Voi siete venuti

Aus kathPedia
Zur Navigation springenZur Suche springen
Ansprache
Voi siete venuti

von Papst
Pius XII.
an Neuvermählte
Was die Gemeinschaft der Heiligen bedeutet

6. Oktober 1940

(Quelle: Ansprachen Pius XII. an Neuvermählte, Josef Habbel Verlag Regensburg 1950, S. 105-113, Übersetzt und eingeleitet von DDr. Friedrich Zimmermann. Imprimatur Regensburg, den 11. Juli 1949 J. Franz, Generalvikar; Download).

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ihr seid zu Uns gekommen, geliebte Neuvermählte, um Unseren Segen über eure hoffnungsvolle Zukunft zu erbitten, in diesen ersten Novembertagen, da die große Menge der Gläubigen auf den Ruf der Mutter Kirche hin mit ihren Tränen und Gebeten ihre Schritte zu jener Ecke geweihter Erde lenkt, wo die Zeugen der Vergangenheit ruhen. Die Erinnerung an die teuren Toten lässt zwar in allen Herzen die Trauer über die Trennung wieder aufleben, lässt aber keineswegs Bitterkeit in den Seelen zurück, die der Glaube wieder aufmuntert. Besonders für euch ist es in dem Augenblick, da ihr eine Familie gründet, süß und heilsam, an diejenigen zu denken, die euch den Weg ins Leben geöffnet und ein Erbgut christlicher Tugenden euch hinterlassen haben. Denn wenn ihre bleichen Gesichter wieder lebendig werden vor eurem Geist, wie sie vielleicht vor euch gestanden haben in eurer Kindheit oder wie ihr sie euch fromm vorgestellt habt, dann werdet ihr voll Stolz und Vertrauen wieder zueinander sagen können, was der junge Tobias zu seiner Braut sagte: "Filii quippe Sanctorum sumus" -"Wir sind ja Kinder von Heiligen!" (Tob 8, 5).

Es ist euch sicherlich bekannt, dass die heilige Liturgie das Gedächtnis der verstorbenen Gläubigen eng mit dem Feste Allerheiligen verbindet. Diese Verbindung hebt besonders das tröstliche Dogma von der Gemeinschaft der Heiligen hervor, d. h. das geistige Band, das alle Seelen, die im Zustand der Gnade leben, eng mit Gott, Unsererm Herrn, und untereinander verbindet. Diese Seelen sind nämlich in drei Gruppen geteilt: die einen, schon im Himmel gekrönt, bilden die triumphierende Kirche, die anderen, die wegen ihrer vollen und endgültigen Läuterung noch im Fegfeuer zurückgehalten werden, bilden die läuternde Kirche (zutreffender als die bei uns übliche Bezeichnung „leidende Kirche"); andere endlich, die noch auf Erden pilgern, bilden die streitende Kirche; das Fest aller Heiligen könnte gewissermaßen das Fest der drei Kirchen genannt werden. Im Gebet der Messe jenes Tages wird die Güte Gottes angerufen im Hinblick auf die Verdienste alle Heiligen: "Du hast uns verliehen, die Verdienste aller deiner Heiligen in gemeinsamer Feier zu verehren". Nun gibt es Verdienste in den drei Kirchen: verherrlichte, in der triumphierenden; erworbene, die nicht vermehrt werden, aber auch nicht verloren gehen können, die aber noch auf ihren vollen Lohn in der läuternden warten; erworbene, die vermehrt werden, aber auch ganz verloren gehen können, in der streitenden. Das Fest Allerheiligen ist als rein großes Familienfest für alle Seelen im Zustande der Gnade.

Dieser Gedanke muss euch ganz besonders berühren, denn ihr habt eine liebe Familie aufgegeben, die bis jetzt die eure war, um eine neue zu gründen, die die Fortsetzung der ersten und, wenn Gott will, - um was Wir zusammen mit euch beten - der Anfang einer langen Reihe anderer sein wird.

Vielleicht denkt ihr, dass am Festtag Allerheiligen die Kirche nur alle jene zusammen verherrlichen will, denen sie die Ehre der Altäre zuerkannt hat. Dieser Tag würde dann wie eine jährliche Zusammenfassung des römischen Martyrologiums sein. Und das ist er wohl auch, aber nicht nur das. In der Tat weihte Papst Bonifaz IV., als er im Jahre 609 oder 610 das ihm vom Kaiser Phokas abgetretene Pantheon in Rom reinigte, diesen Tempel der seligen Jungfrau Maria und allen Märtyrern (vgl. Liber Pontificalis, LXVIIII) und richtete ein jährliches Fest ihnen zu Ehren ein (vgl. Martyrologium Romanum, KaI. Novembr.). Aber schon im folgenden Jahrhundert weihte Gregor III. in der Basilika St. Peter ein Oratorium "unserm Herrn Jesus Christus, seiner heiligen Mutter, den heiligen Aposteln, allen heiligen Märtyrern und Bekennern, den vollkommenen Gerechten, die in der ganzen Welt ruhen" (vgl. Lib. Pont. XCII). Endlich dehnte Gregor IV. die Feier dieses Festes Allerheiligen auf die ganze Kirche aus (vgl. Mart. Rom. a. a. O.).

Alle Heiligen: Was will das heißen? Gewöhnlich und zunächst werden so die Helden des Christentums genannt, die, von denen ein letztes und endgültiges Urteil des unfehlbaren Lehramtes erklärt, dass sie in die triumphierende Kirche aufgenommen sind, und deren Verehrung in der ganzen streitenden Kirche vorgeschrieben ist (vgl. Bened. XIV., De Servo Dei Beatif. et Beat. Canoniz., 1. I cap. 39 und 42). Unter ihnen werden sicher die Vorbilder und besonderen Patrone für euch nicht fehlen. Jede christliche Familie richtet fast unwillkürlich ihren Blick auf die heilige Familie von Nazareth und schreibt sich ein besonderes Anrecht auf den Schutz von Jesus, Maria und Joseph zu. Aber neben ihnen haben sich zahlose Männer und Frauen im Familienleben geheiligt, wie die heiligen Eheleute Chrysanthus und Daria, die gemartert worden sind unter dem römischen Kaiser Numerian. Da gibt es im Himmel bewundernswerte Familienväter, wie der heilige Ferdinand III., König von Kastilien und Leon, der seine vierzehn Kinder fromm erzog; heldenmütige Mütter wie die heilige Felizitas aus Rom, die - nach den Akten ihre Martyriums - unter dem Kaiser Antoninus mit eigenen Augen sehen musste, wie ihre sieben Söhne von grausamer Henkershand getötet wurden, bis zuletzt ihr selbst der Kopf abgeschlagen wurde. Die starke Mutter, so erzählt Petrus Chrysologus, ging unter den durchbohrten Leichen ihrer Kinder umher, froher, als wenn sie vor den teuren Wiegen gestanden hätte, in denen sie als Kinder schliefen, denn sie sah mit den inneren Augen des Glaubens so viele Palmzweige, als die Wunden waren, so viele Siegespreise, als sie Qualen erlitten hatten, so viele Kronen, als sie Opfer waren. (S. Petri Chrysologi Sermo 134-Migne PL, Bd. 52, Sp. 566). Doch weil jeder der Heiligen im Laufe des Jahres seinen Festtag hat, kann man annehmen, dass die Kirche im Fest Allerheiligen mehr sieht als ein einfaches, alle umschließendes Gedächtnis.

Besonders in der triumphierenden Kirche gilt das. Es gibt im Himmel außer den großen Siegern, die im Licht glänzen ob ihrer Kanonisation oder der einfachen Seligsprechung, überaus viele Seelen, die auf Erden unbekannt sind, aber selig leben in der Anschauung Gottes, und ihre Zahl übertrifft alle menschlichen Berechnungen. Das bezeugt in der Geheimen Offenbarung der heilige Johannes, der ihre Herrlichkeit geschaut hatte: "Danach sah ich eine große Schar, die niemand zählen konnte. ..: sie standen vor dem Throne und vor dem Lamme, angetan mit weißen Gewändern, sie trugen Palmzweige in ihren Händen", und diese Auserwählten, ohne bekannten Namen, waren aus allen Völkern, Stämmen, Nationen und Sprachen" (Off 7, 9). Da findet ihr hier den Familiengedanken wieder: "Wir sind Kinder von Heiligen". Gibt's etwa nicht in dieser herrlichen Schar Vorfahren von euch oder gar schon ganz nahe Verwandte? Wenn ihr in diesen Tagen Aug und Herz zum Himmel erhebt, könnt ihr im Geist dort oben für immer glücklich sehen manche von denen, die ihr geliebt habt, und noch mehr jene, die durch eine Reihe von Geschlechtern in den Familienstamm jenen Glauben gepflanzt haben, den ihr an andere weitergeben wollt. Welche Kraft und welchen Trost bedeutet für euch der Gedanke, dass sie nach dem Verlassen der Erde euch nicht vergessen haben, dass sie euch immer noch lieben mit der gleichen Innigkeit, aber mit unvergleichlich größerem Scharfblick, der sie eure Nöten sehen lässt, und mit einer Macht, die ihnen abhilft; und dass vom Himmel das Lächeln ihres Segens auf jede Wiege ihrer Nachkommen wird herabsteigen wie ein unsichtbarer Gnadenstrahl.

Es ist wohl wahr, dass ihr keine absolute Gewissheit haben könnt über ihre endgültige Seligkeit; denn ganz rein müssen sie sein, bevor sie zur ewigen und unverhüllten Anschauung jenes Gottes zugelassen werden, der selbst an den Engeln Unvollkommenheiten findet (vgl. Job4, 18). Ist denn vielleicht noch nicht im Himmel jener ehrwürdige Großvater, dessen Leben euch so wertvoll und verdienstreich erschien, jene gute Großmutter, deren arbeitsreiche Tage mit einem so sanften und erbaulichen Tode schlossen? Aber ihr könnt euch wenigstens, ohne eitle Vermessenheit, mit festem Vertrauen auf die göttlichen Verheißungen stützen, die dem Glauben und den Werken eines wahrhaft christlichen Lebens gehören, und sie am Orte der letzten Läuterung suchen, im Fegefeuer. Dann werdet ihr eine stille Freude erfahren in dem Gedanken, dass jene teuren Wesen künftig ihres ewigen Heiles gewiss und bewahrt sind vor der Sünde, den Gelegenheiten zur Sünde, vor Ängsten, Krankheiten und allen Misshelligkeiten hier auf Erden. Wenn ihr nun die Leiden betrachtet, die sie endgültig reinigen von ihren Makeln, dann wird eure fromme Liebe Gehör leihen können ihren teuren Stimmen, die euch um Fürbitte anflehen, wie Job in der Tiefe seines Schmerzes das Erbarmen seiner Freude anrief (vgl. Job 19, 21). Und dann werdet ihr verstehen, warum das Gebet für die läuternde Kirche im ganzen Monat November fortgesetzt wird, der in besonderer Weise einer so frommen Fürbitte gehört, während die Freude des Allerheiligenfestes in der heiligen Liturgie eine Woche dauert. Wenn ihr also um den Schutz der Heiligen fleht, die im Himmel sind, werdet ihr auch nicht unterlassen, mit Gebet, Almosen und vor allem mit dem heiligen Opfer der Messe jenen eure Lieben zu helfen, die noch im Fegfeuer sind, dass sie, wie der fromme Glaube sagt, ihrerseits für euch bitten und dann, wenn sie bald zur Quelle aller Gnaden zugelassen sind, die Ströme des Erbarmens auf alle ihre Nachkommen herabfließen lassen.

Was sollen Wir jetzt noch sagen von den Heiligen der dritten Kirche, d. h. jenen, die noch auf Erden kämpfen Erkennt, geliebte Söhne und Töchter, dass es solche gibt und dass ihr zu ihnen gehören könnt, wenn ihr wollt! Im wörtlichen und allgemeinen Sinn ist die Heiligkeit der Zustand einer Person oder einer Sache, die als unverletzlich und ehrenvoll gilt. So sprach Cicero (Oratio pro M. Caelio, 13, 32) von der sanctitas matronarum, der Unverletzlichkeit und Würde jener allgemein geachteten Gattinnen und Mütter, wie es die römischen Frauen waren. Im tiefsten Sinn sprach der Herr im Alten Bund zu den Söhnen seines Volkes: "Seid heilig, weil im heilig bin" (Num 19, 2). Und indem er mit dem Gebot die notwendige Hilfe zu seiner Erfüllung verband, fügte er hinzu: "Ich bin euer Herr, der euch heilig macht" (Num 20,8). Im Neuen Bund bedeutet heilig sein, Gott geweiht sein durch die Taufe und den Gnadenzustand bewahren, das ganz verborgene übernatürliche Leben, das vor den Augen des Herrn und seiner Engel die Menschen in zwei wesentlich verschiedene Klassen teilt: die einen ohne die heiligmachende Gnade, die andern erhöht zur geheimnisvollen, aber wirklichen Teilnahme am göttlichen Leben. Deshalb werden die ersten Christen an verschiedenen Stellen des Neuen Testamentes als Heilige bezeichnet. So klagt sich zum Beispiel der heilige Paulus an, vor seiner Bekehrung eine große Zahl von Heiligen ins Gefängnis gebracht zu haben (Apg 26, 10). Derselbe Apostel schrieb den Gläubigen von Ephesus: "Ihr seid Mitbürger der Heiligen und Glieder der Familie Gottes" (Eph 2, 19) und bat jene von Rom, den Bedürfnissen der Heiligen zu Hilfe zu kommen (Röm 12, 13).

Diese Heiligen auf Erden haben auch ihre Verdienste, die den andern Menschen zum Nutzen gereichen können (vgl. S. Th. 1a 2ae q. 114 a. 6), auch den armen Seelen. Aber die Mutter Kirche weiß wohl, dass die Verdienste der Lebenden ungewiss sind und dass, wenn einige ihrer Kinder sogar auf dieser Erde mächtige Fürsprecher für ihre Brüder sind, sie doch auch selbst, wie alle jene, die noch auf Erden streiten, einer beständigen Fürbitte bedürfen. Deshalb schließt sie ihr Gebet am Feste Allerheiligen: "Gewähre uns, o Herr, die ersehnte Fülle deines Erbarmens durch eine so große Zahl von Fürsprechern!" "Kinder von Heiligen sind wir!" Geliebte Söhne und Töchter! Ihr müsst also tief davon überzeugt sein, dass eure junge Familie eine heilige Familie sein kann und soll, das heißt, eine Familie, die unzerstörbar mit Gott verbunden ist durch die Gnade. Unzerstörbar: denn dasselbe Sakrament, das die Unauflöslichkeit des Ehebandes fordert, verleiht euch eine übernatürliche Kraft, gegen die die Versuchungen und Verführungen ohnmächtig sind, wenn ihr es wollt. Die listigen Einflüsterungen des täglichen Widerwillens, des gewohnten Überdrusses, des Verlangens nach Neuheit und Veränderung, der Durst nach gefährlichen Erlebnissen, die Anziehungskraft der verbotenen Frucht werden keine Macht über euch haben, wenn ihr durch Wachsamkeit, Kampf, Buße und Gebet diesen Zustand der Gnade bewahrt. Verbunden mit Gott werdet ihr heilig sein, und eure Kinder werden es sein nach euch, denn ihr habt, seit der Taufe gereinigt im Erlöserblut Christi, euren häuslichen Herd geweiht und werdet ihn gewiss weihen seinem göttlichen Herzen, dessen Bild über eure Tage und Nächte wachen wird.