Allorche fummo chiamati (Wortlaut)

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Apostolisches Mahnschreiben
Allorche fummo chiamati

von Papst
Benedikt XV.
an die kriegführenden Völker und ihre Staatsoberhäupter
Friedensaufruf
28. Juli 1915

(Offizieller lateinischer Text: AAS VII [1915] 365-368)

(Quelle: Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, Hsgr. Arthur Utz + Birgitta Gräfin von Galen, XXIX 8-15, Scientia humana Institut Aachen 1976, Imprimatur Friburgi Helv., die 2. decembris 1975 Th. Perroud, V.G).

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Die Haltung des Papstes angesichts der Leiden des Krieges

1 Als Wir ganz ohne Unser Verdienst berufen wurden, dem überaus milden Papst Pius X., dessen heiligmäßiges und wohltätiges Leben durch den Schmerz über den kurz zuvor ausgebrochenen brudermörderischen Krieg verkürzt worden war, auf dem Apostolischen Thron zu folgen, empfanden auch Wir beim erschütternden Anblick der blutüberströmten Schlachtfelder die Qual eines Vaters, dessen Haus nach einem wütenden Orkan zerstört und menschenleer ist. Wir dachten mit unaussprechlichem Schmerz an Unsere jungen Söhne, die zu Tausenden vom Tod niedergemäht wurden. Wir hörten in Unserem Herzen, das die Liebe Christi geweitet hat, alle die Klagen der Mütter und der vor der Zeit zu Witwen gewordenen jungen Frauen und all das untröstliche Weinen der Kinder, die zu früh die väterliche Führung entbehren müssen. In Unserem Geist, der die bebende Angst zahlloser Familien mitempfand und der tief durchdrungen war von der gebieterischen Pflicht Unseres hohen Amtes des Friedens und der Liebe, die Uns in dieser traurigen Zeit übertragen wurde, fassten Wir sogleich den festen Entschluss, Unsere ganze Arbeit und Kraft in den Dienst der Versöhnung der kriegführenden Völker zu stellen, und Wir haben dies in feierlicher Form dem göttlichen Erlöser gelobt, der um den Preis seines Blutes alle Menschen zu Brüdern machen wollte.

Die Missachtung des päpstlichen Rates

2 Worte des Friedens und der Liebe waren die ersten Worte, die Wir als Oberhirte der Seelen an die Völker und ihre Lenker richteten. Aber Unser Rat, der liebevoll und eindringlich war wie derjenige eines Vaters und Freundes, blieb ungehört! Es hat Unseren Schmerz vermehrt, aber es hat Unseren Entschluss nicht erschüttert; Wir wandten Uns deshalb vertrauensvoll dem Allmächtigen zu, der die Geister und die Herzen sowohl der Untertanen als auch der Könige in seinen Händen hält, und erflehten von ihm das Ende dieser furchtbaren Geißel. Wir wünschten, dass alle Gläubigen sich Unserem inständigen, demütigen Gebet anschlössen und, um es wirkungsvoller zu machen, ordneten Wir an, dass es von den Werken christlicher Buße begleitet würde. Aber heute, am traurigen Jahrestag des Ausbruchs dieses furchtbaren Konfliktes, steigt aus Unserem Herzen noch dringlicher der Wunsch nach einem baldigen Ende des Krieges auf, noch lauter der väterliche Ruf nach Frieden. Möge dieser Ruf den furchterregenden Waffenlärm übertönen, die kriegführenden Völker und ihre Staatsoberhäupter erreichen und die einen wie die anderen zu einem milderen und friedlicheren Entschluss bewegen.

Die Verheerungen des Krieges

3 Im heiligen Namen Gottes, im Namen unseres himmlischen Vaters und Herrn, beim Heiligsten Blute Jesu, dem Preis der Erlösung der Menschheit, beschwören Wir euch, denen die Göttliche Vorsehung die Regierung der kriegführenden Nationen übertragen hat, diesem entsetzlichen Blutbad, das seit einem Jahr Europa entehrt, ein Ende zu machen. Es ist das Blut von Brüdern, das da auf dem Lande und auf dem Meer vergossen wird! Die schönsten Landstriche Europas, dieses Gartens der Welt, sind übersät mit Leichen und Ruinen; wo noch vor kurzem die betriebsame Industrie und die fruchtbringende Landwirtschaft arbeiteten, donnert jetzt die Kanone; in ihrer Zerstörungswurt verschont sie weder Dörfer noch Städte und bringt überallhin Vernichtung und Tod Ihr tragt vor Gott und den Menschen die drückende Verantwortung für Krieg und Frieden; hört auf Unsere Bitten, auf die väterliche Stimme des Stellvertreters des Ewigen Höchsten Richters, vor dem ihr ebenso über die öffentlichen Unternehmen wie über eure privaten Handlungen Rechenschaft ablegen müsst.

4 Die großen Reichtümer, die Gott der Schöpfer den Ländern, die euch untertan sind, gegeben hat, ermöglichen euch die Fortsetzung des Kampfes; aber um welchen Preis? Es antworten darauf die Tausende junger Leben, die jeden Tag auf den Schlachtfeldern ausgelöscht werden; es antworten darauf die Ruinen so vieler Städte und Dörfer und so vieler Denkmäler der Frömmigkeit und des Geistes der Vorfahren. Und die bitteren Tränen, die insgeheim hinter den Mauem der Häuser und zu Füßen der Bittaltäre vergossen werden, wiederholen nicht auch sie, dass der Preis dieses täglichen Kampfes hoch, zu hoch ist?

Aufruf zum Waffenstillstand

5 Man sage nicht, dass dieser ungeheure Konflikt ohne Waffengewalt nicht beigelegt werden könne. Man möge den Entschluss zur gegenseitigen Vernichtung aufgeben; man möge bedenken, dass die Nationen nicht sterben: gedemütigt und unterdrückt tragen sie bebend das ihnen auferlegte Joch, während sie ihren Vergeltungsschlag vorbereiten und von einer Generation zur anderen das traurige Erbe des Hasses und der Rache weitergeben.

6 Warum nicht schon jetzt mit ernstem Gewissen die Rechte und legitimen Forderungen der Völker erwägen? Warum nicht die bereitwilligem Herzen einen direkten oder indirekten Meinungsumschwung einleiten mit dem Ziel, soweit wie möglich diesen Rechten und diesen Forderungen Rechnung zu tragen, und so diesen ungeheuren Kampf beenden, wie es in anderen ähnlichen Fällen schon geschehen ist? Gesegnet sei der, der als erster den Olivenzweig hochhebt, dem Feind die Hand entgegenstreckt und ihm vernünftige Friedensbedingungen anbietet. Das Gleichgewicht der Welt und die gedeihliche und sichere Ruhe der Nationen beruhen sehr viel mehr auf gegenseitigem Wohlwollen und auf der Achtung der Rechte und der Würde der anderen als auf der Anzahl ihrer wehrhaften Männer und ihren gewaltigen Festungen.

Aufforderung, das Ende des Krieges zu beschleunigen, Gebet und Segen

7 Dies ist der Ruf nach Frieden, der an diesem traurigen Tag noch lauter aus Unserer Seele dringt; Wir laden alle Freunde des Friedens in der ganzen Welt ein, Uns die Hände zu reichen, um das Ende des Krieges zu beschleunigen, der nun schon seit einem Jahr Europa in ein riesiges Schlachtfeld verwandelt hat. Gebe der barmherzige Jesus, durch die Fürsprache seiner schmerzhaften Mutter, dass endlich nach diesem entsetzlichen Sturm die milde, strahlende Morgendämmerung, das Abbild seines göttlichen Antlitzes, anbrechen möge! Mögen bald die Dankeshymnen für die Versöhnung der Staaten zum Allmächtigen, dem Geber alles Guten, aufsteigen; mögen die Völker, verbrüdert durch die Liebe, zurückkehren zum friedlichen Wettstreit in Wissenschaft, Kunst und Industrie und nach Wiederherstellung der Herrschaft des Rechts beschließen, in Zukunft die Lösung ihrer Streitigkeiten nicht mehr mit der Schneide des Schwertes herbeizuführen, sondern nach den Kriterien der Billigkeit und Gerechtigkeit, die mit der nötigen Ruhe und Besonnenheit ergründet werden. Dies wird ihre schönste und ruhmreichste Eroberung sein!

8 Im Vertrauen darauf, dass die so ersehnten Früchte des Friedensbaumes schon bald die Welt erfreuen werden, erteilen Wir den Apostolischen Segen allen, die die Uns anvertraute mystische Herde bilden, und für alle jene, die noch nicht zur Römischen Kirche gehören, bitten Wir den Herrn, dass er sie durch das Band der vollkommenen Liebe mit Uns verbinde.

Rom, aus dem Vatikan, am 28. Juli 1915
Benedikt XV. PP.