St. Gallen-Gruppe

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Die Kardiänle Walter Kasper und Godfried Danneels

Als St. Gallen-Gruppe wird ein Freundeskreis einiger Bischöfe bzw. Kardinäle bezeichnet, der sich jährlich in St. Gallen in der Schweiz traf. Sie dachten nach über eine "Reform der Kirche, die viel moderner und näher am Zeitgeist" ist, und Wege zu ihrer Verwirklichung.<ref>Papst Franziskus als radikaler Reformer: Wunschkandidat der »St. Gallen Mafia« www.freiewelt.net am 15. Dezember 2017</ref> Intern nannten die Geistlichen ihre Gruppe humorvoll «Mafia».<ref> St. Galler «Mafia» steuerte die Papst-Wahl www.20min.ch am 29. September 2015; Papst Franziskus als radikaler Reformer: Wunschkandidat der »St. Gallen Mafia« www.freiewelt.net am 15. Dezember 2017</ref> Die Gruppe habe 2006 offiziell aufgehört zu existieren,<ref>Papst Franziskus als radikaler Reformer: Wunschkandidat der »St. Gallen Mafia« www.freiewelt.net am 15. Dezember 2017</ref>

Ziele

Ziel des Zirkels war es nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, den Ortskirchen mehr Gewicht zu verleihen. Dazu sollten sich gleichgesinnte Kirchenvertreter auf der höchsten Ebene sammeln.<ref>Die Tafelrunde von St. Gallen, die Franziskus zum Papst machte tageswoche.ch am 2. Oktober 2015</ref> Der Kreis lehnte die „Restauration“ ab, die Johannes Paul II. vorgeworfen wurde. Stattdessen sollte der angeblich abgebrochene Weg zu einem „neuen Frühling“ der Kirche vollendet werden, der – angestoßen von der "Rheinischen Allianz" (Walter Kasper in Rottenburg-Stuttgart, Karl Lehmann in Mainz, Oskar Saier in Freiburg, vorher schon Josef Frings in Köln mit seinem Konzilsberater Josef Ratzinger) – durch das Zweite Vatikanische Konzil begonnen worden war. Ein seit über 200 Jahren geführter "Kulturkampf gegen die Moderne" (Antimodernismus) sollte beendet werden.<ref>Fünf Jahre Amtsverzicht von Benedikt XVI. und viele offene Fragen Katholisches.info am 12. Februar 2018</ref>

Als intellektuelle Leitfigur der Gruppe galt Carlo Martini, vor allem durch seine Insistenz auf eine „Kultur der Zärtlichkeit“ und eine „Haltung gegenüber der Sexualität, die frei von Vorurteilen“ sei. Diese dienten als Leitmotive, welche die Enzyklika Humanae vitae Pauls VI. angreifen sollten. Die Linie der progressiven Revolution, die Martini verfolgte, ging auch aus Aussagen eines nur wenige Stunden nach seinem Tod von der Zeitung „Corriere della Sera“ veröffentlichten Interviews hervor: „Die Kirche muss ihre Fehler eingestehen und muss einen radikalen Weg des Wandels einschlagen, der beim Papst anfängt und bis zu den Bischöfen reicht.“<ref>Papst Franziskus als radikaler Reformer: Wunschkandidat der »St. Gallen Mafia« www.freiewelt.net am 15. Dezember 2017</ref>

Namensgebung, Gründung und Teilnehmer

Kardinal Godfried Danneels, der ehemalige Erzbischof von Brüssel-Mechelen, bezeichnete sich in einer französischen Biografie als Mitglied der sogenannten «St. Gallen-Gruppe». Diese traf ab 1997 stets Anfang Januar in der Schweiz, meist im bischöflichen Palais von St. Gallen zusammen. Initiatoren waren der damalige St. Galler Bischof Ivo Fürer, Sekretär des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen, der gegründet wurde, um den europäischen Ortskirchen mehr Gewicht zu verleihen, ebenso der damalige Erzbischof von Mailand, Carlo Martini. Das erste Treffen war jedoch 1996 in Deutschland. Der damalige Bischof von Rottenburg-Stuttgart Walter Kasper war Gastgeber im ehemaligen Zisterzienserkloster Heiligkreuztal. Mit dabei war der Erzbischof von Mailand, Kardinal Carlo Maria Martini, der niederländische Bischof von Helsinki Paul Verschuren, Bischof Jean Vilnet aus Lille, Bischof Johann Weber aus Graz-Seckau und der damalige Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz Bischof Karl Lehmann aus Mainz. Die sieben Männer feierten zusammen die heilige Messe und tauschten sich zwei Tage lang aus. Es ging bei den Gesprächen unter anderem um römischen Zentralismus, um die Aufwertung der Rolle der Bischofskonferenzen, um Sexualmoral, um die Qualität und die Berufung von Bischöfen und um die Kollegialität.<ref>Die Tafelrunde von St. Gallen, die Franziskus zum Papst machte tageswoche.ch am 2. Oktober 2015</ref>

Weitere Teilnehmer der Treffen waren der ehemalige Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser, Achille Silvestrini (Italien), der Lissaboner Patriarch José da Cruz Policarpo sowie der Ukrainer Lubomyr Husar und <ref>Die Tafelrunde von St. Gallen, die Franziskus zum Papst machte tageswoche.ch am 2. Oktober 2015</ref> der britische Kardinal Basil Hume.<ref> Die "St. Gallen-Gruppe" in der englischen Wikipedia</ref> Ihnen gehörte später auch Jorge Mario Bergoglio an. Zeitweise sollen dem Zirkel 45 Geistliche angehört haben.<ref> St. Galler «Mafia» steuerte die Papst-Wahl www.20min.ch am 29. September 2015; Papst Franziskus als radikaler Reformer: Wunschkandidat der »St. Gallen Mafia« www.freiewelt.net am 15. Dezember 2017</ref>

Die Gruppe soll schließlich - anders als vergleichbare Gruppen in Rom und anderen Teilen der Kirche - Jorge Mario Bergoglio als Oberhaupt der Kirche favorisiert haben. Der Journalist Paul Badde wusste aus so genannten "verlässlichen Quellen", dass „drei Tage nach dem Begräbnis Johannes Pauls II. sich die Kardinäle Carlo Martini, Karl Lehmann und Walter Kasper aus Deutschland, Audrys Backis aus Litauen, Adrians van Luyn aus Holland, Godfried Danneels aus Brüssel und Cormac Murphy O’Connor aus London in der sogenannten Villa Nazareth in Rom trafen, […] um im Geheimen die Taktik zu besprechen, mit der man die Wahl Joseph Ratzingers abwenden könne.“<ref>Papst Franziskus als radikaler Reformer: Wunschkandidat der »St. Gallen Mafia« www.freiewelt.net am 15. Dezember 2017</ref>

Das Pontifikat von Papst Franziskus

Hl. Messe mit Papst Franziskus in Havanna (Plaza de la Revolución) am 20. September 2015

«Was Franziskus heute umzusetzen versucht, entspricht in hohem Maße den Gedanken, die wir (die St. Gallen-Gruppe) damals hatten», so Kardinal Walter Kasper 2015.<ref>Die Tafelrunde von St. Gallen, die Franziskus zum Papst machte tageswoche.ch am 2. Oktober 2015</ref> Die Umsetzung nennt Kasper "einen neuen Stil" der "Prozesse anstossen" will.<ref>Walter Kardinal Kasper im Gespräch mit Raffaele Luise, Das Feuer des Evangeliums. Mein Weg mit Papst Franziskus, Aus dem Italienischen übersetzt von Gabriele Stein, Patmos Verlag Ostfildern 2016 (232 S.ISBN 978-3-8436-0771-1; Leseprobe).</ref> Dies betreffe nach dem Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium vom 24. November 2013 von Papst Franziskus, sowohl die Neuausrichtung der Pastoral, als auch der Lehre: "Das Papsttum und die zentralen Strukturen der Universalkirche haben es nötig, dem Aufruf zu einer pastoralen Neuausrichtung zu folgen. Das Zweite Vatikanische Konzil sagte, dass in ähnlicher Weise wie die alten Patriarchatskirchen » die Bischofskonferenzen vielfältige und fruchtbare Hilfe leisten (können), um die kollegiale Gesinnung zu konkreter Verwirklichung zu führen «. Aber dieser Wunsch hat sich nicht völlig erfüllt, denn es ist noch nicht deutlich genug eine Satzung der Bischofskonferenzen formuliert worden, die sie als Subjekte mit konkreten Kompetenzbereichen versteht, auch einschließlich einer gewissen authentischen Lehrautorität. Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen." Wichtig jedoch sei, "Alleingänge zu vermeiden, sich immer auf die Brüder und Schwestern und besonders auf die Führung der Bischöfe zu verlassen, in einer weisen und realistischen pastoralen Unterscheidung." (Nr. 32+33).

Behaupteter Einfluss von "Freunden des Papstes", "Schmeichlern und Karrieristen", Netzwerken von Bischöfen auf den Papst

Kardinal Gerhard Müller, dessen Amtszeit als Leiter der Römischen Glaubenskongregation Papst Franziskus im Jahr 2017 nicht verlängert hatte und der als „erzkonservativer Kritiker von Papst Franziskus“ gilt<ref>Regina Kerner: Verschwörungstheorien: Kardinal Müller verteidigt umstrittenes Schreiben, Berliner Zeitung, 12. Mai 2020.</ref>, sah im Oktober 2018 das große Problem des Pontifikates von Papst Franziskus, in den "sogenannten Freunden des Papstes" und sagte: "Und wir, seine wahren Freunde, werden von den Massenmedien Feinde des Papstes genannt, aber die Kategorie der Freundschaft oder Feindseligkeit ist in diesem Fall nicht nützlich. Es erfordert ein angemessenes Management der Fragen des Glaubens, der Disziplin und der Moral und nicht dieses System der persönlichen Beziehungen. Jedes Mal, wenn eine Gruppe von Kardinälen beim Papst ist, geschieht alles, weil einige von ihnen persönlich den Papst fragen: Ich möchte den und den als Bischof, und dies aus persönlichen Gründen, und nicht, weil er die geeignetste Person ist, und so wird die Bischofskongregation umgangen“.<ref>Kardinal Müller: Papst soll Versöhnung mit Erzbischof Viganò suchen! Kath.net am 5. Oktober 2018</ref> Es ist "ärgerlich, dass theologisch ungebildete Leute in den Bischofsrang erhoben werden, die unfähig sind zu lehren" ( 2 Tim 2,2) und dies dem Papst mit einer infantilen Ergebenheit meinen danken zu müssen." "Der Primat des Papstes wird von den Schmeichlern und Karrieristen am päpstlichen Hof unterminiert."<ref>„In krisenhafter USA-Situation müssen wir einen klaren Kopf behalten“ Kath.net am 22. November 2018</ref>

Auf Bischofssynoden spiele die Theologie kaum mehr die Rolle, die ihr zukomme, sagte der Gerhard Kardinal Müller am 6. Dezember 2018. "Das Argumentationsniveau ist gelegentlich peinlich. Der Austausch bleibt oft im Anekdotischen hängen." Natürlich gebe es auch Bischöfe mit hohen intellektuellen Fähigkeiten, "aber die werden fast systematisch von verantwortungsvollen Posten ferngehalten". Müller weiter: "Professionalität in der Theologie wird nicht geschätzt. Sie wird eher als Manko in der Pastoral 'der Menschennähe' gesehen, als ob die Managerqualitäten wichtiger wären als theologischer Durchblick in einer Zeit, in der die Vernunft des Glaubens bestritten wird."<ref>Kardinal Müller übt heftige Kritik an deutscher Theologie Katholisch.de am 6. Dezember 2018.</ref>

Erzbischof Carlo Maria Viganò behauptete, in einem Schreiben am 19. Oktober 2018, Theodore McCarrick sei Teil eines Netzwerkes von Bischöfen gewesen, die Homosexualität förderten und ihre Gunst bei Papst Franziskus ausnutzten, um bischöfliche Ernennungen zu manipulierten. Dadurch konnten sie "sich vor Gerechtigkeit schützen und das homosexuelle Netzwerk in der Hierarchie und in der Kirche stärken". "Franziskus selbst hat sich entweder an dieser Korruption beteiligt oder er ist, wissend, was er tut, grob fahrlässig darin, sich ihr nicht zu widersetzen und sie zu entwurzeln", so Viganò.<ref>Erzbischof Vigano: Papst soll "Irrtümer bekennen" Katholisch.de am 19. Oktober 2018; Die ewige Erlösung vieler Seelen steht auf dem Spiel! Kath.net 20. Oktober 2018 (Übersetzung Viganòs Schreiben vom 19. Oktober 2018)</ref>

Ähnliche Gruppierungen

Solche Kontakte von Kirchenführern sind in der Kirche nichts Ungewöhnliches. Vergleichbare Gruppierungen gab und gibt es auch an anderen Orten, vor allem in Rom.

Beispielsweise fanden vor Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils seit Ende 1961 mehrere Treffen von mitteleuropäischen Konzilsteilnehmern aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Österreich, der Schweiz, Polen und Skandinavien im römischen Collegium Teutonicum Sanctae Mariae de Anima statt, die vom Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings und dem Münchener Erzbischof Julius Kardinal Döpfner initiiert worden waren. Die Treffen hatten das Ziel, sich gegen das Diktat der Römischen Kurie bei der Vorbereitung des Konzils und für eine andere Besetzung der konziliaren Arbeitsgruppen einzusetzen. Dabei wurden Kontakter mit anderen Gruppen angestrebt, die ebenfalls existierten. Nach Einschätzung von Kardinal Döpfner hieß der heilige Papst Johannes XXIII. es ausdrücklich gut, wenn die "reformfreudige" Gruppe der Konzilsteilnehmer aktiver würde.<ref>Christoph Münch: "Panzerkardinal" und Motor. In: Die Tagesporst, 9. Februar 2023, S. 16.</ref>

Siehe auch: Joseph-Ratzinger-Schülerkreis

Literatur

  • Jürgen Mettepenningen / Karim Schelkens: Godfried Danneels Biographie (in Französisch). Antwerp, Belgium: Uitgeverij Polis 2015 (512 S.; ISBN 978-94-6310-023-6).
  • Marcantonio Colonna (Pseudonym des britischen Historikers und Malteserritters Henry Sire; aus dem Englischen übersetzt von Benjamin Janszen und Philipp Liehs): Der Diktatorpapst, Renovamen Verlag Bad Schmiedeberg 2018 (Paperback, 265 Seiten; ISBN 978-3-95621-134-8 Broschur).
  • Austen Ivereigh: The Great Reformer: Francis and the Making of a Radical Pope (in Englisch) Picador Verlag 2015 (480 Seiten; Tb; ISBN 978-1250074997).

Weblinks

Anmerkungen

<references />