Secreta continere (Wortlaut)
von Kardinalstaatssekretärs Jean Villot
Secreta continere |
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von Papst
Paul VI.
über das päpstliche Geheimnis.
4. Februar 1974
(Quelle: Nachkonziliare Dokumentation – im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, Band 47, Kurienreform II (1968-1975), Sammlung neuer Erlasse, lateinischer und deutscher Text, S. 124-135, von den Deutschen Bischöfen approbierte Übersetzung, Paulinus Verlag Trier 1976; Imprimatur N. 6 / 75, Treveris die 18.6.1975 Vicarius Generalis d. m. Israel)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Wie sehr Geheimhaltung der menschlichen Natur entspricht, geht vor allem daraus hervor, dass, wenngleich viele Dinge nach außen zu tun sind, sie jedoch im innersten Herzen entstehen und erwogen und erst nach reiflichem Durchdenken vernünftigerweise geäußert werden.
Daher gehört Verschwiegensein, eine äußerst schwierige Sache, ebenso wie öffentlich und überlegt Reden zum vollkommenen Menschen: Es gibt eine Zeit zum Schweigen und es gibt eine Zeit zum Reden (vgl. Eccle. 3, 7) und vollkommen ist jener Mann, der seine Zunge zu zügeln weiß (vgl. Jak 3,4).
Das gilt auch in der Kirche als einer Gemeinschaft von Glaubenden, denen zwar die Aufgabe das Evangelium Christi zu verkünden und zu bezeugen aufgetragen ist (vgl. Mk 16, 15; Apg 10,42), die jedoch gehalten sind, Sakrament und Wort im Herzen zu bergen und zu erwägen, damit Gottes Werke recht und weit offenbar werden und sein Wort in schnellem Lauf verbreitet und verherrlicht wird (vgl. 2 Thess 3, 1).
Zu Recht sind daher denen, die zum Dienst am Volk Gottes bestimmt sind, gewisse Dinge anvertraut, die geheimzuhalten sind, nämlich solche, die kundgetan oder zu unrechter Zeit und unpassend kundgetan, entweder für die Auferbauung der Kirche hinderlich sind oder dem öffentlichen Wohl schaden oder überhaupt die unverletzlichen Rechte der einzelnen oder Gemeinschaften verletzen (vgl. die Instruktion Communio et progressio Nr. 121).
Das alles verpflichtet immer im Gewissen, vor allem ist das Beichtgeheimnis wegen der Disziplin des Bußsakramentes streng zu halten, und dann das Amtsgeheimnis oder das sogenannte anvertraute Geheimnis und darüber hinaus das päpstliche Geheimnis, von dem diese Instruktion handelt. Denn es ist selbstverständlich, in öffentlichen Angelegenheiten, die das Wohl der ganzen Gemeinschaft berühren, kann nicht von irgendeiner Privatperson, sondern muss von dem, dem die Sorge um die Gemeinschaft rechtmäßig zukommt, festgelegt werden, wann, in welcher Weise und in welchem Grad eine derartige Geheimhaltung aufzuerlegen ist. Jene aber, die zu solcher Geheimhaltung verpflichtet sind, dürfen sich nicht gleichsam durch ein äußeres Gesetz dazu gebunden fühlen, sondern vielmehr kraft der eigenen Menschenwürde: Sie sollen es sich zur Ehre anrechnen, die pflichtgemäße Geheimhaltung zum öffentlichen Wohl zu wahren.
Bezüglich der Römischen Kurie unterliegen die Amtsgeschäfte, die von ihr im Dienst an der Gesamtkirche wahrgenommen werden, von Amts wegen der allgemeinen Geheimhaltung, deren moralische Verpflichtung auf Grund der Anordnung des Oberen oder auf Grund der Natur der Sache und der Bedeutung der Angelegenheit zu bemessen ist. In gewissen bedeutenderen Angelegenheiten gilt eine besondere Geheimhaltung, die päpstliches Geheimnis (secretum pontificium) genannt wird und unter schwerer Verpflichtung zu halten ist.
Über das päpstliche Geheimnis hat das Staatssekretariat am 24. Juni 1968 eine Instruktion erlassen. Nach Beratung der Frage durch die Konferenz der Leitenden Kardinäle der Behörden der Römischen Kurie schien es gut, einige Normen dieser Instruktion zu ändern, um nach genauerer Bestimmung von Gegenstand und Verpflichtungsgrad dieser Geheimhaltung auf deren Einhaltung entsprechend pochen zu können.
Die Normen sind folgende:
Art. I
Unter das päpstliche Geheimnis fallen:
1. Vorbereitung und Abfassung Päpstlicher Dokumente, für die jene Geheimhaltung ausdrücklich gefordert wird;
2. von Amts wegen erlangte Kenntnis über Angelegenheiten, die vom Staatssekretariat oder vom Rat für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche behandelt werden, die ja unter päpstlicher Geheimhaltung zu behandeln sind;
3. Hinweise und Anzeigen an die Kongregation für die Glaubenslehre über Lehren und Druckwerke sowie deren Prüfung im Auftrag dieser Behörde;
4. außergerichtliche Anzeigen und Verstöße gegen Glaube und Sitten, über Delikte gegen das Bußsakrament sowie die diesbezüglichen Verfahren und Entscheidungen, jedoch immer unbeschadet des Rechtes des Angezeigten auf Kenntnis der Anzeige, wenn das zu seiner Verteidigung erforderlich sein sollte. Der Name des Anzeigenden darf aber nur dann bekannt gegeben werden, wenn die zuständige Autorität es für opportun hält, den Angezeigten und den Anzeigenden einander gegenüberzustellen;
5. Berichte der Legaten des Apostolischen Stuhles über dem päpstlichen Geheimnis unterliegende Angelegenheiten;
6. von Amts wegen erlangte Kenntnis über die Ernennung von Kardinälen;
7. von Amts wegen erlangte Kenntnis über die Ernennung von Bischöfen, Apostolischen Administratoren und sonstigen Ordinarien mit Bischofswürde, von Apostolischen Vikaren und Präfekten und von Päpstlichen Legaten sowie über die diesbezüglichen Untersuchungen;
8. von Amts wegen erlangte Kenntnis über die Ernennung von höheren Prälaten und höheren Beamten der Römischen Kurie;
9. alles, was die Chiffrierung und chiffrierte Schriftstücke anlangt;
10. alle Angelegenheiten, die vom Papst, vom Leitenden Kardinal einer Kurienbehörde oder von Legaten des Apostolischen Stuhles als so bedeutsam gehalten werden, dass sie den Schutz des päpstlichen Geheimnisses erfordern.
Art. II
Zur Wahrung des päpstlichen Geheimnisses sind verpflichtet:
1. Die Kardinäle, die Bischöfe, die höheren Prälaten, die höheren und niederen Beamten, die Konsultoren, die Sachverständigen und die Bediensteten der unteren Ordnungen, denen die Behandlung von Fragen zukommt, die unter das päpstliche Geheimnis fallen;
2. die Legaten des Apostolischen Stuhles und ihre Bediensteten, welche die vorgenannten Fragen behandeln, sowie alle, die von diesen in solchen Angelegenheiten befragt werden;
3. alle, denen in besonderen Angelegenheiten die Wahrung des päpstlichen Geheimnisses auferlegt wird;
4. alle, die schuldhaft Kenntnis von Dokumenten und Angelegenheiten erlangen, die dem päpstlichen Geheimnis unterliegen, und auch die schuldlos solche Kenntnis erlangen, aber sicher wissen, dass die Angelegenheit noch unter das päpstliche Geheimnis fällt.
Art. III
1. Wer an das päpstliche Geheimnis gebunden ist, ist immer unter schwerer Verpflichtung zu dessen Wahrung gehalten.
2. Ist eine Verletzung des päpstlichen Geheimnisses im äußeren Bereich angezeigt worden, wird der Angeklagte von einer besonderen Kommission abgeurteilt, die vom Leitenden Kardinal der zuständigen Behörde oder, wo ein solcher nicht vorhanden ist, vom ständigen Leiter des Amtes bestellt wird. Die Kommission verhängt je nach Schwere des Verstoßes und des angerichteten Schadens die entsprechenden Strafen.
3. Steht derjenige, der gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen hat, im Dienst der Römischen Kurie, verfällt er den in der Allgemeinen Geschäftsordnung festgelegten Strafen (VgI. ebd. Art. 39 § 2, Art. 61 Nr. 5 und Art. 65 § 1 Nr.3).
Art. IV
Wer zu päpstlichen Geheimsachen kraft seines Amtes Zugang hat, muss einen Eid nach folgender Formel leisten:
Ich ...
verspreche, indem ich die heiligen Evangelien Gottes berühre, vor ...
treu das „päpstliche Geheimnis" zu wahren in den Sachen und Angelegenheiten, die unter dieses Geheimnis fallen (Für diejenigen, die zum päpstlichen Geheimnis in einer besonderen Angelegenheit Zugang erhalten: zu wahren in der mir anvertrauten Sache), derart dass es mir in keiner Weise noch unter irgendeinem Vorwand, sei dies ein höheres Gut, seien es äußerst drängende und schwerwiegende Gründe, erlaubt ist, das vorgenannte Geheimnis zu verletzen.
Ich verspreche, dieses Geheimnis zu wahren auch nach Abschluss der Sachen und Angelegenheiten, für die eine solche Geheimhaltung ausdrücklich angeordnet ist. Sollten mir in einem Fall Zweifel über die genannte Geheimhaltungspflicht kommen, werde ich zugunsten der Geheimhaltung entscheiden.
Ferner weiß ich, dass wer gegen diese Geheimhaltungspflicht verstößt, eine schwere Sünde begeht.
So wahr mir Gott helfe und diese heiligen Evangelien, die ich mit meinen Händen berühre.
Diese Instruktion hat Papst Paul VI. in der dem Unterzeichneten am 4. Februar 1974 gewährten Audienz bestätigt; er hat die Veröffentlichung der Instruktion angeordnet mit der Maßgabe, dass sie am 14. März 1974 in Kraft tritt, unter Aufhebung aller entgegenstehenden Bestimmungen.