Rechtfertigung: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 24. Juli 2010, 19:55 Uhr
Rechtfertigung (lat. iustificatio) ist die Versetzung des Menschen aus einem Unrechtszustand vor Gott (Sünde) in einen gerechten Stand (Gnade). Vermittelt wird den Menschen die göttliche Gerechtigkeit allein durch Jesus Christus, jedoch sakramental wirksam und nicht nur "symbolisch". Nur in Gemeinschaft mit Gott und nicht aus eigenem Recht lebt der Mensch in dem Zustand, also zur Ewigkeit berufen, in dem er nach Gottes Willen sein soll.
Inhaltsverzeichnis
Gnadenlehre
Die Rechtfertigung wird wissenschaftlich in der Gnadenlehre, welches ein Fach der Dogmatik der christlichen Theologie ist, erörtert.
Sie setzt die Tatsache der Erbsünde voraus. Sie kommt zustande auf Grund der Erlösungsverdienste Christi durch die Wiedergeburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geiste in der Taufe bzw. durch die Begierde- oder Bluttaufe, oder, wenn sie durch die schwere Sünde wieder verlorengegangen war, durch den gültigen Empfang des Bußsakramentes bzw. schon durch die vollkommene Reue (wobei die Gewissheit über deren Vollkommenheit das Problem ist) und im Notfall auch durch die heilige Ölung (= Krankensalbung, letzte Ölung).
Die Rechtfertigung besteht (gg. Luther) nicht nur in einer Anrechnung der Erlösungsverdienste Christi, sondern in der sakramental in der Kirche wirksam erfahrbasren Mitteilung des übernatürlichen Leben: (der heiligmachenden Gnade und der drei göttlichen Tugenden), wodurch die Menschen des Volkes Gottes der göttlichen Natur teilhaftig, mit Christus als lebendige Glieder verbunden und dadurch Gotteskinder und Erben Gottes und Miterben Christi werden.
Gleichzeitig nimmt der Heilige Geist mit der ganzen heiligsten Dreifaltigkeit vom gerechtfertigten Menschen als seinen Tempel Besitz. Die Rechtfertigung ist reine Gnade, die aber bei Erwachsenen - das freie Mitwirken des Menschen mit der zuvorkommenden helfenden Gnade voraussetzt, wodurch er zunächst zum Glauben als erster Vorbedingung der Rechtfertigung gelangt.
Die Rechtfertigung schenkt daher dem „Heillosen" das Unterpfand, den wirklichen Anfang des künftigen, auch ewigen Heiles und verwirklicht so das tiefe religiöse Sehnen der Menschen.
Wesen der Rechtfertigung
Ihrem Wesen nach umfasst die iustificatio also:
- einmal die Nachlassung der Sünden; nachgelassen werden wenigstens alle jene Sünden, die ihn vom Reich Gottes und der Gemeinschaft mit Christus ausschließen und ihn zum Todsünder machen, der keinen Anteil am ewigen Leben hat;
- erlassen wird dem Gerechtfertigten zugleich die ewige Strafe (Hölle), die der Lohn seiner Sünden ist;
- sodann besagt die Rechtfertigung die übernatürliche gnadenhafte Erneuerung und Heiligung des Menschen, durch die er gleichsam ein „neues Geschöpf" wird, das fortan im Lichte Gottes leben soll.
In der Glaubensspaltung des 16. Jahrhunderts stand die Rechtfertigung im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Das Konzil von Trient musste deshalb vor allem die katholische Lehre von der Rechtfertigung anhand der ältesten Überlieferung darlegen. Nachdrücklich wandte es sich gegen die Auffassung der Reformatoren, die Rechtfertigung bestehe darin, dass dem Gerechtfertigten die Sünden auf Grund des Verdienstes Christi nicht mehr angerechnet, sondern gleichsam "zugedeckt" würden, insofern er mit dem Verdienst und der Heiligkeit des im Glauben ihm einwohnenden Christus Gott gegenübertrete. Vielmehr wird die Sünde durch die Rechtfertigung völlig getilgt und ausgelöscht. Demnach ist das Wesen der Rechtfertigung nicht im „spruchhaften" Charakter zu sehen - es würde im letzten aus der "Gerechtmachung" eine „Rechtsprechung" machen, die den Menschen in seinem Sein unverändert ließe. Auch genügt es nicht, nur eine Veränderung unserer Stellung vor Gott durch die Rechtfertigung anzunehmen, sondern der Gerechtfertigte erhält ein neues, gnadenhaftes Sein und eine Gerechtigkeit, die von Gott in ihm bewirkt wird.
Katholische Lehre
Die katholische Lehre besagt ferner, dass die Rechtfertigung nicht in "vorübergehenden" Tätigkeiten besteht, in denen Gott sich dem Menschen und der Mensch sich Gott zuwendet, sondern in einer dauernden Beschaffenheit seiner Seele. Sie ist jenes übernatürliche Sein, das wir heiligmachende Gnade nennen und die eine völlig ungeschuldete Teilnahme an der göttIichen Natur besagt (2 Petr 1.4).
Im Anschluss an den Sprachgebrauch der Heiligen Schrift ist von der Eingießung der heiligmachenden Gnade durch die Rechtfertigung die Rede. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass sie in keiner Weise eine Weiterentwicklung jener Kräfte ist, die in der Natur des Menschen schon grundgelegt wären (wo sollte der Sterbliche aus eigener Kraft auch "Gott schauen"?), sondern eine Erhöhung über deren Sein und Können.
Zugleich mit der heiligmachenden Gnade werden in der Rechtfertigung vor allem die Göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe eingegossen, die den Gerechtfertigten erst befähigen, das neue Leben zu entfalten.
Gegen die Auffassung der Reformatoren hat das Konzil von Trient auch gelehrt, dass wir nicht „im Glauben allein", den Gott in uns ohne unser Zutun wirke, gerechtfertigt werden; vielmehr bedarf der Erwachsene der Vorbereitung auf die Rechtfertigung. Erst muss er unter dem Einfluss der anregenden und helfenden Gnade sich in Glaube und Hoffnung, in der heilsamen Erschütterung und Reue über seine Sünden und mit den ersten Regungen der Liebe Gott zuwenden, ehe Gott in der Rechtfertigung die Fülle seiner Gnade über ihn ausgießt und ihn an Kindes Statt annimmt. Das Ziel der Rechtfertigung ist das ewige Heil des Menschen und damit die größere Herrlichkeit Gottes. Verdient ist sie allein durch das sühnende Leiden Christi am Kreuze. Die Letztursache der Rechtfertigung ist die freiwaltende Liebe und Barmherzigkeit Gottes. Vermittelt wird sie dagegen durch das Bad der Wiedergeburt, die heilige Taufe, deren sich Gott als seines Werkzeuges bedient.
Solange der Mensch als Pilger auf Erden weilt, ist jedoch die Rechtfertigungsgnade nicht unverlierbar. Sie unterliegt der Bedrohung durch die Sünde und wird durch jede schwere Sünde, nicht erst durch den Abfall vom Glauben allein, wie die Reformatoren lehrten, verloren. Ohne ein besondere Gnadengeschenk Gottes (gratia perseverantiae, die Gnade der Beharrlichkeit) kann der Gerechtfertigte nicht dauernd die Rechtfertigungsgnade bewahren. Aber auch nach dem Verlust der Rechtfertigungsgnade reicht Gott in seiner Barmherzigkeit dem Menschen die "rettende Planke nach dem Schiffbruch", das Sakrament der Buße. Doch ist diese "zweite Rechtfertigung" ein mühsamerer Weg. Zwischen der Sünde des Getauften und "der zweiten Rechtfertigung" steht das Gericht der Kirche und nur durch diesen richterlichen Freispruch wird dem Menschen erneut das Heil mit Gewissheit zugewandt. Der Beichtstuhl ist das einzige Gericht auf Erden, das den freispricht, der sich schuldig bekennt.
Gerechte Werke
Wendet sich jedoch der Sünder in vollkommener Liebe und Reue über seine Sünden Gott wieder zu und hegt er das Verlangen, sich dem Gericht Gottes zu stellen, so wartet Gott das von ihm berufene sakramentale Gericht nicht ab, sondern schenkt ihm schon sofort die Rechtfertigungsgnade. Der Empfang des Bußsakramentes bleibt aber eine notwendige Hilfe, wenn er geschehen kann, da der einzelne, reumütige Mensch stets Zweifel über die Vollkommenheit seiner Reue hegen muss. Die sakramentale Lossprechung jedoch stellt zugunsten des Gnade suchenden Christen mit Zuverlässigkeit die Wirlkungen der Taufe wieder her.
Die barmherzige Rechtfertigungsgnade erlangt jedoch vor dem Angesicht Gottes auch der, dem ohne eigenes Verschulden die Taufe versagt bleibt (so gen. Begierdetaufe), aber den Stand der Gnade aufrichtig sucht. Hierüber ist jedoch in keinem Einzelfall ein Urteil Dritter möglich, so dass die Taufe der von Gott befohlene "sichere Weg" bleibt.
In der Auseinandersetzung gegen die pelagianische Irrlehre hob Augustinus hervor, dass auf Erden keine „vollkommene Gerechtigkeit", die der Vergebung nicht mehr bedürfe, möglich sei, mit Hilfe der Gnade muss der Gerechtfertigte vielmehr die sittlichen Unvollkommenheiten, die ihm anhaften, weiterhin zu überwinden streben. Dadurch kann er aber die Rechtfertigungsgnade in sich vermehren (so gen. "Verdienst"). Im Anschluss daran hat das Konzil von Trient, entgegen der Auffassung der so genannten Reformatoren, gelehrt, dass die Rechtfertigungsgnade nicht in allen dem Grade nach die gleiche sei. Das Maß der Gnade ist einmal die Freiheit Gottes in der Austeilung seiner Gnaden und zum anderen wird es bestimmt durch unsere Mitwirkung mit seiner Gnade in gerechten Werken.
Allerdings kann niemand (ohne einen ganz besonderen Gnadenvorzug Gottes) mit einer Gewissheit, wie sie dem Glauben eignet, sicher sein, dass er vor Gott gerechtfertigt ist. Wenn jedoch der Mensch alles getan hat, um sich auf die Rechtfertigung vorzubereiten, so darf er hoffen, dass Gott sich seiner erbarmt. Auch angesichts der Unsicherheit des Heiles gilt: Wir sollen uns nicht ängstigen, sondern wie ein Kind unser Heil in die Hände des Vaters legen. Der barmherzige Vater bewirkt die Früchte der Rechtfertigung , die uns die Möglichkeit des übernatürlichen Verdienstes auf Grund der guten Werke aufschließt, den Himmel. Dort leben wir ewig so, wie wir selbst geworden sind durch Gottes gute Werke und unseren Gehorsam (vgl. Credo des Gottesvolkes, 1968).
Päpstliche Schreiben zur Rechtfertigung
- Konzil von Trient, Cum hoc tempore über die Rechtfertigung vom 13. Januar 1547.
- Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre – ein ökumenischer Meilenstein vom 31. Oktober 1999.