Als Mann und Frau schuf er sie
der Kongregation für das katholische Bildungswesen
von Papst
Franziskus
Als Mann und Frau schuf er sie. Für einen Weg des Dialogs zur Gender-Frage im Bildungswesen
2. Februar 2019
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Inhaltsverzeichnis
Einführung
1. Das Bewusstsein, dass wir vor einem regelrechten Bildungsnotstand stehen, insbesondere hinsichtlich der Fragen der Affektivität und der Sexualität, verbreitet sich immer mehr. In vielen Fällen werden Bildungsprozesse entwickelt und angeboten, "bei denen ein angeblich neutrales Bild des Menschen und des Lebens vermittelt wird, das aber in Wirklichkeit eine dem Glauben und der rechten Vernunft gegensätzliche Anthropologie widerspiegelt".<ref>Benedikt XV!., Ansprache beim Neujahrsempfang für die Mitglieder des am Heiligen Stuhl akkreditierten diplomatischen Corps, Regia-Saal, 10. Jan. 2011. </ref> Die anthropologische Desorientierung, die vielfach das kulturelle Klima unserer Zeit kennzeichnet, hat sicher dazu beigetragen, die Familie zu zerstören, mit der Tendenz, die Unterschiede zwischen Mann und Frau, die als schlichte Ergebnisse einer geschichtlich-kulturellen Konditionierung betrachtet werden, zu destabilisieren.
2. In diesem Kontext steht der Bildungsauftrag vor der Herausforderung, die sich "aus verschiedenen Formen einer Ideologie" ergibt, "die gemeinhin Gender genannt wird und die "den Unterschied und die natürliche Aufeinander- Verwiesenheit von Mann und Frau leugnet. Sie stellt eine Gesellschaft ohne Geschlechterdifferenz in Aussicht und höhlt die anthropologische Grundlage der Familie aus. Diese Ideologie fördert Erziehungspläne und eine Ausrichtung der Gesetzgebung, welche eine persönliche Identität und affektive Intimität fördern, die von der biologischen Verschiedenheit zwischen Mann und Frau radikal abgekoppelt sind. Die menschliche Identität wird einer individualistischen Wahlfreiheit ausgeliefert, die sich im Laufe der Zeit auch ändern kann.""<ref> Papst Franziskus, Nachsynodales Apostolisches Schreiben Amoris laetitia über die Liebe in der Familie, 19. März 2016, Nr. 56; XIV. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode, Relatio finalis, 24. Okt. 2015, 8. </ref>
3. Offensichtlich kann die Frage nicht aus dem weiteren Horizont der Erziehung zur Liebe<ref> Vgl. Johannes Paulll., Apostolisches Schreiben Famifiaris consortio über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute, 22. Nov. 1981, Nr. 6; vgl. Johannes Paul ll., Brief an die Familien Gratissimam sane , 2. Febr. 1994, Nr. 16; vgl. Johannes Paul 11., Pedagogia dei corpo, ordine morale, manifestazioni affettive. Generalaudienz vom 8. April 1981: Insegnamenti, IV/1 (1981),903-908.</ref> herausgelöst werden, die - worauf das II. Vatikanische Konzil hingewiesen hat - "eine positive und kluge Geschlechtserziehung" anbieten muss, im Rahmen des unveräußerlichen Rechts aller Menschen, "gleich welcher Herkunft, welchen Standes und Alters", eine Erziehung zu erhalten, "die ihrem Lebensziel, ihrer Veranlagung, dem Unterschied der Geschlechter Rechnung trägt, der heimischen kulturellen Überlieferung angepasst und zugleich der brüderlichen Partnerschaft mit anderen Völkern geöffnet ist, um der wahren Einheit und dem Frieden auf Erden zu dienen".<ref> II. Vatikanisches Konzil, Erklärung Gravissimum educationis über die christliche Erziehung, 28. Okt. 1965, Nr. 1. </ref> Dazu hat die Kongregation für das Katholische Bildungswesen schon im Dokument Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe. Hinweise zur geschlechtlichen Erziehung Vertiefungen angeboten.<ref> Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe. Hinweise zur geschlechtlichen Erziehung, 1. Nov. 1983. </ref>
4. Aus der Sicht der christlichen Anthropologie ist die Sexualität eine fundamentale Komponente der Persönlichkeit, eine ihr eigene Weise zu sein, in Erscheinung zu treten, mit den anderen zu kommunizieren, zu fühlen, die menschliche Liebe auszudrücken und zu leben. Sie ist also integrierender Bestandteil der Entwicklung der Persönlichkeit und ihres Bildungsprozesses. "Aus dem Geschlecht nämlich ergeben sich die besonderen Merkmale, die die menschliche Person im biologischen, psychologischen und geistigen Bereich als Mann und Frau bestimmen. Diese haben somit einen sehr großen Einfluss auf ihren Reifungsprozess und ihre Einordnung in die Gesellschaft."<ref> Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Persona humana zu einigen Fragen der Sexualethik, 29. Dez. 1975, Nr. 1. </ref> Im Reifungsprozess "entspricht diese Verschiedenheit zusammen mit der gegenseitigen Ergänzung der beiden Geschlechter voll und ganz dem Plan Gottes je nach der Berufung eines jedenii.<ref> Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 4. </ref> Deshalb "muss die Erziehung im geschlechtlichen Bereich und des mit ihm verbundenen Gefühlslebens die Ganzheit der Person in Betracht ziehen und folglich die Integration der biologischen, seelisch-gefühlsmäßigen, gesellschaftlichen und geistlichen Komponenten verlangen".<ref> Ebd., Nr. 35. </ref>
5. Die Kongregation für das Katholische Bildungswesen möchte hier nun - im Rahmen ihrer Zuständigkeit - einige Überlegungen vorlegen, die denen, die in der Erziehung und Bildung der neuen Generationen tätig sind, als Orientierung und Unterstützung dienen mögen, methodisch an die heute meistdebattierten Fragen zur menschlichen Sexualität - im Licht der Berufung eines jeden Menschen zur Liebe - heranzugehen.<ref> Vgl. ebd., Nr. 21-47: 11. Verantwortlichkeiten bei der geschlechtlichen Erziehung.</ref> Die Methodologie, die gefördert werden soll, ist in die folgenden drei Schritte gegliedert: Hinhoren, Nachdenken, Vorschläge machen, welche den Bedürfnissen sowohl der Einzelnen als auch von Gemeinschaften entgegenkommen. Denn das Hören auf die Bedürfnisse des Anderen und ebenso das Verstehen der verschiedenen Umstände führen zum Austausch von Vernunftargumenten und bereiten auf eine christliche im Glauben gegründete Erziehung vor. "Der Glaube erhellt nämlich alles mit einem neuen Licht, enthüllt den göttlichen Ratschluss hinsichtlich der integralen Beratung des Menschen und orientiert daher den Geist auf wirklich humane Lösungen hin."<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution Gaudium er spes über die Kirche in der Welt von heute, 7. Dez. 1965, Nr. 11. </ref>
6. Wenn hinsichtlich der Gender-Frage in der Bildung der Weg des Dialogs eingeschlagen werden soll, darf nicht der Unterschied übersehen werden zwischen der Gender-Ideologie und den verschiedenen Studien zum Thema Gender, die von den Humanwissenschaften vorgelegt werden. Während die Ideologie vorgibt, wie Papst Franziskus feststellt, "gewissen und manchmal verständlichen Wünschen zu entsprechen", sucht sie doch "sich als einzige Denkweise durchzusetzen und sogar die Erziehung der Kinder zu bestlmmen<ref> Amoris laetitia, Nr. 56.</ref> und verhindert damit den Austausch; es gibt aber auch Untersuchungen zur Genderthematik, die angemessen zu vertiefen versuchen, wie in den verschiedenen Kulturen der sexuelle Unterschied zwischen Mann und Frau gelebt wird. Und in Bezug auf diese Untersuchungen ist es möglich, sich für das Hinhören und Nachdenken zu öffnen und Vorschläge zu machen.
7. Die Kongregation für das Katholische Büdungswesen bietet deshalb diesen Text insbesondere denen - von dieser Problematik Betroffenen - an! denen die Bildung und Erziehung am Herzen liegt, und besonders den Schulgemeinschaften der katholischen Schulen, und an denen, die, beseelt von der christlichen Sicht auf das Leben, in anderen Schulen tätig sind: den Eltern, den Schülern, der Schulleitung und dem Personal; aber auch den Bischöfen, den Priestern, den Ordensfrauen und Ordensmännern, den kirchlichen Bewehrungen, den Vereinigungen der Gläubigen und anderen in diesem Sektor tätigen Einrichtungen.
Hinhören
Kurz zur Geschichte
8. Wer in einen Dialog eintreten will. muss als erstes die Haltung des Hinhörens einnehmen. Es geht vor allem darum, zuzuhören und zu erfassen, was in den letzten Jahrzehnten geschehen ist. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts und seinen anthropologischen Ansichten - kamen die ersten Konzepte der Gender-Theorie auf, die einerseits auf einer rein soziologischen Lesart der sexuellen Unterscheidungen und andererseits auf einer Betonung der individuellen Freiheiten gründeten. In der Mitte des Jahrhunderts entsteht dann eine Forschungsrichtung, die darauf drängt, sowohl die äußere Bedingtheit als auch deren Einflüsse auf die persönlichen Determinationen zu betonen. Auf die Sexualität übertragen, wollten diese Forschungen zeigen, dass die sexuelle Identität mehr mit einer gesellschaftlichen Konstruktion zu tun hat als mit einer natürlichen oder biologischen Gegebenheit.
9. Diese Ansätze stimmen darin überein, dass sie das Vorhandensein einer ursprünglichen Gegebenheit, die uns vorausgeht und für unsere persönliche Identität konstitutiv ist und so die notwendige Basis unseres gesamten Handelns bildet, negieren. Was in den zwischenmenschlichen Beziehungen zähle, sei nur die Anziehung zwischen Individuen, unabhängig von der sexuellen Differenz und der Fortpflanzung, die für die Konstruktion der Familie für irrelevant gehalten werden. Es erfolgt ein Übergang von einem institutionellen Familienmodell- mit Struktur und Finalität, die nicht von individuellen subjektiven Präferenzen der Ehegatten abhängig sind - zu einer rein vertragsbezogenen und voluntaristischen Sichtweise.
10.‚ Im Laufe der Zeit haben die Gender-Theorien das Feld ihrer Anwendung ausgeweitet. Anfang der 1990er Jahre haben sie sich auf die Möglichkeiten der Individuen konzentriert, die eigenen sexuellen Neigungen selbst zu bestimmen, und dabei weder der Reziprozität und Komplementarität der Beziehung Mann-Frau noch der prokreativen Finalität der Sexualität Rechnung zu tragen. Darüber hinaus werden schließlich Theorien über eine radikale Trennung zwischen Gender - als dem sozialen Geschlecht - und Sex - als dem biologischen Geschlecht - aufgestellt, mit Priorität des ersteren über das zweite. Dieses Ziel wird als eine wichtige Etappe in der Entwicklung der Menschheit gesehen, welche "eine Gesellschaft ohne Geschlechterdifferenz in Aussicht stellt".<ref>Ebd.</ref>
11. In diesem kulturellen Kontext ist dann gut verständlich, dass Sex und Gender nicht mehr Synonyme und also untereinander austauschbare Begriffe sind, da sie zwei unterschiedliche Entitäten beschreiben. Sex definiert die Zugehörigkeit zu einer der beiden biologischen Kategorien, die sich von der ursprünglichen Dyade, Frau und Mann, herleiten. Gender hingegen ist die Weise, in der man in der jeweiligen Kultur die Differenz zwischen den beiden Geschlechtern lebt. Das Problem besteht nicht in der Unterscheidung als solcher, die richtig interpretiert werden kann, sondern in der Trennung von Sex und Gender. Aus dieser Trennung folgt die Unterscheidung von verschiedenen "sexuellen Orientierungen", die nicht mehr gemäß der sexuellen Differenz zwischen Mann und Frau definiert werden, sondern andere Formen annehmen können, die allein vom radikal autonomen Individuum determiniert werden.
Darüber hinaus hängt der Begriff Gender ab vom subjektiven Empfinden der Person, die ein "Geschlecht" wählen kann, das nicht mit ihrem biologischen Geschlecht übereinstimmt und also nicht damit, wie die Anderen sie sehen (Transgender).
12. In einer zunehmenden Entgegensetzung von Natur und Kultur münden die Gender-Vorschläge im Queer, das heißt, in einer fluiden, flexiblen, nomadischen Dimension, und kulminiert darin, dass die vollständige Emanzipation des Individuums von jeder apriori gegebenen geschlechtlichen Definition vertreten wird, mit dem folgerichtigen Verschwinden von als rigide betrachteten Klassifikationen. Auf diese Weise wird Nuancen sowohl der sexuellen Orientierung als auch der Identifikation des eigenen Gender Raum gegeben, die nach Ausmaß und Intensität im Kontext variabel sind.
13. Die Dualität des Paares widerstreitet außerdem dem Konzept der "Polyandrie", das mehr als zwei Personen einschließt. Deswegen wird konstatiert, dass die Dauer der Verbindung - und ihre bindende Natur - sich als variabel gestaltet gemäß dem etwaigen Wunsch der Personen, was Folgen auf der Ebene der Teilung der Verantwortlichkeiten und der Verpflichtungen, die der Mutterschaft und der Vaterschaft eigen sind, hat. Diese ganze Palette von Beziehungen ergibt "Verwandtschaftsverhältnisse" (kinships), die auf Verlangen oder Gefühl gegründet sind und sehr oft gekennzeichnet dadurch, dass sie auf begrenzte Zeit eingegangen werden, ethisch flexibel sind oder sogar einvernehmlich keinerlei Langzeitperspektive haben. Was zählt, ist die absolute Freiheit der Selbstbestimmung und die aus den Umständen folgende Wahl einer Person im Kontext einer irgendwie gefühlsmäßigen Beziehung.
14. Das führt dazu, dass die öffentliche Anerkennung der Freiheit der Wahl des Geschlechts und ebenso der Pluralität von Verbindungen gefordert wird im Gegensatz zur Ehe zwischen Mann und Frau, die als Hinterlassenschaft der patriarchalischen Gesellschaft betrachtet wird. Man möchte also, dass jede Person die je eigene Situation wählen könne und dass die Gesellschaft sich darauf beschränken solle, ein solches Recht zu garantieren, auch mittels einer materiellen Unterstützung, da sich andernfalls Formen der gesellschaftlichen Diskriminierung gegenüber den Minderheiten einstellen würden. Die Einforderung solcher Rechte ist Teil der gegenwärtigen politischen Debatte, und sie hat in einige internationale Dokumente und in nationale Gesetzgebungen Eingang gefunden.
Berührungspunkte
15. Im Bereich der Gender-Forschungen ergeben sich allerdings einige mögliche Berührungspunkte, die zum wechselseitigen Verständnis beitragen können. Denn nicht selten findet sich in den Erziehungs- und Bildungsprojekten die nachvollziehbare und unterstützenswerte Forderung, jede Form von ungerechtfertigter Ungleichbehandlung zu bekämpfen. Sie zielen auf ein pädagogisches Handeln das sich Rückstände und Mängel elngesteht.<ref>Vgl. Papst Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer an der Generalversammlung der Mitglieder der Päpstlichen Akademie für das Leben, Synodenhalle, 5. Okt. 2017.</ref> Man kann auch nicht leugnen, dass es im Laufe der Jahrhunderte Formen von ungerechtfertigter Ungleichbehandlung gegeben hat, die ein trauriges historisches Faktum sind und auch innerhalb der Kirche Einfluss gehabt haben. Das hat Rigorosität und Starrheit befördert, die die notwendige und fortschreitende Inkulturation der genuinen Botschaft, mit der Jesus die gleiche Würde von Mann und Frau proklamiert hat, verzögert haben und so zu Anschuldigungen eines bestimmten mehr oder weniger mit religiösen Motivationen kaschierten Männlichkeitswahns geführt haben.
16. Ein Berührungspunkt ist die Erziehung der Kinder und der Jugendlichen dazu, jeden Menschen in seiner besonderen und unterschiedlichen Situation zu respektieren, damit niemand, aufgrund der eigenpersönlichen Umstände (Behinderung, Herkunft, Religion, affektive Neigungen usw.), Ziel von Mobbing, Gewalttätigkeiten, Beleidigungen und ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen werden kann. Es handelt sich um eine Erziehung zur aktiven und verantwortlichen Bürgerschaft, in der alle legitimen Ausdrucksformen der Person mit Achtung aufgenommen werden.
17. Ein weiterer Punkt, bei dem das anthropologische Verständnis wachsen kann, sind die Werte der Weiblichkeit, die in der Reflexion über Gender herausgestellt worden sind. Zum Beispiel begünstigt die Fähigkeit der Frau "für den Anderen" eine realistischere und reifere Lesart sich entwickelnder Situationen, sie entfaltet "den Sinn und die Ehrfurcht gegenüber dem Konkreten, das sich Abstraktionen entgegenstellt, die für das Leben des Einzelnen und der Gesellschaft oft tödlich sind".<ref> Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt, 31. Juli 2004, Nr. 13. </ref> Es handelt sich um einen Beitrag, der die menschlichen Beziehungen und die geistigen Werte bereichert, "angefangen von den Alltagsbeziehungen zwischen den Personen". Die Gesellschaft ist deshalb zu einem großen Teil Schuldnerin der Frauen, "die über die Familie hinaus in den verschiedenen Bereichen der Erziehungsarbeit tätig sind: in Kindergärten, Schulen, Universitäten, Fürsorgeeinrichtungen, Pfarreien, Vereinen und Bewegungen."<ref>Johannes Paul ll., Brief an die Frauen, 29. Juni 1995, Nr. 9. </ref>
18. Die Frau ist in der Lage, die Wirklichkeit auf einzigartige Weise zu verstehen: Sie weiß den Widrigkeiten standzuhalten, "in extremen Umständen das Leben noch möglich zu machen", und "einen festen Sinn für die Zukunft zu bewahren".<ref>Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt, Nr. 13. </ref> So ist es kein Zufall, dass "überall, wo das Erfordernis einer Bildungs- und Erziehungsarbeit besteht", man "die enorme Bereitschaft der Frauen feststellen kann, sich in den menschlichen Beziehungen zu verausgaben, besonders für die Schwächsten und Schutzlosesten. Bei dieser Arbeit verwirklichen sie so etwas wie eine gefühlsmäßige, kulturelle und geistige Mutterschaft, die wegen ihrer Wirkung auf die Entwicklung der Person und die Zukunft der Gesellschaft von wahrhaft unschätzbarem Wert ist. Und wie könnte man hier das Zeugnis so vieler katholischer Frauen und so vieler weiblicher Ordensgemeinschaften unerwähnt lassen, die in den verschiedenen Kontinenten insbesondere die Erziehung der Kinder, Mädchen und Jungen, zu ihrem hauptsächlichen Dienst gemacht haben?"<ref>Johannes Paulll., Brief an die Frauen, Nr. 9. </ref>
Kritische Punkte
19. Allerdings gibt es auch kritische Punkte, die sich im realen Leben zeigen. Die Gender- Theorien - insbesondere die radikalster Form - zeigen einen fortschreitenden Prozess der De-Naturalisierung oder der Entfernung von der Natur hin zu einer totalen Option für die Entscheidung des emotionalen Subjekts. Mit dieser Haltung werden sexuelle Identität und Familie Dimensionen der postmodernen "Verflüssigung" und "Fluidität": gegründet allein auf eine falsch verstandene Freiheit des Fühlens und des Wollens statt auf die Wahrheit des Seins; auf das momentane Verlangen des emotionalen Impulses und auf den individuellen Willen.
20. Die Grundvoraussetzungen der besagten Theorien sind auf einen anthropologischen Dualismus zurückführbar, auf die Trennung zwischen dem auf leblose Materie reduzierten - Leib und dem Willen, der absolut gesetzt wird und den Leib nach seinem Belieben manipuliert. Dieser Physizismus und Voluntarismus bereiten dem Relativismus den Raum, wonach alles gleichwertig und undifferenziert ist, ohne Ordnung und ohne Ziel. Alle diese Theoriebildungen - von den moderaten bis hin zu den radikalsten - halten daran fest, dass das soziale Geschlecht (Gender) letztlich wichtiger ist als das biologische Geschlecht (Sex). Das bedeutet zunächst eine kulturelle und ideologische Revolution relativistischer Prägung, und dann, an zweiter Stelle, eine juristische Revolution, weil diese Ansprüche besondere individuelle und gesellschaftliche Rechte fördern.
21. Tatsächlich erfolgt die Verteidigung der verschiedenen Identitäten oft so, dass sie als untereinander völlig indifferent geltend gemacht und damit faktisch in ihrer Relevanz negiert werden. Das gewinnt besondere Bedeutung in Bezug auf die sexuelle Differenz: Tatsächlich verbirgt der allgemeine Begriff der "Nicht-Diskriminierung" oft eine Ideologie, die die Differenz und die natürliche Aufeinander-Verwiesenheit von Mann und Frau leugnet. "Statt den negativen Interpretationen des Geschlechtsunterschieds entgegenzuwirken, die dessen unerlässlichen Wert für die Würde des Menschen zunichte machen, will man de facto diesen Unterschied auslöschen, indem man Techniken und Praktiken anbietet, die ihn für die Entwicklung der Person und für die menschlichen Beziehungen unerheblich werden lassen. Aber die Utopie eines "Neutrum" hebt sowohl die menschliche Würde der unterschiedlichen geschlechtlichen Verfasstheit als auch zugleich den personalen Aspekt der generativen Weitergabe des Lebens auf."<ref> Papst Franziskus, Ansprache an der Päpstlichen Akademie für das Leben, Nr. 3.</ref> Auf diese Weise wird die anthropologische Grundlage der Familie ihrer Bedeutung entleert.
22. Diese Ideologie führt zu Bildungsangeboten und zu einer Ausrichtung in der Gesetzgebung, die eine persönliche Identität und eine affektive Intimität fördern, die völlig gelöst sind von der biologischen Differenz zwischen Mann und Frau. Die menschliche Identität wird einer individualistischen, - über die Zeit auch veränderlichen - Wahlfreiheit übergeben, ein Ausdruck der heute recht weit verbreiteten Weise des Denkens und Handelns, "die echte Freiheit mit der Vorstellung zu verwechseln, dass jeder urteilen mag, wie er meint, als gebe es jenseits der einzelnen Menschen keine Wahrheiten, Werte und Grundsätze, die uns orientieren, als sei alles gleich und müsse alles erlaubt sein".<ref> Amoris laetitia, Nr. 34.</ref>
23. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt zur Frage, was die Kirche über die menschliche Person denkt: "In Leib und Seele einer, vereint der Mensch durch seine Leiblichkeit die Elemente der stofflichen Welt in sich: Durch ihn erreichen diese die Höhe ihrer Bestimmung und erheben ihre Stimme zum freien Lob des Schöpfers".<ref> Gaudium et spes, Nr. 14.</ref> Aufgrund dieser Würde irrt der Mensch nicht, "wenn er seinen Vorrang vor den körperlichen Dingen bejaht und sich selbst nicht nur als Teil der Natur oder als anonymes Element in der menschlichen Gesellschaft betrachtet".21 <ref> Ebd.</ref> Deswegen "darf man die Ausdrücke Ordnung der Natur und biologische Ordnung nicht durcheinander bringen noch das, was sie ausdrücken, gleichsetzen. Die biologische Ordnung ist Ordnung der Natur in dem Maße, in dem sie den empirischen und beschreibenden Methoden der Naturwissenschaften zugänglich ist; aber insoweit sie eine spezifische Ordnung der Existenz ist, die in offensichtlicher Beziehung zur Causa prima steht, zu Gott, dem Schöpfer, ist die Ordnung der Natur keine biologische Ordnung mehr".<ref> K. Wojtyla, Amore e responsabilita. Morale sessuale e vita interpersonale, Casale Monferrato 20084, p. 41; dt.: Liebe und Verantwortung. </ref>
Nachdenken
Vernunftargumente
24. Das Hinhören auf den geschichtlichen Überblick, auf die Berührungspunkte und die kritischen Punkte in der Gender-Frage gibt den Anstoß zu Überlegungen im Lichte der Vernunft. Es gibt nämlich rationale Argumente, die die Zentralität des Leibes als integrierendes Element der personalen Identität und der familiären Beziehungen klären. Der Leib ist Subjektivität, die die Identität des Seins mitteilt.<ref> Vgl. Johannes Paulll., Enzyklika Veritatis splendor, 6. Aug. 1993, Nr. 48. </ref> In diesem Licht versteht man das Fazit der biologischen und medizinischen Wissenschaften, wonach der "sexuelle Dimorphismus" (oder der sexuelle Unterschied zwischen Männern und Frauen) von den Wissenschaften - wie zum Beispiel von der Genetik, der Endokrinologie und der Neurologie - bestätigt wird. Aus Sicht der Genetik sind die Zellen des Mannes (die die XY Chromosomen enthalten) von der Empfängnis an verschieden von denen der Frau (deren Äquivalent XX ist). Im Übrigen ist es im Fall der sexuellen Unbestimmtheit die Medizin, die therapeutisch eingreift. In diesen besonderen Situationen sind es nicht die Eltern, und noch weniger die Gesellschaft, die eine willkürliche Wahl treffen können, sondern es ist die wissenschaftliche Medizin, die mit therapeutischer Zielsetzung eingreift, das heißt, auf der Grundlage objektiver Parameter in minimal-invasiver Weise handelt, mit dem Ziel, die konstitutive Identität deutlich zu machen.
25. Der Prozess der Identifikation wird behindert von der fiktiven Konstruktion eines "neutralen" oder "dritten Geschlechts". Auf diese Weise wird die Sexualität als strukturierende Qualifizierung der männlichen und weiblichen Identität verdunkelt. Der Versuch, den konstitutiven Unterschied von Mann und Frau zu überwinden, wie es in der Intersexualität oder im Transgender der Fall ist, führt zu einer männlichen und weiblichen Ambiguität, die auf widersprüchliche Weise jene sexuelle Differenz voraussetzt, die man negieren oder aufheben will. Dieses Oszillieren zwischen männlich und weiblich wird letztlich zur bloß "provokatorischen" Demonstration gegen die sogenannten "traditionellen Schemata", die den Leiden derer, die in einer unbestimmten Situation leben, nicht Rechnung trägt. Eine ähnliche Auffassung sucht die Natur auszulöschen (alles das, was wir als uns voraus bestehende Grundlage unseres Seins und all unseres Handelns in der Welt empfangen haben), während man sie damit implizit bestätigt.
26. Auch die philosophische Analyse zeigt, dass die sexuelle Differenz männlich/weiblich für die menschliche Identität konstitutiv ist. In den griechisch-lateinischen Philosophien ist die Essenz das transzendente Element, das die Differenz zwischen weiblich und männlich in der Einzigartigkeit der menschlichen Person wieder zusammenführt und aufeinander abstimmt. In der hermeneutisch-phänomenologischen Tradition wird sowohl die sexuelle Distinktion wie die Komplementarität symbolisch und metaphorisch interpretiert. Die sexuelle Differenz konstituiert, in der Beziehung, die personale Identität sowohl in horizontalem Sinn (dyadisch: Mann-Frau) als auch in vertikalem Sinn (triadisch: Mann-Frau-Gott), sowohl in der interpersonalen Beziehung Mann-Frau (ich/du) als auch in der familiären Beziehung (du/ich/wir).
27. Die Ausformung der Identität selbst gründet auf der Alterität: In der unmittelbaren Konfrontation mit dem von mir verschiedenen "Du" erkenne ich das Wesen meines "Ich". Die Differenz ist die Voraussetzung der Erkenntnis im Allgemeinen und der Erkenntnis der Identität. In der Familie erleichtert die Konfrontation mit der Mutter und dem Vater dem Kind die Herausbildung der eigenen Identität/sexuellen Differenz. Die psychoanalytischen Theorien zeigen die tripolare Bedeutsamkeit der Eltern-Kind-Beziehung und versichern, dass die sexuelle Identität sich voll nur in der synergetischen Konfrontation der sexuellen Differenziation herausbildet.
28. Die physiologische, auf der sexuellen Differenz gründende Komplementarität sichert die für die Fortpflanzung nötigen Voraussetzungen. Der Rekurs auf reproduktive Technologien hingegen kann einem der Partner eines Paares von Personen des gleichen Geschlechts, mit "In-vitro-Fertilisation" und Leihmutterschaft, Nachkommenschaft ermöglichen; aber der Einsatz von Technologien ist nicht äquivalent zur natürlichen Empfängnis, weil er mit Manipulationen menschlicher Embryonen verbunden ist, mit Auflösung der Elternschaft, Instrumentalisierung und/oder Kommerzialisierung des menschlichen Leibes und weil das Kind auf ein Objekt einer wissenschaftlichen Technologie reduziert wird.24 <ref> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Donum vitae über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung, 22. Febr. 1987,11. Teil, Nr. 4.</ref>
29. Was insbesondere den Schulsektor betrifft: Der Natur der Erziehung ist die Fähigkeit eigen, die Basis für einen friedlichen Dialog zu legen und die fruchtbare Begegnung zwischen Personen und Ideen zu ermöglichen. Darüber hinaus ist die Perspektive einer Erweiterung der Vernunft auf die transzendente Dimension nicht zweitrangig. Wenn der Dialog zwischen Glaube und Vernunft "nicht zu einer sterilen intellektuellen Übung verfallen will, muss er von der aktuellen konkreten Lage des Menschen ausgehen und über diese eine Reflexion anstellen, die deren ontologisch-metaphysische Wahrheit aufgreift".<ref> Benedikt XVI., Ansprache an die Teilnehmer des VI. Symposion der Dozenten der europäischen Universitäten zum Thema: Die Horizonte der Vernunft ausweiten. Perspektiven für die Philosophie, Rom, 7. Juni 2008. </ref> In dieser Dimension ist der Evangelisierungsauftrag der Kirche an den Mann und an die Frau angesiedelt.
Vorschläge machen
Christliche Anthropologie
30. Die Kirche - Mutter und Lehrerin - hört nicht nur hin, sondern öffnet sich, Kraft ihrer ursprünglichen Sendung, den Vemunftargumenten und stellt sich in den Dienst der menschlichen Gemeinschaft, indem sie Vorschläge macht. Denn es ist evident, dass ohne eine zufriedenstellende Klärung der Anthropologie, auf der die Bedeutung der Sexualität und der Affektivität gründet, es nicht möglich ist, in richtiger Weise einen Bildungsprozess zu gestalten, der mit der Natur des Menschen als Person kohärent ist und zum Ziel hat, ihn zur vollen Aktualisierung seiner sexuellen Identität im Kontext der Berufung zur Gabe seiner selbst anzuleiten. Und der erste Schritt dieser anthropologischen Klärung besteht in der Erkenntnis: "Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann."<ref> Benedikt XVI., Ansprache im Berliner Reichstagsgebäude, 22. Sept. 2011. </ref> Das ist der Kern der "Humanökologie", die ausgeht von der "Anerkennung der besonderen Würde der Person" und "die notwendige Beziehung des Lebens des Menschen zu dem moralischen Gesetz, das in seine eigene Natur eingeschrieben ist", beinhaltet.<ref> Papst Franziskus, Enzyklika Laudato si' über die Sorge für das gemeinsame Haus, 24. Mai 2015, Nr. 154-155. </ref>
31. Die christliche Anthropologie hat ihre Wurzeln in der Erzählung des Anfangs im Buch Genesis, wo steht: "Gott schuf den Menschen nach seinem Bild [ ... ] als Mann und Frau schuf er sie" (Gen 1,27). In diesen Worten ist nicht nur der Kern der Schöpfung ausgedrückt, sondern auch das Wesen der Leben spendenden Beziehung zwischen Mann und Frau, die sie in innige Vereinigung mit Gott setzt. Das Selbst und das Andere des Selbst ergänzen sich entsprechend ihrer besonderen Identitäten und begegnen sich in dem, was eine Dynamik des Aufeinander- Verwiesen-Seins bildet, die vom Schöpfer abgeleitet ist und erhalten wird.
32. Die Worte der Bibel offenbaren den weisen Plan des Schöpfers, der "den Menschen mit einem Leib ausgestattet hat, seiner Männlichkeit und Weiblichkeit; und der ihm mit der Männlichkeit und Weiblichkeit seine Menschlichkeit in gewisser Weise zur Aufgabe gemacht hat, die Würde der Person, und auch das klare Zeichen der zwischenmenschlichen "Gemeinschaft", in der der Mensch sich selbst verwirklicht mittels der authentischen Hingabe seiner selbst".<ref> Johannes Paul ll., Generalaudienz vom 8. April 1981: Insegnamenti, IV/1 (1981), 904. </ref> Die Natur des Menschen ist also - in Überwindung eines jeden Physizismus oder Naturalismus - im Licht der Einheit von Seele und Leib zu verstehen, der "Einheit ihrer sowohl geistigen wie biologischen Neigungen und aller anderen spezifischen Merkmale, die für die Erreichung ihres Endzieles notwendig sind".<ref> Veritatis splendor, Nr. 50. </ref>
33. In dieser "geeinten Ganzheit"<ref> Vgl. ebd. </ref> ergänzen sich die vertikale Dimension der Gemeinschaft mit Gott und die horizontale Dimension der zwischenmenschlichen Gemeinschaft, zu der der Mann und die Frau berufen sind.<ref> "Mann und Frau verwirklichen je auf ihre Weise eine bestimmte Teilhabe des menschlichen Geschöpfes am göttlichen Sein: Sie sind geschaffen nach "Gottes Gleichnis und Ebenbild" und leben diese Berufung nicht nur als einzelne, sondern als Paar, als Gemeinschaft der Liebe. Ausgerichtet auf Vereinigung und Fruchtbarkeit, haben Mann und Frau als Ehepartner an der schöpferischen Liebe Gottes teil; sie haben Lebensgemeinschaft mit Gott durch den anderen": Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe. Hinweise zur geschlechtlichen Erziehung, 1. Nov. 1983, Nr. 26. Vgl. auch Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Erziehung zum interkulturellen Dialog in der Katholischen Schule. Zusammenleben für eine Zivilisation der Liebe, Vatikanstadt, 28. Okt. 2013, Nr. 35-36. </ref> Die personale Identität reift in authentischer Weise in dem Moment, in dem sie sich für die Anderen öffnet, gerade deshalb, weil "in der Ausgestaltung der eigenen weiblichen oder männlichen Seinsweise nicht nur biologische oder genetische Faktoren zusammenfließen, sondern vielfältige Elemente, die mit dem Temperament, der Familiengeschichte, der Kultur, den durchlebten Erfahrungen, der empfangenen Bildung, den Einflüssen von Freunden, Angehörigen und verehrten Personen sowie mit anderen konkreten Umständen zu tun haben, welche die Mühe der Anpassung erfordern."<ref> Amoris laetitia, Nr. 286. </ref> In Wirklichkeit "ist für die menschliche Person die Tatsache grundlegend, dass sie nur durch den Anderen sie selbst wird, das "Ich" findet sich selbst nur vom "Du" und vom "Ihr" her, es ist für den Dialog geschaffen, für die synchrone und diachrone Gemeinschaft. Und nur die Begegnung mit dem "Du" und dem "Wir" öffnet das "Ich" auf sich selbst hin".<ref> Benedikt XVI., Ansprache an die Teilnehmer an der 61. Vollversammlung der italienischen Bischofskonferenz, 27. Mai 2010.</ref>
34. Es ist nötig, die metaphysische Wurzel der sexuellen Differenz zu unterstreichen: In der Tat sind Mann und Frau die beiden Modalitäten, in denen sich die ontologische Wirklichkeit der menschlichen Person ausdrückt und verwirklicht. Das ist die anthropologische Antwort auf die Negation der Dualität männlich und weiblich, aus der die Familie entsteht. Die Leugnung solcher Dualität hebt nicht nur die Konzeption der Schöpfung auf, sondern zeichnet einen "abstrakten Menschen, der sich dann so etwas wie seine Natur selber wählt. Mann und Frau sind in ihrem Schöpfungsanspruch als einander ergänzende Gestalten des Menschseins bestritten. Wenn es aber die von der Schöpfung kommende Dualität von Mann und Frau nicht gibt, dann gibt es auch Familie als von der Schöpfung vorgegebene Wirklichkeit nicht mehr. Dann hat aber auch das Kind seinen bisherigen Ort und seine ihm eigene Würde verloren".<ref> Benedikt XVI., Ansprache beim Weihnachtsempfang für das Kardinalskollegium, die Mitglieder der römischen Kurie und der päpstlichen Familie, Sala Clementina, 21. Dez. 2012. </ref>
35. In dieser Sicht bedeutet zur Sexualität und Affektivität zu erziehen "beharrlich und konsequent lernen, was die eigentliche Bedeutung des Körpers ist",35 <ref> Amoris laetitia, Nr. 151. </ref> in der ganzen ursprünglichen Wahrheit der Männlichkeit und der Weiblichkeit; es bedeutet also "lernen, den eigenen Körper anzunehmen, ihn zu pflegen und seine vielschichtige Bedeutung zu respektieren ... Ebenso ist die Wertschätzung des eigenen Körpers in seiner Weiblichkeit oder Männlichkeit notwendig, um in der Begegnung mit dem anderen Geschlecht sich selbst zu erkennen ... und sich gegenseitig zu bereichern."<ref> Enzyklika Laudato si', Nr. 155. </ref> Im Licht einer vollends menschlichen und integralen Ökologie erkennen die Frau und der Mann die Bedeutung der Sexualität und der Genitalität in der intrinsischen relationalen und kommunikativen Intentionalität, die ihre Körperlichkeit durchzieht und sie gegenseitig aufeinander verweist.
Die Familie
36. Die Familie ist der natürliche Ort, an dem diese Beziehung der Gegenseitigkeit und der Gemeinschaft zwischen dem Mann und der Frau volle Verwirklichung findet. Mann und Frau, vereint in der freien und bewussten Wahl des ehelichen Bundes der Liebe, realisieren, dass die eheliche Liebe "etwas Totales an sich [hat], das alle Dimensionen der Person umfasst: Sie betrifft Leib und Instinkt, die Kraft des Gefühls und der Affektivität, das Verlangen von Geist und Willen".<ref> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1643. </ref> Die Familie ist "ein anthropologisches Faktum und folglich eine soziale, kulturelle etc. Gegebenheit. Wir können sie nicht mit ideologischen Begriffen beurteilen, die lediglich in einem Augenblick der Geschichte Geltung haben und dann hinfällig werden".<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer an dem von der Kongregation für die Glaubenslehre veranstalteten internationalen Kolloquium über die Komplementarität von Mann und Frau, Synodenhalle, 17. Nov. 2014, Nr. 3. </ref> Die Familie als natürliche Gemeinschaft, in der Gegenseitigkeit und Ergänzung zwischen Mann lmd Frau sich voll verwirklichen, geht der sozio-politischen Ordnung des Staates voraus, dessen freie gesetzgeberische Tätigkeit ihr Rechnung tragen und ihr die gebührende Anerkennung zollen muss.
37. Es ist rational nachvollziehbar, dass in der Natur der Familie zwei fundamentale Rechte gründen, die immer aufrechterhalten und garantiert werden müssen. Das erste ist das Recht der Familie, als der primäre pädagogische Raum für die Erziehung des Kindes anerkannt zu werden. Dieses "primäre Recht" übersetzt sich dann konkret in die "sehr strenge Pflicht<ref> Codex luris Canonici, can. 1136; vgl. Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, can. 627.</ref> der Eltern, verantwortlich die "gesamte Erziehung der Kinder nach der persönlichen wie der gesellschaftlichen Seite hin" zu übernehmen,<ref> Gravissimum educationis, Nr. 3. </ref> auch was ihre Erziehung zur sexuellen Identität und zur Affektivität betrifft, "im Rahmen einer Erziehung zur Liebee zum gegenseitigen Sich-Schenken".<ref> Amoris laetitia, Nr. 280. </ref> Es handelt sich um ein Recht und die Pflicht zur Erziehung, die als wesentlich zu bezeichnen" sind, "da sie mit der Weitergabe des menschlichen Lebens verbunden sind; als unabgeleitet und ursprünglich, verglichen mit der Erziehungsaufgabe anderer, aufgrund der Einzigartigkeit der Beziehung, die zwischen Eltern und Kindern besteht; als unersetzlich und unveräußerlich, weshalb sie anderen nicht völlig übertragen noch von anderen in Beschlag genommen werden können".<ref> Familiaris consortio, Nr. 36. </ref>
38. Ein weiteres, faktisch gleichbedeutendes Recht ist das Recht des Kindes, "in einer Familie aufzuwachsen, mit einem Vater und einer Mutter, die in der Lage sind, ein geeignetes Umfeld für ihre Entwicklung und ihre affektive Reife zu schaffen; heranzureifen in der Beziehung, in der Auseinandersetzung mit dem, was die Männlichkeit bzw. die Weiblichkeit eines Vaters und einer Mutter ausmacht und so die affektive Reife vorzubereiten".<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Delegation des Internationalen Katholischen Kinderbüros (BICE), 11. April 2014. </ref> Und eben gerade in der Kernfamilie kann das Kind dazu erzogen werden, den Wert und die Schönheit des sexuellen Unterschieds, der Gleichheit, der biologischen, funktionalen, psychologischen und sozialen Wechselseitigkeit zu erkennen. "Angesichts einer Kultur, die in weiten Kreisen die menschliche Geschlechtlichkeit "banalisiert", ... muss der erzieherische Dienst der Eltern entschieden auf eine Kultur der Geschlechtlichkeit hinzielen, die wahrhaft und vollmenschlich ist; die Geschlechtlichkeit ist ja ein Reichtum der ganzen Person - Leib, Gemüt und Seele - und zeigt ihre tiefste Bedeutung darin, dass sie die Person zur Hingabe ihrer selbst in der Liebe führt",<ref> Famifiaris consortio, Nr. 37. </ref> Diese Rechte gehen natürlich mit allen anderen Grundrechten der Person einher, insbesondere mit dem Recht auf Gedankenfreiheit, Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit. In diesen Räumen können nutzbringende Erfahrungen der Zusammenarbeit zwischen all denen gemacht werden, die in Bildung und Erziehung tätig sind.
Die Schule
39.' Mit dem erzieherischen Handeln der Familie verbindet sich das der Schule, das subsidiär zusammenwirkt. Aufgrund ihrer Stiftung "stellt sich die Katholische Schule ... als Schule für die Person und Schule der Personen dar. "Die Person eines jeden in ihren materiellen und geistigen Bedürfnissen steht im Mittelpunkt der Lehrtätigkeit Jesu: Aus diesem Grunde bedeutet die Förderung der menschlichen Person das Ziel der Katholischen Schule." " Diese Aussage erinnert, indem sie die lebendige Beziehung des Menschen mit Christus beleuchtet, daran, dass sich in Seiner Person die volle Wahrheit über den Menschen findet. Deshalb handelt die Katholische Schule, wenn sie sich um die Förderung des Menschen in seiner Ganzheit bemüht, im Gehorsam gegenüber der Sorge der Kirche und im Bewusstsein, dass alle menschlichen Werte ihre volle Verwirklichung und folglich ihre Einheit in Christus finden. Dieses Bewusstsein bringt die zentrale Stellung der Person im Bildungs- und Erziehungskonzept der Katholischen Schule zum Ausdruck".<ref> Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Die Katholische Schule an der Schwelle zum dritten Jahrtausend, 28. Dez. 1997 (in: VAS 188,177-200), Nr. 9.</ref>
40. Die Katholische Schule muss eine Erziehungsgemeinschaft sein, in der die Person sich selbst ausdrückt und menschlich in einem Prozess der dialogischen Beziehung wächst, auf konstruktive Weise interagiert, Toleranz übt, die unterschiedlichen Sichtweisen versteht, in einem Umfeld echter Eintracht Vertrauen schafft. So entsteht die wahre Erziehungsgemeinschajt, als Raum der Konvivialität der Differenzen. Die Schulgemeinschaft ist ein Ort der Begegnung und der Förderung der Teilhabe. Sie steht im Dialog mit der Familie, der primären Gemeinschaft, der die Schüler angehören. Die Schule muss die Kultur der Familie respektieren und den Bedürfnissen, die sie erkennt, sowie den Erwartungen, die an sie gestellt werden. Beachtung schenken."<ref> Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Erziehung zum interkulturellen Dialog in der Katholischen Schule. Zusammenleben für eine Zivilisation der Liebe, Vatikanstadt, 28. Okt. 2013, Nr. 58.</ref> So werden die Mädchen und Jungen von einer Gemeinschaft begleitet, die die Schüler anleitet, "den heute verbreiteten Individualismus zu überwinden und im Licht des Glaubens zu entdecken, dass sie berufen sind, auf verantwortliche Weise sich vom Zusammengehörigkeitsgefühl mit den anderen Menschen leiten zu lassen".<ref> Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Die Katholische Schule, 19. März 1977, in: VAS 188, S. 5 ff., Nr. 45, S. 26.</ref>
41. Auch die christlichen Erzieher, die ihre Berufung in nicht katholischen Schulen leben, bezeugen die Wahrheit über die menschliche Person und stehen im Dienst ihrer Förderung. Es gilt nämlich: "Das Ziel der Erziehung ist die ganzheitliche Bildung des Menschen. Sie umfasst die Entwicklung aller Fähigkeiten des zu Erziehenden, seine Vorbereitung auf das Berufsleben, die Bildung seiner ethischen und sozialen Haltung, seine Öffnung für die Transzendenz und seine religiöse Erziehung."<ref> Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Der katholische Lehrer - Zeuge des Glaubens in der Schule, 15. Okt. 1982 (VAS 188, 51-101), Nr. 17 (S. 63).</ref> Das persönliche Zeugnis trägt, zusammen mit der Professionalität, zur Erreichung dieser Ziele bei.
42. Die Erziehung zur Affektivität braucht eine adäquate und maßvolle Sprache. An erster Stelle muss sie der Tatsache Rechnung tragen, dass die Kinder und Jugendlichen noch nicht die volle Reife erreicht haben und sich anschicken, mit Interesse das Leben zu entdecken. Es ist deshalb notwendig, den Schülern zu helfen, ein "kritisches Empfinden" zu entwickeln "gegenüber einem Überhandnehmen von Vorschlägen, gegenüber der außer Kontrolle geratenen Pornographie und der Überladung mit Stimulierungen, welche die Geschlechtlichkeit verkrüppeln lassen können".<ref> Amoris laetitia, Nr. 281. </ref> Angesichts eines Bombardements mit mehrdeutigen und nebulösen Botschaften - deren Resultat eine emotionale Desorientierung und die Verhinderung einer reifen positiven Einflüsse zu erkennen und zu suchen, während sie sich zugleich von all dem distanzieren, was ihre Liebesfähigkeit entstellt".<ref> Ebd. </ref>
Die Gesellschaft
43. Beim Erziehungsprozess darf ein allgemeiner Blick auf die gegenwärtige Gesellschaft nicht fehlen. Die Transformation der zwischenmenschlichen und sozialen Beziehungen "hat häufig das "Banner der Freiheit" geschwungen, aber in Wirklichkeit geistliche und materielle Zerstörung für unzählige Menschen gebracht, vor allem für die Schwächsten. Es wird immer deutlicher, dass ein Verfall der Ehekultur verbunden ist mit einem Anstieg der Armut und einer Reihe zahlreicher weiterer gesellschaftlicher Probleme, die in unverhältnismäßiger Weise Frauen, Kinder und alte Menschen treffen. Und immer sind sie es, die in dieser Krise am meisten zu leiden haben."<ref> Papst Franziskus, Ansprache an die Teilnehmer an dem internationalen Kolloquium über die Komplementarität von Mann und Frau, Synodenhalle, 17. Nov. 2014, Nr. 2. </ref>
44. Aus diesen Gründen darf die Familie angesichts der Herausforderung von Bildung und Erziehung nicht alleingelassen werden. Die Kirche fährt ihrerseits fort, den Familien und Jugendlichen in offenen und aufnahmebereiten Gemeinschaften Unterstützung anzubieten. Die Schule und insbesondere die Ortsgemeinden sind aufgerufen, einen großen Auftrag zu erfüllen; wenn die Schule auch die Eltern nicht ersetzen kann, so kann sie doch ergänzend tätig werden.<ref> Vgl. Amoris laetitia, Nr. 84. </ref> Die große Dringlichkeit der Herausforderung in der Bildung kann heute einen starken Stimulus bilden, das erzieherische Bündnis zwischen Familie, Schule und Gesellschaft zu erneuern.
45. Wie weithin bekannt ist, ist dieser Erziehungspakt in die Krise geraten. Es ist dringend notwendig, ein substanzielles und unbürokratisches Bündnis zu schließen, das im gemeinsamen Projekt einer "einer positiven und klugen Geschlechtserziehung"<ref> Gravissimum educationis, Nr. 1. </ref> die primäre Verantwortlichkeit der Eltern mit dem Auftrag der Lehrer in Einklang bringt. Es müssen die Voraussetzungen für eine konstruktive Begegnung zwischen den verschiedenen Handelnden geschaffen werden, um ein Klima der Transparenz zu schaffen - durch ein Zusammenwirken und ein ständiges Auf-dem-Laufenden-Halten über die Aktivitäten -, um die Einbeziehung zu erleichtern und unnütze Spannungen zu vermeiden, die aus Missverständnissen aufgrund von mangelnder Klarheit, Information oder Kompetenz entspringen könnten.
46. Im Kontext dieses Bündnisses muss sich das erzieherische Handeln am Prinzip der Subsidiarität ausrichten. "Jeder andere Mitwirkende am Erziehungsprozess kann nur im Namen der Eltern, auf Grund ihrer Zustimmung, und in einem gewissen Maße sogar in ihrem Auftrag tätig werden."<ref> Johannes Paul ll., Brief an die Familien Gratissimam sane, 2. Febr. 1994, Nr. 16; vgl. Päpstlicher Rat für die Familie, Menschliche Sexualität. Wahrheit und Bedeutung. Orientierungshilfen für die Erziehung in der Familie, 8. Dez. 1995: VAS 127 (S. 5-80), Nr. 23. </ref> Wenn Familie, Schule und Gesellschaft gemeinsam vorgehen, können sie Bildungs- und Erziehungsprogramme ausarbeiten, die zur Affektivität und zu einer Sexualität anleiten, die auf die Achtung des Leibes des Anderen ausgerichtet sind und auf die Zeiten der eigentlichen sexuellen und affektiven Reifung achten, indem sie den physiologischen und psychologischen Besonderheiten und ebenso den neurokognitiven Wachstums- und Reifungsphasen der Mädchen und Jungen Rechnung tragen, so dass sie sie auf gesunde und verantwortliche Weise in ihrem Wachstum begleiten.
Die Ausbildung der Ausbilder
47. Bei der tatsächlichen Umsetzung des pädagogischen Projekts tragen alle Ausbilder große Verantwortung. Ihre reife Persönlichkeit, ihre Vorbereitung und ihr seelisches Gleichgewicht haben großen Einfluss auf die zu Erziehenden.<ref> Vgl. Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 79. </ref> Es ist deshalb wichtig, bei ihrer Ausbildung über die professionellen Aspekte hinaus auch die kulturellen und geistlichen Aspekte zu berücksichtigen. Die Bildung und Erziehung der Person verlangt, insbesondere im Entwicklungsalter, eine besondere Sorgfalt und eine laufende Fortbildung. Es handelt sich nicht nur um eine einfache Wiederholung von Fach-Themen. Es wird von den Ausbildern erwartet, dass sie es verstehen, "die Schüler zu hohen und herausfordernden Zielen zu begleiten, ihnen gegenüber hohe Erwartungen unter Beweis zu stellen, die Schüler zu bewegen, dass sie sich untereinander verbinden und in der Welt engagieren".<ref> Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Educare oggi e domani. Una passione che si rinnova. Instrumentum laboris, City del Vaticano 2014, Kap. 11, Nr. 7: La formazione del docenti.</ref>
48. Schulleitung, Lehrkörper und Schulpersonal haben die Verantwortung, sowohl einen qualifizierten Dienst zu leisten, der mit den christlichen Grundsätzen übereinstimmt, als auch auf die Herausforderungen der Gegenwart mit einem täglichen Zeugnis zu antworten, das von Verstehen, Objektivität und Klugheit geprägt ist.<ref> Vgl. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Gemeinsames Erziehen in der Katholischen Schule. Gemeinsamer Auftrag für Priester, Ordensleute und gläubige Laien, 8. Sept. 2007, Nr. 34-37: Bildung des Geistes gemeinschaftlicher Erziehung, in: Katholische Schulen, VAS 188, S. 291 f.</ref> Es gilt ja allgemein: "Der heutige Mensch hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb. weil sie Zeugen sind."<ref> Paul VI., Ansprache an die Mitglieder des Laienrates, 2. Okt. 1974; siehe auch: Paul VI., Evangelii nuntiandi, 8. Dez. 1975, Nr.41.</ref> Das Ansehen des Erziehers ruht also auf dem konkreten Zusammentreffen "einer Allgemeinbildung, die sich auf einer positiven und aufbauenden Lebensauffassung und einem beständigen Bemühen um deren Verwirklichung gründet. Eine solche Ausbildung geht weit über die rein fachlich notwendige Vorbereitung hinaus und berührt die innersten Bereiche der Persönlichkeit, den religiösen und spirituellen eingeschlossen".<ref> Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 80.</ref>
49. Die christlich inspirierte Ausbildung der Ausbilder hat sowohl die Person des einzelnen Lehrers als auch den Aufbau und die Konsolidierung einer Erziehungsgemeinschaft mittels eines nutzbringenden didaktischen Austauschs in emotionalem und persönlichem Klima zum Ziel. Auf diese Weise entsteht eine aktive Beziehung zwischen den Erziehern, wo das persönliche ganzheitliche Wachstum die professionelle Entwicklung bereichert, wenn die Lehre als Dienst an der Humanisierung gelebt wird. Deshalb es ist notwendig, dass die katholischen Lehrer eine adäquate Vorbereitung über den Inhalt der verschiedenen Aspekte der Gender-Frage erhalten und dass sie sich mit Hilfe von qualifizierten Personen über die geltenden Gesetze und über die in ihren Ländern zur Diskussion stehenden Vorschläge in einer ausgewogenen Weise und im Zeichen des Dialogs informieren. Die universitären Institutionen und die Forschungszentren sind zu ihrem spezifischen Beitrag aufgerufen, mit dem Ziel, eine angemessene Ausbildung zu garantieren, die während des ganzen Lebens auf dem neuesten Stand gehalten wird.
50. Bezüglich der besonderen Aufgabe der Erziehung zur menschlichen Liebe - unter "Verwertung der Fortschritte der psychologischen, der pädagogischen und der didaktischen Wissenschaft"<ref> Gravissimum educationis, Nr. 1. </ref> - ist für die Ausbilder "eine geeignete und ernsthafte psycho-pädagogische Vorbereitung nötig, die es ihnen erlaubt, in besondere Situationen einzugreifen, wo eine spezielle Sorge erforderlich ist".<ref> Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 81.</ref> Daraus folgt: "Es ist eine klare Einschätzung der Situation notwendig, da die angewandte Methode nicht nur in großem Ausmaß den Erfolg dieser höchst besonderen Erziehung bestimmt, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Verantwortlichen."<ref> Ebd., Nr. 83. </ref>
51. Heute erkennen viele Gesetzgebungen die Autonomie und die Freiheit der Lehre an. In diesem Umfeld haben die Schulen die Möglichkeit, mit den katholischen Institutionen der Höheren Bildung in der Vertiefung der verschiedenen Aspekte der Sexualerziehung auch mit dem Ziel zusammenzuarbeiten, um Lehrmittel, pädagogische Leitfäden und didaktische Handbücher zu erstellen, denen "die christliche Auffassung vom Menschen" zugrunde liegt.63 <ref> Ebd., Nr. 22. </ref> Zu diesem Thema können die Pädagogen und die Didaktik-Lehrer., aber ebenso die Fachleute für Kinder- und Jugendliteratur dadurch beitragen, dass sie angesichts einseitiger und verzerrter Ansichten innovative und kreative Mittel zur Konsolidierung der ganzheitlichen Erziehung der Person von der frühen Kindheit an anbieten. Rin Licht eines erneuerten Erziehungs-Paktes darf sich die Zusammenarbeit zwischen allen Verantwortlichen - auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene -nicht nur im Teilen von Ideen und dem nützlichen Austausch bewährter Praktiken erschöpfen, vielmehr bietet sich diese Zusammenarbeit als wichtiges Mittel der permanenten Weiterbildung der Ausbilder selbst an.
Schluss
52. Abschließend erscheint der Weg des Dialogs - der hinhört, nachdenkt und Vorschläge macht - als der effizienteste Weg zu einer positiven Transformation von Besorgnissen und Unverständnis hin zu einer Ressource für die Entwicklung eines offeneren und humaneren Beziehungsgefüges. Im Gegensatz dazu läuft die ideologisierte Herangehensweise an derartige delikate Fragen, auch wenn erklärt wird, die Verschiedenheiten zu respektieren, Gefahr, eben diese Differenzen in statischer Weise zu betrachten und sie isoliert und als gegenüber einander verschlossen zu belassen.
53. Das christliche Bildungskonzept bereichert den Dialog aufgrund der Zielsetzung, "die umfassende Selbstverwirklichung des Menschen, der leibgebundener Geist ist, durch die Entfaltung seines Seins, seiner Natur- und Geistesgaben, mit denen er von Gott ausgestattet ist, zu fördern".64 <ref> Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe, Nr. 21.</ref> Das erfordert eine aufrichtige und willkommen heißende Annäherung an den Anderen und kann sich als natürliches Gegenmittel zur "Wegwerfkultur" und zur Isolierung verstehen. Auf diese Weise wird die "jedem .Malm und jeder Frau angeborene, unverletzliche Würde, die keine Macht oder Ideologie außer Kraft setzen kann", gefördert.<ref>Papst Franziskus, Ansprache an die Delegation des Instituts Dignitatis Humanae, Clementina-Saal, 7. Dez. 2013.</ref>
54. Jenseits jeden ideologischen Reduktionismus oder gleichmacherischen Relativismus sind die katholischen Ausbilderinnen und Ausbilder - in Entsprechung zu ihrer Identität, die von der Inspiration des Evangeliums herkommt - aufgerufen, die aktuellen Herausforderungen positiv in Möglichkeiten umzuwandeln, auf den Wegen des Hinhörens, des Nachdenkens, des als Christen Vorschläge-Machens, und sie sollen auch mit den Modalitäten der eigenen Präsenz die Kohärenz zwischen den Worten und dem Leben bezeugen.<ref>Vgl. Erziehung zum interkulturellen Dialog in der Katholischen Schule, Schluss (S. 30).</ref> Die Ausbilder haben den faszinierenden erzieherischen Auftrag, "einen Weg aufzuzeigen zu verschiedenen Ausdrucksformen der Liebe, zur gegenseitigen Fürsorge, zur respektvollen Zärtlichkeit, zu einer Kommunikation mit reichem Sinngehalt. Denn all das bereitet auf ein ganzheitliches und großherziges Sich-Schenken vor, das nach einer öffentlichen Verpflichtung seinen Ausdruck findet in der körperlichen Hingabe. So wird die geschlechtliche Vereinigung als Zeichen einer allumfassenden Verbindlichkeit erscheinen! die durch den ganzen vorangegangenen Weg bereichert ist."<ref> Amoris laetitia, Nr. 283.</ref>
55. Diese Kultur des Dialogs widerspricht auch nicht dem legitimen Streben der Katholischen Schulen, die eigene Sicht der menschlichen Sexualität aufrechtzuerhalten entsprechend der Freiheit der Familien, die Erziehung der eigenen Kinder auf eine ganzheitliche Anthropologie gründen zu können, die alle Dimensionen in Einklang zu bringen vermag, die die physische, psychische und spirituelle Identität ausmachen. Ein demokratischer Staat kann nämlich die erzieherische Aufgabe nicht auf ein einzige Meinung reduzieren, insbesondere in einer so delikaten Sache, die die fundamentale Sichtweise der menschlichen Natur und das der Menschenwürde entspreche Naturrecht einer freien Wahl der Erziehung von Seiten der Eltern berührt. Jede schulische Institution muss daher Instrumente zur Organisation und didaktische Programme vorsehen, die dieses Elternrecht real und konkret werden lassen. Auf diese Weise konkretisiert sich das christliche pädagogische Angebot als eine echte Antwort auf die Anthropologie der Fragmentierung und der Vorläufigkeit.
56. Die katholischen Erziehungs- und Bildungszentren müssen bei ihrem Angebot von Programmen zur affektiven und sexuellen Bildung das verschiedene Alter der Schüler beachten und ihre Hilfe in voller Achtung jeder Person. Das kann umgesetzt werden durch einen Prozess der diskreten und zurückhaltenden Begleitung, mit dem man auch demjenigen entgegenkommt, der in einer komplexen und schmerzvollen Situation leben muss. Die Schule muss sich also als ein Raum des Vertrauens zeigen, offen und sachlich insbesondere in den Fällen, die Zeit und Unterscheidung erfordern. Es ist wichtig, die Voraussetzungen für ein geduldiges und einfühlsames Hören zu schaffen, weit entfernt von ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen.
57. Wohl bewusst sowohl des erzieherischen Eifers als auch der täglichen Mühe, die von den schulischen Mitarbeitern und in den wechselnden Kontexten der pädagogischen formellen und informellen Arbeit geleistet werden, ermutigt die Kongregation für das Katholische Bildungswesen, den Bildungs- und Erziehungsauftrag gegenüber den neuen Generationen weiterzuführen, besonders bei denen, die unter Armut in ihren verschiedenen Formen leiden und die Liebe der Erzieher und Erzieherinnen nötig haben, in einer Weise, dass "die Jugendlichen nicht nur geliebt werden, sondern auch erkennen, dass sie geliebt sind" (hl. Johannes Bosco). Dieses Dikasterium spricht auch allen Lehrenden großen Dank aus und ermutigt sie - mögen sie an katholischen oder staatlichen Schulen wirken - mit den Worten von Papst Franziskus, "die Schüler zur Offenheit gegenüber dem Anderen anzuregen: als Antlitz, als Person, als Bruder und Schwester, die man mit ihrer Geschichte, mit ihren Vorzügen und Fehlern, mit dem Reichtum und den Grenzen ihrer Persönlichkeit kennen und respektieren soll".<ref> Papst Franziskus, Ansprache an den italienischen Verband Katholischer Lehrer, Clementina-Saal, 5. Jan. 2018.</ref>
Giuseppe Card. Versaldi
Präfekt
Erzbischof Angelo Vincenzo Zani
Anmerkungen
<references />