Endliches und ewiges Sein
„Endliches und Ewiges Sein. Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins“ ist das philosophische Hauptwerk Edith Steins, entstanden in den Jahren 1935 bis 1937.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Nach ihrem Eintritt in den Karmel bekommt Edith Stein von ihrem Orden den Auftrag, die um 1930 entstandene Studie „Potenz und Akt“, die ursprünglich als Habilitationsschrift gedacht war, zur Veröffentlichung vorzubereiten. Diesen Auftrag nützt sie von Mai 1935 bis Januar 1737 zu einer völligen Umarbeitung, aus der schließlich ihr philosophisches Hauptwerk „Endliches und ewiges Sein. Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins“ hervorgeht.
Eine Veröffentlichung des Werkes zu Lebzeiten Edith Steins war nicht mehr möglich, da 1937 niemand mehr die Veröffentlichung eines Werkes einer jüdischen Autorin wagte. Erst nach dem Ende des 2. Weltkriegs, im Jahr 1951 konnte das Werk erstmals veröffentlicht werden.
Inhalt
Einleitung: Gibt es eine „christliche Philosophie“?
Zunächst muss Edith Stein klären, ob es eine christliche Philosophie gibt, und was diese für sie bedeutet. Zwei Möglichkeiten des christlichen Philosophierens lehnt sie für sich ab: Einerseits die Patristik, in der das Christentum selbst als Philosophie verstanden wurde, die zur heidnischen Philosophie im Gegensatz steht. Andererseits auch den mittelalterlichen Ansatz der Verchristlichung der heidnischen Philosophie, bei der die natürliche Vernunft und die Offenbarung gleichermaßen als Erkenntnisquellen einbezogen werden, jedoch auf „naive“ Weise, sodass die Grenze zwischen Philosophie und Theologie verwischt wird.
Edith wählt also einen dritten Weg: Mit Hilfe von natürlicher Vernunft und Erkenntnis kann man „von unten“ kommend zur Wahrheit emporsteigen, stößt aber irgendwann an eine Grenze, hinter der man nur mehr undeutliche Schatten erkennt. Bis hierher hat man den Boden der reinen, selbsttragenden Philosophie nicht verlassen. Nun kann man den Sprung über diese Grenze wagen im Vertrauen auf die Offenbarung, um diese Schatten im Licht des Glaubens „von oben“ zu beleuchten. Die Begriffe „Philosophie“ und „christlich“ bleiben dabei strikt voneinander getrennt, auch wenn sie von einem Denker innerhalb einer Denkbewegung in Anspruch genommen werden.
In ihrer Suche nach der Wahrheit möchte Edith Stein weder auf die natürliche Vernunft noch auf die göttliche Offenbarung verzichten, denn beide sind Mittel, sich der Wahrheit zu nähern. Mit ihren unterschiedlichen Zugängen eröffnen sie auch unterschiedlichere Aspekte, die einander ergänzen und zu einer vollkommeneren Gesamtschau führen können. Der Sprung über die Grenzen der natürlichen Vernunft soll nicht alle Rätsel lösen, wohl aber den Horizont erweitern und mehr Klarheit schaffen. Dies kann nur geschehen, wenn die geoffenbarte Wahrheit sinnvoll an die vernünftige Wahrheit angrenzt. Das geoffenbarte setzt die natürliche Erkenntnis nicht außer Kraft, steht zu ihr nicht im Widerspruch, sondern ergänzt sie. Das ist für Edith Stein auch ein Prüfzeichen für die Richtigkeit dieses Sprungs.
Christliche Philosophie ist also für sie „nicht bloß der Name für die Geisteshaltung der christlichen Philosophen, auch nicht bloß die Bezeichnung für die tatsächlich vorliegenden Lehrgebäude christlicher Denker – es bezeichnet darüber hinaus das Ideal eines perfectum opus rationis, dem es gelungen wäre, die Gesamtheit dessen, was natürliche Vernunft und Offenbarung uns zugänglich machen, zu einer Einheit zusammenzufassen.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 26f</ref> Dieses Ziel der Synthese der verschiedenen Zugänge zur Wahrheitsfindung nennt sie „philosophia perennis“.
Nachdem nun ihr Ziel und ihre Vorgangsweise geklärt sind, kann sich Edith Stein ihrem Thema, dem Sein, zuwenden. Ganz im Sinne der Phänomenologie geht sie dabei von ihrem eigenen selbst-bewussten Ich aus und erschließt von hier aus Schritt für Schritt anderes. In einfühlender Weise zeichnet sie die Gedankengänge verschiedenster Denker nach, um sie nach scharfer Analyse und Bewertung in ihre umfassende Synthese einzugliedern. Sie beginnt bei Thomas von Aquin und seiner Seinslehre, dringt von dort zu Aristoteles vor, wendet sich dann aber immer mehr der Personlehre des Augustinus, und damit auch Platon und Duns Scotus zu, dringt dann über die Personlehre in die Theologie ein, wobei ihr Theresa von Ávila und Johannes vom Kreuz von Nutzen sind. Immer wieder kommt sie dabei in herausfordernde Nähe zu ihren Zeitgenossen, vor allem Hedwig Conrad-Martius, Erich Przywara und in besonderem Maß Martin Heidegger und dessen Werk „Sein und Zeit“, dem sie im Anhang sogar eine umfassende Kritik widmet.
Begriff und Wesen des Seins zwischen Endlichkeit und Ewigkeit
Der Begriff „Sein“ deckt sehr unterschiedliche Problemfelder ab, die zueinander in Spannung stehen: einerseits das weltliche endliche Sein mit seiner Unterscheidung zwischen Akt und Potenz, also Wirklichem und Möglichem, andererseits die Unterscheidung zwischen diesem endlichen, geschöpflichen Sein und dem ewigen Sein Gottes. Die Verwendung desselben Begriffs des „Seins“ für Gott und Geschöpf weist schon darauf hin, dass trotz des großen Unterschieds eine gewisse analoge Ähnlichkeit besteht. Man kann also im gewissen Sinn vom endlichen Sein auf das ewige Sein schließen und dabei die Ähnlichkeiten und die noch größeren Unähnlichkeiten durchdenken.
Das Sein der eigenen Person erfährt sich als in die Zeit eingebunden, in einem Art Schwebezustand zwischen noch nicht sein und nicht mehr sein. Das Sein verwirklicht sich in der Zeit, die Gegenwart wandelt Möglichkeit zur Wirklichkeit. Zukunft und Vergangenheit sind für Edith Stein potentiell und nur die Gegenwart ist aktuell. Das menschliche Sein ist in mehrfacher Hinsicht begrenzt, nicht nur zeitlich, indem es einen Anfang und ein Ende hat, sondern auch in dem Sinn, dass es nicht alles ist, also am Sein selbst nur einen gewissen Anteil hat. Das aktuelle gegenwärtige Sein hat noch einen zusätzlichen Mangel, denn darin ist der Mensch nicht einmal alles was er war und sein wird. Der Mensch besitzt sein Sein auch nicht selbst, er verdankt sich nicht selbst, er empfängt das Sein, ohne Möglichkeit, „das, was zu diesem Sein gehört [...], aus eigener Macht ins Sein zu rufen und darin zu erhalten.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 52</ref>
Aus all diesen Begrenztheiten, „der Gebrochenheit und Gespaltenheit des geschöpflichen Seins“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 40f</ref> kann man bereits auf analoge Weise auf das ewige Sein schließen, das all diese Mängel nicht aufweist, einem Sein, das rein aktuell ist, das in jedem Augenblick mit seinem Wesen eins ist. Rein philosophisch ist also schon erkennbar: endliches Sein verlangt als Gegenüber und Ursprung nach einem Sein aus sich selbst, das zugleich eines und notwendig ist, Zeitlichkeit und Endlichkeit verlangen nach einem endlosen, ewigen Halt. „Ich stoße also in meinem Sein auf ein anderes, das nicht mein ist, sondern Halt und Grund meines in sich haltlosen und grundlosen Seins.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 57</ref> Die Philosophie rückt dabei diesen „dunklen Grund“ des sowohl „unentrinnbar Nahen“ als auch „Unfasslichen'“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 58</ref> durch ihre Begrifflichkeit in die Ferne, der Weg des Glaubens erkennt hier hingegen den Gott der persönlichen Nähe.
Hier wird Steins Hauptkritik an Heidegger deutlich. Auch Heidegger erkennt die Begrenzung und Gebrochenheit des endlichen Seins und seine Bedrohung durch das Nichts. Da er das Sein aber rein zeitlich fasst und Überlegungen zu einem ewigen Sein völlig ausklammert, wird für ihn die Angst, die den Menschen „vor das Nichts bringt“, zum bestimmenden Merkmal des Seins. <ref>Sartre geht später in der Nachfolge Heideggers noch weiter und definiert den Ekel als Grundzug des Seins.</ref> Edith Stein widerspricht heftig: Zwar bedroht einerseits das Nichts unleugbar unser menschliches Dasein, auf der anderen Seite gibt es aber ebenso unleugbar die Seinssicherheit, die jeder Mensch in aller Vergänglichkeit erfährt und so den Menschen vor der Gefährdung schirmend „vor das Sein bringt“. <ref>Diese positive Sicht des Seins ist umso erstaunlicher, da Edith Sein sich bei der Abfassung ihres Werks der reellen Todesgefahr durch die Nationalsozialisten durchaus bewusst war, während Heidegger von den Nationalsozialisten nichts zu befürchten hatte.</ref> Heidegger verzweifelt also unnötigerweise am endlichen Sein, da er völlig freiwillig die Möglichkeit eines ewigen Seins ausklammert.
In weiterer Folge wendet sich Edith Stein dem Wesen des Seins zu. Das wesenhafte Sein ist nicht an die Zeit gebunden, hat daher keine zeitliche Begrenzung, umfasst das ganze Wesen zugleich. Es bleibt nur die sachliche Begrenzung, dass auch das Wesen einer Sache etwas, aber nicht alles ist. Das Wesen geht der Sache voraus, ist sozusagen unabhängig von der konkreten Sache, muss aber, um Wirklichkeit zu werden, als endliches, zeitliches Sein verwirklicht werden. Das Wesen des Menschen kann es auch geben, wenn es keine Menschen gibt (als Idee), Wirklichkeit wird das Wesen des Menschen erst im konkreten, aktuellen Menschsein. Dadurch, dass das endliche Sein Verwirklichung des Wesens ist, Wesen und Wirklichkeit also in tiefer Beziehung stehen, ist das endliche Sein auch vollkommener als es auf den ersten Blick scheint.
Wenn nun sowohl das wesenhafte Sein als auch das ewige, göttliche Sein zeitlos und selbstständig in sich ruhend sind, wie ist dann das Verhältnis dieser Seinsweisen zueinander? Edith Stein schlägt folgende Lösung vor: „Es ist das ewige Sein selbst, das in sich selbst die ewigen Formen gestaltet – nicht in einem zeitlichen Geschehen -, nach denen es in der Zeit und mit der Zeit die Welt erschafft.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 103</ref>
Bis zu diesem Punkt kann Edith Stein mit den Mitteln der Philosophie gelangen. Je mehr philosophisches Denken sich jedoch Gott nähert, desto abstrakter wird es: „Ein Wesen, das nichts anderes ist als Sein, können wir nicht fassen.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 106</ref> Will man Gott noch näher kommen ist das rein vernünftige Denken hier zu Ende. Auch die klassischen Gottesbeweise helfen nicht weiter: „Wieviel Ungläubige sind denn schon durch die thomistischen Gottesbeweise gläubig geworden? Auch sie sind ein Sprung über den Abgrund: der Gläubige schwingt sich leicht darüber, der Ungläubige macht davor halt.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 107</ref> Edith Stein wagt daher nun, wie sie bereits zu Beginn dargelegt hat, den Sprung über die Grenze der Philosophie, um mit Hilfe der Offenbahrung das Sein weiter zu beleuchten.
Nach ihr entsprechen die philosophischen Wesenheiten dem Schöpfungslogos, in dem Gott die Welt schuf. „Logos“, das Wort Gottes, ist zugleich Schöpfungswort Gottes und somit Sinn der Schöpfung, <ref>Mit Goethes „Faust“ deutet hier Edith Stein den ersten Satz des Johannesevangeliums „Im Anfang war das Wort (Logos)“ (Joh 1,1) weiter zu „Im Anfang war der Sinn“. Vgl.: Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 104</ref> als auch der Sohn Gottes, die Zweite Göttliche Person, von Gott Vater personal getrennt, aber im Wesen und Sein derselbe. Der Sohn ist somit ganz Gott, in ihm finden aber von Anfang an auch die Wesenheiten, der Sinn der Dinge, ihre Heimat. Er nimmt somit eine Mittelstellung ein: Der Logos ist zugleich Gott und Schöpfung. <ref>Diese Erkenntnis wird vielleicht noch konkreter durch die Menschwerdung, in der der Sohn auch die endliche menschliche Natur in sich aufnimmt.</ref>
Mit Aristoteles und seiner Kategorienlehre versucht nun Edith Stein den Aufbau des Seins zu durchleuchten. Bei der ersten Kategorie, dem Wesen, kann sie Aristoteles zustimmen: Wesen ist „das, was dem Ding von innen her - nicht unter äußeren Einflüssen - eigen ist und unter wechselnden Einflüssen bleibt. [...] Das Ding ‚ist’, was es ‚war’, weil sein Wesen dem Zeitfluss enthoben ist.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 134</ref> Der wirkliche Gegenstand besitzt jedoch einen verwickelteren und tiefgründigeren Aufbau als bei Aristoteles. Vor allem berücksichtigt Aristoteles nicht das zeitliche Werden. Zur Wirklichkeit, die sich auswirken will, gehört aber auch die Zeit: „Das Wirkliche besitzt sein Wesen und entfaltet es in einem zeitlichen Geschehen“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 158</ref> Somit werden bei Stein nicht nur Stoff und Form zu Kategorien des Seins, sondern auch Zeit und Raum.
Das Verhältnis von Stoff und Form befindet sich in der Endlichkeit in einem Verfallszustand. Statt Fülle gibt es oft Zerfall. Dennoch lässt sich alles Endliche auf sein ewiges Urbild zurückführen. Hier argumentiert Edith Stein wieder theologisch: Der göttliche Logos wirft als Urbild sein Licht in das Geschaffene. Das Endliche bleibt aber zweifach hinter dem Urbild zurück: Erstens, weil es Abbild ist, endlich, unvollkommen, am Sein nur einen Anteil hat. Zweitens, weil die Dinge gefallen und entartet sind, sich im Zerfall befinden. Dinge sind also nicht nur Spiegel, sondern sogar „zerbrochener Spiegel“. <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 226</ref> Dennoch gehört es „zum Wesen alles Endlichen, Sinnbild zu sein“. <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 229</ref>
In klassischen Aussagen über das Sein heißt es: Das Sein ist Seiendes, Sache, Eines, Etwas, Gutes, Wahres. Auch hier findet Edith Stein wieder einen Hinweis auf das Ewige, denn das endliche Seiende ist nicht selbst wahr, gut und eines. Hier taucht wieder das Eine, Gute und Wahre, also das ewige Sein am Horizont auf. Der Verstand erkennt also schon in den endlichen Dingen das Ewige als Urbild, und obwohl das Ewige dem Verstand nicht zugänglich ist, muss das Erkennen auch der endlichen Dinge das Ewige schon anzielen, wenn es erkennen will.
„Das Sein ist eines, und alles, was ist, hat daran teil. Sein voller Sinn entspricht der Fülle alles Seienden. Wir meinen diese ganze Fülle, wenn wir vom Sein sprechen.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 308f</ref> Wie kann es aber viele einzelne Seiende geben und zugleich ein einheitliches Sein? Hier gilt es, sorgfältig nachzuforschen, denn das Ganze, das eine Sein, ist eben nicht die Summe der Einzelseienden, sonst wäre Gott auf die Ebene der Schöpfung eingeebnet zu einem philosophischen Pantheismus. Man kann also nicht einfach vom endlichen auf das ewige Sein „weiterrechnen“. Auf der anderen Seite gibt es auch die Gefahr, endliches und ewiges Sein gedanklich so weit zu trennen, das für uns Menschen nur völlige Sprachlosigkeit und Erkenntnisskepsis zurückbleibt.
Wie also von Gott sprechen? In einem uneigentlichen, übertragenen, analogen Sinn ist es möglich. Für Edith Stein folgert Thomas von Aquin hier aber zu rasch: „Thomas braucht Wendungen wie: ‚Gott ist seine Güte, sein Leben’ usw., und ebenso: ‚Gott ist sein Sein’. Das sind alles Versuche, etwas in Urteilsform auszusprechen, was sich im Grunde nicht mehr in Form eines Urteils aussprechen läßt. [...] Am ehesten ist noch die Aussage möglich: ‚Gott ist - Gott’ als Ausdruck der Unmöglichkeit einer Wesensbestimmung durch etwas anderes als ihn selbst.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 317</ref>
Das Wesen Gottes als Person - die Dreifaltigkeit
Hier wendet sich Edith Stein von Thomas ab und dem Augustinus zu. Nicht mehr nach Urteilen über Gott wird gesucht, sondern seine eigenen Selbstaussagen in der Schrift. Gott bezeugt sich selbst als „Ich bin der ich bin“. <ref>Ex 3,14; In der deutschen Einheitsübersetzung leider mit „Ich bin der ich bin da“ übersetzt. Das ist als Übersetzung zwar auch möglich, der Sinn des Gottesnamens wird dabei aber stark verkürzt, und Aussagen von Christus im Johannesevangelium werden dadurch unverständlich, z.B.: „...dann werdet ihr erkennen, daß Ich es bin...“ (Joh 8, 28b) oder: „...noch ehe Abraham wurde, bin ich.“ (Joh 8, 58b)</ref> Edith Stein sieht hier, übereinstimmend mit Augustinus, das Sein vollkommen personal ausgesprochen. Das ewige Sein ist also Person. Wesentliche Kennzeichen der Person sind Vernunft und Freiheit. Beides ist nur in Gott in Fülle zu finden. Das Sein ist kein „Gegenstand“, sondern Ich und Selbstbewusstsein. Das Ichleben Gottes „hat alle Fülle in sich und aus sich selbst [...]. Das ‚Ich bin’ heißt: Ich lebe, Ich weiß, Ich will, Ich liebe.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 319</ref>
Auch der Mensch ist Person. Das eigene menschliche Ich meint das eigene Innesein und zugleich das Unterschiedensein von jedem anderen. Doch das endliche Ich ist bedürftig. „Sein Leben kommt aus dem Dunkel, geht ins Dunkel, ist für die Erinnerung lückenhaft und wird nur von Augenblick zu Augenblick erhalten.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 319</ref> Der Abstand zum göttlichen Ich ist also unendlich.
Das endliche Einzelsein ist Anteil am einen Sein, es erhält sein Sein vom ewigen, ist aber selbst nicht göttlich, sondern steht außerhalb von Gott. Die Teilung des Seins ist also eine qualitative Scheidung, ähnlich wie das Verhältnis vom ungebrochenen Licht zum gebrochenen Farbstrahl.
Anders verhält es sich bei den drei göttlichen Personen der Dreifaltigkeit: Der Sohn entspringt der Selbsterkenntnis Gottes. In der Selbsterkenntnis macht sich Gott Vater „ein Bild“ von sich selbst. Gott Sohn ist ein „vollkommenes Bild“ des Vaters, das heißt: Dasselbe Wesen und Sein, nicht später geschaffen, sondern gleich ursprünglich gezeugt. „So ist die Erzeugung eines vollkommenen ‚Ebenbildes’ Gottes nicht die Hervorbringung eines neuen Seins außer dem göttlichen und eines zweiten göttlichen Wesens, sondern die innere, geistige Umfassung des einen Seins.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 322</ref> In Gott bleibt die Einheit des Seins gewahrt als Einheit der Liebe. Liebe ist sowohl Selbstliebe als auch Selbsthingabe. „Gottes inneres Leben ist die völlig freie, von allem Geschaffenen unabhängige, wandellose ewige Wechselliebe der göttlichen Personen. Was sie einander schenken, ist das eine, ewige, unendliche Wesen und Sein, das eine jede vollkommen umfasst und alle zusammen.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 324; diese Wechselliebe zwischen den göttlichen Personen lässt als dritte Person den Heiligen Geist hervorgehen.</ref>
In Gott bleibt das Sein also noch ungeteilt, die Teilung ist aber, nach Edith Stein, im Sohn, im Logos bereits vorgebildet. Die Schöpfung ist unpantheistisch von ihrem Ursprung geschieden. Zu ihrer Ordnung gehören Zeit und Grenze. Sie besitzt einen Werdegang. Wieder erscheint der Logos als Mittler zwischen endlichem und ewigem Sein.
Geist, Leib, Seele: der Mensch als Abbild der Dreifaltigkeit
Gottes Wesen ist also persönlich und dreifaltig. Da die Schöpfung und der Mensch Abbild Gottes sind, versucht Edith Stein folgerichtig Spuren der Dreifaltigkeit auch in der Schöpfung finden. Schon bei den leblosen Dingen sind solche Spuren zu erkennen, denn jedes Ding ist bis zu einem gewissen Grad selbstständig (Kennzeichen des Vaters), sinnvoll (Kennzeichen des Sohnes) und kraftvoll, das heißt nach außen wirkend (Kennzeichen des Heiligen Geistes).
Noch viel mehr kann das von Pflanzen und Tieren gesagt werden, die eine aus sich selbst umgrenzte Gestalt besitzen, eine geschlossene Sinneinheit sind und die Kraft zur Entfaltung des eigenen Wesens und zur Zeugung neuer Gebilde in sich tragen. Einige Tiere besitzen bereits die Fähigkeit, sich mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen, besitzen daher ein Ichleben, das allerdings noch unbewusst und unfrei ist. Das Leben des Tiers ist Geschehen, nicht Tat.
Am klarsten scheint das Abbild Gottes im Menschen auf, und so kann nun Edith Stein ihr altes Thema, die menschliche Person, im Lichte des dreifaltigen Gottes neu beleuchten.
Im Menschen findet sich ein leiblich-geistig-seelisches Sein. Durch diese erstaunliche Verbindung von Geist und Stoff ist in ihm die ganze Schöpfung zusammengefasst. Die Urformen für Geist, Leib und Seele findet Edith Stein in der Dreifaltigkeit: Als Urform für die Seele schlägt sie Gott Vater vor, der aus sich selbst ist, der Sohn ist für sie Urbild des Leiblichen, der Heilige Geist, der frei und selbstlos ausströmt und doch bei sich selbst bleibt, Urbild des Geistes.
Wesentliche Kennzeichen der Person sind Verstand und Freiheit, anders ausgedrückt: Selbstunterscheidung und Selbstbesitz, „ein Aus-sich-herausgehen und zugleich ein Sein und Bleiben in sich selbst“. <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 335</ref> Genau das sind aber auch Kennzeichen des Geistes, womit gezeigt ist, dass es der Geist ist, der den Menschen zur Person macht. „Aber der Menschengeist ist von oben und von unten bedingt: er ist eingesenkt in das Stoffgebilde, das er zu seiner Leibgestalt beseelt und formt. Die menschliche Person trägt und umfaßt ‚ihren’ Leib und ‚ihre’ Seele, aber sie wird zugleich davon getragen und umfaßt. Ihr geistiges Leben erhebt sich aus einem dunklen Grunde, es steigt empor gleich einer Kerzenflamme, die leuchtet, aber von einem selbst nicht leuchtenden Stoff genährt wird. Und sie leuchtet, ohne durch und durch Licht zu sein: der Menschengeist ist für sich selbst sichtbar, aber nicht restlos durchsichtig; er vermag anderes zu erhellen, aber nicht völlig zu durchdringen.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 336</ref>
Von der Oberfläche des bewussten Gegenwartslebens in die tiefen Schichten der Person vorzudringen bis zum dunklen Grund, ist schwer, letztlich unmöglich. Edith Stein versucht, wenigstens einige Schichten des eigenen Inneren freizulegen. Es zeigt sich, dass die menschliche Person einen überaus komplexen, vielschichtigen Aufbau hat. Leib, Geist und Seele bilden eine Einheit, sind ineinander vielfältig verflochten. Das Ich kann sich über den Leib und die Sinne frei erheben, wenn der Leib als Werkzeug gehorcht, dennoch verdankt sich das Ich gerade diesem Leib. Der Geist wird aus den Sinnen gespeist, kann aber auch in Erkenntnis und Tun über die Sinne herrschen.
Die Seele nimmt die Mittelstellung zwischen Geist und Leib ein. Als Sinnenseele ist sie dem Leib, als Geistseele dem Geist zugeordnet. Die Seele ist auch „Seelenburg“, <ref>Diesen Ausdruck übernimmt Edith Stein von Theresa von Ávila.</ref> in der das persönliche Ich zuhause ist. Die Seele besitzt eine Tiefe, „die meist verborgen ist und sich nur manchmal öffnet“. <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 346</ref> Auch die Seele ist mit dem Leib dem Werden unterworfen, sie wird sowohl unwillkürlich als auch willentlich geformt. „Die Seele muß in einem doppeltem Sinn ‚zu sich selbst kommen’: sich selbst erkennen und werden, was sie sein soll.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 395</ref>
Die Selbsterkenntnis hat mehrere Stufen. Die erste ist das einfache Bewusstsein. Die zweite die bewusste Selbstbeobachtung, in der sich das reine Ich vom dunklen Grund des ungeteilten Ichlebens abhebt. Man beobachtet sich mit Abstand. Auf der dritten Stufe entdeckt man jenen Raum der Seele, den man nicht ganz ans Licht bringen kann, da er sowohl bewusst wie unbewusst ist. Hier wohnt das persönliche Ich, das eigentlich freie. Es eignet sich die Welt verstandesmäßig an und wendet den Blick auf sich selbst zurück als Träger der Erlebnisse. Auf der letzten Stufe schließlich tritt das persönliche Ich in echte Wesensgestaltung ein, in die Ausbildung der persönlichen Eigenart. Dieses Fortschreiten von der Selbsterkenntnis zur Selbstgestaltung, also das „Innere“ so zu bewohnen, dass von dort das „Äußere“ durchformt wird, wäre die eigentliche Aufgabe des Menschen. Viele erreichen aber nicht einmal die dritte Stufe der Selbsterkenntnis und bleiben an Oberflächlichem hängen.
Das Wesen der Seele ist das, was das Leben formt, bezeichnet durch Sinn und Kraft. Der Sinn ist das Ziel, auf das die Seele hingeordnet ist, die Kraft ist ihr gegeben, um das Ziel zu erreichen, „um zu werden, was sie sein soll“. <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 399</ref>
Das Innen der Seele kennt wieder verschiedene Schichten. Die erste ist das Gedächtnis, die zweite der Verstand, der die Botschaften aufnimmt und in der Tiefe verarbeitet. Hinzu kommt noch eine dritte, unbekannte Schicht: „Im Inneren ist das Wesen der Seele nach innen aufgebrochen“. <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 402</ref> Diese offene Mitte erkennt man als Sinn oder als gesammelte Kraft, die aus dem offenen Innersten aufsteigt. Dieses Innerste ist keineswegs abgeschirmt vom Äußeren. Was sich über Sinne und Vernunft meldet, ist ein Anruf an diese Mitte zur Bestimmung des Sinns und zur Freiheit des Tuns. „Das persönliche Ich ist im Innersten der Seele ganz eigentlich zu Hause. Wenn es hier lebt, dann verfügt es über die gesammelte Kraft der Seele und kann sie frei einsetzen. [...] Wer gesammelt in der Tiefe lebt, der sieht auch die ‚kleinen Dinge’ in großen Zusammenhängen; nur er vermag ihr Gewicht - an letzten Maßstäben gemessen - in der richtigen Weise einzuschätzen und sein Verhalten entsprechend zu regeln. Nur bei ihm ist die Seele auf dem Weg zur letzten Durchformung und zur Vollendung ihres Seins.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 304</ref>
Der Zugang in das Innerste ist nicht einfach und bedarf der Anstrengung. In Leid oder Glück kann das Innerste „aufleuchten“. Auch kann der Weg ins Innerste gewiesen werden. Die Vorstellung aber, mit einer Art „Training“ ins Innerste zu gelangen, ist nur sehr bedingt richtig. Auch findet das Ich bei der Einkehr in sich natürlicherweise nicht viel vor, nur Kräfte und Fähigkeiten der Auseinandersetzung mit der Welt. Versucht man tiefer einzudringen, zeigt sich „ungewohnte Leere und Stille“. <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 407</ref> Diese leere Einsamkeit des Inneren, der bloße Friede bleibt auf Dauer unbefriedigend. Die Leere trägt die Erwartung der Fülle in sich. Gerade in ihrer Haltung als offenes Gefäß gibt die Seele einen Hinweis auf etwas, was füllen kann.
Diese Leere im Inneren kann einerseits mit der äußeren Welt gefüllt werden. Aber noch viel mehr ist diese Leere ausgerichtet auf wirkliche Fülle, auf den „Einbruch eines neuen, mächtigen, höheren Lebens, des übernatürlichen, göttlichen“. <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 407</ref> Kann man also sagen, dass Gott in der Seele wohnt? Würde das nicht die Kräfte der Seele bei weitem übersteigen? Tatsächlich ist die Seele nicht selbst zu etwas fähig, was jenseits ihrer Natur liegt. Aber sie kann sich kraft ihrer Freiheit dem Einströmen der göttlichen Gnade öffnen, die sie befähigt, in einem unerhörten Zusammenwirken von Natur, Freiheit und Gnade ihre Natur zu übersteigen und zu einer vollständigen Erneuerung und Umwandlung zu gelangen. Die höchste Steigerung dieser Öffnung ist die Liebe, die möglich macht, was natürlicherweise nicht möglich wäre. Indem der Mensch „mit innerster Hingabe tut, was Gott von ihm verlangt, wird das göttliche Leben sein inneres Leben: er findet Gott in sich, wenn er bei sich einkehrt“. <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 410</ref>
Hier kann Edith Stein noch tiefer in die Analogie zwischen Mensch und dreifaltigem Gott eindringen, denn in der Geistseele zeigt sich eine mehrfache Dreiheit. Schon in der Gestalt der Liebe selbst sieht man: wenn der Geist sich selbst liebt, sind in ihm der Liebende, das Geliebte und die Dynamik der Liebe vereint. Ebenso bilden Geist, Liebe und Erkenntnis eine Einheit, denn der Geist liebt, was er erkennt. Auch die Gliederung der Geistseele in Gedächtnis, Verstand und Wille ist eine Einheit, denn in allen drei Vermögen ist der Geist auf sich selbst gerichtet.
Diese Einheit der verschiedenen Kräfte ist nur bei Gott vollkommen. Bei seinem endlichen Abbild sind die Kräfte mehr getrennt, doch lässt sich vor allem in der Liebe das ursprüngliche Zusammengehören der Kräfte deutlich erkennen. Das Abbild der Dreifaltigkeit im Menschen bildet sich am deutlichsten aus, wenn sich der Geist auf Ewiges richtet, wenn er es „im Glauben erfassen, im Gedächtnis bewahren und mit dem Willen liebend ergreifen“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 419</ref> will. Die Person findet sich in der anderen Person - Gott - wieder, zu Selbstliebe und Selbstbesitz kommen Hingabe und Hinnahme hinzu. Liebe „ist ganz Gott zugewendet, aber in der Vereinigung mit der göttlichen Liebe umfaßt der geschaffene Geist auch erkennend, selig und frei bejahend sich selbst. Die Hingabe an Gott ist zugleich Hingabe an das eigene gottgeliebte Selbst und die ganze Schöpfung.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 420</ref>
Bei all dem bleibt die Eigenständigkeit der Personen gewahrt. Gott ist trotz aller Entsprechung der „ganz Andere“, dessen Wesen trotz Liebe und Gotteserkenntnis letztlich verborgen bleibt. Der Mensch wird nicht selbst göttlich, verschwindet nicht in der unermesslichen Größe Gottes, sondern bleibt er selbst, auch wenn sich die Seele in persönlicher Freiheit über sich selbst erhebt und Gott in sie eindringt, der sich keineswegs bindet „an das Maß dessen, dem er sich schenkt“. <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 425</ref>
Die Seele wird in das göttliche Leben hineingezogen, so sehr, dass sie nicht mehr nur Abbild ist, sondern Kind und Sohn Gottes wird. Auch die Vorstellung von der Seele als ein Gefäß erweist sich als unrichtig. Man muss vielmehr von einer Durchdringung sprechen: „Gott und die Seele aber sind Geist und durchdringen sich, wie nur Geist und Geist sich durchdringen können: kraft gegenseitiger freier persönlicher Hingabe, die Geschiedenheit des Seins voraussetzt, aber – trotz des unendlichen Abstands von Ungeschaffenem und Geschaffenem – eine Wesensgemeinsamkeit, die ein wahrhaftes Eingehen ineinander möglich macht.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 422</ref>
Was also den Menschen zum Ebenbild Gottes macht ist seine Personalität. Personalität bedeutet Geist, geistige Fruchtbarkeit, selbständiges Hervorgehen neuer Wirklichkeiten in nächster Ähnlichkeit zum schöpferischen Leben Gottes selbst, geistige Zeugung, die sich am tiefsten in der Liebe vollzieht. Auch die leibliche Zeugung ist beim Menschen ein Hinweis auf die liebende Vereinigung zweier geistig bestimmter Personen, die sich nicht triebhaft, sondern frei meinen. Die menschliche Liebe richtet sich dabei auf eine andere Person, während die göttliche Liebe innerhalb des dreifaltigen Gottes bleibt.
Jeder Mensch ist einzigartig und einzeln. Sein Wesen teilt sich auch nach außen mit, lässt sich erspüren. Der Mensch ist einerseits stoffgestaltet, andererseits geistig-persönlich. Der Geist ist in sich geschlossen und doch über sich selbst hinaus offen, er umfasst eine Welt, erneuert sich aus ihren Quellen, wird schließlich durch das Ich frei bestimmt.
Die Seele jedes einzelnen gibt Gottes Bild auf ganz persönliche Weise wieder. Niemand kann den anderen wirklich kennen, und auch das eigene Innerste bleibt ein Geheimnis. Letztlich ist Selbsterkenntnis paradoxerweise Erkanntsein von Gott. Gott dringt nicht als „Fremder“ in die Seele ein. Vielmehr kann die Seele im Innersten Gottes Gegenwart zusammen mit der eigenen erkennen. „Es kann also nicht davon die Rede sein, daß Gott an einen Ort käme, wo er vorher nicht war. Daß die Seele Gott aufnimmt, das heißt vielmehr, daß sie sich ihm frei öffnet und hingibt.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 462</ref>
Zum Innersten der Seele gibt es mehrere Zugänge: Das Bewusstsein (Philosophie), der Austausch mit anderen, der Rückschlüsse erlaubt, das Erstarken und Reifen des eigenen Wesens, oder auch die wissenschaftliche Erforschung der inneren Welt (Psychologie). Daneben und darüber hinaus gibt es aber noch einen anderen Zugang: Im Gebet ist der Eingang zu diesem eigensten Raum, der dem Selbst und Gott gehört, am reinsten zu vollziehen.
Trotz der Eigenart und Einzigkeit des Menschen ist auch Mitteilung und Gemeinschaft möglich. Das Individuum schließt nicht die Rede von der Menschheit als ganzer aus. Die zweifache Mitgift des Menschen, sowohl der ungute gefallene Zustand als auch die Aufrichtung, ergreift weit über den Einzelnen hinaus die ganze Menschheit. In der Schaffung neuen Lebens durch die Eltern ist die ganze menschliche Mitgift im Unguten und im Guten versammelt. Das jeweils Neue und ganz Eigene wird gleichzeitig von Gott dazugegeben. Der Mensch ist also erblich festgelegt und zugleich geistig ursprüngliches Geschöpf, so dass „das neue Geschöpf vom ersten Augenblick seines Daseins im Mutterschoß an eine leiblich-seelische Eigenart hat, die der elterlichen verwandt und doch wieder etwas ganz Besonderes ist“. <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 471</ref>
Das ist die vielfältig reiche Signatur des Menschen. In ihr findet man den Sinn, der gesucht war: „Es ist ja der Sinn des menschlichen Seins, daß in ihm Himmel und Erde, Gott und Schöpfung sich vermählen sollen.“ <ref>Stein: „Endliches und ewiges Sein“, ESW II; S. 474</ref>
Werkausgaben
Edith Steins Werke (ESW):
Erster Versuch einer Gesamtausgabe der Werke Edith Steins (Herder, ab 1950)
Herausgeber: Lucy Gelber und Romaeus Leuven OCD / Michael Linssen OCD.
- ESW II Endliches und ewiges Sein. Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins (1951)
Edith Stein Gesamtausgabe (ESGA):
Neue, kritische Gesamtausgabe (Herder, ab 2000)
Herausgeber: Internationales Edith Stein Instititut Würzburg unter der Leitung von Michael Linssen OCD / Klaus Maas OCD, unter wissenschaftlicher Mitarbeit von Prof. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (Dresden) und zahlreichen Fachgelehrten.
- ESGA 10 Potenz und Akt - Studien zu einer Philosophie des Seins (2005), ISBN 978-3-451-27380-3
- ESGA 11/12 Endliches und ewiges Sein - Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins (2006), ISBN 978-3-451-27381-0
Sekundärliteratur
Eine profunde Einführung zu Edith Steins Denken und zu „Endliches und ewiges Sein“ findet sich hier:
- Gerl-Falkovitz, Hanna-Barbara: „Unerbittliches Licht. Edith Stein: Philosophie - Mystik - Leben“; Grünewald, Mainz 1991, ISBN 978-3786715726
Anmerkungen
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