakramentes wird die Lebensgemeinschaft mit Christus, die durch die SÜnde unterbrochen war, wiederhergestellt. Wir werden wieder in den heiligen Gnaden- und Lebensorganismus des mystischen Leibes Christi hineingestellt. "Ich lebe, und auch ihr sollt leben." "Ich will nicht den Tod

Samstag: Glaubensgeist.

339

des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe" (Ez. 33, I I).

3. Wir bej ahen_ dankbar, gläubig die kostbare Ostergabe, die der Herr uns im Sakrament der Buße geschenkt hat. Wir erkennen in den Aposteln und ihren Nachfolgern und Helfern, in den Bischöfen und Priestern, diej enigen, denen der Herr die Sendung und die Vollmacht gegeben hat, die Sünden nachzulassen und zu behalten. Sie sind dadurch zu Richtern über unser Gewissen bestellt. Wir unterwerfen uns voll Glauben und Gehorsam gegen die Ostergabe des Herrn dem über uns gesetzten Priestertum. Von ihm erbitten und erhalten wir die Verzeihung unserer Schuld. "Selig, die nicht sehen und doch glauben."

\Venn der Herr uns im Sakrament der Barmherzigkeit mit so viel Liebe und Sorge entgegenkommt, dann geziemt es sich, daß wir Seiner Tat mit einer Gegentat entsprechen: daß wir, der Tragweite und Wirkkraft des heiligen Sakramentes der Buße bewußt, uns aufrichtig MÜhe geben, dieses Sakrament zum Heil unserer Seele und zur Entialtung unseres christlichen Lebens ganz auszunÜtzen.

Gebet.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, laß uns, die wir nunmehr am Ende der Osterfeier stehen, diese mit Deiner Gnade in Benehmen und Lebenswandel beibehalten. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Samstag der zweiten Woche nach Ostern.

G lau ben s gei s t.

1. "Wenn ich nicht an Seinen Händen das Mal der Nägel sehe und nicht meine Hand in Seine Seite lege, glaube ich nicht." Thomas will sehen, greifen. Der Herr kommt seiner Schwäche mit rÜhrender Aufmerksamkeit und Herablassung ent-

22*

340 IV. Dle österliche Zeit: Zweite Woche nach Ostern. gegen. Aber nicht, ohne ihn zu mahnen: "Weil du Mich gesehen hast, Thomas, hast du geglaubt. Selig, die nicht sehen und \doch glauben" (Evangelium).

2. "N ich t se he n." Thomas ist der Repr.äsentant der vielen, die kein Zeugnis des Evangeliums, der Kirche, des Priestertums annehmen. Sie lassen nur das gelten, was sie mit eigenen Augen sehen, mit eigenen I-länden greifen. Thomas ist der Repräsentant auch jener vielen, die zwar dem Zeugnis des Evangeliums ul\.d der Kirche glauben, die sich aber trotzdem im praktischen Leben über eine rein natÜrliche Denkart und Lebensauffassung nicht erheben. Sie beten das Credo der Kirche, aber sie entbehren des Geistes des Glaubens. Das ist das Leben vieler Christen und Katholiken. Sie denken, urteilen, werten, reden und handeln gen au so, wie die sie umgebende Welt denkt und' lebt. Sie haben praktisch keine höhere Zielsetzung als jeder andere Mensch in der Welt: Gesundheit, Wohlergehen, Erwerb, Geschäft, Genuß, Vergnügen. Wo ihnen etwas unangenehmes begegnet oder ihnen etwas schwer wird, regen sie sich auf, poltern sie, machen sie einen SÜndenbock ausfindig, waschen die Hände in Unschuld und tun alles, um des Unangenehmen, des Schweren los zu werden. Rein natürlich ist das Denken, ist die Zielsetzung. Rein natürlich sind vor allem die BeweggrÜnde des Wollens und Handeins. Weitaus die Mehrzahl der Christen, der Katholiken, derer, die das Credo der Kirche beten, lassen sich im Leben von der Rücksicht auf die Existenz, auf die Vorgesetzten, auf die gesellschaftlichen Verpflichtungen, auf Fortkommen, Erfolg und Karriere bestimmen; von Menschenfurcht und M enschenrÜcksicht, von bestimmten Leidenschaften, in irgend einer Form und unter irgend einem Deckmantel von der Eigenliebe und vom Stolz bestimmen. Und wären das nur die Christen in der Welt! Aber auch die Gottgeweihten, die hinter Klostermauern, sind in ihrem Wollen im allgemeinen viel mehr, als sie

Samstag: Glaubensgeist.

341

es ahnen, von rein natÜrlichen BeweggrÜnden, von irgend einer Art dcr Eigenliebe bestimmt, als allein oder doch zuerst und maßgebend von den Beweggründen des Glaubens, vom Beweggrund der Liebe zu Gott. Wir alle leben allzu natÜrlich .. Wir leben nicht aus dem Glauben, im Blick auf Christus, auf Gott und Seinen heiligen \Villen. Darum so viel innere Unruhe, Unsicherheit, Haltlosigkeit, Schwäche und Leere! "Selig, die nicht sehen, sondern gtauben." .

"S i ewe r den s ich den S c h ein der Fr ö m m i g k e i t ge ben, aber deren Kraft vermissen lassen." "Wisse, daß für die letzten Tage schwere Zeiten bevorstehen. Da werden die Menschen selbstsÜchtig sein, geldgierig, prahlerisch, lieblos, treulos, verleumderisch, gemein und aufgeblasen. Sie werden die Lust mehr lieben als Gott" (2 Tim. 3, I ff.). Es ist, als wären diese Zeiten schon gekommen. Selbst in dem heiligen Bezirk des Frömmigkeitslebens sind wir so weit, daJ3 _ viele, gerade fromme geistliche Personen, ungeistig sind und nur nach dem streben, was das Gemüt erregt und in Spannung hält. Sie schauen mit 6em Auge der Sinne: eine Frömmigkeit, die nichts anderes ist als eine Aufeinanderfolge von S.inneseindrÜcken mit GefÜhlen. Diese Frömmigkeit fÜrchtet sich naturgemäß vor Kämpfen, MÜhen und Opfern. Sie bedient sich der geistigen Dinge, selbst des Gebetes und der Sakramente, um den Sinnen eine Befriedigung zu verschaffen. Der Geist bleibt der wahren Frucht beraubt, die Beute einer trostlosen Trockenheit und dauernden Lcere. "Kaum eine Person findet man", schreibt der hl. J ohannes vom Kreuz, "die dieser Tyrannei der Sinne entkäme." Eine solche Seele lebt an der Oberfläche der Dinge, des Lebens. Das Äußere nimmt sie gefangen und wird das wichtigste: im Gebet, in der Arbeit und PflichterfÜllung. Sie stößt nicht zu Gott vor. Sie wird von den äußern Übungen festgehalteIl. Sie

342

IV. Die österlich e Zeit: Zweite Woche nach Ostern

schaut auch nicht in die Tiefe. Sie sieht vielmehr die Dinge und Vorkommnisse alle von der kleinen Seite an und wird an ihnen klein, kleinlich, eng, pedantisch. Sie verkÜmmert, wird Sklave des Kleinen und der Kleinigkeiten, oft bis zur Lächerlichkeit. Sie wird haltlos hin und her geworfen und Immer mehr geschwächt. Sie vermehrt die Anstrengungen, die Gebete, die Übungen. Aber sie wird nur noch mehr zerrissen, geteilt, geschwächt. Sie hat "den Schein der Frömmigkeit, läßt aber die Kraft der Frömmigkeit vermissen". Diese armen, gequälten, unfruchtbaren Seelen! Sie haben auf das GefÜhl, auf die Sinne gebaut, nicht auf den Geist und auf die Grundsätze des Glaubens. Sie leben nicht im Blick auf Gott, auf Gottes Liebe, Vorsehung, Nähe, Willen. Darum keine Tiefe, keine Kraft, keine innere Ruhe und Festigkeit. "Selig, die nicht sehen-und doch glauben."

3. "Das ist der Sieg, der die Welt Überwindet, unser Glaube." Der Geist des Glaubens, das Leben aus dem Glauben, die Gewohnheit, alles, was einem begegnet, im Lichte Gottes, der Vorsehung, der Zulassung, der unendlich weisen und liebevollen Anordnung und Fügung Gottes zu sehen. Der Glaube gibt Licht, gibt Kraft, gibt Tiefe, Weite und volle Ruhe. Selig, die glauben!

'Wir sind mit Christus auferstanden, der neue Mensch, voll Glut und Geistigkeit. Täglich vertiefen wir das neue Leben, das wir an Ostern, d. i. in der heiligen Taufe, erhalten haben, in der Mitfeier der heiligen Messe und im Empfang der heiligen Kommunion. Wir vertiefen es durch die Pflege des innerlichen Gebetes, der heiligen Lesung, der geistlichen Übungen. Und doch sind wir zumeist noch allzu natürliche Menschen, mit den Interessen, der Auffassung, der Denkart, der Einstellung des bloß natürlichen Menschen! Weit hinter dem zurück, was wir sein sollten! DÜrfen wir noch zögern, die Hand ans Werk zu legen, daß wir endlich vollkom-

Samstag: Glaubensgeist.

343

men aus dem Glauben leben? Das wäre "die Osterfeier in Benehmen und Lebenswandel beibehalten" (Oratio ).

Ge b e t.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, laß uns, die wir nunmehr am Ende der Osterfeier stehen, diese mit Deiner Gnade in Benehmen und Lebenswandel beibehalten. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Die liturgische Meßfeier des zweiten San ntags nach Ostern.

1. Seitdem in der Messe des Karsamstags das Alleluj a erklungen, stehen wir in der "österlichen Zeit" (tempus paschale). Sie ist die Zeit der heiligen Freude Über die in der Auferstehung, Himmelfahrt und Sendung des Heiligen Geistes vollendete Erlösung. In ihr fühlen wir uns als Mitauferstandene, als Erlöste, frei von Sünde und knechtender Erdgebundenheit. "Wenn ihr mit Christus auferstanden seid, so suchet, was droben ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt; den Himmel habt im Sinne, nicht die Erde" (Kol. 3, I).

2. Der zweite Sonntag nach Ostern versammelte ehemals die Christen Roms in St. Peter. Es ist der Sonntag vom guten Hirten, der nach Seiner Auftrstehung, bevor Er in den Himmel auffuhr, Petrus zum sichtbaren Hirten über seine Schafe und Lämmer bestellt hat. Im Geiste finden auch wir uns in St. Peter ein und wissen uns da am heutigen Sonntag doppelt in der Hut des guten Hirten. Ihm, dem guten Hirten, Christus, singen wir im Introitus dankbaren Herzens, eingedenk dessen, was Er in Seinem Sterben, in Seiner Auferstehung und in der Mitteilung des neuen Lebens durch die heilige Taufe an uns getan: "Die Erde ist voll des Erbarmens des Herrn. Frohlocket, ihr Gerechten (Getaufte, Mitauferstandene) in dem Herrn. " Was Christus uns geworden, lehrt uns der Apostelfürst, in dessen Kirche wir versammelt sind. "Geliebteste, Christus hat für uns gelitten und hat euch ein Vorbild hinterlassen. Er trug unsere Sünden an Seinem Leib auf das Kreuzesholz hinauf, damit wir der Sünde absterben und der Gerechtigkeit leben." Dies ist der christliche Ostergedanke. Petrus verbindet ihn mit

Zweiter Sonntag nach Ostern. 345

dem Gedanken an Christus, den Hirten: "Durch Seine Wunden wurdet ihr geheilt. Ihr waret wie verirrte Schafe, jetzt aber, als Getaufte, seid ihr heimgekehrt zum Hirten und Hüter eurer Seelen" (Epistel). Als den guten Hirten führt sich Christus selber im Evangelium ein: "Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte gibt Sein Leben fÜr Seine Schafe. Ich bin der gute Hirte und kenne Meine' Schafe, und Meine Schafe kennen Mich. Ich gebe Mein Leben für Meine Schafe." Wir bestätigen voll Dankbarkeit dieses Selbstzeugnis Christi, indem wir dessen gedenken, was wir in den Tagen der heiligen Karwoche erlebt. Freudig bestätigen wir Christi Frohbotschaft mit einem felsenfesten Credo - Ich glaube. "Er ist unsertwegen und um unseres Heiles willen vom Himmel herabgestiegen" - der gute, treubesorgte Hirte und Hüter unserer Seelen. ihm rufen wir mit dem Offertorium zu: "Ich sehne mich nach Dir", mich Dir anzuschließen. "Erheben will ich (opfernd) meine Hand zu Deines Namens Lob." So treten wir im Geist unsern Opfergang an und tragen unsere Gabe, unsern Willen, Christo, dem guten Hirten, zu folgen und in Seine Fußstapfen zu treten, zum Altar, "zu Deines Namens Lob".

3. In der heiligen Wandlung wird der gute Hirt mit Seiner hingebenden, sich opfernden Liebe auf dem Altare persönlich und wesenhaft gegenwärtig. Da gibt Er in geheimnisvoller Erneuerung des Kreuzesopfers Sein Leben hin für Seine Schafe und wendet ihnen die Verdienste und Früchte Seines Todes zu. "Ich gebe Mein Leben hin für Meine Schafe." Hier, im Opfer der heiligen Messe, bewahrheitet sich Sein Wort: "Ich kenne Meine Schafe." Es ist ein Kennen voll wirksamer Gnaden und lebenspendender Liebe: fließen uns doch aus diesem hochheiligen Opfer alle Erbarmungen, alle Gnaden und übernatürlichen Lebenskräfte zu. "Und Meine Schafe kennen Mich." Im heiligen Meßopfer

346 IV. Die österliche Zeit: Dritte Woche nach Ostern. entsagen wir allen Götzen und Verkehrtheiten und schließen uns in innigster Opfergemeinschaft Christus an, um mit Ihm eine Opfergabe zu sein und ganz in Seine Gesinnung und in Seinen Geist .umgewandelt zu werden. Mit Ihm eins geworden, leben wir Sein Leben und gehen wir den Weg, den Er uns vorangegangen. So werden wir auf gute \i\'eide geführt: im Opfermahl der heiligen Kommunion. Da ist Er der gute Hirt, der uns mit Seinem eigenen verklärten Wesen nährt und sich uns zu eigen gibt. "Ich bin der gute Hirte und kenne Meine Schafe, und die Meinen kennen Mich" (Communio). Könnte Er den Seinen näher kommen, inniger, liebender sich ihnen hingeben?

Zweiter Sonntag nach Ostern.

Jesus der gute Hirt.

1. Ostern, der Sieg des Herrn Über die Sünde und Hölle, der Tag der Auferstehung zum neuen Leben (Taufe, BuJ3e, Eucharistie), findet heute eine neue Beleuchtung: Der Auferstandene ist der gute Hirt, der für Seine Schäflein Sein Leben gibt. DankerfÜllten Herzens bekennt die Kirche Jesus als den guten Hirten. "Voll der Barmherzigkeit des Herrn ist die Erde (die Kirche, unsere Seele). Durch das Wort des Herrn ("Ich taufe dich; Ich spreche dich los von deinen Sünden; das ist Mein Leib, Mein Blut") sind die Himmel (die Erlösten) .geschaffen worden. "Jubelt, ihr Gerechten (Erlösten, Kirche), im Herrn" (Introitus).

2. Je s u s ist der gut e H i r t. "Der gute Hirt gibt sein Leben für seine Schafe. Der Mietling aber, der nicht Hirte ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen, verläßt die Schafe und flieht. Und der Wolf raubt und zerstreut die Schafe. Ich bin der gute Hirt und kenne die Meinen, und die Meinen kennen Mich, wie Mich der Vater kennt und Ich den Vater kenne. Und Ich

Sonntag: Jesus der gute Hirt. 347

gebe Mein Leben fÜr Meine Schafe" (Evangelium). Das Kennzeichen des wahren, des guten Hirten ist die selbstlose Sorge um die dem Hirten anvertraute Herde, eine Sorge, die fÜr die Schäflein sogar das eigene Leben einsetzt. Anders als der um Geld gedungene Hirte, der Mietling, dem die Schäflein nicht zu eigen gehören. Wenn er den Feind, den Wolf, kommen sieht, setzt er sich nicht zur Wehr. Er wagt sein Leben nicht . .Er bringt zuerst sich selber in Sicherheit. Ihm fehlt fÜr die Herde die persönliche Anteilnahme, das Herz. Und ein zweites Kennzeichen des guten Hirten: er kennt jedes der ihm anvertrauten Schäflein persönlich. FÜr ihn ist das einzelne Schäflein nicht eines unter vielen, eine Nummer, wie wohl für den Mietling. Zwischen dem einielnen Schäflein und dem guten Hirten Jesus besteht ein so inniges, persönliches Sichkennen, Sichverstehen und Vertrauen, daß sich darin jene persönliche Gemeinschaft widerspiegelt, die im Schoß der heiligsten Dreifaltigkeit zwischen Vater und Sohn besteht: die Gemeinschaft des göttlichen Sich-gegenseitig-Kennens und Verstehens, SichLiebens, Vertrauens und Hingebens. GlÜcklich wir, die Getauften, die Kinder der Kirche, die wir Jesu anvertraut sind, dem guten Hirten! Er gibt Sein Leben für Seine Schafe. Er weiß um jedes einzelne Seiner Schafe und sorgt sich um jedes in Liebe und innigster persönlicher Teilnahme so sehr, als hätte Er sich nur um dieses einzelne und einzige zu kümmern. Hätten wir doch den ganzen tiefen Glauben an J esus, den guten Hirten!

"D erg u t t; H i r t gib t sei n Leb e n fÜr sei n e Sc h a f e." Denn "ihm ist an den Schafen gelegen". In der Tat, Jesus ist an uns, Seinen Schäflein, alles gelegen. So viel, daß Er um unsertwillen, persönlich um meinetwillen, vom Himmel herabsteigt, sich selbst entäußert, Knechtsgestalt annimmt und gehorsam wird bis zum Tode am Kreuze. Wie Er uns, wie Er mich sucht! Um mich zu

348 IV. Die österliche Zeit: Dritte Woche nach Ostern. suchen, kommt Er j eden Morgen in der heiligen vVandlung auf den Altar. Um mich zu suchen, kommt Er in der heiligen Kommunion in mein Herz. Um mich zu suchen, lebt Er, betet Er und wirkt Er ununterbrochen in der Stille des Tabernakels und redet Er in so vielen Einsprechungen und Erleuchtungen zu mir, klopft Er mit Seiner Gnade alt die Türe meines Hcrzens, tröstet, tadelt, ermutigt, erfreut, ermahnt Er mich, läßt Er mich fallen und richtet Er mich wieder auf, bewahrt Er mich vor mir selbst, vor meinen bösen Einfällen, N cigungen und Leidenschaften. "Ich bin der gute Hirt. Ich kenne (d. i. Ich liebe) die Meinen." Das ist unser Glaube. das unsere Sicherheit, das ist es, was uns hält: Er ist der gute Hirt meiner Seele. Er weiJ3 um mich. Es ist Ihm an mir gelegen. Er kennt mich: mein Gutes, mein Schlechtes. Sein Blick folgt mir allÜberall hin, auch in das Gestrüpp, auch in die schmcrzenden Dornen, in all meine Nöten, Beängstigungen, Finsternisse. Sein Herz schlägt fÜr mich und ist mir nahe, auch wenn ich in der kalten Welt frieren muß und vergeblich nach Liebe klage. "Ich bin der gute Hirt."

3· "Ich bin der gute Hirt." Er ist auferstanden, Er lebt, der gute Hirte, der mich liebend sucht. Wo in einem Menschen dieser Osterglaube lebendig ist, da ist er nicht mehr arm, nicht heimatlos, nicht vereinsamt. Da gibt es für ihn auch keinen toten Punkt mehr, weder in seinem Herzen, noch in seinem Schaffen. Lebten wir nur mit der heiligen Liturgie in Wahrheit diesen Osterglauben !

"Ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen Mich." Woran? An der im Opfer bewährten Liebe. N ur die opferfreudige Liebe schlägt die Brücke zwischen dem Hirten und der Herde. Nur die vom Egoismus gereinigte Liebe begründet die innere Lebensgemeinschaft, das gegenseitige Sichverstehen des Hirten und der Schafe. Keinem kann einer auf die Dauer vertrauen ,oder die Treue halten, wenn

Montag: Jesus der gute Hirt. 349

er nicht die Opfermale an den Händen und Füßen und die Wunde im weiten Herzen trägt! Das ist das Geheimnis des echten, wahren Hirtentums J esu, Seiner Kirche, Seines Priesters, des wahren, christlichen Erziehers. Wer anders Hirte, Vater, Mutter, Erzieher und Führer sein will, ist Mietling: er sucht sich selbst.

Ge b e t.

o Gott, Du hast durch die Erniedrigung Deines Sohnes die darniederliegende Welt aufgerichtet; so gib Deinen Gläubigen immerwährende Fre.ude und laß sie, die Du vor dem Sturz in den ewigen Tod errettet hast, die ewigen Wonnen genießen. Durch denselben Christus uns ern Herrn. Amen .

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Montag der dritten Woche nach Ostern J e s u s der gut e H i r t.

I. "Ihr wart wie verirrte Schafe. Jetzt aber seirl ihr bekehrt (d. i. heimgekehrt) zum Hirten und Bischof (Hüter) eurer Seelen" (Epistel). Eine entzückende Osterbotschaft !

2. "J e t z tab e r sei d ihr he im g e k ehr t zum H i r t e neu r e r See I e n." Durch die heilige Tauie (Buße) habt ihr in der heiligen Kirche zum Hirten heimgefunden. Ihr wart in der Irre, ohne FÜhrung, ohne richtige Weide, dem Verderben preisgegeben. Ostern, der Empfang des heiligen Sakramentes der Taufe bzw. der Buße, hat euch dem guten Hirten zurückgegeben. Er nimmt sich eurer an. Er leitet u'nd führt euch mit göttlicher Weisheit, Liebe, Sicherheit, GÜte und Kraft. Glücklich ihr, die ihr an Ostern zum Hirten eurer Seelen zurÜckgefunden habt. Glücklich, die ihr euch Seiner Leitung und FÜhrung unterstellt. Wer Seiner FÜhrung folgt, kann niemals irren oder verloren gehen. Er und Er allein vermag in Seiner Allmacht und Macht uns gegen alle Feinde zu schÜtzen, mögen sie noch so stark

3.~0 IV. Die österliche Zeit: Dritte Woche nach Ostern. sein. Weder Hölle noch Welt noch Fleisch können uns etwas anhaben, solange wir uns unter Seine Leitung stellen. Jede andere FÜhrung ist unsicher und trÜgerisch. Und alle Mittel, die wir entgegen dieser Führung ergreifen wollen, werden uns zum Verderben. Nur dann wandeln wir vollkommen sicher, wenn wir uns J esus Übergeben und Überlassen. "Jetzt seid ihr heimgekehrt zum Hirten eurer Seelen." Darin ist unser ganzes Glück und unsere ganze Sicherheit beschlossen. Wie verkehrt handeln wir also, wenn wir uns einer andern FÜhrung übergeben, unserer eigenen Einsicht, unsern persönlichen Wünschen und Neigungen, den Regungen der Leidenschaften. N ein. Wir übergeben uns mit ganzer Zuversicht und unerschÜtterlichem Vertrauen Jesus, zu dem wir heimgefunden haben.

J e s u s ist sei b erd e n Weg ge g a n gen,

den Er Seine Schafe führt. Diesen Weg . zeichnet die Epistel: "Geliebte! Christus hat für uns gelitten und euch ein Beispiel hinterlassen, damit auch ihr in Seine Fußstapfen tretet. Er hat keine Sünde begangen, und in Seinem Munde fand sich kein Trug. Er schmähte nicht, da 'Er geschmäht wurde, und drohte nicht (sich zu rächen), da Er litt, sondern überließ sich dem, der Ihn ungerecht verurteilte (Pilatus, die Juden). Er trug unsere Sünden an Seinem Leibe auf das Kreuzesholz hin~uf, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch Seine Wunden seid ihr geheilt." Der Weg der sich opfernden Nächstenliebe, des Leidens, der Geduld und vollkommenen überlassung an den Willen und die Anordnungen des Vaters im Himmel. Auf diesem Weg ist Jesus zur Herrlichkeit der Auferstehung und der himmlischen Verklärung gelangt. Dieser Weg ist der vVeg des Heils. Einen andern gibt es nicht und kann es in der gegenwärtigen Heilsordnung nicht geben. Das ist es, was der Herr im Evangelium uns heute sagt: "Die M einen kennen Mich." Sie kennen Mich,

Montag: Jesus der gute Hirt. 351

nicht etwa bloß im Gebet, in liturgischen Feiern, in geistreichen Betrachtungen und Erwägungen, im hohen Flug der Gedanken und augenblicklichen Stimmungen, in den glÜcklichen Stunden der innern Tröstungen und fHhlbaren Gnaden, sondern im praktischen Leben mit seinen harten Kanten und mit seinen Dornen und Disteln. Sie treten in die Fußstapfen des mit dem Kreuze beladenen, ungerecht verurteilten, gedemütigten Herrn, der "nicht ,chmähte, da Er geschmäht wurde, und nicht drohte, da Er litt, sondern es dem Überließ, der gerecht urteilt (Gott)." So der Urtext. "Die Meinen kennen Mich." Das sind die echten Schäflein des guten Hirten .

• 3· "Ihr seid heimgekehrt zum Hirten eurer Seelen:' Jesus will uns und muß uns Hirt und FÜhrer sein. Wollen wir mit unserem Christsein Ernst machen, dann haben wir uns unter die Leitung Jesu zu stellen. Alle eigene Einsicht trügt, alle Pläne mißlingen, jeder wahre Fortschritt im innerlichen Leben ist ausgeschlossen, wo wir uns nicht J esus anschließen. Er führt uns durch Sein 'Wort und Gebot, so wie wir es im Evangelium lesen. Er fÜhrt uns durch Sein Beispiel, das Er uns in Seinem sterblichen Leben gegeben hat und das Er uns in der Verborgenheit des Tabernakels und in dem tlpfer der heiligen Messe unaufhörlich vorlebt. Er führt uns durch Seine Kirche, durch ihr Lehr- und Hirtenamt, durch ihre Gesetze und Gebote, durch ihr Priestertum. Er fÜhrt uns, die wir nach der Vollkommenheit des christlichen Lebens streben, insbesondere durch den SeelenfÜhrer, dem Er uns in die Hände gibt. Je mehr wir uns dem Seelenführer blind anvertrauen, eröffnen und hingeben, um so mehr und wirksamer erfahren wir an uns das: "Ich bin der gute Hirt." "Wer euch hört, hört Mich, und wer euch verachtet, verachtet Mich" (Luk. 10, 16).

"Damit ihr in Seine Fußstapfen tretet." "Ich bin

352 IV. Die österliche Zeit: Dritte Woche nach Ostern. der Weg." Warum halten wir uns so sehr darüber auf, daß auch unser Weg und der Weg unserer Kirche der Weg der Entsagung, des Kreuzes, der Verdemütigung, des Nichtsseins vor der Welt ist? \Veil wir es noch immer nicht lIerstanden haben, daß es unser Anteil ist, "in Seine Fußstapfen zu treten", Seinen "Kelch mitzutrinken" (Matth. 20, 22).

"Ich bin der gute Hirt." Wäre unser Glaube an Jesus, den guten Hirten, den Leiter und HÜter unserer Seelen, doch lebendig! Das müßte in Wahrheit die Atmosphäre sein, in der wir uns bewegten und lebten: das freudige Bewußtsein, daß Er uns fÜhrt, daß Er um uns weiß, daß Er liebend sich um uns kÜmmert, und dies j eden Augenblick! Wie viel ruhiger, unbesorgter, vertrauender, geborgener und sicherer 'wÜrden wir unsern Weg gehen, glücklich, uns von der Weisheit, Liebe und Macht des guten Hirten geleitet und dem Ziel des ewigen Lebens entgegengeführt zu wissen! Ruhig und vertrauend auch mitten in der Finsternis! "Gib Deinen Gläubigen immerwährende Freude" (Oratio). Sie erblÜht aus dem Glauben an Jesus, den guten Hirten. Wir schauen so viel au'f uns selbst, auf unsere Werke, auf unser Elend. Daher der Pessimismus, die Schwerfälligkeit. Herr, mehre unsern Glauben an Dich, den guten Hirten unserer Seelen!

Ge be t.

o Gott, Du hast durch die Erniedrigung Deines Sohnes die darniederliegende Welt aufgerichtet. So gib Deinen Gläubigen immerwährende Freude und laß sie, die Du vor dem Sturze in den ewigen Tod errettet hast, die ewigen Wonnen genießen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Dienstag der dritten Woche nach Ostern Jesus der gute Hirt.

1. "Ich bin der gute Hirt, alleluja." Mit diesen Worten des Herrn beleuchtet und begleitet die Li-

Dienstag: Jesus der gute Hirt. 353

turgie des zweiten Sonntags nach Ostern die Austeilung der heiligen Kommunion an die Gläubigen. "Ich bin der gute Hirt, alleluja. Ich kenne Meine Schafe, und die Meinen kennen Mich. Alleluja, alleluj a." Er kennt und liebt uns, wir kennen und lieben Ihn im Geheimnis der heiligen Eucharistie, in Opfer und Sakrament (Kommunion).

2. Im 0 p fe r der he i I i gen M e s s e. Etwas GröBeres und Wunderbareres konnte Er uns nicht schenken als die weiBe, lichte Hostie. In ihr hat Er uns sich selbst geschenkt, die unschätzbare, über alle irdischen Güter und Werte unendlich erhabene Opfergabe, die alles in sich schließt, woran der unendliche, heilige Gott sich freuen kann und womit ",ir Ihm einen vollkommenen, würdigen Dank abstatten können fÜr alles, was Er an uns getan und unaufhörlich tut! Hätten wir das hochheilige Opfer nicht, wie sollten wir dann Gott würdig, so wie Er es verdient, ehren, verherrlichen, Ihm danken, Ihm für unsere Sünden Genugtuung leisten? Wie Verzeihung erlangen und Gnade, Kraft und Licht erhalten? Wie je das Ziel des ewigen Lebens erlangen? "Ich bin der gute Hirte." Er schenkt uns die heilige Eucharistie, das Opfer der heiligen Messe. Wieviel hat Er es sich kosten lassen, uns die heilige Eucharistie, das Opfer zu geben. Erst mUß der Sohn Gottes sich selbst entäußern, vom Himmel herabsteigen und das Kleid unserer N iedrigkeit annehmen. N ach dreißig Jahren der stillen Vorbereitung macht Er sich auf den Weg, uns, den verirrten Schäflein, nach, um uns zu suchen, zu gewinnen, zu retten: in Fasten, Beten, Opfern, Entbehrungen, VerdemÜtigungen, Leiden, MÜhen und Anstrengungen aller Art, in der Hingabe Seines Blutes und Lebens. "Er hat mich geliebt und hat sich für mich hingegeben" (Gal. 2, 20). So viel tut Er, um uns die heilige Eucharistie, das Opfer der heiligen Messe, zu geben. "Da Er die Seinen liebte, so gab Er ihnen den höchsten Beweis Seiner Liebe" Baur, Werde Licht I II. 23

354 IV. Die österliche Zeit: Dritte Woche nach Ostern. (Joh. 13, I) in der Einsetzung der heiligen Eucharistie. "Das ist Mein Leib. Das ist Mein Blut. Tut dies zu Meinem Andenken." Das Opfer der heiligen Messe faßt das ganze Leben und Leiden des He.rrn, die ganze Glut und FÜlle Seines Herzens, Seine Hingabe an den Vater, Seine Liebe zu uns, Seine Verdienste und heiligen Gebete und Werke zusammen und macht es auf dem Altar gegenwärtig, ja zu unserem Eigentum, damit wir es als unsere Gabe dem Vater aufopfern; ein Opfer der Anbetung, des Dankes, der Bitte, der SÜhne. "Ich bin der gute Hirt. Ich gebe Mein Leben für Meine Schafe. Ich kenne Meine Schafe" und opfere Mich für sie mit der gleichen Liebe, mit dem gleichen Verlangen, sie zu retten und zu heiligen, wie Ich es am Kreuze hatte. "Ich bin der gute Hirte."

Im 0 p f e r m a h I der heil i gen Kom m uni 0 n. "AlIeluj a, alleluj a. Die JÜnger erkannten den Herrn Jesus am Brotbrechen." Die Liturgie hat in diesem ersten Allelujavers die zwei EmmausjÜnger vor Augen. Am Abend des Ostertages gehen sie von J erusalem nach Emmaus. Sie unterhalten sich über die Ereignisse der letzten Tage. Da naht sich ihnen Jesus. Er schließt sich ihnen an. Sie erkennen Ihn nicht. Auch da nicht, wo Er ihnen die Schriften des Alten Testamentes deutet. Erst da, wo Er mit ihnen zu Tische sitzt und das Brot nimmt, es segnet, bricht und ihnen zu essen gibt, erkennen sie Ihn. Die Jünger sind wir. Wir erkennen Ihn am Brotbrechen, im Empfang der heiligen Kommunion. Da "liebt Er die Seinen bis ans Ende", bis zum Äußersten. Er wird die Nahrung unserer Seele. Vollkommener kann Er uns hier auf Erden Seine Hirtenliebe und Hirtensorge nicht mehr erweisen. "Ich kenne die Meinen" (Communio). "Und die Meinen kennen Mich." Sie wissen um die Gnade der heiligen Kommunion. Sie schätzen sie. Jeden Tag empfangen sie das heilige Sakrament, und jeden Tag mit reinerem,

Dienstag: Jesus der gute Hirt. 355

glühenderem Herzen. Im Genuß der heiligen Kommunion entzünden sie jeden Morgen die Flamme der Liebe zu Christus. Er wird ihnen alles. Ihn kennen und lieben sie wie in Seiner Person, in Seinem Sakrament, in Seinen Lehren und Geboten, so auch in Seinen Gliedern. Ihn kennen und lieben sie in den Freuden des Tages, in allen Pflichten, MÜhen und Leiden.

3. "Ich kenne Meine Schafe." Ja, Herr, Du kennst die Deinigen. Nicht bloß mit einem kalten Wissen um mich, nein, Du kennst sie mit einem Herzen voll Verstehen und Teilnahme, voll Interesse, Liebe und Hingabe, und mit einer Tat unaussprechlicher Herablassung und Güte: in der heiligen Eucharistie.

"Und die Meinen kennen Mich." Herr, daß ich Dich wahrhaft kännte, den guten Hirten, im Opfer der heiligen Messe, im Opfermahl der heiligen Kommunion, in der Stille des Tabernakels! Daß ich Dich mehr, besser kännte! Daß ich Dich vollkommen kännte! Daß ich in allem, was der Tag bringt und auferlegt, mit klarem Auge Deine Hirtensorge und Hirtenliebe erkännte! Daß ich sie als die große Wirklichkeit erfaHte, in der ich drinstehe und mich bewege! "Die Meinen kennen Mich", lieben Mich, sind aufmerksam auf Mich, schauen auf Mich,

'schließen sich an Mich an, glauben an Mich, opfern, verzehren sich für Mich!

,,0 Gott, mein Gott, zu Dir erwache ich mit dem Morgenlicht. In Deinem Namen erhebe ich meine Hände, alleluja" (Offertorium). Wie in den ergreifenden Darstellungen der Katakomben die Schäflein, klein und groß, Dir, dem guten Hirten, zugewandt sind, so schau' auch ich, vom frÜhen Morgen an, gleich zu Dir empor. Dir bringe ich das Opfer meines Gebetes, meiner Huldigung, meiner Arbeit, meiner Leiden. Dir öffnen sich alle Regungen und Empfindungen meiner Seele, Dir, dem guten Hirten.

23· .

356 IV. Die österliche Zeit: Dritte Woche nach Ostern.

Gebet.

"Mein Hirte ist der Herr, nichts mangelt mir:

Er weidet mich auf grÜner Au. Er führt mich hin zum Born der Labe, erquicket meine Seele. Er 'leitet mich auf rechtem Pfad, um Seines Namens willen. Auch wenn ich wandeln muß in Todesschatten, kein Unglück fÜrcht' ich, denn Du bist bei mir. Dein Stecken und Dein (Hirten- )Stab, die trösten mich. Du hast den Tisch vor mir bereitet (Eucharistie; Tischgemeinschaft), den Feinden zur Beschämung. Du salbst mein Haupt mit öl (= gibst mir Freude). Und wie berauschend ist mein Kelch (Anteil), wie tröstlich! Es möge mich Deine Huld geleiten durch alle Tage meines Lebens. Im Hause J ahwes darf ich weilen die FÜlle meiner Tage" (Ps. 22).

Mittwoch der dritten Woche nach Ostern Hochfest des hl. ]oseph, Patrons der Kirche.

Der h 1. J 0 s e p h.

1. Am 19. März feierten wir St. J osephs Heiligkeit und Tugend. Heute steht er in seinem Amte als Schutzherr der heiligen Kirche vor uns: ein Tag des Dankes an den mächtigen Beschützer der heiligen Kirche, ein Tag der Erneuerung und Vertiefung unseres Glaubens an J oseph als den Beschützer der Kirche; ein Tag des neuen Vertrauens auf seine Hilfe und seinen Schutz; ein Tag der Bitte um seine weitere Hilfe und um seinen weiteren Schutz in den grofien Bedrängnissen der Gegenwart. "Gehet zu Joseph!"

2. Joseph ist der Beschützer und Führ erd e r h eil i gen F ami I i e. Er ist von Ewigkeit ausersehen und bestimmt, der BeschÜtzer und Hüter der kostbarsten Schätze zu sein, die Gott der Herr hier auf Erden hat, Jesu und Mariä. Dem hl. J oseph hat Gott Sein Alles anvertraut und in die Hand gegeben. Joseph erfüllt sein Amt mit vollkommener Treue. In rührender Hingabe und Sorge

Mittwoch: Der hl. Joseph.

357

nimmt er sich um Maria an, hütet und deckt vor der Welt das Geheimnis ihrer wunderbaren Gottesempfängnis. Als der Jungfrau rechtmäßiger Gemahl und Herr geleitet er Maria nach Bethlehem und betet hier als erster nach Maria das göttliche Kind an. Jesus, das Kind Mariens, seiner Gemahlin, ist auch sein Kind und Besitztum. Gottes Sohn! Joseph steht vor unbegreiflichen Geheimnissen. Er glaubt. Er will wie Maria, der Mutter, w nun auch dem Kinde leben und dienen, Ihm Beschützer, Ernährer und Vater sein. Ihm hat Gott die Rechte und Pflichten eines Vaters über Jesus übertragen. Treu seinem Amte und seiner Berufung, flüchtet und rettet er Maria und das Kind nach Ägypten. In den Jahren der harten Verbannung sorgt er für die ihm anvertraute Familie. Er kehrt nach Galiläa zurÜck und lebt in der Stille von N azareth seinem Berufe als Ernährer, FÜhrer und Beschützer Jesu und Mariä.

Joseph ist der Beschützer und Patron der h eil i gen Kir c h e. In den ungewöhnlich großen Bedrängnissen der Kirche ernannte Pius IX. im Jahre 1870 den hl. Joseph zum BeschÜtzer der heiligen Kirche: die Familie von N azareth ist zur großen Gottesfamilie der Gesamtkirche herangewachsen. Was Joseph einst an Jesus und Mafia getan, das tut er nunmehr mit der gleichen Liebe, Treue und Macht an der heiligen Kirche und an den Kindern der Kirche, an uns. Das ist der Gedanke der heutigen Liturgie. Freudig und dankbar bekennen wir mit dem Introitus der heiligen Messe:

"Der Herr, der hl. J oseph, ist unser Helfer und Beschützer. In ihm frohlockt unser Herz, und wir \'ertrauen fest auf seinen heiligen Namen, alleluj a, alleluj a." Dann bitten wir den hl. J oseph : "Hab acht (auf uns), du Hirte Israels, der heiligen Kirche, der du gleich einem Schäflein J oseph, die Kirche, uns alle, weidest." Joseph aber versichert uns: "In jeder Not, in der sie zu mir rufen, will ich sie erhören: immer will ich ihr Schutzµerr sein." 1)IF!

358 IV. Die österliche Zeit: Dritte Woche nach Ostern. wir flehen mit der heiligen Kirche und in ihrem Namen: "Joseph, laß uns schuldlos durch das Leben gehen: immer sei es sicher unter deinem Schutz" (Allelujavers).

3. Groß ist das Vertrauen, das die heilige Kirche in St. Joseph setzt. "Sollte auch ein Kriegsheer ~ich wider mich lagern, mein Herz bangt nicht. Und sollte eine Schlacht gegen mich entbrennen, ich bleibe getrost. Dir lobsinge ich allezeit, denn du bist mein starker Helfer" (Responsorium zur Mette).

-Sie läßt den hl. J oseph sprechen: "Gott h;li mich gleichsam zum Vater des Königs Christus gemacht und zum Herrn über all Sein Besitztum. Er hat mich groß gemacht, um durch mich die Vielheit der Völker zu retten. Kommet alle zu mir, ich gebe euch alle Güter Ägyptens, auf daß ihr euch satt esset" (ebd.).

"Es rief das Volk zum König um Nahrung.

Dieser antwortete ihnen: Gehet zu Joseph." Wir werden an den hl. Joseph gewiesen. Wir rufen ihm zu: "Unser Heil ist in deiner Hand. Schau du nur auf uns, und freudig dienen wir dem König Christus" (Responsorium zur Mette). Wir verstehen die Mahnung der heiligen Kirche: "Gehet zu Joseph." Wir wissen, der hl. Joseph nimmt sich um uns mit der gleichen Treue und Liebe an, mit der er sich um Maria und um Jesus gesorgt hat. Das ist der Grund unseres unbegrenzten Vertrauens auf ihn. Er versichert uns: "J n jeder N 0t, in der sie zu mir rufen, will ich sie erhören." Er hört ja aus unserem Gebet und Rufen die Stimme des in uns wirkenden, betenden Heilandes heraus. Muß er also nicht unser achten? Kann er uns unerhört lassen? Hätten wir nur das Vertrauen der heiligen Liturgie und den gebÜhrenden Eifer, St. Joseph zu ehren und zu ihm unsere Zuflucht zu nehmen in den Dingen des äußern Lebens, vor allem in dem Mühen um Tugend, Heiligkeit, Innerlichkeit!

Donnerstag: Der hl. Joseph. 359

Ge be t.

Gott, Du hast in Deiner unaussprechlichen Vorsehung den hl. Joseph zum Bräutigam Deiner heiligsten Mutter erwählen wollen. Wir bitten Dich, laß uns an ihm, den wir auf Erden als BeschÜtzer verehren, einen FÜrsprecher im Himmel finden. Der Du lebst und herrschest in alle Ewigkeit. Amen.

Donnerstag der dritten Woche nach Ostern Der h 1. J 0 s e p h.

1. Die heilige Kirche verweilt eine ganze Oktav hindurch bei der Festfeier des hl. J oseph, des BeschÜtzers der Gottesfamilie der Gläubigen. Sie steht bewundernd vor der SegensfÜlle, die Gott über den hl. Joseph ausgegossen hat.

2. Die S e gen s füll e übe r den J 0 s e p h des Alt e n Te s t a m e n t e s kündet uns die Epistel. Sie führt uns an das Sterbelager des greisen. Patriarchen J a-kob. Seine zwölf Söhne sind um ihn \·ersammelt. Mit prophetischem Blick schaut Jakob die Zukunft und die Schicksale seiner Söhne und ihrer Nachkommen. Er übergibt ihnen sein Vermächtnis, d. i. den von Gott dem Abraham verheißenen Segen. Den Joseph segnet er mit den Wor.ten der heutigen Epistel: "Ein wachsender Sproß

(Joseph = wachsend, zunehmend) ist Joseph. Seine Zweige (Nachkommen) breiten sich über die Mauer aus (re1che Nachkommenschaft). Aber es haderten mit ihm die PfeilschÜtzen (Übelwollenden, Josephs Brüder). Doch sein Bogen hält ungebrochen stand (Joseph siegt, triumphiert Über sie). Es lösten sich die Fesseln seiner Arme und Hände durch die Macht des Starken Jakobs (durch ein wunderbares Eingreifen Gottes). Von dort ging (Joseph, aus der Skla verei und dem Kerker befreit, als) der Hirte, der Fels (Retter) Israels hervor. Der Gott deines Vaters (Jakob) wird dein Helfer sein, und der All-

360 IV. Die österliche Zeit: Dritte Woche nach Ostern. mächtige wird dich segnen mit der Segensfülle des Himmels von oben (Tau), mit der Segensfülle der Tiefe VOll unten (Quellen), mit der Segensfülle der Mutterbrust und des Mutterschoßes (K achkomrpenschaft). Der Segen deines Vaters wird übertreffen den Segen seiner Väter (Abraham und Isaak), bis da kommt die Sehnsucht der ewigen Hügel (der Messias, Christus). Er (dieser Segen) komme über Josephs Haupt, auf den Scheitel des Auserwählten unter seinen Brüdern." Ein treffendes Bild der Segensfülle, die Gott über den J oseph des N euen Testamentes ergossen hat!

Die Segensfülle über den Joseph des Neu e n Te s t a m e n t e s. "Der Segen deines Vaters wird übertreffen den Segen seiner Väter, bis da kommt die Sehnsucht der ewigen HügeL" Was Jakob sterbend geschaut, erfüllt sich wunderbar im hl. J oseph. Der Messias selbst, Gottes Sohn in der Natur und Gestalt des Menschen, ist der Segen, mit dem Gott J oseph gesegnet hat. J esus ist die Fülle des göttlichen Segens, der Inbegriff alles Heils, aller Güter, aller Werte Himmels und der Erde. Er ist der Segen, der alles, was die Väter und Heiligen des Alten Bundes von Gott erhalten hatten, unendlich übertrifft. Mit diesem Segen ist der hl.] oseph gesegnet, der "Auserwählte vor seinen Brüdern", vor allen Menschen. Vor allen andern ist er zum Mann, zum Gemahl M ariens, der Mutter ] esu, ausersehen. Weil er der Mann M ariens ist, deshalb ist Mariens Kind, Jesus, Gottes Sohn, wie Maria selbst, Besitz und Eigentum Josephs, des Mannes, ihm als dem "Vater" und Beschützer anvertraut und übergeben. Staunend betrachtet die heilige Liturgie die Segensfülle, mit der Gott den hl. Joseph vor allen Menschen, Maria ausgenommen, ausgezeichnet hat. Sie ist glücklich, mit Jesus und Maria der Hut dieses Gesegneten anvertraut zu sein. Ihm hat der Herr die Macht und den Sieg über alle Herodes, über aUe Feinde der heiligen Gottesfamilie

Donnerstag: Der hl. ]oseph. 36 I

der Kirche übergeben. So glaubt, so vertraut die Kirche. Wir. mit ihr.

3. Der hl. Joseph ist der Liturgie der von Gott in ganz besonderer Weise und nach Maria vor allen andern Gesegnete. Ein von Gott geschenkter Segensborn, eine Art Sakrament, an das wir gewiesen ~ind. Zur Zeit der Hungersnot in Ägypten "ruft das Volk zum König (Pharao) um Brot. Er antwortet ihnen: Gehet zu J oseph!" So ist es heilige Ordnung Gottes: "Gehet zu J oseph!" Durch den hl. Joseph sollen wir die Gnaden und das Heil Gottes, den Schutz gegen die innern und äußern Feinde des Heils, gegen die Verfolger und Unterdrücker unserer heiligen Kirche haben. So ehrt der Herr denj enigen, dem Er über sich die Rechte des Vaters eingeräumt hat.

Weil "Vater" (Luk. 2, 48) J esu, hat J oseph heute im Himmel eine besondere Macht und Autorität über Jesus. Nach Maria vermag er beim Herrn mehr als irgend ein anderer Heiliger. Ob wir da:;; nicht allzu sehr vergessen haben? Ob wir nicht gut täten, uns ganz an den Glauben und Geist der heiligen Liturgie zu halten und mit ihr zu Joseph zu kommen? "Unser Heil ist in deine Hand gegeben. Schaue du uns nur an, und dann werden wir freudig dem Herrn, Christus, dienen" (Responsorium zur 'ersten Lesung der Mette).

"Jerusalem (Kirche, christliche Seele), lobe den Herrn." Er hat dir St. Joseph zum Beschützer gegeben und "machte so stark die Riegel deiner Tore. Er hat (durch die Fürbitte des hl. J oseph) in dir gesegnet deine Söhne, alleluja, aUeluja" (Offertorium).

Ge be t.

"SoUte ein Kriegsheer lagern wider mich, mein Herz bangt nicht; und sollte die Schlacht entbrennen gegen mich, ich bleib' getrost: dir, dem hl. Joseph, singe ich allezeit: denn du bist ein starker Belier" (Responsorium der Mette).

362 IV. Die österliche Zeit: Dritte Woche nach Ostern.

Wir bitten Dich, 0 Herr, wie Du uns jetzt durch den Schutz des hl. Joseph erfreust, so mache uns um seiner Verdienste und Fürsprache willen der himmlischen Herrlichkeit teilhaftig. Durch Christus unse rn Herrn. Amen.

Freitag der dritten Woche nach Ostern Der hl. Joseph.

I. Das Festevangelium schließt den Bericht über die. Taufe J esu im Jordan mit den Worten ab:

"Jesus war, als Er aufzutreten begann, ungefähr dreißig Jahre alt und wurde für den Sohn J osephs gehalten" (Luk. 3, 23).

2. J e s u s wir d für den So h n J 0 s e p h s geh alt e n. J oseph ist in einem wahren Sinn J esu . "Vater" und wird mit Fug und Recht also geheißen. Wohl ist Jesus vom Heiligen Geiste empfangen und hat keinen irdischen, menschlichen Vater, der Ihn gezeugt hätte. Gleichwohl ist der hl. J oseph der Vater J esu. Er vertritt ja auf Erden an Jesus die .Stelle des himmlischen Vaters, der Ihn in ewiger Geburt gezeugt. J oseph ist der Vater Jesu vor aUem dadurch, daß er "der Mann Mariens ist, von der geboren wurde J esus, der genannt wird Christus" (Matth. r, r6) (Communio). Kraft der ehelichen Gemeinschaft zwischen Maria und Joseph gehört das Kind, das Maria vom Heiligen Geiste empfängt und das sie im Stalle gebiert, dem rechtmäßigen Ehemann, dem hl. Joseph, zu eigen. Jesus ist durch Maria J osephs Sohn, seiner väterlichen Gewalt und Autorität unterstellt. Und Joseph weiß sich als Vater Jesu mit der Aufgabe betraut, väterlich für Ihn zu sorgen. Darum teilt er der Mutter Sorge um den in J erusalem zurückgebliebenen Sohn und kehrt mit ihr in die Stadt zurück, J esus zu suchen. "Kind, warum hast Du uns das getan? Siehe, Dein Vater und ich haben Dich mit Schmerzen gesucht." Dann zieht Er mit ihnen nach Nazareth

Freitag: Der hl. Joseph.

und "ward ihnen, Maria und Joseph, untertan" (Luk. 2, SI).

Je s u s ist dem h eil i gen J 0 s e p h u n t e 1'ta n (Luk. 2, 5 r). Wer kann das ausdenken? J esus, der Gottessohn, weiß sich dem hl. Joseph gegenüber als Kind, als Sohn. Er schuldet und leistet ihm Gehorsam, der Sohn Gottes dem rechtmäßigen Vater auf Erden, einem einfachen Menschen! Das ist es, was die heilige Liturgie heute unterstreicht: Joseph hat über den Sohn Gottes eine väterliche Gewalt. Auch heute im Himmel hört Jesus auf die Wünsche und Bitten des hl. J oseph: sie sind Ihm gleichsam Befehl. "Er ward ihnen untertan." J esus kann die Bitten des hl. Joseph nicht zurückweisen oder ignorieren. Glücklich also die heilige Kirche, und glücklich die Seele, die sich den großen, mächtigen hl. J oseph zum Patron, Fürbitter und Beschützer genommen. hat! "Gehet zu J oseph!"

Je s u s ist J 0 s e p h an ver t rau t. Gott hat dem hl. Joseph eine wahrhaft väterliche Liebe zu. J esus ins Herz gelegt, auf daß er als Vater sich um J esus sorge und bemühe, Ihm lebe und diene. Und Joseph tut es. Nicht bloß gegenüber Jesu Person, sondern zugleich auch gegenüber der Stiftung Jesu, der heiligen Kirche, den Gliedern Jesu. Die heilige Kirche ist ja nichts anderes als die sichtbare

. Erscheinung Jesu hier auf Erden, der Leib, die Braut Christi, Er selbst. Darum schlägt des hl. Joseph Vaterherz mit der gleichen Liebe, wie es für J esus schlägt, auch für die Kirche. Er ist ihr väterlich treuer, mächtiger Beschützer und Helfer. "Gehet zu ]oseph!"

3. Wir opfern heute die heilige Messe als Opfer des Dankes an den Vater auf, der der heiligen Kirche den hl. J oseph zum Beschützer und Fürbitter gegeben hat. Wir legen des Heiligen Verdienste und Bitten auf die Patene und tragen sie vor Gott. "Nimm auf, 0 Herr, diese kostbare, reine Gabe, die wir Dir weihen."

364 IV. Die österliche Zeit: Dritte Woche nach Ostern.

Gestützt auf den Beistand des hl. Joseph, flehen wir mit dem Stillgebet um die Gnade, "alles Irdische zu verschmähen und Gott in vollkommener Hingabe zu lieben". Das ist die große Bitte, die wir am F este des hl. J oseph haben: daß auch wir ein J oseph seien, ein "Zunehmender", wachsend in der heiligen Liebe zu Gott.

Das ist der Kirche Glaube und Trost: Gott hat dem hl. J oseph gegenüber J esus das Herz des Vaters gegeben. Vom Tage der Geburt Jesu an finden wir in Joseph die unermüdliche Treue und die unerschütterliche Festigkeit der Vaterliebe: Gott scheint Sein Wohlgefallen daran zu haben, diese Treue zu erproben: J oseph muß sein Haus in N azareth mit dem Stall in Bethlehem, sein Vaterland gegen die Verbannung in Ägypten, sein Handwerk gegen eine unsichere, fragliche Existenzmöglichkeit eintauschen. Immer ist er treu, immer gibt er sich dem Willen Gottes hin. Darf die Kirche, dürfen wir uns nicht ganz auf des hl. J oseph Treue verlassen?

Ge be t.

Gott, Du hast in Deiner unaussprechlichen Vorsehung den hl. Joseph zum Bräutigam Deiner heiligsten Mutter erwählen wollen. Wir bitten Dich, laß uns an ihm, den wir auf Erden als Beschützer verehren, einen Fürsprecher im Himmel finden. Der Du lebst und herrschest von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Samstag der dritten Woche nach Ostern H eil i g eVa t e r s c h a f t.

1. In den Lesungen der Mette während der Oktav des Schutzfestes des hl. Joseph legt uns die heilige Kirche einmal die Predigt zur Beherzigung vor, die der hl. Bernhardin von Siena auf den hl. Joseph gehalten h~t. Wir folgen den Gedanken des großen V ~rehrer~ des hl. J oseph.

Samstag: Heilige Vaterschaft. 365

2. )oseph und Maria. Maria und Joseph hatten unter göttlicher Eingebung eine wahre und wirkliche Ehe eingegangen. Die Ehe aber verbindet die Geister und Herzen so innig, daß zwischen den Ehegatten die denkbar vollkommenste Einheit besteht. Wie konnte also der Heilige Geist Joseph so innig der Jungfrau vereinigen, wenn Joseph ihr nicht an Tugend ganz ähnlich war? Deshalb mußte der hl. Joseph vollkommen "Jungfrau" sein, ganz rein, tief gegründet in der Demut, glÜhend in der Liebe zu Gott, ein Mann der höchsten Beschauung. Maria aber wußte, daß Joseph ihr vom Heiligen Geiste zum Gemahl gegeben war, zum treuen Hüter ihrer Jungfräulichkeit. Sie wußte, daß er von Gott bestimmt war, ihre Liebe und Fürsorge um das göttliche Kind zu teilen. Konnte es also anders sein, als daß Maria den hl. Joseph mit innigster, aufrichtigster Liebe liebte?

Joseph und Jesus. Joseph war von innigster Liebe zu Jesus erfüllt. Wenn er das Kind auf seinen Armen trug oder mit ihm redete, muß dann nicht Christus, als Kind ebenso wie in den späteren J ahren, ihm unaussprechlich erhabene Erleuchtungen und Wonnen ins Herz geträufelt haben? Dazu die Gnade, Jesus zu sehen, mit Ihm zu reden! Mit welcher Freude vernahm Joseph aus dem Munde des Kindes den süßen N amen Vater? Mit welchem Eifer bemühte er sich auf der Flucht nach Agypten, bei der Heimkehr nach N azareth, auf den Wallfahrten zum Tempel in Jerusalem, bei der anstrengenden Arbeit daheim in N azareth um J esus! Es war die zärtlichste Vaterliebe zu dem, der ihm in Maria, der Braut, vom Heiligen Geiste als Kind zugewiesen und übergeben worden war. Diese Vaterliebe des hl.Joseph zu Jesus deutet Maria an, wenn sie zu dem im Tempel Wiedergefundenen spricht:

"Kind, warum hast Du uns das getan? Siehe, Dein Vater und ich haben Dich mit Schmerzen gesucht" (Luk. 2, 48).

366 IV. Die österliche Zeit: Dritte Woche nach Ostern.

3· J oseph, der J esu und M aria enger verbunden ist also sonst irgend ein Heiliger des Himmels, sind wir von Gott anvertraut. Er erfüllt an der heiligen Kirche, an uns allen die gleiche Aufgabe, wie er sie an Jesus und Maria erfüllt hat. Und mit der gleichen, unveränderten Gesinnung der Liebe, mit der er ] esus und Maria liebte. "J erusalem (Kirche, christliche Seele), lobe den Herrn. Er macht (dadurch, daß Er dir St. ] oseph zum Beschützer gegeben) stark die Riegel deiner Tore. Er hat in dir gesegnet deine Söhne (sie St. Joseph anvertraut). Alleluja" (Offertorium).

Der Empfang der heiligen Kommunion ist der Liturgie das Unterpfand dafür, daß wir den Schutz des hl. joseph erfahren. "Von Jakob stammt J oseph, der Mann Marias, von der geboren wurde Jesus, der genannt wird Christus" (Communio). In der heiligen Kommunion bekommen wir denjenigen zu eigen, der als Kind Marias Besitztum und Eigentum des hl. Joseph geworden. Kraft der heiligen Kommunion werden wir täglich Christo dem Herrn inniger eingegliedert und einverleibt, eins mit Ihm, dem Haupte. Wird dann der hl. Joseph an uns, die wir mit dem ihm anvertrauten Jesus ein Christus sind, nicht,die Aufgabe erfüllen, die er Jesus gegenüber hatte und hat? Muß er nicht die ganze Liebe und Sorge, die er Jesu zuwandte, auch der Kirche und in der Kirche uns zuwenden? So versteht die heilige Liturgie das Geheimnis der heiligen Kommunion! Durch den guten Empfang der heiligen Kommunion wachsen wir mit jedem Tag tiefer in die Gemeinschaft der Kirche hinein und erhalten wir so stetsfort ein neues Anrecht auf die Fürbitte und den Schutz des mächtigen hl. Joseph.

Wir erneuern unsern Glauben an den Schutz des hl. J oseph und unser Vertrauen auf die Liebe, die er für J esus und uns, die Glieder Christi, hat. Wir bemühen uns, die heilige Kommunion täglich gut zu empfangen und so in die Gemeinschaft der Kirche

Samstag: Heilige Vaterschaft. 367

hineinzuwachsen und des Schutzes des hl. ]oseph teilhaft zu werden.

Ge be t.

Gott, Du hast in Deiner unaussprechlichen Vorsehung den hl. ]oseph zum Bräutigam Deiner heiligsten Mutter erwählen wollen. Wir bitten Dich: laß uns an ihm, den wir auf Erden als 'BeschÜtzer verehren, einen Fürsprecher im Himmel finden. Der Du lebst und herrschest von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Die liturgische Meßfeier des dritten Sonntags nach Ostern

1. Die Auferstehung drängt auf die endgültige Verklärung und Verherrlichung Christi, auf die Himmelfahrt hin. In der Himmelfahrt wird das Wort des Apostels wahr: "Er hat sich selbst erniedrigt und ist gehorsam geworden bis zum Tode am Kreuze. Deshalb hat Gott Ihn erhöht. Im Namen J e5U sollen sich aller Kniee beugen. Und aller Zungen sollen bekennen: J esus Christus ist der Herr" (Phil. 2, 8 ff.). Zugleich aber findet in der Himmelfahrt Christi das geheimnisvolle Wort seine Erfüllung, das Christus nach dem Abendmahle gesprochen: "Wenn Ich nicht hingehe, wird der Tröster nicht zu euch kommen: gehe Ich aber hin, so werde Ich Ihn euch senden" (J oh. 16,7). Christus muß uns Seine sichtbare, greifbare Gegenwart entzieh~n: dann erst kann Er uns den Geist 5enden und mittels Seines Geistes, des Heiligen Geistes, uns nahe sein, uns leiten und führen. "Der Geist ist es, der lebendig macht" (Joh. 6, 64). In der Kraft des Geistes, der infolge des Scheidens Christi gesandt wird, erhalten die Apostel und mit ihnen auch die in Christo durch die Taufe Gestorbenen und Auferstandenen den Mut und die Kraft, für Christus Zeugen zu sein, erfüllt von Christi Licht und Geist der \Velt gegenüberzutreten, sie zu überwinden, ohne Bangen den Leiden und Verfolgungen durch die Welt entgegenzugehen, in der Welt nicht von der Welt und nicht mit der Welt zu leben. Das ist die Frucht der Osterfeier : der 0 s t erg eis t, der Geist der Auferstehung durch die heilige Taufe, der unüberwindliche Glaube an die neuen Kräfte, die uns gegeben sind, das sieghafte Bewußtsein, daß wir stärker sind als Satan, Welt, Sünde und Fleisch,

Dritter Sonntag nach Ostern. 369

stärker als unsere gefallene Natur. Dieser Geist verbindet uns demjenigen, der als glorreicher Sieger zur Rechten des Vaters thront und in allen wirksam ist, die Er zu Seinem Reiche berufen hat. Er löst uns innerlich von der Erde und dem Irdischen los und trägt unsere Gedanken und unser Sehnen nach oben, dorthin, wo Christus thront und wo Er uns im Hause Seines Vaters eine Wohnung bereitet hat. Je mehr der Ostergeist uns erfüllt und uns durch die Finsternisse und Nöten des Erdenlebens und des Alltags begleitet, um so mehr geht auch in uns Ostern seiner Vollendung entgegen, der Geistestaufe des Pfingsttages. Aus diesen Zusammenhängen heraus müssen die Meßfeiern der nächsten Sonntage verstanden werden.

2. In dem Evangelium der heutigen Messe kündet der Auferstandene zum ersten Male Sein Scheiden an. Er geht zum Vater, uns aber läßt Er in der Welt und ihren Gefahren zurück. Aber der Ostergeist, das 'Osterlicht führt uns glücklich durch die Gefahren und Prüfungen des Erdenlebens hindurch. ErfÜllt vom Ostergeist jubeln wir selbst angesichts des Heimganges Christi und trotz Seiner sichtbarräumlichen Trennung von uns unentwegt unser Osterlied, das Alleluja. "Jubelt dem Herrn (Christus) alle Lande das Alleluj a zu; singt Ihm Psalmen, alleluj a; verherrlicht Ihn mit Alleluj a, alleluj a, alleluj a" (Introitus). Daß dieser Ostergeist uns stets erfülle und belebe! Um diese Gnade flehen wir im Kyrie eleison und in der Oratio: "Gib allen, die elen Namen ,Christen' tragen, die Gnade, das zu verabscheuen, was diesem Namen zuwider, und nach dem zu streben, was ihm angemessen ist." Das ist der Ostergeist, der Taufgeist, dessen kostbare Kräfte die Epistel enthÜllt. Sind wir in Wahrheit Träger dieses Geistes geworden? Hat die Osterfeier diesen Geist und diese Gesinnung in unsere Seele hineingebildet? Wenn ja, dann gilt auch für uns 'das Wort des ersten Alleluj averses: "Erlösung Ballr, Werde Licht! 11. 24

370

IV. Die österliche Zeit: Vierte Woche nach Ostern.

hat der H'err Seinem Volke gesandt." Dann erschrecken wir nicht ob der Wahrheit, die auch an uns Christen sich erfÜllen muß: "Christus (der Christ) mußte leiden und von den Toten aufers.tehen ulld so in Seine Herrlichkeit eingehen." Jetzt tritt im Evangelium Christus auf: "Noch eine kleine Weile, und ihr seht Mich nicht mehr; und wieder eine kleine Weile, und ihr seht Mich wieder. Ihr habt jetzt Leid, aber Ich werde euch wiedersehen. Dann wird sich euer Herz freuen." Im Ostergeist sind wir auch dem Leide gegenüber stark, das uns Zurückgelassenen beschieden ist; im Ostergeiste wissen wir, es gibt einen Endsieg, eine ewige Auferstehung: durch Nacht zum Licht! So singen wir mutig ullser Credo und das jubelvolle Opferungslied : "Lobe meine Seele den Herrn." Wir werden dereinst ewig unverhüllt Ihn wiedersehen; ewig Ihn

besitzen! .

3. Aber auch heute schon, ja täglich sehen wir Ihn auf eine kurze \Veile wieder leibhaftig, wenn auch in ganz geistiger Daseinsweise. Den Sinnen unerreichbar, einzig dem Auge des Glaubens sichtbar, erscheint der Auferstandene in der heiligen Wandlung unter uns. Er feiert frohes Wiedersehen mit uns. Er gibt sich uns zur Opfergabe, betet, liebt, dankt, sühnt, opfert mit uns und für uns, wir mit Ihm und durch Ihn. Er zieht uns so in Sein unendlich heiliges, gottgefälliges Opferleben hinein, erhebt mit uns Seine reinen Hände, erfüllt uns im o p f e r m a h I e aufs neue mit Seinem auferstandenen Leben und zieht unsere Herzen mit sich zum Himmel empor: "Noch eine kleine vVeile, und ihr seht Mich nicht mehr; und wieder eine kleine Weile, und ihr seht Mich wieder" (Communio). Wahrlich, ein seliges Wiedersehen in jeder heiligen Messe. Dankerfüllt sprechen wir am Schluß der heiligen Feier unser "Deo gratias": vVir haben den Herrn gesehen. Alleluj a!

Sonntag: Eine kleine Weile.

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Dritter Sonntag nach Ostern.

Ein e k lei n eWe i I e.

1. Schon lenkt die heilige Liturgie unsern Blick auf die Himmelfahrt des Herrn. Aber wir werden ob des Scheidens des Herrn nich t traurig: wir fühlen uns ja auf Erden nicht daheim. Unsere Heimat ist der Himmel. "Eine kleine Weile", und wir werden Ihm folgen und ewig bei Ihm sein dürfen.

2. "Noch eine kleine Weile, und ihr wer d e t M ich n ich t me h r se h e n." Eine kleine Weile nur sind wir hier auf Erden, "Pilger, Fremdlinge". Wehe uns, wenn uns die Erde zur Heimat würde! Je wahrer wir mit Christus auferstanden sind, um so mehr steht unser Sinn auf das, was droben ist, wo Christus zur Rechten des Vaters thront (Kol. 3, r), auf das Ewige, auf die Heimat. Noch "pilgern wir ferne vom Herrn" (2 Kor. 5, 6). Es geht uns, wie es der Herr im Evangelium der heutigen Messe vorausgesagt hat:

"Ihr werdet weinen und weheklagen. " Das Leben des mit Christus in der heiligen Taufe, in der Buße, im Empfang der heiligen Kommunion Auferstandenen ist notwendigerweise ein "Trauern", ein immerwährendes, festes, freudiges Nein zu den Lockungen, . Freuden und Gütern der Vielt; ein Leben der Abtötung und Entsagung, des steten Kampfes gegen Fleisch und Blut, gegen die Regungen und Lockungen der gefallenen Natur; ein Leben des immerwährenden Mitgekreuzigtwerdens mit Christus in der Teilnahme an Seiner Armut, an Seinen Verdemütigungen und Leiden. Der mit Christus auferstandene, neue Mensch wird von der Umgebung nicht mehr verstanden; sein Tun, seine Art, seine Worte und Taten werden mißdeutet. Ja Gott selbst hat für ihn nur mehr MiJ3erfolge, Demütigungen, Leiden, Trockenheiten, 13itterkeiten, Krankheiten. Denen, die mit Christus leben, geht es in dieser Welt schlecht,

24*

372 IV. Die österliche Zeit: Vierte Woche nach Ostern. während die, die nicht beten, die sich um Gott und Kirche nicht kümmern, die Güter der Erde besitzen: sie lachen, vergnügen sich und genießen das Leben. Aber der Herr versichert uns: "Nur eipe kleine Weile."

"Und wieder eine kleine Weile, und ihr wer d e t Mi c h wie der se he n." Ostern, das mit Christus Auferstandensein ist nur der Auftakt zur glorreichen Auffahrt in den Himmel. Wir werden, nachdem wir mit Ihm auferstanden sind, zu Ihm heimgehen, Ihn sehen, Sein Leben, Sein Erbe mitbesitzen dürfen. "Eure Traurigkeit wird sich in Freude verwandeln. Ihr habt jetzt Leid. Aber Ich werde euch wiedersehen. Dann wird sich euer Herz freuen, und eure Freude wird niemand mehr von euch nehmen." Eine kleine Weile noch. Bevor wir uns recht umgesehen haben, kommt der Tod und holt uns heim. Dort gibt es keine Tränen mehr und keine Not. Alle Trauer ist gewichen. Nur Freude, ungetrübte Freude in dem Mitbesitz der Freude Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Ewig, ohne Furcht, ohne Gefahr, daß uns jemand die Freude, d.!ls Glück der Heimat je entreißen könne!

3. "Alleluja, Christus mußte leiden - eine kleine Weile nur - und so in Seine Herrlichkeit ein-

. gehen. Alleluja" (Allelujavers). Das Leiden ist vorbei, verklärt, in die Freude des Himmels verwandelt. Alleluj a! "Ihr werdet traurig sein: aber eure Trauer wird sich in Freude verwandeln." Dasselbe Gesetz, das sich an Christus erfüllte, muß sich an all jenen erfüllen, die Ihm eingegliedert sind. Christus ist der Schlüssel zum Verständnis unseres Lebens. "Euch ist die Gnade gegeben worden, nicht nur zu glauben, sondern auch für Ihn und mit Ihm zu leiden" (Phil. r, 29). Wen Gott von der verderbten vVelt mit ihren Gefahren und Täuschungen loslösen und zu den ewigen Gütern führen will, dem hat Er in der kleinen Weile des Erdenlebens Ent-

Monta~: Eine kleine Weile.

373

behrungen, Mißerfolge, Leiden bestimmt. "Aber eure Trauer wird sich in Freude verwandeln."

Das christliche Leben ist hier auf Erden wesenhaft "Trauer", ein Leben des Le.idens, der Geduld, der Abtötung der eigenen Wünsche und Neigungen, des Mitgekreuzigtwerdens mit Christus. Weh uns, wenn wir nicht Trauer haben! Wie soll denn dann die Trauer in Freude verwandelt werden? Die I'reude ist die Tochter der "Trauer", in der wir hier auf Erden gelebt haben. "Eine kleine Weile, und eure Trauer wird sich in Freude verwandeln."

\Vir kommen zur Feier der heiligen Messe. Da erneuern wir bewußt, entschlossen unser Ja zur christlichen Traurigkeit: zu den Opfern und Entsagungen, Kämpfen und Leiden, zum Mitgekreuzigtund Mitgeopfertwerden mit Christus, unserer Opfergabe auf dem Altar. Die heilige Kommunion erfüllt uns mit dem Geiste und mit der Kraft zur christlichen Trauer. Die Eucharistie ist das Unterpfand des seligen Wiedersehens mit J esus. "Ich werde euch wiedersehen. Dann wird euer Herz sich freuen und eure Freude wird niemand mehr von euch nehmen."

Ge be t.

Gott, Du lässest den Irrenden das Licht Deiner Wahrheit leuchten, damit sie auf den Weg der Gerechtigkeit zurückkehren können. Gib, daß alle, die dem christlichen Bekenntnisse angehören, das verabscheuen, was diesem Namen widerstreitet, und das erstreben, was ihm entspricht. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Montag der vierten Woche nach Ostern Ein e k lei n e \V eil e.

1. "E i n e k 1 e i 11 eWe i I e nur." Denn ihr seid "Pilger und Fremdlinge" auf Erden. Die heilige Liturgie will unsern Blick und unser Streben auf das

374 IV. Die österliche Zeit: Vierte Woche nach Ostern. richten, was dauernd ist und in dem wir wahrhaft ruhen können. Das allein hat einen Wert.

2. "Eine kleine vVeile nur." Alles auf Erden, alle Güter, Genüsse, Freuden, Ehren der Welt, Gesundheit, Schönheit, Kraft, Jugend, Reichtum, Freundschaften, auch alle Leiden und Widerwärtigkeiten, alles ist kurzlebig, vergänglich. Der Mensch selber, sein Leben auf Erden ist ein "Windhauch", "nur eine Spanne lang" (Ps. 38, 6). "Alles Fleisch ist Gras und alle Herrlichkeit wie eine Blume des Feldes. Das Gras verdorrt, die Blume fällt ab, wenn der Wind des Herrn darüberfährt" (Is. 40, 6). Alles auf Erden trägt auf seiner Stirne das Wort: "Eine kleine Weile nur." Was wollen wir uns also an die Dinge der Erde hängen? Was uns auf sie stützen? Was in ihnen ruhen? Wir sind Pilger. "Eine kleine Weile nur." Wer dieses Wort versteht, versteht das Leben. Wer dieses Wort des Herrn erfaßt, den kann kein Übel schrecken. Der kann jedem Sturme standhalten. Er ist Pilger und Fremdling. Er steht über den llnruhigen Wogen und Wellen des Lebens, "bei Ehre und Schmach, bei Schmähung und Lob". (Wir sind) "für Betrüger gehalten und doch wahrhaftig, unbekannt und doch wohlbekannt, dem Tode nahe, und siehe, wir leben immer noch, gezüchtigt und doch nicht getötet, betrübt und doch immer fröhlich, in Dürftigkeit und doch alle bereichernd, ohne Besitz und doch im Besitze von allem" (2 Kor. 6, 8 ff.).

Ein e s bl e i b t. Unser Glaube, unsere Hoffnung.

"Ich werde euch wiedersehen. Dann wird euer Herz sich freuen, und eure Freude wird niemand mehr von euch nehmen." "Ich glaube an das ewige Leben." Der mit Christus Auferstandene, der wahre Christ lebt im Glauben, in der Hoffnung auf das Kommende. "Unser Wandel ist im Himmel. Von dort erwarten wir auch den Erlöser, den Herrn J csus Christus. Er wird unsern armseligen Leib um\Vandeln und Seinem verherrlichten Leibe gleich-

Montag: Eine kleine Weile.

375

gestalten: denn Er hat die Macht, sich alles zu unterwerfen" (Phi!. 3, 20). Unser Heiland rüstet sich bereits zur Himmelfahrt. "Euer Herz zage nicht. Glaubt an Gott, und glaubt an Mich! Im Hause Meines Vaters sind viele Wohnungen. Wäre dem nicht so, dann hätte Ich es euch gesagt. Ich gehe ja hin, euch die Stätte zu bereiten. Bin Ich dann hingegangen, und habe Ich euch eine Stätte bereitet, dann komme Ich wieder und nehme euch zu Mir, damit auch ihr seid, wo Ich bin. Wohin Ich gehe, wißt ihr, und den Weg wißt ihr. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh. 14, I ff.). "Himmel und Erde werden vergehen, aber Meine Worte werden nicht vergehen" (Matth. 24, 35). "Das Wort des Herrn bleibt ewig" (Is. 40, 8). Wir glauben, wir "strecken uns nach dem aus, was vor uns liegt" (Phi!. 3, 13)·

3. Unsere Seele braucht Heimatgedanken. Dann wird sie groß. Nur in solcher Größe wächst in ihr der rechte Sinn und die Kraft, die Erde zu überwinden, die Welt zu verachten, ihren Idealen unverrÜckt treu zu bleiben. In dieser Größe lebten die Christen der früheren Zeiten. Sie sehnten sich nach dem Martyrium. Sie wünschten mit Paulus, "aufge1öst und bei Christus zu sein" (Phil. I, 23). Sie freuten sich, um Christi willen, für ihren heiligen

'Glauben leiden zu dürfen: "Selig seid ihr, wenn ihr um des N amens Christi willen geschmäht werdet: denn dann ruht der Geist deI: Herrlichkeit, der Geist Gottes auf euch" (I Petr. 4 .. 14).

"Was mir einst als Gewinn galt, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich halte alles fÜr Verlust, weil die Erkenntnis meines Herrn Jesus Christus, um dessen twillen ich auf alles verzichtet habe, über alles erhaben ist. Ja ich erachte alles für Kehricht, um Christus zu gewinnen. Ich möchte Ihn erkennen und die Macht Seiner Auferstehung (das glorreiche Leben, in dem Er lebt und das Er den Seinen mitteilt) und die Teilnahme

376 IV. Die österliche Zeit: Vierte Woche nach Ostern an Seinem Leiden (d. i. wie ehrenvoll und segens. reich es ist, am Leiden Christi teilzunehmen). Une Ihm will ich im Tode ähnlich werden, in dem Ge. danken, daß ich zur Auferstehung von den :roter gelange. Ich vergesse, was hinter mir liegt, und !'>trecke mich nach dem aus, was vor mir liegt. Da1 Ziel im Auge, jage ich dem Kampfpreis nach, zu dem mich Gott dort oben durch Christus J esus berufen hat" (Phil. 3, 7 ff.).

"Nehmt mich zum Vorbilde und sehet auf die, die nach unserem Vorbilde wandeln. Denn viele (Christen) wandeln, wie ich euch schon oft gesagt habe und jetzt unter Tränen wiederhole, als Feinde des Kreuzes Christi. Ihr Ende ist Verderben, ihr Gott der Bauch, ihren Ruhm setzen sie in das, was ihre Schande ist, ihr Sinnen geht auf das Irdische. Unser Wandel aber ist im Himmel" (Phil. 3, 17 ff.). So klagt schon der Apostel. Was würde er zu meir.em Sinnen und Leben sagen? Wehe, wenn er urteilen müßte: Dein Sinnen geht auf das Irdische!

Gebet.

Herr, durch diese Geheimnisse (die Teilnahme an dem Opfer und Opfermahl der heiligen Eucharistie) werde es uns ermöglicht, die irdischen Begierden zu zähmen und das Himmlische lieben zu lernen. Durch Christus unscrn Herrn Amen. (Stillgebet.)

Dienstag der vierten Woche nach Ostern Er lös u n g.

1. "Alleluj a. Erlösung sandte der Herr Seinem Volke. Alleluja." Die Messe des dritten Sonntags nach Ostern ist auf dieses Leitmotiv gestimmt. Alles ist Jubel. ,jubelt Gott, ihr Lande al!, singt Psalmen Seinem Namen. Saget zu G0tt: Wie gewaltig sind Deine Werke, 0 Herr!" (lntroitus). Ostern. Auferstehung des Herrn. Sieg über Tod und Grab. Unsere Auferweckung zum Leben der

Dienstag: Erlösung.

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Gnade. Zum neuen Leben. Mit der Verheißung, daß wir einst zum Leben der Glorie werden erweckt werden. "Wie gewaltig sind Deine Werke, 0 Herr." "Lobe den Herrn, meine Seele. Loben will ich den Herrn mein Leben lang" (Offertorium). "Erlösung sandte der Herr Seinem Volke." Diese Erlösung ist

2. Her r s c h a f t übe r die Mac h t des F I e isc he s. "Ich ermahne euch, die ihr Pilger und Fremdlinge seid, enthaltet euch der fleischlichen Lüste, die gegen die Seel-e (den Geist, das Leben der Gnade) streiten" (Epistel). "Wir sind nicht (mehr) dem Fleische Schuldner, daß wir nach dem Fleische leben: denn wenn ihr nach dem Fleische (den Gelüsten des sinnlichen Menschen) lebet, werdet ihr sterben. Die nach dem Fleische leben, trachten nach dem, was des Fleisches ist: das Trachten des Fleisches aber ist Feindschaft wider Gott. Das Fleisch will sich dem Gesetz Gottes nicht unterwerfen und kann es auch nicht. Die dem Fleische leben, können Gott nicht gefallen" (Röm. 8, J 2 ff.). Uns hat der Herr in der heiligen Taufe, im Sakrament der Buße und des Altars die Macht gegeben, uns "der fleischlichen Lüste zu enthalten". Unsere Heiligen, Maria und Joseph voran, leuchten im Glanze der ungetrübten Reinheit, der vollkommenen Keuschheit und Jungfräulichkeit, der gänzlichen Loslösung von jeder ungeordneten Anhänglichkeit an das Irdische, sei es was immer. Sie beherrschen und überwinden alle ungeordneten Regungen des Stolzes, der Ungeduld, des Zornes, des Neides, der Eigenliebe und Selbstsucht. Ihr Leben ist reine, heilige Liebe zu Gott und Christus. Sie wissen nichts anderes mehr als Gott, als Gottes Willen und Wohlgefallen, als Gottes Ehre und Interesse in den Seelen. vVahrhaft erlöste Menschen! Sie haben die 'Herrschaft über alle fleischlichen Lüste und Regungen gewonnen. "Erlösung sandte der Herr Seinem Volke." Auch uns, auch mir ist die Gnade gegeben, den niederen, sinnlichen Menschen mit seinen

378 IV. Die österliche Zeit: Vierte Woche nach Ostern. Leidenschaften, Trieben und Neigungen zu meistern. Wir sind erlöst. Aus uns selber schwach und klein, vermögen wir allem l3ösen in uns zu widerstehen, es zu überwinden und es dem Streben nach Reinheit und Heiligkeit dienstbar zu machen. "Ich kann alles in dem, der mich stärkt" (Phil. 4, I3). Hätten wir nur den tiefen, lebendigen Glauben der Liturgie von heute: "Erlösung sandte der Herr Seinem Volke, alleluja." "Selig das Volk, das jubeln kann" (Ps. 88, 16).

K r a f t zum h eil i i e n W a n deI. "Führt einen ehrbaren Wandel unter den Heiden." Das ist die M ahnung des hl. Petrus in der Epistel. Hochaktuell! "Ihr seid das Licht der Welt" (Matth. 5, 14). "Ihr ware.t einst Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht im Herrn. 'vVandelt als Kinder des Lichtes" (Eph. 5, 8). "Damit die, welche euch als übeltäter verleumden, eure guten 'vVerke sehen und Gott preisen" (d. i. Gott und Christus kennen lernen und zu Gott geführt werden). Eine heilige Sendung! "Das ist der Wille Gottes, daß ihr durch euren guten Wandel unwissende, törichte Menschen zum Schweigen bringt." Im einzelnen unterstreicht die Epistel den Gehorsam gegen die gottgesetzte Autorität:

"Seid jeder menschlichen Obrigkeit untertan, um Gottes willen. Ihr seid frei." Aber die christliche Freiheit entbindet nicht vom Gehorsam gegen die staatlichen, kirchlichen und sittlichen Gesetze. Ferner betont die heutige Epistel die heilige Hochachtung vor jedermann und die christliche Nächstenliebe. "Achtet jedermann, liebet alle brüderlich. Fürchtet Gott, ehret den König." Zuletzt· die geduldige Unterwerfung unter die Vorgesetzten, auch unter die Vorgesetzten, die uns unsympathisch sind oder uns ungerecht behandeln. "Denn das ist Gnade, wenn einer aus Gewissenhaftigkeit gegen Gott das Leid tragt, das ihm ungerechterweise zugefügt wird. Wenn ihr Leiden erduldet, obwohl ihr Gutes tut: das ist Gnade bei Gott. Dazu seid ihr berufen."

Dienstag: Erlösung.

379

Wiederum. Wie sehr haben unsere lieben HeiliKen den ehrbaren \Vandel geübt! Gottesfurcht, Gebet, heilige Sammlung, vollkommener innerer und äußerer Gehorsam gegen die Autorität, in der demütigen Unterwerfung unter die Menschen und die oft so widrigen Verhältnisse. "Das ist Gnade", die Gnade des Ostertages, der heiligen Taufe, der heiligen Eucharistie, die Gnade des in uns wirkenden Auferstandenen. Warum sollte ich es also nicht auch vermögen? .,Erlösung sandte der Herr Seinem Volke."

3. "Erlösung sandte der Herr Seinem Volke."

Darum "jubelt Gott, ihr Lande all. Singt Psalmen Seinem Namen. Herrlich laJ3t Sein Lob erschallen, alleluj a, alleluj a, alleluj a. Saget Gott: Wie gewaltig sind Deine Werke, 0 Herr!" (Introitus).

Der Mensch ist schwach und klein. Aber so klein der Mensch ist, ebenso groß kann der Christ sein. Nur muß er um das Geheimnis Seiner Kraft und Größe wissen und es tief erfassen. "Erlösung sandte der Herr Seinem Volke." Licht, Gnade, Kraft, Sieg, Herrschaft, neues Leben, in der Eingliederung in den Auferstandenen. Darauf kommt es an, daß wir uns als Erlöste wissen, als Glieder, als Zweige, lebendig mit dem Haupte, dem 'Weinstock, Christus und Seiner Kirche verwachsen. Ich bin nicht ein vereinzelter, vom Stamme losgerissener, zum Verdorren verurteilter Zweig: ich bin ein grünender Ast des großen Lebensbaumes, der seine Wurzeln in der Erde hat, der aber seine Zweige und Wipf.el bis zum Throne Gottes emportreibt. Ich bin ein ebenbürtiges GI ied jener Gemeinschaft aller Edlen, Reinen und Starken, die, Christo einverleibt, Seiner Kraft, Seines Geistes und Lebens teilhaft sind! "Erlösung sandte der Herr Seinem Volke."

Vvie muß ich jubeln, danken, vertrauen! Wie muß ich beten und ringen, daß ich die ganze Herrschaft über die fleischlichen Gelüste in mir gewinne und

380 IV. Die österliche Zeit: Vierte Woche nach Ostern. daß mir die Kraft werde, heilig, vollkommen zu wandeln, \'0.1' Gott und vor den Menschen!

Ge be t.

Gott, Du lässest den· Irrenden das Licht Deiner Wahrheit leuchten, damit sie auf den Weg der Gerechtigkeit zurückkehren können. Gib, daß alle, die dem christlichen Bekenntnisse angehören, das verabscheuen, was diesem Namen widerstreitet, und das erstreben, was ih~ entspricht. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Mittwoch' der vierten Woche nach Ostern Der h I. J 0 s e p h.

1. Heute ist der Oktavtag und der Abschluß der Feier des Schutzfestes des hl. Joseph. Die Lesµngen der Mette bringen den Bericht des ersten Buches Moses über den ägyptischen J oseph. Wir folgen der heiligen Liturgie.

2. Ein erstes Bild. Joseph ist von seinen Brüdern an die Ismaeliten verkauft und wird nach Ägypten gebracht. Dort wird er Sklave des Putiphar, des Kämmerers des Königs von Ägypten. Aber "der Herr war mit Joseph. Und so ward er ein Mann, dem alles gelang. Als sein Herr sah, daß der Herr mit ihm sei und daß der Herr ihm alles, was er unternahm, gelingen ließ, fand J oseph in seinen Augen Gnade, und er setzte ihn als Verwalter über sein Haus und vertraute ihm sein ganzes Eigentum. Und von der Zeit an, wo er ihn zum Aufseher über sein Haus und sein ganzes Eigentum bestellt hatte, segnete der Herr das Haus des Ägypters um Josephs willen" CI Mos. 39, I ff.). Im Vorbild sehen wir den J oseph des N euen Testamentes, von Gott zum Schutzherrn über ,die Familie von N azareth, über die heilige Kirche und jede christliche Familie bestellt. Je mehr wir, nach .dem Vorbild der heiligen Kirche, J oseph als "Verwalter" über unser Haus setzen und

Mittwoch: Der h1. Joseph.

Ihm "unser ganzes Eigentum anvertrauen", um so mehr wird der Herr uns segnen: um des hl. Joseph willen.

Ei n z w e i te s B i I d. Der König von Ägypten hat einen Traum, der ihn schwer beunruhigt: Sieben fette Kühe, die aus dem Nilstrom aufsteigen; dann sieben ganz magere und häßliche KÜhe: sie kommen und fressen ~ie sieben fetten, schönen KÜhe auf. Der König ruft die Traumdeuter. Sie können ihm keine Auskunft geben. Durch Zufall erfährt er von ]oseph im Gefängnis. Er läßt ihn herbeirufen. Joseph deutet ihm den Traum. Da sprach Pharao zu ]oseph: "Nachdem dir Gott alles ge offenbart hat, gibt es keineIl, der so weise wäre wie du. Du sollst meinem Hause vorstehen. Mein. ganzes Volk soll sich Deinem Winke unterwerfen. Siehe, ich setze dich über das ganze Land Ägypten." Er steckt seinen Siegelring an J osephs Hand, kleidet ihn in königliche Gewänder und legt eine goldene Kette um seinen Hals. Ein Herold muß vor Joseph hergehen und dem Volke zurufen, daß alle vor ihm die Kniee beugen und wissen sollen, daß er über das ganze Land Ägypten gesetzt ist. J oseph \Vi rd beauftragt, dafür zu sorgen, dafi für die sieben Hungerjahre vorgesehen sei. Joseph ist der Berufung würdig und gewachsen. Er ordnet alles so an; daß \vährend der sieben unfruchtbaren Jahre, die auf die sieben fruchtbaren Jahre folgten, nirgends ein Mangel an Brot ist. "In allen Ländern herrschte Hungersnot: aber in Ägypten gab es Brot. Und die ganze Welt kam nach Ägypten, um bei Joseph Getreide zu kaufen" (I Mos. 41, 39 ff.). \Vo Joseph herrscht, wo er über die heilige Kirche, über die christliche Familie, Über das Heiligtum der christiichen Seele gesetzt ist, da ist gut gesorgt. Kann er an der ihm aJl1yertrauten Familie oder Seele anders handeln, als er an der Familie von N amreth getan? Er hat für J esus und Maria gesorgt, ,daß sie vor Herodes gesichert seien. Er hat gesorgt, daß sie auch

382 IV. Die österliche Z,eit: Vierte Woche nach Ostern. in der Verbannung in Ägypten ihr Auskommen hatten und .daß sie wieder glücklich in die Heimat zurÜckk'amen. Joseph ist der Kirche, uns gegenüber, derselbe.

3. Wir erkennen im Vorbild die Erfüllung. und verstehen das 'Wort der heutigen Messe: "AlIeluj a, alleluj a. In jeder Not, in der sie zu mir rufen, will ich sIe erhören, immer will ich ihr Schutzherr sein." Wir nehmen den hl. Joseph mit dieser seiner Versicherung beim '0v' ort! '0v'ir glauben, vertrauen, gehen zu ihm!

"In allen Ländern herrschte Hungersnot: aber in Ägypten gab es Brot." Da, wo J oseph herrschen darf. Wie viel Hungersnot in den Herzen der Menschen von heute, in den christlichen Familien, in den Seelen selbst der Gottgeweihten! Die Kirche weist uns an Joseph. Jetzt "erfreuen wir uns seines Schutzes. Um seiner Verdienste und Fürsprache willen werden wir auch der himmlischen Herrlichkeit teilhaftig" (Schlußgebet). Er erlangt uns in der Feier der heiligen Messe die Gnade, daß "unser Herz alles Irdische verschmähe und Gott in vollkommener Hingabe liebe" (Stillgebet).

Ge b e t.

Es ist würdig und recht, billig und heilsam, Dir immer und überall Dank zu sagen, heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott, und Dich an der Festfeier des hl. Joseph mit gebÜhrendem Lobe zu verherrlichen, zu benedeien und zu preisen. Ihn, den Gerechten, hast Du der jungfräulichen Gottesmutter zum Bräutigam gegeben; ihn, Deinen getreuen und klugen Knecht, hast Du über Deine Familie gesetzt, damit er an Vaters Statt Deinen EingeLorenen behüte, der empfangen ward durch Überschattung des Heiligen Geistes: Jesus Christus unsern Herrn (Präfation).

"Vir bitten Dich, 0 Herr, laß uns an ihm, den wir auf Erden als Beschützer verehren, einen Fürbitter

Donnerstag: Die Herrlichkeit des Auferstandenen. 383 im Himmel finden. Durch Christus unsern Herrn Amen.

Donnerstag der vierten Woche nach Ostern Die Her r I ich k e i t des Auf e r s t a n den e n.

1. "AlIeluj a. Christus mußte leiden und von den Toten auferstehen und so in Seine Herrlichkeit eingehen. Alleluja" (Allelujavers). "Christus, von den Toten auferstanden, stirbt nicht mehr, der Tod hat keine Macht mehr über Ihn" (Röm. 6, 9). So steht Er vor uns im Glanze Seiner Verklärung und Herrlichkeit und betet zum Vater für uns: "Vater, laß sie, die Du Mir gegeben hast - als Brüder, ja als Glieder Meines Leibes -, laß sie dort bei Mir sein, wo Ich bin, damit sie Meine Herrlichkeit sehen, die Du Mir verliehen hast" (Joh. 17, 24)·

2. Die Her I' I ich k e i t des Auf e r s t a n d eIl e n. Er hat sie uns einmal ein ganz klein wenig enthüllt, da Er die drei Apostel mit sich auf den Tabor nahm und "vor ihnen verklärt ward. Sein Antlitz leuchtete wie die Sonne, und Seine Kleider glänzten wie das Licht" (Matth. 17, 2). Jetzt, nach der Auferstehung, tritt zur Herrlichkeit auf Tabor noch der Glanz des Siegers hinzu. Die Seele J esu, von der Fülle und dem Lichte des göttlichen Lebens ganz übergossen und durchstrahlt, strömt ihre himmlische Schönheit und Kraft auf den Körper aus. Eben noch war er verwundet, gegeißelt, angespieen, der Verdemütigung, den Qualen und Schmerzen der Passion, dem Tode unterworfen, aller Schönheit beraubt: jetzt leuchtet er herrlicher als die Sonne (Gabe der Klarheit). Kein Schmerz, kein Leid, kein Tod kann ihm mehr etwas anhaben (Gabe der Leidensunfähigkeit). Er hat die dem sterblichen Fleische angeborene Schwerfälligkeit verloren: mit Blitzesschnelle folgt er jedem Wunsch und Gebot des Willens, beflÜgelt, leicht, alles durchdringend wie der Gedanke, wie der Geist, vergeistigt und

384 lV. Die österliche Zeit: Vierte Woche nach Ostern. doch ein wahrer Leib (Gabe der Behendigkeit). Für ihn sind Mauern und Türen und Riegel kein Hemmnis mehr: mit der Feinheit und Kraft, mit der das Licht den Kristall durchglüht und mit seinem Gla~ze erfüllt, dringt] esu verklärter Leib durch das verschlossene Grab und tritt der Auferstandene am Osterabend bei verschlossenen Türen in- den Saal, in dem die Jünger versammelt sind (Gabe der Durchdringlichkeit). "Wie wunderbar, unser Gott und Herr, ist doch Dein Name! über Himmelsweiten ausgebreitet leuchtet Deine Pracht. Schau' ,ich die Himmel an, die Werke Deiner Finger; betrachte ich Mond und Sterne, Deine SchÖpf\1ng-: was ist da der Mensch, daß DLl an ihn denkst?" Aber ClJrislus, der Auferstandene! "Nur wenig unter Gott hast Du Ihn hingestellt, hast Ihn gekrönt mit Hoheit und mit Schönheit, hast Ihn gesetzt zum König über Deine Werke" (Ps. 8, 2-7). "Jubelt Gott, ihr Lande all, alleluja. Singt Psalmen Seinem Namen, alleluja. herrlich laßt Sein Lob erschallen, alleJuj a. Vv ie 13ewaltig sind Deine Werke, Herr! Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste" (Introitus).

Die Herr I ich k e i t der mit Ihm Au fer s te he n den. "Wenn Christus, unser Leben, erscheint (am Jüngstyn Tage), dann werdet auch ihr offenbar werden in Herrlichkeit" (Kol. 3, 4). Christus ist auferstanden: also werden auch wir auferstehen. Wir stehen ja in engster Schicksalsgemeinschaft mit Ihm. Ja wir sind bereits mit Ihm auferstanden: Der Anfang unserer Mitauferstehung mit Christus ist in der heiligen Taufe, in der heiligmachenden Gnade, im Empfang der heiligen Kommunion gemacht: hier wird der Keim der einstigen Auferstehung in unser Fleisch gelegt. "Er wird den Leib unserer Niedrigkeit umwandeln und dem Leibe Seiner Herrlichkeit (Verklärung) gleichgestalten" (Phil. 3, 21). "Dann werden die Gerechten im Reiche ihres Vaters wie Sonnen erstrahlen" (Matth. 13,43)· Alles Große und Edle und Heilige, das in ihnen

Donnerstag: Die Herrlichkeit des Auferstandenen. 385 hier auf Erden gelebt hat, wird mitauferstehen, wird leben, ewig gelten, ewig vom ganzen Himmel geehrt und freudig bej aht sein. Dann gibt es keine Klage mehr, keine Trauer und keinen Schmerz: denn "alles ist neu geworden" (Offb. 21, 5; 2 Kor. 5, 17)· Der arme Leib darf mit eingehen in das Leben, in die Herrlichkeit, in die Unsterblichkeit des Auferstandenen, "gleichgestaltet dem Leibe Seiner Herrlichkeif' . "Gesät wird in Verweslichkeit, auferweckt in Unverweslichkeit. Gesät wird in Unansehnlichkeit, auferweckt wird in Herrlichkeit. Gesät wird in Schwachheit, auferweckt wird in Kraft. Gesät wird ein sinnlicher Leib, auferweckt wird ein geistiger (vergeistigter) Leib. Wenn aber dieses Verwesliche mit Unverweslichkeit, dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit bekleidet sein wird, dann wird das Wort der Schrift erfüllt werden: Verschlungen ist der Tod im Siege. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?" (IKor.I5, 42ff. 54ff.) "Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches. ce

3. "Eine kleine Weile." Ist Christus auferstanden, dann werden auch wir auferstehen. Uns erwartet nach der kleinen Weile des Erdenlebens das Leben "im Hause des Vaters" (JOh.14, 2). Nicht ein inhaltloses Dasein, ein düsteres, trübes Schattendasein, wie die Heiden es sich denken, nicht bloß die N e.gation des Todes, sondern Leben, volles, ewiges, ganzes Leben in der beseligenden Gemeinschaft mit Gott, dem Quell und der Fülle des Lebens und der

Seligkeit.

"Wann ich (aus dem Tode) erwache, wird Deine Herrlichkeit mich sättigen" (Ps. 16, 15). Ein Erfü!1tsein, ein Gesättigtsein, ein Vollendetsein in Gott nach dieser kleinen Weile! "Vater, Ich will, daß wo Ich bin, auch die seien, die Du Mir gegeben hast." Eine Zukunft voll Glück steht vor mir, untrüglich sicher. Was bedeutet dagegen die augenblickliche Drangsal und Trübsal? Diese zwei Dinge stehen doch in gar keinem Verhältnis: ein vergäng-

Baur, Werde Lichtl H. 25

386 IV. bie österliche Zeit: Vierte Woche nach Ostern. liches Leben, eine kurze Weile und eine unvergängliche. Herrlichkeit (Röm. 8, 18). Nein, sie stehen in einem Verhältnis: durch das vergängliche Leiden erwerbe ich mir die unvergängliche Herrlichkeit. "Diese da, die du mit weißen Kleidern angetan siehst, wer sind sie und woher sind sie gekommen?" wird Johannes in der Geheimen Offenbarung gefragt. Er weiß keine Antwort zu geben. Da wird ihm gesagt: "So wisse: aus großer Trübsal kommen sie" (Offb. 7, 14). "Aus der TrübsaL" Das ist die beste Herkunft, die beste Empfehlung. Eine kleine Weile!

Dürfen wir nicht voller Freude, freudiger Hoffnung sein! Wir sind eins mit Christus, dem Auferstandenen. Diese Einheit ist die Quelle unseres ganzen Glückes. D~ß wir nur glaubten und mit ganzer Glaubensüberzeugung sprächen: "Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches." "Ich erwarte die Auferstehung der Toten und das ewige Leben." Der Christ ist ein Mensch, der wartet. Eine kleine Weile: "dann werde ich euch wiedersehen. Dann wird euer Herz sich freuen".

Ge be t.

Gott, Du hast gewollt, daß Dein Sohn, um uns aus der Gewalt des Feindes zu befreien, das Kreuz besteige. Gib uns, Deinen Dienern, da13 wir die Gnade der Auferstehung erlangen. Durch denselben Christus unsern Herrn. Amen.

Freitag der vierten Woche nach Ostern.

Ich gehe zum Vater.

1. "Noch eine kleine Weile, und ihr werdet Mich nicht mehr sehen. Und wiederum eine kleine Weile, und ihr werdet M ich wiedersehen: denn Ich gehe zum Vater." Der Auferstandene mu13 zum Vater gehen. Er gehört in die Welt des Unirdischen, Überirdischen. "Ich gehe zum Vater."

Freitag: Ich gehe zum Vater. 387

2. Vor uns s t e h t der Auf e r s t an den e, das Hau p t. "Ich gehe zum Vater." In Jesus gibt es ein Innerstes, ein Allerheiligstes, zu dem niemand Zutritt hat als allein der Vater. Der tiefste, innerste Bereich Seiner Seele ist ganz menschenleer, erdenfrei, allen irdischen Beziehungen entrückt, in überirdischer Jungfräulichkeit dem Vater geweiht. "Ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei Mir" (JOh.I6, 32). Jesu Leben ist ein stetes Fühlungnehmen mit dem Vater, ein am Herzen des Vaters Ruhen und Ausruhen. Jesu Auge sieht allüberall den Vater am Werke. Sein innerstes Begehren und Drängen geht auf den Vater, um Ihm zu dienen und zu leben, für Ihn sich zu opfern. Mit ganzer Innigkeit und Wärme, mit kindlicher Zutraulichkeit und Zuversicht übergibt Er sich den Armen des Vaters und betet auch in der tiefsten Not im 01- garten zum Vater: "Vater, nicht wie Ich will, sondern wie Du willst" (Matth. 26, 39). "Ich gehe zum Vater" in ununterbrochener Lebens- und Liebesverbundenheit mit dem Vater. Darum ist Jesu Inneres so voll Zuversicht, so voll Klarheit, so voll Entschlossenheit und Lebensmut, so voll Ruhe, Sanftmut, Festigkeit und Unerschütterlichkeit. "Ich gehe zum Vater."

Die mit Christus mitauferstandenen

. GI i e der, wir, die 'Getauften. "Wenn ihr mit Christus auferstanden seid, dann suchet, was droben ist; dann sinnet auf das, was droben ist, nicht auf das, was irdisch ist" (Kol. 3, I). "Sursum corda." Und wir antworten: "Habemus ad Dominum." "Ich gehe zum Vater." Er hat im innersten Heiligtum unserer Seele Seine Wohnung genommen: der Vater, der Sohn, der Heilige Geist. Hier haben wir unsere Welt, unser ganzes Gut, unser alles. Hier gibt Er der Seele Gehör. Hier spricht Er zu unserem Herzen. Hier darf ich Ihm begegnen und zu Ihm sprechen. So "will ich hingehen und die große Erscheinung sehen" (2 Mos. 3, 3). Der Ort ist heilig. Wie Moses

26*

388 IV. Die österliche Zeit: Vierte Woche nach Ostern. legen wir zuerst die Schuhe ab: die ungeordneten Neigungen des Herzens. Wir nehmen hierher weder Gold noch Silber mit (Matth. IO, 9): wir lassen alles. Wir verlangen von dieser Welt nichts .. Wir sind innerlich von allem frei und stehen über allem. Wir kennen keine ungeordnete Hingabe an das Zeitliche, so sehr auch die Welt sich um das Vergängliche bemühen mag. Wir "grüßen niema11d auf dem Weg" (Luk. 10, 4): wir bleiben bei keinem Geschöpf hängen. Wir hängen nicht sklavisch an der Arbeit, nicht am Gebet. Wir halten uns' nicht über den Nächsten auf. Wir werden nicht traurig, wenn die andern uns verlassen, verachten, uns nicht gewogen sind, uns ver demütigen und kränken. Wir machen uns vom eigenen Wil1en los und halten uns nicht an das eigene Urteil, an die eigene Meinung, an die Lockungen ·des Stolzes und des menschlichen Selbstgefühls, des Eigendünkels und der Eigenliebe. "Ich gehe zum Vater", an allem vorbei, über alles hinweg, mag es auch im Augenb\.ick noch so wehe tun oder noch so sehr locken. Unsere Gedanken und Gefühle, Neigungen und Wünsche sind auf den Herrn gerichtet. Wir lassen "die Toten ihre Toten begraben" (Matth. 8, 22) und ziehen tapferen Mutes in das Land der Lebendigen. Wir hängen an nichts, halten uns bei nichts und über nichts auf: wir sehen mit unirdischen, neuen Augen, und stel1en uns über die Eitelkeiten, die Unrast und Unruhe des irdischen Treibens der Menschen. "Ich gehe zum Vater." Das ist das Geheimnis des mit Christus Auferstandenen.

3. "Ich gehe zum Vater." In der Mitfeier der heiligen Messe. Da lege ich al1es, was der heutige Tag an Arbeiten, Leiden, Bitterkeiten und Schwierigkeiten bringen mag, auf die goldene Patene und trage es opfernd zum Vater. Ein kostbares Opfer der Liebe. "Nicht wie ich will, sondern wie Du willst." "Dein \Vil1e geschehe!" Da ziehen wir für den neuen Tag wieder den Trennungsstrich zwischen uns und dem alten, unerlösten Menschen des

Samstag: Ihr werdet weinen. 389

Egoismus und der Verhaftung ans Irdische, Augenblickliche. Opfernd lösen wir unsere Seele von jeder ungeordneten Begierde und Neigung los und bieten sie dem Herrn dar, daß wir Ihm gehören.

"Ich gehe zum Vater" im Alltag. Nicht bloß in den Prüfungen und 'Widerwärtigkeiten, sogar mit den Fehlern, die wir gemacht haben. Wir werden darob nicht unruhig oder traurig, mutlos, über uns selber zornig. Vielmehr eilen wir zum Vater, verdemütigen uns vor Ihm, bekennen und anerkennen unsere Schwachheit und Unwürdigkeit. Wir bitten um Verzeihung und flehen um die Kraft, treuer, wachsamer zu sein.

"Ich gehe zum Vater" im steten Flehen und Ringen um eine vollkommene Loslösung vom Ich, um eine wahre Armut des Geistes, um einen allumfassenden tiefen Glaubensgeist, um eine glühende heilige Liebe zu Gott und Christus, um eine vollkommene Vereinigung meines Willens mit Seinem unendlich heiligen Willen. Das ist das Leben des mit Christus Auferstandenen! Er darf einst selige Himmelfahrt feiern.

Ge b e t.

Wir bitten, 0 Gott, laß Dein Volk das lieben, was Du befiehlst, das ersehnen, was Du versprichst, a.uf daß unsere Herzen inmitten des Wechsels der irdischen Dinge dort verankert seien, wo die wahren Freuden sind. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Samstag der vierten Woche nach Ostern.

Ihr wer d e t w ein e n.

1. "Wahrlich, wahrlich, ihr werdet weinen und weheklagen und trauern. Aber eure Trauer wird sich in Freude verwandeln" (Evangelium). Das ist das Los derer, die zu Christus gehören, der heiligen Kirche und ihrer Kinder: "Ihr werdet (hier auf Erden) weinen und trauern", d. i. zu leiden haben.

39°

IV. Die österliche Zeit: Vierte Woche nach Ostern.

Denn "Christus mußte leiden und so in Seine Herrlichkeit eingehen" (Alleluj avers). Was sind 'die Leiden des Erdenlebens?

2. Der An t eil der G I i e der ehr ist i : "pie Er (Gott) vorhererkannt hat, die hat Er auch vorherbestimmt, dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig zu sein" (Röm. 8, 29). Es gibt hier auf Erden für den Menschen kein wahres Gut und kein echtes Glück, keine wahre Tugend und Heiligkeit außer in der Ähnlichkeit und in der lebendigen Verbundenheit mit Jesus. "Ich bin der Weinstock. Wer in Mir bleibt und in wem Ich bleibe, der bringt viele Frucht. Aber getrennt von Mir vermögt ihr nichts" (JOh.15, 5). Jesu Anteil auf Erden aber waren Armut, Niedrigkeit, Entbehrungen, Verkennung, Verleumdung, Verfolgung, Kreuz und Tod. Darf also der Anteil der Glieder J esu ein anderer sein? Müssen uns, wenn anders wir das Leben im Lichte des Glaubens ansehen, die Leiden der Gegenwart, die uns dem Herrn ähnlich machen, nicht als ein Gut, ein hohes, kostbares Gut erscheinen? Hätte sonst der Sohn Gottes, die ewige Weisheit, das Leiden erwählt und gesucht, wenn es nicht ein so großes Gut wäre? Wie haben unsere Heiligen sich zum Leiden gestellt! Sie haben es geradezu aufgesucht! "Leiden, nicht sterben!" So wollen auch wir das Erdenleben im Glauben ansehen!·

Ein Zeichen der Auserwählung. "Wenn wir Kinder (Gottes) sind, dann auch Erben. Erben Gottes und Miterben mit Christus: wenn wir mit Ihm leiden, damit wir auch mit ihm mitverherrlicht werden" (Röm. 8, 17). Leiden, "damit" wir mitverherrlicht werden! Ein engster Zusammenhang! "Unsere gegenwärtige Trübsal, die ja nur einen Augenblick währt, wirkt eine überschwengliche, alles überwiegende Herrlichkeit' in uns" (2 Kor. 4, 17). "Eure Trauer wird in Freude verwandelt werden" (Joh. 16, 20). Ja, so muß es sein und kommen. Gibt eS doch kein sichereres Zeichen der Aus-

Samstag: Ihr werdet weinen. 391

erwählung als die Ähnlichkeit mit Christus, dem gekreuzigten Haupte. Aus diesem Glauben heraus feiert die heilige Liturgie in der heiligen Osterzeit mit Vorliebe die Feste der Martyrer. Die Martyrer sind das eigentliche Gefolge des Königs der Martyrer, Christus. In Seinem Leiden und Sterben hat Er sich die Krone des Martyriums erobert und hat Er Jedes wahre Martyrium und Leiden geheiligt. Im Leiden und Sterben um Christi willen haben sich die Martyrer die Krone des ewigen Lebens erworben und sich die ewige Auserwählung gesichert. Gesegnet also die Leiden! Sie heilen uns von der Blindheit des Geistes gegenüber den Scheingütern dieses Lebens. Sie reinigen das Herz von den vielen ungeordneten Anhänglichkeiten an das Irdische, an Geld, Ehre, Menschenlob, MenschenuTteil und Selbstsucht. ,,0 ihr Unverständigen!" (Luk. 24, 25·) \Vir fürchten uns vor dem Leiden und sträuben uns dagegen. Ein geringes Leiden, und wir wissen nichts anderes mehr als zu klagen. Ein Wort, eine Verachtung, die Entziehung eines Vergnügens, das wir suchten: und wir sind unzufrieden, ärgerlich, unglücklich! Und doch wissen wir, daß es eine Schande ist, Christ zu sein und nicht mit Christus mitgekreuzigt zu werden!

3. In unsern Kirchen hängt vom Triumphbogen das Kreuz herab, in das Schiff der Kirche hinein. Hierher kommen sie zu beten und Kraft zu holen. Um was beten sie? Darum, daß das Kreuz von ihnen und den Ihrigen genommen werde. Ist das die Lehre des Kreuzes, das auf die Beter herniederschaut ? ,,0 daß du die Gabe Gottes erkänntest" (Joh. 4, 10). 'Wir sind dem KI'euze gegenüber noch so unverständig. \Vir sehen nur das Kreuz, nicht die Auferstehung, nur die Trauer, die Armut, die Verfolgung, nicht die "Seligkeit": "Selig die Armen, selig die Trauernden, selig die Verfolgung leiden" (Matth. 5, 3 ff.). Wie arm sind wir am Geiste Christi! Wie wenig erleuchtet!

392 IV. Die österliche Zeit: Vierte Woche nach Ostern.

Wir gehen zur heiligen Messe. Da sehen wir Ihn in Seinem Leiden und Sterben. Wir glauben unerschütterlich, daß Er durch Sein Leiden und Sterben die Welt erlöst, uns den Himmel erschlossen, uns alle Gnaden und die ewige Seligkeit verdient hat. Wir gehen heim, und es ist, als hätten wir alles, was wir in der heiligen Messe geschaut, wieder vergessen. Wir verstehen das Geheimnis des Gekreuzigten und Auferstandenen nicht. ,,0 ihr Unverständigen! Wie schwer wird es euch, zu glauben! Mußte nicht Christus dies leiden und so in Seine Herrlichkeit eingehen?" (Luk. 24, 25 f.) "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh. 14,6). Herr, mehre in uns den Glauben!

Ge be t.

Gott, Du lässest denen, die Dich lieben, alles zum Segen sein. Verleihe uns die Gesinnung unverbrüchlicher Liebe zu Dir, auf daß" keine Versuchung das Sehnen, das Du in uns geweckt, zu verdrängen vermöge. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

_ Die liturgische Meßfeier des vierten Sonntags nach Ostern.

I. Die Entwicklung der Oster geheimnisse schreitet mit sicheren Schritten voran. Heute halten wir bereits Ausschau nach der Ankunft des Heiligen Geistes, der in einer durchgreifenden Geistestaufe Ostern in uns vollenden soll. "Es ist gut für euch, daß Ich hingehe: denn wenn Ich nicht hingehe, wird der Tröster nicht zu euch kommen." Er wird kommen und defl Sieg Christi in der Welt, in der Kirche, in der Seele, auch in mir vollenden, indem Er die Welt davon überzeugt, daß es eine Sünde, eine Gerechtigkeit und ein Gericht gibt, und indem Er die Kirche und die Gläubigen in alle Wahrheit einführt.

2. Der IntroitU! schlägt frohe Ostertöne an:

"Singet dem Herrn ein neues Lied: alleluj a; denn der Herr hat Wunderwerke getan: Er hat (in Tod und Auferstehung) Seine Gerechtigkeit enthüllt", Seine Heilsgerechtigkeit, indem Er für uns dem Vater vollgültige Sühne leistete und uns in der heiligen Taufe das neue Leben mitteilte. Nun sind wir Gerechte geworden, gerecht vor den heiligen Augen Gottes, rein, angetan mit dem lichten Gewande der gerecht und heilig machenden Gnade, erstrahlend im Glanze der Gotteskindschaft und übernatürlichen Heiligkeit (Gerechtigkeit). Das ist die Frucht des Ostergeheimnisses. Voll Dank für das, was Christus in Seinem Sterben und in Seiner Auferstehung an uns gewirkt, stimmen wir in das "Gloria in excelsis" ein. Auf den jubelnden Dank folgt die Bitte: "Gib Deinem Volke, daß es liebe, was du gebietest, und nach dem sich sehne, was Du verheißest, damit bei allem Wechsel der zeitlichen Dinge unsere Herzen dort verankert seien, wo die wahren Freuden sind" (Oratio): die Bitte um wirksamen Ostergeist. So

394 IV. Die österliche Zeit: Fünfte Woche nach Ostern. beten wir .. eines Sinnes", alle für einen, einer für alle, aus katholischem, alle Mitchristen umfassenden Herzen. Dieser Ostergeist ist die gute Gabe, das vollkommene Geschenk, das von oben kommt, aus freier Liebe und Gnade uns mitgeteilt in der heiligen Taufe. Die .. gute Gabe" wird für den Getauften aber auch zur Aufgabe: "Leget ab alle, Bosheit und j eden Auswuchs von Schlechtigkeit: nehmt dafür mit Sanftmut das Wort an, das in euch gepflanzt ist und das eure Seelen zu retten vermag" (Epistel). Dankbar anerkennen wir, was Gott im Oster- und Taufgeheimnis an uns tut, und singen: "Alleluj a, die Hand des Herrn (Christi) hat sich (in unserer Auferweckung vom Tode der Sünde) mächtig erwiesen, die Hand des Herrn hob mich (in der heiligen Taufe) zur Höhe (des neuen, über Sünde und Fleisch erhabenen, übernatürlichen Lebens). Alleluja. Christus (und in Christus die Kirche, die Getauften) erstand von den Toten; Er stirbt nicht mehr. Alleluja." Christus, und mit Ihm die Kirche, lebt, zum ewigen Zeugnis, daß es für die Welt ein Verbrechen ist, wenn sie nicht an Ihn glaubt; zum Zeugnis, daß Er absolut sündelos und heilig ist, sonst könnte Er nicht zum Vater gehen; zum Zeugnis, daß der Teufel und mit ihm die Kirche Satans besiegt und schon gerichtet ist (Evangelium). Wir, die opfernde Kirche, stellen uns im heiligen Opfer entschlossen auf Christi Seite und bekennen freudig unser .. Credo - Ich glaube."

3· Er lebt! In der heiligen Wandlung tritt der Auferstandene in unsere Mitte, so wie Er am Osterabend zu Seinen Aposteln kam. Er lebt! Das heilige Opfer, das die Kirche, gedrängt und geführt vom Tröster, vom Heiligen Geiste, ununterbrochen feiert, ist das ununterbrochene beredte Zeugnis des Heiligen Geistes, daß Christus lebt, daß es also für die Welt eine Sünde ist, wenn sie an Christus nicht glaubt; das Zeugnis, daß Christus rein und heilig ist und d~ß Er dell Fiirsten qieser Welt in sich und

Sonntag: Christliche Geistigkeit. 395

in Seinen Geisteskindern besiegt hat und unaufhörlich weiter besiegt, im Opfer. Dieses Zeugnis des Heiligen Geistes wird in unserem Mitopfern, in unserem Mitsterben und Mitleben mit Christus, lebendig und nimmt greifbare Formen an. Der Heilige Geist drängt die Kirche, Priester und Gläubige, in der Feier (Mitfeier) der heiligen Messe ein Opfer mit Christus zu werden, damit unser Wille, unser Leben ähnlich wie die Brotsubstanz umgewandelt werde, damit aus unserem Wesen, Tun und Lassen, Christi Wesen, Christi Art, Christi Leben aufleuchte und die Welt an uns sehe und zum Bekenntnis genötigt werde: Er lebt! Er ist also Wirklichkeit, nicht ein leeres Phantom. Er ist rein, heilig. Er ist stärker als Sünde, Tod und Satan. Er ist Wirklichkeit, heilig, das Böse überwindend auch in den Seinigen, in jenen, die in der heiligen Messe mit Ihm ein Opfer geworden und sich im Opfermahl der heiligen Kommunion an Seinem Geiste und Wesen gesättigt haben. Hier werden sie derart umgewandelt, daß ihr Leben ein Zeugnis für Christus ist, für Christi Person, Heiligkeit, Sieg. So erfüllt sich in der heiligen Opferhandlung auf dem Altar das, was wir in der Vormesse gehört und geglaubt haben: Er lebt, und der Heilige Geist wird im Opfer auf dem

. Altar für Ihn Zeugnis ablegen und Ihn verherrlichen - auch in uns, die wir am Opfer teilnehmen. Die Feier der Heiligen Messe, für welche der Heilige Geist die Kirche aller Zeiten und Zonen heranbildet, wirkt um schaffend, christusbildend. Sie läßt immer aufs neue Christus auf dem Altar und im ·Herzen Seiner Kirche Wirklichkeit werden, leben, siegen (communio).

Vierter Sonntag nach Ostern. ehr ist I ich e Gei s t i g k e i t.

r. Mit der Auferstehung von den Toten ist Jesu Verherrlichung noch nicht vollendet. Er "geht ~um

396 IV. Die österliche Zeit: Fünfte Woche nach Ostern. Vater", um auch als Mensch Seinen Thron einzunehmen und die Herrschaft Gottes über die Welt mitzubesitzen als der verklärte Kyrios, "Herr". "Singet dem Herrn ein neues Lied: alleluj a" (Introitus). Er verläßt Seiner sichtbaren Gegenwart nach die Jünger, Seine Kirche, um ihnen an Seiner Stelle den Heiligen Geist zu senden: durch Ihn will und wird Er unsichtbar, geistig bei ihnen sein und bleiben. "Wenn Ich nicht hingehe, wird der Tröster nicht zu euch kommen. Gehe Ich aber hin, so werde Ich Ihn euch senden" (Evangelium).

2. "I c h geh e zum Va t er, der M ich g esandt hat." Jesus entzieht den Aposteln, der Kirche, Seine sichtbare Gegenwart. Sie müssen sich von Seiner irdischen Gestalt, von der Freude und der Anhänglichkeit an Seine sichtbare, fühlbare Nähe und an Seinen so wohltuenden, befreienden Umgang loslösen. Sie müssen vergeistigt sein: dann erst kann Er ihnen Seinen Heiligen Geist senden und sie zu Trägern des Geistes bestellen, die in der Kraft des Geistes die Welt erobern und in der Menschheit, allen \Viderständen und Hemmungen zum Trotz, Christi Reich aufrichten. "Ich gehe zum Vater." Ein Aufruf zur Vergeistigung, zur Verinnerlichung, zur Entmaterialisierung, zur Loslösung vom Sichtbaren, Greifbaren, Wägbaren, sei dieses noch so heilig, sei es sogar der Herr J esus Christus selber. Wir Menschen behandeln ja in unserer Frömmigkeit selbst den Herrn vielfach unheilig, ungeistig, unrein: wir verlangen nach fühlbarer Nähe, nach fühlbarem Erleben, Empfinden Seiner Gegenwart, nach spürbaren Ansprachen und Schauungen, nach greifbaren Beweisen Seiner Liebe und Zeichen Seiner Zufriedenheit, nach fühlbaren Gnaden und Tröstungen. Eine ungeistige, aufs Fühlbare abgestellte Frömmigkeit. "Es ist gut für euch, daß Ich hingehe." Vergeistigung! Das ist die Forderung der Liturgie der Zeit vor Pfingsten. Daß wir Herz und Geist zu dem yerli:'ei~tigten, verklärten, himm-

Sonntag: Christliche Geistigkeit. 397

lischen Christus erheben und uns über alles sinnlich wahrnehmbare Erfahren und Erleben emporarbeiten. Vergeistigung, gegründet auf den Geist des Glaubens, auf eine gänzliche Ausschaltung unserer selbstischen, egoistischen Triebe und Tendenzen, auf die reine Liebe, die nur Gott meint und nichts kennt und beabsichtigt als Gott und das, was von Gott kommt und zu Gott führt. "Es ist gut für euch, daß Ich hingehe: denn wenn Ich nicht hingehe, wird der Tröster nicht zu euch kommen."

.. I c h wer d e eu c h den T r ö s t e r sen den."

Jesus verläßt uns. Dafür, daß Er nicht mehr körperlich bei uns ist, sendet Er uns Seinen Heiligen Geist. Er hat uns die große Gottesgabe, den Heiligen Geist, in Seinem Leiden und Sterben verdient. Nun geht Er in den Himmel, um Ihn uns als "Tröster", als Beistand zu senden. Nicht, damit der Geist uns vor allen Leiden, Kämpfen, Versuchungen und Schwierigkeiten bewahre! Vielmehr dazu, daß Er in uns eine Gotteskraft sei, die uns stark macht, alle Pflichten zu erfüllen, alle Leiden zu tragen und zu überwinden, in allem aus dem Geiste und aus dem Sinne J esu heraus zu leben und zu wirken. In dem Mut zur Wahrheit, zur Demut. In der Liebe zum verborgenen, unbekannten Leben. In der Lieb.e zUr freiwilligen Armut, zur Erniedrigung vor den Menschen, zum Leiden. Mit einem Wort: in der Gleichförmigkeit mit Jesu Heiligem Geist. Der Geist drängt uns, daß wir in Jesus und für Jesus wirken. Daß wir für Jesus Zeugen, .. Martyrer" seien und uns freuen, um Jesu willen Schmach, Zurücksetzung, Unrecht, ja Beraubung der Güter und des Lebens zu leiden. Wie sehr bedürfen wir noch dieses Trösters und Beistandes! Wie innig müssen wir in diesen Wochen zum Herrn flehen, Er möge Seiner heiligen Kirche, Er möge uns allen Seinen Tröster senden.

3. Mit den Neugetauften haben wir in den großen Feiern und Symbolen der Ostertage den Herrn

398 IV. Die österliche Zeit: Fünfte Woche nach Ostern. gleichsam in fühlbarer Nähe erlebt und geschaut. Nun will uns die heilige Liturgie von den Freuden des Osterfestes in die Welt des Alltags, des Kampfes und der Leiden zurückführen. Sie will unser H.erz 1m Himmel verankern, uns von der Anhänglicbkeit und der allzu großen Sorge um das Irdische, um die Menschen, um das Geschäft emporheben, dahin, .. wo die wahren Freuden sind" (Oratio). Es gibt für uns Christen eine höhere Welt, die 'Welt des Jenseits, des Ewigen. Sie haben wir uns zu erringen. Dazu sendet uns der verklärte Herr den Heiligen Geist. Wir sehnen uns Seinem Kommen entgegen und flehen unaufhörlich: "Veni, Sancte Spiritus Komm, Heiliger Geist, und erfülle die Herzen Deiner Gläubigen. "

Das große Mittel zur christlichen .. Geistigkeit" ist die Mitfeier der heiligen Messe. Hier entsagen wir allem eigenen, menschlich-natürlich-egoistischen, bloß irdisch und zeitlich gerichteten Geist. Hier empfangen wir die heilige Eucharistie, das vergeistigte, verklärte Fleisch und Blut des Herrn, aus dem Sein Heiliger Geist in reichster Fülle auf uns überströmt (communio).

Ge be t.

o Gott, Du machst (durch den Heiligen Geist) die Herzen der Gläubigen eines Sinnes. So laß Dein Volk das lieben, was Du befiehlst, das ersehnen, was Du versprichst, auf daß unsere Herzen inmitten des Wechsels der irdischen Dinge dort verankert seien, wo die wahren Freuden sind. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Montag der fünften Woche nach Ostern.

Die gut e Gab e.

I. In der Epistel redet Jakobus zu uns, der' .. Gerechte", mit Petrus und Johannes eine "Säule der Kirche" (Gal. 2, 9), der erste Bischof von Jeru-

Montag: Die gute Gabe.

399

salem. Er wendet sich zunächst an die Judenchristen, in ihnen an uns alle.

2. Die "g u t e Gab e" ... Keiner sage, wenn er versucht wird: Ich werde von Gott versucht. Denn Gott kann nicht zum Bösen versucht werden, und Er versucht auch selbst niemand (d. i. reizt niemand zum Bösen). Vielmehr wird ein jeder versucht (zur Sünde verlockt), indem er von seiner Begierde (böse Begierlichkeit) gereizt und angelockt wird." Von Gott kann nur Gutes kommen. Was Gott gibt und geben kann, ist immer eine .. gute Gabe und ein vollkommenes Geschenk". So hat Er uns, die Getauften, .. a\ls freiem Willen (d. i. aus unverdienter Gnade) durch das \Vort der Wahrheit gezeugt, damit wir gewissermaßen die Erstlinge Seiner Schöpfung seien". Das ist die gute Gabe, das vollkommene Geschenk Gottes an uns: die Gnade der Wiedergeburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geiste. Wir sind die Auserwählten, zuerst und vor allen andern Gott geweiht und geheiligt, Kinder Gottes. Wir danken heute innig für dieses vollkommene Geschenk der Liebe und des Erbarmens Gottes. Wir fragen in Demut: \Varum hat Gott gerade mir diese gute Gabe zugedacht, vor Millionen, die würdiger wären als !eh? Warum wird Er nicht müde, diese kostbare Gabe mir, dem Unwürdigen, immer von neuem zu schenken? In dem Sakrament der Buße und des Altares. In den Beistandsgnaden. Es ist Seine Liebe.

Die F ru c h t der gut e 11 Gab e. ..Darum sei jedermann schnell zum Hören, langsam aber zum Reden und langsam zum Zürnen. Denn der Zorn des Menschen tut nicht, was vor Gott recht ist. Leget darum alle Bosheit ab und nehmet mit Sanftmut das Wort an, das euch eingepflanzt wurde und das eure Seelen zu retten vermag." Langsam zum Reden! Und langsam zum Zorn, zur Aufregung, zum Ärger, zur Bitterke~t und Gereiztheit. Denn der Zorn des Menschen (der Mensch im Zorn, in der

400 IV. Die österliche Zeit: Fünfte Woche nach Ostern. Erregung) tut nicht, was vor Gott recht ist. Die Frucht der guten Gabe ist heilige Schweigsamkeit und Zurückgezogenheit im Leben mit Gott. Und Sanftmut, aus übernatürlicher Einstellung heraus geborene Geduld und Seelenruhe. die alle "Bosheit" und Gehässigkeit fernhält, alle Ungeduld und Gereiztheit überwindet und ausschließt. Diese Sanftmut entspringt dem Feuer der Liebe und der Selbstüberwindung, der Stille der von Gott und Christus ergriffenen und geläuterten Seele. In ihr ist die Ichwut des verletzbaren, empfindlichen, ungeduldigen Menschen mit all der geschwollenen Wehrhaftigkeit des niederen, ungeistigen. nicht wiedergeborenen Menschen durch eine neue Art der Abwehr ersetzt. Die christliche Sanftmut ist Stärke, ist Herrschaft über die niederen Triebe, über die Eigenliebe, über die Verletzbarkeit, Empfindlichkeit und Herrschsucht des bloß natürlich denkenden Menschen. Sie ist Heldentum, aus dem Göttlichen geboren. Der Zorn des Menschen aber, di,e Ungeduld, Gereiztheit sind nicht aus dem Göttlichen, aus dem Grunde der Wiedergeburt, aus der Gnade geboren. Er ist Schwäche, die sich unter der ungereinigten Energie des \Vortes und der Tat verbirgt, des Wiedergeborenen unwürdig. "Selig die Sanftmütigen" (Matth. 5, 5)·

3. Mit der Liturgie des vierten Sonntags nach Ostern erkennen wir in der .. guten und vollkommenen Gabe", die vom Vater des Lichtes herabsteigt, den Heiligen Geist, den wir erwarten. Durch das Wort hat Gott uns zu Seinen Kindern gemacht. Durch das Wort, d. i. Christus, gibt Er uns den Heiligen Geist. Nur müssen wir unsere Seele auf Seine Ankunft bereitet haben, in Gebet, in heiligem Schweigen, in innigem Verlangen.

Wenn wir heute im Opfergang der heiligen Messe unsere Gaben zum Altare tragen, dann stimmen wir dankbar in die Worte des Offertoriums ein: .. Jubelt Gott, ihr Lande (Herzen) alle, singet Psalmen Sei-

Dienstag: Es gibt eine Sünde. 401

nem Namen. Kommt und hört; euch allen, die ihr Gott in Ehrfurcht dient, will ich künden, was der Herr in meiner Seele Großes wirkte. Alleluj a." Erlösung von der Sünde. Wiedergeburt zur Gotteskindschaft und zum Mitbesitz des Lebens und Geistes Christi, Berufung in die Gemeinschaft der heiligen Kirche, Erfüllung mit dem Heiligen Geiste!

Gebet.

o Gott, Du machst die Herzen der Gläubigen eines Sinnes. So laß Dein Volk das lieben, was Du befiehlst, das ersehnen, was Du versprichst, auf daß unsere Herzen inmitten des Wechsels der irdischen Dinge dort verankert seien, wo die wahren Freuden sind. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Dienstag der mnften Woche nach Ostern.

E s gib t ein e S ü n d e.

r. ,;Wenn Er (der Heilige Geist) kommt, wird Er der Welt beweisen, daß es eine Sünde gibt, die Sünde daß sie an Mich nicht geglaubt haben" (Evangelium). Das ist die große Sünde der Juden: sie glaubten nicht an Jesus, trotz aller Weissagungen des Alten Bundes, die an J esus sich erfüllten; trotz der Wunder, die Er vor ihren Augen tat; trotz Seiner Auferstehung am Ostermorgen, deren unfreiwillige Zeug'en sie wurden. So wird, nachdem der Herr in den Himmel eingegangen ist, der Heilige Geist der Welt jen Beweis erbringen, daß die Juden unrecht getan, daß sie nicht an J esus glaubten. Und daß alle unrecht tun, die nicht an J esus glauben. Das ist die große Sünde: der Unglaube.

2. Der H eil i ge Gei s t wir k tin den A p os tel n. Er kommt am Pfingstfest auf die Apostel herab und ruft sie auf, Zeugen der Auferstehung des Herrn zu sein. In der Kraft des Heiligen Geistes tritt Petrus vor die Massen und bekennt: "Diesen hat Gott auferweckt: des sind wir alle Zeugen" Baur, Werde Licht I H, 26

402 IV. Die österliche Zeit: Fünfte Woche nach Ostern. (Apg. 2, 32). Der Heilige Geist wandelt die Apostel völlig um. Sie waren furchtsam - jetzt sind sie voll unerschrockenen Mutes und heiliger Kühnheit. Sie waren unverständig - jetzt sind. sie mit himmlischer Erkenntnis erfüllt und reden eine Sprache, der die Gegner nicht gewachsen sind. Sie hatten ihren Herrn und Meister in Seiner Passion yerlassen, ja Petrus hatte Ihn verleugnet - jetzt sind sie die furchtlosen Künder der Lehre und Auferstehung des Herrn. Dazu ein Zweites. Der Heilige Geist gibt ihnen die Kraft, Wunder zu wirken, die niemand leugnen oder mißdeuten kann. So bringt es der Heilige Geist der \Velt zum Bewußtsein: es ist unrecht, Sünde, nicht an Jesus zu glauben, den die Apostel predigen und bezeugen. Wir bewundern dieses Wirken des Heiligen Geistes in den Aposteln und freuen uns für Jesus, daß Ihm der Heilige Geist durch die Apostel vor der ganzen Welt das Zeugnis ablegt: "Er ist der Stein, der von den Bauleuten verworfen ward, der aber zum Eckstein geworden ist. In Ihm 'allein ist Heil. Denn kein anderer Name unter dem Himmel ist den Menschen gegeben worden, durch den wir das Heil erlangen sollen" (Apg. 4, Ir 12).

Der Heilige Geist wirkt in der Kirche ehr ist i. Er legt in sie die Gabe der Heiligkeit und der Wunder. Eine Kirche, welche Heilige hervorbringt, trägt das Siegel ihrer Geburt aus Gott an sich. Dieses untrügliche Siegel drückt der Heilige Geist der Kirche Christi auf. Er wirkt in ihr den Heroismus der vollkommenen Gottes- und Nächstenliebe. "Daran soll man erkennen, daß ihr Meine Jünger seid, daß ihr einander liebet" (JOh.13, 35). Heilig ist ihre Lehre. Heilig ist ihre Moral. Heilig sind ihre Sakramente. Heilig ist ihre Liturgie, ihr Gebet. Heilig ist ihr Leben. Heilig sind ihre Kinder, die ungezählten Millionen der Seligen des Himmels. Heilig sind viele ihrer Kinder hier auf Erden. Das alles wirkt der Heilige

Dienstag: Es gibt eine Sünde. 403

Geist. Jedermann kann und muß diese Kirche als die von Christus, dem Herrn, gestiftete und von Gott bestätigte wahre Kirche erkennen. Das zweite Siegel, das der Heilige Geist der Kirche Christi aufgedrückt, ist das Siegel der Wunder. Auf Seine Wunder hat der Herr hingewiesen: sie sollen und müssen Seine göttliche Sendung erweisen. Sie sind auch das Zeichen, an dem man die Kirche erkennen und unterscheiden kann, die Er, Christus, gegründet hat. "Sie (die Apostel) zogen hinaus und predigten iiberall. Und der (erhöhte) Herr wirkte mit ihnen (durch den Heiligen Geist) und bekräftigte ihre Worte durch Zeichen (Wunder)" (Mark. 16,20). Die Apostelgeschichte ebenso wie die Geschichte unserer katholischen Kirche ist nichts anderes als die Geschichte der Erfüllung der Verheißung des Herrn:

"Siehe, Ich bin bei euch alle Tage" (Matth. 28,20). Der handgreifliche, anschauliche, jedermann gegenwärtige und leicht verständliche Beweis des Heiligen Geistes an die Welt, daß es unrecht und Sünde ist, an Jesus nicht zu glauben. "Wenn der Heilige Geist kommen wird, dann wird Er der Welt beweisen, daß es eine Sünde gibt", die große Sünde des Unglaubens, die Sünde, daß "sie nicht an Mich

. geglaubt haben". Wir erkennen und bej ahen dankbar und freudig das Wirken des Heiligen Geistes in den Aposteln und in unserer heiligen katholischen Kirche. Wir stehen mit neuer, unerschütterlicher Treue zu unserem Herrn: .. Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben." Ich glaube. Herr, mehre in uns den Glauben.

3. "Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden. \Ver nicht glaubt, wird verdammt werden" (Mark. 16, 16). Es sind heute so viele, die es den Juden nachmachen und nicht an Jesus lJ'lauben. Sie können unschwer das Wirken des HeilIgen Geistes erkennen, fast mit Händen greifen. Die Heiligkeit der Kirche, ihre wunderbare Einheit im Glauben,

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404 IV. Die österliche Zeit: Fünfte Woche nach Ostern, die Wunder, die von ihren Heiligen auch heute noch gewirkt werden, sprechen laut vom Zeugnis des in ihr lebenden und wirkenden Heiligen Geistes ... Es ist unrecht, es ist Sünde; nicht an Jesus zu glauben." Wir bedauern die Verblendeten, Verführten, Verhetzten, um den wahren Glauben Betrogenen. Wir beten und opfern für sie, damit sie erkennen, daß sie unrecht tun, wenn sie nicht zu J esus kommen, und daß es nur eine Rettung und ein Heil gibt: an J esus zu glauben.

Die Kirche lebt in jedem von um. Auch ich persönlich muß das Siegel des Heiligen Geistes tragen: in meinem Denken, Reden, Tun und Lassen. Ich muß ein lebendiger, jedermann mit Macht sich aufdrängender Beweis für Christus sein. Alle sollen sie an mir erkennen, was der christliche Glaube, das Christentum am Menschen.Großes, Heiliges, Wunderbares wirkt. Und alle sollen sie so zum Bekenntnis genötigt sein: Jesus ist die Wahrheit. Das muß -die Frucht der Mitfeier der heiligen Messe, der heiligen Kommunion, der vielen Gebete und Betrachtungen sem.

Geb e t.

Reiche, 0 Herr, Deinen Gläubigen vom Himmel her Deine Hand, damit sie Dich mit ganzem Herzen suchen und zu erlangen verdienen, um was sie geziemend bitten. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Mittwoch der fünften Woche nach Ostern.

"E s gib t ein e Ger e c h ti g k ei t."

I. "Wenn Er (der Heilige Geist) kommt, wird Er der Welt beweisen, daß es eine Gerechtigkeit gibt: denn Ich gehe zum Vater" (Evangelium). Das ist die zweite Aufgabe, die der Heilige Geist der Welt gegenüber zu erfüllen hat.

2. Die W e I t e r k I ä r t J e s u s für unh eil i g, für nicht gerecht. Sie schlägt Ihn ans Kreuz, mitten

Mittwoch: "Es gibt eine Gerechtigkeit." 405

zwischen zwei Verbrecher. Sie verwirft Ihn und setzt Ihn einem gemeinen Missetäter, einem Barabbas an die Seite, ja setzt Ihn ihm nach, als wäre Er noch ein größerer Übeltäter als dieser. Sie stempelt Ihn heute nicht weniger als zu Seinen Lebzeiten zum LÜgner und Betrüger großen Formats. Sie verurteilt und verwirft wie Seine Person so auch Seine Lehre. Er predigt das große Gebot: Du sollst den Herrn deinen Gott lieben und den N ächsten wie dich selbst; die Welt predigt die Eigenliebe und treibt sie bis zur Hintansetzung Gottes und zur Verachtung alles dessen, was Gott dient. Er predigt Heteronomie, d. i. Unterwerfung unter Gottes Gebot und Willen; die Welt predigt Autonomie, Selbstbehauptung, Selbstherrlichkeit, Unabhängigkeit, Freisein von Gott. Jesus predigt den Weg der Demut; die Welt aber will, daß der Mensch seinem eigenen Geiste folge und nichts kenne als den eigenen Willen und die Erfüllung und Durchsetzung der eigenen Wünsche. Jesus predigt die Armut im Geiste, die Sanftmut, die Abwcndung vom bloß Irdischen, Diesseitigen und von den eitlen Freuden und Genüssen der Welt. Ihm gilt: .. Selig, die Hunger und Durst Q.aben nach der Gerechtigkeit (Heiligkeit). Selig. die reinen Herzens sind. Selig, die um Jesu willeIl Verfolgung leiden", sich ihrer Ehre und Güter berauben lassen. Die Welt lacht und spottet über solche Grundsätze und Ideale. Sie stellt der Lehre J esu ihre eigenen Maximen entgegen. Genau so behandelt sie J esu Stiftung, die heilige Kirche, deren Dogma, Moral, Kult, Autorität, Priestertum. Was sind die langen Reihen der Häresien und Schismen anderes als eine Ablehnung der Kirche Christi? Wie wird sie von allen Seiten verdächtigt, als die Entartete hingestellt, die Betrügerin, die nicht J esu und Gottes Sache suche, sondern nur von Machthunger, Ehrgeiz und Habsucht geleitet sei! Die Welt erklärt J esus für unheilig, für nicht gerecht.

"E s gib t ein e Ger e c h ti g k e i t, weil Ich

406 IV. Die österliche Zeit: Fünfte Woche nach Ostern. zum Vater gehe." Wie könnte Jesus zum Vater gehen und in den heiligen 'Wohnungen Gottes Aufnahme finden, wenn Er wirklich der Unheilige, der mit Ungerechtigkeit und Sünden Belastete wäre,. als den Ihn die Pharisäer von ehedem, die Welt von gestern und heute ausgibt und behandelt? "Ich gehe zum Vater." \Venn der Tröster kommt, der Heilige Geist, so ist Er die göttliche Gewähr dafür, daß Jesus, der Gekreuzigte, der von der Welt als Lügner und Betrüger Gebrandmarkte, beim Vater ist. Denn: .. Wenn Ich nicht (zum Vater) hingehe, wird der Tröster nicht zu euch kommen. Gehe Ich aber hin, so sende Ich Ihn euch." Er hat den Tröster gesendet. Also ist Er beim Vater, erhöht, m.it Herrlichkeit gekrönt. Göttlich bestätigt und anerkannt ist die Heiligkeit und Gerechtigkeit Seiner Person,. Seiner Lehre, Seiner Ansprüche, Seines Wandels. Göttlich bestätigt und anerkannt ist Sein Anspruch, der Sohn Gottes, die 'Wahrheit, der Weg, das Leben zu sein. Göttlich bestätigt ist die Forderung, die Er an uns stellt: "Wer Mich vor den Menschen bekennt, den werde auch Ich vor dem Vater bekennen" (Matth. 10, 32). "Wer Mir nachfolgen will, verieugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir" (Matth. 16, 24). Göttlich bestätigt ist Seine Weissagung: "Himmel und Erde werden vergehen, aber Meine Worte werden nicht vergehen" (Matth. 24, 35). Göttlich bestätigt und anerkannt ist die Heiligkeit Seiner freiwilligen Armut, Seiner Demut und Selbsterniedrigung, Seiner Liebe zu Gott und den Seelen, Seines Leidens und Seiner Hingabe in den Tod am Kreuz. Göttlich anerkannt und bestätigt ist die Heiligkeit Seiner Stiftung, der heiligen Kirche, ihres Dogmas, ihrer Moral, ihres Geistes, ihrer Heiligen, ihres innern und äußern Lebens. "Es gibt eine Gerechtigkeit, weil Ich zum Vater gehe."

3. "Es gibt ellle Gerechtigkeit." Sie ist verkörpert in Jesus. "Du allein bist der Heilige." "Singet dem

Donnerstag: "Es gibt ein Gericht." 407

Herrn ein neues Lied: aileluj a. Denn Wunderbares; hat der Herr getan: enthüllt hat Er (in der Sendung des Heiligen Geistes) im Anges,ichte der Völker Seine (J esu) Heiligkeit (Gerechtigkeit), alleluj a, alleluj a, alieluj a."

.. Es gibt eine Gerechtigkeit." Nicht die Gerechtigkeit der Welt. Einzig und allein J esus ist von Gott als der Gerechte bestätigt und aufgenommen. Nur bei J esus ist die wahre Tugend und Heiligkeit. Nur bei J esus und bei der Ihm zur Lebenseinheit verwachsenen, mit Jesu Geist erfüllten l1nd durchlebten Kirche.

Wir verstehen den Sinn der heiligen Liturgie, wenn sie den Empfang der heiligen Kommunion mit den bedeutungsvollen \Vorten begleitet: .. Wenn der Tröster kommt, der Geist der Wahrheit, wird Er der Welt beweisen, daß es eine Sünde, eine Gerechtigkeit und ein Gericht gibt, alleluja, alleluja." In der heiligen Kommunion pflanzt Jesus Seinen Heiligen Geist in unsere Seele hinein, mit jeder heiligen Kommunion tiefer. Wir gehen von der Kommunionbank weg, in den Beruf, in die Familie, in den Arbeitsraum, und beweisen in unserer gesamten Einstellung und Geisteshaltung: es gibt eine Sünde - ich verurteile und hasse sie; es gibt eine Gerechtigkeit - ich denke, urteile, handle, lebe wie J esus, dessen Geist mich durchdringt und erfüllt.

Ge be t.

Der Heilige Geist ergieße sich in unsere Herzen und mache sie rein, 0 Herr. Er besprenge mit Seinem Tau ihr Innerstes und befruchte es. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Donnerstag der fünften Woche nach Ostern . .. E s gib t ein Ger ich t."

I. "Wenn Er (der Heilige Geist) kommen wird, wird Er der Welt beweisen, daß es ein Gericht g-ibt,

408 IV. Die österliche Zeit: Fünfte Woche nach Ostern. weil der Fürst dieser Welt schon gerichtet ist" (Evangelium). Ein dritter Beweis, den der Heilige Geist der vVelt erbringen wird: Der Fürst dieser Welt, Satan und mit ihm und in ihm die Welt selbst, sein Reich, ist gerichtet, als ungerecht erwiesen. 'Bei Christus ist das Recht und die Wahrheit.

2. J e s u s hat den Für s t end i e seI' vV e I t ger ich te t. Zuerst in Seinem Tode am Kreuze. "J etzt ergeht das Gericht über diese Welt, jetzt wird der Fürst dieser vVelt hinausgestoßen" (Joh. 12, 31). Jetzt, "wenn Ich von der Erde erhöht sein werde (am Kreuze)", im Tode Jesu. Er läßt sich von der vVe!t ungerecht verurteilen und morden. So hängt Er am Kreuze. Er ist ein mit unschuldigem, ungerecht vergossenem Blut geschriebenes, allen verständliches VerdammungsUl·teil über das Urteil, das der Fürst dieser Welt, Satan, und seine Diener, die Juden und der Römer Pilatus, über den Unschuldigen, Sündelosen, göttlich Reinen ausgesprochen haben. Er richtet über den Fürsten dieser Welt ein zweites Mal: in Seiner Auferstehung aus dem Grabe. In ihr hat Er das Urteil, das sie über Ihn gefällt, Er sei ein Gotteslästerer, Er tue Seine Wunder mit Hilfe und in der Kraft des Teufels, unwiderleglich Lügen gestraft. Gott selbst hat Ihn in der Auferweckung von den Toten vor aller Welt als den Gerechten, den Sohn Gottes hingestellt und erwiesen. Ihm haben alle das Knie zu beugen. Alle müssen sie bekennen: Christus ist der Kyrios, der Herr (Phi!. 2, rr). So ist Satan und mit ihm die Welt gerichtet. Ihr Urteil über Christus, über das Evangelium, über die Kirche J esu, über den christlichen Glauben, die christliche Sitte, über den Sinn des Lebens, über den Wert und Unwert der Güter dieser Welt ist als falsch erwiesen. "Jetzt, im Tode und in der Auferstehung Christi, ergeht das Geticht über diese Welt, jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgestoßen", entthront. Bei Dir, Herr, ist das Recht. Die \Velt ist Lüge, Betrug, Falschheit, ein

Donnerstag: "Es gibt ein Gericht." 409

unlauteres Spiel. Gib, daß ich sie ganz erkenne und mi,t ganzem Abscheu mich von ihr wende!

Der Heilige Geist richtet über den Für s t end i e s e r W e I t. Er kommt, nachdem der Herr zum Vater gegangen ist, um das Gericht J esu über die Welt zu bekräftigen und durch die langen Jahrhunderte der Kirchengeschichte zu bestätigen. Die Welt meinte, mit dem Morde an J esus habe sie auch Seine Sache, Seine Lehre, Sein Evangelium, Seine Stiftung begraben und aus der Wett geschafft. Da kommt der Heilige Geist und tritt für den Gekreuzigten ein. J esu Evangelium nimmt mit ungeahnter Schnelligkeit die Geister und Herzen gefangen, in den Städten, auf dem Lande. Die Juden verwerfen es: dafür wenden sich ihm die Heiden zu. Sie glauben und lassen sich taufen. Sie scharen sich um Christus, den Gekreuzigten, und sprechen ihr:

"Abrenuntio - Ich widersage dem Satan." Ich widersage der Welt mit ihren Eitelkeiten, dem Weltsinn und dem Weltgeist. Der Heilige Geist schafft eine neue Welt, die 'Welt Christi. Die Gläubigen "waren ein Herz und eine Seele. Niemand betrachtete etwas \'on dem, was er besaß, als sein Eigentum. Alles hatten sie miteinander gemeinsam. Es gab keinen

. Bedürftigen unter ihnen. Große Gnade ruhte auf ihnen allen" (Apg. 4, 32 ff.) ... Sie beharrten in der Lehre der Apostel, in der brüderlichen Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet. Sie priesen Gott und waren beim ganzen Volke beliebt. So führte der Herr ihneIl täglich andere zu, die sich retten ließen" (Apg. 2, 42 ff.). Verschwunden ist die falsche Einschätzung der Erdengüter ; es gibt keine Habsucht mehr und keinen Neid und keine Zwietracht; nur ein Herz und eine Seele; nur ein frohes Leben und Dulden für Gott und Christus; keine Selbstherrlichkeit und stolze Selbstbehauptung, sondern nur demütige Unterwerfung unter das Wort der Apostel, der Kirche. "Der Fürst dieser \Velt ist gerichtet." Gerichtet und verurteilt sind seine Grundsätze, sein

4IO IV. Die österliche Zeit: Fünfte Woche nach Ostern. Geist, seine Einstellung zum Leben. Und nicht bloß in der Urkirche. Das Ideal der Urkirche wandert mit der Kirche durch die Jahrhunderte und J ahrtausende, in Millionen treuer Christenherzen, in .den großen Gemeinden der Mönche des Orients und des Okzidents, in den vielen religiösen Gemeinschaften, die heute den Stolz und die Zierde der heiligen Kirche bilden. Vor allem in den Heiligen, die der Kirche Christi nie fehlen. Das ist das Gericht des Heiligen Geistes über den Fürsten dieser 'Welt, über die Gerichte, Urteile, Grundsätze der Welt. "Alles, was in der Welt ist, ist Augenlust (Neugierde, Habsucht), Fleischeslust und Hoffart. Es stammt nicht vom Vater, sondern von der \Velt. Doch die Welt vergeht mit ihrer Lust" (I Joh. 2, 16). Sie ist gerichtet, verurteilt, als Lügnerin erwiesen. Sie ist auch für uns gerichtet! Wir wollen keinen Anteil an ihr haben.

3. "Der Fürst dieser Welt ist schon gerichtet."

Das ist das Osterlied der Kirche, der Seele. Satan ist besiegt, entthront. Freilich nicht so, daß ihm vom Herrn, zu unserem Besten, nicht noch ein Gnadenstündlein eingeräumt wäre. Er darf noch über die Erde gehen. Er benutzt die ihm von Gott zugestandene Stunde mit allem Eifer, um die Welt zu täuschen, zu belügen, zu verblenden, zu verführen. Er läßt seine Lüge, seinen Betrug wie einen Blitz aufleuchten, vom Aufgang bis zum Niedergang. Die Welt schaut den Blitz und hält bei diesem Aufflammen still, als wäre es das Aufstrahlen der Wahrheit, als ob es Achtung verdiente. Es ist' Satan gelungen, das Antlitz der Menschen, das sich doch von Natur aus zum Himmel erhebt, auf die Erde zu wenden. Von ihm getäuscht, haben auch viele von uns Christen ihr Herz dem Erdhaften und Vergänglichen zugewandt. Wo ist der Ostergeist, der Taufgeist, der das sucht, was droben ist, nicht das, wai; auf der Erde? (Kol. 3, r.)

Donnerstag: "Es gibt ein Gericht." 41 I

.. Der Fürst dieser Welt ist schon gerichtet."

Nicht bloß in Christus, dem Auferstandenen, sondern mit Christus, dem Haupte, auch in uns, den Gliedern. In uns muß die Verurteilung des Fürsten dieser Welt immer lebendig sein, wie in Christus, dem Herrn: in unserm Denken, Wollen, Reden, Tun. Jeder Tag, jedes unserer Werke muß ein Gericht über Satan sein. Durch unsern Glauben an J esus, den Gekreuzigten und Auferstandenen; durch unsere Liebe, mit der wir demjenigen leben, der "mich geliebt und sich für mich hingegeben hat" (Gal. 2, 20); durch die unverbrüchliche Treue gegen unsern heiligen Taufschwur, gegen unsere christlichen Grundsätze und Ideale; durch das entschiedene Nein zu den Einflüsterungen und Lockungen zum Bösen .

.. Der Fürst dieser Welt ist schon gerichtet." Was sagen wir? Warum sind wir nicht mehr, viel mehr mit der Siegeszuversicht und Siegeskraft der Osterliturgie erfüllt? 'Warum so viel Angst vor dem .. brüllenden Löwen" (I Petr. 5, 8), vor dem bellenden Hund, der an der Kette liegt? (Hl. Augustinus.)

"Er wird Mich verherrlichen." Das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche, in den Getauften, i'st ein Gericht über Satan und die Welt. Es ist dadurch eine dauernde Rechtfertigung, Bestätigung und Verherrlichung Jesu. Ein Beweis, daß Jesus Gottes Sohn, daß Seine Worte wahr, Seine Tugend echt, Seine Verheißung untrüglich! .. Er wird Mich verherrlichen", auch in mir. In der Kraft der heiligen Kommunion will Er mich umwandeln, zum neuen, geistigen Menschen machen, auf daß ich im praktischen Leben ein Gericht über Welt und Satan sei (communio).

Ge be t.

o Gott, Du hast uns durch den erhabenen Austausch der Gaben, der sich beim Opfer vollzieht, der einen höchsten Gottheit teilhaftig gemacht. Wir

4 12 IV. Die österliche Zeit: Fünfte Woche nach Ostern. bitten Dich nun: wie wir Deine Wahrheit erkennen, so laß sie uns auch durch einen würdigen Wandel uns aneignen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Freitag der fünften Woche nach Ostern.

F u r c h tun d L i e b e.

I. ,,0 Gott, laß Dein Volk das lieben, was Du befiehlst" (Oratio). Das Gebot, den Willen Gottes lieben, ihn lieben in allen seinen Formen und Kundgebungen! So denkt sich und wünscht sich die heilige Kirche den Getauften, den mit Christus zum neuen Leben Erstandenen. Um diese Gnade flehen wir füreinander.

2. ..D i e F u r c h t des Her r n ist der A nfang der Weisheit" (Ps. IIO, 10). Am Anfang des geistlichen Lebens steht die Furcht Gottes. Solange wir noch vorwiegend mit der Sünde zu ringen haben, nimmt die Furcht vor der unerbittlichen Gerechtigkeit Gottes einen großen Raum in unserem innerlichen Leben ein. Vor unserem Geiste stehen Gottes Strafgerichte über die Sünder, Gottes gerechter Zorn über uns, die Hölle mit ihren nie endenden Qualen. Die Erfahrung unserer sittlichen Sch wäche, die vielen Versuchungen, die uns locken, die beständigen Möglichkeiten und Gelegenheiten, zu fallen. Weiterhin die Erfahrung, daß wir den Gnaden Gottes so wenig entsprechen, daß wir unsere Pthchten vielfach ungenau und unvollkommen erfüllen, daß wir das meiste aus natürlichen Beweggründen und Antrieben tun statt aus dem übernatürlichen Beweggrund der Liebe zu Gott. Die Erfahrung, daß wir so wenig gesammelt, so reizbar und ungeduldig, gegen den Nächsten so ungefällig sind. Die Erfahrung, daß wir voll der Eigenliebe und Fehler sind. All das erfüllt uns und muß uns mit einer beständigen geheimen Furcht vor Gottes Gerichten erfüllen. Die Furcht Gottes hat uns in der Tat durch das ganze Leben zu begleiten. Sie ist eine

Freitag: Furcht und Liebe.

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unentbehrliche Stütze und ein steter Ansporn . .,Selig, wer den Herrn fürchtet" (Ps. IIr, I) . .,FürchteGott und (so) meide das Böse. Die Furcht des Herrn haßt das Böse" (Spr. 3, 7; 8, 13). "Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit."

.. D uso 11 s t den Her r n Dei n enG 0 t t li e ben" (Matth. 22, 37). Die Furcht des Herrn ist notwendig: aber die eigentliche Dominante, das Leitmotiv des christlichen Lebens ist die Liebe und darf nur die Liebe sein. Die Liebe allein ist Gottes würdig: Er verdient unsere Liebe ob Seiner unendlichen Vollkommenheit und Gutheit; ob der vielen 'Wohltaten, die Er uns gegeben; ob der Güter, die Er uns dereinst im Himmel geben wird . .,Du sollst den Herrn Deinen Gott lieben": das ist das erste und größte Gebot. Gott verlangt unser Bestes und Letztes, die Liebe. Und Er verdient es. Er allein. Die Liebe ist es auch, die unser Herz in Wahrheit umgestaltet, es Gott zuwendet und es wirksam vom Geschaffenen loslöst. Sie allein macht das Herz weit und stark, daß wir für Gott alles tun und tragen und opfern. Die Furcht macht, daß wir das Böse meiden, aber sie erhebt uns nicht dazu, daß wir das Gute tun. Di~ Liebe wirkt bei des zugleich: sie zieht uns vom Bösen, ja von allem Schein des Bösen ab und drängt uns zum Guten, vom Guten zum Besseren, zum Vollkommenen, aUen Schwierigkeiten und Hemmungen zum Trotz. Die Furcht denkt allzusehr noch an das eigene Ich: sie kann nicht hochherzig sein, sie hält sich an das Gebot, an die Pflicht und genügt sich damit, eben das zu tun, was sein muß. Anders die Liebe. Sie gibt mehr, als sie muß. Sie hält das, was sie tut, für zu wenig, für nichts. Sie und sie allein versteht das Wort des Herrn: .. Wenn ihr alles getan habt (was euch vorgeschrieben ist), dann sprecht:

Unnütze ·Knechte sind wir, wir haben nur getan, _was wir mußten" (Luk. 17, ro). Wem der Heilige Geist die Liebe in die Seele gelegt und das Herz erweitert hat, dem hat Er für eine weitere, voll-

414 IV. nie österliche Zeit: Fünfte Woche nach Ostern. kommenere Auffassung des Gebotenen Raum gemacht. Er legt in die Seele die Gabe der Frömmigkeit, d. i. das Streben und Verlangen, Gott zu gefallen, einen Heißhunger, den Willen Gottes zu tun. "Meine Speise ist es, daß Ich den Willen dessen tue, der Mich gesandt hat" (Joh. 4, 34). Dann unterscheidet die Seele nicht mehr zwischen Gebundenheit und Freiheit, Gebotenem und Vollkommenem, das nicht geboten wäre. Wo immer sich eine Gelegenheit bietet, die Flamme der Liebe zu nähren, da ergreift sie sie mit brennender Begier. Sie fragt nicht mehr, wozu sie verpflichtet sei. Sie hat das Geheimnis entdeckt: sie erfüllt alles, was ihr möglich ist; dann ist sie sicher, daß sie das erfüllt, was geboten ist. Sie liebt das Gebot Gottes, den Willen Gottes. Nun ist der Mensch ein Freier, trotz der Gebundenheit durch das Gebot: er lebt nicht unter dem Gebot, er seufzt nicht unter dem Gebot wie der Sklave, er sucht nicht sich ihm, soweit es nur irgend möglich ist, zu entziehen. Wer liebt, der spricht mit dem Psalmisten: "Mein Anteil (meine Lust) ist es, Dein Gebot zu halten, Herr" (Ps. I r8, 57). Er weiß sich als Kind Gottes. Und deshalb ist es sein Verlangen, auch über das Cebot hinaus alles zu erfüllen, womit er dem Vater eine Freude machen kann. Gottes Gebot lieben!

3. Um diese große Gnade und Tugend bittet die Liturgie für die Gläubigen zu Gott. Das Höchste im christlichen Leben ist die Liebe. Sie erfüllt Gottes Gebot. Denn "darin besteht die Liebe zu Gott, daß wir Seine Gebote halten" (I Joh. 5, 3). Aber sie erfüllt sie nicht aus Furcht vor der Strafe, nicht aus Zwang wie der Sklave, auch nicht bloß oder zuvörderst um des Lohnes willen, sondern um dem zu gefallen, dem sich der Christ in der heiligen Taufe frei und freudig ergeben.

Liebe und Tat der Liebe gehen zusammen. Nur das sind vollkommen gute Werke, die aus Liebe geschehen. Die Liebe ist die 'Wurzel, die Seele der

Samstag: Sehnsucht nach eiern E:wlgen. 41 ~ Tugendwerke; die Werke, die Erfüllung der Gebote, sind die Nahrung, das Wachstum, die Lebensbedingung der Liebe. Wer gute Werke will, wer die Gebote Gottes gut und vollkommen erfüllen will, der wahre die Liebe. Und wer die Liebe will, der tue Werke der Liebe. Wer die Vollkommenheit will, der strebe mit aller Kraft nach Mehrung der Liebe durch die unermÜdliche Übung der guten \Verke, der Erfüllung der Gebote Gottes, und sei zu jedem bereit, das ihm zu vollbringen möglich ist.

Ge be t.

o Gott, Du machst die Herzen der Gläubigen eines Sinnes. So laß Dein Volk das lieben, was Du befiehlst, das ersehnen, was Du versprichst, auf daß unsere Herzen inmitten des Wechsels der irdischen Dinge dort verankert seien, wo die wahren Freuden sind. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Samstag der fünften Woche nach Ostern.

S e h n s u c h t 11 ach dem E w i gen.

1. .. Laß Dein Volk das ersehnen, was Du versprichst, auf daß unsere Herzen inmitten des Wechsels der irdischen Dinge dort verankert seien, wo die wahren Freuden sind" (Oratio). Ganz Himmelfahrtsstimmung, ganz Jenseitseinstellung!

2. "Was Du versprichst." "Vater", so fleht unser Heiland im hohen priesterlichen Gebet, "laß jene, die Du Mir gegeben hast, bei Mir sein an dem Ort, wo Ich bin, damit sie die Herrlichkeit sehen, die Du Mir gegeben hast" (Joh. 17, 24). Das ist uns vom Vater versprochen: Wir werden dort sein, wo J esus ist, in der Herrlichkeit des Vaters. Durch die heilige Taufe sind wir Kinder Gottes geworden. Wenn aber .. Kinder, dann auch Erben: Erben Gottes und Miterben Christi" (Röm. 8, 17). Der Herr geht hin, uns im Himmel eine Wohnung zu bereiten. Dort sollen wir Gemeinschaft haben mit dem Vater (I Jo11.

416 IV. Die österliche Zeit: Fünfte Woche nach (>,tern. I, 3), mit dem Sohne und mit dem Heiligen Geiste, d. i. das heilige, unendlich reiche und vollauf sättigende Leben der drei göttlichen Personen mitbesitzen und mitgenießen : Gott schauen, Gott lieben, im Genusse Gottes ewig ruhen. Gottes Seligkeit ist dann unsere Seligkeit, Gottes Leben unser Leben, das vollkommene Leben, in dem alle unsere Anlagen und Kräfte ihre seligste Entfaltung und Erfüllung finden. Wenn wir wÜßten, was Gott uns bereitet hat! Wie würden wir uns dann um dieses einzig Notwendige bemühen! Ja, Vater, laß uns mit ganzer Seele ersehnen, was Du uns versprichst. Laß uns das Irdische, Gcgenwärtige vergessen und uns nur noch nach dem ausstrecken, was vor uns liegt!

.. L a ß uns e reH erz end 0 r t ver a n k e r t sei n, wo die wahren Freuden sind." Der Getaufte "wartet". Er läßt die Dinge der Zeit an sich vorbeigehen, als gingen sie ihn weiter nichts an; er besitzt sie und gebraucht sie, als besäße und gebrauchte er sie nicht. Er hat den Schwerpunkt seines Denkens und Strebens ins Jenseits verlegt, in die \Velt über den Stcrnen. Er lebt ganz in dem, was nach diesem Leben kommen wird. Vor seinem Geiste steht eine Zukunft voll Glück und seligste'n Besitzes und Genusses. Sie ist ihm gewährleistet im Besitz der heiligmachenden Gnade und der Gotteskindschaft, die ihm in der heiligen Taufe geworden ist. Sie ist ihm gewährleistet in der Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn, des Hauptes, dem er lebendig eingegliedert ist. "Gott hat uns mit chri~ stus lebendig gemacht, in Christus J esus uns mitauferweckt und mit in den Himmel versetzt, um so (an uns) in den zukünftigen Zeiten (im Himmel) den überschwenglichen Reichtum Seiner Gnade zu zeigen" (Eph. 2, 4). Was bedeuten also ihm, dem im Überzeitlichen Verwurzelten, die Dinge und Genüsse dieser \Velt? Er kann .. warten". Das Irdische ist ihm nie Ruhe im Genuß. Nur Triebkraft und Antrieb zum Aufwärts, zum Höheren, zum Ewigen

Samstag: Sehnsucht nach dem Ewigen. 417

und Unvergänglichen, zum allein Notwendigen und Sinnvollen. Keine Lockung der Welt, kein Erdengut, kein vViderstand, keine Verleumdung, keine widrigen Verhältnisse, keine Leiden und Mißerfolge können ihn verwirren oder abschrecken. Er hat den Schatz im Acker, er hat die kostbare Perle entdeckt: nun gibt er alles andere hin, um den Schatz, um die Perle, das Jenseits, zu erwerben. Der J enseitsgedanke wird Kraft zum Opfern, zum Entsagen, zum Kämpfen, zum Verzeihen, zum stillen Tragen. Er wird insbesondere Kraft zum Apostolat an den unsterblichen Seelen. Kraft zur hingebenden, helfenden Liebe, die auch dem Bruder und der Schwester in Christus die wahren Güter erwerben hilft. Der Jenseitsgedanke wird zur Tatkraft, die stärker ist als der Weltsinn, stärker als der Naturdrang, stärker als Selbstsucht und Tod. "Gott, laß Dein Volk das ersehnen, was Du versprichst."

3. "Selig die Armen im Geiste. Selig die Sanftmütigen. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. Selig die Barmherzigen. Selig, die reinen Herzens sind." Das sind die wahren Christen. Heldenseelen, im Jenseits verankert.

. Das Diesseitsleben ist Ruhe im Genuß, in der Enge der Selbstbehauptung und der Selbstsucht, im Sumpf der Augenlust (Habsucht), der Fleischeslust und der Hoffart des Lebens. Leider gehen so viele Christen im Diesseits auf. Ostern wollte sie zum neuen Menschen umbilden, zum auferstandenen, im Jenseits verankerten Menschen, zum Helden. Und sie bleiben im Sumpf des alten Menschen stecken, Schwächlinge, Diesseitsmenschen. So flehen wir aus ganzer Seele mit der heiligen Liturgie für sie alle: "Laß unsere Herzen dort verankert sein, wo die wahren Freuden sind."

"Sursum corda!" ruft uns der Priester zu, bevor wir in das Heiligtum der Konsekration eintreten. Wir antworten: "Habemus ad Dominum - Wir haben unsere Herzen beim Herrn." Wirklich beim

Baur, Werde Licht I U.

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418 IV. Die österliche Zeit: Fünfte Woche nach Osten Herrn? Nicht mehr nur beim Geschäft, bei de Gesundheit, bei sonst einem Götzen? Sehen, sucher tun wir in Wahrheit alles im Blick aufs Jenseits Immer mit der Frage auf den Lippen: Was hat da für einen Wert für die Ewigkeit?

Ge be t.

o Gott, laß Dein Volk das lieben, was Du be fiehlst, das ersehnen, was Du versprichst, auf da unsere Herzen inmitten des Wechsels der irdische Dinge dort verankert seien, wo die wahren Freude sind. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Die liturgische Meßfeier des fünften Sonntags nach Ostern.

1. 'Wenige Tage noch, und die Osterzeit im engeren Sinne des Wortes schließt mit dem Feste der Himmelfahrt des Herrn ab. \Vas Wunder, daß in der heutigen Liturgie sich Ostern und Himmel-

fahrt in eigener Art begegnen!

2. Lauter Osterjubel leitet im Introitus die Meß-

feier ein. Es ist, als ob der Dank für unsere M itauferweckung in der heiligen Taufe noch einmal mit ganzer Frische und Kraft zum Himmel emporsteigen wollte ... Der Herr hat Sein Volk (in der heiligen Taufe) erlöst. Alleluj a." Und mit dem Dank zugleich die Bitte, daß die Ostergnade uns verble~be, auch wenn die Osterfeier vorübergegangen sein wird. Diese Bitte legen wir flehend in das Kyrie eleison hinein. Wir geben ihr den klaren und vollen Ausdruck im Tagesgebet : .. Gib uns, daß wir unter der Anregung Deiner Gnade das im Sinn haben, was recht ist, und unter Deiner Leitung es im Werk vollbringen" (Oratio). Fastenzeit· und Ostern haben den Gläubigen so reiche Erkenntnisse gebracht. Aber was wir erkannt haben, das müssen wir leben ... Geliebteste, seid Befolger des Wortes Gottes und nicht bloß Hörer" (Epistel). So mahnt ser Apostel Jakobus in seiner ernsten, eindringlichen Art. Das ist die Forderung des Ostertages, der heil igen Taufe: die christliche Lehre leben! Und der Prüfstein? .. Reine, makellose Frömmigkeit vor Gott ist dies: \lv'itwen und Waisen in ihrer Trübsal besuchen und sich unbefleckt 'bewahren von dieser Welt". Nächstenliebe und Bruch mit Sünde und W e!t ~ Eine große Aufgabe, die uns Ostern stellt! Sie bekommt im Evangelium einen neuen Akzent. "Ich gehe zum Vater." Zum Vater gehen, weg,

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420 IV. Die österliche Zeit: Sechste Woche nach Ostern. immer mehr weg, empor· aus den Niederungen und Hemmungen, in die wir durch die Erbsünde verstrickt sind: das ist der tiefe Sinn der Osterfeier und der heiligen Taufe, die wir empfangen. "Bittet,

, und ihr werdet empfangen." Der zum Vater gent, geht nicht dorthin, um einzig für sich zu leben und zu genießen. Er will dort unser Mittler sein, in dessen Namen wir bitten und Erhörung finden. Durch Christus, den heimgegangenen Mittler, gehen auch unsere Bitten und Wünsche "zum Vater". Vertrauensvoll, entschlossen, den Ostergeist im Leben zu betätigen, beten wir unser Credo - Ich glaube, und singen das siegesbewußte Opferlied : "Preiset den Herrn, unsern Gott, ihr Völker alle! Er hat mich durch die Osterfeier dem Leben neu gegeben (heilige Taufe) und läßt meine Füße nicht wanken."

3·, "Ich bin vom Vater ausgegangen und bin in die vVelt gekommen, Ich verlasse wiederum die Welt und gehe zum Vater." Was das Evangelium in diesen vVorten ausspricht, wird in der heiligen Meßfeier Wirklichkeit. Da steigt Er in der heiligen Wandlung als Gott und Mensch geheimnisvoll auf die Welt herab. Jubelnd begrüßen wir Ihn: "Heilig, heilig, heilig. Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn." Jetzt sind wir die Jünger des Evangeliums und vernehmen aus Christi Munde die tröstlichen Worte: "Wenn ihr den Vater in Meinem N amen um etwas bittet, so wird Er es euch geben. Bisher, bevor ihr durch den Empfang der heiligen. Taufe mit dem in der heiligen Messe sich opfernden Christus eins geworden, mit Ihm und durch Ihn betet, habt ihr nicht in Meinem Namen gebetet", in heiliger Gebets- und Opfergemeinschaft mit Christus. Aber jetzt, im Opfer der heiligen Messe, ist das Gebet des opfernden Christen eins geworden mit Christi Gebet, ganz aufgenommen, ja gleichsam (wie die Brotsubstanz ) umgewandelt in Christi Gebet, und wird durch Christi reine Hände vor den Vater getragen. Deshalb, weil wir in Christus eingegangen

Sonntag: Gebet im Namen J esu. 421

sind, dehnt der Vater in der heiligen 1\1 esse die Liebe, die Er zu Christus trägt, auf uns, die Mitopfernden, aus und erfüllt das Wort Christi: "Der Vater liebt euch, weil ihr Mich geliebt habt." Deshalb sprechen wir nach der heiligen Wandlung so kindlich vertrauend unser "Vater unser". Da lassen und vergessen wir das Irdische und Niedere, da erstehen wir täglich mit dem sich opfernden Christus zu einem neuen Leben und "gehen zum Vater", mit Christus und durch Ihn, und werden Kinder Seiner Liebe. "Der Vater liebt euch" und erweist an euch Seine Liebe, wie im Opfer, so insbesondere im Opfermahl der heiligen Kommunion. "Verkündet freudig Sein Heil, alleluj a." Die heilige Kommunion ist die Antwort des Vaters auf unsere Gebets- und Opfergemeinscµaft mit Seinem Sohne, auf unser:

"Ich gehe zum Vater." "Der Vater liebt euch, weil ihr Mich geliebt und geglaubt habt, daß Ich vom Vater ausgegangen bin."

Fünfter Sonntag' nach Ostern.

G e b. e tim N a m e n J e s u.

I. "Kündet den Freudenruf, daß man ihn höre: alleluj a; kündet bis an das Ende der Erde: befreit hat der Herr Sein Volk, alleluja, alleluja, alleluja" (Introitus). Das ist die Osterbotschaft des heutigen Sonntags: das Erste, das Wichtigste im Bewußtsein und Leben des Christen ist die Tatsache: wir sind Erlöste, wir sind Kinder Gottes! Nun ist uns der Himmel offen. Und offen steht uns das Herz des Vaters. "Wahrlich, wahrlich sage Ich euch: wenn ihr den Vater in Meinem Namen um etwas bittet, so wird Er es euch geben" (Evangelium). VIer darf sich glücklicher schätzen als wir?

2. "B i s her hab t ihr u m n ich t s i n m ein e m Na m eng e be t e n." Wohl hatten die Apostel den Herrn ersucht: "Herr, lehre uns beten" (Luk. 11, I), und Er hat sie das Vaterunser gelehrt. Wohl haben

422 IV. Dieösterliche Zeit: Sechste Woche nach Ostern. sie Ihn angefleht: ,,1'Iehre unsern Glauben" (Luk. 17, 5). Gleichwohl haben sie bisher nicht in Seinem N amen, um Seines Todes, um Seines für uns vergossenen I3lutes willen zum Vater gebetet. Sie konnten es nicht; denn erst mußte der Herr im Opfer am Kreuze Sein Blut und Leben hingegeben haben. Erst mußte Er als der Hohepriester des N euen Bundes eine "ewige Erlösung gewirkt haben" und mit Seinem eigenen Blut in das Allerheiligste des Himmels eingegangen sein (Hebr. 9, ~I). Sein 1\1 ittleramt übt der Herr erst vom Tage Seiner Himmelfahrt an aus. So hatten die Apostel bisher noch nicht im Namen J esu beten können. Auch aus einem andern Grunde nicht. Bisher, bis vor Seinem Leiden und Sterben, war ihnen Christus noch nicht als das aufgegangen, was Er wirklich war und sein wollte. Immer hatten sie von einem irdischen Thron und Glanz des Herrn geträumt. Daß Er leiden und sterben sollte, das war ihnen unfaßbar. \Vie konnten sie in Seinem N amen beten, solange sie Ihn nicht als das nahmen, was Er in Wirklichkeit war? Erst nach Seinem Tode, nach Seiner Auferstehung und Himmelfahrt und nach dem Empfang des Heiligen Geistes am Pfingsttage hatten sie Ihn erkannt. Jetzt verstanden sie, daß nur der im Namen J esu betet, der SIch in seinem Gebet ganz und vollkommen auf die Verdienste, auf das Leiden und Sterben des Herrn stützt und um des I3lutes J esu willen zum Vater fleht. Derjenige, der in Geistes- und Gesinnungsgemeinschaft mit dem freiwillig armeri, mit dem demütigen, mit dem gekreuzigten Herrn zum Vater kommt. Derjenige, welcher bereit ist, mit dem Herrn gehorsam zu werden bis zum Tode und der mit Jesus sprechen kann: "Meine Speise ist es, daß Ich den 'Willen dessen tue, der NI ich gesandt hat" (Joh. 4, 34). Haben wir erst den Geist, die Gesinnung J esu, Seine Bereitschaft gegenÜber dem Gebot, dem Willen und 'Wohlgefallen Gottes, dann dÜrfen wir unser Gebet III J esu Gebet hineinlegen. Dann

Sonntag: Gebet im Namen Jesu. 423

wird unser Beten dem Beten J esu angeschlossen, in Sein Beten aufgenommen, von Ihm anerkannt und als Sein eigenes Gebet dem Vater empfohlen. Es findet sichere Erhörung.

"B i t t e t, und ihr wer d e t e m p fan gen, und eure Freude wird vollkommen sein" (Evangelium). Das ist die Verheißung, die dem Gebet im Namen J esu gegeben ist. "Ihr werdet empfangen." Unser Heiland hat in Seinem und in des Vaters Namen dafür die feierliche Verpflichtung übernommen, daß uns gegeben werden wird, um was immer wir in Seinem Namen bitten (Joh. 14, 13)· ImGebet ist uns also das große, unfehlbare Mittel gegeben, um von Gott Licht und Kraft, Gnade und Hilfe zu erhalten. "Wer bittet, der empfängt. Wer sucht, der findet. Wer anklopft, dem wird aufgetan" (Luk. I I, 10). Wer nicht bittet, empfängt nicht. Wer wenig bittet, empfängt wenig. Wer viel bIttet, empfängt viel. So ist es ein heiliges Gesetz der Gnadenordnung, durch die Erfahrung, durch die Geschichte der Kirche bestätigt und garantiert. Es ist das Gesetz: "Den Demütigen gibt Gott Seine Gnade" (I Petr. 5, 5). Das Gesetz: "Die Hungrigen erfüllt Gott mit GÜtern, die Reichen, Satten, läßt Er leer ausgehen" (Luk. I, 53). Im Gebete verlassen wir uns selbst, treten aus uns heraus und gehen zum Vater. Warum? Wir sind uns unseres eigenen Elendes und unseres Ungenügens bewußt; wir anerkennen und bekennen in Demut unser Nichts, unsere Leerheit und Unzulänglichkeit; wir bekennen demütig, daß wir uns selber nicht helfen, aus uns selber nicht leben und nichts Gutes tun können. Darum erheben wir unsere Seele zu Gott, von dem jede gute Gabe kommt (J ak. I, 17). \Vir erschließen die Tore unseres Wesens der Unermeßlichkeit Gottes, auf daß in uns das Licht und die Kraft Gottes einströme. Beten ist ein Aus- und Einatmen der Seele, ein Ausatmen des eigenen Nichts, ein Einatmen Gottes. Ein uns selber Verlassen und ein uns an Gott Hingeben. Sollen

424 IV. Die österliche Zeit: Sechste Woche nach Ostern. wir das Leben Gottes, das uns in der heiligen Taufe mitgeteilt ist, bewahren und nähren, dann mÜssen wir uns in Gott aushauchen und Gottes Licht und Kraft einatmen. "ViI' tun es im Gebet. Und darum gibt es ohne Gebet keine Gnade. Nur wer sich in Demut erniedrigt, aus sich und seinem Nichts heraustritt und Gott einatmet, nur der kann erhöht werden. Nur "wer bittet, empfängt".

3. "Wenn ihr den Vater in Meinem Namen um etwas bitten werdet, so wird Er es euch geben:' Wir bitten den Vater im Namen Jesu vorzÜglich, wenn wir in der richtigen Opfergesinnung die heilige Messe mitfeiern. Da nehmen wir Seinen heiligen Leib, Sein kostbares Blut, den Preis unserer Erlösung, als unsere Opfergabe in unsere Hände und heben es zum Vater empor. "Wir, Deine Diener (die Priester) und Dein heiliges Volk, bringen Deiner erhabenen Maj estät ein reines, ein heiliges, ein makelloses Opfer dar, das heilige Brot des ewigen Lebens und den Kelch des immerwährenden Heils." Da spricht Sein Leiden und Sterben, Sein Blut für uns. Da tritt Er für uns ein und macht unsere Anliegen und Bitten zum Gegenstand Seines hohenpriesterlichen, bei Gott allvermögenden Gebetes. Da ist Er unser Mittler und Anwalt. Da erfüllt sich die Verheißung: "B ittet, und ihr werdet empfangen, und eure Freude wird vollkommen sein." Und dann kommt Er, der geopferte Herr, in der heiligen Kommunion in unser Herz. Da ist unser Herz Sein Tabernakel. Er lebt in uns und betet in uns. Er hebt unser Beten in Seine Anbetung, Huldigung, Danksagung hinein und legt es, ein in sich unansehnliches Weihrauchkörnchen, in das Weihrauchgefäß Seines betenden Herzens hinein. Es wird mit Seinem vollkommenen Beten verbunden und steigt zum Vater empor. "Durch Ihn und mit Ihm und in Ihm" wird so dem Vater auch von uns "alle Ehre und Verherr-

lichung". .

"Alleluj a. Ich bin vom Vater ausgegangen und

Montag: Katholisches Beten, 425

in die Welt gekommen. Ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater. Alleluja." Er ist der Mittler beim Vater. Er hat uns den Himmel aufgeschlossen, den Zutritt zum Vater frei gemacht. Nun dürfen wir, Kinder des Vaters, sprechen: "Vater unser." Unser erstgeborener Bruder betet in uns und mit uns, wir mit Ihm und in Ihm, in Seinem Namen, auf Seine Verdienste gestützt. So wird unser Beten alles vermögen.

Unter einer Bedingung! "Reine und unbefleckte Frömmigkeit vor Gott dem Vater ist dies: Waisen und vVitwen in ihrer Trübsal besuchen und sich von dieser \Velt unbefleckt bewahren." Und: "Wenn einer glaubt, fromm zu sein, aber seine Zunge nicht beherrscht, dessen Frömmigkeit ist eitel" (Epistel),

Gebet.

o Gott, von Dir kommt alles Gute; drum schenk uns auf unser Flehen die Gnade, von Dir erleuchtet, zu denken, was recht ist, und, von Dir geleitet, eli auch zu vollbrinl;en. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Montag der sechsten Woche nach Ostern.

Kat hol i s c h e s B e t e n.

J. Heute begehen wir den ersten der drei Bitttage, die dem Feste der Himmelfahrt des Herrn unmittelbar voraufgehen. Im Sinne der Liturgie steigen mit dem in den Himmel einziehenden Herrn zugleich auch unsere Gebete zum Vater empor. Christus ist in Seiner Auffahrt der vVegbereiter, der Vermittler, der Anwalt. Die Kirche veranstaltet die Bittprozessionen. "Erhebe Dich, Herr, und befreie uns um Deines Namens willen." Herr, erbarme Dich. Christus, erhöre uns. Alle Heiligen, bittet fÜr uns: daß uns Verzeihung werde, Schutz gegen die Feinde der Kirche und der Seelen, Friede und Eintracht unter den Völkern; daß ein Hirte und ein

426 IV. Die österliche Zeit: Sechste Woche nach Ostern. Schafstall werde und alle, alle gerettet werden. Dann legt die Kirche ihre Gebete auf die Patene, in die Hande des sich in der heiligen Messe mit ihr und für sie opfernden Herm. Er trägt ihre Bitten vor den Vater.

2. "W 0 Z w e iod erd I' e i in Me i n e m N am e n ver sam m e 1 t s i n d, da bin Ich in ihrer Mitte" (Matth. 18, 20). Das Beten des Christen ist wesenhaft ein katholisches Beten, ein Beten in und mit ,der Gemeinschaft. Wer einmal verstanden hat, was Beten im Sinne Christi ist, der weiß sich in seinem Beten zum Ganzen gehörig. Er weiß, daß nichts so sehr dem Geiste Christi und des Kindes Gottes entgegen ist als die Isolierung. "Vae soli! Wehe dem, der sich isoliert" (Pred. 4, 10). Der Christ weiß sich in seinem Beten von Brüdern umgeben und gestÜtzt. vVenn er Gott "aus ganzem Herzen" liebt, dann meint er nicht sein Herz allel11, ohne die Herzen der andern. Er fühlt es: Jesus, Maria, die Heiligen und Seligen des Himmels haben zusammen mit dem wahren Christen hier auf Erden nur ein Herz, das Herz J esu. W'enn er Gott aus "ganzer Seele" liebt, dann meint er nicht seine Seele allein: er meint die Seele aller. Gotteskinder, im Himmel und auf Erden und im R~inigungsorte. Sie alle sind, kraft der Liebe zu Gott im Heiligen Geist, nur eine Seele. vVenn er betet, dann weiß er: alle im Himmel und auf Erdcn beten, ein Herz und eine Seele, mit ihm das eine Vaterunser, das eine "Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto", das eine Ave Maria. Er hat in seincm Beten ein tiefes, lebendiges Empfinden für das Ganze. Er schaltet sein Beten in das Beten der großen Gemeinschaft ein. Auch wenn er körperlich allein betet, ist er sicl1 dessen bewußt, daß keiner allein, isol iert zum Vater kommen darf: nur als ein Herz und eine Seele mit den übrigen Gotteskindern zusammen. Sonst kann der Vater kel11e Freude an ihm haben. Man muß sich zusammen retten. Man muß ZUsammen l!:um Vater kommen,

Montag: Katholisches Beten. 427

sich miteinander bei ihm vorstellen. Wer isoliert betet, betet engherzig, egoistisch. Er stellt sich aus dem Ganzen heraus. Er betet nicht: "Vater unser. Unser tägliches Brot gib uns heute. Vergib uns unsere Schuld. Erlöse uns von dem übel." Er versteht nicht, daß nur der Gemeinschaft, dem M itund Füreinander die Verheißung gegeben ist: "Wenn zwei oder drei versammelt sind, bin Ich in ihrer Mitte", ih I' Gebet stützend, ergänzend, zum Vater

tragend.

"Da bin Ich in ihrer Mitte", als Mittler

bei Gott. "N iemand kommt zum Vater als nur durch Mich" (Joh. 14, 6). Nur durch Ihn und in der Gemeinschaft mit Ihm finden wir mit unserem Gebet Zutritt zum Vater. Er trägt uns, die wir mit Ihm vereint sind, in das Heiligtum der Gottheit. Er führt uns mit sich in "das Allerheiligste" (Hebr. 9, 12). Durch Ihn sind wu' ja Kinder Gottes geworden und dürfen wir zum Vater gehen. Durch Ihn und in Ihm leben, fühlen, wirken wir als K inder Gottes und erfÜllen wir die Aufgaben, die uns aus unserer Gotteskindschaft erwachsen. Auch die Aufgabe, uns im Gebete dem Vater als Kinder zu nahen. Wir können also in Wahrheit nur insoweit wahrhaft beten und. im Gebete zum Vater kommen, als wir dies tun mit Christus und durch Christus. Er muß in unserer Mitte sein. Er ist da, wo zwei oder drei in Seinem N amen versammelt sind, in gegenseitiger Liebe, als ein Herz und eine Seele. "Ich habe (in der heiligmachenden Gnade) die Herrlichkeit der Gotteskindschaft, die Du Mir gegeben hast, ihnen gegeben, damit sie eins seien, wie Wir, Vater, Sohn und Heiliger Geist, eins sind. Ich werde in ihnen sel11, wie Du in Mir bist" (JOh.17, 22 f.), in dem Grade, als sie in ihrem Beten eins sind in heiliger Geistes-, Herzens- und Gebetsgemeinschaft miteinander. Da ist Er in der 1\1: itte der Betenden als der Chorführer und Vorbeter. Da hört der Vater aus dem Gebete der Gemeinschaft die Stimme des geliebten Sohnes

428 IV. Die österliche Zeit: Sechste Woche nach Ostern. heraus. Da findet unser Gebet Erhörung. In der Gemeinschaft des Betens berÜhren wir uns mit Christus und Seinem Gebet. Er trägt und vereinigt in sich die ganze Kirche. Gott wendet Sein Wohlgefallen und Seine Gnade zunächst nicht dem einzelnen, sondern der Kirche, der Gemeinschaft zu, den einzelnen nur dadurch und insoweit, als sie sich der Gemeinschaft der Kirche anschließen. Je inniger wir betend in die Gemeinschaft der Kirche, der großen Kirche, der Teilkirche, der Pfarrei, der Fa~ milie, der Ordensfamilie eingehen, äußerlich und innerlich, um so gottgefälliger, heiliger, fruchtbarer ist unser Gebet. "Wenn zwei oder drei in Meinem Namen versammelt sind, da bin Ich in ihrer Mitte."

3· Wie also, wenn wir mit unserer Umgebung in Feindschaft leben? v\Tenn wir hassen, gegen die Liebe reden, handeln? Kann da unser Gebet ein Gebet in der Gemeinschaft, im Namen J esu sein? Wenn wir es ernstlich erwägen wollten!

In den Bittprozessionen betet die Kirche die Litanei von Allen Heiligen. Die streitende Kirche vereinigt sich betend mit der Kirche des Himmels, mit Maria, der Königin der Heiligen, mit den heiligen Engeln, den Aposteln, den Martyrern, den Bekennern und Jungfrauen. Ein unübersehbares Heer heiliger Beter. Ihnen vereinigt, ruft sie zum Herrn:

Sei uns gnädig! Von allem Übel erlöse uns! Daß Du uns Deine Gnade, Deinen Schutz und Hilfe gewährest: wir bitten Dich, erhöre uns. Dann läßt sie die vielen Bitten an den Vater folgen. Sie trägt sie zu Gott durch den Mittler J esus Christus, unsern Herrn! "Wenn zwei oder drei in Meinem Namen versammelt sind, dann bin ich in ihrer Mitte." Wie wirksam muß die Bittprozession sein! Hätten wir nur mehr Glauben!

Die Kirche weiß sich erhört. "Von Seinem heiligen Tempel aus erhörte Er mein Rufen, alleluj a" (Introitus). "Alleluj a. Preiset den Herrn, denn Er ist gut; denn ewig währet Sein Erbarmen. Alleluj a."

Dienstag: Beten ist notwendig. 429

Ge be t.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, laß uns, die wir in unserer Drangsal auf Deine Güte bauen, unter Deinem Schutz gegen alles Unheil stets gesichert sein. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Dienstag der sechsten Woche nach Ostern.

Be t e n ist not wen d i g.

I. "Bittet, und ihr werdet empfangen. Suchet, und ihr werdet finden. Klopfet an, und es wird euch aufgetan." Die große Verheißung, die der Herr dem Betenden macht. Gestützt auf diese herrliche Verheißung, machen wir die Bittprozession und die Rogationsmesse mit.

2. "V i e I ver mag das Ge be t des G ere c h t e n. Elias war ein Mensch, den Leiden unterworfen wie wir. Er betete eifrig, daß es nicht regnen möge auf Erden: und es regnete drei Jahre und sechs Monate nicht mehr. Da betete er abermals, und der Himmel gab Regen, und die Erde brachte ihre Frucht" (Epistel). So groß ist die Kraft und Fruchtbarkeit des beharrlichen, eifrigen Gebetes des Elias, des Gerechten. Die Bestätigung der Verheißung des Herrn: "Bittet, und ihr werdet empfangen." Welches wird dann die Kraft des Gebetes der Kirche sein? Wenn sie alle die Hände zum Vater erheben: die Heiligen des Himmels zusammen mit den vielen, reinen, heiligen Seelen hier auf Erden? Die Kirche betet beharrlich, eifrig, ohne Unterlaß, in ihren Priestern, in ihren Ordensleuten, in ihren Heiligen, in Maria, der fürbittenden Allmacht, in ihrem Haupte Christus dem Herrn: Er ist beim Vater, Er ist im Tabernakel, "immerdar lebend, um für uns Fürbitte einzulegen" (Hebr. 7, 25)· Wir schließen uns dem Beten der Kirche an und haben die Verheißung: "Bittet, und ihr werdet empfangen." Wir glauben an die Kraft des Gebetes der Kirche, in deren Gemeinschaft wir stehen und

430 IV. Die österliche Zeit: Sechste Woche nach Ostern. beten. vVir glauben also auch an die Kraft und den Wert unseres Betens, das von den vielen, heiligen, Gott liebenden Brüdern und Schwestern in Christus mitgebetet und gestützt wird. \Vas muß uns das Gebet sein? Wie müssen wir es schätzen und lieben!

"B t t t e t, un d ihr wer d e t e m p fan gen."

Was die Kirche heute vor allem braucht und sucht, das sind betende Seelen. Wir stehen alle unter dem Gesetz der Mitverantwortung für die andern. Gott will alle Menschen retten. Aber sie müssen auch selber wollen und mittun. Noch mehr. Es müssen sogar die andern wollen und mittun. Jeder ist Herr seines Schicksals: aber ebenso sind wir alle Herr über das Schicksal jedes andern Menschen. Alle bestimmen wir das ewige Schicksal, das Heil oder Unheil des Mitmenschen mit. In der physischen Welt ändert kein einziges Atom seine Lage, ohne daß dadurch alle andern Atome erschüttert und aus ihrer Lage gebracht werden. So ist es auch in der Welt des Sittlichen und Religiösen. Kraft unserer Eingliederung in Christus, den Weinstock, sind wir mit allen Zweigen verwachsen. So können, ja müssen wir notwendigerweise alle andern entweder hemmen oder fördern. Neutralität gibt es da nicht. Uns ist also das' ewige Heil oder Unheil der andern, jedes andern, bis zu einem gewissen Grade in die Hand gelegt. Wir sind berufen, nicht bloß uns selbst zu retten, wir haben auch zugleich alle andern mitzuerlösen. Durch unser Beispiel. Durch unser Gebet. Auf uns kommt es an, auf unser Gebet, daß Gottes Strafgerichte nicht über die Völker hereinbrechen, wie sie es verdienen. Wie laut rufen die SÜnden der heutigen Menschheit um Rache zum Himmel! Die Sünde des Unglaubens, der Gottesleugnung, der Gotteslästerung, der Blasphemie gegen Christus und Seine Kirche! Die Sünde des Völkerhasses, des Klassenhasses, des Kapitalismus, des Materialismus, des Fleisches! Wenn nur fünf Gerechte in Sodoma sind und beten, ist Gott gnädig. Darum die Mah-

Dienstag: Beten ist notwendig. 431

nung der heutigen Epistel: "Betet füreinander, daß ihr das Heil erlangt. Wenn einer von euch von der Wahrheit abgewichen ist und einer ihn (durch sein Gebet) bekehrt, so wisse er: Wer einen Sünder von seinem Irrwege zurückfÜhrt, der rettet dessen Seele vom Tode." Seelen retten! In der Kraft des Gebetes. Das ist das große Anliegen der heiligen Kirche in den Bittagcn und allezeit: daß die Seelen gerettet werden, Das ist auch unser großes Anliegen. Wir beten mit der Zudringlichkeit des ungestümen I3ittstellers des heutigen Evangeliums. "Läßt er nicht nach zu klopfen, so wird der andere wegen der Zudringlichkeit des I3ittstellers aufstehen und ihm geben, was er nötig hat." Wir beten viel, wir beten eifrig, wir beten beharrlich. "Bittet, und ihr werdet empfangen."

3. Wir denken zu wenig an die Verheißungen, die dem Gebete gegeben sind. Wir glauben zu wenig an den Wert und die Kraft unseres Betens. Daher der ;V[angel an Vertrauen und an Eifer für das Gebet! Und doch sind gerade dem Vertrauen die Verheißungen gegeben. "Um was immer ihr bittet, glaubt, daß ihr es erhaltet: und es wird euch werden" (Mark. II, 24). "Dem, der glaubt (vertraut), ist alles möglich" (Mark. 9, 22).

Unser Gebet wird um so vollkommener und wirksamer sein, je mehr wir uns der Gemeinschaft, der Kirche, anschließen: im Glauben an die Kirche, in der gehorsamen, liebenden Hingabe an sie, in dem Anschluß an ihre Liturgie, ihr Opfer und ihr Gebet. Dann hat unser Gebet immer und allezeit die Eigenschaften, die es haben muß: es ist demütig, es ist eifrig, es ist beharrlich, es ist kindlich, es ist vertrauensvoll. Bete mit der Kirche!

"Bittet, und ihr werdet empfangen." Die Liturgie der heutigen Messe bringt diese kostbare Verheißung mit der heiligen Kommunion in Verbindung. Da sind wir engstens Christo, dem Weinstock, und den Zweigen, der Gemeinschaft der Kirche, verbunden.

432

IV. Die österliche Zeit: Sechste Woche nach Ostern.

In diesem hochheiligen Augellblick betet Er selber, der sich uns zu eigen gegeben, zusammen mit der ganzen Gemeinschaft (communio) der Christus lebendig verbundenen Kirche mit uns, für uns, wir beten mit Ihm und durch Ihn. Da werden wir empfangen. Da werden wir finden. Da wird uns aufgetan.

Ge be t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, begleite unsere Bitten mit Deiner väterlichen Huld. Mögen wir in Deiner Liebe wachsen, getröstet durch Deine Gaben (heilige Eucharistie), welche wir in unserer Trübsal empfangen haben. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Vigil von Christi Himmelfahrt. Vor der Tür e des V a t e r s.

I. Wir fühlen und leben heute ganz mit unserem Herrn und Heiland. Was Ihn bewegt, ist das freudige Bewußtsein: "Ich komme zu Dir", zum Vater. Er steht heute gleichsam vor der Türe des Vaters. Er klopft an und bittet um Einlaß. Für sich und für die Seinen.

2. "Vater, die Stunde ist gekommen.

Verherrliche Deinen Sohn. Ich habe Dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollbracht, das zu vollbringen Du Mir aufgetragen hast. Vater, verherrliche Mich nun mit der Herrlichkeit, die Ich Meiner göttlichen Natur nach bei Dir hatte, ehe die Welt ward" (Evangelium). Er bittet den Vater, daß Er nun auch der menschlichen Natur nach an jener Herrlichkeit teilhaben dürfe, die Er als Gottessohn von Ewigkeit her besitzt. Wie tief hat Er sich erniedrigt! Obschon Gott, hat Er in der Menschwerdung "sich selbst entäußert, auf den äußern Glanz und die Maj estät des göttlichen Wesens verzichtet, hat sich selbst erniedrigt und ist gehorsam geworden bis zum Tode am Kreuze" (Phi!. 2, 6 ff.). In einem Leben der Armut, der Erniedrigung, der

Mittwoch (Vigil): Vor der Türe des Vaters, 433 Leiden, der liebenden Hingabe an den Vater und Seinen Willen hat Er die Aufgabe erfüllt, die Ihm übertragen war. Jetzt darf Er heim. Wir fühlen mit Ihm. Wir freuen uns mit Ihm und beten mit Ihm zum Vater: "Vater, verherrliche Deinen Sohn", wie Er Dich verherrlicht hat. Gib Ihm auch Seiner Menschheit nach die Herrlichkeit, die Ihm zusteht. Erhöhe Ihn über alle Welten und alle Himmel. Nimm Ihn zu Dir. Laß Ihn zur Rechten Deiner Maj estät thronen. Laß das Zepter Seiner Macht weithin walten. Mach Ihn auch Seiner Menschheit nach zum König und Herrn, dem alle Kniee sich beugen im Himmel und auf Erden und unter der Erde. Verbreite Seine Kenntnis, Sein Evangelium, Seinen Namen über die ganze Menschheit hin. Gliedere alle Ihm an, damit sie alle die Kraft Seiner Erlösung erfahren und in Ihm gerettet werden. Schenke Ihm eine Braut ohne Makel, rein, heilig, die Kirche: mache sie heilig, weit, katholisch, groß, unüberwindlich. Gib Ihm die Macht über die Geister, über die Herzen, über die Völker, über die Zeiten, daß alle Ihm huldigen und Er sich alle unterwerfe, um sie zu retten und ihnen das Leben zu geben, daß sie es überreich haben.

"I eh hab e Dei n e 11 Na m end e n Me nschen geoffenbart, die Du aus der Welt auserwählt und Mir gegeben hast. Mir hast Du sie gegeben. Und sie haben die Worte, die Du Mir gegeben hast, angenommen und wahrhaft erkannt, daß Ich von Dir ausgegangen bin. Und sie glauben, daß Du Mich gesandt hast. Für sie bitte Ich, die Du Mir gegebell hast; denn sie sind Dein. Und all das Meinige ist Dein, und das Deinige ist Mein." Wir sind Sein. Wir gehören zu Ihm, Glieder an Ihm, dem Haupte. Er kann nicht ohne uns zum Vater kommen. Er muß, Er will uns, Seine Brüder, bei sich haben, damit wir mit Ihm Sein Erbe mitbesitzen. Ewig! "Für sie bitte Ich, die Du Mir gegeben hast." Für uns, die wir an Ihn glauben, die Raur, Werde Licht! II. 28

.434 IV. Die österliche Zeit: Sechste Woche nach Ostern. wir Ihn lieben, die wir mit Ihm in der heiligen Taufe eins geworden sind und in der heiligen Kommunion täglich noch mehr eins werden. Was sollen wir zu dieser Liebe unseres Heilandes sagen? Wie sehr ist Ihm daran gelegen, daß auch uns die Pforten des Himmels, des Vaterhauses sich aufschließen und wir mit 'Ihm ewig selig seien! Herr, ich glaube an Deine Liebe zu mir, ich vertraue auf Dich.

3. "Kündet den Freudenruf, daß man ihn höre, alleluj a. Kündet bis an das Ende der Erde: Befreit hat der Herr Sein Volk, alleluja, alleluja." Wir sind erlöst! Er will uns mitnehmen zum Vater. "Jubelt Gott, ihr Lande all, singet Psalmen Seinem Namen; herrlich laßt Sein Lob erschallen. Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste." Befreit, erlöst hat der Herr Sein Volk! Er bereitet uns eine Stätte droben im Himmel. Bald dürfen wir dort bei Ihm sein!

"Es ist würdig und recht, Dich, Herr, allezeit zu preisen, insbesondere aber an diesem Tage (Ostern), weil Christus als unser Osterlamm geopfert worden ist. Er ist das Lamm, das die Sünden der Welt hinwegnimmt. Durch Sein Sterben hat Er unsern Tod vernichtet. Durch Seine Auferstehung hat Er uns das neue Leben erworben. In Seiner Himmelfahrt hat Er sich in den Himmel erhoben, um uns an Seinem göttlichen Leben teilnehmen zu lassen" (Präfation von Ostern und Himmelfahrt). Wir sind erlöst!

"Singet dem Herrn, alleluj a, singet dem Herrn und preiset Seinen Namen. Laut kündet Tag für Tag Sein Heil", d~s Werk der Erlösung, das Er an uns gewirkt und das Er dereinst mit unserer Aufnahme in den Himmel krönen wird, alleluj a, alleluj a (Communio).

Ge be t.

o Gott, von Dir kommt alles Gute. Drum schenk uns auf unser Flehen die Gnade, von Dir erleuchtet,

Donnerstag (Himmelfahrt): Der erhöhte Christus. 435 zu denken, was recht ist, und, von Dir geleitet, es auch zu vollbringen. Durch Christus U!1Sern Herrn. Amen.

Christi Himmelfahrt.

Der e r h ö h t e ChI' ist u s.

r. Der Tag des vollendeten Triumphes des Herrn.

Die in der Auferstehung von den Toten begonnene Erhöhung ist vollkommen geworden. Der Herr ist auch mit Seiner menschlichen Natur in die Herrlichkeit des Vaters eingegangen und nimmt an der Herrschaft und Machtvollkommenheit Gottes über Himmel und Erde und lhlterwelt, über die Geister und Herzen teil.

2. "Vierzig Tage sind seit Ostern verf los sen. In dieser Zeit sollte nach Gottes Anordnung unser Glaube an die Auferstehung des Herrn gefestigt und gesichert werden. Die Jünger waren durch den Tod Christi verwirrt worden. Der Meister war am Kreuze gestorben; Er hatte den Geist aufgegeben; der entseelte Leib war ins Grab gelegt worden. Das alles hatte auf die ohnehin niedergeschlagenen Jünger eine Art lähmenden Mißtrauens und Unglaubens gelegt. In diesen vierzig Tagen nun erfuhren die Apostel und Jünger eine so groBe 111nere Festigung, daß sie bei der H immelfahrt ihres Herrn nicht traurig, vielmehr sogar mit Freude erfüllt wurden.

"E s war j a i n der Tat G run d gen u g zur Freude vorhanden. Stieg doch U!1Sere menschliche Natur über alle Bewohner des Himmels empor und wurde sie selbst über die Chöre der Engel und Erzengel erhoben. Sie durfte ungehemmt bis zum Throne Gottes empordringen, um sich dort niederzulassen und an der Herrlichkeit dessen ,teIlzunehmen, dessen Natur sie dereinst im Sohne Gottes verbunden worden war.

lOS 0 ist ehr ist i H i m m elf a h r tun s e r e 28*

436 IV. Die österliche Zeit: Sechste Woche nach Ostern. Er h ö h u n g, \Vohin das Haupt vorausgegangen Ist, dahin ist auch der Leib berufen. Laßt uns also jubeln und freudig danken. Heute ist der Himmel unser Besitz geworden. Noch mehr! Heute sind wir in Christus in das Innerste des Himmels eingegangen. Wir haben durch die unaussprechliche Gnade Christi viel Größeres erhalten, als das ist, was wir durch den Neid des Teufels verloren hatten. Der Feind hat uns um das GlÜck des ersten Paradieses gebracht: Gottes Sohn aber hat uns sich einverleibt und mit sich zur Rechten des Vaters erhoben, mit dem Er lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen." (HI. Leo d. GI'. am Feste der Himmelfahrt des Herrn. Lesungen der Mette.)

3· In Christus, dem Haupte, und mit Ihm sind auch wir "mitauferweckt und mit in den Himmel aufgenommen" (Eph. 2, 6). \lviI' sind heute schon "Erben Gottes und Miterben Christi" (Röm. 8, 17) und berufen, Christi Erbe zu teilen. "Ihr seid ja der Leib Christi, einzeln aber Glieder" (I Kor. 12, 27). "Niemand aber hat je sein eigenes Fleisch gehaßt, sondern hegt und pflegt es. So macht es auch Christus mit Seiner Kirche, weil wir Glieder Seines Leibes sind" (Eph. 5, 29 L). Nun aber nehmen die Glieder und nimmt der Leib an dem tell, was des Hauptes ist. So besitzen auch wir, heute schon, in Christus, dem Haupte, die ReichtÜmer und die Herrlichkeit der Erhöhung im Himmel.

Christi Sieg und Triumph ist Sache nicht Seiner Person, sondern des Ganzen, des ganzen Leibes der Kirche. Am Kreuze sterbend, hat Er die ganze Gemeinschaft in sich getragen und ist die ganze Menschheit zugleich mit ihrem Haupte am Kreuze gestorben. Als der zweite Adam trägt Er auch in Seiner Auferstehung und Himmelfahrt die Gesamtheit der Menschen, Seiner heiligen Kirche in sich. Er hat ebenso für uns wie für sich selber gesiegt und triumphiert. Unser Haupt ist in den Himmel aufgenommen. Christus ist dort unser Platzhalter.

Donnerstag (Himmelfahrt): Voller Freude. 437

Der Platz gehört schon uns und ist in Christus von uns bereits belegt. Nicht: "Gott wird uns mit in den Himmel versetzen", sondern: "Gott hat uns mit Christus in den Himmel versetzt."

"Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn Ich hingegangen bin und euch eine Stätte bereitet habe, werde Ich wiederkommen und euch holen, damit auch ihr dort seiet, wo Ich bin. Wohin Ich gehe, weiß Ich. Und den Weg wißt ihr auch" (Joh. 14, 3 ff.).

Können wir anders als uns freuen? In dem Grade, als wir glauben. Unser Christenglück, unsere Freude steht im geraden Verhältnis zu unserem Glauben.

Was haben wir zu tun, um auch selber dereinst Himmelfahrt feiern zu können? Nur das eine: in Christus bleiben. Wie bleiben wir in Ihm? Dadurch, daß wir in Seinen Leib, in die Kirche, eingehen, in und mit der heiligen Kirche leben.

Gebet.

Allmächtiger Gott, wir bekennen gliiubig, daß am heutigen Tag Dein Eingeborener, unser Erlöser, zum Himmel aufgefahren ist, und bitten nun: gib, daß auch wir selbst mit unserem Geiste im Himmel wohnen. Durch denselben Christus unserll Herrn, Amen.

Christi Himmelfahrt.

Voll e I' F r e u d e.

I. Wir sind mit Petrus (Stationskirche St. Peter) und den übrigen Aposteln auf dem ölberge in Jerusalem und leben die Himmelfahrt des Herrn mit. "Segnend schied Er von ihnen und fuhr in den Himmel auf. Da warfen sie sich anbetend nieder. Dann kehrten sie voller Freude nach J erusalem zurück und lobten und priesen Gott beständig im Tempel" (Luk. 24, 51 ff.). Ein Tag der Freude und des Jubel<;!

438 IV. Die österliche Zeit: Sechste Woche nach Ostern.

2. Wir fr e u e nun s f ii r Je s u s. Heute darf Er nach den vielen Mühen und Leiden auf Erden in die Ruhe eingehen. Heute darf Er sich "zur Rechten des Vaters" set2!cn, "zur Rechten der Majestät in der Höhe" (HebI'. I, 3) und die Herrlichkeit, WÜrdc und Macht in Besitz nehmen, welche Ihm, dem Menschen Christus Jesus, dem Sohne Gottes und dem "Herrn der Herrlichkeit" (I Kor. 2, 8) zusteht. Heute wird Ihm, dem Menschen J esus, für ewig Anteil an der königlichen Macht Gottes, an dem souveränen Verfügungsrecht über alle Güter und Reichtümer Gottes und an der höchsten Autorität über alle geschaffenen Wesen des Universums. Heute wird Er zum König der Könige gekrönt. Heute tritt Er Sein Amt als der Richter über die Lebenden und die Toten an. Heute wird Er endgültig "das lebenspendende Geistwesen" (I Kor. 15, 45); von nun an gehört Jesus nicht mehr nur einem einzigen Volke an wie bisher: Er gehört allen und ist Seiner Kirche in allen ihren Teilen und Gliedern gleicherweise nahe, alle erfassend, alle mit Seinem Geiste, mit Seinem Leben erfüllend. Heute verlegt Er den Mittelpunkt Seines großen, weltumspannenden Reiches der Kirche, von der Erde weg in den HImmel, "um alles zu erfüllen" und "den Menschen Seine Gaben zu geben" (Eph. 4, 8 IO). "Ich lebe, und auch ihr sollt leben" (Joh. 14, 19)· Sollen wir uns also heute nicht mit Ihm freuen? Sollen wir Ihm nicht zu Seiner Erhebung gratulieren? Sollen wir Ihm nicht huldigen, Ihn neu zu unserem König wählen, Ihm all unser Glauben, unser Hoffen, all unser Lieben weihen und schenken?

Wir f I' e u e nun s für uns. Er sitzet zur Rechten des Vaters. "Sie aber (die Apostel) gingen hin und predigten überall. Und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte ihre Worte durch Wunder" (Evangelium). Vom Throne zur Rechten des Vaters her gedenkt Er unser in Liebe und. Treue. Er ist "in den Himmel eingegangen, um nunmehr

Donnerstag (Himmelfahrt): Voller Freude, 439 vor dem Angesichte Gottes für uns einzutreten" (Hebr. 9, 24), und "lebt immerdar, um für uns Fürsprache einzulegen" (Hebr. 7, 25). Er kennt unser Nichts. Er hat Sorge um uns. Er verliert uns keinen Augenblick aus dem Auge. Er macht unsere Sache zu Seiner Sache, unsere Anliegen zu Seinen Anliegen und vertritt sie beim Vater. Wenn wir "gesündigt haben, so haben wir einen Fürsprecher beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten" (r Joh. 2, I). Er ist unser Hoherpriester. Immerfort bringt Er sich selbst, Seinen Leib, Sein am Kreuze vergossenes Blut, Sein heiligstes Herz, Seine Anbetung, Huldigung und Liebe in dem Opfer der heiligen Messe dem Vater da r, stell vertretend für uns, ersetzend, ergänzend, was unserem Dienste, unserer Liebe zum Vater abgeht. Er ist unser Haupt: Er zieht uns, die Glieder, mit der Kraft Seines Beispiels, Seiner Einsprechungen, Seiner Anregungen zum Guten, Seiner Gnade, Seiner wunderbaren FÜhrungen zu sich empor, damit, wo das Haupt ist, auch die Glieder seien. Er bereitet uns eine Stätte (Joh. 14,3), ein schönes, uns ewig beglückendes Heim beim Vater, über den Sternen. Er sendet uns den Heiligen Geist, den Tröster, die Kraft aus der Höhe, auf daß der Geist uns erfülle, stärke, heilige und für den Tag unserer Heimkehr zum Vater reif mache. Sollen wir uns heute nicht freuen?

3· Wir kommen zur Feier der heiligen Messe.

Während wir da versammelt sind, erscheint uns der Auferstandene. Wir sind die Apostel, um Petrus geschart. Der Herr festigt uns im Glauben. Er gibt uns den Auftrag, Sein Evangelium in alle Welt, in den Alltag unseres Lebens hineinzutragen. Er gibt uns die Kraft gegen alles, was dem Heile zuwider ist, und zieht uns voran in den Himmel (Evangelium).

"Singet Psalmen dem Herrn, der über die Himmel der Himmel emporsteigt, dem Aufgang entgegen. Alleluj a" (Communio). In der Kraft der

440

IV. Die österfict,e :reit: S"echste Woche nacn Ostern.

heiligen Kommunion zieht Er, das Haupt, den mystischen Leib der heiligen Kirche, uns alle, sich nach. Der Empfang der heiligen Kommunion ist uns der Auftakt und die Gewähr, wie der einstigen Auferstehung, so auch der einstigen glorreichen Himmelfahrt. Alleluja.

Ge be t.

Allmächtiger Gott, wir bekennen gläubig, daß am heutigen Tage Dein Eingeborener, unser Erlöser, zum Himmel aufgefahren ist, und bitten nun: gib, daß auch wir selbst mit unserem Geiste im Himmel wohnen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Freitag nach Christi Himmelfahrt.

Christus der Herr.

I. "Der Herr auf Sinai, im Heiligtum" (des Himmels) (Allelujavers). "Hochpreisen laßt uns den König der Könige" (Antiphon der Laudes). Himmelfahrt ist ein Tag des Triumphes für Christus. Er ist der Herr.

2. ChI' ist u s ist der Her r, Dominus, Kyrios (Phi!. 2, rr). Er "brachte die Erlösung von den Sünden und setzte sich zur Rechten der Majestät in der Höhe. Dadurch ist Er so weit über die Engel erhoben, als der Name, den Er geerbt hat, den ihrigen überragt. Zu welchem Engel hat Gott je eintnal gesagt: Setze Dich zu Meiner Rechten, bis Ich alle Deine Feinde zum Schemel Deiner Füße mache"? Nicht Engeln hat Er die zukünftige Welt (die Kirche des N euen Testamentes) unterworfen, sondern Christus, Seinem Sohn. "Was ist der Mensch, daß Du (Gott) seiner gedenkst; das M enschenkind, daß Du seiner achtest? Du hast Ih n (den menschgewordenen Sohn Gottes) nur um ein weniges (kurze Zeit) unter die Engel erniedrigt und Thn (in der Himmelfahrt) mit Herrlichkeit und

Freitag: Christus der Herr.

441

Ehre gekrönt. Du hast Ihm alles zu Füßen gelegt" (Ps. 8, 5-8). Wenn es heißt, Er (Gott) habe Ihm alles unterworfen, so gibt es nichts (Geschaffenes), das Ihm nicht unterworfen wäre (Hebr. Kap. I und 2). Freudig bekennen wir: Ihm ist alles unterworfen. "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden" (Matth, 28, 18). Mit dem Gloria der Messe singen wir Ihm mit immer neuem, lebendigerem Glauben: "Der Du zur Rechten des Vaters sitzest, erbarme Dich unser. Denn Du allein bist der Heilige. Du allein der Herr. Du allein der Allerhöchste, J esus Christus, mit dem Heiligen Geiste in der Herrlichkeit Gottes des Vaters." Christus, der Gottmensch, ist der Herr. Wir glauben. Wir danken dem Vater, daß Er Ihn also erhöht und Ihm alles unterworfen hat. Wir wollen Ihm unterworfen sein: Seinem Wort, Seinem Gebot, Seinem Willen, Seiner Kirche, Seinen Stellvertretern.

Je s u Her I' sc ha f t b e d e u t e t das Recht, daß Tesus alles, was Ihm unterworfen ist, im Himmel itnd auf Erden, in Zeit und Ewigkeit, Engel und Menschen und was immer es an Geschaffenem gibt, in Seinen Dienst nehme. Alles hat, heute und immerdar in alle Ewigkeit, wie der Ehre und dem Willen des Vaters, so der Ehre und dem Willen des erhöhten Herrn, unserem Heiland, zu dienen und zu leben. "Du allein bist, der Herr." Und das nicht bloß etwa nur dann und wann, am Sonntag oder für bestimmte Stunden des Tages. Nein: alle unsere innern und äußern Akte, alle unsere \Verke und Handlungen, so viele ihrer seien, haben Ihm zu dienen, Seine Ehre zu fördern, Ihn zu verkÜndigen, Seinem V\Tillen und Wohlgefallen zu entsprechen. Unser Innerstes, unser Tiefst~s, unser Letztes und Liebstes, unser ganzes Sein und Wesen gehört Ihm und hat Ihm zu leben. "Du allein bist der Herr", der unumschränkte Herr des Alls. Eine Herrschaft, der schlechthin alles untersteht. So sehr hat Gott uns Menschen mit allem, was wir sind und ver-

442 IV. Die österliche Zeit: Sechste Woche nach Ostern. mögen, mit unserem ganzen Wesen in die Abhängigkeit von dem Herrn J esus Christus gestellt. Eine Abhängigkeit, die nicht bloß den einzelnen, sondern ebenso die Gesamtheit als solche umfaßt, alle Zeiten, alle Völker und Nationen. Himmel, Erde und Hölle haben heute und in alle Ewigkeit zur Verherrlichung des Vaters zu bekennen, daß "Christus der Herr ist" (Phil. 2, 10 f.). Wir glauben. Wir anerkennen J esu Herrschaft über uns, über die Menschheit, über das All. Wir beten, daß alle sich Ihm unterwerfen und Ihn als ihren Herrn bekennen. "Zu uns komme Dein Reich!"

3. "vVer sich erniedrigt, wird erhöht." Er "entäußerte sich selbst und wurde den Menschen gleich; Er erniedrigte sich und ward gehorsam bis zum Tode. Deshalb hat Ihn Gott auch so hoch erhoben und Ihm' einen N amen gegeben, der über alle N amen ist" (Phil. 2, 7 ff.)

Alles ist Ihm ~nterworfen. "Jetzt sehen wir allerdings noch nicht, daß Ihm alles unterworfen ist" (Hebr. 2, 9). Oft möchte es uns scheinen, als wäre Satan auch heute noch der Fürst der Welt. Oft stehen wir vor dunklen Rätseln und möchten kleinmütig werden angesichts der Übermacht Satans, des Unglaubens, der Sünde, des Bösen. Um so mehr glauben wir, ohne zu sehen, daß Ihm die Macht und Herrschaft gegeben ist. Wir vertrauen unbedingt auf Seinen starken Arm, auf Seine weise Vorsehung, auf Seine Liebe, mit der Er in allem und in allen wirkt, um alle zu retten. Die Geheimnisse Seiner vVeisheit, Liebe und Macht werden wir ebensowenig verstehen wie die der Weisheit, Liebe und Macht Gottes. "Selig, die nicht sehen, die aber glauben" (Joh. 20, 29).

Ge b e t.

Allmächtiger Gott, wir bekennen gläubig, daß am heutigen Tage Dein Eingeborener, unser Erlöser, zum Himmel aufgefahren ist, und bitten nun: gib,

Samstag: "Ich ,bin bei euch." 443

daß auch wir selbst mit unserem Geiste im Himmel wohnen. Durch denselben Christus unsern Herrn. Amen.

o König, Herr der Ewigkeit, Der Du erlöst die Christenheit,

Dem Tod hast Du den Tod gebracht, Doch Dir Triumph und höchste Macht.

Du Weltenkönig steigst empor, Thronst überm goldnen Sternenchor. Dein Reich ist nicht von dieser vVelt, Vom Himmel her bist Du bestellt.

Ruhm Dir, 0 Sieger, Jesu Christ, Der heimgekehrt zum Himmel ist. Dem Vater und dem Geist geweiht

Sei Lob un,d Preis in Ewigkeit. Amen.

Samstag nach Christi Himmelfahrt.

"Ich bin bei euch."

1. "Nachdem der Herr Jesus mit ihnen geredet hatte, wurde Er in den Himmel aufgenommen und sitzt nun zur Rechten Gottes" (Evangelium). Die Zeit der sichtbaren Gegenwart des Herrn unter uns ist zu Ende. Gleichwohl bleibt Sein Wort in Kraft:. "Seht, Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt" (11atth. 28, 20).

2. lOS i e be t e t e n an und k ehr t e n mit gr 0 ß e r F I' eu denach J erusalem zurÜck, und sie waren immerfort im Tempel und lobten und priesen Gott" (Luk. 24, 52 f.). Obwohl der Heiland von ihnen gegangen ist, sind sie nicht traurig. Im Gegenteil. Sie sind voller Freude. Das ist die tiefe, innerliche, unverwÜstliche Freude der Kirche: sie weiß sich dem Herrn jetzt, nachdem Er ihr Seine sichtbare Gegenwart entzogen hat, um so enger verbunden. Sie ist von nun an mit Ihm zur Einheit des mystischen Leibes mit dem Haupte verbunden und

444 IV. Die österliche Zeit: Sechste Woche nach Ostern. verwachsen. Von jetzt an gilt das Wort des Herrn:

"Ich bin der Weinstock, ihr seid die Rebzweige" (loh. 15, 5). Von jetzt an lebt Er nicht so fast mit uns, als vielmehr in uns. Und wir leben in Ihm, ~ir sind Glieder Christi, Zweige des göttlichen Weinstocks. Während Seines geschichtlichen Erdenwandels hat der Herr das Werk der Erlösung vollzogen: jetzt setzt Er es fort und vollendet es an uns, den einzelnen, als der erhöhte Christus, der zur Rechten des Vaters thront. Kraft Seines Todes am Kreuze konnten wir Ihm als Glieder angeschlossen werden: aber tatsächlich einverleibt sind wir nicht dem irdisch-geschichtlichen, sondern einzig dem in der Herrlichkeit des Vaters erhöhten Christus, der Er in Seiner Himmelfahrt geworden ist. Er mußte von uns fortgehen, um uns um so näher zu sein, um in uns leben zu können, um mit uns eins sein zu können, um uns die Frucht Seines Erdenlebens und Seines Todes am Kreuze zuwenden zu können. Was nützte uns der Tod Christi, was nützte uns Seine Predigt und all Sein Mühen, Sein Beispiel, wenn Er nicht in den Himmel aufstieg und der erhöhte Herr wurde, der uns als der erhöhte Herr mit Seinem Leben, mit Seiner Kraft und Seinem Geiste erfüllte und uns Sein Leben mitleben ließ? Er das Haupt, wir die Glieder. Sollen wir also über Sein Gehen traurig sein? Nein. "Es ist gut, daß Ich hingehe" Cl oh. 16,7). "Alles hat der Vater Ihm zu Füßen gelegt und Ihn zu dem alles überragenden Haupte der Kirche gemacht: sie ist Sein Leib, erfüllt von Ihm, der alles erfüllt" (Eph. I, 22 f.). Sein Leib, von Seinen Gaben und Gnaden erfüllt und durchdrungen. Und das geschah in Seiner\ Himmelfahrt. Er "stieg über alle Himmel hinauf, um alles (mit Gnade und göttlichen Kräften) zu erfüllen" (Eph. 4, IO). SO ist uns Christi Himmelfahrt ein Tag nicht der Trauer, sondern der Freude. Mit der jungen Kirche, die Zeuge der Himmelfahrt gewesen, kehren wir von dem Geclächtnis der Himmel-

Samstag-: "Ich bin bei euch.11 445

fahrt des Herrll "mit großer Freude" heim und loben und preisen Gott.

"S e h t, Ich bin bei eu c hall eTa g e." Alle Tage schaut Er nach uns und kommt Er zu uns im Opfer der heiligen Messe. Wäre Er nicht der verklärte, in den Himmel aufgenommene, erhöhte Herr zur Rechten des Vaters, dann gäbe es für uns kein Meßopfer, keine heilige Kommunion, kein Tabernakel, keine Taufe, kein Bußsakrament, kein Priestertum, keine Kirche. Jetzt aber, nachdem Er zur Rechten des Vaters thront, hat Er die Macht, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit unter den Gestalten von Brot und Wein in unserer Mitte wahrhaft und wesenhaft gegenwärtig zu werden als Opferer und als unsere Opfergabe an den Vater. Die ganze um den Altar versammelte Gemeinde vereinigt sich Seinem Opferwillen und weiht SIch in ihrer Opfergabe, in dem gegenwärtig gewordenen Herrn und durch Ihn dem Vater als eine heilige, lebendige Opfergabe. Ein Strom von Liebe und Andacht, von Opfergeist und Opfermut geht vom Altare aus und ergießt sich über die opfernde und betende Gemeinde. Hier, am Altar, holen sich die Gläubigen die Kraft und die Lust zu den täglichen MÜhen und Opfern. Hier, in der heiligen Kommunion, in den stillen Augenblicken zu Füßen des Tabernakels, schöpfen sie die Glut der Liebe, die sie zu allen Aufgaben und Verzichten im Dienste des Berufes, der Familie, der christlichen Caritas stark und unüberwindlich macht. Hier erleben sie die belebende, beglückende Nähe des erhöhten Herrn. "Seht, Ich bin bei euch alle Tage." Die Frucht der Himmelfahrt des Herrn.

3. "Singet Psaimen dem Herrn, der über die Himmel der Himmel emporsteigt, dem Aufgang entgegen. Alleluja," So jubelt die Kirche heute beim Empfang der heiligen Kommunion. Derselbe, der in Herrlichkeit emporsteigt und zur Rechten des Vaters sitzt, neigt sich in der heiligen Kommunion

446 IV. Die österliche Zeit: Sechste Woche nach Ostern. zu uns hel ab und berührt, nährt uns mIt Semem verklärten Fleisch und Blut. Damit legt Er in uns den Keim der seligen Auferstehung auch dem Körper nach und bereitet uns fÜr die Himmelfahrt zu,

die unser wartet. .

Christus der Erhöhte ruht mit Seiner menschlichen Natur im Vater. Und in Ihm auch wir. "Er steigt empor und führt als Beute die Gefangenen mit" (Allelujavers), uns, die Er der Gefangenschaft der Sünde und des Teufels entrissen hat. Wo das Haupt ist, sind auch die Glieder. Zugleich weilt der Herr immer auf Erden. Er lebt, betet, arbeitet, leidet in den Getauften, in uns, Seinen Gliedern. "Ich lebe, aber nicht mehr ich, vielmehr lebt Christus in mir" (Gal. 2, 20). Er lebt in der heiligen Eucharistie, uns liebend nahe, uns mit Seinem Leben nährend. "Kommet alle zu Mir! Ich will euch erquicken" (Matth. I J, 28).

Ge be t.

Allmächtiger Gott, wir bekennen gläubig, daß am heutigen Tage Dein Eingeborener, unser Erlöser, zum Himmel aufgefahren ist, und bitten nun: gib, daß auch wir selbst mit unserem Geiste im Himmel wohnen. Durch denselben Christus unsern Herrn. Amen.

Die liturgische Meßfeier des Sonntags nach Christi Himmelfahrt.

GlorreIch ist Christus in den Himmel eingegangen.

Die Kirche, die Er in der Welt zurückgelassen hat, blickt unverwandt zum Himmel empor, voll Sehnsucht, den wieder zu sehen und wieder zu besitzen, dem ihr Herz, ihre Liebe gehört. Ohne Ihn fühlt sie sich vereinsamt, und eine gewisse Wehmut beschleicht ihr Herz. Er am Ziel; sie noch auf der Erde!

Aus dieser Verfassung heraus ruft sie im Introit)ls der heutigen Messe dem fernen Bräutigam die flehenden Worte zu: "Ich suche Dein Antlitz, o Herr; wende Dein Auge nicht ab von mir, alleluja. Der Herr ist mein Licht, mein Heil." Und die Kirche, die so betet, sind wir alle und ist jeder einzelne. "Ich suche Dein Antlitz." Diesem Suchen geben wir im neunmaligen Kyrie eleison beredten Ausdruck. Ebenso in dem Tagesgebet : unser Leben soll nichts anderes sein als der Ausdruck unserer Hingabe an Gott und des Verlangens, mit ganzer Reinheit des Herzens, frei von aller hemmenden, Gott mififälligen Erdverhaftung. "Ich suche Dein Antlitz" in eifrigem Gebet, in ertragender, verzeihender Liebe, in selbstloser, uneigennütziger Hingabe an die Gemeinschaft, an die Kirche, an die Seelen, um Gottes willen (Epistel): "Was ihr dem Geringsten der Meinigen getan habt, habt ihr Mir getan" (Matth. 25, 40). So wird das Jenseitsharren der Kirche und des Christen zu segenbringender Kulturarbeit um Gottes und Christi WIllen. Wo diese Gesinnung die Seele erfüllt, da sucht sie 111cht vergebens Christi Antlitz: "Ich werde euch nicht als vVaisen zurücklassen. Ich komme wieder zu. euch", zunächst im "andern Parakleten", im Hei-

448 IV. bie österliche Zeit: Siebte Woche nach Ostern. ligen Geist, den Christus an Seiner Statt, als Seinen Stellvertreter uns zu senden verheißen hat (Evangelium). Dankbar antworten wir auf diese Verheißung mit einem freudigen "Credo - Ich glaube".

2. Im Opfergang gedenken wir des triumphierenden Einzugs Christi in das Heiligtum des Himmels. Dieser Einzug ist gleichsam der Hintritt des Hohenpriesters Christus zum himmlischen Altar, jener Opfergang, in welchem Christus in einem unaussprechlichen Drang der Liebe sich zu ewiger Verbundenheit dem Vater zu eigen gibt (Offertorium). In den Gaben von Brot und Wein bringen auch wir uns zum Opfer, unsern Willen, unsere Neigungen, unsere Kraft, unser Tun: eine allumfassende Gottesweihe, ein Nachbild der Himmelfahrt Christi, ein gelebtes "Sursum corda!" Bald kommt der Augenblick der heiligen Wandlung. Da wird es greifbare Wirklichkeit, was im Evangelium verheißen worden war: "Ich komme wieder zu euch." Welch gnadenvolles Kommen~ "Ich suche Dein Antlitz." Nun steigt Er hernieder, macht sich in uns und mit uns in innigster, reellster Gebets- und Opfergemeinschaft zu einem Opfer. Hier, in der Feier der heilIgen Messe, zieht Er uns in Seine Opfergesinnung hinein. Wie Er mit göttlichem Machtwort die Substanz des Brotes in Sein eigenes Ich umwandelt, so greift Er, wenn wir uns mit Ihm zu einer Hostie machen lassen, in un~er Innerstes hinein und durchdringt uns mit Seinem Geist und Leben. So wird unser Leben aus der verständnisvollen und innerlichen Mitfeier der heiligen Messe mehr und mehr der sichtbare Ausdruck des Geistes Christi in uns. Wir werden, wenn wir das eucharistische Opfer im Geiste und in der Wahrheit mitfeiern, wenn wir täglich im heiligen Opfer mit Christus sterben und auferstehen, ein lebendiges, unwiderlegliches Zeugnis für Christus, ein personifiziertes Bekenntnis Christi. "Ihr werdet Zeugnis von mir ablegen." Das ist die reife Frucht der Teilnahme am Opfer des

Sonntag: Lieben, leiden.

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Altars. Die Mitfeier der heiligen Messe setzt den Christen mit jedem Tag mehr in Gegensatz nicht nur zum alten :M enschen in sich, sondern auch zur "vVelt" außer ihm, zu den Feinden Christi und des Kreuzes. "Sie werden euch aus den Synagogen hmauswerfen, ja es kommt die Stunde, da jeder, der euch tötet, Gott einen Dienst zu erweisen glaubt." Aber die Teilnahme am Opfer des Altars macht den Christen nicht bloß zum heldenhaften Streiter, zum Zeugen für Christus, sondern mit Christus auch zum siegreichen Oberwinder. "Ich komme wieder zu euch" in der heiligen Kommunion. "Ich bitte nicht, daJ.l Du sie fortnehmest von der Welt", ihren Lockungen und Verführungen, ihrem Spott und ihren \i erfolgungen, "sondern daß Du sie vor dem Bösen be·wahrest". Das ist die Edelfrucht der Teilnahme am Opfer und Opfermahl: Die Gnade zu beharren, die Gnade, über Welt und Sünde und Hölle zu triumphieren. "Ich komme wieder zu euch, und euer Herz wird sich freuen."

Sonntag in der Oktav von Christi Himmelfahrt.

L i e ben, lei den.

I. Der Herr ist in den Himmel aufgefahren. Die Kirche schaut voll Sehnsucht empor und "sucht Sein Antlitz". (In alter Zeit wurde m Rom dIe heutige Meßfeier in der Kirche St. Maria zu den Martyrern, dem alten Palltheon, gehalten. In dieser KIrche wurde das Bild "des Antlitzes des Herrn" aufbewahrt, das Sch weIl.ltuch der Veronika, das heute in St.· Peter verehrt wird.) Aber sie vergiBt nicht die Aufgabe, die der Herr ihr zugewiesen hatte: "Ihr werdet für M ich Zeugnis ablegen." DIe Kirche legt für Christus dadurch Zeugnis ab, daß sie liebt und leidet.

2. Die Kir c hel i e b t. Sie ist ihrem ganzen Sein und Wesen nach nichts anderes als die mit aller Kraft ins \Verk gesetzte Gottes- und Nächstenliebe. \\feil Reich Gottes auf Erden, ist sie LiebesBaur, Werde Licht! 11. 29

450 IV. Die österliche Zeit: Siebte Woche nach Ostel gemeinschaft. "Das ist Mein Gebot, daß Ihr eu, einander so liebt, wie Ich euch geliebt habe" (J 0 15, 12). "Dar an erkennt man, daß ihr Meine Jüng seid, wenn ihr einander liebet" (Joh. 13, 35) .. Dar; wird es allen offenbar, daß in der Kirche Chri! Geist lebendig und wIrksam ist, daß sie die wah Kirche Christi ist. "Geliebte! Seid klug und wac sam Im Gebete. Vor allem liebet einander allezei denn die Liebe deckt eine Menge der Sünden z SeId gastfreundlich gegeneinander ohne Murre Dienet einander, jeder mit der Gnadengabe, die empfangen hat, als gute Verwalter der manni, fachen Gnade Gottes. Wer redet (die Gabe d, Rede hat), rede Gottes Wort. Wer eIn Amt h;; verwalte es mit der Kraft, die Gott ihm gibt, dam in allen Dingen Gott verherrlicht werde durch J eSI Christus unsern Herrn" (Epistel). Eine herrlicl Aufgabe, für Christus Zeugnis abzulegen. Wir e füllen sie in dem Grade, als wir der Liebe lebe in Gedanken, in Worten, in Werken.

Die Kir ehe lei d e t. "Ihr werdet Mir Zeugn ablegen. Das habe Ich euch gesagt, damit ihr keinE Anstoß nehmet. Sie werden eUch aus den SynagogE stoßen. Ja es kommt die Stunde, da jeder, der eU( tötet, Gott einen Dienst zu erweisen glaubt. D~ werden sie euch antun, weil sie weder den Vater kel nen noch M ich. Ich sage euch das, damit, wenn j er Stunde kommt, ihr euch daran erinnert, daß Ich t euch (zum voraus) gesagt habe" (Evangelium). D KlI·che leidet. Sie teilt das Los des BräutIgam "H aben sie M ich verfolgt, so werden sie auch euc verfolgen" (Joh. IS, 20) Petrus wird gekreuzig Paulus enthauptet. Ungezählte Tausende von Heide des Glaubens und der christlichen Tugend, Blschöf1 Priester, Diakone, Laien, Männer, Jüngiinge, Jung frauen, ja selbst Knaben und Mädchen, wie Par kratius und Agnes, geben freudig ihr Leben zur Zeugnis für Christus. Zehn schwere Verfolgunge hat die Kirche in den ersten drei Jahrhunderten z

Sonntag: Lieben, leiden.

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bestehen: zum Zeugnis für Christus. Es kommen die großen Häresien der folgenden Jahrhunderte: neue Feinde, neue Leiden, neue· Verfolgungen, neue Martyrer! Es kommen die Könige und die Mächtigen der Erde und fordern von der Kirche, daß sie das Gesetz des Herrn über die Heiligkeit der Ehe für aufgehoben erkläre und den Leidenschaften des verdorbenen Menschenherzens Rechnung trage: Sie tut es nicht. StarkmÜtig legt sie für Christus und SeIn Gesetz Zeugnis ab, selbst um den Preis des Abfalls weiter Länder. Es kommen neue Ideen, neue Geistesströmungen. Sie verlangen den Ausgleich des Dogmas und der christlichen Sittenlehre mit dem Zeitgeist. Die Kirche steht unwandelbar zu Christus. Sie läßt sich lästern, in den Kot ziehen. Sie leidet - als Zeugin für Christus, für Seine untrügliche Wahrheit und für Seine göttliche Autorität. Heilige Kirche, du hast den Auftrag erfüllt, den deIn Bräutigam scheidend dir gegeben. "Ihr werdet für M ich Zeugnis ablegen." Du bist in Wahrheit Christi Kirche! Ich stehe zu dir und lege mit dir, in der Treue zu dir, fÜr Christus Zeugnis ab. \Nenn es sein muß, mit dem Verlust meiner Ehre vor der vVelt, meiner Stellung, meines Lebens.

3· "Vor allem liebet einander allezeit." An der Liebe erkennt man, ob der Geist Christi in uns wirksam sei. Darum wird die Liturgie nicht müde, uns immer wieder an die Heiligkeit der Liebe zu erinnern. Sie stellt uns damit vor die Frage: Wie hältst du es mit der Liebe? "Das ist Mein· Gebot, daß ihr euch einander so liebt, wie Ich euch geliebt habe" (loh. 15, 12).

"Es kommt die Stunde, da jeder, der euch tötet, Gott einen Dienst zu erweisen glaubt" (Evangelium). Wir dürfen es nicht anders erwarten und nicht anders haben wollen. "Ich sage euch das, damit, wenn jene Stunde kommt, ihr euch daran erinnert, daß Ich es euch gesagt habe" (Evangelium). Und wir wollen es gar nicht fassen, daß jene Stunde

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IV. Die österliche Zeit: Siebte Woche nach Ostern.

auch über uns kommen muß! Alles, nur nicht leiden! So wenig haben wir noch das Licht und den Geist Christi 111 uns!

Ge be t.

Allmächtiger ewiger Gott, gib, daß wir mit unserem "Villen Dir stets ergeben selen und mit lauterem Herzen Dell1er M aj estät dienen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Montag in der Oktav von Christi Himmelfahrt. ehr ist u s der Ho he pr i e s t e r.

I. Im Opfergang der M eßfeier nehmen wir an der Weltprozession teil, die den in den Himmel einzIehenden Herrn begleItet. "Aufgefahren ist Gott unter Jubel, der Herr beim Schall der Posaunen. Allcluj a." Er geht in den Himmel ein, um, zur Rechten des Vaters thronend, Sein Hohepriestertum, das Er in der l\:lenschwerdung angetreten hat, ewig fortzusetzen und fruchtbar zu machen. "Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze Dich zu Meiner Rechten. Du bi,t Priester in Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedech" (Ps. lO9, I 4).

2. C h r ist i h i m m I i sc h e s P r i e s t e r t u mist nicht etwa eine Wiederholung oder Ergänzung des Opiers am Kreuze. Es ist nur dessen fürsorgende, vom Eifer für die Ehre des Vaters und für das Heil der Seelen diktIerte Verewigung, d. i. ewige, lebendig Wirksame Geltendmachung und Fruchtbarmachung des Opfers am Kreuze. Solange es auf Erden Seelen gibt, die der Erlösung bedürfen und denen die Frucht der Erlösungsverdienste Christi zugewandt werden l11ufi, übt Er an ihhen Sein Priestertum aus. Und' zwar in zweifacher Weise. Erstens durch Sein ununterbrochenes Opfergebet. Er ist ein anderer l\loses, der betend dIe Hände und Arme emporhält, während sem Volk gegen die Amalekiter kämpft. Läßt Moses die Arme sinken,

Montag: Christus der Hohepriester. 453

dann wird Israel geschlagen; hält er die Arme hoch, dann bleibt es Sieger (21l0S. 17, 10). "Er lebt immerfort, für uns Fürbitte einlegend" (Hebr. 7,. 25). "Jerusalem (Kirche), auf deine Mauern stelle Ich Wächter, die niemals schweigen weder bei Tag noch bei Nacht" (Is. 62, 6). Dieser Wächter über Jerusalem, über die Kirche und deren Kinder ist Christus, ,der Hohepriester, "der gestorben und auferstanden ist, der zur Rechten Gottes sitzt und FÜrsprache für uns einlegt" (Röm. 8, 34). Er übt Sein Priestertum sodann in Seinem Opferleben in der heiligsten Eucharistie aus, auf unsern Altären. Da bringt sich der himmlische Hohepriester durch die Hand des geweihten Priesters der Kirche in unserer Mitte dem Vater zum Opfer dar, Seinen LeIb und Sein Blut, Sein ganzes vcrgangenes Erdenleben mit all den unendlichen Werten, Akten und Werken der Anbetung, der Huldigung, des Lobpreises, des Gehorsams, der Liebe. "Eine reine, heilige, makellose Opfergabe." Ex legt diese Opfergabe in die Hände Seiner Kirche,4auf daß sie alle, die im Himmel und wir auf Erden, sie mitaufopfern und so dem Vater ganze, würdige Anbetung und Verherrlichung weihen. "Das ist l\lein Leib Das ist Mein Blut." Die Frucht der Himmelfahrt des Herrn!

"A u f e w i g soll s t Du P r i e s t e r sei n nach Weise des Melchisedech." Nicht nach der blutigen Opferart der Leviten des Alten Bundes, sondern nach der unblutigen Art des geheimnisvollen Priesterkönigs M elch isedech. M elchisedech opfert Brot und 'vVein: Christus, der himmlische HoheprIester, wandelt mit Schöpfermacht das Brot und den Wein in SelI1en hochheiligen Opferleib und in Sein heiligstes Opferblut. Das eucharistische Opfer, das der himmlische Hohepriester hier auf Erden feiert, wird der Grund, auf dem sich Sein ReIch auf Erden aufbaut und weitet. Es Ist der Quell, welcher die lebenspendenden Wasser der Erlösung in die Gnadenbäche der heIlIgen Sakramente leitet. Es ist das

454 IV. Die österliche Zeit: Siebte Woche nach Ostern. ewig pulsierende Herz, das die Ströme des Lichtes, des Lebens und der Liebe durch den mystischen Leib Christi trägt. In diesem Opfer leistet der himmlische Hohepriester vollsten Ersatz für alle. SÜnden, würdigstes Entgelt für alle Wohltaten, kräftigste FÜrb-itte fÜr alle Bedürfnisse, höchste Anbetung fÜr alle Kreatur. Durch dieses Opfer

• wird der priesterliche Geist Christi in allen Seinen Gliedern lebendig. In der Kraft dieses Opfers lebt der Herr in Seiner Kirche, in Seinen Gliedern hier auf Erden weiter, in ihnen und mit ihnen bedrängt, verfolgt, bÜßend, streitend, Gutes tuend, anbetend. In der Kraft dieses Opfers macht Er sich Seine Erlösten täglich vollkommener zu eigen, verleibt Er sie Seinem hochheiligen Opferleibe ein und opfert sie mit sich dem Vater auf. "Eine reine, heilige, makellose Opfergabe." "Von Sion aus läßt Jahwe weithin walten das Zepter Deiner Macht. So herrsche denn inmitten Deiner Feinde. Dein ist die FÜhrerschaft im Glanze heiliger Gefolgschaft. Auf.wig sollst Du Priester sein." Durch die l\1acht Deinl's himmlischen Priestertums herrsche Über die Mächte der Sünde und des Bösen. Herrsche über die Herzen der Menschen, mache sie Dir zu eigen. Mache sie in der Mitfeier der heiligen Eucharistie mit Dir zusammen zu einer reinen, heiligen, makellosen Opfergabe an' den Vater. Erfülle sie mit dem Geiste und der Kraft Deines Priestertums!

3. Unser Hoherpriester Christus besitzt "ein unvergängliches Priestertum, weil Er in Ewigkeit bleibt. Darum vermag Er auch diej enigen vollkommen zu retten, die durch Ihn vor Gott hintreten, da Er allezeit lebt, um für uns Fürsprache einzulegen. Ein solcher Hoherpriester ziemte uns, der da ist heilig, rein, von den SÜndern losgelöst und Über die Himmel erhaben" (Hebr. 7, 24 25 26). Wie dürfen wir uns glücklich schätzen, den himmlischen Hohenpriester zu haben! Wir "treten durch Ihn vor den Vater hin". Wir beten "durch Christus unsern

Montag: Christus der Hohepriester. 455

Herrn". Wir feiern die heilige Messe mit und lassen uns in SeInem Opfer mitaufopfern. Er kann uns also vollkommen retten und heiligen, in Seinem Gebet, in Seinem Opfer!

Ein ewiges Hohepriestertum ! Ewig ist Jesu heiliger Opferwille. EWIg jenes hohepriesterliche M itleid mit der armen Menschennatur, deren Schwächen, die Sünde ausgenommen, Er selbst an sich erfahren hat (Hebr. 4, 15). In diesem ewigen Opferwillen lebt Jesu zeitlich vergangenes Erdenleben ewig fort:

Seme SeJbstentäuJ3erung, Seine Tränen, Seine MÜhen, Sell1e Anstrengungen, Seine Erniedrigungen. In dem unvergänglichen Opferwillen des himmlischen Priesters J esus lebt der arme, gedemÜtigte, gekreuzigte J esus ewig fort als das Opferlamm, als die Opfergabe des Hohenpriesters. 0 Tiefe des Reichtums des armen, demütigen Erdenlebens im Geiste Christi erfaßt und gelebt! Herr, daß ich sehe!

"Er steigt in den Himmel auf und teilt, als der himmlische Hohepriester, den Menschen Gnaden aus" (Eph. 4, 8). "Durch Ihn erschaffst Du, Herr, immerfort all diese Gaben, heiligst, belebst, segnest und gewährst sie uns. Durch Ihn und mit Ihm und in Ihm wird Dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Ehre und Verherrlichung von Ewigkeit zu Ewigkeit" (Kanon der helligen Messe). Alles durch den Hohenpriester Christus und mit Ihm und in Ihm!

"Vvir haben nicht einen Hohenpriester, der mit unsern Schwächen nicht MitgefÜhl haben könnte: in allem ist Er ja versucht worden wie wir, die Sünde ausgenommen. Laßt uns also mit Zuversicht hintreten zum Thron der Gnade, um BarmherZIgkeit zu erlangen und Gnade zu finden zur rechten Zeit, da wir ihrer bedürfen" (Hebr. S, 15 f.).

Ge be t.

Erfüllt mit heiligen Gaben (Eucharistie), bitten wir Dich, 0 Herr, gib, daß wir allezeit in Dank-

456 IV. Die österliche Zeit: Siebte Woche nach Ostern. sagung verharren. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Dienstag in der Oktav von Christi Himmelfahrt.

C h r ist u s K ö n i gun d R ich t e r: .

I. "Vater, verherrliche Deinen Sohn. Ihm hast Du ja die. Macht über alle Menschen gegeben" (Joh. 17, I 2; Evangelium der Vigil von Christi Himmelfahrt). Der Vater hat Jesu Gebet erhört und Ihn in der Himmelfahrt verherrlicht, d. i. Ihn zum Herrn über alles Geschaffene bestellt. "Setze Dich zu Meiner Rechten." Nun nimmt Er an der Herrlichkeit, am Herrschertum des Vaters teil. Ihm ist "alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden" (Matth. 28, 18). Die Gewalt zu herrschen und die Gewalt zu richten.

2. Die G e wal t, zu her rs ehe n. H inter der Milde des Evangeliums steht greifbar die königliche Macht des Gesetzgebers. Christus fÜhrt nicht erbauliche Reden. Er gibt Gesetze. Gesetze, die Er mit der Sanktion ewiger SelIgkeit oder ewiger Unseligkeit umgibt. "Predigt das Evangelium allen Geschöpfen. Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet, wer nicht glaubt, wird verdammt werden" (Evangelium). Gesetze, vor denen es kein Ansehen der Person, keine Privilegierte und keine Benachteiligte gibt, sondern nur Gerechte und Sünder. Gesetze, Über die niemand, selbst die Kirche nicht, befinden kann, sondern denen sich nur jedermann in Ehrfurcht und Demut zu beugen hat. Gesetze, Über die k@in irdischer Gesetzgeber, kein Parlament, kein König, kein Minister, keine Wissenschaft sich ungestraft h1l1wegsetzen darf. Gesetze, die Er' im Evangelium und durch Seine unfehlbare Kirche der Welt kundtut, so daß niemand sich mit Unkenntnis entschuldigen kann, am wenigsten die Kinder der Kirche. "Mir ist alle Gewalt" gegeben im Himmel und auf Erden." Die Gewalt auch über mich: über

· Dienstag: Christus König und Richter. 457

me1l1en Geist, über mein Herz, über mein Schicksal, über mein Leben. Freudig bejahe ich Seine Herrschaft über mich, Sein Gebot, Sein Gesetz!

Die Ge wal t, zur ich t e n. "Dieser J esus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird wiederkommen" (Epistel). Als Richter am Jüngsten Tage. Das wird die Krone aller Machtwirksamkeit des verherrlichten J esus sein. Diese Seine Herrlichkeit steht vor Seinen Augen, da der Hohe Rat in Jerusalem Über Ihn zu Gerichte sitzt lmd das Todesurteil spricht. "Ich sage euch: von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten des Vaters sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen" (Matth. 26,64). "Der Vater richtet niemand. Er hat alles Gericht dem Sohne übergeben" (Joh. S, 22). Alles Gericht! Die vielen offensichtlichen Strafgerichte Über die Menschheit, Über die einzelnen Völker und Staaten, über die einzelnen, über die in die Irre gegangene Wissenschaft, über die Kulturgötzen der wechselnden Zeiten und Moden, von denen die Geschichte der Menschheit erzählt! "Er hat alles Gericht dem Sohne übertragen, damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren" (Joh. S, 22). Vor Ihm, dem Richter der Lebendigen und der Toten, hat sich jede Menschenseele zu stellen, kaum daß sie im Tode den Körper abgestreift hat. Vor Ihm hat sie sich zu verantworten: vor dem, der auch ,als Mensch um alle ihre geheimsten Gedanken und Absichten wußte und weiß, und alle ihre \Verke kennt, die guten und die nicht guten. Vor Ihm, dessen Richterspruch über die Ewigkeit entscheidet. Vor Ihm, dem Weltenrichter, werden sie einst alle erscheinen müssen. Er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Zu den einen wird Er sagen: "Kommt, ihr Gesegneten Meines Vaters." Zu den andern: "Weichet von MIr, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer." "Diese werden in die ewige Pein gehen, die Gerechten aber in das

458 IV. Die österliche Zeit: Siebte Woche nach Ostern. ewige Leben" (Matth. 25, 32-46). "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden." "Himmel und Erde werden vergehen, aber Meine Worte werden nicht vergehen" (Luk. 21, 33). Jesus, der G~kreuzigte. der von dem Hohen Rat Gerichtete, von den Menschen Verworfene, ist der Richter der Welten. Ihm werden sich beugen, die im Himmel und die auf der Erde und die unter der Erde sind. Alle, auch die heute Ihn abtun und verwerfen, werden erkennen und bekennen müssen: "Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh. 14. 6). Du allein bist der Heilige. Du allein der Herr. Du allein der Allerhöchste." Christus wird unfehlbar sicher triumphieren und alle zum Schweigen bringen. Wie werden wir dann froh sein, daß wir Ihm gelebt haben! \Vie werden wir glÜcklich sein, wenn Er zu uns sagen wird: "Wohlan, du guter und treuer Knecht. Du bist über weniges treu gewesen, darum will Ich dich Über vieles setzen. Geh ein in die Freude deines Herrn" (Matth. 25, 23). Wie werden wir dann froh sein, daß wir hier auf Erden nach J esu Lehre und Beispiel gelebt, die Armut, das Kleinsein geliebt, das Kreuz umfangen, der Welt und ihren Grundsätzen entsagt haben! Wenn wir den Urteilsspruch hören dürfen: "Kommt, ihr Gesegneten M eInes Vaters, und nehmt das Reich in Besitz, das euch von Anbeginn der Welt bereitet ist" (Matth. 25, 34).

3· J esus, unser Heiland und Erlöser, als Herr und Richter zur Rechten des Vaters erhöht. Er kann und wird uns nicht Eriöser sell1, wenn wir uns von Ihm, dem Herrn, l1lchts vorschreiben lassen oder wenn wir uns Seinem Gebot nicht unterwerfen wollten. Je mehr wir uns dem Herrn In liebendem Gehorsam unterwerfen, um so mehr werden wir erfahren, daß Er uns Erlöser ist.

Wir huldigen dem im Himmel Erhöhten. Wir huldigen Ihm mit unserem Glauben. Mögen wir die Wahrheiten des Glaubens, die Er Uns verkündigt,

Mittwoch: Der unheilige und der Heilige Geist. 459 auch schwerlich einsehen: wir beugen unsern Geist dem V/ort, das Er gesprochen. vVir huldigen mit unserem Willen. "Das ist Mein Gebot, daß ihr einander so liebt, wie Ich euch geliebt habe" (J oh. I S, 12). "Den Alten ist gesagt worden: Du sollst nicht töten. Ich aber sage euch: Vv' er immer seinem Bruder zürnt, ist dem Gerichte verfallen. Den Alten ist gesagt worden: Du sollst nicht ehebrechen. Ich aber sage euch: Jeder, der ein Weib ansieht, um es zu begehren, hat in seinem Herzen bereits mit ihm Ehebruch begangen. Den Alten wurde gesagt: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde" (Matth. 5, 21 27 43). Wir erfüllen treu Sein Gebot. Wir huldigen mit unserer Liebe. Unser Herz, unsere Liebe will Er haben. Nicht einen kalten, nur auferzwungenen Dienst, den Dienst des Sklaven, sondern den Dienst der freudigen, freien, heiligen Liebe. Sein Gebot fürchten, ist gut. Aber es lieben, ist besser. Wir huldigen mit unserem Leben. Was immer uns im täglichen Leben als ArbeIt, Pflicht, Aufgabe, Beruf entgegenkommt, ist uns eine Erscheinung des Herrn, eine Kundgebung Seines Gebotes und Gesetzes. "Vir antworten mit einem aufrichtigen: Wie Du willst! Aus Liebe zu Dir!

Ge b e t.

Allmächtiger ewiger Gott, gib, daß wir mit unserem \iVillen Dir stets ergeben sind und mit lauterem Herzen Deiner Majestät dienen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Mittwoch in der Oktav voI) Christi Himmelfahrt.

Der unh eil i g e und der H eil i g e Gei s t.

I. Der Herr ist in den Himmel aufgefahren. Die Apostel kehren vom ölberg in die Stadt zurÜck. Im Abendmahlsaal "verharren sie einmütig im Gebet zusammen mit den Frauen und mit Maria, der

460 IV. Die österliche Zeit: Siebte Woche nach Ostern. Mutter Jesu" (Apg. I, 12 14). So hatte es ihnen der Herr aufgetragen: sie sollen in J erusalem bleiben und die Ankunft des Heiligen Geistes erwarten (Apg. 1,4). Mit Maria und den Aposteln erwartet in diesen Tagen auch die heilige Kirche die Ankunft des Heiiigen Geistes. Wir schlie.l3en uns der Kirche an.

2. Der unh eil i g e Gei s t des na tür li c hi r dis c h e n M e n s c h e n lebt und wirkt in uns. Trotz der religiösen Übungen, denen wir ergeben sind. Trotz der Gebete, die wir verrichten. Trotz der helligen Beichte und der täglichen heiligen Kommunion. Ein gefährlicherer Feind, als der Teufel oder die Welt oder das Fleisch es ist, ist der sog. Menschengeist, der eigene Geist. Er ist der Feind derer, die es mit der Frömmigkeit ernst nehmen und bereits im I innerlichen Leben vorangeschritten sind. Er ist voll Trug und Hinterlist und Verstellung. Er ist unbeständig, neugierig, unruhig, der Feind seiner eigenen Ruhe. Zuweilen scheint er ganz Gott unterworfen. Dann stellt er sich wieder, unter dem Schein des RichtIgen, des Eifers, unter den Einfluß des satanischen Geistes. Unter dem Vorwand, die Ehre Gottes zu fördern und nach Vollkommenheit zu streben, verbirgt er seine eigenen Interessen und selbstsÜchtigen Absichten. Er treibt uns an, aus bloß natürlich-menschlichen Beweggründen zu handeln und völlig unabhängig von den Anregungen der Gnade, vom Blick auf Gott und Gottes Wohlgefallen. Er neigt und drängt immer zum Frieden, d. i. zur Bequemlichkeit, zum Wohlbehagen, zur Freiheit und Ungebundenheit und trägt für den Körper reichlich FÜrsorge. Er sucht, wennschon unter dem Schein des Strebens nach Vollkommenheit verhüllt, in allem sich selber, gerade in den Dingen des rel igiösen Lebens: in dem RIngen um die überwindung des Bösen ebenso wie in dem Streben, fÜr Gott und das Heil der Seelen zu arbeiten'. Nur allzu sehr lebt und wirkt der Menschen-

Mittwoch: Der unheilige und der Heilige Geist. 461 geist in uns. Wir haben Grund genug, nach der Ankunft des Heiligen Geistes auszuschauen und mit aufrichtigem Verlangen zu rufen: "Komm, Heiliger Geist!" "Ein reines Herz erschaff in mir, 0 Gott, den rechten Geist erneu in meinem Innern" (Ps. So, 12).

Der H eil i ge Gei s t ist der Geist des wahren Lebens. Er gibt Licht. Er gibt Glauben. Er gibt begeistertes vVollen, unsterbliches Hoffen. Das Feuer des Heiligen Geistes wirkt die Wärme der Innerlichkeit und die Glut der Begeisterung. Er verbrennt alles Unedle und Böse, verdrängt den bösen GeIst der Selbstsucht, der Sinnlichkeit und WeltIichkeit. Er erhebt all unser Tun zu Gott und bereitet allem Gemeinen in uns ein vernichtendes Gericht. Er schärft unser Auge für das Böse in uns und nimmt uns den Schlaf aus den Gliedern und aus der Seele. Er wirkt j cne Freiheit des Geistes, welche uns vom Vergänglichen loslöst, unser Herz an Gott bindet und uns mit edler Bedürfnislosigkeit und heilIger Unabhängigkeit dem Leben gegenübertreten lällt. Jene Freiheit, welche sich auf Erden mit dem Geringsten, Einfachsten und N otwendigsten zufrieden gibt und alle GÜter der Erde, der WeH und der Kultur nur dazu benÜtzt, um das Leben der Seele zur Reife zu bringen. Dieses Heiligen Geistes bedürfen wir. Um diesen Geist flehen wir in diesen Tagen in Gemeinschaft mit Maria und den Aposteln und zusammen mit der heiligen Kirche. "Veni, Sancte Spiritus - Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen Deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer Deiner Liebe."

3. "Komm, Heiliger Geist." Er wird in dem Grade kommen, als wir uns nach Seiner Einkehr sehnen und nach Ihm verlangen. Wir werden uns um so mehr nach Ihm sehnen, je mehr es uns klar geworden ist, wie sehr wir noch Sklaven des unheiligen Menschengeistes sind. So wenig wahre innere Freiheit! So wenig lebendigen Glauben! So

462 IV. Die österliche Zeit: Siebte Woche nach Ostern. viel rein natürliches Denken, Urteilen, Werten! So wenig Einsicht in die Dinge des Geistes! Wer kann uns zu den Höhen des geistigen Menschen erheben? Nicht das eigene Wollen oder MÜhen. Allein die Gnade Gottes und die Kraft des Heiligen Geistes. "Tu weit auf deinen Mund, Ich will ihn füllen" (Ps. 80, II). Je mehr wir verlangen und bitten, um so mehr werden wir erhalten. "Wer bittet, empfängt" (Matth. 7, 8). Wer nicht bittet, empfängt nicht. Denn "die Hungrigen erfÜllt Er mit GÜtern, die Satten aber läßt Er leer ausgehen" (Luk. I, 53).

"Ich sende die Verheißung M eines Vaters, den Heiligen Geist, auf euch herab. Bleibt in der Stadt, bis ihr mit der Kraft von oben ausgerüstet seid" (Luk. 24, 49). Das ist die Weisung des Herrn für diese Tage vor Pfingsten. Wir verharren also mit Maria und den Aposteln im Gebet, in steter Sammlung in einer geistigen Klausur. Mitten in den Arbeiten des Berufes und der Familie halten wir unser Herz für Gott und fÜr den stillen Gebetsaustausch mit dem Herrn frei. Wir wollen bereit sein, wenn am heiligen Pfingstfest der Geist Gottes herniedersteigt und bei uns Einkehr nehmen will. Daß Er ja nicht an uns vorübergeht!

Ge be t.

Gott, unsere ZuAucht und Stärke! Du bist ja selber der Urheber der Frömmigkeit; darum stehe den frommen Bitten Deiner Kirche bei und gib, daß wir in der Tat das erlangen, um was wir Aehentlich bitten. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Oktav von Christi Himmelfahrt.

"Sursum corda!"

I. "Wir bekennen gläubig, daß Dein Eingeborener heute zum Himmel aufgefahren ist. Gib uns also die Gnade, daß auch wir mit unserem Geiste im Himmel wohnen." Das ist die große Bitte der heiligen Kirche

Donnerstag (Oktav v. Himmelfahrt): "Sursum corda." 463 an Gott. Einklang zwischen Glauben und praktischem Leben!

2. "Sursum corda!" Mit unserem Geist im Himmel wohnen! Im Jenseitigen, im Überzeitlichen wurzeln! Da leben, wo Christus ist, der V erklärte, unser Haupt, unser Weg und Vorbild, die Wahrheit. Dorther unsere Gedanken, Urteile, Anschauungen, Motive, Impulse holen. Dorthin unsere Hoffnungen und Erwartungen verlegen. FÜr das, was droben ist, was nachher kommt, sorgen und sich mühen! "Sursum corda!" Die Vorgänge, die Widerstande, die Zufälle, die Menschen, die Arbeiten, Pflichten und Leiden im Lichte des Jenseits, der Ewigkeit, Gottes und des verklärten Herrn ansehen und werten! Im Himmel wohnen, bedeutet, um Gottes und Christi willen ~s sich auf Erden gefallen lassen, daß unsere Absichten verkannt, ja von den Besten mißdeutet werden. Es bedeutet, die Verleumdung und ZurÜcksetzung nach dem Vorbilde und im Geiste dessen annehmen, den sie ungerecht zum Tode verurteilt und aufs schändlichste gemordet haben und den der Vater dafÜr über alle Himmel erhöht hat. Es bedeutet, in dieser Welt nicht von den Menschen anerkannt und gewürdigt werden wollen, sondern sein Tun und Lassen dem Übergeben, der im Himmel um uns weiß und bei dem nichts von dem Guten verloren geht oder vergessen wird, das wir ehrlich gemeint haben. Wer im Himmel lebt, betrachtet seine Lebensaufgabe im Lichte einer ewigen Bestimmung und Verantwortlichkeit. Er ist nicht untätig oder interesselos. Im Gegenteil. Er nimmt das Leben tiefer, ernster und schwerer als die andern. Aber er lebt im Frieden Gottes. Er steht Über dem Leben. Er fällt nicht von einer Aufregung in die andere. Er tut in Ruhe, den Blick nach oben gerichtet, das Seinige. Das Widrige nimmt er als sein gottgewolltes Kreuz auf sich und geht in den Fußstapfen dessen, den er jetzt im Himmel weiß, am Throne des Vaters. ,;Wer sich

464 IV. Die österliche Zeit: Siebte Woche nach Ostern. erniedrigt, der wird erhöht" (Luk. 14, II). "In eurer Geduld werdet ihr eure Seelen besitzen" (Luk. 21,19). Er verwertet das Zeitliche für sein ewiges Heil. Das ist wahre Lebensweisheit, überwindung des Diesseits, Rettung aus dem Staub, der Enge und Leere des kleinen Ich mit seiner Verworrenheit und seinem vVahn.

"W i e ein R i e s e gin gEr Sei n e n Weg" (Ps. 18, 6). Er machte gewaltige Schritte, um uns zu erlösen. Vom Himmel in den Schoß der Jungfrau, vom Schoß der Mutter in die Krippe, von der Krippe ans Kreuz, vom Kreuz ins Grab, vom Grab kehrte Er in den· Himmel zurÜck. Der menschgewordene Gottessohn machte für uns diese Schritte, damit wir Ihm nacheilen und Ihn aus ganzem Herzen bitten:

Ziehe uns Dir nach! vVir folgen Deinen Spuren. \Vir haben Ihm mit dem Herzen dahin zu folgen, wohin Er körperlich aufgestiegen ist. "Laßt uns also die irdischen Wünsche fliehen. Bedenken wir es wohl: Derjenige, der segnend in den Himmel aufgestiegen ist, wird als furchterregender Richter wiederkehren. vVas Er in Güte uns geboten hat, darüber wird Er in Strenge von uns Rechenschaft verlangen. Niemand schätze also die ihm zur Buße gegebene Zeit gering. Niemand vernachlässige die Sorge um sein Heil jetzt, solange er dafür arbeiten kann. Denn unser Erlöser wird um so strenger zum Gerichte kommen, je mehr Er jetzt, vor dem Gerichte, uns Seine Milde erzeigt hat" (Gregor d. Gr. in den Lesungen der Mette des heutigen Tages).

3· "Vater, Ich will, daß, wo Ich bin, auch sie seien" (JOh.I7, 24). "Dazu", so läßt Bossuet den Heiland sprechen, "dazu hast Du M ich gesandt, daß sie vollkommen eins seien. Darum, Vater, weil Du sie Mir gegeben hast, nicht bloß als Kampfgenossen, nicht bloß als Brüder, sondern als Glieder, darum will Ich, daß sie vollkommen eins seien als Glieder Meines Leibes. So wahr Du l'ilich Herr sein lässest über Mich selbst, mußt Du Mich Herr sein lassen

Freitag: Seid bereit!

über Meine Glieder. Darum, Vater, will Ich, daß, wo Ich bin, auch sie seien. Wenn Ich in der Glorie bin, sollen auch sie dort sein. Mit Mir, in der Einheit mit Mir."

"Auf daß sie die Herrlichkeit schauen, die Du Mir gegeben hast" (Joh. 17, 24). Am eigenen Leib sollen sie diese Herrlichkeit erfahren. Sie sollen erfahren deren Größe und Herkunft. "Die Du Mir gegeben hast." Ich habe sie von Dir. Denn vor der GrÜndung der Welt hast Du Mich geliebt. Ganz hast Du sie Mir gegeben, groß genug, daß Ich sie mitteilen, ausbreiten kann. "Ich heilige Mich für sie." Deinem Zorne verfallene Opfer waren sie. Ich trete an ihre Stelle; heilig, Deiner Majestät geweiht sollen sie zugleich mit Mir Dir geweiht und geopfert sein, wie Ich Mich Dir weihe und opfere." "Ich heilige Mich fÜr sie": einmal im Tode am Kreuze; immerfort, täglich, stÜndlich im Opfer der heiligen Messe. Damit sie zugleich mit Mir Dir, dem Vater, geweiht und geopfert, auf Erden ein himmlisches, gotterfÜlltes Leben fÜhren!

Ge be t.

Allmächtiger Gott, wir bekennen gläubig, daß am heutigen Tag Dein Eingeborener, unser Erlöser, zum Himmel aufgefahren ist und bitten nun, gib, daß auch wir selbst mit unserem Geiste im Himmel wohnen. Durch denselben Christus unsern Herrn. Amen.

Freitag nach der Oktav von Christi Himmelfahrt.

Seid bereit!

I. "Gib, 0 Gott, daß wir Dir mit unserem Willen stets bereit seien und mit lauterem Herzen Deiner Maj estät dienen" (Oration). Bereitschaft des Willens und Reinheit des Herzens erflehen wir für uns und für alle, die sich mit uns auf Pfingsten rüsten.

2. B e r e i t s c h a f t des Will e n s. Gegenüber

Baur. Werde Licbt! II 30

466 IV. Die österliche Zeit: Siebte Woche nach Ostern. der Gnade und dem Wirken der Gnade des Helligen Geistes kann es unserseits nur die Haltung Mariens geben: ein vollkommenes "Fiat" des \Villens zu allem, was die Gnade fordert und wozu sie ruft. Auch ·wo sie uns kreuzigt und alles zu zerstören scheint. Diese Seelenhaltung schließt j eden menschlichen Eigen-. willen, jedes Kleben an diesen oder j enen mensch~ lichen Wünschen aus. Soll der Heilige Geist fruchtbar in uns wirken und uns neugestalten, so wie Er es an den Aposteln getan, dann genügt es nicht, daß wir um Seine Ankunft beten. Es ist notwendig, daß wir zugleich nach bestem Können das Erdreich unserer Seelen zubereiten. Wir tun es dadurch, daß wir uns selber verlassen, uns selber vergessen, uns von allem, was nicht Gott, Gottes Wille und Ehre ist, loslösen. Dann ist die Seele frei. Dann ist sie bereit, auf j eden Antrieb und Drang des Heiligen Geistes mit einem vollkommenen "Es geschehe" zu antworten. Gott arbeitet nun einmal, wenn man so sagen darf, auf dem Boden des Nichts. Aus dem Nichts' macht Er alles. Solange wir vor Ihm und gegenÜber Seinem Gnadenwirken nicht ganz und gar gleichsam nichts geworden sind; solange wir nicht vollkommen Seinem vVillen und Wollen gefügig und von Ihm abhängig sind; solange wir selber noch etwas sind und 'sein wollen und eigene Wünsche hegen, hindern wir Sein Wirken in uns. Es fehlt uns die vollkommene Bereitschaft des Willens gegenüber Gott und Seinen Gnaden. Vlas folgt daraus fÜr uns, angesichts des Pfingsttages?

R ein he i t des Her zen s. Es gibt eine Reinheit des Herzens gegenÜber der Sünde, den Fehlern und Unvollkommenheiten. Daß Gottes Geist, soll Er in eine Seele kommen, die Reinheit von der Sünde, den Fehlern und Unvollkommenheiteri, wenigstens das aufrichtige Ringen um diese Reinheit, voraussetzt, wissen wir. Es gibt aber auch eine Reinheit des Herzens gegenÜber der Gnade, die Gott uns schenkt. Eine Reinheit, die sich nichts darauf einbildet, daß

Freitag: Seid bereit I

Gott der Seele nahekommt, die im Gegenteil um so reiner, lichtvoller und demÜtiger wird, je mehr Gottes Gnade die Seele erhebt und bereichert. Es braucht in der Tat eine große Reinheit der Gesinnung, wenn Gott einer Seele größere Gnaden gibt. Etwas von jener Reinheit Mariens, die, von Elisabeth beglückwÜnscht, den Blick zu Dem erhebt, von dem sie die Gnade erhalten: "Hochpreiset meine Seele den Herrn. Er hat die Niedrigkeit Seiner Magd angesehen. Er hat Großes an mir getan." Maria ist viel zu hoch Über die Regungen der Eigenliebe erhaben, als daß sie in der ihr gewordenen Auszeichnung ruhen könnte. Sie freut sich nur über das, was der Herr an ihr Großes getan. Sie sieht nur Ihn, nicht sich selbst. Reinheit der Seele gegenÜber der Gnade. Hier fehlt es bei uns. Wie viel geheimer Stolz! vVie viel eitles Wohlgefallen an tins, wenn Gott uns Gnaden gibt! 'Nie oft beziehen wir die Gnaden auf uns und bilden uns auf sie etwas ein! Die Ehre, das 'Vohlgefallen Gottes ist selten der erste und eigentliche Beweggrund unseres Tuns, unseres Ringens um Heiligkeit, unser Hauptziel. Die Erstlinge unserer Gedanken und Gefühle, die ersten Regungen unseres Herzens gehören zumeist uns selber. Unsere Eigenliebe steckt mit einem feinen Gifte alles an und drängt sich sogar in die Liebe zu Gott ein, indem sie das, was die Gnade zur Ehre Gottes in uns wirken möchte, für sich selber raubt. vVie sehr haben wir Grund, zu beten: "Gib, daß wir mit lauterem Herzen Deiner Maj estät dienen."

3. Pfingsten will große Gnaden bringen. Es verlangt offene und vollkommen reine, selbstlose Herzen! Nicht umsonst ist Maria mit den Aposteln im Speisesaal. Sie ist das leuchtende Vorbild für alle, denen der Herr große. Gnaden geben will. Ihrem Vorbild haben wir jetzt nahezukommen. Sie lehrt tins, daß wir nicht nach besondern Gnaden verlangen; daß wir ja nie glauben, wir hiittcn uns bestimmter

30·

468 IV. Die österliche Zeit: Siebte Woche nach Ostern. Gnaden durch unsere Treue und unsere Anstrengung wÜrdig gemacht; daß wir von den Gnaden, die uns gegeben werden, nie etwas uns selber zuschreiben; daß wir in den Dingen der Frömmigkeit in Wahrheit selbstlos und uneigennützig seien und nie Abtötungen auf uns nehmen oder Werke der Frömmig- . keit tun, um Tröstungen zu erhalten. All das ist Eigenliebe und hindert Gottes Gnade. Dadurch verwandeln wir die himmlische Gabe für uns 'in Gift!

Was uns Gott am meisten nahebringt, sind nicht so fast die Gnaden, die Er uns verleiht, als vielmehr unser Streben, klein zu sein und in unserem Nichts zu verharren. "Wer sich erniedrigt, wird erhöht" (Luk. 14, II).

Ge be t.

Allmächtiger ewiger Gott, gib, daß wir mit unserem \Villen Dir stets ergeben seien und mit lauterem Herzen Deiner Maj estät dienen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Vigil von Pfingsten.

Mit dem H eil i gen Gei s t ge t a u.ft.

I. In der Nacht vom Samstag auf den Pfingstsonntag wurden in Rom diejenigen getauft, welche an Ostern. aus irgend einem Grunde die heilige Taufe nicht hatten empfangen können. Die Pfingstvigil ist eine NachbIldung der Vigil der Nacht vom Karsamstag auf den Ostertag. Sie drückt den Gedanken aus: Wir Christen sind mit dem Heiligen Geiste getauft.

2. Wir hab end e n H eil i gen Gei s t e m pfan gen. Der Apostel Paulus, so berichtet die Epistel, kommt nach Ephesus. Hier findet er einige JÜnger, welche bereits getauft sind. Er fragt sie, ob sie, nachdem sie getauft sind, auch den Heiligen Geist empfangen hätten. Sie aber wissen nichts vom Heiligen Geist: sie haben von Ihm Überhaupt nichts

Samstag (Pfingstvigil): Mit dem Hl. Geist getauft. 469 gehört. Also, schließt Paulus, haben sie die Taufe Christi nicht empfangen, sonst hätten sie den Heiligen Geist. In der Tat, sie hatten nur die Johannestaufe empfangen, jene Taufe nämlich, welche Johannes der Täufer am Jordan gespendet hatte, nicht die von Christus eingesetzte Taufe. "Sie ließen sich auf den Namen des Herrn Jesus taufen. Und als Paulus ihnen nach der Taufe die Hände auflegte, da kam der Heilige Geist auf sie herab (und teilte ihnen mit Seiner Person zugleich in sinnlich wahrnehmbarer Form Seine besondern Gaben, Charismen, mit): sie redeten in Sprachen und weissagten.;< Bei diesem Berichte denkt die heilige Liturgie an uns. Wir haben die Taufe Christi und die heilige Firmung erhalten. Wir sind also Geistesträger , Geisterfüllte. Uns gilt der Introitus: "Wenn Ich in euch geheiligt bll1, will Ich euch aus allen Landen versammeln (in der Gemeinschaft der Kirche) und reines Wasser (Taufe) Über euch ausgießen. Und einen neuen Geist will Ich euch geben (heilige Fir-

• mung, Pfingsten)." Kein Zweifel, uns ist der Heilige GeIst gegeben. Der Heilige Geist, mit dem Vater und dem Sohne in göttlicher Innigkeit verbunden, wird der "süße Gast" unserer Seele, uns unendlich nahe! In innigster, lebendigster Verbindung mit unserer. Seele ! Wenn wir doch die Gabe Gottes erkännten!

"D e r H eil i g e Gei s t wir d bei e u c h bl e iben und in euch wohnen" (Evangelium). "Die Welt kann Ihn nicht empfangen. Sie sieht Ihn nicht und kennt Ihn nicht." In uns aber, die wir Christo einverleibt sind, wohnt Er, 'lebt Er und wirkt Er. "Wer Mich liebt, wird von Meinem Vater geliebt, und auch Ich werde ihn lieben" (Evangelium). Mit welcher Liebe? Mit der Liebe, die im Leben der heiligsten Dreifaltigkeit den Vater dem Sohne und den Sohn dem Vater lebendig verbindet. Sie ist der Heilige Geist. Wir Christen dÜrfen uns rühmen, daß die Liebe, mit der der Vater und der Sohn uns

470 IV. Die österliche Zeit: Siebte Woche nach Ostern. liebt und mit der wir den Vater und den Sohn lieben, Gott ist. "Gott ist die Liebe" (I J oh. 4, 8). Der Heilige Geist, die Liebe Gottes, ist es, der die ewige Verbundenheit des Vaters und des Sohnes besiegelt und vollendet: derselbe Heilige Geist, 'die Liebe Gottes an sich selbst, ist es, der Christus und uns, das Haupt und die Glieder, miteinander verbindet, daß sie miteinander leben, wirken, beten, leiden, lieben, den Vater anbeten. Durch Seine wunderbare Einkehr in uns und Vereinigung mit uns wirkt Er unsere Eingliederung in Christus und verbindet Er uns dadurch dem Quell der Gnaden. Wir sind Christo einverleibt, weil der Heilige Geist, die Liebe Gottes, in uns wohnt. Und es wohnt der Heilige Geist, die Liebe Gottes, in uns, weil wir Christo einverleibt sind. Wunderbare Einheit. In der Liebe! So wahr wir also durch die heilige Taufe und die Gnade Christo, dem Herrn, organisch verbunden und mit Ihm eins sind, ebenso wahr lebt in uns der Heilige Geist, die wesenhafte Liebe Gottes. Welche Erhebung unseres Wesens, daß der Heilige Geist sozusagen in uns Fleisch annimmt! Welche Liebe Gottes, daß der Vater und der Sohn den Heiligen Geist, den Liebeserguß, der Sie beide in unendlicher Seligkeit miteinander verbindet, uns gesandt haben: derselbe Heilige Geist, die personenhafte Liebe des Vaters und des Sohnes, verbinclet uns arme Menschen dem Sohne und durch den Sohn dem Vater!

3· Die Gabe Gottes! Ach, daß wir uns immer nur an der Oberfläche unserer Seele bewegen! In die Tiefe, dorthin, wo Du bist, Heiliger Geist, in das Allerheiligste der Seele, tauchen wir nicht hinab. Laß uns, 0 Gott, an Pfingsten tief in den Abgrund blicken, in dem Du Dich geheimnisvoll verbirgst. Laß uns von nun an auf Dich achten. Laß uns aus dem Vielerlei des Alltags immer wieder auf den Grund des Herzens hinabsteigen, dorthin, wo der

Samstag (Pfingstvigil): Mit dem BI. Geist getauft. 47 I Heil ige Geist wohnt und wirkt, daß wir auf Ihn hören, mit Ihm leben!

Wir zerstreuen uns allzusehr und lassen uns von den momentanen Pflichten und Obliegenheiten zu sehr gefangennehmen. Wir gönnen uns keinen Augenblick des Schweigens und der Besinnung, der uns zu dem in uns gegenwärtigen Heiligen Geiste fÜhren würde. Er wird gehemmt. Er wird von uns vergessen. Er bleibt im Dunkel unseres Seelengrundes und wartet vergeblich auf einen Blick, auf einen Ruf von uns!

VI/enden wir uns mehr unserem Herzen zu! Innerlichkeit! Lauschen wir ihm, gehorchen wir ihm! Horchen wir auf das, was sich drinnen regt, was drinnen spricht! Einwohnung des Heiligen Geistes! Welches Glück! Und wir denken nicht daran!

Ge be t.

Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, laß uns, die wir das Hochfest der Sendung des Heiligen Geistes feiern, brennend von himmlischen Begierden nach dem Quell des Lebens dÜrsten. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

V. PFINGSTEN

Einführung.

1. "Ich sage euch: es ist gut fÜr euch, daß Ich zum Vater gehe. Denn gehe Ich nicht hin, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe Ich aber hin, so werde Ich Ihn euch senden" (Joh. 16,7)· In Seiner Himmelfahrt ist Er zum Vater gegangen. Heute erfüllt Er Sein Versprechen und sendet den Aposteln, der Kirche, den verheißenen Heiligen Geist: ein Beweis, daß Er beim Vater ist, der erhöhte Herr.

2. An Weihnachten ist Gott Mensch geworden.

Er ist gekommen, um uns die Teilnahme am göttlichen Leben, die Gnade der Gotteskindschaft, zu verdienen. Ostern ist das Fest der Auferstehung vom Tod der Sünde zum Leben, in der Einverleibung in den auferstandenen Herrn durch Taufe und Eucharistie. Pfingsten ist das Fest der sichtbaren Sendung des Heiligen Geistes an die Apostel, an die Kirche, an die Pfarrei, an die christliche Familie, an die einzelne Seele. Durch Seine Menschwerdung und Sein Opfer am Kreuz hat uns der Herr die Gnade der Sendung des Heiligen Geistes verdient. Jetzt, im Himmel, erfleht und verschafft Er uns den Beistand des Heiligen Geistes, damit wir in der Gna,de und Tugend wachsen und zur Vollendung der Heiligkeit gelangen, in der vollkommenen Eingliederung in das Haupt, Christus.

Währe,nd Seines Erdenlebens ist der Herr in Seinem irdischen, sterblichen Leibe schon in einzigartiger FÜlle Gefäß des Heiligen Geistes. Aber nach Seiner Auferstehung und Himmelfahrt ist Er so s·ehr vom Heiligen Geiste ergriffen und durchformt, daß Er "zum lebenspendenden Geistwesen" geworden ist CI Kor. 15, 45): so vollkommen, ·daß, soweit Er als Haupt in uns lebt und wirkt, ebenso weit der Hei-

V. Pfingsten.

lige Geist in uns lebt und wirkt: was Christus in uns wirkt, das wirkt der Heilige Geist in uns. Darum bedeutet dem Apostel Paulus das "in Christus leben" dasselbe wie das "im Geiste leben". Die Taufe in Christus ist ihm Taufe .. im Geiste", Gan'z so wie Johannes schreibt: "Daran erkennen wir, daß wir in Ihm, in Christus, bleiben und Er in uns (Einverleibung in Christus), daß Er uns von Seinem Geiste mitgeteilt" (I Joh. 4,13). Wir werden durch Christus in das göttliche Leben hineingehoben. Aber ebenso durch den Heiligen Geist. Wo der Heilige Geist nicht wirkt, da ist auch kein Leben in Christus möglich. "Die Gläubigen werden Christi Leib, wenn sie vom Geiste Christi zu leben verlangen. Der Leib

. Christi lebt vom Geiste Christi" (hl. Augustinus).

Dem Leib Christi schließen wir uns an, wenn wir uns dem Geiste des Herrn, dem Heiligen Geiste, anschließen. Das göttliche Leben ist immerfort lebendig und ist immerfort Christo, dem menschgewordenen Gott, gegeben. Christus sendet uns, wenn wir Ihn in uns wirken lassen, in Einigkeit mit dem Vater, den Heiligen Geist, den Geist der Kindschaft und Liebe. Dieser Geist hinwieder drängt uns immerdar zurÜck zum Vater, daß wir mit ganzer Seele danach verlangen und streben, dem Vater Kinder zu sein, in der heiligen Liebe zu wachsen und zur Vollendung der Liebe zu gelangen.

Deshalb ist das Leben in Christus, das wir durch die heilige Taufe (Ostern) empfangen, unvollendet und unmöglich, wenn uns nicht der Heilige Geist gesandt wird. Ostern drängt naturhaft auf Pfingsten hin. Pfingsten ist die Vollendung des Osterfestes. Ostern gibt uns in der Eingliederung in Christus das neue Leben. Es muß sich entfalten, es muß erstarken, es muß das göttliche Leben, das uns in der heiligen Taufe eingehaucht worden, eine verzehrende Glut werden, eine allen Widerstand niederwerfende Macht und Kraft; es muß sich zur Vollkommenheit der Liebe entfalten, die stärker ist als der Tod, die

Einführung.

477

uns drängt, fÜr Christus alles zu tun und zu geben, sogar Blut und Leben. Dies wirkt die Geistestaufe des Pfingsttages. Der Pfingstgeist ist Martyrergeist, Bekennergeist. Er gibt l.icht, Mut und allüberwindende Kraft. So sehr, daß die Apostel "freudig vom Hohen Rat hinweggingen, weil sie würdig befunden waren, fÜr den Namen J esu Schmach zu leiden<; (Apg. 5, 41).

Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche, des Christentums, des neuen Geschlechts. Der vom Geist berührte Mensch wandelt nicht mehr im Fleische, nach den Grundsätzen und Idealen des rein natÜrlichen, im Irdischen befangenen Menschen. Er wandelt im Geiste. Er ist erfüllt mit dem Lichte der Wahrheit, innerlich belehrt vom Heiligen Geiste, dem Geiste der Wahrheit. Im Geiste der Wahrheit sieht das neue Geschlecht die Dinge und Vorkommnisse des Lebens in ihrer Beziehung auf Gott, im Lichte der Vorsehung Gottes, im Lichte der Ewigkeit. Im Geiste der Wahrheit und der Liebe wird dies Geschlecht in seinem gesamten Sinnen und Trachten nur von einem Beweggrund und Gut bestimmt: von dem, was dem Vater lieb ist. Es sind geistige Menschen. Sie haben "durch den Geist das Leben", und- deshalb "wandeln sie im Geist" (Ga!. 5, 25). Sie gehören Christus an und haben ihr Fleisch mit seinen Leidenschaften und Lüsten gekreuzigt. Sie trachten nicht nach eitlem Ruhm. Sie kennen keinen Neid gegeneinander, sondern nur Sanftmut, Geduld, Liebe (Gal. 5, 26 ff.). Die Früchte des Geistes sind: "Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Güte, Vertrauen, Sanftmut, Bescheidenheit, Enthaltsamkeit, Keuschheit". In der Geistestaufe des Pfingsttages ist die Kirche, rein gewaschen im Blute Christi und mit Ihm auferstanden, mit der Fülle des neuen Lebens durchströmt. Heute steht sie mit der göttlichen Brautgabe, die Christus ihr verdient und heute gegeben, mit ihrer Herrlichkeit, ewig jugendlichen Kraft und Fruchtbarkeit neben

V. Pfingsten.

dem himmlichen Bräutigam. Nun ist sie reif für das harte Leben, das ihr auf Erden bevorsteht. Und stark, das Leben des Bräutigams zu teilen, Ihm trotz allem, was ihr begegnen wird, die Treue zu halten, in allem fÜr Ihn einzutreten, glÜcklich, dem B"räutigam immerfort neue Geschlechter zu gebären und zuzufÜhren. In ihr lebt und wirkt der Geist Gottes, der Geist der Wahrheit und der Liebe. Er ist die Seele des Leibes der Kirche. Er leitet und führt sie der ewigen Vermählung mit Christus, dem Bräutigam, entgegen. Das ist die Bedeutung der Sendung des Heiligen Geistes, des heiligen Pfingstfestes.

3. Pfingsten ist ein Tag des Dankes für die GrÜndung der heiligen Kirche, in der all unsere übernatürlichen Reichtümer niedergelegt sind und durch die uns die Gnade und Erlösung vermittelt wird. Pfingsten ist ein Tag des Dankes für die Herabkunft des Heiligen Geistes im Empfang des heiligen Sakramentes der Firmung. Es ist ein Tag des freudigen, frohen Vertrauens auf das Wirken des Geistes Gottes in uns, auf Seine Führung und Leitung. An diesem Tage erneuern wir unsere Hingabe an den in uns lebenden Heiligen Geist. Er soll die Seele unserer Seele sein. Er soll in uns herrschen, auf den Ruinen des eigenen Geistes und Sinnes. Pfingsten ist ein Tag des Bittgebetes um die FÜlle des Heil igen Geistes, Seiner Gnaden und Gaben. Mit der heiligen Kirche beten wir:

Komm, 0 Geist der Heiligkeit, Aus des Himmels Herrlichkeit Sende Deines Lichtes Strahl.

Vater aller Armen Du,

Aller Herzen Licht und Ruh, Komm mit Deiner Gaben Zahl.

Tröster in Verlassenheit, Labsal voll der Lieblichkeit, Komm, 0 süßer Seelenfreund.

EinfÜhrung.

479

In Ermüdung schenke H.uh,

In der Glut hauch KÜhlung zu, Tröste den, der Tränen weint.

o Du Licht der Seligkeit, Mach Dir unser Herz bereit, Dring in unsre Seelen ein!

Ohnc Deinen Gnadenschein Steht der arme Mensch allein, Kann. nicht gut und sicher sein.

Vv' asche, was beflecket ist, Heile, was verwundet ist, Tränke, was da dürre steht.

Beuge, was verhärtet ist, vVärme, was erkaltet ist, Lenke, was da irregeht.

Heil'ger Geist, wir bittcn Dich, Gib uns allen gnädiglich

Deiner sieben Gnaden Kraft.

Gib Verdienst in dieser Zeit Und dereinst die Seligkeit

N ach vollbrachter Wanderschaft. Amen.

Die liturgische Meßfeier des heiligen Pfingstfestes.

I. Unsere lichte Ostersonne, Christus, ist in der Himmelfahrt Über alle Himmel emporgestiegen, ähnlich wie um Pfingsten die natürliche Sonne ihrem Höchststande nahe ist, die FÜlle ihres Lichtes und ihrer Kraft auf die Welt auszugießen beginnt, ihr den Sommer bringt und die Früchte der Erde der Reife entgegenfÜhrt. So strahlt Christus von den Himmelshöhen zur Rechten des Vaters mit Seinem Licht zugleich die Glut und Kraft des Heiligen Geistes auf die Seinigen aus. So erfährt die Kirche ihre erste Vollendung, indem sie mit göttlicher Glut und mit göttlicher Lebenskraft erfüllt wird, fÜnfzig Tage nach Ostern, an jenem Tage, da die alten Juden die erste Vollendung ihrer Erlösung aus Ägypten, die Gesetzgebung auf Sinai, festlich begingen.

2. Die junge, noch unmündige Kirche ist im Abendmahlsaale in J erusalem versammelt. Heute weitet sich der Abendmahlsaal zur Weltkirche St. Peter in Rom, die alle Sprachen und Völker umfaßt. Um die dritte Stunde steigt der Heilige Geist in Gestalt feuriger Zungen auf die Kirche hernieder und bringt sie zur ersten Vollendung, zur M ündigkeit. Der Heilige Geist schließt niemanden aus: alle Völker und Zungen eint er zu einem Bekenntnis, zu einem Glauben und Beten. "Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis, und Er, der das All zusammenfaßt, kennt jede Sprache, alle1uj a, alleluj a" (Introitus). Er lebt in den Herzen aller Völker, die sich Ihm erschließen. Er ist die Quelle und das Band der Einheit, des Sichverstehens und der gegenseitigen Liebe. Die Sünde, der böse Geist, verwirrt, schürt den Haß, ist das Prinzip der Trennung, der

Die liturgische Meßfeier des heiligen Pfingstfestes. 48 I Disharmonie. Drum rufen wir mit dem Eingangspsalm : "Gott, erhebe Dich, und die Feinde, der Geist des Bösen, stieben davon": ein Rufen um die Herabkunft des Heiligen Geistes, das sich im Kyrie eleIson und im Tagesgebet fortsetzt. Die Epistel schildert das geschichtliche Plingstwunder. Es ist auch heute noch nicht abgeschlossen, es muß sich an uns erneuern und verwirklichen, drum flehen wir nach der Epistel, auf die Kniee hingeworfen:

"Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen Deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer Deiner Liebe." Dann erheben wir uns zu neuem Flehen:

"Komm, Heiliger Geist, sende vom Himmel herab Deines Lichtes Strahl. Komm, Vater der Armen, Geber der Gaben, Licht der Herzen" (Plingstsequenz). Er kommt· zu uns, Er wohnt mit dem Vater und dem Sohne wesenhaft und persönlich in uns, Er ist uns Lehrer, Er bringt uns den Frieden (Evangelium ).

3· Wir beginnen die Opferhandlung. Den Opfergang begleitet der Psalm 67, der den Siegeszug Christi und Seiner Kirche besingt. \Vir machen im' Opfergang diesen Siegeszug mit und gehen,' mit dem "königlichen" Geiste Christi (Taufe und Firmung) ausgerüstet, als Herrscher Über den bösen Geist in uns und außer uns, als heldenhafte Kämpfer und Sieger, den Opfergang "zum Tempel in Jerusalem", zum Altare. Wir flehen um Befestigung und Vollendung dessen, was Gott im Ostergeheimnis (Taufe) an uns gewirkt, um eine erneute, kräftige "Firmung" und Besiegelung durch den Heiligen Geist. Um Reinigung unserer Herzen und Einstrahlung des Heiligen Geistes (Stillgebet). Im Opfer der heiligen Messe soll das Ptingstwunder der Epi'stel an uns Wirklichkeit werden. Opfernd verlassen wir uns selbst und geben wir unsern eigenen Geist hin. So wird Raum und Weite fÜr den Heiligen Geist. Wir empfangen die heilige Kommunion und werden neu und tiefer in den Leib des Herrn auf-

Baur. Werde Lichtl U.

31

V. Pfingsten: Pfingstwoche.

genommen. 'vVir werden vollkommener als bisher der Leib Christi. Wir werden es, wenn wir vom Geiste Christi, vom Heiligen Geiste, leben. Das ist der Gedanke der Communio: In dem guten Empfang der heiligen Eucharistie werden wir "vom Heiligen Geist erfüllt".

Pfingstsonntag.

Das P f i n g s t e r leb n i s.

I. Siebenmal sieben Tage, eine Jubeloktav, sind seit Ostern verflossen. Da kommt der vom Herrn versprochene Heilige Geist, die dritte Person der allerheiligsten Dreifaltigkeit, der ewige Erguß der Liebe des Vaters zum Sohne und des Sohnes zum Vater. Er kommt unter dem Brausen eines mächtigen Sturmes und' läßt sich in der Gestalt von feurigen Zungen auf die einzelnen Apostel nieder. In der Kraft der Geistestaufe gehen sie in alle Welt und bekennen in \Vort und Tat, ja mit ihrem Blute, Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen.

2. Das P f i n g s t e r leb n i s der Apo s te\. Es wird in der Epistel geschildert. Einmütig sind die Jünger mit IvIaria im Abendmahlsaale beisammen. Da, um die dritte Stunde, etwa neun Uhr vormittags, entsteht vom :Himmel her ein Brausen, wie wenn ein gewaltiger Sturm daherführe. Dann erscheinen ihnen Zungen wie von Feuer und lassen sich auf die JÜnger nieder. Alle werden vom Heiligen Geiste erfÜllt und fangen an, in verschiedenen Sprachen zu reden, wie es ihnen der Heilige Geist eingibt. Draußen ein Auflauf der Massen. Sie wissen nicht, woran sie sind. Alle hören sie die Jünger in den verschiedensten Sprachen, jeder in seiner eigenen Muttersprache, die Großtaten Gottes verkünden. Ein neues Pfillgsten! In der Vorzeit hatte der Herr am Pfingsttage auf dem Sinai" mit Israel Seinen Bund geschlossen und ihm unter Blitz und Donner das Gesetz des Bundes gegeben, das Gesetz der Strenge.

Pfingstsonntag: Das Pfingsterlebnis. 483

der Furcht, der Knechtschaft. Heute br'icht das neue Pfingsten an, das die Herzen mit Liebe, mit Innerlichkeit, mit innerer Freiheit und heiliger Freude erfÜllt. Der Heilige Geist kommt im Sturmesbrausen. Er durchdringt und erfaßt die Herzen der Apostel und JÜnger. Sie werden weit, frei, der bisherigen Schwächen und Unfertigkeit ledig. Der Heilige Geist bildet sie um. Er durchglüht die Welt ihres Denkens, ihres vVollens, ihrer Affekte, Gefühle und Motive und richtet in ihnen das Reich des Geistes auf. Er lehrt sie ein neues Leben. Er gibt ihnen Mut, Festigkeit, Charakterstärke, unerschütterliche Geduld und eine Bereitschaft zu jedem Opfer fÜr Christi Sache, selbst zum Martyrium. Eine Neuschöpfung!

U n; er P f in g s t e r leb n i s. Pfingsten ist der heiligen Liturgie nicht bloß ein Vergangenes. Das' in der Epistel berichtete Pfingstwunder ist bleibende Gegenwart. Auch wir erleben es. Auch wir sind in der Feier der heiligen Eucharistie an einem Orte versammelt, einmütig im Gebet und Opfer. An uns will sich das erste Pfingstfest wiederholen und vollenden. Darum liehen wir im Anschluß an die Epistel:

"Sende aus Deinen Heiligen Geist, und Welten erstehen. Das Antlitz der Erde wirst Du erneuern. Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen Deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer Deiner Liebe." Jetzt im Opfer der heiligen Messe, wenn der verklärte Herr in der heiligen vVandlung in unserer Mitte erscheint, bringt Er Seinen Heiligen Geist mit. In der heiligen Kommunion wird an uns das Ptingstwunder sichtbar. Der Heilige Geist kommt über j eden von uns und erfüllt uns mit Seiner Glut und Kraft. Er kommt, nicht in der Gestalt der feurigen Zungen, sondern in der HÜlle der lichten Hostie, die der verklärte Leib des Herrn, der Träger des Heiligen Geistes, i?t. Im Empfang der heiligen Kommunion erleben wir die Geistestaufe. Vom HeilIgen Geiste erfÜllt, verkÜnden wir, Geistesträger, Zeugen Christi, Apostel geworden,. die Großtaten

31"

V. Pfingsten: Pfingstwoche.

des Herrn. Darum. begleitet die heilige Liturgie die Austeilung der heiligen Kommunion mit den vVorten: "Plötzlich entstand im Haus, wo sie waren, vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein .gewaltiger Sturm daherfÜhre, alleluj a. Und alle wurden vom Heiligen Geiste erfüllt und verkündigten die Großtaten Gottes, alleluj a, alleluj a.~' Pfingsten ist Gegenwart!

3. "Wenn jemand Mich liebt, wird er Mein Wort halten, und Mein Vater wird ihn lieben. Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen": der Vater und der Sohn im Heiligen Geiste, der Liebe, die den Vater und den Sohn miteinander verbindet. Gott ist nicht ferne von uns: Er ist in uns. Das ist die frohe Pfingstbotschaft. Gott in uns! Wer den Vater kennt, dem klären sich alle Rätsel und quälenden Zweifel des Lebens: der Vater liebt mich. Nicht bloß heute und morgen, sondern eine ganze Ewigkeit. Gott in uns! Wir sind voll Licht und Wärme. Gott ist Licht, Sonne. Laß die Sonne in dein Herz! Laß Ihn in dir Wohnung nehmen! Gott in uns! Wir sind voll Kraft und Feuer. Aus uns sind wir wie dürres Land ohne vVasser, wie sterbende Bäume. Am Pfll1gstbrunnen trinken wir Feuer. Ein Feuer, das alles Unreine, alle SÜnde verzehrt. Das Feuer des heiligen Eifers fÜr Gott und unsern Heilandl

Pfingsten ist Besiegelung und Vollendung des Ostergeheimnisses. Ostern ist Taufe, Pfingsten ist Firmung. Ostern ist Neugeburt, Pfingsten ist Reife, Vollreife, Mannbarkeit, Vollendung in der Kraft des Heiligen Geistes. Die Geistestaufe beruft uns zum christlichen Heldentum, in der Heiligung des Denkens, des Strebens, der Beweggründe. Wir können, wir mÜssen Ganze, Heilige, Vollchristen sein.

Ge b e t.

Gott, Du hast am heutigen Tage die Herzen der Gläubigen durch Erleuchtung des Heiligen Geistes

Montag: Unser heiliger Glaube. 485

belehrt: gib uns durch denselben Geist wahre \Veisheit und best:indige Freude durch Seinen Trost. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Pfingstmontag.

Uns e r h eil i ger G lau b e.

J. Heute wendet sich die heilige Kirche an die N eugetau ften und die Neugefirmten. Auch an uns, die wir die Tauf- und Firmgnade in uns erneuern. Sie ruft uns nach St. Peter zu den Ketten.

2. Pet ru s hat ein e Vi s ion. Er sieht vom Himmel her etwas wie ein großes Linnentuch auf die Erde herabsteigen. Darin sind allerlei Tiere der Erde und Vögel des Himmels. Und eine Stimme

. spricht zu ihm: "Petrus, schlachte und iß." "Nein, Herr", antwortete Petrus, "noch nie habe ich etwas Unheiliges oder Unreines gegessen." Während er bei sich Überlegte, was die Vision zu bedeuten habe, melden sich die Abgesandten des römischen Offiziers Cornelius. Sie bitten Petrus, er möge zu Cornelius, dem Heiden, kommen. Jetzt versteht Petrus den Sinn dessen, was er soeben geschaut: Gott hat ihm "gezeigt, daß man keinen Menschen u!1heilig oder unrein nennen darf". Vor Gott . gilt auch der Heide. Cornelius berichtet dem Apostel, wie ein Mann vor ihm gestanden und ihn an Petrus gewiesen habe. Da verkÜndete Petrus ihm Jesus, den Gekreuzigten und den vom Tode Auferstandenen. "Und Er hat uns geboten, dem Volke zu predigen und zu bezeugen, daß Er der von Gott bestimmte Richter der Lebendigen und der Toten ist. Von Ihm bezeugen sämtliche Propheten, daß alle, die an Ihn glauben, durch Seinen Namen die Vergebung dcr Sünden erlangcn." Während Petrus so spricht, kommt plötzlich der Heilige Geist über alle Zuhörer, Über die Heiden, die mit Cornelius sind. Da geraten die Judenchristen, die mit Petrus gekommen waren, in Staunen, daß auch über die Heiden die

V. Pfingsten: Pfingstwoche.

Gnade des Heiligen Geistes ausgegossen werde. Petrus befiehlt, ~e zu taufen (Epistel). Auch uns, die wir aus den Heiden zur Kirche kommen, wird der Heilige Geist gegeben. Gottes Geist macht k.einen Unterschied zwischen Heiden und Juden, zwischen Völkern und Völkern. Gott will ja alle retten'. "Gott hat Seinen eingeborenen Sohn dahingegeben, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe" (Evangelium). Ein Aufruf der heiligen Liturgie, daß wir heute dem Herrn für die Gnade danken, die uns in der Berufung zu Christus, zu Petrus und zur Kirche, zur heiligen Taufe und heiligen Firmung gegeben worden ist.

"S 0 se h r hat Go t t die W el t gel i e b t, daß Er Seinen eingeborenen Sohn dahingab, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, ~ondern das ewige Leben habe. Gott hat Seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit Er die \\'elt richte, sondern daß Er die Welt rette. Wer an Ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes glaubt" (Evangelium). Die heilige Taufe gibt uns den Glauben. Im Glauben werden wir ge.rettet. "Wer an Ihn glaubt, wird nicht gerichtet", nicht verworfen, sondern hat das ewige Leben. Soweit es auf den göttlichen Arzt ankommt, kommt Er, um den Kranken zu heilen. Wer die Vorschriften des Arztes nicht befolgt, nimmt sich selber das Leben. Lässest du dich von Ihm nicht retten, dann hast du dich selbst verdammt. "Wer an Ihn glaubt, wird nicht gerichte·t. Wer aber nicht glaubt, wird nicht erst verdammt. Er ist schon gerichtet, verurteilt. Noch ist das Gericht Über ihn nicht offenbar, und doch ist er schon gerichtet. Der Herr weiß ja, wer Sein ist. Er weiß, wer zur Krone gelangt und wer in den ewigen Flammen sein ~vird. Er kennt auf Seiner Tenne den 'vVeizen, er kennt auch das Stroh. Er

Montag: Unser heiliger Glaube. 487

kennt die gute Frucht und kennt das Unkraut. Wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, verdammt. Warum? Weil er nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes geglaubt :hat." (Homilie des h1. Augustinus inder Mette). "Ohne Glaube ist es unmöglich, Gott zu gefallen" (Hebr. II, 6).

3· "Mit bestem Weizen nährt Er sie, alleluja, und sättigt sie mit Honig aus dem Felsen, alleluj a, alleluja" (Introitus). Das Danklied der >an Pfingsten Getauften und Gefirmten. Unser Dankli·ed. Wir sind mit dem Weizen der heiligen Eucharistie genährt. In ihr schenkt uns der Herr Seinen Geist, den Heiligen Geist, "den Honig aus dem Felsen Christus". Dankbaren Sinnes singen wir: "Gott, unserem Helfer, jauchzet zu, jubelt entgegen dem Gotte Jakobs. Ehre sei ,dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste." Großes hat der Herr an uns getan! Nun ist's an uns, daß wir ents·prechen. Wir wollen es, im Vertrauen auf Seine Gnade.

"Mein Volk, höre, Ich beschwöre dich. Wenn du, Israel, Mich hören wolltest! Kein neuer Gott darf je bei dir sich finden, nie darfst du einen Götzen anbeten. Ich bin dein Gott! Doch M ein Volk hörte nicht auf Meine Stimme und kümmerte sich nicht um Mich. Daß doch Mein Volk Mich hören wollte, daß Israel doch Meine Wege ginge! Wie wollte Ich seine Feinde erniedrigen und gegen seine \Vidersacher Meine Hane} erheben! Die Feinde J ahwes mÜßten ihm sich beugen. Doch Israel wollte Ich mit des Weizens Mark speisen und es sättigen mit Honig aus dem Felsen" (Ps. 80, 9-17) (Introituspsalm ). Eine Taufpredigt Gottes an uns, das neue I srael, die Getauften. Möchten wir sie hören und Gefolgen!

"Der Heilige Geist wird euch lehpen, alleluja" (Communio). Im Empfang der heiligen Eucharistie ergießt sich der Heilige Gei·st mit Seinen Gna,den und Gaben in unsere Seele. Eine stete Vertiefung der heiligen Firmgnade. Wo der verklärte Herr im hoch-

heiligen Sakrament in uns Einkehr hält, da bringt Er notwendigerweise Seinen Geist mit, -den Heiligen Geist. Dieser lehrt uns "alles, was Ich euch gesagt habe". Wir verlangen nach dem Hei'li·gen Geist, dem "Lichte für die Herzen" (Pfingstsequenz). "Die Menschen liebten -die Finsternis mehr als -das Licht." Warum? "Ihre Werke waren böse." Wir aber, die Getauften, Gefirmten, wir, "Üben die Wahrheit und gehen ·ans Licht" (Evangelium), im Empfang der heiligen Kommunion.

Heute leben wir in der dankbaren Erinnerung an Taufe und Firmung. "Vom Himmel her donnerte der Herr, der Allerhöchste ließ erschallen Seine Stimme (Herabkunft des Heiligen Geistes). Es brachen Wasserquellen auf (Taufe)" (Offertorium).

vVir danken für die große Gnade des heiligen Glaubens. Wir schätzen und lieben unsern heiligen Glauben. "Das ist das Gericht, das Verdammungs.urteil, daß das Licht in die \\T elt kam und die Menschen die Finsterl1ls mehr liebten als das Licht" ~Evangelium). Das ist die große SÜnde, der Unglaube. Woher der Unglaube? "Jeder der Böses tut, haßt das Licht."

Gebet.

Gott, Du hast Deinen Aposteln den Heiligen Geist verliehen. Gewähre Deinem Volke die Erhörung seiner frommen Bitte und schenke allen, denen Du den Glauben gegeben, auch den Frieden. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Pfingstdienstag.

Übe r r eie h e s Leb e n.

I. Erst durch die Herabkunft des Heiligen Geistes ist .. die Herrlichkeit" der Kirche vollkommen geworden. Ihre Kinder empfangen in der heiligen Taufe das Leben, in der Geisttaufe des Pfingstfestes, der heiligen Firmung, "überreiches Leben".

Dienstag: Überreiches Leben. 489

Daher der Aufruf der Kirche an UHS, die Getauften und Gefirmten: "Nehmet in Besitz die \Vonne eurer Herrlichkeit, eurer ÜbernatÜrlich-geistigen LebensfÜlle, und danket Gott, alleluj a, Ihm, der euch ins himmlische Reich berufen hat, alleluj a, alleluj a." Und die mÜtterliche Mahnung, daß wir von den uns in Taufe und Firmung, an Ostern und Pfingsten, geschenkten ReichtÜmern nichts einbüßen . .. Mein Volk, hab acht auf Mein Gesetz und schenke Gehör dem Worte aus Meinem Munde" (Introitus).

2. "I c h bin ge kom m e n, damit sie das Leben haben unel es in Überfülle haben." Die Apostel erhalten die Kunde, daß Samaria das Evangelium an- . genommen hat. Sie beeilen sich, den Getauften den Heiligen Geist zu vermitteln. Sie senden Petrus und J ohannes nach Samaria. Die beiden Apostel beten über die Getauften. Sie "legten ihnen die Hände auf, und sie empfingen den Heiligen Geist" (Epistel). Das Sakrament der heiligen Taufe bedarf normalerweise der Vollendung durch das Sakrament der heiligen Firmung. Das neue Leben, das im Sakrament der vViedergeburt gegeben worden ist, muß durch das Sakrament des Geistes, der heiligen Firmung, gefestigt, gekräftigt und vollendet werden. Es muß zu jener unbeugsamen, ruhigen Stärke und Kraft heranreifen, die nichts von der Muskelkraft des Athleten, nichts von der Gewalttätigkeit der Leidenschaft oder des Menschengeistes an sich hat, die vielmehr nichts anderes ist als die stille, harmonische, allvermögende Kraft einer gottförmigen Gesinnung. Die durch das Sakrament der heiligen Firmung zum christlichen Heldentum berufene und ausgerüstete Seele erhebt sich in ununterbrochenem, ruhigem Aufstieg zu den Höhen der christlichen Vollkommenheit, der vollkommenen Lossagung, eier reinen, heiligen Liebe zu Gott, zu Christus, zum Nächsten, zum Heldentum der christlichen Tugend, der Demut, der Geduld, der Opferbereitschaft, des Apostolates des Gebetes, der Tätig-

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V. Pfingsten: Pfingstwoche.

keit, des Leidens. Die Taufe allein genÜgt wohl zur Mitteilung des göttlichen Lebens und zur Erlangung des ewigen Heils. Durch sie haben wir das Leben. Aber sie ist nach dcr Absicht des Herrn auf ~ie Vollendung durch die heilige Firmung hingeordnet. Der Herr will ganze, vollkommene HeIdenchristen haben. Er will, daß wir nicht bloß kümmerlich das Leben haben und es mit MÜhe und Not vor dem Tode der SÜnde bewahren. "Ich bin gekommen, daß sie das Leben haben und es in ÜberfÜlle haben." Das wirkt die Herabkunft des Heiligen Geistes im Sakrament der heiligen Firmung. Deshalb der Eifer der Apostel, den Gläubigen die heilige Firmung zu spenden, das Sakrament der Vollendung der Taufe, das Sakrament des \Vachstums und Erstarkens, der religiös-sittlichen Mannbarkeit und Reife, das Sakrament der christlichen Vollkommenheit.

Den G eta u f t e nun d G e f i r m t e n ist J es u s der Hirt. "Ihm macht der TürhÜter auf, und die Schafe hören auf Seine Stimme. Er ruft die Schafe mit N amen und fÜhrt sie aus der HÜrde' heraus. Er geht vor ihnen her, und die Schafe folgen Ihm, weil sie Seine Stimme kennen." Er ist zugleich "die Türe zu den Schafen" .. Die TÜre, durch die allein einer rechtmäßig zu den Schafen gelangen kann, die in der Hürde übernachten. Jeder, der rechtmäßig mit den Schäflein Christi, mit uns Getauften, zu tun haben will, kann nur durch J esus, durch Seine Berufung und Sendung zu den Schafen gelangen und ihnen Hirte sein. Wer ohne den Auftrag und die Sendung J esu die Schäflein führen und weiden will, ist ein "Fremder", ein "Dieb", der die Schafe mordet. Wer durch J esus, in Seinem Auftrag, zu den Schafen kommt und sie führt, der WIrd gerettet werden. Der wird auch fÜr die Schäflein die beste Weide finden, weil er kraft der Sendung J esu handelt. Bei J esus allein und bei den von J esus Beauftragten und Gesandten finden wir das Leben und des Lebens ÜberfÜlle. Bei denen, zu denen Er

Dienstag: Überreiches Leben. 491

gesagt: "Mir ist alle Gewalt gegeben, im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie und lehret sie alles halten, was Ich euch befohlen habe" (Matth. 28, 18 L). Bei J esus in Seiner Kirche, bei den Aposteln, bei den Bischöfen und Priestern. "Wahrlich, Ich sage euch: alles, was ihr auf Erden bindet, wird auch im Himmel gebunden sein; und was ihr auf Erden löst, wird auch im Himmel gelöst sein" (Matth. 18, 18).

3. Das Leben in der heiligen Taufe, des Lebens Wachstum, Erstarkung und Vollendung in der Kraft der heiligen Firmung - und das in der .Einverleibung in Christus und in der lebendigen und lebensvollen Gemeinschaft der Kirche und der von Christus und der Kirche bestellten Hirten. Anderswo und anderswie gibt es für uns kein Leben, kein Wachstum, keine Vollendung, nur Schein, Verderben, Tod. "Alle die bisher kamen, ohne Sendung durch Christus und Seine Kirche, sind Diebe und Räuber. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu morden und zu verderben." Glücklich also wir, die wir in der wahren Kirche Christi sind, unter der Leitung der vom Herrn gesandten Hirten! 'JITie viel Grund haben wir zu danken! Aber auch für alle jene zu beten und zu opfern und ihnen Apostel zu sein, die außerhalb der Kirche stehen, an der Hand von Hirten, die nicht durch die Türe Christi eingegangen sind. Unser geistlicher Reichtum verpflichtet uns den geistig-rel igiös Armen.

"Der Herr tat auf des Himmels Tore; zur Speise ließ Er ihnen Manna regnen. Er schenkte ihnen Himmelsbrot. Das Brot der Engel aß der Mensch, alleluja" (Offertorium). Taufe, Firmung, Eucharistie, des Lebens überfülle! .. Nehmt in Besitz die vVonne eurer Herrlichkeit und danket Gott, der euch berufen hat ins himmlische Reich" der Kirche auf Erden und im Himmel.

"Der Geist, der vom Vater ausgeht, alleluj a. Er ist es, der M ich verherrlichen wird, alleluj a" (Com-

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V. Pfingsten: Pfingstwoche.

l1lunio). In der heiligen Kommunion gießt J esus den Heiligen Geist in unsere Seele aus. Er ist der Geist des Lebens, der Liebe, Kraft und Heiligkeit. Er schafft uns um, ähnlich wie Er am Pfingsttag di.e Apostel umgebildet hat. Mit unserem, vom Heiligen Geist geleiteten und gestalteten Leben der Tugend und der Heiligkeit sind wir eine stete Verherrlichung des erhöhten Herrn, der uns den Heiligen Geist gesandt hat. Möchten wir nur die heilige Kommunion jeden Tag nach bestem Vermögen empfangen!

Gebet.

Wir bitten, 0 Herr: nahe sei uns die Kraft des Heiligen Geistes. Sie rei!1ige in Milde unsere Herzen und schÜtze sIe vor jeglichem Unheil. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Quatembermittwoch der Pfingstwoche.

Das 'vV i r k end e s H eil i gen Gei s t e s:

I. U l1l Maria geschart (Stationskirche Groß St. Marien), schauen wir mit Ehrfurcht das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche Christi. ,,0 Gott, Du zogest aus, vor Deinem Volke, der Kirche des Alten Bundes, her. Du bahntest ihm den Weg, in seiner Mitte wohnend. Da erzitterte die Erde (ob der Wundertaten Gottes: Durchgang durch das Rote 1\1 eer; Gesetzgebung am Sinai; Wasser aus dem Felsen; wunderbare Siege Über die Feinde Israels; Fall der Mauern von Jericho), da ergossen sich die Himmel (Mannaregen), alleluj a, alleluj a. Gott, stehe auf, zerstieben sollen Seine Feinde. Vor Seinem Anblick sollen fliehen, die Ihn hassen" (Introitus). Ein Bild des Wirkens des Heiligen Geistes im Israel. des N euen Bundes, das durch die Wüste des Erdenlebens dem Gelobten Lande des Himmels entgegenpilgert.

2. Das sie h tb are Wir k end e s Hel I I gell

Mittwoch (Quatember): Das Wirken des Hl. Geistes. 493 Geistes in der Kirche. Die Weissagung des Propheten Joel hat sich an Pfingsten und im Leben der Kirche Christi erfÜllt. "In den letzten Tagen (d. i. in den Tagen des N euen Testamentes) werde Ich Meinen Geist ausgießen Über alles Fleisch. Auch über Meine Knechte und Mägde will Ich in jenen Tagen von Meinem Geiste ausgießen, und sie werden weissagen. Ich will (am Jüngsten Tage) Wunderzeichen wirken droben am Himmel und Zeichen unten auf der Erde. Die Sonne wird sich in Finsternis wandeln und der Mond in Blut, ehe anbricht der große und strahlende Tag des Herrn. Wer immer dann den Namen des Herrn anruft, wird gerettet" (erste Lesung). Am Pfingsttag hat Gott Seinen Geist über die Kirche ausgegossen und gießt Ihn durch alle Zeiten unaufhörlich Über sie aus. Sichtbar in den \Vundern, die den Weg der Kirche von Anfang an bis heute begleiten. Von diesem sichtbaren Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche spricht die zweite Lesung. Sie berichtet: "In jenen Tagen geschahen durch die Hände der Apostel viele Zeichen und Wunder unter dem Volke. Alle waren einmütig beisammen in der Halle Salomons. Von den andern wagte es keiner, sich zu ihnen zu gesellen. Das Volk aber schätzte sie hoch. Die Zahl der Männer und Frauen, die an den Herrn glaubten, nahm immer mehr zu. Man trug sogar die Kranken auf die Straßen hinaus und legte sie auf Betten und Tragbahren, damit, wenn Petrus käme, wenigstens sein Schatten auf den einen und andern falle und sie von ihren Krankheiten befreit wÜrden. Auch aus den umliegenden Städten kamen viele nach J erusalem und brachten Kranke und solche, die von unreinen Geistern geplagt wurden. Sie alle wurden geheilt" (Apg. 5, I2-r6). Nie fehlen der Kirche die vVunder. Sie legen fÜr die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche Zeugnis ab. Wir sehen in der Kirche Menschlichkeiten, Fehler, Argernis~e. Wir bedauern sie. Aber wir sehen über

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V. Pfingsten: Pfingstwoche.

all dem menschlich Unvollkommenen und oft SÜndhaften das sichtbare Wirken des Heiligen Geistes. Einer Kirche, in welcher der Heilige Geist wohnt und wirkt, können wir uns ruhig anvertrauen trot,.: aller Mängel und Fehler der Menschen.

Das unsichtbare Wirken des Heiligen Gei s t e s ist in den Worten des Herrn angedeutet:

"Niemand kann zu Mir kommen, wenn ihn nicht der Vater zieht, der Mich gesandt hat." Das Wesentliche ist und bleibt der Zug der Gnade des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist ist es, der den Vater dem Sohne und der auch uns dem Sohne und durch den Sohn dem Vater verbindet. Von Seinem Wirken in uns hängt alles ab. Wir werden J esus, Seinen Geheimnissen und Gnaden um so näher kommen, je mehr wir uns vom Heiligen Geiste ziehen lassen. Zu . jedem guten Gedanken, Worte, Werke muß, der Heilige Geist uns ziehen. Jeder Akt des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe zu Gott bedarf der Anregung und Hilfe des Heiligen Geistes. Solfen unsere Tugenden und unsere Werke wirklich vollkommen und Gottes 'würdig sein, dann bedarf es eines ganz besondern und dauernden Eingreifens des Heiligen Geistes. Sind wir schon mit allen Übernatürlichen Tugenden ausgerüstet, so sind wir immer noch unbeholfene Lehrlinge: wir wissen in etwa, was wir zu tun haben, ermangeln jedoch des Geschickes, der Fertigkeit und Leichtigkeit, es auszuführen. Der Meister muß eingreifen. Er muß im Gebet, in der Arbeit, in den Entscheidungen, die wir j eden Tag zu treffen haben, in den Leiden und Schwierigkeiten, die uns begegnen, unsern Verstand und Willen ergreifen und uns Seine Weise, zu sehen, zu denken, zu lieben, zu wirken, mitteilen. Dann erst wird unser Tun und Lassen wahrhaft vollkommen sein, wenn der Heilige Geist uns ergriffen hat. Deshalb seHkt Er in unsere Seele neben den Übernatürlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe, der Gerechtigkeit, des Starkmutes,

Mittwoch (Quatember): Das Wirken des BI. Geistes .. 495 der Klugheit, noch Seine sieben Gaben ein. Er gIbt damit dem Schifflein unserer Seele Segel, die Er selber, Gottes Geist, schwillt. Wir gehen nicht mehr so langsam und mÜhevoll den langen Weg Über das Meer des Lebens. Wir werden vom Geiste getrieben und geleitet. Wenn Gottes Geist in die Segel unseres Schiffleins fährt, dann ist gute Fahrt. Dann kommen wir zum Vater unter dem Zug und Wirken des in unserer Seele lebenden Heiligen Geistes. Aber wehe uns, wenn wir allein wirken wollen, wenn wir uns dem Zug und vVirken des Heiligen Geistes entziehen und uns auf unser eigenes Können und Mühen stÜtzen wollen. Wir werdep unfehlbar zurÜckbleiben und Verderben ernten.

3. "Jeder, der auf den Vater hört und sich belehren läßt, kommt zu Mir." Wir haben auf den Vater gehört: wir glauben. Im Glauben sind wir zu J esus gekommen. Aber wir sind berufen, vollkommen zu J esus zu kommen, Über unsere gewohnte, allzu menschlich-unvollkommene Weise hinaus. Das vermögen wir nur in der Kraft des Heiligen Geistes, in der vollkommenen und ganzen Entfaltung der Firmgnade, der sieben Gaben des Heiligen Geistes, die wir empfangen. Wie wenige sind es in Wirklichkeit, die zum vollkommenen christlichen Leben gelangen! Weitaus. die Mehrzahl der Getauften, selbst der Priester. und Ordensleute, bleiben hinter dem Ziele zurück. Sie bleiben Halbe, Mittelmäßige, Unvollkommene: unvollkommen im Beten, im Wirken, im Leiden, in allem. Fehlt es etwa am Wirken des Heiligen Geistes? Gewiß nicht. "Siehe, Ich stehe vor der Türe und klopfe" (Offb. 3, 20). Wir achten zu wenig auf die Nähe, auf das Klopfen, auf das Drängen des Heiligen Geistes. Wir leben im Außern, nicht im Innern! So kann der Heilige Geist Sein \tVerk an uns nicht vollkommen tun! 0 wenn wir Augen hätten zu sehen!

Soll der Heilige Geist in uns fruchtbar wirken können, dann verlangt Er VOll uns eine große Rein-

V. Pfingsten: Pfingstwoche.

heit des Herzens, eine große Einfalt und Demut des Geistes, eine wirksame Lieb'e zur Innerlichkeit, zur Sammlung, zum Gebet, endlich eine glühende Liebe zu Gott und zum Nächsten. Statt dessen nehmen wir es nicht ernst mit der läßlichen Sünde, mit ge~ wissen Untreuen, Freiheiten, Genüssen, Unvollkommenheiten. vVir lassen es an äußerer und innerer Abtötung fehien und lös.en uns von d1tn Dingen, VOll den Arbeiten, vom eigenen Ich nicht vollkommen los. Wir haben den Kupf bei den Dingen, bei den Neuigkeiten, bei bestimmten Menschen. Wir geben uns Übermäßig und grundlos mit der Sorge um unsere Ehre, um unser zeitliches Fortkommen, um unsere Lieben, um unsere Gesundheit, um unsern innern Fortschritt, um unser früheres Leben, um unsere Beichten ab: wir sind unfrei, von uns selber \"011. Wie soll da der Heilige Geist ungehemmt in uns wirken, uns zum Vater ziehen können?

"Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen Deiner Gläubigen und entzÜnde in ihnen das Feuer Deiner Liebe."

.0 Du Licht der Seligkeit, Mach Dir unser HeIz bereit, Dring. in unsre Seelen ein!

vVasche, was beflecket ist, Heile, was verwundet ist, Tränke, was da dürre steht.

Gebet.

Wir bitten; 0 Herr, der Tröster, der von Dir ausgeht, möge unsern Geist erhellen und in alle Wahrheit einfÜhren, wie es Dein Sohn verheißen hat, der mit Dir lebt und als König herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Allmächtiger und barmherziger Gott, gib, cL~µ der Heilige Geist zu uns komme, in uns wohne und uns. so voll Huld zum Tempel Seiner Herrlichkeit mache. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Donnerstag: Der Geist Christi. 497

Donnerstag der Pfingstwoche.

Der Gei s t C h r ist i.

I. Philippus, der Diakon (Epistel), und die Apostel (Evangelium) wirken in der Kraft des Heiligen Geistes, den sie empfangen haben. Auch wir haben den Heiligen Geist empfangen und empfangen ihn täglich neu. Auch wir haben also Männer des Geistes zu sein, die nicht mehr im eigenen Geiste wirken, sondern im Geiste Christi, im Heiligen Geiste.

2. Der ei gen e Gei s t, der Menschengeist, denkt, urteilt, wertet rein natürlich-menschlich, irdisch. Er nennt diejenigen glÜcklich, die besitzen und genießen; er hält diej enigen für groß, welche irdisch weise sind, die vor den Menschen in Achtung und Ansehen stehen, die Rang und Stellung, Macht und Einfluß haben. Er sucht sich in allem selbst und versteht die Kunst, in allen Dingen und Verhältnissen auf seine Rechnung zu kommen, seine Absichten zu erreichen und seinen Vorteil zu gewinnen. Er nimmt im Leben der Frommen, der geistlichen Personen einen großen Raum ein. Unter dem Vorwande, Gott zu dienen, sucht er überall sich selbst und seine natürliche Befriedigung, sein eigenes Behagen, seine eigene Ehre. In den Dingen der Tugend verbindet er sich mit der Klugheit des Fleisches und predigt die Mittelmäßigkeit, die Halbheit. Er ist eine der Hauptursachen der Lauigkeit, die fruchtbare QueUe der Händel und Zwistigkeiten, der Kälte gegen die Mitmenschen, der Eifersucht, der übertriebenen Sorge um den guten Namen. Er verhindert die innere Ruhe, den Frieden der Seele. Er flößt dem Menschen einen übertriebenen Begriff von der eigenen Wichtigkeit ein und fÜhrt zu einem arg;-- _hischen Wesen und zu dauernder Zerstreut;l~it. Nicht mit Unrecht wird es von den Lehrern des Geistes als "das größte Unglück" bezeichnet, das es auf dieser Erde für den Menschen gibt. Und

BaUf, Werde Lichtl II.

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V. Pfingsten: Pfingstwoche.

so viele, auch Fromme, stehen unter der Tyrannei dieses bösen Geistes.

Der Gei s t C h r ist i ist der Heilige Geist, wie Er sich der menschlichen Seele Christi in Seiner ganzen FÜlle der Gaben und Gnaden mitgeteilt hat. "Der Geist des Herrn ist über Mir. Deshalb hat Er Mich gesalbt und .Mich gesandt, den Armen das Evangelium zu verkünden, zu heilen, die zerknirschten Herzens sind, den Gefangenen Erlösung zu verkÜnden, ein Gnadenj ahr des Herrn (d. i. die Erlösung) und den Tag der Vergeltung zu predigen" (Luk. 4, 18). Unter dem Geiste Christi verstehen wir die Anregungen, mit denen der Heilige Geist den Willen Christi ununterbrochen zu guten, heiligen, vollkommenen innern und äußern Akten und Werken drängte und trieb. Geist Christi nennen wir insbesondere die dauernde Geistes- und vVillenshaltung, Stimmung, Richtung, Einstellung Christi, die der Heilige Geist in Ihm bewirkt hat: Es ist im Herrn das Verlangen, der innere Dra'Hß' in allem den Willen des Vaters zu tun und anzunehmen; allem sich zu unterwerfen, was nur immer zur Erfüllung des "VilIens des Vaters und zur Erlösung der Menschheit notwendig und vom Vater gewünscht war. Er ist in Christus und in uns, den Gliedern des Hauptes, der Geist der Liebe zum Vater, des Eifers für die Ehre Gottes und die Rettung der Seelen, der Liebe zur Armut, zur Demut, zum Gehorsam, zur Zurückgezogenheit, zum Gebet, zum Leiden, zum Opfer. Er ist der innere Drang, das wirksame Verlangen, im Sinne der acht Seligpreisungen der Bergpredigt zu denken und zu handeln, in Gott allein sich zu freuen, vor der Welt ein Nichts zu sein, von der \Velt verachtet, zurückgesetzt zu werden. Er ist das Verlangen, ein Leben der Entsagung, der Loslösung, der ganzen Vereinigung mit Gott und Christus zu leben. Gott, Gottes Willen und Ehre allein! Diesen Geist kann "die

Donnerstag: Der GeIst Christi. 499

Welt nicht empfangen, denn sie sieht Ihn nicht und kennt Ihn nicht" (J oh. 14, 17).

3. "Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis, alleluj a" (Introitus). Das ist die Frohbotschaft des Pfingsttages. Hinweg also mit dem eigenen Geist, mit dem Menschengeist, mit der bloß natürlichirdischen Einstellung. Der Heilige Geist, Christi Geist, will von uns Besitz nehmen, uns lehren, bestimmen, leiten. Er will uns mit den Schätzen Seines Lichtes erfüllen. Er will unserem vVillen den christlichen Edelsinn, die Schwungkraft, N achhaltigkeit und Weite geben, deren wir zu einem heiligen Leben bedürfen. Er will den vViderstand unseres Eigenwillens brechen und unsere Natur mit all ihren Fähigkeiten und Regungen der Gnade unterwerfen. Er will uns zu \Verkzeugen der Absichten Gottes an den Seelen heranbilden. Wie töricht sind wir, daß wir nicht vom trügerischen eigenen Geist lassen wollen. "Komm, Heiliger Geist, erfÜlle die Herzen Deiner Gläubigen."

"Alle wurden mit dem Heiligen Geiste erfÜllt", mit dem Geiste Christi. Die Apostel am Pfingsttage, wir in der heiligen Firmung, wir Priester in den heiligen Weihen. Christi Geist muß in uns leben. Wir Christen, vor allem die Priester, müssen die großen Gedanken Christi in uns aufnehmen, so wie sie in den Evangelien niedergelegt sind. Wir mÜssen die Tiefe und Kraft Seiner Affekte und Motive innerlich miterleben, ihnen im Leben Geltung verschaffen, nach ihnen unsere Persönlichkeit gestalten.

Wären wir doch vom Glauben an die Gegenwart und den Beistand des Heiligen Geistes erfüllt! Im lebendigen Blick auf den in uns wohnenden und wirkenden Geist des Herrn wären wir stark zur überwindung des eigenen Geistes, zu einem heiligen Leben, das fruchtbar ist für uns selber, für die andern, für die heilige Kirche!

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500

V. Pfingsten: Pfingstwoche.

Gebet.

Der Heilige Geist ergieße sich in unsere Herzen und mach sie rein, 0 Herr. Er besprenge mit Seinem Tau ihr Innerstes und befruchte es. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Quatemberfreitag der Pfingstwoche.

B u ß e und Ver z e i h u n g.

I. In der Kirche der Zwölf Apostel, der Büßerkirche, begehen wir den Quatemberfreitag. Er ist ein Tag der Buße und des freudigen Dankes für die Verzeihung der Sünde.

2. "Deine SÜnden sind dir vergeben.'" Wir sind in jenem Heiligtum, in welchem die Büßer der heiligen Fastenzeit am GrÜndonnerstag die Verzeihung erhielten und mit Gott und der Kirche wieder ausgesöhnt wurden. Alles ruft uns zur Buße auf. Wir haben in der heiligen Osterzeit so reiche und herrliche Gnaden erhalten. Haben wir den Gnaden entsprochen? Haben wir uns nicht viele Sünden, Untreuen, Vernachlässigungen, Fehler und Unvollkommenheiten vorzuwerfen? So kommen wir heute zur heiligen Opferfeier, um aufrichtig zu bereuen, zu bÜßen, zu sühnen! \Vir selber sind der Gichtbrüchige des heutigen Evangeliums. Er ist ganz gelähmt. Männer bringen ihn auf einem Tragbette daher und suchen ihn vor Jesus hinzulegen. "Da sie ihn aber wegen der Mcnge des Volkes nicht hineinbringen konnten, stiegen sie auf das Dach (des Hauses, in welchem] esus war) und ließen ihn zwischen den Ziegeln samt dem Bette hinab, gcrade vor J esus hin. Als Er ihren, der Träger, Glauben sah, sprach Er: Mann, deine SÜnden sind dir vergeben. Steh auf, nimm dein Bett und gehe." "Jeder Kranke muß FÜrbitter haben, die um seine Heilung flehen. So brauchen auch wir Fürbitter, durch welche in der Kraft des Wortes des Herrn unsere Gebrechlichkeit und die Lahmheit unseres Wandels geheilt

Freitag (Quatember): Buße und Verzeihung. 501 werde. Wir brauchen Träger, welche unsere Seele, wenn sie gelähmt ist, zum Himmel erheben. Durch ihre Hilfe steigt die Seele zu J esus empor und wird wÜrdig, .von Ihm angeblickt zu werden. Lerne, der du krank bist, um Hilfe bitten! Wenn du in Sorgen bist, daß dir deine schweren SÜnden verziehen werden, dann nimm dir die Kirche zur Fürspreclierin; sie möge für dich bitten. Und der Herr wird bei ihrem Anblick gewähren, was Er dir verweigern könnte" (h1. Ambrosius in der Erklärung des heutigen Evangeliums). Komme zur Kirche. Zeige dich dem Priester. EnthÜlIe ihm deine Krankheit, deine Schwächen und SÜnden. Er betet im N amen der Kirche Über dich und für dich, daß Gott dir gnädig sei. Er erwirkt dir von Gott die Verzeihung und spricht zu dir im N amen und in der Kraft Gottes und Christi: "Deine SÜnden sind dir vergeben." "Ich spreche dich los von deinen Sünden."

"Frohlocket, ihr Kinder Sions, und freuet euch im Herrn, eurem Gott. Denn Er wird euch einen Lehrer der Gerechtigkeit geben. Frühregen wird Er euch spenden und Spätregen wie ehedem (von Anfang an). Dann fÜlIen sich die Tennen mit Getreide, und die Keltern strömen über von Wein und öl. Ihr werdet satt werden und werdet den N amen des Herrn, eures Gottes, loben, der Wunderbares an euch getan. Mein Volk soll nimmer zuschanden werden. Ja ihr sollt innewerden, daß Ich in Israels Mitte bin" (Epistel) (Weissagung des Propheten Joel [2, 23]). Die Weissagung ist an uns erfüllt. Im Opfertode Christi ist unsere Schuld getilgt. Wir sind erlöst. Wir sind Kinde!" Gottes, vom Vater göttlich geliebt. "Voll Deines Lobes sei deshalb mein Mund, alleluj a. So kann ich singen alleluj a. Frohlocken sollen meine Lippen, während ich Dir das AlIeluja singe" (IntroItus). Lauter Erlösungsjubel, heiliges Erlösungsbewußtsein kennzeichnet den heutigen Tag. Uns ist ja der Heilige Geist geschenkt. Er ist der Lehrer

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V. Pfingsten: Pfingstwoche.

der Gerechtigkeit. "Er wird weh alles lehren, was Ich euch gesagt habe" (Joh. 14, 26). Er wohnt in unserer Seele und fÜhrt uns die Wege des gerechten, gottgefälligen Lebens. Er ist in uns ausgegossen als die Liebe, die der Vater mit dem Sohn, der Sohn mit dem Vater, uns mit dem Vater und dem Sohne in Liebe verbindet und in die Liebesgemeinschaft der heiligsten Dreifaltigkeit hineinhebt. Er ist der befruchtende Regen, welcher in uns die Fülle der geistig-übernatürlichen GÜter wirkt. Sollen wir nicht jubeln? Sollen wir nicht "Gott loben und sprechen:

Wunderbares haben wir heute gesehen"? (Evangelium.) "Lobe den Herrn, meine Seele. Loben will ich den Herrn mein Leben lang, will lobsingen meinem Gott, solange ich bin, alleluja" (Offertorium).

3. "Allc1uj a, alleluj a. Wie gut und mild ist Dein Geist in uns, 0 Herr! Komm, Heiliger Geist, eriülle die Herzen Deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer Deiner Liebe."

Wasche, was beflecket ist, Heile, was verwundet ist, Tränke, was da dÜrre steht.

Beuge, was verhärtet ist, 'Wärme, was erkaltet ist, Lenke, was da irregeht.

Heil'ger Geist, wir bitten Dich, Gib uns allen gnädiglich Deiner sieben Gaben Licht.

In der richtigen Mitfeier erlangen wir als Frucht des Opfers die Verzeihung der Sünden und Sündenstrafen. Als Unterpfand der Verzeihung und der neuen Gnaden und Hilfen erfolgt im Opfermahl der heiligen Kommunion die persönliche Einkehr des Herrn. "Ihr werdet innewerden, daß Ich in eurer r-.r itte bin." .M it Seinem hochheiligen Fronleichnam senkt Er uns zugleich Seinen Heiligen Geist in die

eele, so wie Er es uns verheißen hat: "Ich werde

Samstag (Quatember): Erlöst. 503

euch nicht als Waisen zurücklassen. Ich gehe und komme in der heiligen Eucharistie wieder zu euch, alleluja. Und euer Herz wird sich freuen, alleluja" (Communio).

"Euer Herz wird sich freuen." Das ist des Christen Hochstimmung: stete Freude und immerwährender Dank an Gott, der an uns so Großes tut. Hätten wir nur viel mehr, als wir es in Wirklichkeit in uns tragen, das Bewußtsein: vVir sind erlöst! Er hat unsere SÜnden von uns genommen. Er liebt uns und senkt als Unterpfand Seiner Verzeihung und Liebe Seinen Heiligen Geist in die Seele. "Lobe, meine Seele, den Herrn!" "Voll Deines Lobes sei mein Mund. Ich singe Dir das Alleluja."

Vom Gichturüchigen, Gelähmten zum seligen Alleluja-Menschen! So will uns die Kirche haben. "Selig das Volk, das jubeln kann" (Ps. 88, 16).

Ge be t.

Wir bitten Dich, barmherziger Gott: gib Deiner Kirche die Gnade, daß sie, im Heiligen Geiste geeint, durch keinerlei feindlichen Angnff beunruhigt werde. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Quatembersamstag der Pfingstwoche Er lös t.

I. Im Geiste der alten Kirche versammeln wir uns in der N acht vom heutigen Samstag auf den Sonntag in St. Peter. Wie die Christen der frÜheren Zeit während des Nachtgottesdienstes zum Dank für die glücklic,he vVeizenernte den Zehnten opferten, so danken auch wir am letzten Tag der österlichen Zeit für die reiche Ernte, die uns in den vergangenen \Vochen an geistigen Früchten beschieden war. Der heutige Tag ist der Liturgie ein hochfestlicher, ein heiliger Tag (zweite Lesung), ein Tag innigen, frohen Dankes.

2. R ü c k b I i c k. "BrÜder, da wir durch den Glau-

V. Pfingsten: Pfingstwoche.

ben gerechtfertigt sind, haben wir Frieden mit Gott durch Ullsern Herrn J esus Christus. Durch Ihn haben wir auch kraft dieses Glaubens Zutritt zu der Gnade, in der wir leben, und rühmen uns ob der Hoffnung auf die Herrlichkeit der Kinder Gottes" (Epistel). Wir sind erlöst, mit Gott versöhnt. Nicht durch die Werke, die wir getan, durch unsere eigene, menschlich-natürliche Kraft und Anstrengung, sondern durch Gottes Gnade, durch den Glauben, den Er uns in der heiligen Taufe in die Seele gelegt. Durch den Glauben an J esus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, der uns in Seinem Blute von unserer Sünde befreit hat. Wir sind erlöst, gerechtfertigt. Die erste Frucht der Rechtfertigung: Wir haben Frieden mit Gott. Wir dürfen mit ganzer Ruhe und Sicherheit vor Gott hintreten, mit dem vollen Vertrauen, daß Er uns liebt, daß nichts Trennendes zwischen Ihm unq uns liegt: Wir sind ja mit Ihm ausgesöhnt durch unsern Herrn und Mittler Christus J esus. Ehedem und von uns selber aus Kinder des Zornes Gottes sind wir nunmehr in die Freundschaft mit Gott, in die Familie Gottes aufgenommen, Geliebte, Auserwählte Gottes. Die zweite Frucht der Rechtfertigung: Wir haben durch Christi Tod und Auferstehung den Gnadenstand erlangt, in dem wir leben. Wir dÜrfen kraft der Gnade, die uns gegeben worden ist, das göttliche Leben mitbesitzen und mitleben, ein Leben voll unaussprechlicher Reichtümer und Seligkeiten. "Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört und in keines Menschen Herzen ist je eine Ahnung dessen aufgestiegen, was Gott" uns in der heiligmachenden Gnade gegeben (I Kor. 2,9), durch die wir "an der göttlichen Natur Anteil erhalten" (2 Petr. I, 4). In der heiligmachenden Gnade besitzen wir bereits den Keim und das Unterpfand der einstigen Herrlichkeit der Kinder Gottes, die wir erhoffen. "Jetzt sind wir Kinder Gottes. Was wir einst sein werden, ist noch nicht offenbar. Doch wissen wir: wenn es ein-

Samstag (Quatember): Erlöst. 505

mal offenbar wird, dann werden wir Ihm ähnlich sein", gleichgestaltet Seiner Herrlichkeit, nach Leib und Seele. "Wir werden Ihn sehen, so wie Er ist" (I Joh. 3, 2), nicht mehr im Bild, nein, von Angesicht zu Angesicht Ihn sehen, in Liebe an Seinem Herzen ruhen, Seine Wonnen und Seligkeiten mitbesitzen und mitgenießen, ewig. Das ist unsere Hoffnung. Und wir rühmen uns dieser Hoffnung. Sie (rügt uns nicht!

Aus bl i c k. "Und nicht nur das. Wir freuen uns sogar in den Trübsalen, weil wir wissen, daß die Trübsal Geduld bewirkt, die Geguld aber Bewährung und die Bewährung Hoffnung; die Hoffnung aber läßt nicht zuschanden werden." Das ist der Christ, der Ostern und Pfingsten miterlebt hat: Er freut sich der TrÜbsale und Bedrängnisse des Lebens. Er weiß, die TrÜbsal gibt Gelegenheit zur Geduld. In der Geduld wird er bewährt, wird seine Tugend geläutert, gefestigt. Gefestigte Tugend aber gibt Hoffnung, die nicht enttäuscht. Das ist die dritte Frucht der Rechtfertigung, die uns das Leiden und die Auferstehung Christi, Ostern, die heilige Taufe gebracht: die Freude in den Leiden und TrÜbsalen des Erdenlebens. Wir wissen: sie wirken die ewige Seligkeit. Der Ungläubige, der Nichtchrist ist pessimistisch. Er flieht das Leiden, er flucht ihm. Wir aber freuen uns, wenn wir leiden dürfen. Wir sehen im Leiden nicht ein Übel; es ist uns der Weg zur ewigen Herrlichkeit. Es trägt fÜr uns in seinem Schoß das ewige Heil.

Sie her he i t. "Die Hoffnung läßt nicht zuschanden werden: denn Gottes Liebe ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns verliehen worden ist." Wir sind dessen sicher, was wir erwarten. Woher diese Sicherheit? Aus der Liebe Gottes zu uns. Das ist des Christen süßes Geheimnis. Wir sind von Gott geliebt, göttlich geliebt. Der Vater liebt den Sohn, der Sohn den Vater im Heiligen Geist. Dieser Heilige Geist ist die

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V. Pfingsten: Pfingstwoche.

Liebe, in der und mit der Gott sich selber liebt, da, süße Glück der Gottheit. Und diese Seine Liebe hält Er nicht in sich allein zurück. Er gießt sie wie heilendes, nährendes, stärkendes öl in unsere Herzen aus. Im Heiligen Geist lieben wir Gott, so wie es sich fÜr Gott selber und fÜr uns, die Kinder Gottes, geziemt, nämlich mit der Liebe, mit der Gott sich selber liebt, durch den Heiligen Geist, den wir besitzen und durch den wir den Kuß der väterlichen Liebe Gottes erwidern. Kann uns unsere Hoffnung noch trÜgen, nachdem Gott in uns das Antlitz des Heiligen Geistes sieht und deshalb sich selber in uns liebt? Oder soll Seine Versicherung nicht zutreffen: "Wie M ich der Vater geliebt hat, nämlich im Heiligen Geiste, so liebe Ich euch"? (Joh. IS, 9.) Das ist das jubelnde Bewußtsein der heiligen Liturgie: "Die Hoffnung läßt uns nicht zuschanden werden: denn Gottes Liebe ist in unsere Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist, der ""uns verliehen worden ist."

3. Das sind die herrlichen Gaben der österlichen Zeit, die wir heute abschließen. Wir sind erlöst, gerechtfertigt, mit Gott versöhnt, im Frieden mit Gott. Wir besitzen die heiligmachende ,Gnade und leben Gottes Leben mit. Wir freuen uns also der Trübsale, denn sie vereinigen uns mit dem Gekreuzigten und Auferstandenen und geben uns die Hoffnung auf die Herrlichkeit der Kinder Gottes im Himmel. Über alles dieses hinaus tragen wir in uns als untrÜgliches Unterpfand dessen, was wir erhoffen, den Heiligen Geist, die Liebe Gottes in Person. Sollen wir uns nicht freuen? Sollen wir nicht vertrauen? Sind wir nicht unendlich reich in Christus und Seiner Kirche?

"Alleluj a. Sein Geist, der Heilige Geist, hat die Himmel geziert", die Seelen der Getauften mit GÜtern Überhäuft. "Ich will lVI einen Geist ausgießen Über alles Fleisch" ( erste Lesung). "Gottes Liebe ist i;lusgegossen in unsere Herzen, alleluj a, durch Seinen

Samstag (Quatember): Erlöst. 507

Geist, der in uns wohnt, alleluj a, alleluj a. Lobsinge dem Herrn, meine Seele, und alles in mir singe das Lob Seines heiligen Namens" (Introitus).

Die österliche Zeit geht mit der Opferfeier des heutigen Tages zu Ende. "Jesus begab sich in das Haus des Petrus", berichtet das Evangelium. Es ist schon Nacht. Man bringt Kranke zu Ihm. Er heilt sie. Als es Tag geworden, verläßt Er das Haus. Ein Bild dessen, was heute vor sich geht. Wir sind im Hause des Petrus und halten N achtgottesdjenst. Der Herr ist da, uns von unsern Krankheiten zu heilen. Bei Tagesanbruch schließt die Opferfeier. "Er geht weg": die österliche Zeit ist zu Ende. Wir gedenken dankbar des vielen Guten und Großen, das uns der Herr in Seiner Kirche während dieser acht Wochen erwiesen hat.

Ge be t.

Wir bitten Dich, 0 Herr, gieße in Deiner Güte den Heiligen Geist unsern Seelen ein, Ihn, dessen Weisheit uns schuf und dessen Vorsehung uns leitet.

Wir bitten Dich, 0 Herr, mit jenem Feuer entflamme uns der Heilige Geist, das unser Herr J esus Christus auf die Erde brachte und von dem Er wollte, daß es gewaltig brenne. Der mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.