Theresa von Avila: Verschiedene Schriften

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Verschiedenes aus der Sammlung Sämtliche Schriften der Heiligen Theresia von Jesus
Theresia von Avila

Quelle: Sämtliche Schriften der Heiligen Theresia von Jesus (in Fraktur). Neue deutsche Ausgabe übersetzt und bearbeitet nach der spanischen kritischen Ausgabe des P. Silverio de S. Teresa O.C.D. von P. Aloysius Alkhofer O. Carm. Disc., Verlag Kösel-Pustet München. In der Kathpedia ohne Anmerkungen.

Inhaltsverzeichnis

Berichte und Gunstbezeigungen der hl. Theresia

Quelle Erster Band 1933: Das Leben der heiligen Theresia, S. 425-506 (445 Seiten, Imprimatur Monachii, die 11 Julii 1933 F. Buchwieser Vic. Gen.).

I. Berichte der hl. Theresia

1. Bericht: Ávila, im Kloster der Menschwerdung 1560

Gebetsweise der Heiligen. Verzückungen. Geistesflug, Entrückung. Verlangen, Gott zu dienen, Bußwerke zu verrichten, einsam und arm zu leben, den Heiland nicht zu beleidigen. Nächstenliebe, Gegenwart Gottes, Gehorsam gegen den Seelenführer.

Jesus!

Die Art und Weise, wie ich gegenwärtig der Übung des Gebetes obliege, ist folgende. Gar selten kommt es vor, dass ich beim Gebete mit dem Verstande tätig sein kann; denn bald beginnt meine Seele sich zu sammeln und tritt in einen Zustand der Ruhe oder der Entzückung, so dass ich von den Vermögen der Seele und von meinen Sinnen keinen Gebrauch mehr machen kann. Das einzige Vermögen, das handelt, ist das Gehör; aber auch dieses dient mir nicht dazu, um zu verstehen, was man sagt.

Gar oft, wenn ich nicht an göttliche Dinge denken will und mich mit anderen Dingen beschäftige, erfasst mich plötzlich diese Sammlung und Erhebung des Geistes obwohl es mir infolge großer Trockenheit und körperlicher Schmerzen unmöglich erscheint, mich trotz all meiner Anstrengung in Gebetsstimmung zu versetzen. Ich vermag da nicht zu widerstehen, und in einem Augenblick finde ich mich im Besitz der daraus hervorgehenden Wirkungen und Vorteile.

Dies geschieht, ohne dass ich eine Vision gehabt noch auch irgend etwas vernommen hätte; ich weiß nicht einmal, wo ich bin, sondern sehe meine Seele, während sie sich zu verlieren scheint, mit solchem Gewinne bereichert, dass es mir nach meinem Dafürhalten trotz aller Anstrengung nicht möglich gewesen wäre, selbst in einem Jahre solche Fortschritte zu machen.

Manchmal befallen mich solch heftige Antriebe, dass ich vor Verlangen vergehe, Gott zu schauen, und ich meiner nicht mächtig bin. Es scheint mir, als ob es mit meinem Leben zu Ende ginge, und dann schreie ich auf und rufe zu Gott; diese Antriebe befallen mich mit großer Heftigkeit.

Manchmal kann ich nicht mehr sitzen bleiben, so heftig ist die Gewalt dieser Antriebe; sie verursachen eine innere Pein, ohne dass ich etwas dazu beitrage; und diese Pein ist derartig, dass sie die Seele während ihres ganzen Lebens nicht mehr entbehren möchte. Die Beängstigungen sind derart, dass die Seele verlangt, von diesem Leben zu scheiden, da sie, wie es scheint, kein Mittel findet, um dieser Qual abzuhelfen. Dieses Mittel wäre, Gott zu schauen, aber dazu müsste man sterben, und sich selber töten kann man nicht. Dabei kommt es der Seele vor, die ganze Welt außer ihr sei des Trostes voll und alle übrigen Menschen fänden Hilfe in ihren Leiden, nur nicht sie. Über diesen Gedanken ist sie so betrübt, dass der Herr sie aufrecht halten muß durch irgendeine Entzückung, wodurch sie, sei es dass sie etwas sieht, was sie verlangt, oder zum Verständnis irgendeiner Wahrheit kommt, vollkommene Befriedigung, tiefe Ruhe und Freude findet; ohne diese Hilfe Gottes könnte sie unmöglich sich aus dieser qualvollen Lage befreien.

Ein andermal ist dieses Verlangen, Gott zu dienen, mit solch heftigen Antrieben begleitet, dass ich es gar nicht in Worte zu fassen vermag. Ich empfinde dabei die heftigste Pein, weil ich sehe, dass ich so wenig zur Ehre Gottes zu tun vermag. Dann scheint es mir, es gebe keine Leiden und keine Prüfung, selbst keine Art von Tod oder Marter, die ich nicht gerne zu ertragen bereit wäre. Und dieses Gefühl kommt ohne alles Nachdenken, so dass ich in einem Augenblicke ganz verändert bin; und ich weiß nicht, woher mir ein solcher Mut zufließt. Ich möchte dann meine Stimme erheben und allen Menschen zu verstehen geben, wie wichtig es sei, für Gottes Ehre sich nicht mit wenigem zu begnügen, und welch große Schätze wir von seiner Hand empfangen werden, wenn wir uns dafür empfänglich machen. Dieses Verlangen, von dem ich spreche, ist derart, dass ich vergehen möchte, weil ich meiner Ansicht nach etwas will, was meine Kräfte übersteigt. Ich fühle mich wie gefesselt von diesem Leibe, der mich hindert, etwas zu tun für Gott und unseren Orden. Denn wäre dies nicht der Fall, so würde ich hervorragende Werke vollbringen, soweit es meine Kräfte erlaubten. Beim Anblick dieses vollständigen Unvermögens zum Dienste Gottes empfinde ich eine solche Pein, dass ich keinen Ausdruck dafür finde. Dieses Gefühl aber verschwindet wieder durch die Wonne, die Sammlung und Tröstung Gottes. Manchmal, wenn mich dieses heftige Verlangen, Gott zu dienen, erfasst, kommt es vor, dass ich körperliche Bußwerke verrichten will, allein in Anbetracht der Schwäche meines Körpers vermag ich es nicht. Dies würde indessen viel dazu beitragen, meine Pein zu lindern; denn schon das Wenige, das ich vollbringe, gereicht mir zur Erleichterung und Freude; wenigstens würde ich sicherlich Ausschreitungen begeben, wenn man mich längere Zeit diesem Verlangen überließe.

Zuweilen ist es für mich eine große Qual, mit jemandem umzugehen; diese Betrübnis ist aber so groß, dass sie mir reichlich Tränen auspreßt. Denn mein ganzes Verlangen geht dann dahin, allein zu sein. Und wenn ich auch nicht immer dem mündlichen Gebete und der Lesung obliege, so ist doch schon das Alleinsein an sich für mich ein Trost. Der Umgang, zumal mit Befreundeten und Verwandten, gereicht mir zur Last; ich komme mir da vor, wie wenn ich verlaust wäre, außer es sind solche Personen, mit denen ich mich über das Gebet und die Angelegenheiten der Seele besprechen kann. Bei diesen finde ich Trost und Freude, obwohl sie mir auch mitunter zur Last fallen; ich möchte sie dann nicht sehen und mich an einen Ort begeben, wo ich allein sein könnte, wenn dies auch ohne Zweifel sehr selten vorkommt. Ich spreche aber hier nicht von jenen, denen ich meine Gewissensangelegenheiten eröffne; denn diese bringen mir immer Trost.

Ein andermal gereicht es mir wieder zur Pein, zu essen und zu schlafen und sehen zu müssen, dass ich darauf weniger verzichten kann als andere. Ich tue es dann, um Gott zu dienen, und opfere es ihm auch in dieser Absicht auf.

Die Zeit rennt mir immer zu kurz vor und scheint mir unzureichend zum Gebet; denn ich werde nie überdrüssig, allein zu sein. Immer habe ich das Verlangen, eine Zeit zum Lesen herauszufinden, da ich daran immer große Freude hatte; sobald ich ein Buch zur Hand nehme, sammelt sich mein Geist, und ich bin dabei befriedigt. So verwandelt sich mein Lesen in Gebet; dies ist jedoch nicht oft der Fall in Anbetracht meiner vielfachen Beschäftigungen, die zwar an sich gut sind, aber mir nicht jene Befriedigung verschaffen, die ich beim Lesen finden würde. Dies ist der Grund, warum ich stets wünsche, mehr Zeit zu haben; es kommt mir alles geschmacklos vor, wenn ich sehe, dass ich nicht verwirklichen kann, was ich wünsche und was ich verlange.

Alle diese Wünsche sowie auch einen Zuwachs an Tugend hat mir Unser Herr verliehen, seitdem er mich mit dem Gebete der Ruhe und diesen Verzückungen begnadigt hat. Ich finde in mir eine solche Besserung, dass ich nach meinem Dafürhalten bis zu diesem Zeitpunkt die Unvollkommenheit selbst war. Diese Verzückungen und Visionen bringen in mir große Wirkungen hervor, von denen ich jetzt reden will; und wenn ich etwas Gutes an mir habe, so ist der Ursprung davon sicher darauf zurückzuführen.

Es wurde in mir der feste Entschluss wach, Gott in keiner Weise mehr, auch nicht durch eine lässliche Sünde, zu beleidigen und lieber tausendmal zu sterben als mit freiem Willen einen solchen Fehler zu begehen. Ferner fühle ich mich, wenn ich etwas für vollkommener halte und dadurch die Ehre Unseres Herrn mehr zu fördern glaube, so heftig angetrieben, es zu erfüllen, dass ich es um keiner Schwierigkeit und um keines Schatzes in der Welt willen unterlassen wollte. Dasselbe ist der Fall, sobald ich von dem einen Auftrag erhalte, der die Sorge für meine Seele und deren Leitung übernommen hat; würde ich das Gegenteil tun, so könnte ich es meiner Ansicht nach nicht mehr wagen, etwas von Gott Unserem Herrn zu erbitten noch auch zum Gebete meine Zuflucht zu nehmen, wenn ich auch dabei viele Fehler und Unvollkommenheiten begehe.

Ich gehorche meinem Beichtvater, wenn auch nur in unvollkommener Weise; sobald ich aber weiß, dass er etwas will oder befiehlt, so unterlasse ich dessen Ausführung, wie ich meine, nicht; denn sonst würde ich glauben, in einer argen Täuschung mich zu befinden.

Ich habe außerdem auch das Verlangen, arm zu leben, wenn es auch mit Unvollkommenheit verbunden ist; allein, wie mir scheint, wollte ich doch weder ein eigenes Einkommen noch auch Geld, zu meinem Privatgebrauch besitzen, selbst wenn ich große Reichtümer hätte. Dies lässt mich ganz gleichgültig; ich würde mich mit dem Notwendigen allein zufrieden geben. Bei alledem erkenne ich jedoch, dass mir von dieser Tugend der Armut noch vieles mangelt. Wenn ich auch für mich weder Geld noch Einkommen noch irgend etwas anderes wünsche, so möchte ich doch etwas haben, um es wieder verschenken zu können.

Fast aus allen Visionen, mit denen ich begnadigt wurde, habe ich Nutzen gezogen; es ist dies vielleicht eine Täuschung des bösen Feindes, allein ich überlasse mich in diesem Punkte dem Urteile meiner Beichtväter.

Ich habe keine Freude mehr, etwas Schönes und Prachtvolles, wie z. B. Wasser, Felder und Blumen, zu sehen noch auch Wohlgerüche einzuatmen oder dem Gesange zu lauschen. Denn der Unterschied zwischen jenen Gegenständen und diesen Visionen, womit mich der Herr gewöhnlich begnadigt, ist derart, dass ich kein Verlangen mehr darnach habe; ich achte daher so wenig darauf, dass mir kaum der erste Eindruck davon bleibt; alles dies erscheint mir wie Kehricht.

Wenn ich gezwungen bin, mit Weltleuten zu reden oder zu verkehren, und die Unterhaltung sich auch nur um das Gebet dreht, so muß ich mir, falls es nur zum Zeitvertreib geschieht, und es nicht notwendig ist, Gewalt antun; denn es ist dies für mich eine große Qual. Lustbarkeiten, an denen ich ehedem so großen Gefallen fand, und überhaupt weltliche Dinge sind mir zur Last; ich mag sie nicht einmal sehen.

Dieses Verlangen, Gott zu lieben, ihm zu dienen und ihn zu schauen, von dem ich gesprochen, hat seinen Ursprung nicht in Erwägungen wie ehedem, wo ich auch sehr andächtig zu sein glaubte und Tränen vergoß; es wird vielmehr hervorgerufen durch eine derartige innere Entflammung und Glut, dass ich — ich wiederhole es — meiner Ansicht nach mein Leben lassen müsste, wenn mir Gott nicht durch irgendeine Entzückung, wodurch er meine Seele mit Wonne erfüllt, zu Hilfe käme.

Solche, die ich in der Tugend weit vorangeschritten sehe, die, beseelt von diesem Verlangen, der Welt abgestorben und voll Mutes sind, liebe ich sehr; und ich möchte auch mit ihnen gerne verkehren, weil sie mir eine Stütze zu sein scheinen. Der Anblick von furchtsamen Personen aber, die im Finsteren herumtappen in Dingen, die sie vernünftigerweise tun könnten, scheint mich zu betrüben und nötigt mich, zu Gott und zu den Heiligen zu rufen, die Dinge vollbrachten, deren Erhabenheit uns jetzt in Staunen setzt. Dies sage ich nicht deshalb, weil ich auf mich etwas halte, sondern weilt ich glaube, dass Gott denen seinen Beistand gewährt, die aus Liebe zu ihm große Werke vollbringen; er verlässt jene nicht, die auf ihn allein ihr Vertrauen setzen. Und da möchte ich Seelen finden, die fähig sind, mich in dieser Überzeugung zu bestärken, und nicht mehr darüber besorgt sind, was wir essen und womit mir uns bekleiden sollen, sondern die dies alles Gott überlassen.

Wenn ich Gott die Sorge für das Notwendige überlasse, so ist das nicht so zu verstehen, dass ich mich in keiner Weise darum bemühe, sondern ich will damit nur sagen, dass ich dabei nicht mit Unruhe zu Werke gehe. Seitdem mir Gott diese Freiheit verliehen hat, befinde ich mich dabei wohl, und ich sorge nur dafür, mich so viel wie möglich zu vergessen. Es ist, wie mir scheint, noch kaum ein Jahr, seitdem mir Gott diese Gnade verliehen hat.

Gott sei Dank habe ich, soweit ich es erkenne, keinen Grund, eitel zu sein. Ich sehe klar ein, dass Gott es ist, der mir diese Gunstbezeigungen verleiht, und dass ich meinerseits nichts dazu beitrage. Übrigens lässt mich Gott meine Armseligkeit erkennen; denn nach meiner Überzeugung könnte ich trotz aller Anstrengung nie aus mir allein jene Wahrheiten erfassen, die er mir in einem Augenblick offenbart.

Was diese Gunstbezeigungen selbst betrifft, so spreche ich seit einiger Zeit in einer Weise davon, als ob es sich um eine andere Person handelte. Früher geriet ich manchmal in Verwirrung, wenn man von mir etwas erfuhr; aber jetzt sehe ich, dass ich dadurch keineswegs besser, sondern vielmehr weit elender bin; denn ich ziehe aus diesen Gnaden so wenig Nutzen, dass es mir vorkommt, es gebe nirgends auf der Welt eine schlimmere Seele als die meinige. Die Tugenden anderer scheinen mir weit verdienstvoller als die meinigen, da ich nichts anderes vollbringe als Gnaden empfangen; anderen wird Gott auf einmal geben, was er mir hier auf Erden verleihen will. Darum bitte ich ihn, er möge mich nicht schon auf dieser Welt belohnen; aber wenn er mich auf diesem Wege führt, so geschieht es, wie ich fest überzeugt bin, um meiner Schwachheit und meines Elendes willen.

Wenn ich mich im Gebete befinde und selbst fast jedesmal, so oft ich mich auch nur ein wenig in der Betrachtung sammle, ist es mir trotz aller Mühe nicht möglich, Gott um Freuden zu bitten oder darnach zu verlangen, weil ich sehe, dass sein Anteil im Leben nur Leiden waren; und darum flehe ich zu ihm um Leiden; zuerst aber bitte ich ihn, mir die Gnade zu verleihen, sie ertragen zu können.

Alle derartigen Gunstbezeigungen und jene, die sich auf eine erhabene Vollkommenheit beziehen, prägen sich mir im Gebete so tief ein, dass ich vor Verwunderung mit fortgerissen werde. Wenn ich so erhabene Wahrheiten mit solcher Klarheit sehe, so kommen mir die Dinge dieser Welt wie Torheit vor. Auch muß ich um mich selbst besorgt sein, um nicht zu vergessen, mit welchem Auge ich früher die Dinge dieser Welt betrachtete. Ist es nicht eine Torheit, über den Tod oder die Leiden eines Menschen ohne Unterlass zu weinen oder übermäßig an Freunden oder Verwandten zu hängen? Ja, ich muß, ich wiederhole es, um mich selbst in Sorge sein, wenn ich bedenke, wie ich früher war und welche Gefühle ich damals gewöhnlich hatte.

Wenn ich an Personen Dinge gewahre, die offenbar Sünden sind, so kann ich nicht glauben, dass sie Gott beleidigt haben. Und wenn mir wirklich der Gedanke gekommen ist — was sehr selten der Fall war —, so habe ich ihm doch nie zugestimmt trotz der Beweise, die ich davon hatte. Ich war immer der Meinung, dass andere ebenso seien wie ich und Gott wirklich gefallen möchten. Gott hat mir hierin eine große Gnade erwiesen, dass ich mich nie in Gedanken an etwas Bösem aufhalte, wenn ich mich später daran erinnere. Und wenn mir auch der Gedanke daran kommt, so sehe ich immer eine andere Tugend an dem Menschen, der so etwas tut. Darum empfinde ich in diesem Betreffe nie oder fall nie die geringste Verwirrung. Nur die Häresien betrüben mich beständig; und ich kann überhaupt nicht daran denken, ohne zur Überzeugung zu kommen, dass diese allein schon genügen sollten, um uns zu betrüben. Auch das fällt mir schwer, wenn ich Personen sehe, die sich dem Gebete ergeben haben und ihm wieder den Rücken kehren. Allein diese Betrübnis ist nicht von langer Dauer, weil ich immer dafür sorge trage, dass ich mich nicht dabei aufhalte.

Auch bin ich jetzt weniger neugierig als sonst, wenn ich auch nicht ganz von diesem Fehler frei bin; denn wenn ich mich auch manchmal in diesem Punkte überwinde, so bin ich hierin doch nicht immer ganz getreu.

Alles, was ich gesagt habe, ist meines Erachtens das, was gewöhnlich in mir vorgeht; und ich füge hinzu, dass mein Geist dabei beständig mit Gott beschäftigt ist. Trotz meiner anderweitigen Beschäftigungen ist meine Aufmerksamkeit, ohne es zu wollen und zu verstehen, wie es kommt, wach für Gott. Dies trifft zwar nicht immer zu, sondern nur, wenn ich mich mit wichtigen Dingen beschäftige. Gott sei Dank! befasst sich mein Geist mit solchen wichtigen Dingen nur zeitweilig, und selbst dann ist er nicht vollständig davon eingenommen.

Manchmal, aber nur selten, kommt es vor, dass drei, vier oder fünf Tage lang alle meine guten Werke, all mein Eifer und die Visionen aus meinem Geiste entschwunden zu sein scheinen. Ich kann mich nicht auf mehr daran erinnern, und wenn ich auch wollte, mich nicht entsinnen, ob ich je in meinem Leben etwas Gutes getan habe. Es erscheint mir dies alles wie ein Traum, wenigstens kann ich mich an nichts erinnern. Meine körperlichen Leiden quälen mich dann alle auf einmal. Mein Verstand ist so verwirrt, dass ich an nichts Göttliches denken kann und nicht einmal weiß, nach welchen Vorschriften ich lebe. Wenn ich etwas lese, so verstehe ich es nicht; ich sehe mich voll von Fehlern und ganz mutlos zur Tugend. Mein Starkmut, der mir sonst gewöhnlich eigen ist, ist so geschwächt, dass ich scheinbar nicht einmal der geringsten Versuchung Widerstand leisten und die kleinste üble Nachrede von seiten der Welt ertragen könnte. Dann kommt mir der Gedanke, dass ich zu nichts tauglich bin und man mich mit Recht für eine Person hält, die außerhalb des gewöhnlichen Weges geht. Darüber befällt mich große Traurigkeit; und es kommt mir vor, als ob ich alle täuschen würde, die eine gute Meinung von mir haben. Ich möchte mich dann an einem Orte verbergen, wo ich niemand sehen könnte; aber ich verlange nach dieser Einsamkeit nicht aus Tugend, sondern aus Kleinmut. Ich wäre, wie mir scheint, sogar bereit, mit allen jenen zu zanken, die mir widersprechen wollten. Doch Gott verleiht mir inmitten dieses Kampfes seine Gnade, dass ich ihn nicht ärger als gewöhnlich beleidige. Ich bitte ihn nicht darum, diese Prüfung von mir hinwegzunehmen, ich bin sogar bereit, sie immer zu erdulden, wenn es sein heiliger Wille ist, wenn er mich nur an seiner Hand hält, damit ich ihn nicht beleidige. Ich mache mich ihm ganz gleichförmig und erkenne es als eine besondere Gnade von seiner Seite, dass er mich nicht immer in diesem Zustande belässt.

Über etwas muß ich mich indes wundern: Wenn ich mich in diesem Zustand befinde, so reicht ein einziges jener Worte, die ich gewöhnlich vernehme, eine Vision oder eine kurze innere Sammlung, die nur ein Ave Maria lang dauert, hin, um meiner Seele die Ruhe, meinem Leibe die Gesundheit, meinem Verstand die Klarheit und mir den Mut und das Verlangen zu verleihen, von dem ich gewöhnlich beseelt bin. Es genügt dazu sogar der Empfang der heiligen Kommunion. Ich habe diese Gunstbezeigungen häufig erfahren; wenigstens bessert sich meine Gesundheit seit sechs Jahren in auffälliger Weise, wenn ich kommuniziere; diese Wirkung macht sich auch manchmal geltend, wenn ich Verzückungen habe. Diese Besserung währt zuzeiten drei Stunden lang; öfters auch den ganzen Tag, und nach meinem Dafürhalten ist dies keine Täuschung von meiner Seite; ich habe das mit der größten Sorgfalt beobachtet. Darum habe ich, wenn ich mich in diesem Zustand der Sammlung befinde, durchaus keine Furcht vor einer Erkrankung. Wenn ich aber das Gebet in der Weise übe, wie ich es früher gewöhnt war, so merke ich von dieser Besserung nichts. Alles, was ich bisher gesagt habe, nötigt mich zu der Annahme, dass diese Dinge von Gott kommen; denn ich weiß, was ich früher war, und ich sehe, dass ich dem Verderben zugeeilt und es in kurzer Zeit um mich geschehen gewesen wäre; aber diese Gunstbezeigungen, womit meine Seele entzückt wurde, haben mich wirklich ganz umgewandelt; ich wußte nie, woher die Tugenden kamen, die ich in mir wahrnahm; ich kannte mich nicht mehr und sah ein, dass diese in der Tat ein Geschenk des Himmels und nicht eine Frucht meiner eigenen Anstrengungen waren. Ich kann das mit aller Wahrheit und Offenheit sagen und weiß, dass ich mich nicht täusche. Gott hat mich durch diese Gunstbezeigungen nicht nur an sich ziehen, sondern auch vor der Hölle bewahren wollen, wie es auch meinen Beichtvätern bekannt ist, bei denen ich meine Generalbeichte ablegte.

Komme ich mit irgendeiner Person zusammen, die etwas von mir weiß, ja möchte ich ihr auch gerne meinen ganzen Lebenslauf mitteilen; denn ich sehe es als eine Ehre für mich an, dass Unser Herr gepriesen wird; alles andre ist mir gleichgültig. Seine Majestät weiß dies wohl, aber ich bin blind: weder Ehre noch Leben, weder Ruhm noch irgendein Gut des Leibes oder der Seele vermag mich für sie einzunehmen oder der Gegenstand meiner Wünsche zu sein. Ich wünsche nicht einmal meinen geistlichen Fortschritt, sondern nur seine Ehre. Ich kann nicht glauben, dass der Teufel so viele Mittel ausfindig gemacht hat, um meine Seele für sich zu gewinnen und sie dann zu verbergen; denn für so dumm halte ich ihn nicht. Auch kann ich nicht annehmen, dass Gott selbst, wenn ich meiner Sünden wegen verdient hätte, getäuscht zu werden, die zahllosen Gebete hätte abweisen können, die so viele fromme Seelen seit zwei Jahren für mich zu ihm emporsenden. Denn ich höre nicht auf, die ganze Welt um ihr Gebet zu bitten, damit ich erkenne, ob diese Gunstbezeigungen vom Herrn ausgehen, oder damit er mich einen anderen Weg führe. Nach meinem Dafürhalten würde Seine göttliche Majestät nicht zugelassen haben, dass diese beständig andauerten, wenn sie nicht von ihrer Hand ausgehen würden.

Diese Erwägungen sowie die Gründe so vieler heiliger Männer geben mir Mut, wenn mich in Anbetracht meiner großen Armseligkeit die Furcht befällt, es möchten diese Gnaden nicht von ihm kommen.

Aber wenn auch alle Gelehrten und Heiligen der Welt sich vereinigten und mir alle erdenklichen Qualen zufügten, um mich glauben zu machen, es kämen diese Dinge vom Teufel, so könnte ich dies zur Zeit des Gebetes und an jenen Tagen, an denen meine Seele in Ruhe und meine Gedanken mit Gott beschäftigt sind, nicht glauben, selbst wenn ich es gerne glauben wollte. Und als man mich zwingen wollte, es zu glauben, geriet ich in Anbetracht der Autorität dessen, der es mir befahl, in Furcht. Ich dachte mir, dass diese Gelehrten wohl die Wahrheit sagen müssten und dass ich mich, da ich einmal so bin, wie ich bin, täuschen würde. Aber bei der ersten Ansprache, die ich in mir vernahm, bei der ersten inneren Sammlung oder Vision war alles, was man mir sagte, wieder wie verschwunden; ich konnte nicht anders und mußte glauben, dass diese Dinge von Gott kommen.

Ich denke indessen, dass zuweilen der Teufel sich einmischen kann, und es ist auch so, wie ich es gesehen und gesagt habe; aber die Wirkungen sind dann ganz andere. Wer in diesen Gunstbezeigungen Erfahrung besitzt, der kann sich meines Erachtens nicht täuschen. Aber trotz meiner sicheren Überzeugung, dass sie von Gott kommen, erkläre ich, dass ich um nichts in der Welt etwas tun würde, was nach der Ansicht meines Seelenführers nicht zur größeren Ehre Unseres Herrn gereichen würde. Ich habe auch nie etwas anderes vernommen, als dass ich gehorsam sein müsste und keine dieser Gnaden verschweigen dürfte, da sich dies gezieme. Fast beständig werde ich wegen meiner Fehler zurechtgewiesen, und zwar auf eine Weise, dass ich bis ins Innerste meiner Seele erschüttert werde. Ich erhalte außerdem auch Anweisungen, wenn irgend etwas, womit ich mich beschäftige, gefährlich ist oder gefährlich sein könnte. Diese Warnungen gereichen mir zu außerordentlichem Nutzen; sie haben mir oft meine begangenen Sünden ins Gedächtnis zurückgerufen, die mich mit großem Schmerze erfüllten.

Ich bin zwar sehr weitläufig geworden; allein trotzdem scheint mir der Bericht der Gnaden, mit denen ich mich beim Verlassen des Gebetes bereichert finde, ganz gewiß zu kurz zu sein. Freilich begehe hole ich trotz dieser Gunstbezeigungen noch eine Menge von Unvollkommenheiten; ich fühle mich recht unnütz und elend. Vielleicht verstehe ich das Gute nicht oder ich täusche mich. Indessen bemerke ich eine große Besserung in meinem Leben; und wenn ich daher nachdenke über das, was ich gesagt habe, so muß ich in Wahrheit gestehen, dass ich dies, soviel mir scheint, in der Tat empfunden habe. Dies sind die Gnaden, die der Herr einem so elenden und unvollkommenen Geschöpfe wie mir zu verleihen sich gewürdigt hat. Ich überlasse dies alles ihrem Urteile, da Sie die tiefsten Geheimnisse meiner Seele kennen.

2. Bericht: An einen ihrer Beichtväter

Palast der Doña Luise de la Cerda im Jahre 1562.

Die Gebetsweise der Heiligen ist vollkommener geworden; ihr Geist der Armut und des Glaubens; ihre Liebe, ihre Geduld, ihre Losschälung, ihr Mut. Verlangen nach der Verherrlichung Gottes. Reinheit ihrer Seele.

Jesus!

Es ist, wie ich glaube, mehr als ein Jahr, dass ich diesen Bericht hier geschrieben habe: Während dieser ganzen Zeit hat mich Gott an seiner Hand gehalten, und mein innerer Zustand ist nicht schlimmer geworden; vielmehr finde ich an mir einen großen Fortschritt, wie ich ihnen nun erzählen werde. Gott sei gepriesen für alles!

Die Visionen und Offenbarungen haben noch kein Ende genommen, sie sind vielmehr noch weit höherer Natur. Der Herr hat mich eine Gebetsweise gelehrt, aus der ich weit größeren Nutzen ziehe, die mich in höherem Maße von den zeitlichen Dingen losschält und mir größeren Mut und größere Freiheit des Geistes verschafft.

Die Verzückungen haben zugenommen; sie überraschen mich mit solcher Heftigkeit und Gewalt, dass ich deren Wirkungen nach außen hin nicht verhindern kann; sie kommen selbst, wenn ich in Gesellschaft mit anderen bin, und zwar auf eine Weise, dass ich sie keineswegs zu verheimlichen, sondern in Anbetracht meines Herzleidens nur anzudeuten vermag, es sei dies eine Ohnmacht. Soviel ich mir auch anfangs Mühe gebe, sie zurückzuhalten, so sind doch zuweilen meine Kräfte zu schwach.

Bezüglich der Armut hat mir Gott meines Erachtens eine große Gnade verliehen, da ich selbst nach dem Notwendigen kein Verlangen trage, sondern nur vom Almosen leben will; ja, ich habe sogar den sehnlichsten Wunsch, in einem Kloster zu sein, in dem man nur von der Wohltätigkeit anderer lebt. Es scheint mir, dass ich in meiner gegenwärtigen Lage, wo ich sicher bin, dass es mir weder an Nahrung noch an Kleidung fehlt, dass Gelübde der Armut und den Rat Christi nicht so vollkommen erfüllen kann als da, wo ich keine Einkünfte hätte und manchmal Mangel leiden müsste. Die Vorteile, die man durch wahre Armut gewinnt, kommen mir sehr groß vor, und ich möchte keinen davon verlieren.

Zu Zeiten ist mein Glaube so lebendig, dass ich fest daran halte, Gott könne keine Seele, die ihm dient, verlassen; und ich bin fest überzeugt, dass es keine Zeit gebe noch geben könne, in der seine Worte unerfüllt bleiben; und es ist mir auch nicht möglich, eine andere Überzeugung zu gewinnen oder die geringste Furcht in diesem Punkte zu hegen. Darum schmerzt es mich sehr, wenn man mir den Rat gibt, Einkünfte zu haben, und ich nehme dann meine Zuflucht zu Gott [um mich zu tröffen].

Ich habe jetzt, wie mir scheint, viel mehr Mitleid mit den Armen wie ehedem. Ihr Elend rührt mich derart, und ich habe ein so inniges Verlangen, ihnen zu helfen, dass ich ihnen, wenn es auf meinen Willen ankäme, selbst das Kleid schenken würde, dass ich trage. Es widerstrebt mir in keiner Weise, mit ihnen zu reden oder ihnen die Hand zu reichen, und ich erkenne, dass diese Gesinnung ein Geschenk Gottes ist; denn wenn ich ihnen auch früher aus Liebe zu ihm ein Almosen spendete, so war dies doch nicht in meiner Natur begründet. Ich bemerke also auch in diesem Punkte eine Besserung in mir.

Bezüglich der zahllosen Verleumdungen, deren Gegenstand ich oft bin, und die mir wirklich Schaden zufügen, finde ich mich viel mutiger. Sie machen auf mich sozusagen keinen tieferen Eindruck, wie wenn ich keine Kenntnis davon hätte, und gar oft, ja fast immer, glaube ich, dass man ein Recht dazu habe. Ich bin so unempfindlich dagegen, dass ich dadurch meiner Ansicht nach Gott kein Opfer bringen kann. Da ich aus Erfahrung weiß, dass meine Seele daraus großen Nutzen zieht, so scheint es mir eher, dass man mir dadurch Gutes erweist. Darum sehe ich jedes Gefühl der Feindseligkeit gegen meine Verleumder vom ersten Augenblick an verschwinden, wo ich mich zum Gebete anschicke. Wenn ich derartige Vorwürfe höre, so widerstrebt es mir zwar ein wenig, aber ich werde dabei weder unruhig noch verwirrt. Im Gegenteil, wenn ich manchmal Personen gewahre, die sich darüber aufregen, so empfinde ich Mitleid mit ihnen; denn alle Ungerechtigkeiten der Welt scheinen mir so unbedeutend zu sein, dass man davon in keiner Weise berührt werden sollte. Es kommt mir dies alles wie ein Traum vor, und ich merke, dass nach dem Erwachen aus ihm nichts mehr vorhanden ist.

Gott verleiht mir, wie schon erwähnt, durch diese Visionen ein recht inniges Verlangen, ihm zu dienen, eine lebendige Sehnsucht nach Vereinsamung und eine weit vollkommenere Losschälung von allen irdischen Dingen. Er hat mir auch zu verstehen gegeben, wie wenig beachtenswert alles ist, was wir verlassen; was jene betrifft, die mit mir durch die Bande der Freundschaft oder Verwandtschaft verbunden waren, so ist es für mich kein Opfer, mich von ihnen zu trennen; sie gereichen mir vielmehr zur Last. Sobald es sich darum handelt, Gottes Ehre auch nur ein wenig mehr zu fördern, so verlasse ich sie mit voller Freiheit und Freude, und so finde ich überall den Frieden.

Einige Ratschläge, die mir im Gebete gegeben wurden, sind sehr begründet. Infolgedessen finde ich durch die mir von Gott verliehenen Gnaden einerseits eine merkliche Besserung in mir, andererseits sehe ich, wie untauglich ich bin zu seinem Dienste, nachdem ich mehr Gnaden empfangen habe, als ich verdiene; diese Wahrnehmung fällt mir oft recht schwer. Meine Bußübungen sind unbedeutend; man erweist mir viel Ehre und oft ganz gegen meinen Willen, kurz, ich führe ein sehr angenehmes und keineswegs abgetötetes Leben. Möge Gott hier in seiner Allmacht Hilfe schaffen!

3. Bericht: St. Josephskloster zu Ávila, im Jahre 1563

Den beiliegenden Bericht, der von meiner Hand ist, habe ich vor ungefähr neun Monaten geschrieben. Seitdem habe ich mich bemüht, den Gnaden zu entsprechen, die mir Gott verliehen hat; ich glaube sogar, dass ich, soweit ich es erkenne, neue empfangen und eine weit größere innere Freiheit erlangt labe. Bisher war ich der Meinung, ich hätte andere nötig, und stützte mich zu sehr auf die Hilfe von seiten der Welt; jetzt aber erkenne ich klar, dass alle Menschen wie ein dürrer Rosmarinstengel sind und man keine Sicherheit hat, wenn man sich auf sie verlässt, da sie unter der geringsten Last des Widerspruches oder der üblen Nachrede zusammenbrechen. So habe ich aus Erfahrung gelernt, dass das beste Bewahrungsmittel vor dem Falle darin besteht, das Kreuz zu umfassen und auf den zu vertrauen, der an ihm gehangen ist. Ich finde an ihm einen wahren Freund; mich aber sehe ich mit einer solchen Herrschermacht ausgerüstet, dass ich, wie mir scheint, allen Angriffen von seiten der Welt mich widersetzen könnte, falls Gott mich nicht verließe.

Bevor ich diese Wahrheit so klar erkannte, hielt ich sehr viel darauf, in Ehren zu stehen; jetzt kümmert mich dies nicht mehr, vielmehr ist es mir lästig, aber es betrifft jene, mit denen ich die Angelegenheiten meiner Seele bespreche oder denen ich nützlich zu sein glaube. Von den ersteren wünsche ich geliebt in werden, damit sie mich ertragen, und von den letzteren, damit sie mir eher glauben, wenn ich ihnen sage, dass alle Dinge eitel seien.

Inmitten der schrecklichen Prüfungen, Verfolgungen und Anfeindungen, die ich in den letzten Monaten auszustehen hatte, hat mir Gott einen außerordentlichen Mut verliehen. Je größer die Schwierigkeiten waren, um so mehr wuchs mein Mut, ohne dass ich des Leidens überdrüssig wurde. Ich fühlte nicht nur keinen Widerwillen gegen Personen, die Übles über mich redeten, ich fand vielmehr, wie mir scheint, daran Anlass, sie aufs neue zu lieben. Ich weiß nicht, wie dies sein konnte, jedenfalls aber war dies gewiß ein Geschenk von der Hand des Herrn.

Ich hatte, wenn ich etwas wünschte, von Natur aus ein sehr heftiges Verlangen, in dessen Besitz zu kommen; jetzt aber sind meine Wünsche mit solcher Ruhe begleitet, dass ich, wenn ich sie verwirklicht sehe, nicht einmal weiß, ob ich mich freuen soll. Der Schmerz und die Freude beherrschen mich, wenn es sich nicht um Dinge handelt, die auf das Gebetsleben Bezug haben, so wenig, dass ich mir ganz gefühllos vorkomme und manchmal mehrere Tage in diesem Zustande verbleibe.

Ich habe von Zeit zu Zeit wie auch früher ein heftiges Verlangen nach Bußwerken; und wenn ich ein solches auf mich nehme, so empfinde ich es in Anbetracht dieses heftigen Verlangens so wenig, dass es mir manchmal, ja fast immer eine besondere Freude bereitet. Ich mäßige mich indessen in diesem Punkte, da ich selbst leidend bin.

Es ist für mich oft eine wahre Qual, essen zu müssen, besonders wenn ich mich im Gebete befinde; jetzt aber ist diese Qual außerordentlich groß; sie muß sehr tief gehen, da sie mir viele Tränen ausgepreßt und mich, ohne es zu merken, zum Aussprechen von Worten voll Betrübnis veranlasst, was ganz gegen meine Gewohnheit ist. Ich habe in der Tat während meines Lebens schon viele schmerzliche Prüfungen durchgemacht und erinnere mich nie, jemals solche Klageworte ausgesprochen zu haben; denn in diesem Punkte bin ich durchaus nicht weibisch, sondern habe ein hartes Herz.

Ich fühle in mir ein weit heftigeres Verlangen als sonst gewöhnlich, es möchten sich Menschen finden, die Gott mit vollkommener Losschälung und vollständiger Preisgabe aller irdischen Dinge dienen, da dies alles nur Blendwerk ist. Ich wünsche ihn auf diese Weise besonders von den Gelehrten verherrlicht zu sehen. Denn wenn ich die großen Bedrängnisse der Kirche betrachte, die mich so sehr schmerzen, so kommt es mir ganz ungereimt vor, sich noch über etwas anderes zu betrüben; deshalb empfehle ich die Gelehrten ohne Unterlass Gott. Ich weiß nämlich, dass eine einzige ganz vollkommene Person, die von wahrer Liebe zu Gott erfüllt ist, weit mehr Nutzen schafft als viele lässige Seelen.

In Sachen des Glaubens finde ich mich meines Erachtens weit stärker. Ich glaube imstande zu sein, mich allen Lutheranern entgegenstellen und sie ihres Irrtums überweisen zu können.

Ich sehe, dass viele Seelen in der Tugend vorangeschritten sind, und erkenne klar, dass sich Gott meiner als eines Werkzeuges dazu bedienen wollte; auch nehme ich wahr, dass meine Seele, dank seiner Güte, mit jedem Tag in seiner Liebe zunimmt.

Ich könnte, wie mir scheint, auch wenn ich wollte, keinem eitlen Gedanken Raum geben, noch mir denken, dass eine einzige meiner Tugenden in mir ihren Ursprung habe; denn seit kurzer Zeit nehme ich wahr, dass ich viele Jahre lang keine einzige Tugend besessen habe. Jetzt empfange ich Gnaden im Überfluss, ohne Gott zu dienen, und so bin ich das nutzloseste Geschöpf der Welt. Es ist dies wirklich so, da ich gar oft sehe, wie alle anderen nur nicht ich Fortschritte machen, und wie untauglich ich zu allem bin. Das ist sicherlich keine Demut, sondern reine Wahrheit. Wenn ich mich so unnütz sehe, so befällt mich manchmal die Furcht, ich möchte ein Opfer der Täuschung sein. Ich erkenne darum klar, dass diese Visionen und Offenbarungen, die ich nicht suche und bei denen ich auch, gleich als ob ich ein Stück Brett wäre, nicht mitwirke, die Quelle diese geistigen Gewinnes sind. Dies gibt mir Sicherheit und beruhigt mich wieder in etwas; ich werfe mich in die Arme Gottes und vertraue auf mein Verlangen, dass, wie ich sicher weiß, darauf zielt, für ihn zu sterben und all meine Ruhe ihm zum Opfer zu bringen, mag denn auch kommen, was da wolle.

Es gibt Tage, an denen ich mich unzählige Male an das erinnere, was der heilige Paulus sagt, obwohl ich sicherlich das nicht fühle wie er. Es kommt mir vor, dass nicht mehr ich es bin, die lebt, redet und etwas will, sondern dass in mir einer ist, der mich regiert und stärkt. Ich bin da sozusagen ganz außer mir, und es wird mir das Leben zur größten Qual. Da es für mich so schmerzlich ist, getrennt von ihm zu sein, so besteht das größte Opfer, dass ich zu seiner Ehre bringen kann, darin, dass ich mich dareinfinden muß, aus Liebe zu ihm noch länger in dieser Welt zu leben. Ich wünschte selbst, es möchte mein Leben inmitten der größten Leiden und Verfolgungen dahinfliegen; denn da ich zu nichts tauglich bin, so möchte ich ihn doch, wenigstens durch Leiden verherrlichen. Ich würde gern alle Martern der Welt auf mich nehmen, um wenigstens ein wenig mehr Verdienste zu haben, will sagen, um vollkommener seinen Willen erfüllen zu können.

Seit zwei Jahren habe ich nichts im Gebete vernommen, dessen Erfüllung ich nicht gesehen hätte. Die Vorstellungen, die ich über die Großtaten Gottes und seine Vorsehung bekomme, sind so erhaben, dass sie mein Verstand, sobald ich daran denken will, nicht zu fassen vermag, denn ich nehme Dinge wahr, die meine Begriffe weit übersteigen, und dann trete ich in eine tiefe Sammlung.

Gott will mich mit solcher Sorgfalt vor der geringsten Beleidigung seiner Majestät behüten, dass ich oft über mich staunen muß. Ich sehe es gleichsam, mit welcher Aufmerksamkeit er mich bewacht, obwohl ich ihm in keiner Weise entspreche. Ich war nämlich ein Abgrund von Sündhaftigkeit und Elend, bevor ich diese Gunstbezeigung empfing; und ohne es zu merken, habe ich jetzt soviel Herrschaft über mich bekommen, um nicht mehr zurückzufallen. Wenn ich das Verlangen habe, die Sünden meines Lebens bekanntzumachen, so geschieht es deshalb, damit die große Macht Gottes offenbar werde. Er sei gepriesen in alle Ewigkeit! Amen.

Jesus — Der obenstehende Bericht ist nicht von meiner Hand geschrieben. Ich habe ihn meinem Beichtvater gegeben, und dieser hat ihn, ohne etwas zu ändern oder hinzuzufügen, eigenhändig abgeschrieben. Dieser war ein großer Geistesmann und hervorragender Theologe, dem ich alle Angelegenheiten meiner Seele anvertraute; er besprach sie wieder mit anderen Gelehrten, unter denen sich auch Vater Mancio befand. Alle diese haben nichts gefunden, was mit der Heiligen Schrift nicht vollständig im Einklang stand; es war dies für mich eine große Beruhigung, obwohl ich klar erkenne, dass ich, solange mich Gott auf diesem Wege führen will, in seiner Weise auf mich ein Vertrauen setzen darf. So habe ich es auf immer gehalten, obgleich ich dabei viel zu leiden habe. Betrachten sie dies alles als Beichtgeheimnis, wie ich Sie darum gebeten habe.

4. Bericht: Vater Rodrigo Alvarez aus der Gesellschaft Jesu in Sevilla

Sevilla 1576.

Das innere Leben der Heiligen. Ihre Seelenführer und ihre Prüfungen. Die Theologen billigen ihren Geist. Blinder Gehorsam gegen ihre Beichtväter. Wirkungen der ihr verliehenen Gunstbezeigungen des Himmels.

Jesus!

Es sind jetzt vierzig Jahre, dass diese Nonne das Ordenskleid genommen hat. Gleich vom ersten Jahre an hat sie angefangen, die Geheimnisse Unseres Herrn zu betrachten und ihre Sünden zu beweinen. Sie war nie darauf bedacht, einen übernatürlichen Weg zu gehen, sondern gab sich damit zufrieden, öfters des Tages an die Geschöpfe und die irdischen Dinge zu denken, die ihr zeigten, wie schnell alles vorübergeht; und es ist ihr nie der Gedanke gekommen, nach Höherem zu streben. Sie achtete sich selbst so gering, dass sie sich sogar als unwürdig betrachtete, an Gott zu denken.

So brachte sie zweiundzwanzig Jahre in großer Trockenheit zu, las aber auch gute Bücher. Es mögen ungefähr achtzehn Jahre sein, dass sie wegen der Gründung des ersten Klosters der unbeschuhten Karmelitinnen in Ávila in Unterhandlungen zu treten begann. Ungefähr drei Jahre vorher glaubte sie, mehrmals innere Ansprachen zu vernehmen und Visionen und Offenbarungen zu haben. Aber sie sah nie etwas mit dem leiblichen Auge, da diese so schnell vorübergingen wie ein Blitzstrahl. Der Eindruck jedoch, den sie auf den Geist machten, und die Wirkungen waren so, wie wenn sie diese mit leiblichen Augen geschaut hätte, ja noch mächtiger.

Diese Nonne war damals so furchtsam, dass sie sich manchmal selbst bei Tage nicht allein zu sein getraute. Da sie trotz ihrer Anstrengungen diesen Visionen nicht Widerstand leisten konnte, so war sie sehr betrübt und fürchtete, sie möchte vom bösen Feinde getäuscht werden. Sie begann deshalb, sich mit einigen Vätern der Gesellschaft Jesu zu beraten, die im geistlichen Leben Erfahrung hatten. Unter diesen befand sich Pater Aroaz der damals Kommissär der Gesellschaft Jesu war und zufällig dorthin kam, wo diese Nonne sich aufhielt, sowie auch Pater Franz , der frühere Herzog von Gandia, mit dem sie sich zweimal besprach. Ferner redete sie über ihren Seelenzustand auch mit Ägidius Gonzales, dem Provinzial der Gesellschaft Jesu, und einem der vier Assessoren, der sich gegenwärtig in Rom befindet, sowie auch mit dem jetzigen Provinzial von Kastilien, mit dem sie jedoch nicht so oft sich besprach wie mit Pater Balthasar Gonzales. Dem Pater Balthasar Alvarez, dem jetzigen Rektor von Salamanka, beichtete sie sechs Jahre lang. Auch den gegenwärtigen Rektor von Cuenca namens Salazar und den von Segovia namens Santander zog sie zu Rate; mit letzterem verkehrte sie jedoch seltener. Auch dem Pater Ripalda, dem Rektor von Burgos, eröffnete sie ihr Inneres, der jedoch ein großer Gegner von ihr war, bis er mit ihr zusammenkam. Endlich besprach sie sich mit dem Doktor Paul Fernandez de Toledo, dem Konsultor der Inquisition, und mit einem anderen Pater namens Ordoñez, der Rektor von Ávila war. Da sie sich an verschiedenen Orten aufhielt, so ließ sie jene rufen, die als Gottesmänner in hohem Ansehen standen.

Mit Pater Petrus de Alcantara unterredete sie sich oft; und dieser war es auch, der entschieden für sie eintrat. Man hatte sie mehr als sechs Jahre lang streng geprüft, und sie verlebte diese Zeit in vielen Tränen und großer Betrübnis; und je mehr man sie prüfte, um so häufiger wurden die genannten Gunstbezeigungen und Verzückungen. Dies geschah oft während des Gebetes und selbst zu anderer Zeit.

Man betete viel für sie und ließ Messen lesen in der Meinung, Gott möchte sie auf einem anderen Wege führen; denn ihre Furcht war sehr heftig, wenn sie sich im Gebete befand. Man bemerkte indessen in allem, was sich auf den Dienst Gottes bezog, nicht nur einen auffallenden Fortschritt, man entdeckte in ihr auch nicht die geringste Selbstgefälligkeit und hochmütige Äußerung; sie war im Gegenteil ganz verwirrt, dass diese Zustände bekannt wurden; und es fiel ihr schwerer, diese Dinge zu offenbaren, als ihre Sünden einzugestehen. Sie glaubte, dass man sich über sie lustig machen und diese Visionen für Altweibermärchen ansehen würde.

Es sind ungefähr dreizehn Jahre, dass der jetzige Bischof von Salamanka, der, wie ich glaube, damals Inquisitor von Toledo war, dorthin kam und sich dort aufhalten mußte. Bei dieser Gelegenheit suchte jene Nonne ihn zu sprechen, um sich mehr zu beruhigen, und sie legte ihm über alles Rechenschaft ab. Dieser gab ihr zur Antwort, dass er nichts finde, was vor seinen Richterstuhl als Inquisitor gehöre, da alles, was sie sehe und vernehme, sie nur um so mehr im katholischen Glauben bestärke. Denn im Glauben war und ist sie nicht nur immer fest geblieben, sondern ihr Verlangen nach der Verherrlichung Gottes und dem Heile der Seelen ist derart, dass sie, um eine einzige Seele zu retten, bereit wäre, tausendmal den Tod zu erleiden.

Da der Bischof sie so in Verwirrung sah, gab er ihr den Auftrag, über alles, was in ihr vorging, einen langen Bericht an Pater Magister Ávila zu senden, um sich mit seiner Antwort zu beruhigen; dieser war damals noch am Leben und besaß eine große Erfahrung im Gebetsleben. Dies tat sie auch. Pater Ávila schrieb ihr zurück und beruhigte sie sehr. Dieser Bericht war derart, dass die Gelehrten, die meine Beichtväter waren, und ihn zu sehen bekamen, erklärten, er enthalte vortreffliche Winke für das innere Leben; deshalb befahl man ihr, ihn noch einmal zu schreiben und ein anderes Büchlein für ihre Töchter, deren Priorin sie war, zu verfassen, um ihnen einige Anweisungen zu geben.

Indessen fehlte es ihr zu Zeiten nicht an Beängstigungen; denn sie glaubte, dass diese Geistesmänner sich ebenso täuschen könnten wie sie selbst. Darum wollte sie sich mit einigen berühmten Theologen besprechen, selbst wenn sie keine großen Geistesmänner wären; denn ihr einziger Wunsch war, zu wissen, ob das, was in ihr vorging, mit der Heiligen Schrift im Einklang stehen würde. Manchmal tröstete sie sich beim Gedanken, der Herr lasse nicht zu, dass so viele fromme Männer, die ihr Aufklärung zu verschaffen sich bestrebten, sich täuschen könnten, wenn auch sie ihrer Sünden wegen verdienen würde, getäuscht zu werden.

Sie begann nun einige Väter aus dem Orden des heiligen Dominikus zu Rate zu ziehen, bei denen sie, bevor sie mit diesen Visionen begnadigt wurde, öfters schon gebeichtet hatte. Die Namen derer, die sie befragte, sind folgende:

In Toledo beichtete sie eineinhalb Jahre lang bei Pater Vinzenz Barrón, dem damaligen Konsultor des heiligen Offiziums, der zu einer Klostergründung dorthin kam und ein großer Gelehrter war; dieser beruhigte sie sehr und gab ihr denselben Bescheid wie alle übrigen, indem er sie versicherte, dass sie nichts zu fürchten habe, solange sie Gott nicht beleidige und als Sünderin erscheine.

Pater Dominikus Bañes, der gegenwärtig Konsultor des heiligen Offiziums ist, hörte zu Valladolid sechs Jahre lang meine Beichte, und sie stand mit ihm immer in brieflichem Verkehr, so oft sich ein neuer Anlass dazu bot.

Ein anderer hieß Pater Magister Chaves.

Zur selben Zeit, als Pater Dominikus Bañes ihr Beichtvater war, beriet sie sich auch mit Pater Ibañez, einem großen Theologen, der damals Rektor zu Ávila war.

Ein anderer Dominikaner hieß Pater Garcia de Toledo. Durch mit Pater Magister Bartholomäus de Medina, einem Professor zu Salamanka, besprach sie sich; dieser war, wie sie wußte, ein großer Gegner von ihr, seitdem er von diesen ihren Visionen Kenntnis erhalten hatte. Sie glaubte, dass dieser ihr bestimmter als andere sagen würde, ob sie im Irrtum sei. Dies geschah vor etwas mehr als zwei Jahren; es bot sich ihr Gelegenheit, bei ihm zu beichten; und sie erstattete ihm einen langen Bericht über alles, was seit ihrem Aufenthalt in Salamanka in ihr vorgegangen war; sie ließ ihn auch Einsicht von dem nehmen, was sie über ihr Leben geschrieben hatte, damit er sich besser zurechtfand. Dieser Pater beruhigte sie sehr, ja besser als alle anderen, und blieb von da an ihr treuester Freund.

Auch bei Pater Magister Philipp de Meneses beichtete sie eine Zeitlang, als sie das Kloster zu Valladolid gründete, wo dieser Pater Prior oder Rektor des Kollegiums zum heiligen Gregor war. Dieser hatte schon früher von diesen Dingen reden hören und begab sich eigens nach Ávila, wo er sich sehr liebevoll gegen sie benahm. Er wollte sich überzeugen, ob sie sich nicht im Irrtum befinde und ob man nicht mit Recht so über sie urteile; aber auch er war sehr befriedigt über sie.

Den Pater Provinzial Salinas aus dem Dominikanerorden, einen hervorragenden Geistesmann und großen Diener Gottes, hat sie in besonderer Weise ins Vertrauen gezogen, sowie auch einen Lektor der Theologie, namens Didakus de Yanguas, der ein großes Wissen besitzt und gegenwärtig in Segovia befindet.

Diese Nonne hatte auch noch bei anderen gebeichtet, da sie viele Jahre lang in Furcht lebte und besonders wegen ihrer Gründungen an viele Orte kam. Sie wurde zahllosen Prüfungen unterworfen, da alle den Wunsch hegten, sie vollkommen aufzuklären; und diese Prüfungen haben dazu gedient, jene Nonne und auch die Beichtväter zu beruhigen. Sie lebte immer und auch jetzt noch in allem in Unterwürfigkeit unter die Lehren des katholischen Glaubens. All ihr Gebet sowie auch das der Nonnen in den von ihr gestifteten Klöstern zielte immer auf die Vermehrung dieses Glaubens. Sie sagte, dass es, wenn irgendeine dieser ihr zuteil gewordenen Gunstbezeigungen mit dem katholischen Glauben oder mit dem Gesetze Gottes, im Widerspruch gestanden wäre, nicht notwendig gewesen wäre, gelehrte Männer aufzusuchen und sich diesen Prüfungen zu unterwerfen, da sie sogleich gesehen hätte, dass der Teufel im Spiele sei.

Sie richtete sich niemals nach dem, was sie im Gebete vernommen hatte, im Gegenteil, wenn ihre Beichtväter ihr den Auftrag gaben, dem, was ihr im Gebete mitgeteilt wurde, entgegenzuhandeln, so unterwarf sie sich sogleich und machte ihnen stets Mitteilung über alles. Obwohl sie ihre geistlichen Führer versicherten, dass diese Dinge von Gott seien, so glaubte sie dies nie so fest, um es beschwören zu können, wenn auch die Wirkungen und die großen Gunstbezeigungen, die ihr manchmal zuteil wurden, den guten Geist erkennen ließen. Sie trug ein beständiges Verlangen nach Tugenden; und diese legte sie auch ihren Nonnen ans Herz mit dem Bedenken, dass jene, die am demütigsten und am meisten der Abtötung ergeben seien, auch im geistlichen Leben die größten Fortschritte machen würden.

Den von ihr geschriebenen Bericht hat sie an Pater Magister Dominikus Bañes gesendet, der gegenwärtig in Valladolid sich befindet, und mit dem sie die meisten Angelegenheiten ihrer Seele besprochen hat und noch bespricht. Dieser hat, wie sie glaubt, ihre Schriften selbst der Inquisition in Madrid übergeben, und sie unterwirft sich in allem dem Urteile des katholischen Glaubens und der Kirche. Niemand hat sie deshalb gerügt, dass diese Dinge außerordentlich sind; denn sie liegen nicht in der Gewalt eines Geschöpfes, und Unser Herr verlangt nichts Unmögliches.

Da sie infolge der großen Seelenängste so viele Personen in die Angelegenheiten ihrer Seele einweihte, so wurden diese Vorkommnisse auch sehr bekannt. Dies war für sie eine wahre Marter und das größte Kreuz zwar nicht deshalb, weil nach ihrem Dafürhalten die Demut verletzt worden wäre, sondern weil sie immer sich vor diesen Dingen entsetzte, die man als Altweibermärchen ansah.

Am schwersten fiel es ihr, dem Urteile jener sich zu unterwerfen, die nach ihrer Meinung der Ansicht waren, es kämen diese Dinge von Gott; denn sie fürchtete sogleich, der Teufel könnte jene und auch sie in gleicher Weise täuschen. Fand sie dagegen jemand, der in dieser Beziehung etwas furchtsam war, so vertraute sie ihm viel lieber ihre Seele an, obgleich es ihr auch peinlich war, wenn solche, um sie zu prüfen, alle diese Dinge verwarfen, von denen sie einige doch sicher als von Gott kommend betrachtete. Sie wollte nicht, dass man sie aufs entschiedenste verurteilte; andererseits wurde sie verwirrt, wenn man all diese Dinge Gott zuschrieb, da sie wohl erkannte, dass sie sich hierin täuschen könnte. Darum hielt sie es nie für klug, sich da sicher zu fühlen, wo noch irgendwie Gefahr vorhanden sein konnte.

Sie bemühte sich nach Kräften, Gott in keiner Weise zu beleidigen und stets gehorsam zu sein. Mit diesen zwei Vorsätzen glaubte sie glücklich aus der Prüfung hervorzugehen, selbst wenn diese Visionen vom Teufel kämen.

Seitdem sie mit diesen übernatürlichen Gunstbezeigungen begnadigt wurde, fühlte sich ihre Seele immer hingezogen, nach dem Vollkommensten zu streben, und hatte fast gewöhnlich ein großes Verlangen nach Leiden. Auch in den vielen Verfolgungen, die sie trafen, fand sie Trost; sie trug eine ganz besondere Liebe zu jenen, die ihr Verfolgungen bereiteten; mit dem glühenden Verlangen nach Armut und Vereinsamung verband sie den Wunsch, aus dieser Verbannung befreit zu werden und Gott zu schauen. Da sie diese und ähnliche Wirkungen in sich gewahrte, begann sie sich in etwa zu beruhigen; denn sie glaubte, dass ein Geist, der sich mit solchen Tugenden bereicherte, kein böser sein könne. Das war auch die Ansicht jener, mit denen sie sich besprach; allein trotzdem verließ sie die Furcht nicht ganz, wenn sie auch nicht mehr so arg davon gequält wird.

Nie hat ihr der Geist, der sie belebte, zugeredet, etwas zu verschweigen, sondern hat immer darauf gedrungen, gehorsam zu sein. Sie hat, wie schon erwähnt, nie etwas mit leiblichen Augen gesehen, sondern alles ging auf so erhabene und geistige Weise vor sich, dass sie im Anfang mehrmals meinte, es sei ein Blendwerk; manchmal aber konnte sie dies nicht glauben. Ebenso hat sie auch nie etwas mit leiblichen Ohren vernommen, außer nur zweimal; und sie versteht auch jetzt noch nichts von dem, was man ihr offenbarte, noch auch, wer es war.

Diese Zustände waren auch nicht lange andauernd; sie traten manchmal ein, wenn ihre Seele sich in Bedrängnis befand. Dies ereignete sich unter anderem einmal, als ihre Seele mehrere Tage lang von einer unerträglichen inneren Qual erfüllt und von Furcht ganz niedergeschlagen war, es möchte der Teufel sie hinters Licht führen. Dies hat sie in dem bereits genannten Bericht ausführlich beschrieben, in dem sie ihre Fehler erzählt hat, die ebenso wie die übrigen Vorkommnisse allgemein bekanntgemacht wurden; denn ihre beständige Furcht ließ sie auf ihren Ruf vergessen, dessen sie sich erfreute.

Als sie sich nun einmal in dieser unbeschreiblichen Betrübnis befand, vernahm sie in ihrem Inneren die einzigen Worte: »Ich bin es, fürchte dich nicht.« Ihre Seele ward dadurch alsogleich so beruhigt, ermutigt und mit Vertrauen erfüllt, dass sie gar nicht verstehen konnte, woher ihr ein solches Gut kam. Denn es konnte sie weder ihr Beichtvater beruhigen, noch vermochten ihr die vielen Gelehrten mit all ihrer Gelehrsamkeit jenen Frieden und jene Ruhe zu verschaffen, die ihr diese einzigen Worte verliehen. In gleicher Weise wurde sie auch bisweilen durch eine Vision gestärkt. Ohne diese Hilfe hätte sie die zahllosen Prüfungen, Widersprüche und Leiden nicht ertragen können; sie leidet daran auch jetzt noch, da sie nie ohne Leiden ist, die bald mehr, bald minder heftig sind. Für gewöhnlich aber ist sie von beständigen Schmerzen und anderen schweren Krankheiten heimgesucht, wenn sich auch ihre körperlichen Leiden, seitdem sie Nonne ist, vergrößert haben. Wenn sie zur Ehre Unseres Herrn etwas unternimmt oder ihm irgendeinen Dienst erweist, so vergißt sie sogleich darauf; und wenn sie von ihm irgendeine Gnade empfängt, so denkt sie oft daran. Trotzdem kann sie mit ihren Gedanken nie so lange dabei verweilen wie bei ihren Sünden; denn diese quälen sie unablässig und kommen ihr vor wie eine stinkende Kotlache.

Ohne Zweifel muß der Umstand, dass sie Gott so schwer beleidigt und ihm so wenig gedient hat, die Ursache sein, dass sie von der Versuchung zu eitler Ehre verschont geblieben ist. Nie hat ihr der Geist, der sie leitet, etwas vorgeführt, was nicht ganz rein und keusch war. Sie war außerdem in großer Furcht, sie möchte Gott, Unseren Herrn, beleidigen und nicht in allem seinen Willen erfüllen; sie fleht ohne Unterlass zu ihm, davor bewahrt zu werden. Auch ist sie nach ihrer Ansicht ja fest entschlossen, diesem Grundsatz treu zu bleiben, dass sie, wenn ihre Seelenführer oder Obern ihr etwas auftragen, was nach ihrer Überzeugung zur größeren Ehre Gottes gereicht, nie unterlässt, es ins Werk zu setzen; denn sie hat das feste Vertrauen, dass der Herr jenen Seelen zu Hilfe kommt, die entschlossen sind, ihm zu dienen und ihn zu verherrlichen.

Wenn es sich um die Ehre Gottes handelt, denkt sie nicht mehr an sich und an ihre persönlichen Interessen, gleich als ob sie nicht existierte. So ist sie, wenigstens insoweit sie sich selbst kennt und ihre Beichtväter sie beurteilen.

Alles, was in diesem Berichte steht, ist volle Wahrheit, und sie können sich darüber, wenn sie wollen, bei ihren Beichtvätern und bei allen jenen Personen erkundigen, mit denen sie sich seit zwanzig Jahren über diese Angelegenheiten beraten hat.

Der Geist, der sie leitet, veranlagt sie recht häufig zum Lobpreise Gottes, und sie möchte ihn gern von der ganzen Welt gepriesen sehen, mit teuer ihr dies auch zu stehen kommen würde. Daraus entspringt auch jenes Verlangen nach dem Heile der Seelen; und wenn sie die Dinge dieser Welt so gering achtet, so kommt dies daher, dass sie zur Einsicht gelangt ist, wie wertlos die äußeren Dinge, wie kostbar dagegen die geistigen Reichtümer sind, mit denen nichts verglichen werden kann.

Und nun komme ich auf die Art und Weise der Vision zu sprechen, über die Sie Aufschluss wünschen. Man sieht nichts, weder innerlich noch äußerlich, da es nämlich keine imaginäre Vision ist; aber ohne dass die Seele etwas wahrnimmt, erkennt sie, was es ist und von welcher Seite es sich ihr darstellt, weit besser, als wenn sie es sehen würde, obgleich kein bestimmter Gegenstand vor sie tritt. Es ist, um einen Vergleich zu gebrauchen, geradeso, wie wenn ein Mensch merkt, dass ein anderer neben ihm ist, den er aber infolge der Dunkelheit nicht sieht, wenn er auch ganz gewiß weiß, dass er da ist. Dieser Vergleich ist jedoch unzureichend; denn jener, der sie im Dunkel befindet, hat doch noch ein Mittel, um zu erkennen, dass eine Person bei ihm ist. Er hört entweder ein Geräusch, oder er hat die Person schon gesehen, oder er weiß im voraus, dass sie da ist, oder er erkennt sie schon von früher her. Hier aber tritt nichts Derartiges zutage; denn die Seele vernimmt weder eine innere noch äußere Ansprache und erkennt doch, wer es ist, auf welcher Seite er steht, und manchmal selbst das, was er ihr mitteilen will. Durch welches Mittel und wie sie es erkennt, weiß sie nicht, aber es ist so; sie kann auch die Zeit nicht angeben, wie lange dies dauert. Ist aber die Vision vorüber, so kann sie sich trotz aller Bemühungen diese nicht auf gleiche Weise vergegenwärtigen: denn sie erkennt ganz deutlich, dass diese Vorstellung eine Wirkung ihrer Einbildungskraft wäre und nicht der wirklichen Vergegenwärtigung des Gegenstandes entspräche, da dies nicht in ihrer Macht liegt; so ist es mit allen übernatürlichen Gunstbezeigungen. Daher kommt es, dass die Seele, der Gott diese Gnade gewährt, auf sich kein Vertrauen setzt; sie erkennt, dass diese ein ganz freies Geschenk ist und dass sie diese weder zurückweisen noch aus sich selbst erlangen kann. Nach diesen Gunstbezeigungen findet sie sich weit demütiger und hat ein großes Verlangen, einem so mächtigen Herrn zu dienen, der zustandebringen kann, was wir hier auf Erden nicht einmal zu erfassen vermögen. Denn so weise einer auch ist, es gibt doch Dinge, die unseren Verstand übersteigen. Gepriesen sei der, der diese Gnaden verleiht, in alle Ewigkeit! Amen.

5. Bericht: An Vater Rodrigo Alvarez

Sevilla, 1576.

Übernatürliche Gebetsweise. Innerer Friede. Ekstase, Vereinigung, Verzückung. Wirkungen dieser Gunstbezeigungen. Geistesflug, Antriebe, Verwundung der Liebe. Vision der drei göttlichen Personen.

Jesus!

Es ist sehr schwer, über geistige Gunstbezeigungen zu sprechen und vor allem sich auf verständliche Weise auszudrücken, da diese so schnell vorübergehen. Und wenn nicht der Gehorsam mithilft, dann ist es nur Zufall, den rechten Ausdruck für so erhabene Dinge zu finden. Es liegt indessen wenig daran, wenn ich Torheiten sage; denn dieser Schriftstück gelangt in die Hände eines Mannes, der schon viel ärgere Dinge über mich gehört hat. Ich bitte Sie darum, überlegt zu sein, dass ich mir keineswegs zumuten will, in diesem Berichte überall das Rechte getroffen zu haben; denn es kann sein, dass ich es selbst nicht recht verstehe. Indessen kann ich Sie versichern, dass ich nichts sagen werde, was ich nicht schon mehrmals und auch öfters erfahren habe. Sie werden selber sehen, ob es gut oder schlecht ist, und mir darüber Aufschluss geben.

Er wird Ihnen, wie ich glaube, angenehm sein, wenn ich gleich von den ersten übernatürlichen Gunstbezeigungen zu sprechen beginne. Denn Andacht und Rührung, Tränen und Betrachtung, was man alles mit Hilfe des Herrn sich hier selbst erwerben kann, sind Dinge, die selbstverständlich sind. Übernatürlich nenne ich das, was man durch eigenen Fleiß und eigene Anstrengung nicht zu erreichen imstande ist, wenn man auch dafür zubereiten kann und diese Zubereitung viel dazu beiträgt.

Die erste übernatürliche Gebetsweise, die ich nach meinem Dafürhalten in mir wahrnahm, ist eine innere Sammlung. Die Seele fühlt diese ganz in ihrem Innern; es kommt ihr vor, sie habe außer den äußeren körperlichen Sinnen noch andere Sinne und wolle sie aus dem Gewühle dieser äußeren Sinne in ihr Inneres zurückziehen. Manchmal nimmt sie diese gefangen; sie findet daran Gefallen, die Augen zu schließen, nichts zu sehen, nichts zu hören und wahrzunehmen als nur Gott, womit sie sich eben beschäftigt, um sind ganz mit Gott unterhalten zu können. Sie verliert aber bei dieser Gebetsweise nicht den Gebrauch der Sinne und Fähigkeiten; alle behalten ihre Kraft bei und werden nur fähiger, sich mit Gott zu befassen. Wer diese Gnade von Unserem Herrn empfangen hat, wird leicht verstehen, was ich damit sagen will; wem sie aber nicht zuteil geworden ist, der wird es nicht verstehen, wenigstens müsste man da viele Worte und Vergleiche vorbringen.

Infolge dieser Sammlung entsteht manchmal eine überaus wonnevolle Ruhe und ein süßer innerer Friede, so dass die Seele glaubt, es fehle ihr gar nichts mehr; es wird ihr sogar das Sprechen zur Last, ich meine das mündliche Gebet und die Betrachtung; sie möchte nur Liebe, und dieser Zustand dauert bald längere, bald kürzere Zeit.

Aus dieser Gebetsweise folgt gewöhnlich das, was man Schlaf der Seelenkräfte nennt; diese sind aber nicht so gefesselt und gebunden, dass man diesen Zustand Verzückung nennen könnte. Noch weniger ist dies eine gänzliche Vereinigung.

Manchmal, ja sehr oft, merkt die Seele, dass nur der Wille im Zustand der Vereinigung sich befindet; sie erkennt dies ganz deutlich, wenigstens scheint es ihr so. Sie sieht ihn ganz mit Gott beschäftigt und in die Unmöglichkeit versetzt, sich mit einer anderen Sache zu befassen. Die zwei anderen Seelenkräfte sind frei für die Angelegenheiten und Werke, die sich auf den Dienst Gottes beziehen; mit einem Worte Martha und Maria sind hier miteinander vereinigt. Da ich darüber sehr erstaunt war, so fragte ich den Pater Franziskus, ob dies nicht eine Täuschung sei, und er gab mir zur Antwort, dass dies häufig vorkomme.

Wenn alle Seelenkräfte in der Vereinigung sich befinden, so ist das etwas ganz anderes; sie können dann auf gewöhnliche Weise nicht mehr wirken. Der Verstand ist voll Staunen über das, was er sieht, der Wille liebt mehr, als die Seele versteht; die Seele weiß sich nicht einmal auszudrücken, wie er liebt und was er tut. Gedächtnis und Einbildungskraft scheinen nicht mehr zu existieren; auch die äußeren Sinne sind nicht mehr im wachen Zustand, sondern wie verloren, damit die Seele, wie mir scheint, der Freude sich hingeben kann, die ihr zuteil wird. Es ist aber dies nur von kurzer Dauer und geht bald vorüber. Da sich die Seele mit Demut, mit vielfachen Tugenden und mit Liebe zu Gott bereichert sieht, erkennt sie die kostbaren Güter, die durch diesen Gnadenerweis ihr zuteil werden; allein sie kann nicht aussprechen, was es ist. Wenn sie sich verständlich machen will, weiß sie nicht, wie sie es versteht, und ist nicht imstande, sich auszudrücken. Diese Vereinigung — ich spreche von einer wahren Vereinigung — ist meines Erachtens die größte Gnade oder wenigstens eine der größten, die uns Gott auf diesem geistlichen Wege verleiht.

Die Ekstase und die Bindung der Sinne sind nach meinem Dafürhalten ein und dasselbe, wenn ich auch gewöhnlich das Wort »Bindung der Sinne« gebrauche, um den Ausdruck »Ekstase« zu vermeiden, der mit Schrecken erfüllt. Übrigens kann man auch wirklich der eben besprochenen Vereinigung den Namen Bindung der Sinne geben.

Der Unterschied zwischen Ekstase und Vereinigung ist folgender: Die Ekstase dauert länger und macht sich mehr nach außen hin bemerkbar; sie verkürzt allmählich das Atmen, so dass man nicht mehr zu reden und die Augen zu öffnen vermag. Wenn auch diese Wirkungen in gleicher Weise bei der Vereinigung zutage treten, so geschieht es hier doch mit weit größerer Gewalt; es schwindet nämlich auf eine mir unbegreifliche Weise die natürliche Wärme, wenn die Ekstase erhaben ist. Es gibt eben in diesem Gebetszustand Stufen; und wenn die Ekstase höherer Ordnung angehört, dann erstarren die Hände und bleiben manchmal ausgespannt wie Balken. Der Leib bleibt stehend oder kniend, wie ihn die Ekstase getroffen hat. Die Seele ist so in Freude versunken über das Glück, das sie der Herr genießen lassen will, dass es den Anschein hat, als ob sie den Leib ganz verlassen und vergessen habe, ihn zu beleben. Wenn dieser Zustand länger andauert, dann werden die Nerven sehr empfindlich davon berührt.

Der Herr will, wie mir scheint, dass die Seele in der Ekstase besser versteht, was sie genießt, als in der Vereinigung; und deshalb werden da der Seele fast gewöhnlich bestimmte Geheimnisse der göttlichen Majestät enthüllt, und die in ihr hervorgerufenen Wirkungen sind sehr erhaben. Sie vergißt sich selbst, und ihr einziges Verlangen ist, dass der so große Gott und Herr erkannt und gepriesen wird. Kommt die Ekstase von Gott, so muß die Seele nach meiner Ansicht ihr gänzliches Unvermögen, ihre Armseligkeit und Undankbarkeit klar erkennen, da sie dem nicht gedient hat, der aus reiner Güte ihr so große Gnaden erwiesen. Denn dieses Wonnegefühl und diese Süßigkeit ist so sehr über alle Dinge dieser Erde erhaben, dass die Seele, wenn die Erinnerung daran sich nicht wieder verlieren würde, ohne Unterlass Ekel an allen irdischen Freuden haben müsste. Daher kommt es auch, dass sie alle Dinge dieser Welt gering achtet.

Der Unterschied zwischen Ekstase und Entzückung ist der, dass die Seele in der Ekstase allmählich den äußeren Dingen abstirbt und den Gebrauch der Sinne verliert, um ganz für Gott zu leben; die Entzückung dagegen entsteht durch eine einfache Erkenntnis, die Seine Majestät im Innersten der Seele verleiht, und zwar mit solcher Schnelligkeit, dass es scheint, als entführe sie die Seele in ihren oberen Teil und als löse sich diese vom Leibe los. Darum ist bei Beginn dieser Gunstbezeigung Mut notwendig, damit sie die Seele in die Arme des Herrn werfe, der sie hinführt, wohin er will; denn bis der Herr sie in den Zustand des Friedens versetzt, in den er sie durch Mitteilung erhabener Kenntnisse erheben will, muß sie von Anfang an fest entschlossen sein, für ihn zu sterben; denn die arme Seele weiß da nicht, was das sein soll.

Die Tugenden, die daraus hervorgehen, gewinnen nach meinem Dafürhalten größere Kraft als in der Ekstase. Man verlangt, die Macht des großen Gottes immer mehr kennenzulernen, und erkennt sie auch immer tiefer; man fürchtet und liebt ihn auch mehr, und ohne im geringsten widerstehen zu können, erbebt er die Seele zu sich. Die Seele wird von tiefem Schmerz ergriffen, dass sie ihn beleidigt hat, und entsetzt sich über die Verwegenheit, eine so erhabene Majestät betrübt zu haben; sie wird von glühendem Verlangen verzehrt, es möchte doch niemand sie beleidigen, sondern jeder Mensch sie verherrlichen.

Daraus entsteht dann auch, wie ich meine, jenes innige Verlangen nach dem Heile der Seelen; sie möchte ihrerseits dazu beitragen und sich zum Opfer bringen, dass dieser große Gott gepriesen werde, wie er es verdient. Geistesflug ist etwas, das sich — ich weiß nicht, wie man es nennt — aus dem Innersten der Seele erhebt. Ich erinnere mich nur, dass ich mich, wie Sie wissen, in dem Buche, in dem all diese Gebetsweisen und noch andere Dinge erklärt sind, einmal eines Vergleiches bedient habe; aber mein Gedächtnis ist so schwach, dass ich ihn schnell vergessen habe. Die Seele und der Geist müssen, wie mir scheint, ein und dasselbe sein und gleichen einem großen Feuer, das, wenn die nötigen Vorbereitungen getroffen sind, aufbrennt. Die Seele gleicht also in dieser Vorbereitung Gott gegenüber einem Feuer, das plötzlich aufbrennt, Flammen sprüht und aufsteigt; aber diese Flamme ist ebenso Feuer wie jenes, das auf dem Boden brennt; es bleibt noch immer Feuer, obwohl es in die Höhe sich erhebt. Auf gleiche Weise bringt die Seele, wie mir scheint, in ihrem Innersten so schnell und auf so erhabene Weise etwas hervor, das sich in ihren oberen Teil erhebt und dahin geht, wo der Herr es haben will; ich vermag das nicht besser zu erklären. Es scheint mir das ein Flug des Geistes zu sein, für den ich keinen besseren Vergleich finde. Ich weiß, dass man dies in diesem Zustande sehr deutlich wahrnimmt und man keinen Widerstand leisten kann.

Es scheint, dass der Geist, der sie so leicht erhebt wie ein Vögelein, sich frei macht von der Sklaverei des Fleisches und dem Gefängnis des Leibes entschlüpft; so in Freiheit gesetzt, ist er fähiger, die Gnaden zu genießen, womit der Herr ihn bereichert. Dieser Flug des Geistes ist etwas sehr Erhabenes und Kostbares; die Seele erkennt dies so gut, dass sie hierin an die Möglichkeit einer Täuschung nicht glauben kann. Dies gilt auch von den anderen Gunstbezeigungen, wenigstens in dem Augenblicke, wo sie damit begnadigt wird; erst nachher kommt die Furcht. Die Person, die diese Gnaden empfangen hat, glaubte, da sie sehr unvollkommen war, mit gutem Grund über alles Furcht zu hegen, obwohl sie im Innersten ihrer Seele eine Sicherheit und Gewißheit hatte, die ihr das Leben erträglich machten; allein trotzdem war sie stets darauf bedacht, nicht das Opfer einer Täuschung zu werden.

Antrieb nenne ich ein Verlangen, von dem die Seele erfüllt wird, ohne dass ein Gebet vorausgegangen ist. Es kommt ihr manchmal oder selbst sehr oft die Erinnerung, dass sie ferne von Gott ist, oder sie vernimmt ein diesbezügliches Wort. Diese Erinnerung ist manchmal so lebendig und mächtig, dass sie für den Augenblick von Sinnen zu sein glaubt. Wie eine Person, die, wenn man ihr plötzlich eine unvorhergesehene, recht betrübende Nachricht mitteilt oder ihr großen Schrecken einjagt, jeden geeigneten Gedanken des Trostes verliert und in vollständige Bestürzung gerät; so ähnlich geschieht es auch hier; nur wird der Schmerz in der Seele durch eine derartige Ursache hervorgebracht, dass sie benommen einsieht, wie gut es für sie wäre, zu sterben. Alles, wovon die Seele Erkenntnis hat, scheint nur dazu zu dienen, um ihre Pein zu vermehren, so dass ihr ganzes Sein nach dem Willen Gottes keinen anderen Zweck hat. Dass er sie auf Erden zurückhalten will, daran denkt sie nicht einmal. Sie glaubt sich in einer so entsetzlichen Vereinsamung und Verlassenheit von allen Dingen zu befinden, dass sie es nicht beschreiben kann. Die ganze Welt und all ihre Freuden verursachen ihr Pein; und kein Geschöpf ist imstande, mit ihr in gesellschaftlichen Verkehr zu treten; ihr einziges Verlangen ist, den Schöpfer zu sehen. Aber sie erkennt, dass dies ohne Sterben nicht möglich ist, und da sie sich selbst den Tod nicht geben kann, so stirbt sie vor Verlangen zu sterben. Deshalb ist sie auch wirklich in Todesgefahr; sie sieht sich gewissermaßen hängend zwischen Himmel und Erde und weiß nicht, was aus ihr werden soll. Um ihr zu zeigen, was ihr noch versagt ist, verleiht ihr der Herr von Zeit in Zeit eine so erhabene Erkenntnis von seiner Gottheit, dass sie es nicht beschreiben kann. Von allen Leiden dieser Verbannung, wenigstens von allen jenen, die ich erduldet habe, kommt keines dieser Pein gleich und es reicht schon eine halbe Stunde hin, um den Leib so zu zerschlagen und die Arme in einer Weise zu verrenken, dass man sich vor übergroßem Schmerz, nicht einmal der Hände zum Schreiben bedienen kann.

Von all diesen Schmerzen des Körpers fühlt die Seele nichts mehr, wenn einmal dieser Antrieb vorüber ist; sie hat schon genug an innerer Pein zu tragen und würde nach meinem Dafürhalten selbst die größten Martern des Leibes nicht fühlen. Sie ist im Gebrauch all ihrer Sinne; sie kann reden und auch sehen, aber nicht gehen; denn der starke Stoß der Liebe wirft sie nieder. Würde sie auch vor Verlangen nach dieser Gnade sterben, sie könnte sich nicht in deren Besitz setzen, da sie ein ganz freies Geschenk Gottes ist, das in der Seele die wunderbarsten Wirkungen und überreichen Gewinn hervorbringt. Einige Gelehrte bezeichnen diese so, die anderen anders; keiner aber verurteilt sie. Pater Magister de Ávila schrieb mir, es sei dies etwas Gutes, und das sagen alle. Die Seele erkennt klar, dass dies eine erhabene Gnade Gottes ist; allein ihr Leben würde nicht lange dauern, wenn ihr diese öfters zuteil würde.

Der gewöhnliche Antrieb ist das Verlangen, Gott zu dienen in Verbindung mit großer Rührung und Tränen, die zeigen, wie sehr die Seele darnach Verlangen trägt, diese Verbannung verlassen zu dürfen; hat aber die Seele wieder soviel Freiheit, um zu erkennen, dass ihr Verbleiben auf dieser Welt der Wille Gottes ist, so tröstet sie sich damit; sie opfert dem Herrn ihr Leben auf und bittet ihn, es nur zu seiner Ehre verwenden zu können. Damit erträgt sie ihr Dasein.

Eine andere sehr häufig vorkommende Gebetsweise ist eine Art Verwundung, wobei es der Seele vorkommt, als wenn man ihr einen Pfeil durchs Herz, ja durch sie selber bohrte. Diese Verwundung verursacht den größten Schmerz, so dass die Seele laut aufjammern muß; aber er ist so wonnevoll, dass man nicht mehr ohne ihn sein möchte. Dieser Schmerz berührt aber nicht die körperlichen Sinne, da es keine materielle Verwundung ist; man fühlt ihn vielmehr nur in der Seele, und es zeigt sich davon nichts am Körper. Man kann diesen Zustand nur durch Vergleiche veranschaulichen, die aber überaus plump, ja sogar für diesen Zweck sehr plump sind; auf andere Weise kann ich mich nicht ausdrücken. Diese Vorgänge kann man weder beschreiben noch auch durch Worte anschaulich machen. Wer davon keine Erfahrung besitzt, kann sie nicht begreifen, ich will sagen, er versteht nicht, wie weit sich dieser Schmerz erstreckt; denn die Peinen des Geistes sind ganz verschieden von jenen, die wir hier erdulden. Daraus nehme ich ab, dass die Seelen in der Hölle und im Fegfeuer weit mehr leiden, als wir und hier mittels der körperlichen Schmerzen vorstellen können.

Manchmal nimmt die Seele, die diese Verwundung der Liebe empfangen hat, in ihrem Innersten erhabene Liebesseufzer wahr, deren Wirkungen in der Tat wunderbar sind. Es ist ihr auch trotz aller Bemühung nicht möglich, sich diese Gnaden zu verschaffen, wenn sie ihr der Herr nicht verleiht, noch auch, sie von sich zu weisen, wenn er sich würdigt, sie ihr zu schenken. Es ist dies ein so lebendiges und erhabenes Verlangen nach Gott, dass man es nicht beschreiben kann. Die Seele fühlt sich wie gefesselt und kann sich nicht so in Gott erfreuen, wie sie wünsch; und darum erfasst sie ein heftiger Widerwille vor dem Leibe; er kommt ihr vor wie eine dicke Wand, die sie hindert, den Gegenstand, den sie zu besitzen vermeint, nach ihrem Wunsche zu genießen, da sie von den Banden des Körpers zurückgehalten wird. Sie erkennt das große Unheil, das Adams Sünde über uns gebracht hat, da sie uns dieser Freiheit beraubt hat.

Diese Gebetsweise geht der Zeit nach den Verzückungen und den erwähnten Antrieben voran. Ich habe vergessen zu sagen, dass diese heftigen Antriebe fast immer mit einer Verzückung oder mit einer außerordentlichen Wonne endigen, wodurch der Herr die Seele tröstet und ermutigt, aus Liebe zu ihm zu leben.

Alles, was ich bisher gesagt habe, kann kein Blendwerk sein; ich habe dafür mehrere Gründe, deren Aufzählung aber zu weit führen würde. Ob ich mich nun recht ausgedrückt habe oder nicht, das weiß der Herr. Die Wirkungen kann man nach meinem Dafürhalten nur in den erhabenen Gütern erkennen, womit die Seele bereichert wird.

Ich erkenne klar, dass die drei göttlichen Personen voneinander verschieden sind, wie ich sie gestern sah, als Sie mit dem Pater Provinzial sprachen. Auch habe ich Ihnen gesagt, dass ich mit den leiblichen Augen nichts sehe und auch mit leiblichen Ohren nichts vernehme; ebenso nehmen auch die Augen der Seele nichts wahr. Ich habe nur eine übernatürliche Gewißheit, dass die drei göttlichen Personen da sind; und ich erkenne es sogleich, wenn ihre Gegenwart nicht mehr vorhanden ist. Wie dies geschieht, weiß ich nicht, aber dass weiß ich, dass es kein Blendwerk ist. So sehr ich mich auch nachher bemühen würde, um mir diese ihre Anwesenheit zu vergegenwärtigen, ich könnte es nicht zustande bringen. Ich habe das oft versucht; und so ist es auch, soweit ich es zu erkennen vermag, bei all dem, was ich hier gesagt habe; denn während der vielen Jahre, in denen ich diese Gunstbezeigungen empfange, hatte ich Gelegenheit, diese Beobachtung zu machen, und so kann ich auch mit solcher Bestimmtheit mich darüber aussprechen.

Ich kann in der Tat behaupten — und ich bitte Sie, dies hier zu beachten — , dass ich sehe, wer die Person ist, die immer zu mir spricht; bezüglich der anderen zwei könnte ich dies nicht auf dieselbe Weise behaupten. Die eine von ihnen hat meines Wissens noch nicht zu mir gesprochen; den Grund davon habe ich aber nicht erfahren; übrigens bemühe ich mich auch nicht, Gott um mehr zu bitten, als er mir mitteilen will. Denn ich würde sogleich meinen, der böse Feind könnte mich täuschen; da ich mich vor ihm fürchte, werde ich auch jetzt nicht um mehr bitten.

Die erste Person hat, wie es mir scheint, mehrere Male zu mir gesprochen. Da ich mich aber jetzt nicht mehr genau daran erinnere und ich vergessen habe, was es war, so wage ich dies nicht zu behaupten. Dies alles, und was ich hier gesagt habe, ist ausführlich beschrieben in dem Berichte, den Sie kennen. Ich weiß jedoch nicht, ob mit denselben Worten.

Die Seele sieht auf ganz erhabene Weise, dass die drei Personen voneinander verschieden sind; aber sie erkennt, dass sie nur ein Gott sind. Ich glaube mich zu erinnern, dass Unser Herr nur als menschliche Person zu mir gesprochen hat. Ich wiederhole es und ich kann auch versichern, dass dieses alles keine Täuschung ist.

Was Sie mir über das Wasser sagten, weiß ich nicht. Ich habe auch nie etwas darüber erfahren, wo sich das irdische Paradies befindet. Ich habe Ihnen gegenüber schon bemerkt, dass ich das nie zurückweisen kann, was mir der Herr zu verstehen geben will. Ich verstehe es, weil ich nicht anders kann. Ich habe es aber nie gewagt, Seine Majestät zu bitten, mir das Verständnis gewisser Dinge zu verleihen; denn ich würde das für ein Werk meiner Einbildung halten und glauben, dass der Teufel mich täuschen werde. Ich war, Gott sei Dank, nie so wißbegierig, derartige Bitten an Gott zu richten, und habe mich auch nicht bemüht, mehreres zu erfahren. Es hat mir Mühe genug gekostet, wider meinen Willen das zu erfassen, was man mir zu verstehen gegeben hat. Es war dies aber nach meinem Dafürhalten ein Mittel, dessen sich der Herr zu meiner Rettung bediente, da er meine Treulosigkeiten gesehen; denn die Guten bedürfen nicht so vieler Gnaden, um Seiner Majestät zu dienen.

Ich erinnere mich noch an eine anbete Gebetsweife, die der zuerst bezeichneten vorangeht, und diese besteht in einer bestimmten Gegenwart Gottes. Dies ist aber keineswegs eine Vision; diese Gegenwart wird meines Erachtens jedem zuteil, der sich Unserem Herrn empfehlen will, selbst wenn er mündlich betet, und zwar wenn er will und so oft er will, außer er befindet sich im Zustand großer Trockenheit. Möge es dem Herrn gefallen, dass ich so große Gnaden nicht verscherze, und möge er seine Barmherzigkeit an mir erweisen!

==== 6. Bericht: An Don Alfons Velasquez, ihren früheren Beichtvater in Toledo und damaligen Bischof von Osma

Palencia, im Jahre 1581

Gegenwärtiger Zustand ihrer Seele

Jesus!

Ach wie gerne möchte ich Euer Gnaden die Ruhe und den Frieden begreiflich machen, den meine Seele genießt …

Sie besitzt in der Tat eine so große Gewißheit, eines Tages Gott zu genießen, dass es ihr vorkommt, als sei sie schon im Besitze dieses Genusses, jedoch ohne die Freude, die damit verbunden ist. Sie gleicht einem, der durch einen rechtmäßig abgeschlossenen Vertrag von einem anderen ein herrliches Besitztum erhalten hat, dessen Früchte er nach einer bestimmten Zeit genießen und einernten darf. Bis dahin würde er nur den erhaltenen Rechtstitel besitzen und noch auf den Besitz des Guten zu warten haben. Meine Seele nun würde in ihrer Dankbarkeit nicht sogleich den Genuß des Besitzes Gottes wünschen; denn sie glaubt ihn nicht verdient zu haben; ihr Wunsch ist, ihm weiterhin zu dienen, selbst um den Preis der schwersten Leiden; und in ihren Augen wäre es noch etwas Geringes, dem bis zum Ende der Welt zu dienen, der ihr dieses Unterpfand gegeben. In Wirklichkeit ist sie dem Elend dieser Welt nicht mehr unterworfen wie früher; je mehr Leiden sie zu erdulden hat, um so weniger scheinen sie diese zu berühren. Sie befindet sich sozusagen in einer Fassung, von der aus sie ihre Herrschaft ausübt, und sie verliert in keiner Weise den Frieden. Nichtsdestoweniger ist diese Sicherheit weit davon entfernt, ihr die große Furcht zu benehmen, Gott zu beleidigen, und entbindet sie nicht davon, alle Hindernisse zu überwinden, die sich seinem Gesetze entgegenstellen wollen, im Gegenteil, ihre Besorgnis wird erhöht. Aber sie ist in keiner Weise um ihr eigenes Interesse besorgt; sie hat scheinbar ihr Wesen teilweise verloren, so sehr lebt sie in der Vergessenheit ihrer selbst. Alles in ihr ist auf den Dienst Gottes gerichtet, auf die möglichst vollkommene Erfüllung seines Willens und auf seine höchste Ehre.

Derart ist also der Zustand meiner Seele. Für meine körperliche Gesundheit sorge ich offenbar besser als früher. Ich übe weniger Abtötungen in der Nahrung und in äußerer Bußstrenge; jedoch hat mein Verlangen, sie zu üben, nicht abgenommen, sondern sogar, wenn ich mich nicht irre, zugenommen. All das hat zum Zwecke, Gott in anderen Dingen noch eifriger zu dienen. Oft bringe ich ihm als großes Opfer die Sorge dar, womit ich trotz des Kummers, der mich deshalb befällt, meine Gesundheit pflege; manchmal verrichte ich allerdings einige Bußübungen; allein ich kann dies wirklich nicht ohne Gefahr für meine Gesundheit tun, und dann erinnere ich mich an die Vorschriften meiner Obern. Dieser Gedanke und der Wunsch, gesund zu sein, sind augenscheinlich von großer Selbstliebe begleitet. Wenn ich mich jedoch körperlichen Bußübungen hingeben würde, fände ich meines Erachtens mehr Befriedigung, wie ich sie früher fühlte, als ich sie auf mich nehmen konnte. Ich meinte wenigstens etwas zu tun, ein gutes Beispiel zu geben und der Qual loszuwerden, die mir der Gedanke verursachte, Gott nicht zu dienen. Euer Gnaden mögen gütigst prüfen, was hier das beste ist!

Die Gnade der imaginären Visionen hat ein Ende. Aber es kommt mir vor, als hätte ich immer diese geistige Vision der drei göttlichen Personen und der heiligsten Menschheit Unseres Herrn; diese Gnade ist meiner Ansicht nach unvergleichlich höher. Ich glaube jetzt versichern zu können, dass die früheren Gnaden wirklich von Gott kamen. Sie bereiteten meine Seele auf den Zustand vor, in dem sie sich jetzt befindet. Mit Rücksicht auf meine Schwäche und meinen geringen Mut führte mich Gott auf dem Wege, den er für geeignet hielt; aber diese Gnadenerweise sind höchst kostbar, da sie von ihm gekommen.

Die inneren Ansprachen dauern immer fort. Wenn Unser Herr es für nötig hält, gibt er mir immer einige Ratschläge, sonst hätte man in Palencia, wo ich mich gegenwärtig befinde, eine sehr große Ungeschicklichkeit begangen, obgleich keine Beleidigung Gottes vorgekommen wäre.

Die Akte des Verlangens scheinen ihre frühere Kraft nicht mehr zu besitzen. So groß sie auch sind, so wünsche ich doch in unvergleichlich höherem Grade die Erfüllung des Willens Gottes, und was noch mehr zu seiner Ehre beitragen kann. Die Seele verlieht in der Tat, wie gut Seine Majestät weiß, was dazu notwendig ist; sie ist vollständig losgelöst von aller Eigenliebe. Die Akte des Verlangens, von denen ich rede, hören plötzlich auf und haben, wie mir scheint, keine Kraft. Daraus entsteht für mich von Zeit zu Zeit eine Furcht, ohne dass ich jedoch wie früher Unruhe und Besorgnis verspüren würde. Ich fürchte, meine Seele möchte unempfindlich sein und nichts tun; ich kann mich keinerlei körperlicher Bußübung hingeben. Dieses Verlangen zu leiden, den Martertod zu erdulden oder Gott zu schauen, ist schwach; meistens ist es mir unmöglich, es zu erwecken. Ich glaube, ich lebe einzig zu dem Zwecke, um zu essen und zu schlafen. Nichts macht mir Kummer, nicht einmal dieses. Nur bin ich, wie gesagt, von Zeit zu Zeit in Furcht, es möchten diese Dinge nur Einbildung sein, aber ich kann es nicht glauben. Denn nach der Überzeugung meines Gewissens habe ich keine größere Anhänglichkeit an die Geschöpfe, nicht einmal an die ganze Herrlichkeit des Himmels; nur die Liebe zu Gott herrscht gewaltig in mir; diese Liebe wird anstatt abzunehmen meines Erachtens immer stärker, ebenso wie das Verlangen, Gott in allen Geschöpfen verherrlicht zu sehen.

Dabei setzt mich etwas in Staunen, dass ich nämlich nicht mehr wie früher einen so lebendigen und innerlichen Schmerz verspüre, der mich erfasste beim Anblick des Untergangs der Seelen oder beim Gedanken, irgendeine Beleidigung Unserem Herrn zugefügt zu haben. Jetzt könnte ich diesen Schmerz nicht mehr so fühlen. Nichtsdestoweniger ist, wie mir scheint, das Verlangen, Gott möge nicht mehr beleidigt werden, geblieben.

Euer Gnaden werden wissen, dass ich hierin sowie in allem, wie in mir vorgegangen ist und jetzt noch vorgeht, nichts tun kann; es liegt nicht in meiner Gewalt, Gott mit noch größerer Treue zu dienen. [Doch ja, ich könnte es, wenn ich nicht so unvollkommen wäre, wie ich wirklich bin.] Ich betone jedoch, dass es mir augenblicklich trotz aller Anstrengung unmöglich wäre, nach dem Tode zu verlangen, Akte wie früher zu erwecken und mich über die Gott zugefügten Beleidigungen zu betrüben. Ich könnte auch diese übermäßige Furcht nicht mehr haben, getäuscht zu werden, die mich so lange Jahre im Banne gehalten hat. Deshalb wäre es jetzt nicht mehr nötig, die Gelehrten zu befragen und mich jemandem gegenüber über irgend etwas auszusprechen. Zu meiner Befriedigung würde es schon genügen zu wissen, dass ich mich auf gutem Wege befinde, oder etwas Geringes zur Ehre Gottes beitragen kann. Ich habe über diesen Punkt sowie über die anderen mich schon mit Pater Dominikus, mit Pater Magister Medina und mit einigen Vätern der Gesellschaft Jesu besprochen. Was Sie mir jetzt sagen werden, wird mich bestimmen, meine Unterredungen einzustellen, da ich das größte Vertrauen auf Euer Gnaden setze. Prüfen Sie um der Liebe Gottes Willen alles genau.

Ich habe die Gnade noch nicht verloren, zu erkennen, dass gewisse Seelen, die in näherer Verbindung zu mir stehen und aus dieser Welt scheiden, schon im Himmel sind. Ich füge bei, dass ich diese Erleuchtung bezüglich der anderen nicht habe.

Ach, wie verlassen fühle ich mich, wenn ich bedenke, dass man den Sinn, von dem ich mit Ihnen bezüglich der Rückkehr aus Ägypten gesprochen habe, nicht anwenden kann auf den, der an der Brust meiner Mutter trinkt.

Ich genieße diesen inneren Frieden. Die Freuden und die Leiden haben wenig Gewalt, um mich für lange der Gegenwart der drei göttlichen Personen zu berauben, an der ich unmöglich zweifeln kann. Ich glaube wirklich, an mir selbst zu erfahren, was der heilige Johannes sagt: die drei göttlichen Personen werden Wohnung in der Seele nehmen, und das nicht nur dadurch, dass sie uns die Gnade schenkten, sondern auch dadurch, dass sie uns ihre Gegenwart fühlen lassen. Eine solche Gnade ist die Quelle der reichsten Schätze, die ich im einzelnen nicht aufzählen kann. Es ist nicht nötig, sich langen Betrachtungen hinzugeben, um die Gegenwart Gottes zu erkennen. Diese Wohltat fühle ich fast beständig, außer wenn ich von körperlichen Leiden überwältigt werde. Manchmal will mich Gott allem Anscheine nach leiden lassen, ohne mir den geringsten inneren Trost zu geben; mein Wille widersetzt sich jedoch niemals, selbst nicht durch eine anfängliche Regung, der Erfüllung des Willens Gottes. Diese Unterwürfigkeit ist so mächtig, dass ich weder Tod noch Leben wünsche, außer in den kurzen Augenblicken, in denen ich von dem Verlangen, Gott zu schauen, entflammt bin. Da ich mir sogleich sehr lebendig vorstelle, dass die drei göttlichen Personen in mir sind, zerstreue den Kummer, den mir ihre Abwesenheit verursachte; und dann wünsche ich noch weiter auf dieser Welt zu bleiben, wenn es Gottes Wille ist, um zu seiner Ehre arbeiten zu können. Könnte ich doch dazu beitragen, dass er noch mehr geliebt und gepriesen werde, wenn auch nur von einer einzigen Seele und für einen Augenblick! Ich würde das für wichtiger halten, als wenn ich schon im Besitze der himmlischen Herrlichkeit wäre.

Theresia von Jesu.

II. Gunstbezeigungen Gottes

1. Am 17. November, in der Oktav des hl. Martin, im Jahre 1569, sah ich, soviel ich weiß, dass von 33 Jahren, so viele ihrer nämlich unser Herr auf Erden verlebt hat, schon 12 verflossen sind. Es fehlen also noch 21 Jahre. Toledo, im Kloster zum glorreichen hl. Joseph vom Karmel. Ich für dich und du für mich. Ein Leben. Zwölf Jahre sind für mich und nicht nach meinem Willen verlebt.

2. Während meines Aufenthaltes im Kloster zu Toledo wurde mir von einigen geraten, nur den Adeligen daselbst das Begräbnis zu gestatten. Da sagte der Herr zu mir: »Du wirst sehr irren, meine Tochter, wenn du dich nach den Gesetzen der Welt richten willst. Wende deine Augen auf mich, der ich arm und von der Welt verachtet gewesen bin. Werden etwa die Großen dieser Welt auch vor mir als groß erscheinen? Wollt ihr wegen der Abkunft oder wegen der Tugend für groß geachtet werden?«

3. Als ich am zweiten Tage der Fastenzeit im Kloster des hl. Joseph zu Malagon kommuniziert hatte, zeigte sich mir Unser Herr in einer gewöhnlichen bildlichen Vision. Wie ich ihn anschaute, sah ich, dass er statt mit der Dornenkrone um das verwundete Haupt eine glänzende Krone trug. Weil ich zu diesem Leidensgeheimnisse des Herrn eine große Andacht trug, so freute ich mich sehr; und als ich den großen Schmerz zu überdenken begann, den so viele Wunden ihm verursacht, tat mir dies selbst recht wehe. Da sagte der Herr zu mir: »Betrübe dich nicht über jene Wunden, sondern wegen der vielen, die man mir jetzt schlägt!« Als ich ihn fragte, was ich zu diesem Zwecke tun könne, da ich zu allem bereit sei, antwortete er mir, es sei jetzt keine Zeit zu ruhen, sondern ich sollte mich beeilen, diese Klöster zu gründen; denn in den Seelen dieser Klöster finde er seine Ruhe. Ich sollte alle, die sich bei mir melden, aufnehmen; denn viele wollten ihm dienen, aber sie fänden keine Stätte und keine Gelegenheit dazu. Die Klöster in kleinen Ortschaften sollten ebenso wie dieses errichtet werden; denn wenn der gute Wille da ist, könnten sie ebenso viele Verdienste wie in den anderen erwerben. Auch sollte ich es dahin zu bringen suchen, sämtliche Klöster unter eine Oberleitung zu stellen und dafür Sorge zu tragen, dass infolge Mangels an zeitlichem Unterhalt der innere Friede nicht verlorengehe; er werde es durch seinen Beistand an nichts fehlen lassen. Ebenso solle man für die Kranken große Sorgfalt tragen; denn eine Priorin, die für die Kranken nicht sorge und sie nicht pflege, gleiche den Freunden des hl. Job; er sende die Krankheit zum Heile der Seelen; solche Priorinnen aber bringen sie in Gefahr, die Geduld zu verlieren. Auch befahl er mir, die Stiftung dieser Klöster zu beschreiben. Als ich bei mir überdachte, dass die Stiftung des Klosters in Medina nichts Bemerkenswertes zum Aufschreiben biete, da sprach der Herr zu mir noch: »Genügt es dir nicht, dass sie auf wunderbare Weise zustande kommen!« Er wollte sagen, er allein habe sie zuwege gebracht, da es ohne alle Mittel zustande kam. Ich entschloß mich also, diese Stiftung zu beschreiben.

4. Als ich einst über eine Mahnung, die mir der Herr gegeben hatte, nachdachte und trotz all meiner Bitten, die ich an ihn richtete, nichts, davon verstand, glaubte ich, es möchte mich etwa der böse Feind getäuscht haben. Da sprach der Herr zu mir: »Der böse Feind ist es nicht gewesen; ich werde dich schon ermahnen, wenn die Zeit gekommen sein wird.«

5. Als ich einst erwog, wie weit reiner man in der Freiheit von allen Gelüsten leben könne, wie unvollkommen und wie fehlerhaft ich sei, wenn ich in viele Geschäfte verwickelt wäre, vernahm ich folgendes: »Es kann dies eben nicht anders sein, o Tochter; bemühe dich nur in allem eine reine Absicht zu haben, dein Herz an nichts zu hängen und auf mich zu schauen, damit alle deine Handlungen den meinigen gleichförmig sind!«

6. Einst dachte ich darüber nach, woher es denn komme, dass ich jetzt gar nicht mehr öffentlich in Verzückung fiel, und ich vernahm: »Dies ist jetzt nicht mehr notwendig; du hast zu dem, was ich mit dir vorhabe, Ansehen genug; wir nehmen nun Rücksicht auf die Schwachheit boshafter Menschen.«

7. Eines Tages war ich sehr in Sorge darüber, wie ich dem Orden behilflich sein könnte. Da sprach der Herr zu mir: »Tue, was du vermagst, und übergib dich mir, und du wirst vollständig ruhig sein. Erfreue dich an den Gnadenerweisen, die dir zuteil geworden sind, die gewiß keine geringen sind! Mein Vater hat seine Freude an dir, und der Heilige Geist liebt dich.«

8. Eines Tages sprach der Herr zu mir: »Du verlangst einerseits immer nach Trübsal, andererseits verschmähst du sie wieder. Ich aber ordne alle Dinge so, wie es, wie ich weiß, deinem Willen entspricht und nicht nach deinen Gelüsten und nach deiner Schwachheit. Fasse nur Mut, da zu siehst, wie sehr ich dir helfe! Ich will, dass du diese Krone erringst. Noch zu deinen Lebzeiten wirst du den Orden der hl. Jungfrau weit ausgebreitet sehen.« Diese Worte vernahm ich gegen Mitte Februar des Jahres 1571.

9. Während des ganzen gestrigen Tages fühlte ich mich recht vereinsamt, selbst in dem Augenblicke, als ich die Kommunion empfing. Das Fest der Auferstehung machte keinen besonderen Eindruck auf mich. Am Abend waren alle Schwestern um mich versammelt, und man sang ein Lied über die Pein, die das Leben ohne Gott verursacht. Da ich schon betrübt war, so wurde ich davon so ergriffen, dass mir trotz meines Widerstrebens meine Hände erstarrten; und zu gleicher Zeit, da meine Seele durch eine Entzückung der Freude entrückt wurde, wurde sie auch von außerordentlichem Schmerze erfüllt und war wie außer sich. Ich habe dies bis dahin nicht verstanden. Seit einigen Tagen scheint es mir jedoch, dass die Antriebe nicht mehr so erhaben waren wie gewöhnlich, und der Grund ist folgender; ich weiß jedoch nicht, ab dies sein kann. Früher war der Schmerz nicht so heftig, dass ich in Ekstase geriet, aber da er unerträglich war und ich den Gebrauch meiner Sinne noch beibehielt, so nötigte er mich heftig aufzuschreien, ohne dass ich widerstehen konnte. Jetzt aber hat dieser Schmerz noch zugenommen, und ich bin wie durchbohrt von ihm. Nun kann ich auch besser verstehen, wie der Mutter Gottes zumute war bei ihrem schmerzdurchbohrten Herzen; denn bis jetzt hatte ich, wie gesagt, kein Verständnis für diese durchbohrende Qual. Mein Körper ist so gebrochen, dass ich selbst diese Zeilen nur mit größter Schwierigkeit schreiben kann, meine Hände sind wie verrenkt und schmerzen aufs höchste. Wenn Sie zu mir kommen, werden Sie mir sagen, ob so eine peinvolle Ekstase möglich ist oder ob ich sie so empfinde, wie sie wirklich ist, oder ob ich mich täusche.

Diese innere Pein hat fortgedauert bis heute morgens, wo ich in eine Entzückung fiel. Ich glaubte, Unser Herr habe mich zu seinem Vater erhoben und zu ihm gesagt: »Siehe, diese, die du mir gegeben hast, gebe ich dir zurück.« Und es schien mir, der Vater ziehe mich an sich. Dies war keine Einbildung meinerseits, sondern eine vollkommene wirkliche Gunstbezeigung, eine so erhabene geistliche Gnade, dass ich sie nicht auszudrücken vermag. Der himmlische Vater richtete noch einige Worte an mich, deren ich mich nicht mehr erinnern kann. Einige bezogen sich auf die Gnaden, womit er meine Seele erfüllen will. Er behielt mich einige Zeit lang bei sich.

Da sie sich gestern so schnell entfernten und ich sah, dass Ihre vielfachen Beschäftigungen mir nicht erlauben, selbst den notwendigsten Trost bei Ihnen zu finden, und andererseits diese Beschäftigungen viel wichtiger sind als dies, war ich eine Zeitlang betrübt und traurig. In dieser meiner Vereinsamung vermehrte sich mein Kummer; und obgleich ich meinte, mein Herz sei von den Geschöpfen dieser Welt losgelöst, befiel mich doch eine gewisse Beängstigung aus Furcht, ich möchte allmählich diese Freiheit wieder verlieren. Dies alles geschah gestern abend. Heute aber gab mir der Herr auf diese Bedenken Antwort und sagte zu mir: »Wundere dich nicht; denn wie die Sterblichen nach Gesellschaft Verlangen tragen, um von ihren Weltfreuden zu reden, ebenso hat auch die Seele, wenn sie jemand findet, der sie versteht, den Wunsch, diesem ihre Freuden und Schmerzen mitzuteilen; sie ist betrübt, wenn sie niemanden findet.« Er fügte dann hinzu: »Jetzt bist du auf gutem Wege, und deine Werke sind mir angenehm.« Da er einige Augenblicke bei mir verweilte, fiel mir ein, Ihnen gegenüber bemerkt zu haben, dass diese Visionen schnell vorübergehen; da sprach der Herr zu mir: »Es ist ein Unterschied zwischen dieser Gnade und den imaginären Visionen, und es lässt sich bei meinen Gnadenerweisungen keine bestimmte Regel aufstellen; denn das eine Mal sei diese, ein anderes Mal jene Gnadenerweisung besser.«

Eines Tages nach der hl. Kommunion kam es mir vor, als stellte sich der Herr ganz wahrnehmbar neben mich hin und als finge er an, mich mit großer Zärtlichkeit zu trösten. Unter anderem sagte er: »Siehst du mich hier, meine Tochter, dass ich es bin? Zeige mir deine Hand!« Nun schien es mir, als nehme er meine Hand und drücke sie an seine Seite mit den Worten: »Sieh an, diese meine Wunde; du bist nicht ohne mich; leide die kurze Zeit des Lebens!« Aus einigem, was er mir sagte, erkannte ich, dass er seit seiner Himmelfahrt nie mehr auf die Erde herabgestiegen sei, um jemand vertraulich sich mitzuteilen, ausgenommen im heiligsten Altarsakramente. Außerdem teilte er mir mit, er habe nach seiner Auferstehung Unsere Liebe Frau besucht, weil sie dessen sehr bedurfte; ihr Schmerz hätte sie so niedergebeugt, dass sie, um diese Freude zu genießen, nicht gleich zu sich selbst gekommen sei; er habe sich bei ihr, weil es notwendig war, sehr lange aufgehalten.

10. Am Dienstag nach Christi Himmelfahrt hatte ich nach der hl. Kommunion eine ziemlich lange Zeit recht mühsam beim Gebete zugebracht, weil ich so zerstreut war, dass ich bei keinem Gedanken verweilen konnte. Ich beklagte mich beim Herrn über die Armseligkeit unserer Natur. Allmählich ward meine Seele entflammt, und ich glaubte in einer Verstandesvision ganz deutlich die Gegenwart der ganzen heiligsten Dreifaltigkeit wahrzunehmen. Damit meine Ungeschicklichkeit es besser fassen konnte, erkannte meine Seele durch eine Art von Darstellung, wie in einem Bilde der Wirklichkeit, auf welche Weise Gott dreifaltig und doch eins sei. Es schien mir auch, als ob alle drei Personen, die sich mir im Innern meiner Seele unterscheidbar zeigten, mich anredeten und zu mir sagten, ich würde in mir von diesem Tage an eine Besserung in dreifacher Hinsicht wahrnehmen, nämlich in der Liebe, in der Freude, im Leiden und in der Empfindung dieser Liebe durch Entflammung meiner Seele. Zugleich gewann ich auch das Verständnis jener Worte des Herrn im Evangelium, das die drei göttlichen Personen in einer im Gnadenstande sich befindlichen Seele wohnten, denn ich sah sie in mir in der erwähnten Weise. Als ich darauf dem Herrn für diese große Gnade dankte und mich ihrer ganz unwürdig hielt, sprach ich in tiefster Betrübnis zu Seiner Majestät und sagte, warum sie mich je aus ihrer Hand habe entfliehen und so böse werden lassen, nachdem sie mir doch so große Gnaden erweisen wolle. Tags zuvor war ich nämlich beim Anblick meiner Sünden tief betrübt. Ich erkannte infolgedessen ganz klar, wieviel der Herr seinerseits mir von Kindheit an erwiesen, sowie auch die kräftigen Mittel, deren er sich bediente, um mich an sich zu ziehen, und wie sie alle mich doch nicht vorwärts brachten. Dadurch kam ich auch zum Verständnis jener überströmenden Liebe Gottes, die uns, sobald wir zu Gott zurückkehren wollen, alles verzeiht und die er besonders mir aus vielen Gründen mehr als anderen Menschen erwiesen hat. Die drei Personen, die ich als einen Gott erkannte, schienen meiner Seele so eingedrückt zu bleiben, dass man, wenn dies lange anhielte, nicht anders könne, als in einer so göttlichen Gesellschaft in beständiger Vereinigung zu verweilen.

11. Kurz vor dieser Gunstbezeigung, als ich zur hl. Kommunion ging und die Hostie noch im Ziborium sich befand, sah ich etwas wie eine Taube, die mit Geräusch die Flügel zusammenschlug. Dies versetzte mich in solche Bestürzung, dass ich nur mit großer Mühe die hl. Hostie empfangen konnte. Alles dieses geschah im Kloster zum hl. Joseph in Ávila. Das allerheiligste Sakrament reichte mir Pater Franz de Salcedo. Am anderen Tage hörte ich seine hl. Messe und sah in der Hostie den Herrn in glorreicher Verherrlichung. Er sprach zu mir, dass ihm sein Opfer angenehm gewesen sei.

12. Diese Gegenwart der drei göttlichen Personen, von der ich anfangs gesprochen, hat in mir beständig angedauert bis zum heutigen Tage, dem Gedächtnis des heiligen Apostels Paulus. Da ich an die Gegenwart Jesu Christi allein gewohnt war, so glaubte ich, durch den Anblick der drei göttlichen Personen in etwas gehindert zu sein, obwohl ich weiß, dass sie nur ein Gott sind. Da ich mir heute diesen Gedanken vor Augen führte, sprach der Herr zu mir: »Du täuschest dich, wenn du dir die seelischen Vorgänge durch körperliche Bilder vorstellst; wisse, dass dies ganz verschiedene Dinge sind und dass die Seele fähig ist, dies zu genießen!« Es kam mir vor, als ob die Seele gleich einem ins Wasser getauchten und von ihm ganz durchtränkten Schwamm von der Gottheit durchdrungen sei und dass sie im gewissen Sinne wirklich der Gegenwart der drei göttlichen Personen sich erfreue und sie besitze. Ich hörte dann die Worte: »Suche nicht mich in dich, sondern dich in mich einzuschließen!« Die drei göttlichen Personen waren, wie mir schien, in meinem Innern, und ich sah, wie sie sich allen Geschöpfen ohne Ausnahme mitteilten, aber trotzdem in mir blieben.

13. Als ich einst darüber nachdachte, ob jene, die mein Herumreisen zur Stiftung von Klöstern ungern sahen, nicht im Rechte wären, und ob ich nicht besser täte, beständig dem Gebete zu obliegen, da vernahm ich folgendes: »Solange dieses Leben währt, besteht der Gewinn nicht in dem Bemühen, meiner immer mehr zu genießen, sondern in der Erfüllung meines Willens.« Als ich über den Sinn der Worte des hl. Paulus, die Zurückgezogenheit der Frauen betreffend, nachdachte, — es war mir dies schon oft vorgehalten worden, noch ehe ich den Ausspruch des Apostels gehört hatte —, fiel mir ein, ob dies nicht etwa auch bei mir Gottes Wille wäre. Da sprach der Herr zu mir: »Sage ihnen, sie sollen sich nicht bloß auf einen Ausspruch der Heiligen Schrift berufen, sondern auch die anderen Stellen einsehen, ob sie mir denn die Hand binden können?«

14. Am Tage nach der Oktav des Festes Mariä Heimsuchung betete ich in einer Einsiedelei zum Berge Karmel für einen meiner Brüder zu Gott und sprach zum Herrn — vielleicht geschah es nur in Gedanken — : »Warum, o Herr, muß dieser Bruder, den ich so sehr liebe, an einem Orte sein, wo sein Heil in Gefahr ist? Was würde ich nicht tun, wenn ich einen deiner Brüder in solcher Gefahr erblickte, um ihn zu befreien? Ich glaube, ich würde alle mir möglichen zu Gebote stehenden Mittel anwenden.« Da sprach der Herr zu mir: »O Tochter, Tochter, die Nonnen des Klosters der Menschwerdung sind meine Schwestern, und du kannst zögern, zu ihnen zu gehen? Fasse Mut und denke, dass ich es so haben will. Es ist nicht so schwierig, wie es dir scheint; und was du für die anderen Klöster als verderblich ansiehst, das wird jenen und diesem zum Nutzen sein. Widerstrebe nicht; denn meine Macht ist groß.«

15. Das Verlangen und die große Sehnsucht, zu sterben, haben mich verlassen, besonders seit dem Feste der hl. Magdalena, an dem ich mich entschloß, gerne zu leben, um Gott eifrig zu dienen; sie stellen sich bloß manchmal ein. Immerhin konnte ich trotz aller Mühe das Verlangen, ihn zu sehen, nicht von mir bringen.

16. Eines Tages vernahm ich die Worte: »Es wird eine Zeit kommen, in der viele Wunder in dieser Kirche gewirkt werden; man wird sie die heilige Kirche nennen.« Dies habe ich im Jahre 1571 im Kloster zum hl. Joseph in Ávila vernommen.

17. Einst erinnerte ich mich der großen Bußwerke einer sehr frommen Seele; und wie ich gemäß dem Verlangen, das der Herr mir zuweilen verlieh, wohl noch mehr tun könnte, wenn mich nicht der Gehorsam gegen meine Beichtväter abgehalten hätte, fragte ich mich, ob es nicht besser wäre, ihnen hierin nicht zu gehorchen. Da sprach der Herr zu mir: »Nicht so, meine Tochter, zu wandelst auf einem guten und sicheren Wege. Siehst du alle Bußwerke, die sie übt? Nun wohl, ich schätze deinen Gehorsam höher.«

18. Als ich eines Tages im Gebete verweilte, zeigte mir der Herr auf eine besondere Art, mittels einer geistigen Vision, die Beschaffenheit einer im Gnadenstande sich befindlichen Seele. Ich sah dadurch die Vereinigung der Seele mit der allerheiligsten Dreifaltigkeit, und wie die Seele zu dieser Vereinigung eine Macht empfängt zur Beherrschung der ganzen Welt. Dabei verstand ich auch den Sinn jener Worte des Hohenliedes Salomons : »Mein Geliebter ist in seinen Garten hinabgestiegen.« Zugleich zeigte er mir auch die Beschaffenheit einer Seele, die sich im Stande der Todsünde befindet, wie sie ganz kraftlos ist, gleich einem Menschen, der vollständig gefesselt und gebunden ist und dem die Augen verhüllt sind, so dass er, selbst wenn er auch wollte, weder sehen noch hören noch gehen kann und in großer Finsternis schmachtet. Darum erfüllen mich derartige Seelen mit solchem Mitleid, dass mir jede Anstrengung leicht scheint, um auch nur eine einzige davon zu befreien. Wenn man das versteht, wie ich es sah, so scheint es mir unmöglich, sagen zu können, dass jemand ein so großes Gut verlieren oder in einer so unglücklichen Lage bleiben wolle.

19. Im ersten Jahre meines Priorates im Kloster der Menschwerdung sah ich am Vorabend des Festes des hl. Sebastian, während man das Salve Regina anstimmte, dass die Mutter Gottes, umgeben von einer großen Engelschar, auf den Betstuhl der Priorin, auf dem ihr Bild stand, sich herniederließ und, wie mir schien, sich daselbst setzte. Das Bild schien mir damals unsichtbar, und an Stelle dessen gewahrte ich nur Unsere Liebe Frau. Ich fand sie einigermaßen mit dem Bilde ähnlich, dass mir die Gräfin geschenkt hatte; doch hatte ich nicht Zeit genug, diese Ähnlichkeit aufzufassen, weil ich sofort in eine hohe Verzückung fiel. Auf den Spitzen der Chorstühle und auf den Vorderbänken schienen mir viele Engel zu sein, aber nicht in leiblicher Gestalt; denn es war eine Verstandesvision. So blieb die hl. Jungfrau während des ganzen Salve Regina und sagte zu mir: »Du hast gut getan, dass du mich hierher gesetzt; ich werde dem Lobe, das man meinem Sohne zu Ehren singen wird, beiwohnen und es ihm darbringen.« Hernach verweilte ich im Gebete, dass meine Seele mit der hlst. Dreifaltigkeit vereinigte; und es schien mir, als hebe die Person des Vaters zu sich empor und spreche überaus liebliche Worte zu mir. Unter anderem sagte er zu mir, indem er mir zeigte, was ich wollte: »Ich schenke dich meinem Sohne und dem Heiligen Geiste und dieser Jungfrau. Was kannst du mir geben?«

20. An einem Palmsonntag nach der hl. Kommunion war ich in solche Verzückung geraten, dass ich die hl. Hostie nicht hinunterschlucken konnte. Als ich sie so im Munde behielt und wieder etwas zu mir gekommen war, schien es mir, als wäre mein ganzer Mund voll von Blut; auch kam es mir vor, als sei mein Angesicht und der ganze Leib mit diesem Blute überströmt, so warm, wie wenn der Herr es soeben vergossen hätte. Außerordentlich war die Wonne, die ich dabei empfand, und der Herr sprach zu mir: »Tochter, ich will, dass dir mein Blut zum Heile gereiche; fürchte dich nicht, dass dir meine Barmherzigkeit mangeln werde. Ich habe es unter unbeschreiblichen Schmerzen vergossen, du aber genießt es, wie du siehst, mit großer Wonne. Wie gut vergelte ich dir die Freude, die du mir an diesem Tage bereitet hast.«

Dies sagte er zu mir, weil ich seit dreißig Jahren jedesmal an diesem Tage, wenn es mir möglich war, kommuniziert und meine Seele mit allem Eifer als Herberge für ihn zubereitet hatte. Denn die Juden schienen mir sehr lieblos gegen ihn gehandelt zu haben, da sie ihn nach einem so glänzenden Empfang wieder so weit zum Abendessen gehen ließen. Ich schloß daraus, er werde in mir bleiben, obwohl, wie ich jetzt sehe, die Herberge sehr schlecht ist. Solch einfältige Erwägungen stellte ich an; sie müssen aber dem Herrn gefallen haben; denn diese Erscheinung ist eine von jenen, die ich für die sichersten halte, und sie hat mir auch bei der hl. Kommunion großen Nutzen gebracht.

21. Bevor ich diese Gnade empfing, fühlte ich, wenn ich mich nicht irre, drei Tage lang diese große Pein, fern von Gott zu sein, die ich an manchen Tagen recht schmerzlich empfand; dieses Mal war der Schmerz so heftig, dass ich ihn nicht aushalten zu können glaubte. Nachdem ich viel gelitten, sah ich, dass es zu spät war, mein Abendessen zu mir zu nehmen, und ich hatte absolut keine Kraft. Denn infolge des Erbrechens, das mich recht schwächte, konnte ich es nicht früher zu mir nehmen. Ich gab mir darum Mühe, legte das Brot vor mich hin, um mich zum Essen zu bereiten, da sah ich plötzlich Christus, der, wie mir schien, ein Stück vom Brote nahm, um es mir in den Mund zu legen. Dann sprach er zu mir: »Iß, meine Tochter, und lass es geschehen, wie du kannst; es schmerzt mich sehr, was du leidest, aber es ist jetzt gut für dich.« Da verschwand mein Schmerz und ich war getröstet. Denn der Herr war, wie ich glaubte, in der Tat bei mir und auch noch am folgenden Tage; mit dieser Gnade war mein Verlangen für damals befriedigt. Ich habe den Ausdruck gebraucht: »es schmerzt mich«; nach meiner Ansicht kann aber der Herr über nichts Schmerz empfinden.

22. »Warum betrübst du dich, du kleine Sünderin? Bin ich nicht dein Gott? Siehst du nicht, wie schlimm man mich in der Welt behandelt? Wenn du mich liebst, warum hast du nicht Mitleid mit mir?«

23. Als ich eines Tages in Furcht war, ob gewisse Personen im Stande der Gnade seien, sagte der Herr zu mir: »Tochter, es ist ein großer Unterschied, zwischen Finsternis und Licht. Ich bin getreu. Niemand wird zugrunde gehen, ohne es zu erkennen. Es hieße sich täuschen, wenn man seine Sicherheit auf geistige Tröstungen gründen würde; die wahre Sicherheit ist das Zeugnis einen guten Gewissens. Niemand aber denke, dass er aus sich selbst im Lichte bleiben könne, wie ja auch keiner bewirken kann, dass die natürliche Nacht nicht hereinbreche. Dies hängt ganz von meiner Gnade ab. Das beste Mittel, das man finden kann, um sich im Lichte zu erhalten, ist die Erkenntnis der Seele, dass sie aus sich selbst nichts vermag, und dass alles von mir allein abhängt. Wäre sie auch im Lichte, so würde augenblicklich die Nacht über sie kommen, wenn ich mich von ihr abwendete; die wahre Demut besteht darin, dass sie erkennt, was sie und ich vermag. Da du die Ermahnungen der Menschen so gerne aufzeichnest, so unterlasse es nicht, auch die Unterweisungen, die ich dir gebe, aufzuzeichnen, und glaube nicht, dass du damit die Zeit vertrödelst. In Zukunft wirst zu sehen, dass sie dir alle notwendig sind.«

24. »Glaube nicht, meine Tochter, dass die Vereinigung darin besteht, ganz nahe bei mir zu sein; denn das ist auch bei jenen, die mich beleidigen, der Fall, ohne dass sie es wollen; auch die Freuden und Süßigkeiten des Gebetes, so erhaben sie auch sind, machen nicht die Vereinigung aus; sie sind oft nur ein Mittel, um Seelen zu gewinnen, die nicht im Stande der Gnade sich befinden.« Als ich dies vernahm, war mein Geist sehr hoch im Gebete erhoben. Der Herr gab mir zu verstehen, was der Geist ist und der Zustand, in dem sich die Seele da befindet; auch verlieh er mir das Verständnis jener Worte des Magnifikat: »Und mein Geist frohlockte«; aber ich kann das nicht verständlich machen. Ich erkenne nur, wie mir scheint, dass der Geist erhabener ist als der Wille.

Ich komme nun wieder auf die Vereinigung zurück. Ich erkenne, dass diese nur dem reinen und über alle erschaffenen Dinge erhabenen Geist zuteil werden kann, in dem sich nichts findet, was sich vom Willen Gottes trennen will, sondern der so sehr losgeschält von allem mit dem Geiste und dem Willen Gottes eins ist, dass nicht einmal eine Spur der Liebe zu sich selbst und zu den Geschöpfen in ihm zurückbleibt. Ich fragte mich nun, ob dies die Vereinigung sei; aber dann müsste, wie wir wohl sagen können, eine Seele, die immer in dieser Verfassung ist, allezeit im Besitze dieses Gebetes der Vereinigung sein; doch dieses ist, wie wir wissen, nur von kurzer Dauer. Es ist mir auch der Gedanke gekommen, dass die Seele, wenn sie auf rechtem Wege wandelt, sich Verdienste und Lohn erwirbt; aber man kann doch nicht sagen, dass sie dann mit Gott vereinigt ist wie bei der Beschauung. Und ich glaubte, wenn auch nicht in Worten, so doch dem Gedanken nach zu vernehmen: Der Staub unserer armseligen Natur, unserer Fehler und Hindernisse, wodurch wir immer aufgehalten werden, ist so groß, dass es nicht möglich ist, in jener Reinheit zu leben, in der der Geist sich befindet, wenn er mit Gott vereinigt ist; denn da ist er in Ekstase und erhaben über unsere Armseligkeit und unser Elend. Wenn die Vereinigung darin besteht, dass unser Wille und unser Geist eins sind mit Gott, so halte ich es, so viele Einwände man auch dagegen erhoben hat, für unmöglich, dass jemand in ihrem Besitz sein kann, der nicht im Stande der Gnade ist. Es scheint mir sehr schwer, zu wissen, wann das Gebet der Vereinigung vorhanden ist, außer man bekommt durch besondere Erleuchtung Gottes davon Kenntnis; denn wir können nie wissen, ob wir im Stande der Gnade sind.

Teilen Sie mir hierüber ihre Ansicht mit und geben Sie mir Aufschluss, worin ich etwa im Irrtum bin, und senden Sie mir diesen Zettel wieder zurück.

25. Ich hatte in einem Buche gelesen, es sei eine Unvollkommenheit, künstlich gearbeitete Bilder zu besitzen; deshalb wollte ich kein derartiges mehr in meiner Zelle haben. Schon ehe ich dies gelesen, schien es mir der Armut gemäß, nur Bilder von Papier zu haben, und darum wollte ich keine anderen mehr besitzen. Da vernahm ich aber in einem Augenblick, wo ich gar nicht daran dachte, vom Herrn die Worte: »Das ist keine gute Abtötung; denn was ist besser, Armut oder Liebe? Weil nun die Liebe besser ist, so gib weder selbst etwas auf, noch entziehe auch deinen Schwestern etwas, was zur Liebe anregt. Das Buch handelt nur von den überflüssigen Verzierungen und dem zu reichlichen Schmuckwert der Bilder und nicht von den Bildern selbst. Es ist ein Kunstgriff des bösen Feindes, dass er den Irrgläubigen eingibt, sich aller Mittel zur Erweckung der Andacht zu berauben, damit sie so ins Verderben stürzen. Meine Tochter, die treuen Christen müssen jetzt mehr denn je das Gegenteil von dem üben, was jene tun.« Ich erkannte daraus, wie sehr ich verpflichtet war, die allerseligste Jungfrau und den hl. Joseph zu verehren. Ich ging in der Tat oft den Weg des Verderbens, und Gott hat mich auf ihre Fürbitte hin wieder auf den Weg des Heiles zurückgeführt.

26. In der Oktav von Pfingsten gewährte mir der Herr einen Gnadenerweis und gab mir die frohe Zuversicht, dass dieses Haus, ich meine die Seelen, die darin wohnen, in der Vollkommenheit zunehmen werden.

27. Am Tage der hl. Magdalena hat mir der Herr wieder eine Gnade bestätigt, die er mir in Toledo erwiesen hat, da er mich in der Abwesenheit einer gewissen Person an deren Stelle erwählte.

28. Am Tage nach dem Feste des heiligen Matthias befand ich mich in einer Verfassung, in der ich gewöhnlich bin, seitdem mir die Vision der heiligsten Dreifaltigkeit zuteil geworden ist und ich die Art und Weise schaute, wie sie in einer Seele wohnt, die sich im Stande der Gnade befindet. Diese anbetungswürdige Dreifaltigkeit stellte sich mir in einer Weise dar, dass ich sie in Wirklichkeit und durch bestimmte Vergleiche mittels einer imaginären Vision deutlich schaute. Obwohl sich mir öfters die heiligste Dreifaltigkeit mittels einer Verstandesvision darstellte, so konnte sich doch nach Verlauf von einigen Tagen mein Geist nicht mehr wie jetzt mit dieser Wahrheit beschäftigen noch auch daran Trost finden. Heute erkannte ich, dass diese Vision dem entspricht, was ich von den Theologen darüber vernommen habe, wenn ich es auch nicht immer verstanden habe; indessen habe ich diese Wahrheit immer ohne Bedenken geglaubt, da ich nie eine Versuchung gegen den Glauben gehabt habe. Wir Unwissende glauben, dass alle drei Personen der heiligsten Dreifaltigkeit in einer Person seien, etwa wie wir es an Bildern wahrnehmen, auf welche ein Körper mit einem dreifachen Antlitz gemalt ist. Dies setzt uns so in Staunen, dass es uns unmöglich vorkommt, und wir wagen nicht darüber nachzudenken. Unser Verstand gerät in Verwirrung und Furcht, er möchte an dieser Wahrheit zweifeln; dabei aber verliert er ein großes Verdienst.

Das, was meinem Geiste sich darstellte, sind drei verschiedene Personen, von denen man jede einzelne schauen und ansprechen kann. Und dann habe ich betrachtet, dass der Sohn allein die menschliche Natur angenommen hat, was diese Wahrheit ganz deutlich lehrt. Diese drei Personen lieben sich gegenseitig, teilen sich einander mit und erkennen sich. Aber wenn jede für sich allein ist, wie können wir dann sagen und glauben, dass alle drei eine Wesenheit sind? Es ist das die vollste Wahrheit, und ich wäre bereit, tausendmal dafür zu sterben. Auch ist in den drei Personen nur ein Wille, ein Können und eine Herrschermacht, so dass keine ohne die andere etwas vermag und alle Geschöpfe nur einen Schöpfer haben.

Könnte etwa der Sohn ohne den Vater auch nur eine Ameise erschaffen? Nein, denn sie haben nur ein Können; dasselbe gilt auch vom Heiligen Geiste. Es gibt also nur einen allmächtigen Gott, und alle drei Personen sind nur ein und dieselbe Majestät. Könnte jemand den Vater lieben ohne den Sohn und den Heiligen Geist? Nein, wer eine von diesen Personen ehrt, ehrt sie alle drei, und wer eine von ihnen beleidigt, beleidigt sie alle drei. Kann der Vater sein ohne den Sohn und den Heiligen Geist? Nein, denn sie sind nur ein Wesen; und da, wo eine Person ist, sind alle drei, da man sie nicht trennen kann. Aber wie sehen wir, dass die drei Personen verschieden sind? Warum hat der Sohn Fleisch angenommen und nicht der Vater und der Heilige Geist? Dies habe ich nicht verstanden; die Theologen wissen es vielleicht. Ich weiß wohl, dass bei jenem Wunderwerke der Menschwerdung die drei Personen mitgewirkt haben; aber ich denke nicht viel daran, auf welche Weise sich dieses Geheimnis vollzog. Denn mein Geist ist gar bald eingenommen von der Wahrheit, dass Gott allmächtig ist, dass er alles vollbracht hat, was er gewollt hat, und noch vollbringen wird, was er will. Und je weniger ich diese Wahrheit verstehe, um so mehr glaube und liebe ich sie. Seine Majestät sei immerdar gepriesen! Amen.

29. Hätte mir der Herr nicht so viele Gnaden verlieben, so würde ich meines Erachtens nicht so viel Mut gehabt haben, um die Werke zu unternehmen, die vollbracht wurden, noch auch die nötige Kraft, um die Mühseligkeiten, Widersprüche und Verleumdungen zu ertragen, die über mich hereinbrechen. Seit dem Beginne meiner Gründungen sind die früheren Befürchtungen, ich möchte ein Opfer der Täuschung sein, verschwunden. Ich habe die Sicherheit gewonnen, dass Gott selbst es war, der in mir wirkte. Und so unternahm ich die schwierigen Werke, jedoch immer auf den Rat meiner Beichtväter hin und im Gehorsam. Es ist darum klar, dass seine Majestät, wenn sie unseren Orden zu seinem früheren Eifer wieder zurückführen und sich dazu meiner als Mittel bedienen wollte, mir auch alle Eigenschaften verleihen musste, die mir mangelten, da ich sonst unfähig gewesen wäre, dieses Werk gut zu Ende zu führen. Der Herr musste seine Macht um so wunderbarer offenbaren, je unvollkommener ich war.

30. Als ich im zweiten Jahre meines Priorates im Kloster der Menschwerdung, am Tage der Oktav des hl. Martinus, aus den Händen des P. Johannes vom Kreuz die hl. Kommunion empfing, teilte er die hl. Hostie und reichte den einen Teil einer anderen Schwester. Mir kam der Gedanke, er tue dies nicht aus Mangel an Hostien, sondern um mich abzutöten; denn ich hatte ihm gesagt, ich hätte gewöhnlich eine Freude an großen Hostien, wenn ich auch wusste, dass nichts daran liege und Christus selbst unter der kleinsten Partikel ganz gegenwärtig sei. Da sprach Seine Majestät zu mir: »Fürchte die nicht, meine Tochter, nichts vermag dich von mir zu trennen.« Dadurch gab er zu verstehen, dass es nicht auf die Größe der Hostie ankomme. Damals zeigte er sich mir auch, wie er dies häufig zu tun pflegte, durch eine sehr innerliche, bildliche Vision und reichte mir seine rechte Hand mit den Worten: »Sieh an diesen Nagel; er ist ein Zeichen, dass du von heute an meine Braut sein wirst. Bis jetzt hattest du es noch nicht verdient; in Zukunft wirst du für meine Ehre eifern, nicht bloß weil ich dein Schöpfer, dein König und dein Gott bin, sondern auch insofern du in einem wahrhaft bräutlichen Verhältnis zu mir stehst. Von nun an ist deine Ehre die meinige und meine Ehre die deinige.« Die Wirkung dieser Gnade war so mächtig, dass ich mich nicht fassen konnte und ganz außer mir kam. Deshalb sprach ich zum Herrn, er möchte entweder meine Armseligkeit von mir nehmen oder mir keine so große Gnade mehr erweisen. Denn ich glaubte ganz fest, dass die Natur dies nicht ertragen könnte. Den ganzen Tag blieb ich darin versenkt. Daraufhin merkte ich einen großen Gewinn, eine größere Beschämung und Betrübnis über den Anblick meines einer so großen Gnade unwürdigen Wandels.

31. Eines Tages sprach der Herr zu mir also: »Glaubst du, meine Tochter, das Verdienst bestehe mehr im Genießen; nein, sondern im Wirken, Leiden und Lieben. Du wirst nicht gelesen haben, dass der hl. Paulus mehr als einmal die himmlischen Wonnen gekostet, aber oft, dass er gelitten habe. Zu siehst auch mein ganzes Leben voll von Leiden; nur auf dem Berge Tabor wirst zu von meiner Freude gehört haben. Wenn du meine Mutter, die mich auf den Armen trägt, betrachtest, so denke nicht, dass sie diese Freuden ohne großen Schmerz gekostet habe. Von dem Augenblicke an, da Simeon jene Worte zu ihr gesprochen, erteilte ihr mein Vater klares Verständnis, meine Leiden zu erkennen. Die großen Heiligen, die vom Geiste Gottes in die Wüste geführt wurden, haben große Bußwerke geübt; außerdem hatten sie große Kämpfe mit dem Teufel und mit sich selbst zu bestehen, und doch waren sie lange Zeit ohne allen Trost. Glaube mir, meine Tochter, dass mein Vater dem, den er mehr liebt, größere Trübsale zuschickt; und diesen entspricht auch die Liebe. Und wodurch kann ich dir meine Liebe besser bezeugen, als wenn ich dir das schenke, was ich für mich selbst erwählt habe? Siehe diese Wunden; nie werden deine Schmerzen ihnen gleichkommen; hast zu dies einmal eingesehen, dann wirst du mir das Elend beweinen helfen, in dem die Weltmenschen stecken, deren Begierden, Sorgen und Gedanken alle auf das Gegenteil gerichtet sind.«

Als ich am selbigen Tage die Betrachtung beginnen wollte, hatte ich so heftigen Kopfschmerz, dass es mir gleichsam unmöglich schien, dabei zu verharren. Da sprach der Herr zu mir: »Erkenne darin den Lohn der Leiden; da dir dein Gesundheitszustand nicht gestattet, mit mir zu reden, so bin ich zu dir gekommen, um mich mit dir zu unterhalten und dich zu erquicken.« So verflossen wirklich eineinhalb Stunden, wobei ich so gesammelt blieb. Während dieser Zeit sagte der Herr zu mir die obenerwähnten Worte und alles andere. Ich wurde nicht zerstreut und weiß auch nicht, wo ich gewesen bin; ich empfand aber eine unaussprechliche Wonne. Mein Kopf war jetzt ganz frei, und ich behielt ein großes Verlangen nach Leiden. Ferner sagte der Herr, ich sollte mich oft der Worte erinnern, die er zu den Aposteln gesprochen: »dass der Knecht nicht größer sei als der Herr«.

32. »Ich sah einen großen Sturm von Bedrängnissen, und wie die Ägypter die Söhne Israels verfolgten, so müssen auch wir verfolgt werden; aber Gott wird uns zu Hilfe eilen, und die Feinde werden von den Wellen verschlungen werden.«

33. Im Kloster zu Veas sagte eines Tages Unser Herr zu mir, dass ich seine Braut sei und ihm meine Bitten vortragen dürfe; er verspreche mir alles zu gewähren, um was ich ihn bitten würde. Als Unterpfand gab er mir einen herrlichen Ring, in dem ein Edelstein gefasst war, der einem Amethyst ähnlich sah; sein Glanz übertraf den der irdischen Edelsteine in unvergleichlicher Weise; diesen (Ring) steckte er mir selbst an den Finger. Dies schreibe ich zu meiner Beschämung; denn wenn ich auf der einen Seite die Güte Gottes sehe, nehme ich auf der anderen Seite die Treulosigkeiten meines Lebens wahr, die mir die Hölle verdient hätten. Ach, meine Töchter, empfehlet mich Gott; bleibet der Verehrung des heiligen Joseph besonders treu, dessen Macht groß ist. Diese Ungereimtheit füge ich bei …

34. Im Monat April 1575 war ich in Veas zur Gründung des Klosters, als Pater Magister Hieronymus Gracian von der Mutter Gottes dort ankam. Ich beichtete manchmal bei ihm, ohne ihn jedoch als Ersatz für meine anderen Beichtväter zu betrachten oder mich ausschließlich von ihm leiten zu lassen. Eines Tages nun war ich bei Tisch, und hatte gar keine innere Sammlung, als meine Seele plötzlich in Ekstase geriet und sich sammelte; es kam mir der Gedanke, dass ich irgendeine Verzückung haben würde. Ich hatte dabei folgende Vision mit der gewöhnlichen blitzartigen Schnelligkeit. Ich sah, wie mir scheint, neben mir den Heiland Jesus Christus in der Gestalt, wie er mir gewöhnlich erscheint. An seiner rechten Seite war dieser Pater Gracian und ich an seiner linken Seite . Der Heiland nahm seine rechte Hand und die meinige und legte sie ineinander mit den Worten: »Ich will, dass dieser Pater während deines ganzen Lebens bei dir meine Stelle vertrete. Ihr werdet beide in allem die gleichen Ansichten haben, wie es so passend ist.« Ich hatte die feste Überzeugung, dass Gott in mir sprach, und doch fühlte ich ein schreckliches Widerstreben in mir, als ich an die zwei Beichtväter dachte, die mich wiederholt ziemlich lange geleitet, denen ich gehorcht hatte und zu großem Dank verpflichtet war, besonders aber als ich an einen von ihnen mich erinnerte, der mein ganzes Vertrauen genießt.

Ich glaubte ihm dadurch eine Beleidigung zuzufügen; andererseits empfand ich große Hochachtung und Verehrung für ihn. Ich war jedoch sicher, dass es so für uns gut sei; außerdem freute es mich, dass ich nun, wie ich glaubte, endlich nicht mehr von einem zum anderen zu gehen brauchte und verschiedene Meinungen anhören musste; denn manche hatten mir großen Kummer bereitet, weil sie mich nicht verstanden. Da jedoch der Fehler vielleicht auf meiner Seite lag, habe ich niemals einen dieser Beichtväter aufgegeben; ich wartete, bis sie fort waren oder bis ich selbst anderswohin mich begab.

Bei anderer Gelegenheit legte mir der Herr an das Herz, mich nicht zu fürchten, und sprach mehrere Worte zu mir, um mich zu versichern, dass er es sei, der mir diesen Pater gebe. Ich verstand endlich, dass es der Wille Gottes sei, und entschloß mich, in keiner Weise dagegen Einspruch zu erheben, mich während des ganzen übrigen Lebens an ihn zu halten und in allem der Ansicht dieses Paters zu folgen, vorausgesetzt, dass sie nicht augenscheinlich gegen Gott sich richte; ich bin aber sicher, dass er es nicht tun wird; denn der Entschluss, immer das Vollkommenste zu tun, wurde, wie ich glaube, von ihm ebenso wie von mir gefasst, wenn ich nach gewissen Dingen urteile, die mir zu Ohren kamen. Als ich meinen Entschluss einmal gefasst hatte, lebte ich in so tiefem Frieden und ward so erleichtert, dass ich darüber staunen musste; auch hatte ich die Überzeugung, dass dies der Wille Gottes sei; denn dieser Friede und dieser Trost können meiner Ansicht nach nicht vom Teufel kommen. Ich war so verzückt, dass ich dies unmöglich mit Worten wiedergeben kann. Jedesmal, so oft mir der Gedanke daran von neuem kommt, lobpreise ich Gott und erinnere ich mich an den Vers: Qui posuit fines suos pacem. Ich möchte mich zur Verherrlichung Gottes hinopfern und ich glaube, dass mein Entschluss zu seiner Ehre beitrug; deshalb nehme ich mir vor, nicht mehr zu wanken.

35. Am zweiten Pfingsttage, der auf diesen Entschluss folgte, begab ich mich zur Klostergründung nach Sevilla und meine Schwestern und ich hörten eine heilige Messe in der Einsiedelei zu Ecija und hielten dort Mittagsruhe. Während die Schwestern in der Einsiedelei waren, blieb ich allein in der Sakristei nebenan. Ich wollte über eine große Gnade nachdenken, die mir der Heilige Geist am Vorabend dieses Festes erwiesen hatte, und es erfasste mich ein inniges Verlangen, ihm dafür durch einen besonderen Dienst meine Dankbarkeit zu bezeigen. Nun fand ich nichts, was ich nicht schon getan hätte. Da erinnerte ich mich, dass das Gelübde des Gehorsams, das ich abgelegt hatte, nicht derart gewesen war, dass es dem vollkommenen Gehorsam entsprochen hätte; ich glaubte, der Heilige Geist würde verherrlicht werden, wenn ich mich durch ein Versprechen in Erfüllung meines einfachen Entschlusses, dem Pater Hieronymus zu gehorchen, verpflichtete. Einerseits hielt ich dieses Versprechen für nichts, andererseits kam es mir sehr schwierig vor; denn man entdeckt den Ordensobern nicht alle Geheimnisse der Seele, und außerdem wechseln sie; wenn man sich mit dem einen gut versteht, so kann ein anderer kommen, mit dem es nicht so geht; ich fürchtete für den Rest meines Lebens ohne innere und äußere Freiheit zu bleiben. All das rief in mir ein Widerstreben, ja sogar heftigen Widerwillen hervor, mich durch diese Versprechen zu binden.

Gerade dieses Widerstreben, dass ich in meinem Willen fand, machte mich ganz verwirrt. Ich glaubte selbst etwas zu haben, was ich nicht für Gott tat, indem zu mich zu etwas anbot, vor dem ich immer zurückschreckte; Tatsache ist, dass mich diese Schwierigkeit schrecklich ängstigte; wenn ich den Schmerz ausnehme, den ich beim Verlassen des Vaterhauses fühlte, um Nonne zu werden, so glaube ich niemals in meinem Leben, auch nicht bei Ablegung meiner Gelübde, einen solchen Kampf empfunden zu haben. Die Ursache von all dem kam daher, dass ich nicht an die Liebe dachte, die ich zu Pater Gracian trage, noch auch an die Eigenschaften, mit denen er zum Wohle meiner Seele ausgestattet ist; ich betrachtete ihn im Gegenteil wie einen Fremdling. Ich fragte mich nur, ob es gut sei, mich auf diese Weise für den Heiligen Geist zu verpflichten.

Mitten in meinen Zweifeln, die sich darum drehten, ob es zur Ehre Gottes beitrage oder nicht, entschloß ich mich, soviel ich glaube, nach heftigem Kampfe allmählich dazu, da mich der Herr mit großem Vertrauen erfüllte; ich machte, wie mir schien, dieses Versprechen für den Heiligen Geist und hielt ihn für verpflichtet, dem Pater Gracian selbst die zu meiner Leitung notwendige Erleuchtung zu geben; außerdem erinnerte ich mich damals daran, dass Unser Herr Jesus Christus ihn mir zum Führer gegeben hatte.

Ich warf mich nun auf die Knie und versprach, alles zu erfüllen, was er mir während meines übrigen Lebens befehlen würde, um dem Heiligen Geiste zu gefallen, vorausgesetzt, dass es nicht gegen den Willen Gottes und meiner Obern sei, denen ich gehorsam sein muß. Um den geringsten Zweifel auszuschließen, achtete ich darauf, dass ich mich nur für wichtige Dinge verpflichtete. Ich nahm die Fälle aus, in denen ich ihm beschwerlich fallen würde, so dass er mich davon entbinden würde, sowie auch jene, bei denen es sich um meine Gesundheit oder um die seinige handeln würde; denn das sind Kleinigkeiten, bei denen man durchaus nicht die Absicht hat, ungehorsam zu sein. Ich verpflichtete mich aus freien Stücken, ihm weder meine Fehler noch meine Sünden vorzuenthalten, was man nicht einmal den Obern gegenüber tut, überhaupt ihn sowohl bezüglich meines äußeren wie inneren Lebens als Stellvertreter Gottes zu betrachten. Ich weiß nicht, ob ich dadurch verdienstlich gehandelt habe, aber ich glaubte ein großes Werk zu Ehren des Heiligen Geistes vollbracht zu haben; wenigstens habe ich alles getan, was ich als ihm wohlgefällig erachte.

Dadurch empfand ich eine hohe Befriedigung und Freude, die bis jetzt angedauert haben. Ich hatte gefürchtet, mir eine Fessel anzulegen, und ich fand mich viel freier. Ich vertraue darauf, dass Unser Herr dem Pater Gracian für die Ehre, die ich Seiner Majestät erwiesen habe, neue Gnaden schenken werde, damit davon auch mir ein Teil zugute komme und mich dieser Pater in allem zu leiten verstehe. Gepriesen sei, der einen Mann geschaffen hat, der meiner Seele so sehr entspricht, dass ich zu tun wagte, was ich eben gesagt habe!

36.

Jesus!

An einem Pfingstfesttage befand sich eine Person in Ecija und erinnerte sich einer großen Gnade, die Unser Herr ihr am Vorabend dieses Festes erwiesen hatte. Von dem Wunsche beseelt, etwas ganz Besonderes zu seiner Ehre zu tun, schien es ihr gut, das Versprechen abzulegen, einem Beichtvater gegenüber, der bei ihr die Stelle Gottes vertrete, weder einen Fehler noch eine Sünde zu verheimlichen, die sie von jetzt an bis an ihr Lebensende begehen würde; denn dazu verpflichtet man sich einem Oberen gegenüber nicht. Zwar hatte diese Person schon das Gelübde des Gehorsams abgelegt, aber durch das fragliche Versprechen glaubte sie ihrem Gelübde etwas hinzuzufügen. Sie wollte sich auch verpflichten, alles zu tun, was der Beichtvater ihr befehlen würde, vorgesetzt, dass es nicht gegen das Gelübde des Gehorsams verstoße, und zwar nur in Bezug auf wichtige Dinge. Anfangs schien ihr dieses Versprechen schwer, allein sie machte es dennoch. Der erste Grund, der sie dazu bestimmte, war die Erkenntnis, dadurch in etwas den Heiligen Geist zu ehren; der zweite bestand darin, dass sie den für einen großen Diener Gottes und hervorragenden Theologen hielt, der es verstand, ihre Seele zu leiten und ihr behilflich zu sein, Gott noch treuer zu dienen. Dieser Beichtvater bekam von diesem Versprechen erst mehrere Tage später Kenntnis und heißt Pater Hieronymus Gracian von der Mutter Gottes.

37. An einem Festtage der heiligen Magdalena dachte ich über die Liebe nach, die ich Unserem Herrn in betreff dessen schuldig war, was er mir über diese Heilige mitgeteilt hatte; ich war von heftigem Verlangen beseelt, sie nachzuahmen. Da verlieh mir der Herr eine große Gnade und sagte zu mir: »Verdopple deine Kraft; denn von nun an musst du mir weit eifriger dienen als bisher.« Er erfüllte mich dabei mit dem Verlangen, nicht so schnell zu sterben, um Zeit zu haben, für seine Ehre zu arbeiten; und es erwachte in mir der feste Entschluss, für ihn zu leiden.

38. Eines Tages, als ich sehr gesammelt war und den Elisäus Gott empfahl, vernahm ich die Worte: »Dieser ist in Wahrheit mein Sohn; ich werde ihm immer beistehen,« oder ein anderes ähnliches Wort; denn ich erinnere mich nicht mehr genau daran.

39. Am Vorabende des Festes des hl. Laurentius war nach der Kommunion mein Geist so zerstreut und ausgegossen, dass ich mir gar nicht helfen konnte und anfing, die Einsiedler der Wüste zu beneiden, die nichts sehen und hören und die mir darum auch keine Zerstreuung zu haben schienen. Da vernahm ich die Worte: »Du täuschest dich sehr, meine Tochter; jene haben vielmehr noch heftigere Versuchungen von seiten des bösen Feindes auszustehen. Habe Geduld, denn in diesem Leben geht es nicht anders.« Darauf ward mir plötzlich eine solche innere Sammlung zuteil, und ich ward mit einem so klaren Lichte erfüllt, dass ich meinte, in einer anderen Welt zu sein. Mein Geist befand sich innerlich in einem sehr lieblichen, mit Bäumen bepflanzten Lustgarten, der mich an die Worte des Hohenliedes erinnerte: Veniat dilectus meus in hortum suum. Hier sah ich meinen Elisäus aber nicht mit schwarzem, sondern mit einem außerordentlich schönen Antlitze. Auf seinem Haupte trug er ein mit Edelsteinen reich geziertes Diadem, und eine große Schar Jungfrauen zog vor ihm her; sie alle hatten Baumzweige in ihren Händen und sangen Lieber zum Preise Gottes. Wenn mich etwas hätte zerstreuen können, so war es nur, dass ich die Augen öffnete; aber dies vermochte nicht meine Aufmerksamkeit auf diese Erscheinung zu stören; vielmehr glaubte ich auch noch einen Gesang von Vögeln und Engeln, aber nicht mit leiblichen Ohren zu vernehmen, an dem sich meine Seele ergötzte. Während ich mich dieser Freude überließ, wobei ich nicht sah, dass etwa noch ein anderer Mensch zugegen gewesen wäre, vernahm ich die Worte: »Dieser hat es verdient, unter euch zu sein. Die ganze Festlichkeit, die du hier schauest, wird an dem Tage stattfinden, den er zum Lobe meiner Mutter einsetzen wird. Eile, wenn du an den Ort kommen willst, wo er sich befindet!« Diese Vision, die verschieden war von den anderen, dauerte über anderthalb Stunden, während der die Freude, die ich empfand, mir nicht gestattete, mich etwas anderem zuzuwenden. Ich gewann daraus eine noch größere Liebe zu Elisäus, und er war von da an meinem Geiste in jener Schönheit häufiger gegenwärtig als sonst. Eine Einbildung war hier nicht möglich; nur fürchtete ich, das Ganze möchte eine Versuchung (vom bösen Feinde) gewesen sein.

40. Eines Tages sah ich, wie der Herr in allen Dingen und besonders in der Seele gegenwärtig ist; und es fiel mir da der Vergleich mit einem Schwamme ein, der ganz mit Wasser durchtränkt ist.

41. Als meine beiden Brüder von Indien zurückkehrten, unterließ ich es nicht, mich mit einem von ihnen, dem ich viel schulde, über die Angelegenheiten seiner Seele und seiner Ruhe zu besprechen; dies ermüdete mich und fiel mir schwer. Trotzdem opferte ich dem Herrn diese Selbstüberwindung auf, da ich mich verpflichtet hielt, ihm diesen Dienst zu erweisen. Da erinnerte ich mich an eine Vorschrift unserer Satzungen, in der davon die Rede ist, dass wir uns von unseren Verwandten losreißen sollen; und als ich darüber nachdachte, ob ich auch in diesem Falle gehalten sei, diese Beziehungen zu brechen, sprach der Herr zu mir: »Nein, meine Tochter, eure Satzungen müssen sich richten nach den Vorschriften meines Gesetzes.« Und in der Tat verlangen unsere Satzungen nur, dass wir uns nicht an unsere Verwandten hängen, und es gereicht mir auch der Umgang mit ihnen zur Last und missfällt mir.

42. Am Feste des heiligen Augustin ward mir nach der heiligen Kommunion auf eine mir unerklärliche Weise durch eine geistige, schnell vorübergehende Vision zu verstehen gegeben, so dass ich es fast schaute, wie die drei Personen der heiligsten Dreifaltigkeit, deren Bild ich in meiner Seele trage, ein und dieselbe Natur haben. Es wurde mir dies durch eine so erhabene Vergegenwärtigung und durch ein so klares Licht veranschaulicht, dass in mir eine ganz andere Wirkung hervorgebracht wurde wie durch den Glauben. Die Folge davon ist, dass ich an eine der göttlichen Personen nicht mehr denken kann, ohne mir zugleich alle drei vorzustellen. Darum fragte ich mich heute, wie denn nur der Sohn allein menschliche Natur angenommen habe, da doch alle drei eine so vollkommene Einheit bildeten. Der Herr gab mir zu verstehen, dass die Personen, obgleich sie nur eine einzige Natur haben, doch unter sich verschieden sind. Dies sind so erhabene Gnadenerweisungen, dass die Seele von neuem von dem Verlangen erfüllt wird, dass Gefängnis dieses Leibes zu verlassen, der sie an deren Genusse hindert. In Anbetracht unserer Schwäche scheinen wir wenig geeignet zu sein, eines dieser erhabenen Geheimnisse zu begreifen. Trotzdem reicht ein Augenblick dazu hin, dass die Seele, ohne zu wissen wie, aus dieser Vision unvergleichlich größeren Gewinn zieht, als wenn sie viele Jahre lang der Betrachtung dieser Geheimnisse sich hingegeben hätte.

43. Ich verbringe gewöhnlich das Fest der Geburt Unserer lieben Frau in größter Freude. Als dieser Tag herankam, hielt ich es für gut, meine Gelübde wieder zu erneuern. Als ich das tun wollte, schaute ich die allerseligste Jungfrau in einer geistigen Vision. Es kam mir vor, als legte ich meine Gelübde in ihre Hände und als habe sie so großes Wohlgefallen daran. Diese Vision währte mehrere Tage lang, und die allerseligste Jungfrau stand neben mir auf der linken Seite.

44. Eines Tages nach der heiligen Kommunion kam es mir vor, als sei meine Seele wirklich eins mit dem allerheiligsten Leibe Unseres Herrn, dessen Gegenwart ich fühlbar wahrnahm. Diese Gnade brachte in mir die kostbarsten Wirkungen hervor.

45. Als ich einst darüber nachdachte, dass man mir den Auftrag geben könnte, ein gewisses Kloster zu reformieren, geriet ich in Angst. Da vernahm ich die Worte: »Was fürchtet ihr denn? Was könnt ihr denn verlieren als etwa das Leben, das ihr mir schon so oft zum Opfer gebracht habt? Ich werde euch beistehen.« Diese Gnade wurde mir bei irgendeiner Gelegenheit gewährt, und meine Seele ward dadurch sehr beruhigt.

46. Eines Tages besprach ich mich mit einer Person, die aus Liebe zu Gott so vieles verlassen hatte, und ich erwog dabei, dass ich aus Liebe zu ihm nichts verlassen und ihm in keiner Weise nach dem Maße meiner Verpflichtungen gedient hatte; auch dachte ich an die vielen Gnaden, womit er meine Seele schon bereichert hatte. Da überkam mich eine große Betrübnis, und der Herr sprach zu mir: »Du kennst ja die Verlobung, die zwischen dir und mir stattgefunden hat; infolgedessen ist alles, was ich habe, dein Eigentum; und so schenke ich dir alle Leiden und Schmerzen, die ich erduldet; du kannst damit wie mit deinem Eigentum vor meinem Vater im Gebete erscheinen.« Ich habe schon früher vernommen, dass wir daran teilnehmen, aber hier erfuhr ich es auf eine ganz andere Weise; ich glaubte im Besitze der kostbarsten Reichtümer zu sein, und ich kann es hier nicht wiedergeben, mit welcher Liebe mir diese Gnade erwiesen wurde. Die Person des Vaters billigte dies, wie mir schien, und von da an betrachtete ich die Leiden Unseres Herrn mit ganz anderen Augen. Ich erkenne in ihnen ein Gut für mich, und das verschafft mir überaus großen Trost.

47. Einst hatte ich ein Verlangen, Unserem Herrn irgendeinen Dienst zu erweisen. Ich erwog dabei, wie ungeeignet ich dazu sei, und sprach zu mir selbst: »Wozu, o Herr, willst du denn meine Werke?« Und er gab mir nur Antwort: »Um deinen guten Willen zu sehen, meine Tochter.«

48. Einst verlieh mir der Herr eine ganz besondere Erleuchtung in einer Sache, so dass ich über deren Verständnis sehr erfreut war. Aber bald darauf verschwand die Erinnerung daran so schnell aus meinem Gedächtnis, dass ich mir gar nicht mehr vergegenwärtigen konnte, was es war. Als ich mich aufs neue bemühte, mir dies ins Gedächtnis zu rufen, vernahm ich: »Du weißt doch schon, dass ich von Zeit zu Zeit zu dir spreche. Unterlass es darum nicht, aufzuschreiben, was ich dir sage. Denn wenn auch dir daraus kein Nutzen erwächst, so kann es doch anderen nützlich sein.« Als ich hierauf darüber nachdachte, ob ich meiner Sünden wegen anderen nützlich sein könnte und nicht selbst zugrunde gehen würde, sprach der Herr zu mir: »Fürchte dich nicht!«

49. Einst erfreute ich mich in tiefer Sammlung jener Gesellschaft, die ich immer in meiner Seele habe; und es schien mir, Gott befinde sich in ihr gerade so, wie sich meiner Erinnerung nach der heilige Petrus ausgedrückt hat: »Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.« Denn der lebendige Gott war in der Zeit in mir. Diese Vision gleicht den anderen nicht; sie übertrifft die Kraft des Glaubens, und man kann daher nicht zweifeln, dass die Dreifaltigkeit in ganz besonderer Weise durch ihre Allgegenwart, durch ihre Macht und ihre Wesenheit in unserer Seele sich befindet. Diese Vision trägt außerordentlich viel bei zur Erkenntnis dieser Wahrheit. Als ich ganz erstaunt war über die Anwesenheit einer so erhabenen Majestät in einem so verächtlichen Geschöpfe, wie meine Seele ist, da vernahm ich die Worte: »Deine Seele ist nicht verächtlich, meine Tochter, denn sie ist geschaffen nach meinem Ebenbilde.« Ich vernahm auch noch mehrere andere Einzelheiten über die Ursache, warum Gott weit mehr seine Freude an den Seelen als an anderen Geschöpfen finde; aber es sind das so erhabene Dinge, dass man sie, obgleich sie der Verstand für den Augenblick erfasst, doch nicht aussprechen kann.

50. Ich war so betrübt über die Krankheit unseres Vaters, dass ich darüber die Ruhe verlor; eines Tages nun nach der heiligen Kommunion bat ich den Herrn inständig, ihn mir erhalten zu wollen, da er ihn mir als Führer gegeben hatte. Und der Herr sprach zu mir: »Sei ohne Furcht!«

51. Eines Tages betrachtete ich in meiner Seele diese Gegenwart der drei göttlichen Personen. Die Erleuchtung war so erhaben, dass ich gar nicht zweifeln konnte, es sei hier der wahre und lebendige Gott. Mir wurden dabei Dinge zu verstehen gegeben, die ich nachher nicht auszusprechen vermochte. Unter anderem wurde mir gezeigt, wie die Person des Sohnes Fleisch angenommen habe und nicht die anderen zwei. Ich bin, wie gesagt, nicht imstande, dies verständlich zu machen; denn manche dieser Dinge gehen so ganz im Innersten der Seele vor sich, dass der Verstand einer Person gleicht, die reift oder sich im Halbschlaf befindet und einige Worte zu vernehmen meint. Ich erwog nun bei mir, wie bitter dieses Leben sei, da es uns des beständigen Genusses dieser wunderbaren Gesellschaft beraubt, und sprach zu mir selber: »Herr, gib mir ein Mittel, um dieses Leben zu ertragen!« Da gab mir der Herr zur Antwort: »Bedenke, meine Tochter, dass du mir nach diesem Leben nicht mehr so dienen kannst wie jetzt. Magst du essen oder schlafen oder sonst etwas tun, tue es aus Liebe zu mir, gleich als ob nicht mehr du lebtest, sondern ich in dir. Das ist es, was der heilige Paulus meint.«

52. Eines Tages nach der heiligen Kommunion wurde mir zu verstehen gegeben, wie der ewige Vater den heiligsten Leib Christi im Innersten unserer Seele aufnimmt. Ich verstehe und sehe, dass die drei göttlichen Personen gegenwärtig sind und dass der Vater an dem Opfer, dass wir ihm hier auf Erden in seinem Sohne darbringen, dass innige Wohlgefallen hat, da er alle seine Freude und Wonne an ihm findet. Denn nicht nur die Menschheit des Sohnes bewohnt unsere Seele, sondern auch seine Gottheit; und darum ist dem Vater dieses Opfer so überaus angenehm und wohlgefällig, wofür er uns mit den größten Gnaden bereichert. Ich habe außerdem erkannt, dass er das Opfer des Altares annimmt, selbst dann, wenn der Priester sich im Zustand der Sünde befindet; aber in diesem Falle empfängt dieser nicht die Gnaden, die jenen zuteil werden, die im Gnadenstande leben. Dies kommt aber nicht daher, dass die Gnaden des Himmels ihre Kraft verlieren, da diese ja hervorströmen aus der Annahme des Opfers durch den Vater, sondern von der schlechten Vorbereitung dessen, der sie empfangen soll; es trifft ja auch die Sonne keine Schuld, die nicht in der selben Weise erglänzt, wenn sie ein Stück Pech bescheint, als wenn sie einen Kristall beleuchtet. Könnte ich mich jetzt darüber aussprechen, so würde ich meine Gedanken wohl verständlich machen; denn es ist höchst wichtig, wie es vor sich geht, wenn sich in unserem Innern bei der heiligen Kommunion so erhabene Geheimnisse vollziehen. Es ist ein Jammer, dass unser Leib dem Genusse dieser Gnaden so große Hindernisse in den Weg legt.

53. In der Oktav non Allerheiligen verbrachte ich zwei bis vier sehr schmerzliche Tage in der Erinnerung an meine großen Sünden; ich empfand außerdem eine sehr große Furcht vor den Verfolgungen, die auf mich warteten, eine Furcht, die sich nur auf Verleumdungen gründete, mit denen man mich überhäufen wollte; und ich hatte nicht den Mut, der mich gewöhnlich beseelt, wenn es sich darum handelt, für Gott zu leiden. Ich machte jedoch Anstrengungen, um mich aufzuraffen, und erweckte Akte des Großmutes; denn ich sah, welche Früchte mir daraus erwachsen könnten. Allein es nützte mir das wenig; denn die Furcht verließ mich nicht. Es war ein schrecklicher Kampf. Plötzlich fielen meine Blicke auf einen Brief, in dem mein guter Vater an das Wort des heiligen Paulus erinnert: »Gott gibt nicht zu, dass wir über unsere Kräfte versucht werden.« Dieses Wort brachte mir große Erleichterung, zerstreute aber nicht alle meine Befürchtungen. Am folgenden Tage war ich sogar sehr darüber betrübt, dass ich mich ohne den Beistand dieses Paters befand. Ich hatte niemanden, zu dem ich in dieser Betrübnis meine Zuflucht nehmen konnte; ich sah mich in großer Verlassenheit. Noch etwas vermehrte meinen Schmerz, nämlich der Umstand, dass ich damals außer ihm niemanden hatte, der mich hätte trösten können; da er gewöhnlich abwesend sein musste, so war mein Kummer groß.

Am folgenden Abend nahm ich ein Buch und las ein anderes Wort des heiligen Paulus, dass mir etwas Trost verschaffte.

Als ich mich etwas gesammelt hatte, betrachtete ich, wie innig ich vorher mit Unserem Herrn vereinigt war, der mir in Wahrheit als der lebendige Gott erschien. Ich befasste mich mit diesem Gedanken, als mir der Herr in einer geistigen Vision im Innersten meines Herzens erschien und zu mir sagte: »Ich bin da, aber ich will, dass zu siehst, wie wenig du ohne mich vermagst.« Sogleich gewann ich meine Zuversicht wieder, und all meine Furcht verschwand. Am gleichen Abend erschien mir der Herr bei der Matutin in einer so erhabenen geistigen Vision, dass ich sie fast für eine Einbildung hielt. Er fiel in meine Arme, ebenso mit ihn dass fünfte Geheimnis des Leidens darstellt. Ich war sehr verwirrt durch diese Vision, die mir so klar und so nahe vorkam, dass ich mich fragte, ob es nicht eine Täuschung sei. Da sagte der Herr zu mir: »Wundere dich nicht darüber; denn die Vereinigung meines Vaters mit deiner Seele ist unvergleichlich inniger.« Diese Vision hat bis zum jetzigen Augenblicke angedauert. Was ich von Unserem Herrn gesagt habe, hat bei mir über einen Monat angedauert, aber es ist jetzt schon vorüber.

54. Eines Abends war ich sehr betrübt, weil ich über meinen Vater keine Nachricht erhielt und er sich noch nicht wohl befand, als er mir das letztemal schrieb. Dieser Schmerz drückte mich indes weniger als zur Zeit seiner Erkrankung. Ich dachte mir, dass sein Leiben nicht so groß sei; übrigens habe ich seitdem niemals mehr den gleichen Schmerz verspürt. Trotzdem hinderte mich diese Befürchtung beim Gebete. Nun erschien mir plötzlich dieser Pater. Die Vision war derart, dass sie nicht ein Werk der Einbildungskraft sein kann. Ein Licht verbreitete sich in meinem Innern; ich sah den Pater, der auf dem Wege ging, ganz voll Freude; sein Angesicht war weiß, was wohl von diesem Lichte herrührte. Ich glaube übrigens, dass alle Bewohner des Himmels leuchten, und ich dachte darüber nach, ob nicht die weiße Gesichtsfarbe der Heiligen von dem Glanze und dem Lichte herrühre, das Gott verbreitet. Da hörte ich folgende Worte: »Sage ihr, sie soll nur ohne jegliche Furcht beginnen; der Sieg ist ihrer.« Am Tage nach seiner Ankunft beschäftigte ich mich Abends damit, Gott für alle mir erwiesenen Gnaden zu danken, als seine Majestät zu mir sprach: »Was willst du von mir, Tochter, das ich nicht tue?«

55. An dem Tage, an dem man das Breve bekanntgab, war ich so niedergeschlagen, dass ich dadurch ganz verwirrt ward und nur mit Mühe ein mündliches Gebet verrichten konnte. Man hatte mir gesagt, dass unter Vater sich in großer Gefahr befinde, dass man ihn nicht fortlasse und ein großer Aufruhr entstanden sei. Da vernahm ich folgende Worte: »O glaubensschwaches Weib, sei ruhig; die Angelegenheiten stehen sehr gut.« Es war am Feste Mariä Opferung im Jahre 1575. Ich beschloß im Falle, dass dieser Pater und ich frei von diesen Ordensmännern uns wiedersehen würden, seine Paternität zu bitten, dass alljährlich dieses Fest in unseren Klöstern der unbeschuhten Karmelitinnen feierlich begangen werden sollte. In dem Augenblick, als ich diesen Entschluss fasste, erinnerte ich mich nicht, gehört zu haben, dass er dieses Fest, von dem ich eine Vision hatte, selbst einsetzen wollte. Als ich jetzt diese kurze Aufzeichnung wieder durchlas, fragte ich mich, ob dieses Fest nicht das der Darstellung sei.

56. Als ich mich einst im Gebete befand, fühlte sich meine Seele so mit Gott vereinigt und in ihn vertieft, dass es mir vorkam, die Welt sei für mich nicht mehr da. Und ich erhielt dabei Verständnis des Verses im Magnifikat: »Und es frohlockte mein Geist,« und zwar auf eine Weise, dass ich es nicht vergessen kann.

57. Ich dachte einst darüber nach, dass man im Sinne habe, dieses Kloster der unbeschuhten Karmelitinnen zu zerstören, und fragte mich, ob man nicht damit umgehe, allmählich alle zu vernichten. Da vernahm ich die Worte: »Dies haben sie im Sinne, aber sie werden es nicht erleben, sondern gerade das Gegenteil!«

58. Ich hatte in der Stadt, in der ich mich eben aufhalte, bei einem Manne zu beichten begonnen, der mir, seitdem er die Leitung meiner Seele übernommen hatte, große Liebe entgegenbrachte und seinen guten Willen an den Tag legte; allein er kam nicht mehr hierher, um meine Beichte zu hören. Als ich mich einst nachts im Gebete befand und darüber nachdachte, wie notwendig ich seiner Ratschläge bedürfte, vernahm ich, dass Gott dies veranlasst habe, weil es für mich gut sei, über die Angelegenheiten meiner Seele mich mit einem anderen Beichtvater dieser Stadt zu besprechen. Mir fiel es schwer, mit einem neuen Beichtvater in Verkehr zu treten, der mich vielleicht nicht verstehen und mich in Verwirrung stürzen könnte, während ich einen mir ergebenen Freund verlassen musste. Indessen empfand ich, so oft ich letzteren sah oder predigen hörte, eine geistige Freude; aber da er so vielfach beschäftigt war, so hielt ich es für unpassend, mich an ihn zu wenden. Da sprach der Herr zu mir: »Ich werde bewirken, dass er dich anhört und versteht; lege ihm deine Schwierigkeiten dar, und er wird dir beistehen in deinen Prüfungen.« Das letzte Wort war ganz nach meinem Sinn, da ich damals recht darüber betrübt war, dass ich Gott so ferne stehe. Seine Majestät sprach damals auch noch zu mir: »Ich kenne die Prüfung, in der du dich befindest, recht gut; allein es kann nicht anders sein, solange du in dieser Verbannung lebst; all das gereicht dir zum größten Heil.« Dieses Wort tröstete mich sehr. Es ist alles eingetroffen, wie es mir verkündet worden war. Dieser Beichtvater kommt gern, und er weiß seine Zeit dafür gut einzuteilen; er hat meine Seele verstanden und mir großen Trost bereitet.

59. Am Feste Mariä Opferung empfahl ich Gott recht inständig eine Person. Ich glaubte, dass ihr Reichtum und ihre Freiheit ein Hindernis wären für die Heiligkeit, die ich ihr wünschte; auch sah ich, dass sie eine schwächliche Gesundheit besaß und sehr um das Heil der Seelen besorgt war. Da vernahm ich die Worte: »Diese Person dient mir sehr treu; aber es ist etwas Großes, mir in der vollkommenen Entblößung nachzufolgen, in der ich mich am Kreuze befand. Sage ihr, dass sie auf mich vertrauen soll.« Das letzte Wort bezog sich auf meine Befürchtung, es könnte diese Person infolge ihrer schwächlichen Gesundheit kein so vollkommenes Leben führen.

60. Als ich eines Tages über die Qual nachdachte, die mir der Genuß von Fleischspeisen und die Unterlassung der Bußwerke bereiteten, da vernahm ich die Worte: »Das ist manchmal mehr Eigenliebe als aufrichtiges Verlangen nach Buße.«

61. Eines Tages empfand ich großen Schmerz über meine Beleidigungen Gottes, da sprach er zu mir: »All deine Sünden sind vor meinen Augen, als ob sie nie begangen worden wären; du musst jetzt Mut fassen, da deine Leiden noch nicht zu Ende sind.«

62. Als ich während meines Aufenthaltes im St. JosephsKloster zu Ávila am hl. Pfingstabend in der Einsiedelei, Nazareth genannt, eine überaus große Gnade betrachtete, die mir der Herr an demselben Tage vor ungefähr zwanzig Jahren erwiesen hatte, überfiel mich ein gewaltiger Antrieb und Eifer des Geistes, dass ich in Verzückung geriet. In dieser tiefen Gemütssammlung habe ich vom Herrn folgende Worte vernommen: »Sage in meinem Namen den Vätern des unbeschuhten Karmelitenordens, sie möchten mit allem Eifer vier Stücke beobachten; solange sie in deren Erfüllung treu sind, wird der Orden immer mehr zunehmen. Wenn sie aber davon ablassen, so sollen sie wissen, dass sie von ihrem ersten Eifer abgewichen.

1. Die Oberen sollen untereinander einig sein.

2. Wenn sie auch viele Klöster haben, so sollen doch in jedem nur wenig Ordensleute sein.

3. Sie sollen mit den Weltleuten nur wenig verkehren und immer nur zu deren Seelenheil.

4. Sie sollen mehr durch Werke als durch Worte lehren.« Dies geschah im Jahre 1579; weil dies eine große Wahrheit ist, so habe ich sie mit meinem Namen unterschrieben. Theresia von Jesu.

Weblink

Gedanken über die Liebe Gottes

Quelle Fünfter Band 1938: Die Seelenburg der heiligen Theresia von Jesu, S. 235-292 (Imprimatur Monachii, die 18 Novembris 1937 F. Buchwieser Vic. Gen.),

Einführung des Herausgebers (S. 12-13)

Nahe Verwandtschaft mit der »Seelenburg« verrät das Schriftchen »Gedanken über die Liebe Gottes« (Conceptos del amor de Dios). Es sind dies Erwägungen zu einigen Stellen des Hohenliedes. Wie in der »Seelenburg«, dem »Leben« und dem »Weg der Vollkommenheit« ist auch in dieser kleineren Schrift die Grundeinstellung der Heiligen ein näheres Eingehen auf das Wesen der höchsten Stufen der Beschauung. Auch dieses Werkchen ist wie die übrigen in erster Linie an die geistlichen Töchter der großen Reformatorin gerichtet, um sie zu noch größerem Streben nach Vollkommenheit anzuspornen.

Beim täglichen Breviergebet stieß die Heilige oft auf Stellen aus dem Hohenliede, die, freilich für den gewöhnlichen Laien unverständlich, auf Theresia stets, als der Ausdruck der bräutlichen Liebe zwischen Christus und der Seele dank einer besonderen Erleuchtung Gottes erfasst, einen tiefen Eindruck machten und in ihrer von der göttlichen Liebe glühenden Seele den besten Wiederhall fanden. In diesem Sinne wollte denn auch die Heilige diese Stellen aufgefasst und von ihren geistlichen Töchtern erfasst wissen.

Nach einer kurzen Einleitung legt die heilige Verfasserin in sieben Kapiteln die mystischen Erwägungen dar, welche die biblischen Worte ihr nahelegten. Über die Zeit des Entstehens dieser Schrift wissen wir nichts Bestimmtes. Jedenfalls wird deren Abfassung, soweit aus einigen Bemerkungen der Verfasserin zu entnehmen ist, in die Jahre 1571 bis 1573 zu setzen sein.

Die OriginalHandschrift dieses Werkchens existiert leider nicht mehr. Der Dominikaner Pater Yanguas, ihr damaliger Beichtvater, dem Theresia die Schrift zur Einsicht unterbreitete, befahl ihr nämlich, dieselbe zu verbrennen, mit der Begründung, es gezieme sich nicht für eine Frau, Erwägungen zum Hohenliede anzustellen oder gar zu schreiben. Und die Heilige, gehorsam wie immer, verbrannte sofort das Original. Doch hatten ihre geistlichen Töchter, freilich ohne Wissen der heiligen Mutter, schon verschiedene Abschriften, mit größerer oder geringerer Genauigkeit, hergestellt. Und so ist uns die Schrift dank dieser Abschriften erhalten geblieben, wie solche in Alba de Tormes, in Baeza, Consuegra und in der Nationalbibliothek von Madrid (herstammend von dem Einsiedlerkloster der Karmeliten von Ronda) aufbewahrt werden.

Die »Gedanken über die Liebe Gottes« erschienen zum erstemal im Druck, und zwar im spanischen Original, in Brüssel im Jahre 1611, mit Einleitung und Anmerkungen des Paters Hieronymus Gracián, der 1607 nach Flandern gekommen war und dort, wie schon vorher in Italien, sich eifrig um die Veröffentlichung der Werke der heiligen Theresia bemühte. Diese Ausgabe, die schon im folgenden Jahre neu aufgelegt wurde, bildete dann in den kommenden Jahren, aber ohne die Einleitung und Anmerkungen des Paters Gracián, die Vorlage zur wiederholten Neuausgabe derselben in Verbindung mit den Gesamtschriften der Heiligen.

Pater Ambrosius a. S. Theresia, O. C. D. (Rom).

Gedanken über die Liebe Gottes
geschrieben von der heiligen Mutter Theresia von Jesu

im Anschluss an einige Worte des Hohenliedes Salomons

Vorwort

Wenn ich sehe, welche Erbarmungen unser Herr den Seelen erzeigt, die er in diese mit seiner Hilfe gegründeten Klöster von der ersten Regel des Ordens unserer Lieben Frau vom Berge Karmel führt, so muß ich darüber staunen und Gott von ganzem Herzen preisen. Die Gnaden, die unser Herr einigen dieser Seelen verleiht, sind so groß, dass ihnen jemand zur Seite stehen muß, der ihnen einiges von dem erklärt, was zwischen der Seele und unserem Herrn vorgeht. Sie allein haben ein Verständnis dafür, wie schwer es ist, wenn man über diese Dinge keine Klarheit besitzt. Seit einigen Jahren verleiht mir der Herr jedesmal, so oft ich gewisse Worte des Hohenliedes Salomonis lese oder höre, die ganz außerordentliche Gnade, dass ich, ohne den lateinischen Text in unserer Muttersprache zu verstehen, tiefer gesammelt und mehr gerührt werde als durch die Lesung der erbaulichsten Bücher, die ich verstehe. Dies ist fast gewöhnlich der Fall, während ich früher diese Worte auch dann nicht verstand, wenn sie mir in spanischer Sprache vorgetragen wurden.

Vor ungefähr zwei Jahren unterwies mich der Herr gelegentlich über den Sinn einiger Worte (des Hohenliedes), wohl, wie mir dünkt, zum Troste der Schwestern, die Seine Majestät auf diesem Wege führt, sowie auch zu meinem eigenen; denn manchmal verstand ich es so klar, dass ich es nicht mehr zu vergessen wünschte, ohne dass ich es jedoch gewagt hätte, etwas aufzuzeichnen.

Jetzt aber will ich auf den Rat von Männern hin, denen ich Gehorsam schuldig bin, darangehen, einiges von dem Inhalte dieser Worte niederzuschreiben, den mir der Herr zu meinem Troste offenbarte. Es soll dies zum Verständnis des Weges dienen, den der Herr, wie gesagt, die Nonnen dieser Klöster führt, die meine Schwestern sind. Sollte diese Schrift als geeignete Lesung für euch erfunden werden, so nehmt sie als eine kleine Gabe von jener an, die euch wie sich selbst alle Gaben des Heiligen Geistes wünscht. In seinem Namen beginne ich. Sollte ich irgendwie das Rechte treffen, so dürft ihr annehmen, dass es nicht von mir, sondern (vom Herrn) kommt. Möge es der göttlichen Majestät gefallen!

Erstes Hauptstück

Theresia spricht von der Ehrfurcht, womit man die Heilige Schrift lesen soll, sowie von der Schwierigkeit, besonders für Frauen, den Sinn der Heiligen Schrift, namentlich des Hohenliedes, zu erfassen. »Der Herr küsse mich mit dem Kusse seines Mundes; denn köstlicher als Wein sind deine Brüste.«

1. Es ist mir sehr aufgefallen, dass hier die Seele, wie sie es andeutet, mit jemand zu sprechen scheint, während sie von einem anderen den Frieden begehrt. Sie sagt nämlich: »Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes«, und sogleich bemerkt sie, wie es scheint, jenem gegenüber, bei dem sie weilt: »Deine Brüste sind lieblicher usw.« Wie dies zu verstehen ist, weiß ich nicht, aber gerade dieses Nichtverstehen macht mir Freude; denn die Seele, meine Töchter, soll in der Tat nicht so sehr das ins Auge fassen und sich nicht so sehr von dem einnehmen und mit Ehrfurcht gegen Gott erfüllen lassen, was ihr kurzsichtiger Verstand hienieden fassen kann, sie soll vielmehr unter dem Eindruck dessen stehen, was sie in keiner Weise zu begreifen vermag. Darum empfehle ich euch sehr, beim Lesen eines Buches oder beim Anhören einer Predigt oder bei Betrachtung der Geheimnisse unseres heiligen Glaubens euch nicht mit spitzfindigem Nachdenken über das abzumühen, was ihr nicht fassen könnt. Dies schickt sich nicht für Frauen und ist oft selbst Männern nicht ratsam. Will der Herr, dass wir es verstehen, so vollbringt es Seine Majestät ohne Bemühen von unserer Seite.

2. Dies sage ich Frauen und jenen Männern, die nicht den Beruf haben, durch ihre Wissenschaft die Wahrheit zu verteidigen. Denn bei jenen, die der Herr berufen hat, uns die göttlichen Wahrheiten zu erklären, versteht es sich von selbst, dass sie sich Mühe geben müssen, und daraus werden sie auch Gewinn ziehen. Wir aber sollen in Einfalt annehmen, was der Herr uns gibt, und nicht das zu ergründen suchen, was er unserem Verständnisse verschließt. Freuen wir uns vielmehr bei der Erwägung, dass wir einen so großen Gott und Herrn haben, von dem ein einziges Wort tausend Geheimnisse in sich schließt, weshalb wir es nie vollkommen verstehen. Wäre etwas lateinisch oder hebräisch oder griechisch geschrieben, dann würde es uns nicht wundern, wenn wir es nicht verstehen; aber wie vieles kommt in den Psalmen des heiligen Königs David vor, das uns auch in unserer Muttersprache ohne anderweitige Erklärung so dunkel bleibt wie das Latein! Darum hütet euch, jemals mit Nachgrübeln über solche Dinge den Geist umsonst anzustrengen! Denn Frauen benötigen nicht mehr, als für ihren Verstand ausreicht; gibt uns dies Gott, so erweist er uns dadurch eine Gnade. Will uns aber Seine Majestät mehr geben, so werden wir es ohne Mühe und Anstrengung finden; im übrigen sollen wir uns demütigen und, wie gesagt, uns darüber freuen, dass wir einen so großen Herrn haben, dessen Worte wir auch in unserer Muttersprache nicht verstehen können.

3. Es mag euch scheinen, dass manche Stellen im Hohenliede in anderer Form hätten ausgedrückt werden können. Bei unserem Unverstande wundere ich mich nicht über eine solche Ansicht; ich habe sogar schon von einigen vernommen, sie möchten diese Dinge gar nicht hören. Mein Gott, wie groß ist doch unsere Armseligkeit! Wie bei giftigen Tieren alles, was sie verzehren, sich in Gift verwandelt, ebenso geschieht es auch hier. Wir schöpfen aus den großen Gnadenerweisen des Herrn, wodurch er uns den Reichtum einer ihn liebenden Seele erkennen lässt und uns ermutigt, mit Seiner Majestät zu sprechen und an ihr uns zu ergötzen, nur Befürchtungen und fassen die Worte in einem Sinne aus, wie es unserem mangelhaften Verständnis der Liebe Gottes zu uns entspricht, anstatt daraus Anlass zu nehmen, Gott mehr zu lieben.

4. O mein Herr, wie kommt es doch, dass wir uns das Gute, das du uns erwiesen, so schlecht zunutze machen! Deine Majestät versucht uns auf verschiedene Weise die Liebe kundzutun, die du zu uns trägst; wir aber, die wir in der Liebe zu dir so wenig Erfahrung besitzen, schätzen dies so gering, dass unsere Gedanken sich dahin wenden, wo sie ihrer schlimmen Gewohnheit nach allzeit weilen. Ja, wir kehren sie von den großen Geheimnissen ab, die diese vom Heiligen Geiste eingegebene Sprache in sich schließt. Was wäre uns aber zur Entflammung unserer Liebe notwendiger als der Glaube, dass er diese Redeweise nicht ohne Grund gewählt hat?

5. Ich erinnere mich, einst bei Gelegenheit der Fußwaschungszeremonie eine vortreffliche Predigt eines Ordensmannes gehört zu haben, deren Hauptinhalt eine Erklärung des zärtlichen Liebesverkehres der Braut im Hohenliede mit Gott war. Über diese Predigt entstand aber unter den Zuhörern ein solches Gelächter, ja man war über den Prediger und über seine Worte so angehalten, dass ich darüber staunte. Er sprach, wie es dem Geheimnisse dieses Tages nicht anders angemessen war, von der Liebe. Jetzt ist mir der Grund des Benehmens dieser Leute freilich klar; es war kein anderer als der Mangel an erfahrungsmäßiger Liebe zu Gott, wie ich schon erwähnt habe. Bei diesem Mangel scheint ein so inniger Verkehr einer Seele mit Gott unmöglich. Wohl schöpften jene Menschen aus den Worten des Heiligen Geistes keinen Nutzen, weil sie diese ohne Zweifel nicht verstanden und nach meinem Dafürhalten für eine Erfindung des Predigers hielten, aber ich kenne auch noch andere Personen, die ganz anders geartet sind. Diese haben daraus soviel Gutes, so große Wonne und eine so furchtlose Ruhe gewonnen, dass sie unseren Herrn oft besonders dafür preisen mussten, dass er den Seelen, die ihm in inniger Liebe ergeben sind, ein so heilsames Mittel hinterlassen hat; sie erkennen und sehen ein, dass eine so tiefe Herablassung Gottes möglich ist. Wüßten sie dies nicht aus Erfahrung, so würden sie nicht ohne Furcht sein bei diesen erhabenen Liebesbezeigungen des Herrn. Sie erblicken hierin ihre volle Sicherheit.

6. Ich weiß von einer Person, dass sie viele Jahre lang in großer Furcht lebte und nichts fand, was sie beruhigen konnte, bis der Herr es fügte, dass sie einst einige Stellen aus dem Hohenliede hörte; aus diesen erkannte sie, dass ihre Seele sich auf gutem Wege befindet. Diese Person hat, wie gesagt, die Möglichkeit erkannt, dass eine von ihrem göttlichen Bräutigam verwundne Seele all diese Tröstungen und Liebesentrückungen, Todesnöten und Leidenszustände, all diese Freuden und Wonnen erfährt, wenn sie einmal allen Weltfreuden entsagt und sich ganz seinen Händen übergeben und überlassen hat; und dies geschieht nicht bloß mit Worten, wie es bei so manchen vorkommt, sondern in aller Wahrheit, die bekräftigt ist durch Werke. O meine Töchter, welch ein reicher Vergelter ist Gott! Welch einen Herrn und Bräutigam habt ihr, dem nichts entgeht, der auf alles achtet und alles sieht! Darum unterlasst nicht, aus Liebe zu ihm zu tun, was ihr nur immer vollbringen könnt! Seine Majestät, die nur auf die Liebe sieht, womit ihr es tut, wird euch auch Geringes mit Großem vergelten.

7. Nochmals ermahne ich euch: Forschet nicht über Stellen der Heiligen Schrift oder über Geheimnisse unseres Glaubens nach, die ihr nicht versteht, und entsetzt euch nicht über die in diesen Stellen vorkommenden Koseworte, die zwischen Gott und der Seele gewechselt werden, wenn ihr sie vernehmt! Die Liebe, die er uns erwiesen hat und noch erweist, setzt mich noch weit mehr in Staunen und außer Fassung. Denn da ich hierin schon Erfahrung besitze, erkenne ich, dass er nicht bloß liebeatmende Worte an uns richtet, sondern seine Liebe noch mehr durch Werke geoffenbart hat. Seid ihr beim Lesen bis hieher gekommen, so bitte ich euch, ein wenig innezuhalten und darüber nachzudenken, was er uns schon erwiesen und für uns getan hat. Dann werdet ihr die Macht und Stärke seiner Liebe so recht deutlich erkennen, die ihn zwang, so Schreckliches für uns zu leiden. Welche Worte sollten uns noch in Erstaunen setzen, wenn durch sie eine solche Liebe zum Ausdruck gebracht werden kann?

8. Um nun wieder auf das zurückzukommen, wovon ich zu sprechen begonnen, so müssen in den Worten des Hohenliedes wichtige Dinge und große Geheimnisse verborgen sein. Ihr Inhalt ist so reich, dass gelehrte Männer, die ich um die Erklärung des Wesens und wahren Sinnes dieser Worte des Heiligen Geistes ersucht habe, mir erwiderten, die Gelehrten hätten schon viele Erklärungen darüber geschrieben, aber noch keiner habe bis jetzt diesen Sinn erschöpft. Somit könnte es als eine grenzenlose Anmaßung von mir erscheinen, euch den Sinn einiger Worte des Hohenliedes erschließen zu wollen; allein so wenig Demut ich auch habe, so denke ich doch nicht, dass ich allein das Rechte treffe. Ich beabsichtige nur, euch das mitzuteilen, was mich wonniglich berührt, wenn mir der Herr beim Vernehmen dieser Worte auch deren Verständnis erschließt; vielleicht wird es euch ebenso wie mir zum Troste sein. Mögen dann auch meine Gedanken nicht dem wahren Sinne entsprechen, so trage ich sie euch doch als meine eigene Anschauung zu dem von mir beabsichtigten Zwecke vor; die Gelehrten werden sie, bevor ihr sie zu lesen bekommt, genau prüfen, ob sie mit der Lehre der Kirche und der Heiligen übereinstimmen. Denn solange wir von dieser Lehre nicht abweichen, gestattet uns der Herr nach meinem Dafürhalten, unsere Betrachtungen darüber anzustellen. Ist es uns ja auch bei Betrachtung seines heiligen Leidens nicht verwehrt, neben den Berichten der Evangelisten vieles andere über die Schmerzen und Martern zu erwägen, die der Herr erduldet haben mag. Gehen wir aber, wie ich gleich Anfangs sagte, nicht mit Vorwitz zu Werke! Nehmen wir vielmehr in Einfalt an, was die göttliche Majestät uns zu verstehen gibt, dann nimmt es der Herr gewiss nicht übel auf, wenn wir in seinen Worten und Werken unseren Trost und unsere Freude suchen. Ein König würde sich nur freuen und sein Wohlgefallen daran haben, wenn ein einfältiger Hirte, der bei ihm in Gnade und Ansehen steht, entzückt über den Anblick der goldgestickten Kleider seines Herrn sich in Gedanken mit der Bedeutung und Art der prunkvollen Herstellung befasste. Ebensowenig sind wir Frauen vom Genusse der Reichtümer unseres Herrn ausgeschlossen; aber es ist uns nicht gestattet, darüber zu sprechen oder Belehrung zu erteilen in der Meinung, wir hätten davon die rechte Anschauung, ohne es zuvor den Gelehrten zur Prüfung vorzulegen.

9. Der Herr weiß es, dass auch ich nicht in dem Gedanken lebe, als würde ich in meinen Schriften das Rechte treffen; ich handle vielmehr so, wie der erwähnte einfältige Hirte. Es gereicht mir aber zum Trost, euch, meine Töchter, in meine Betrachtungen einzuweihen, wenngleich dabei viele Albernheiten vorkommen mögen. Und so beginne ich unter dem Beistande dieses meines göttlichen Königs und mit Erlaubnis meines Beichtvaters. Möge es dem Herrn gefallen, dass ich mich auch hier richtig ausdrücke, nachdem ich schon in anderen Dingen, die ich euch dargelegt oder die euch Seine Majestät vielleicht durch mich hat nahebringen lassen, die richtige Auffassung hatte! Sollte aber dies nicht der Fall sein, so werde ich dennoch die Zeit für gut angewendet halten, worin ich mit der Betrachtung und Erklärung dieser Geheimnisse beschäftigt bin, von denen ich nicht einmal etwas zu hören verdient habe.

10. In dem anfangs erwähnten Texte redet die Braut mit einer dritten Person, die (offenbar) dieselbe ist, bei der sie sich befindet. Dadurch deutet der Heilige Geist an, dass in Christus zwei Naturen sind, eine göttliche und eine menschliche. Doch damit befasse ich mich nicht; denn meine Absicht geht dahin, etwas niederzuschreiben, was uns nach meiner Ansicht bei Übung des innerlichen Gebetes nützen kann, wenn auch die Seele, die den Herrn mit glühendem Verlangen liebt, alles mit Bewunderung und Begeisterung zu erfüllen geeignet ist. Gelehrte Männer haben mir zwar manchmal auf mein Ersuchen einige Worte des Hohenliedes erklärt, jedoch nur selten; und die göttliche Majestät weiß wohl, dass ich bei meinem sehr schwachen Gedächtnis nichts davon behalten habe; was aber die erwähnten Anfangsworte dieses Liedes betrifft, so kann ich mich nicht erinnern, je eine Erklärung darüber vernommen zu haben. Und so werde ich denn hier nichts anderes sagen können, als was der Herr mich lehrt und was zu meinem Vorhaben dienlich ist.

11. »Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes!« O mein Herr und mein Gott, was sind doch das für Worte, die ein Wurm zu seinem Schöpfer sagen darf! Sei gepriesen, o Herr, dass du auf so mannigfache Weise uns belehrt hast! Aber wer wird es wagen, o mein König, diese Worte zu sprechen, wenn du es ihm nicht gestattest? Es ist dies etwas, was in Staunen versetzt; und wenn ich behaupte, dass niemand es wagen dürfe, diese Worte zu sprechen, so wird man sich vielleicht ebenso darüber wundern. Man wird sagen, ich sei eine Närrin; denn im buchstäblichen Sinn wollte die Braut diese Worte »Kuss« und »Mund«, die eine mehrfache Bedeutung haben, doch wohl nicht sagen; und es ist klar, dass man so zu Gott nicht reden darf. Deshalb sollten auch einfältige Leute diese Dinge nicht lesen. Ich gebe zu, dass diese Worte in einem verschiedenen Sinne genommen werden können; aber die von Liebe entzünden und vor Liebe zur Törin gewordene Seele will sie in keinem bestimmten Sinne auffassen, sondern sie nur einfach aussprechen, weil der Herr es ihr nicht verwehrt.

12. O du mein Gott! Was erregt da noch Verwunderung? Soll man über das Werk nicht noch mehr staunen? Nahen wir uns nicht dem Allerheiligsten Sakramente? Ich überlegte sogar, ob nicht die Braut gerade um diese Gnade gebeten, die uns Christus später erwiesen hat, als er unsere Speise geworden. Ebenso dachte ich darüber nach, ob sie mit diesen Worten nicht um jene anbetungswürdige Vereinigung gebeten, in der Gott Mensch geworden, um jene Freundschaft, die Gott mit dem Menschengeschlechte geschlossen; denn offenbar ist der Kuss ein Zeichen des Friedens und der innigsten Freundschaft zwischen zwei Personen. Der Herr verhelfe uns dazu, dass wir einsehen, wie vielerlei Arten des Friedens es gibt!

13. Ehe ich Weiterspreche, möchte ich noch etwas erwähnen, was meines Erachtens wohl zu beachten ist. Es würde dies später zwar besser angebracht werden, aber ich fürchte, es zu vergessen. Ich halte nämlich für gewiss, dass viele Menschen mit schweren Sünden belastet zum heiligsten Sakramente hinzutreten. Wollte Gott, dass ich hierin eine Unwahrheit sagte! Solche Menschen würden sich entsetzen und es für eine große Vermessenheit halten, wenn sie hörten, dass eine Seele, die aus Liebe zu ihrem Gott sich selbst abgestorben ist, diese Worte ausspräche. Wenigstens bin ich sicher, dass sie selbst diese oder ähnliche Worte des Hohenliedes nie aussprechen werden. Solche Worte spricht die Liebe; und weil sie diese nicht besitzen, so können sie wohl alle Tage das Hohelied lesen, ohne jedoch eine Übung im Aussprechen dieser Worte zu bekommen, ja ohne es zu wagen, sie in den Mund zu nehmen; denn in der Tat schon deren bloßes Anhören ist schreckenerregend, weil sie so etwas Majestätisches in sich enthalten. Zwar birgst du, o mein Herr, auch im Allerheiligsten Sakramente eine große Majestät; da aber solche Menschen keinen lebendigen, sondern nur einen toten Glauben haben, so sehen sie dich unter den Gestalten des Brotes nur in deiner tiefen Erniedrigung, und du redest auch nichts zu ihnen, weil sie es nicht wert sind, dich zu hören. Daher ihre große Vermessenheit.

14. So hätten also die angeführten Worte, nur in ihrem buchstäblichen Sinne genommen, für jene, die sie aussprechen, wirklich etwas Schreckenerregendes in sich, wenn sie sich ihrer selbst bewusst wären. Jenen aber, o Herr, die deine Liebe außer sich selbst entrückt hat, gestattest du wohl, diese Worte und noch andere auszusprechen, obgleich es Vermessenheit zu sein scheint. Und warum, o mein Herr, sollen dich die Seelen, wenn dein Kuss Friede und Freundschaft bedeutet, nicht um Gewährung dieser Gnade bitten? Was gäbe es Besseres, worum wir dich bitten könnten? Und so bitte ich dich denn, o mein Herr, du wollest mir diesen Frieden geben mit dem Kusse deines Mundes. Dies, meine Töchter, ist, wie ich euch noch erklären werde, die erhabenste Bitte.

Zweites Hauptstück

Abhandlung über die neun Arten des falschen Friedens, den die Welt, das Fleisch und der Teufel der Seele bieten. Erklärung der Heiligkeit des Ordensstandes, der zum wahren, von der Braut im Hohenliede ersehnten Frieden führt.

1. Gott bewahre uns vor den vielen Arten jenes Friedens, dessen die Weltmenschen sich erfreuen! Möge uns der Herr nie einen solchen Frieden kosten lassen; denn er führt zum ewigen Kriege. Wenn ein solcher Weltmensch mitten in seinen schweren Sünden in großer Ruhe lebt und so in seinen bösen Gewohnheiten schlummert, dass ihm sein Gewissen über nichts mehr einen Vorwurf macht, so ist dieser Friede, wie ihr schon gelesen habt, ein Zeichen, dass er mit dem bösen Feind in Freundschaft steht. Solange solche Menschen leben, will dieser sie nicht belästigen, da sie sich sonst in etwa zu Gott wenden und Besinnung annehmen könnten, zwar nicht aus Liebe zu ihm — sie sind ja vom Bösen eingenommen —, sondern nur, um dem Kampfe auszuweichen. Aber nach einer solchen Bekehrung werden sie im Dienste Gottes nie standhalten; sobald der Teufel dies merkt, erregt er in ihnen wieder das Verlangen nach Befriedigung ihrer Neigungen, und so wenden sie sich aufs neue seiner Freundschaft zu, bis er ihnen endlich zeigt, wie falsch ihr Friede war.

2. Von solchen Menschen will ich hier nicht reden; sie mögen diesen Frieden hienieden für sich haben! Was euch betrifft, so hoffe ich zum Herrn, dass solch schlimme Dinge sich bei euch nie finden werden. Und doch könnte es sein, dass der Teufel mit einem anderen (falschen) Frieden in kleinen Dingen uns betören will; denn solange wir leben, meine Töchter, müssen wir immer in Furcht sein. Wenn z. B. eine Nonne in Dingen, die an sich gering zu sein scheinen, nachlässig zu werden beginnt und in dieser Nachlässigkeit lange Zeit verharrt, ohne dass ihr Gewissen sich dagegen sträubt, so ist dies ein schlimmer Friede, wodurch der böse Feind sie in das größte Verderben führen kann. Solche Dinge sind z. B. die Übertretung der Satzung, die an sich noch keine Sünde ist, Nachlässigkeit in Vollführung dessen, was der Obere befiehlt, wenn auch kein böser Wille dabei im Spiele ist; denn der Obere ist Stellvertreter Gottes, und es ist allezeit gut, ihm zu gehorchen und auf seinen Willen zu achten, da wir ja zu diesem Zwecke in den Orden getreten sind. Wie diese, so gibt es noch eine Menge anderer Kleinigkeiten, die zwar an sich nicht Sünde zu sein scheinen, aber schließlich doch Fehler sind. Freilich werden wir armselige Menschen immer Fehler begehen, und ich sage auch nicht, dass solche gar nie vorkommen sollen. Ich meine nur, man sollte die begangenen Fehler erkennen und bereuen; denn sonst könnte, wie gesagt, der böse Feind seine Freude daran haben und die Seele allmählich dazu verleiten, auf solche Kleinigkeiten gar nicht mehr zu achten. Ich mache euch, meine Töchter, darauf aufmerksam. Ist ihm dies einmal gelungen, dann hat er nicht wenig gewonnen; denn ich fürchte, er werde dann noch weiter gehen. Darum nehmt euch um der Liebe Gottes willen ja recht in acht.

3. In diesem Leben muß es Kämpfe geben; denn so vielen Feinden gegenüber können wir nicht die Hände in den Schoß legen. Wir müssen vielmehr unablässig in Sorge sein und auf unseren inneren und äußeren Wandel achthaben. Seid versichert: wenn auch der Herr euch im Gebete Gnaden spendet und das verleiht, wovon ich noch reden werde, so wird es euch dennoch weder an kleinen Hindernissen fehlen, die euch zu einem Fehltritt verleiten, noch auch an tausend Gelegenheiten, in Sorglosigkeit das eine zu übertreten, das andere nachlässig zu vollbringen; ebensowenig werdet ihr frei bleiben von inneren Beunruhigungen und Versuchungen. Ich sage nicht, dass dies immer oder ganz gewöhnlich so sein werde; aber es ist dies eine sehr große Gnade des Herrn, weil auf diese Weise die Seele vorwärts schreitet. Wir können hienieden keine Engel sein, unsere Natur ist eine ganz andere. Deshalb erschrecke ich auch nicht vor einer Seele, die ich in den größten Versuchungen sehe; hat sie Liebe zu unserem Herrn und Gottesfurcht, so weiß ich schon, dass sie mit großem Gewinn aus den Versuchungen hervorgehen wird. Wenn ich aber eine Seele immer in Ruhe und ohne Kampf erblicke, so kann ich mich nie vollkommen beruhigen; ich habe deren einige, wenn auch nur wenige getroffen. Sie setzten mich immer in Furcht, obwohl ich nie bemerkte, dass sie Gott beleidigten. Solche Seelen prüfe und stelle ich selbst auf die Probe, wenn ich kann und der böse Feind es nicht tut, damit sie ihren Zustand richtig einschätzen. Ich habe wenige (in diesem Zustand) getroffen; aber dieser Zustand ist möglich, zumal wenn der Herr eine Seele zu hoher Beschauung führt.

4. Solche Seelen sind fast immer voll innerer Freude, obwohl ich für mich glaube, dass sie sich selbst nicht kennen; verlässt sie aber diese freudige Stimmung, so haben auch sie, wie ich wahrnehmen konnte, zuweilen, wenn auch selten, ihre kleinen Kämpfe. Ich beneide diese Seelen nicht; denn ich habe ihren Zustand genau beobachtet. Soweit man es hienieden erkennen kann, finde ich, dass jene, die zu kämpfen haben, weit größere Fortschritte machen, wenn sie auch nicht mit einer so erhabenen Gebetsweise begnadigt sind wie andere. Von letzteren nehme ich jene Seelen aus, die nach einem vieljährigen Kampfe schon so abgetötet, der Welt erstorben und soweit in der Vollkommenheit vorangeschritten sind, dass ihnen unser Herr einen fast beständigen Frieden verleiht. Dieser Friede aber ist nicht derart, dass sie ohne Gefühl und ohne tiefen Schmerz über die begangenen Fehler lebten.

5. Der Herr führt also, meine Töchter, die Seelen auf verschiedenen Wegen. Wie ich schon erwähnt, fürchte ich immer für euch, wenn ihr über einen begangenen Fehler nicht einige Betrübnis empfindet. Es versteht sich von selbst, dass euch die Sünde, und sei es auch nur eine lässliche, tief in der Seele schmerzen muß; wie ich glaube und sehe, ist dies jetzt, Gott sei Dank, bei euch der Fall. Bedenket darum das eine und vergesst es mir zuliebe nicht. Fühlt es ein noch in voller Lebenskraft stehender Mensch nicht, wenn man ihm mit einer Nabel oder mit einem noch so kleinen Dorn nur ein wenig verletzt? Besitzt nun die Seele noch das übernatürliche Leben und trägt sie lebendige Liebe zu Gott in sich, ist es dann nicht eine große Gnade Gottes, wenn sie jeden kleinen Fehler empfindet, den sie gegen ihre Gelübde und Verpflichtungen begeht? O welche Ruhestätte von Rosen und Blumen bereitet für sich Seine Majestät in der Seele, der Gott diese zarte Sorgfalt verleiht (auch auf kleine Fehler zu achten). Er kann darum unmöglich unterlassen, zu ihr zu kommen, um sie mit seinem Frieden zu beschenken, wenn es auch spät geschieht.

6. Ach, mein Gott, was tun wir Ordensleute im Kloster? Wozu haben wir die Welt verlassen und den Ordensstand gewählt? Womit können wir uns besser befassen, als in unseren Seelen Ruhestätten zu bereiten und der Zeit uns zu nähern, wo wir zu ihm sagen können, er möge uns küssen mit dem Kusse seines Mundes? Glücklich die Seele, die eine solche Bitte vortragen kann, deren Lampe nicht erloschen ist, die beim lauten Rufen des Herrn sich aufmacht, wenn er kommt! O meine Töchter, zu welch einem erhabenen Stande sind wir berufen! Da kann niemand es uns wehren, dieses Wort zu unserem Bräutigam zu sprechen. Wir haben ihn ja als solchen erwählt, als wir unsere Gelübde ablegten.

7. Jene Seelen nun, die ängstlichen Gewissens sind, müssen mich recht verstehen. Ich rede hier nicht von einem nur zuweilen vorkommenden Fehler oder von Fehlern, die man nicht jedesmal erkennen und darum auch nicht immer bereuen kann; ich spreche vielmehr von solchen Fehlern, die man gewohnheitsmäßig begeht, ohne sich etwas daraus zu machen, die man für nichts achtet und nicht abzulegen sucht, worüber man keine Gewissensbisse empfindet. Dies ist, ich wiederhole es, ein gefährlicher Friede, vor dem ihr euch hüten sollt. Wie wird es nun um jene stehen, die trotz ihrer großen Nachlässigkeit in Beobachtung ihrer Regel im Frieden leben? Gebe Gott, dass keine unter euch sich in solcher Verfassung befindet! Der Teufel mag wohl in verschiedenartiger Weise einen solchen Frieden (in die Seele) legen, da Gott dies um unserer Sünden wegen zulässt; ich habe aber keinen Grund, weiter davon zu sprechen. Ich wollte nur dies Wenige zu euerer Warnung sagen. Wir wollen nun von jener Freundschaft und jenem Frieden reden, den uns der Herr im innerlichen Gebete verleihen will; ich werde sagen, was mir die göttliche Majestät hierüber zu verstehen gibt?

8. Nach diesen Bemerkungen kam mir der Gedanke, es möchte gut sein, mit euch noch kurz den Frieden zu besprechen, den die Welt gibt und unsere eigene Sinnlichkeit uns verschafft. Wenn auch viele Bücher diesbezüglich wertvollere Anweisungen enthalten, als ich sie geben kann, so werdet ihr doch bei eurer Armut vielleicht nicht die Mittel haben, diese Bücher zu kaufen; es wird sie euch wohl auch niemand zum Geschenke machen. Diese Belehrung aber, worin ihr alles vereinigt findet, bleibt im Hause.

9. Bezüglich des Friedens, den die Welt gibt, kann man sich in mannigfacher Weise täuschen. Aus einigen Arten dieser Täuschung, die ich angeben will, könnt ihr auf die übrigen schließen.

10. Fassen wir zuerst die Reichen ins Auge, die das Notwendige zur Genüge haben und viel Geld im Säckel bewahren! Diese meinen, es sei schon alles damit getan, dass sie sich hüten, schwere Sünden zu begehen. Sie freuen sich dessen, was sie besitzen, geben von Zeit zu Zeit Almosen, bedenken aber nicht, dass diese Güter nicht ihr Eigentum sind, dass sie der Herr nur als seine Verwalter darüber bestellt hat. Sie sollen vielmehr den Armen davon mitteilen; denn es wartet auf sie eine strenge Rechenschaft, wenn sie den Überfluss in ihrem eigenen Säckel verwahren und den Armen vorenthalten, die dabei darben müssen. Dies betrifft uns nur insofern, als wir den Herrn bitten sollen, er möge solche Reiche erleuchten, dass sie nicht in dieser Verblendung verharren und ihnen nicht widerfahre, was dem reichen Prasser begegnet ist. Überdies sollt ihr die göttliche Majestät lobpreisen und diese Armut als besondere Gnade des Herrn ansehen, der sie euch als eueren Anteil verliehen hat.

11. O meine Töchter, welch große Ruhe genießen jene, die schon in diesem Leben von den Lasten des Reichtums frei sind! Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, welch großen Gewinn euch dies am Tage des Gerichtes bringen wird. Die Reichen sind Sklaven, ihr seid Herrinnen. Dies könnt ihr schon aus folgendem ersehen. Wer hat mehr Ruhe, ein Edelmann, dem man das nötige Maß von Speisen auf den Tisch stellt und die notwendige Bekleidung zurecht richtet, oder sein Verwalter, der über jeden Pfennig Rechenschaft ablegen muss? Der Edelmann bedient sich seiner Güter als seines Eigentums, ohne sich um eine Rechnung zu kümmern; auf dem armen Verwalter aber ruht diese Sorge, und nach der Größe des Vermögens, das er zu verwalten hat, richtet sich auch die Schwere seiner Sorge. Er muss, wenn er Rechnung zu stellen hat, sehr achtsam sein, besonders wenn sie über viele Jahre gestellt werden soll. Durch ein kleines Versehen kann sich ein großes Defizit im Kassastand ergeben; ich weiß nicht, wie er in Ruhe leben kann.

12. Unterlasset es, meine Töchter, bei dieser Betrachtung nicht, den Herrn von Herzen zu lobpreisen, und haltet wie jetzt so auch in Zukunft immer daran fest, dass keine etwas als Eigentum besitze. Wir genießen die Nahrung, die der Herr uns sendet, ohne jegliche Sorge; denn die göttliche Majestät versorgt uns nur mit dem, was wir bedürfen, um keinen Mangel zu leiden. Deshalb haben wir auch über keinen Überfluss Rechenschaft abzulegen; der Herr fügt es schon, dass uns nichts übrigbleibt, was uns mit der Sorge der Verteilung beschweren würde.

13. Von uns, meine Töchter, wird nur gefordert, dass wir mit Wenigem zufrieden sind; nie aber sollen wir soviel verlangen, wie jene besitzen, die eine so strenge Rechenschaft geben müssen. Denn von jedem Reichen wird Rechenschaft gefordert, wenn auch nicht auf dieser Welt, wo sein Verwalter ihm Rechenschaft geben muss. Und wie strenge wird diese Rechenschaft sein! Bedächte dies der Reiche, so würde er wohl nicht mit solchem Behagen zu Tische sitzen und sein Vermögen nicht so verschwenderisch für unziemliche und eitle Dinge verwenden. Darum, meine Töchter, sehet immer darauf, sowohl in Kleidung als auch bezüglich der Nahrung, so arm wie möglich zu leben, sonst werdet ihr betrogene und missvergnügte Menschen, da Gott euch keinen Überfluss geben wird. Suchet der göttlichen Majestät in der Weise zu dienen, dass ihr das Brot der Armen in werktätiger Dankbarkeit genießet, wenn auch die Ruhe nicht nach Gebühr vergolten werden kann, die euch der Herr durch Enthebung der Sorge bezüglich der Rechenschaft über Reichtümer verleiht. Ich weiß wohl, dass ihr ohnehin darauf bedacht seid, dankbar zu sein; allein ihr sollt euch der göttlichen Majestät für diese Gnade auch noch besonders dankbar erweisen.

14. Vom Frieden, den die Welt mit ihren Ehren und Auszeichnungen gibt, habe ich euch nichts zu sagen; denn Arme, wie ihr, sind immer wenig geachtet und geehrt. Was euch aber großen Schaden bringen könnte, und zwar durch Mangel an Vorsicht, das ist das Lob von seiten der Menschen, die euch hernach nur um so mehr herabsetzen. Am häufigsten kommt es vor, dass man euch Heilige nennt; dies sagen andere mit so schmeichelhaften Worten, dass der Teufel sie ihnen einzugeben scheint, wie es manchmal auch wirklich der Fall sein mag. Würde man das in euerer Abwesenheit sagen, so ginge es noch an; geschähe es aber in euerer Gegenwart und wäret ihr nicht recht vorsichtig, welch andere Frucht könnte euch dann daraus erwachsen als Nachteil?

15. Ich bitte euch um der Liebe Gottes willen: Suchet doch nicht in solchen Worten eueren Frieden! Denn allmählich könnten sie euch schaden und euch zu dem Wahne verleiten, als sage man die Wahrheit. Möget ihr nie auf den Gedanken kommen, es sei jetzt schon alles geschehen oder ihr hättet es durch eigene Anstrengung so weit gebracht! Ihr sollt nie ein solches Wort zu eueren Ohren dringen lassen, ohne dass sich in euerem Innern ein Kampf dagegen erhebt; und dies geschieht leicht, wenn ihr gewohnt seid (nicht auf Menschenlob zu achten). Denkt nur daran, wie die Welt mit Christus, unserem Herrn, verfahren ist, nachdem sie ihm am Palmsonntage mit solchen Lobeserhebungen zugejubelt hatte. Erinnert euch an die Hochachtung, die sie Johannes dem Täufer entgegenbrachte. Sie wollte ihn sogar als den Messias hinnehmen, aber wie bald und aus welch niedrigen Motiven hat man ihn enthauptet!

16. Die Welt erhebt nur, um zu erniedrigen, wenn die Gepriesenen Kinder Gottes sind. In dieser Beziehung habe ich reiche Erfahrung gesammelt. Sonst empfand ich gewöhnlich große Betrübnis, wenn ich eine solche Verblendung bei diesen Lobeserhebungen wahrnahm; jetzt aber muss ich darüber lachen, wie wenn ich einen Narren reden hörte. Denkt an euere Sünden, wenn man euch lobt! Sollte auch manches davon wahr sein, so bedenket doch, dass dies nicht euer Verdienst ist. Ihr seid Vielmehr gerade deshalb dem Herrn nur um so mehr zum Dienste verpflichtet. Euere Seele sei beständig in Furcht, um sich nicht einschläfern zu lassen durch den Kuss eines solch falschen Friedens, den die Welt gibt. Haltet ihn für einen Judaskuß! Spenden die Menschen euch solches Lob auch nicht in der Absicht, um euch zu verderben, so ist doch der böse Feind auf der Lauer, um euch womöglich (eures Besitzes) zu berauben, wenn ihr euch dagegen nicht zur Wehr setzt. Ihr müsst hier daran festhalten, die Waffe des betrachtenden Gebetes zur Hand zu nehmen; und hat es auch nicht den Anschein, als schade euch das Lob der Menschen, so misstrauet doch euerem Urteil! Vergesset es nicht, wie viele schon von der höchsten Stufe der Vollkommenheit wieder in die Tiefe gestürzt sind! Tretet darum, meine Schwestern, um der Liebe Gottes willen immer im inneren Kampf solchen Lobeserhebungen entgegen, dann werdet ihr an Demut gewinnen und den auf euch lauernden bösen Feind sowie die Welt zuschanden machen.

17. Vom Frieden und Nachteil, den unser eigenes Fleisch uns bringen kann, hätte ich euch vieles zu sagen. Ich will euch jedoch nur auf einige Punkte aufmerksam machen, woraus ihr dann, wie schon erwähnt, das übrige folgern könnt. Unser Fleisch ist, wie ihr selber wisst, gar sehr dem Wohlleben ergeben; wollten wir aber darin unsern Frieden suchen, so wäre dies sehr gefährlich. Möchten wir dies recht erkennen! Ich überlege oft und kann es nie begreifen, wie Menschen, die dem Wohlleben ergeben sind, so große Ruhe und solch ungestörten Frieden ihr eigen nennen können. Würde nicht der heiligste Leib dessen, der uns Vorbild und Licht ist, mehr schonende Ehrfurcht verdienen als unser Leib? Und doch, warum musste er so viele und große Leiden über sich ergehen lassen? Haben wir denn von den Heiligen, die nun gewiss im Himmel sind, jemals gelesen, dass sie dem Wohlleben ergeben waren? Woher kommt wohl diese Ruhe im Wohlleben? Wer hat uns schon einmal gesagt, dass solch ein Leben glücklich sei? Was soll das für ein Glück sein, wenn die Tage so ruhig dahineilen in köstlichen Mahlzeiten, in Schlaf und fortwährendem Jagen nach Erholung und all dem Vergnügen, das die Menschen sich verschaffen können? Ich komme ganz außer Fassung, wenn ich sie mir auch nur vorstelle. Erweckt dies nicht den Anschein, als gäbe es keine andere Welt und als drohe dabei nicht die geringste Gefahr?

18. O meine Töchter, dass ihr doch das Verderben erkennen möchtet, das in solch einem Wohlleben liegt! Der Leib wird kräftig, die Seele wird schwach; und könnten wir sie schauen, so schiene sie schon dem Ersterben nahe. In vielen Büchern werdet ihr das große Verderben geschildert finden, das in diesem Frieden liegt. Würden solche Menschen je zur Einsicht kommen, in welch gefährlichem Zustande sie sich befinden, so könnten wir hoffen, dass noch Abhilfe möglich wäre; allein ich fürchte, dass ihnen dieser Gedanke nie in den Sinn kommen wird. Ich wundere mich auch nicht darüber bei dem in dieser Hinsicht allgemein herrschenden Brauch. Wenn auch ihr Fleisch auf diese Weise Ruhe findet, so werden sie, ich versichere euch, doch noch tausendfache Kämpfe zu bestehen haben, wenn sie gerettet werden sollen. Es wäre für sie besser, sie würden in sich gehen und sich allmählich zur Buße wenden; sonst wird alles Unheil auf einmal über sie kommen.

19. Ich habe deshalb über diese Dinge gesprochen, meine Töchter, damit ihr Gott von ganzem Herzen dafür preiset, dass ihr euch an einem Orte befindet, wo ihr den Frieden des Fleisches selbst dann nicht finden könnt, wenn ihr ihn auch suchen wolltet. In dieser Beziehung könnt ihr euch nur durch Verstellung, d. h. unter dem Vorwand einer Krankheit, schaden, und darum müsst ihr hierin recht vorsichtig sein. Es könnte euch einmal die Vornahme der Geißelung übel bekommen und dann vielleicht acht Tage später nicht mehr. Ein anderes Mal könnte es euch schädlich sein, Leinenwäsche zu tragen, nur für einige Tage; denn ihr wollt nicht für immer auf diese Wäsche verzichten. Eine andere Schwester könnte glauben, beim Genusse von Fischspeisen Schaden zu nehmen; ißt sie aber Fische, dann gewöhnt sich der Magen daran, und deren Genuß schadet ihr nicht mehr. Wie ich nun aus Erfahrung weiß, kann es euch bei der großen Schwäche, die ihr zuweilen empfindet, scheinen, als seien die genannten und andere Strengheiten Ursache davon. Aber man begreift gar nicht, von welch weittragender Bedeutung es ist, wenn man sich solche Erleichterungen auch da gestattet, wo das Bedürfnis nicht dringend ist. Ich möchte euch darum nahelegen, sich bei solchen Milderungen nicht zu beruhigen, sondern immer wieder zur Regelstrenge zurückzukehren; denn ich weiß, dass unser Fleisch sehr trügerisch ist, man muss es kennenlernen. Der Herr gebe in seiner Güte Licht zu allem! Höchst wichtig ist es, mit Klugheit zu Werke zu gehen und sich mehr nach dem Urteil der Vorgesetzten als nach dem eigenen zu richten.

20. Wenden wir uns nun wieder unserem Gegenstande zu! Die Worte der Braut: »Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes«, womit sie um den Frieden bitten, deuten an, dass der Herr verschiedener Wege sich bedient, seinen Frieden mitzuteilen und seine Freundschaft zu bekunden. Ich will jetzt einige davon anführen, damit ihr erkennt, welch eine erhabene Bitte dies ist und welcher Unterschied zwischen diesen verschiedenen Arten besteht.

21. Du großer Gott, unser Herr! Welch tiefe Weisheit! Die Braut hätte nach meinem Dafürhalten ihre Bitte gar wohl mit wenigen Worten vorbringen und einfach nur sagen können: »Er küsse mich.« Warum aber fügt sie noch bei: »mit dem Kasse seines Mundes«? Denn wir dürfen versichert sein, dass hier kein Buchstabe überflüssig ist. Dieses Warum verstehe ich nicht, aber ich will doch einiges darüber sagen. Treffe ich auch gerade nicht das Rechte, so liegt doch, wie schon erwähnt, wenig daran, wenn wir nur Nutzen daraus schöpfen.

22. Auf verschiedene Weise also unterhält unser König Frieden und Freundschaft mit den Seelen, wie wir dies täglich sowohl innerhalb wie außerhalb des Gebetes erfahren, außer wenn wir, wie die Leute sagen, mit dem Herrn in den Haaren liegen. Wenn euch, meine Töchter, der Herr einmal an sich zieht, dann werdet ihr einsehen, worauf es hauptsächlich ankommt, dass ihr dieselbe Bitte wie die Braut an den Herrn richten könnt; wenn nicht, dann verzaget nicht, da ihr durch jede Freundschaft, die ihr mit Gott unterhaltet, außerordentlich bereichert werdet, wofern ihr es nicht an euch fehlen lasset? Allein es ist zu beklagen und muss uns mit tiefer Betrübnis erfüllen, dass wir durch unsere eigene Schuld nicht zu einer so erhabenen Freundschaft mit Gott gelangen und uns nur mit einem geringen Grade derselben begnügen.

23. O Herr, wir würden wohl nicht so genügsam sein, wenn wir an den großen, ewig beglückenden Lohn dächten, an einen Lohn, den du schon hier auf Erden gewährst, wenn wir zu einer so erhabenen Freundschaft gelangen. So aber bleiben viele am Fuße des Berges stehen, die leicht dessen Gipfel ersteigen könnten. In anderen kleinen Schriften, die ich für euch verfasst, habe ich darauf schon oft hingewiesen; jetzt will ich euch wieder daran erinnern und euch bitten, immer großmütige Entschlüsse zu fassen. Davon hängt alles ab. Der Herr aber gebe euch die Gnade, dass auch eure Werke großmütig seien! Glaubet mir, dass daran viel gelegen ist! Manche gibt es, die nach aufrichtiger und reumütiger Beichte die Freundschaft des Herrn sich erwerben, dann aber wieder in ihre Sünden zurückfallen, noch ehe zwei Tage vergehen. Dies ist ganz gewiss nicht die Freundschaft, um die die Braut bittet.

24. O meine Töchter, bemüht euch doch, dass ihr nicht immer mit ein und demselben Fehler zum Beichtvater gehen müsst! Es ist wahr, wir können nicht ohne Fehler leben; allein ihr sollt euch doch wenigstens so zum Besseren wenden, dass sie nicht einwurzeln. In diesem Falle wären sie schwerer auszurotten; auch könnten noch viele andere daraus hervorwachsen. Wenn wir ein Pflänzchen oder ein Bäumchen setzen und es alle Tage begießen, wird es dann nicht zuletzt so groß, dass wir uns einer Schaufel und Hacke bedienen müssen, um es wieder zu entwurzeln? Dasselbe scheint der Fall zu sein, wenn wir einen Fehler täglich begehen und ihn nicht wieder beseitigen, mag er auch noch so klein sein. Wird er aber nur an einem Tage oder an zehn Tagen nacheinander begangen, und macht man sich sogleich davon los, so geht es leicht. Flehet darum in euerem Gebete um diese Gnade zum Herrn; denn aus uns selbst vermögen wir wenig; ja wir vergrößern das Übel noch, statt es zu beseitigen. Bedenket, dass dies bei jenem schrecklichen Gerichte in der Stunde des Todes für uns kein geringer Trost sein wird, besonders aber für jene, die der Richter schon in diesem Leben sich als Bräute auserwählt hat.

25. O erhabene Würde! Welch ein Antrieb muss sie für uns sein zum eifrigen Streben, diesem unseren Herrn und König wohlzugefallen! Wie schlecht aber vergelten ihm jene die mit ihnen geschlossene Freundschaft, die so bald wieder seine Todfeinde werden! Wahrhaftig, die Barmherzigkeit Gottes ist groß! Wo fänden wir einen Freund, der so vieles erträgt! Käme eine solche Treulosigkeit zwischen zwei Freunden auch nur ein einziges Mal vor, sie würde nie mehr aus der Erinnerung weichen; ebensowenig könnte auch die Aufrichtigkeit der Freundschaft unter ihnen in der Weise bestehen wie ehedem. Wie oft aber bricht man die Freundschaft mit unserem Herrn in der erwähnten Weise, und wie viele Jahre wartet er dann wieder auf uns! Sei gepriesen, o mein Herr, dass du uns mit solch väterlicher Liebe erträgst! Es hat sogar den Anschein, als würdest du deine unendliche Größe vergessen, um uns nicht strafen zu müssen, wie es eine solch verräterische Treulosigkeit wohl verdiente. Dennoch aber kommt mir dieser Zustand sehr gefährlich vor; wenn auch die Barmherzigkeit Gottes wirklich so groß ist, so sehen wir doch auch oft solche Menschen ohne Beichte sterben. Die göttliche Majestät bewahre uns, meine Töchter, um ihrer unendlichen Erbarmung willen vor einem so gefährlichen Zustande!

26. Besser als die eben erwähnte ist die Freundschaft jener Seelen, die sich wenigstens noch hüten, den Herrn mit schweren Sünden zu beleidigen. Wer so weit kommt, hat schon viel gewonnen, wenn man das Leben in der Welt betrachtet. Solche Seelen hüten sich zwar vor schweren Sünden, aber nach meinem Dafürhalten fallen sie doch dann und wann in eine Todsünde. Der Grund ist der: Sie achten lässliche Sünden, so viel sie auch täglich begehen, gering, und so sind sie immer in Gefahr, schwer zu fallen. Sie sagen, wie ich selbst schon oft vernommen habe: »Wie kannst du auf lässliche Sünden so großen Wert legen? Man hat ja zu deren Tilgung das Weihwasser und die Gnadenmittel unserer Mutter, der Kirche.« Solche Ansichten und Reden sind in Wahrheit zu beklagen.

27. Meine Töchter! Ich bitte euch um der Liebe Gottes willen, seid doch in diesem Stücke recht vorsichtig und begehet nie aus Gleichgültigkeit eine lässliche Sünde, so gering sie auch sein mag, mit dem Gedanken, dass ihr jenes Heilmittel besitzet; denn es wäre nicht recht, das Gute zum Anlass des Bösen zu nehmen! Bedeutet, dass dies Heilmittel sind, die nach begangener Sünde ihre Wirkung tun! In diesem Falle nehmet alsbald eure Zuflucht zu ihnen; denn dann ist es ganz in der Ordnung!

28. Von großer Wichtigkeit ist es aber, stets ein so reines Gewissen zu bewahren, dass nie ein Hindernis euch abhalten kann, unseren Herrn um die vollkommene Freundschaft zu bitten, um die ihn die Braut bittet. Die eben erwähnte Freundschaft ist aber noch keine vollkommene; sie ist vielmehr aus vielen Gründen sehr verdächtig, eine Freundschaft, die sinnlichen Genüssen zustrebt und leicht zu großer Lauheit führt, abgesehen davon, dass zwischen Tod und lässlicher Sünde oft schwer zu unterscheiden ist. Vor einer solchen Freundschaft möge euch Gott bewahren! Da man in diesem Zustand dem Anschein nach keine schweren Sünden wahrnimmt wie bei anderen, so lebt man im falschen Frieden dahin; und da man auf dieser Stufe noch nicht den Stand der vollkommenen Demut erreicht hat, so hält man andere für viel schlechter. Dabei aber können diese weit besser sein, als man selbst ist, weil sie ihre Sünden, und zwar oft mit großem Reueschmerz, beweinen und vielleicht einen ernsteren Vorsatz haben, Gott weder im Kleinen noch im Großen zu beleidigen. Jene aber geben sich in der Meinung, darauf kein Gewicht legen zu müssen, um so ungehinderter weltlichen Vergnügungen hin. Wenn auch die meisten von ihnen noch ihre mündlichen Gebete verrichten, so fehlt es ihnen doch sehr an der Andacht, da sie diese nicht für so wichtig halten, wie es sein sollte.

29. Es gibt noch eine andere Art von Freundschaft und Frieden, die unser Herr jenen verleiht, die zwar den Willen haben, ihn in keiner Weise zu beleidigen, aber doch den Gelegenheiten dazu nicht gänzlich aus dem Wege gehen. Sie widmen bestimmte Zeiten dem innerlichen Gebete, unser Herr verleiht ihnen zärtliche Regungen und die Gabe der Tränen, allein sie wollen den irdischen Freuden nicht entsagen in der Meinung, sie in Ruhe genießen zu können, wenn sie dabei ein ehrbares und geordnetes Leben führen. Ein solches Leben ist voll von Unbeständigkeit, und es wird solchen Seelen schwerfallen, in der Tugend auszuharren. Da sie sich nicht losmachen von den Freuden und Genüssen der Welt, so erschlaffen sie bald wieder auf dem Wege des Herrn; denn von dieser Seite treten uns mächtige Feinde entgegen, gegen die wir uns verteidigen müssen. Dies, meine Töchter, ist ebensowenig die Freundschaft, nach der die Braut sich sehnt; auch ihr sollt sie euch nicht wünschen. Haltet euch stets von jeder, auch der geringsten Gelegenheit fern, wenn eure Seele, wie ihr es wünscht, im Guten wachsen und in Sicherheit leben soll.

30. Ich weiß nicht, welch anderen Zweck ich bei Besprechung dieser Dinge verfolge, als euch zur Erkenntnis der Gefahren zu führen, die in der Unentschiedenheit, sich von allen Dingen der Welt loszumachen, liegen; denn durch die entschiedene Lostrennung bewahren wir uns vor vielen Sünden und zahllosen Leiden. Es gibt so viele Wege, auf denen unser Herr Freundschaft mit den Seelen anbahnen will, dass ich meines Erachtens mit ihrer Aufzählung, soweit ich sie als Frau kennenlernte, an kein Ende komme. Was könnten erst die Beichtväter und jene Männer darüber berichten, die sich mehr im besonderen mit der Leitung der Seelen befassen! Einige Seelen jedoch, die sich allem Anschein nach bereits im vollkommenen Genuß der Freundschaft mit Gott erfreuen, machen mich verwirrt. Ich will euch nur von einer Person erzählen, mit der ich noch vor kurzem in sehr vertrauter Beziehung stand. Diese Person empfing recht gerne und häufig die heilige Kommunion. Sie redete nie über jemand etwas Böses, war beim Gebet von zärtlicher Andacht ergriffen und bewahrte beständig die Einsamkeit, da sie allein in ihrem Hause lebte. Bei ihrer sanften Gemütsart konnte sie kein Wort zum Zorne reizen; dies war gewiss eine große Vollkommenheit an ihr. Nie sprach sie ein unrechtes Wort. Sie hatte sich nicht verehelicht, und jetzt stand sie auch nicht mehr in dem Alter, das eine Ehe ratsam erscheinen lässt. Um dieses Friedens willen hatte sie viele Kämpfe bestanden; als ich sie kennenlernte, schienen mir alle diese guten Eigenschaften die Wirkungen einer sehr geförderten und auf einer hohen Stufe des Gebetes stehenden Seele zu sein. Ich schätzte sie anfangs sehr hoch, da ich keine Beleidigung Gottes an ihr wahrnahm, und bemerkte nur die Sorgfalt, womit sie sich davor hütete.

31. Im weiteren Umgange mit ihr machte ich jedoch allmählich die Wahrnehmung, dass bei ihr alles im besten Frieden stand, solange man ihr Ansehen unangetastet ließ; kam man aber auf diesen Punkt zu sprechen, dann war ihr Gewissen nicht mehr so zart; sie konnte vielmehr sehr grob werden. Ich beobachtete an ihr, dass sie bei aller geduldigen Hinnahme dessen, was man ihr sagte, doch derart auf ihre Ehre und ihr Ansehen pochte, dass sie durch ihre Schuld auch nicht ein Pünktlein davon preisgegeben hätte. So sehr hing sie an dieser Armseligkeit. Auch hörte und vernahm sie gerne Tagesneuigkeiten, so dass ich mich wunderte, wie sie nur eine Stunde allein sein konnte. Nebstdem liebte sie auch ihre eigene Bequemlichkeit. Alle diese Eigenheiten beschönigte sie derart, dass sie keine Sünde darin zu sehen glaubte. Wenn ich nach den Gründen urteilte, durch die sie mir über einige ihrer Lebensgewohnheiten Aufschluss gab, so würde ich ihr meines Erachtens unrecht tun, sie einer Sünde zu beschuldigen; aber es wird ihr wohl an Selbsterkenntnis gefehlt haben; andere Handlungen waren jedoch offenbar sündhaft. Solche Wahrnehmungen machten mich verwirrt. Fast alle hielten diese Person für eine Heilige. Mir jedoch kam der Gedanke, dass sie die mir berichteten Verfolgungen wohl selbst einigermaßen verschuldet haben mochte; ich beneidete sie nicht um ihre Lebensweise und auch nicht um ihre Heiligkeit. Im Gegenteile: Diese Person und noch zwei andere, an die ich mich eben erinnere — sie waren nach ihrer eigenen Meinung Heilige — haben mir, nachdem ich sie näher kennengelernt, mehr Furcht und Schrecken eingeflößt als die größten Sünderinnen, die ich je im Leben gesehen.

32. Bittet darum, meine Töchter, den Herrn, dass er uns erleuchte! Preiset ihn von Herzen, dass er euch in ein Kloster geführt, wo euch der Teufel trotz aller Bemühungen nicht so in die Irre führen kann wie jene, die für sich allein wohnen. Es gibt Seelen, denen nichts zu fehlen scheint, um geraden Weges in den Himmel eingehen zu können, weil sie nach ihrer Meinung in allem nach Vollkommenheit streben; sie haben eben niemand, der sie durchschaut. In den Klöstern aber lernt man sie, wie ich noch immer gesehen, kennen. Dort dürfen sie nicht nach ihrem Willen handeln, sondern müssen sich dem Gehorsam fügen. Wenn auch solche Seelen in der Welt in ihrem Verlangen, Gott zu gefallen, sich selbst wahrhaft erkennen wollen, so kommen sie doch zu keinem Ziel, weil sie schließlich all ihre Werke nach ihrem eigenen Willen vollziehen; und sollten sie auch zuweilen Widerspruch erfahren, so werden sie doch nicht so zur Selbstverleugnung erzogen wie in den Klöstern. Ich nehme da einige Personen aus, die unser Herr schon seit Vielen Jahren erleuchtet hat. Sie geben sich Mühe, jemanden zu finden, der sie versteht und dessen Leitung sie sich unterwerfen; denn wer eine gründliche Demut besitzt, der hat wenig Vertrauen auf sich selbst, mag er auch noch so gelehrt sein.

33. Andere gibt es, die um des Herrn willen alles verlassen haben, die weder Haus noch Habe besitzen und am Wohlleben sowie an den Dingen dieser Welt keinen Geschmack finden. Der Herr hat sie schon so erleuchtet, dass sie erkennen, wie erbärmlich dies alles ist; aber sie halten noch viel auf Ehre, und in ihrer großen Weltklugheit möchten sie den Menschen ebenso wie dem Herrn gefallen. Doch diese beiden Stücke, das Wohlgefallen Gottes und das der Menschen, lassen sich sehr schwer miteinander vereinigen; das Schlimmste dabei ist, dass solche Seelen, ohne ihre Unvollkommenheit zu erkennen, fast immer mehr der Welt zuneigen als Gott. Sie fühlen sich meistens durch jedes Wort verletzt, das wider sie gesprochen wird. Sie umfassen das Kreuz nicht (in Liebe) und schleppen es nur mühsam nach sich; deshalb verursacht es Leid und Ermüdung und drückt sie nieder; denn wenn man es liebt, ist gewiss seine Last leicht und süß.

34. Auch dies ist nicht jene Freundschaft, um die die Braut bittet. Darum, meine Töchter, habet wohl acht und lasset euch nicht, nachdem ihr das eine getan, vom anderen einnehmen! All das ist nur Belästigung für euch. Wenn ihr das meiste, die Welt, ihr Wohlleben, ihre Freuden und Reichtümer, verlassen habt, die, wenngleich trügerisch, schließlich doch Gefallen erwecken, was fürchtet ihr noch? Wahrlich, ihr versteht es nicht. Denn um euch von Missgunst frei zu erhalten, die ihr euch durch ein Wort zuziehen könnt, belastet ihr euch mit tausend Sorgen und Verpflichtungen. Wir haben, wenn wir der Welt gefallen wollen, gar vieles zu beachten. Es ist nicht statthaft, alles aufzuzählen, weil es zu weit führen würde. Übrigens könnte ich es auch nicht.

35. Endlich, und damit will ich schließen, finden sich noch andere Seelen, an denen ihr bei einiger Aufmerksamkeit viele Zeichen wahrnehmen werdet, dass sie voranzuschreiten begannen, aber in der Mitte des Weges stehenbleiben. Ich sage, es gibt andere, die sich auch nicht viel um das Gerede der Menschen und um die Ehre kümmern, aber sie sind mit der Abtötung und Verleugnung ihres Eigenwillens nicht vertraut; man merkt es ihnen an, dass sie sich der Welt noch nicht vollends entschlagen haben. Sie scheinen im Leiden ergeben und vollkommen in allem zu sein; aber wenn es sich darum handelt, etwas Wichtiges zur Ehre des Herrn zu vollziehen, so lebt wieder die Liebe zu ihrer eigenen Ehre auf, ohne dass sie es bemerken. Sie meinen, in keiner Weise mehr die Welt, sondern Gott allein zu fürchten; aber sie wittern Gefahren in dem, was eintreten könnte, und so deuten sie eine tapfere Tat in großen Nachteil um, so dass der böse Feind sie zu unterweisen scheint. Wenn nötig, prophezeien sie schon für tausend Jahre, was geschehen kann. Solche Seelen würden nicht handeln wie der heilige Petrus, der sich ins Meer stürzte, oder wie viele andere Heilige. Befinden sie sich in Ruhe, so möchten sie für den Herrn gerne Seelen gewinnen, aber Gefahren wollen sie deshalb nicht auf sich nehmen; auch ihr Glaube ist nicht wirksam genug, um feste Entschlüsse zu fassen.

36. Noch etwas habe ich wahrgenommen. Es finden sich nur wenige Seelen in der Welt, die die Sorge für ihren Lebensunterhalt Gott überlassen; ich kenne deren nur zwei. Was die Ordensleute betrifft, so wissen diese, dass ihnen in dieser Hinsicht nichts fehlen wird. Übrigens glaube ich, dass jene, die den Ordensstand in Wahrheit einzig Gottes wegen erwählen, gar nicht an ihren Lebensunterhalt denken. Allein wie viele wird es geben, meine Töchter, die auf ihr Vermögen nicht verzichten würden, wenn sie in dieser Beziehung nicht sicher wären! Ich habe aber schon anderswo euch darüber belehrt und manches über solche kleinmütige Seelen gesprochen sowie auch über den Schaden, den sie sich zufügen. Ebenso habe ich auf den großen Gewinn hingewiesen, der selbst dann aus der Erweckung großmütiger Entschlüsse sich ergibt, wenn man sie nicht ausführen kann. Deshalb will ich hier nicht weiter davon sprechen, wenngleich mich diese Mühe nicht verdrießen würde. Da der Herr diese Seelen in einen so erhabenen Stand geführt, sollen sie ihm auch treu dienen und sich nicht in einen Winkel verkriechen. Wenn sie auch als Ordensleute, besonders als Ordensfrauen, dem Nächsten durch großmütige Entschlüsse und durch brennendes Verlangen nach dem Heile der Seelen nicht nützen können, so wird doch ihr Gebet Kraft und Wirksamkeit erlangen. Vielleicht wird der Herr es zulassen, dass sie auf diese Weise im Leben oder noch nach dem Tode Nutzen schaffen, wie es eben jetzt durch den heiligen Laienbruder Didakus geschieht, der nur Klosterdienste verrichtete. Der Herr ruft das Andenken an ihn so viele Jahre nach seinem Tode wieder aufs neue wach, damit er uns ein Vorbild sei. Lasset uns die göttliche Majestät dafür lobpreisen!

37. Nachdem euch nun, meine Töchter, der Herr in diesen Stand geführt hat, seid ihr der Freundschaft und dem Frieden nahe, den die Braut begehrt. Ihr müsst nur recht anhaltend unter Tränen und mit innigem Verlangen darum bitten. Tuet, was in eurer Macht liegt, damit euch der Herr diesen Frieden gebe; denn wisset, der Ordensstand an sich ist noch nicht der Friede und die Freundschaft, um die die Braut bittet, wenn auch der Herr jenen, die er in diesen Stand führt, ebendadurch schon große Gnade erweist! Diesen Frieden und diese Freundschaft wird er keinem verleihen, der nicht ein großer Liebhaber des Gebetes, der Buße, der Demut und vieler anderer Tugenden ist. Der Herr, der alles gibt, sei gepriesen in Ewigkeit! Amen.

Drittes Hauptstück

Belehrung über den wahren Frieden, den Gott der Seele verleiht. Seine Vereinigung mit der Seele. Beispiele heroischer Liebe einiger Diener Gottes. »Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes«

1. O heilige Braut, wir wollen setzt näher betrachten, worum du bittest, jenen heiligen Frieden nämlich, der der Seele den Mut verleiht, mit allen in den Kampf zu treten, die von der Welt sind, während sie selbst in einer ganz friedvollen Sicherheit bleibt! O welch großes Glück wird es sein, diese Gnade zu erlangen! Es ist dies eine so innige Vereinigung der Seele mit dem Willen Gottes, dass es zwischen Gott und ihr keine Teilung gibt. Ihr Wille ist mit dem Willen Gottes fortan eins, und dies nicht bloß in Worten oder im Verlangen, sondern auch im Werke. Sobald die Seele erkennt, dass sie durch irgend etwas mehr zum Dienste ihres Bräutigams beitragen kann, achtet sie in ihrer großen Liebe zu ihm und in ihrem Sehnen, ihm zu gefallen, in keiner Weise mehr auf Gegengründe und Besorgnisse, die der Verstand ihr vorführt, sondern lässt den Glauben allein wirken. Sie sieht darum weder auf einen Vorteil für sich noch auf ihre eigene Ruhe; denn sie hat bereits erkannt, dass in diesem Vergessen ihrer selbst ihr ganzer Fortschritt liegt.

2. Es könnte euch, meine Töchter, ein solches Vorgehen nicht als zweckdienlich erscheinen, da es höchst lobenswert ist, mit Überlegung zu handeln. Allein ihr habt hier nur den einen Punkt ins Auge zu fassen: Sehet, soweit ihr es bei dem Mangel an voller Gewissheit erkennen könnt, ob der Herr euere Bitte, er möge euch küssen mit dem Kasse seines Mundes, schon erhört hat. Wenn ihr dieses aus den Wirkungen erkennt, dann habt ihr euch um nichts mehr zu kümmern; ihr sollt dann euch selbst vergessen, um einem so süßen Bräutigam zu gefallen.

3. Die göttliche Majestät macht dies jenen, die sich dieser Gnade erfreuen, durch viele Zeichen erkennbar. Eines davon ist die Verachtung aller irdischen Dinge. Solche Seelen achten diese Dinge so gering, wie sie es in Wirklichkeit sind; sie verlangen nach keinem Gute der Erde mehr, da sie die Eitelkeit dieser Güter bereits erkannt haben. Sie finden ihre Freude nur an jenen Menschen, die ihren Herrn und Gott lieben. Das Leben ist ihnen zum Ekel; die Reichtümer achten sie nicht höher, als sie es verdienen. Über dieses und Ähnliches belehrt sie jener, der sie in diesen Stand erhoben hat.

4. Befindet sich die Seele einmal in dieser Verfassung, dann fürchtet sie nur mehr das eine, sie möchte nicht wert sein, dass Gott ihr Leiden sende und Gelegenheit gebe, ihm zu dienen, wenn auch ganz auf ihre Kosten. Und so wirken denn hier, wie ich schon erwähnt habe, die Liebe und der Glaube; die Seele will von dem, was der Verstand ihr vorstellt, keinen Gebrauch mehr machen. Denn diese Vereinigung, wie sie zwischen dem Bräutigam und der Braut, besteht, hat sie ganz andere Dinge gelehrt, die der Verstand nicht fasst; sie achtet seiner nicht mehr und tritt ihn gleichsam mit Füßen.

5. Stellen wir uns dies in einem Gleichnis vor, damit ihr es besser versteht. Es lebt jemand im Lande der Mauren als Gefangener. Sein Vater ist arm, allein er hat noch einen guten Freund. Kauft letzterer ihn nicht los, so gibt es für ihn keine Rettung. Aber der Freund hat selbst nicht so viel, um den Gefangenen loszukaufen; er muss sich deshalb selbst in die Gefangenschaft begeben. Die große Liebe, die er zum Freunde trägt, fordert von ihm, seine Befreiung für wünschenswerter zu halten als die eigene Freiheit; aber gar bald stellt sich das Urteil mit seinen vielen Gründen ein und spricht von einer größeren Verpflichtung gegen sich selbst: Vielleicht habe er weniger Starkmut wie der andere, so dass man ihn zum Abfall vom Glauben verleiten könnte; es sei nicht ratsam, sich in eine solche Gefahr zu begeben usw.

6. O wie stark ist doch die Liebe Gottes! Wie erscheint doch dem, der liebt, so gar nichts als unmöglich! O glückliche Seele, der Gott diesen Frieden geschenkt! Sie setzt sich über alle Gefahren und Leiden der Welt hinweg, fürchtet bei der Besorgnis, einem so guten Bräutigam und Herrn dienen zu dürfen, nichts und achtet auf keine Gegengründe, wie sie dem ebenerwähnten Verwandten oder Freunde in den Sinn gekommen sind. Ihr habt, meine Töchter, schon von einem Heiligen gelesen, der sich nicht für einen Sohn, nicht für einen Freund, sondern zur Auslösung des Sohnes einer von Kummer gequälten Witwe in das Land der Mauren begab, um selbst als Gefangener dort zu bleiben. Er tat dies wohl, um der göttlichen Majestät zu gefallen und dem Herrn einigermaßen nachzufolgen, der so vieles für uns getan; es war ihm das große Glück zuteil geworden, im Besitze jenes göttlichen Friedens zu sein. Welch guten Erfolg diese Handlungsweise hatte und mit welch reichem Seelengewinn er zurückkehrte, habt ihr ebenso gelesen.

7. »Ich bin geneigt, zu glauben, sein Verstand werde ihm außer den erwähnten Gründen noch andere vorgeführt haben; denn er war Bischof und musste seine Schäflein verlassen, und vielleicht war er auch nicht ohne Furcht. Da fällt mir etwas ein, was ich passend hier erwähnen kann. Es betrifft jene, die von Natur aus verzagt und kleinmütig sind, wie dies bei Frauen zumeist der Fall ist. Wenn auch solche Seelen in Wahrheit schon zu einem so erhabenen Stand, wie wir ihn eben betrachten, gelangt sind, so geschieht es doch, dass ihre schwache Natur sich fürchtet. In dieser Beziehung ist Vorsicht am Platze; denn diese natürliche Schwäche kann Ursache werden, dass wir eine herrliche Krone verlieren. Findet ihr also eine solche Verzagtheit in euch, so nehmet eure Zuflucht zum Glauben und zur Demut und macht euch ans Werk mit dem festen Glauben, dass Gott alles vermag, dass er vielen heiligen Mädchen in jungen Jahren Kraft verleihen konnte und wirklich verlieh, die entsetzlichen Qualen zu erdulden, die sie für ihn hinzunehmen sich entschlossen hatten.«

8. »Diese Entschlossenheit, diesen freien Willensentschluss will der Herr; er benötigt nicht unsere Kraft, im Gegenteil, er liebt es, seine Werke an den Schwachen hervorleuchten zu lassen, da er in ihnen seine Macht unumschränkter wirken und sein Verlangen, uns Gnaden zu erweisen, im vollsten Maße an ihnen befriedigen kann. Dazu sollen auch die von Gott verliehenen Tugenden behilflich sein, um mit Entschiedenheit zu handeln und all die Gründe, die euere Schwäche und euer Verstand vorführen, von euch zu weisen; denn sonst könnte diese Schwäche noch mehr zunehmen und euch zu dem Gedanken verleiten, zu denken, ihr möchtet um eurer Sünden wegen nicht würdig sein, dass der Herr solche Kraft schenke, wie er sie anderen verleiht. Das ist nicht die Zeit, an euere Sünden zu denken; lasst diese beiseite, da hier eine solche Demut nicht am Platze ist; sie passt nicht hieher.«

9. »Wenn man euch große Ehre erweisen will, oder wenn der Teufel euch zum Wohlleben oder zu anderen ähnlichen Dingen anreizt, da sollt ihr fürchten, um euerer Sünden willen vom rechten Pfade abzuweichen; aber wenn es sich darum handelt, etwas für eueren Herrn oder zum Wohle des Nächsten zu leiden, da sollt ihr keine Furcht haben wegen euerer Sünden. Mit einer so reinen Liebe könnt ihr durch ein einziges dieser Werke erreichen, dass der Herr euch alle euere Sünden vergibt. Dies fürchtet der Teufel, und darum ruft er euch bei solchen Gelegenheiten euere Sünden ins Gedächtnis. Seid fest überzeugt, dass der Herr jene, die ihn lieben, nicht verlassen wird, wenn sie einzig seinetwegen etwas wagen. Seiten euch aber andere Absichten, die auf den eigenen Nutzen zielen, dann dürft ihr auf der Hut sein; denn ich rede hier nur von solchen, die dem Herrn auf vollkommenere Weise zu gefallen sich bemühen.«

10. Auch in unseren Zeiten habe ich einen Mann gekannt — ihr selbst habt ihn gesehen, als er bei mir zu Besuche war —, den der Herr mit einer so feurigen Liebe entzündete, dass es ihn viele Tränen kostete, nicht für einen Gefangenen eintreten zu können. Er war ein unbeschuhter Religiose aus der Kongregation des Paters Petrus de Alcántara und kam, um sich mit mir zu beraten. Endlich erhielt er auf vieles ungestüme Bitten hin von seinem Generalobern doch noch die Erlaubnis zur Ausführung seines frommen Vorhabens. Aber der Herr nahm ihn zu sich, als er nur noch vier Meilen von Algier entfernt war, wohin er sich zu diesem Zwecke begeben wollte. Er hat ganz gewiss eine herrliche Belohnung erhalten. Wie viele Kluge (im Sinne der Welt) wird es gegeben haben, die ihm ein solches Vorhaben als Torheit vorhielten! Ja, so scheint es uns, die wir in der Liebe Gottes noch nicht soweit vorangeschritten sind. Aber gibt es wohl eine größere Torheit, als wenn wir den Traum dieses Lebens mit solcher Klugheit zu Ende träumen? Möge es dem Herrn gefallen, dass wir für würdig befunden werden, in den Himmel einzugehen, und mehr noch, dass uns unter der Zahl jener befinden, die sich in der Liebe zu Gott so sehr hervorgetan wie dieser Diener Gottes!

11. Ich sehe ein, dass man zu dergleichen Werken einer großen Hilfe des Herrn bedarf; darum gebe ich euch, meine Töchter, den Rat, mit der Braut um diesen so wonniglichen Frieden zu bitten; nur so werdet ihr mit aller Ruhe gegen jegliche eitle Furcht vor der Welt kämpfen und siegen. Oder ist es nicht klar, dass Gott eine Seele, der er die große Gnade erweist, sich mit ihm in so inniger Freundschaft zu vereinigen, zugleich mit allen seinen Gütern bereichern werde? Gewiss, solche Werke können wir nicht aus uns selbst vollbringen. Wir können nur danach verlangen und um die Gnade dazu bitten; denn was vermag außerdem noch ein Erdenwurm, den die Sünde in einen so erbärmlichen Zustand der Verzagtheit und des Elendes versetzt hat, dass er jegliche Tugend nur nach dem Maßstab seiner schwachen Natur bemisst? Was kann uns, meine Töchter, in dieser Armseligkeit sonst Hilfe bringen, als die Bitte der Braut? Wenn sich ein Bauernmädchen mit dem König vermählen und Kinder empfangen würde, wären dann diese nicht von königlichem Geblüte? Und wenn unser Herr einer Seele eine so große Gnade erweist, dass er sich so ungeteilt mit ihr vereint, — welch fromme Wünsche, welch heilsame Wirkungen, welch herrliche Früchte heldenmütiger Werke könnten dann nicht dieser Vereinigung entspringen, vorausgesetzt, dass es die Seele nicht an sich fehlen lässt?

12. »Darum sage ich euch wiederholt: Wenn euch der Herr die Gnade erweist, zur Übernahme solcher Werke um seinetwillen euch Gelegenheit zu bieten, so lasst euch durch den Gedanken an euere Sünden nicht davon abhalten! Da muss der Glaube über euere Armseligkeit den Sieg erringen; es darf euch nicht wundern, wenn ihr bei eurem anfänglichen Entschluss und auch später noch Furcht und Schwäche empfindet. Macht euch nichts daraus! Dies hat keine andere Bedeutung als dass es euch zu größerer Vorsicht mahnt. Überlasset dem Fleische, was seine Sache ist! Bedenket, was der gute Jesus bei seinem Gebete im Garten spricht: ›Das Fleisch ist schwach‹, und erinnert euch jenes so wunderbaren und schmerzlichen Blutschweißes, den er daselbst vergossen! Denn wenn Seine Majestät jenes göttliche und sündenlose Fleisch schwach nennt, wie wollen wir unser (sündiges) Fleisch für so stark halten, dass es die uns auferlegten Verfolgungen und Leiden nicht empfindet? Gerade durch dieses Leiden wird das Fleisch dem Geiste unterworfen; der mit dem Willen Gottes vereinte Wille aber beklagt sich nicht.«

13. »Da fällt mir eben ein, dass unser guter Jesus vor seinem Leiden die Schwäche seiner Menschennatur offen an den Tag legte. Inmitten seiner Leiden aber bekundete er eine solche Stärke, dass er weder klagte noch auch nach außen hin zu erkennen gab, dass er in Schwachheit leide. Als er in den Garten (Gethsemani) kam, sprach er: ›Meine Seele ist betrübt bis zum Tode,‹ als er aber am Kreuze hing und schon dem Tode nahe war, klagte er nicht. Als er sich im Garten beim Gebete befand, begab er sich zu den Aposteln, um sie zu wecken; aber billiger hätte er sein Herz vor seiner Mutter und unserer Herrin ausschütten können, die am Fuße des Kreuzes stand und nicht schlief, sondern die bitteren Todesqualen mitempfand. Denn immer ist es für uns ein größerer Trost, wenn wir vor jenen klagen können, von denen wir wissen, dass sie unsere Leiden mitempfinden und uns mehr lieben als andere.«

14. »So wollen wir denn nicht mehr über unsere vielfachen Befürchtungen Klage führen; der Blick auf die Schwäche unserer Natur soll uns nicht entmutigen. Wir wollen uns vielmehr bemühen, zu erstarken in der Demut durch die klare Erkenntnis unserer geringen Kraft, ja unseres gänzlichen Unvermögens, wenn Gott uns nicht beisteht. Auf seine Barmherzigkeit wollen wir uns verlassen, auf unsere eigene Kraft aber volles Misstrauen setzen; denn auf diese sich stützen heißt, sich der Schwäche vollends überliefern. Es geschah gewiss nicht ohne triftigen Grund, dass unser Herr sich in der Schwachheit unserer Natur zeigte. Er, die Stärke selbst, trug diese Schwäche offenbar nicht in seinem Wesen; aber er trug sie uns zum Trost, damit wir lernen, wie wir unseren guten Wünsche ins Werk setzen sollen und zur Einsicht kommen, dass der Seele alles peinlich vorkommt, wenn sie sich selbst entäußern will. Fängt sie an, dem Wohlleben zu entsagen, so ist es ihr zur Qual; soll sie ein böses Wort hinnehmen, so scheint es ihr unerträglich; kurz, sie wird immer Betrübnis haben bis zum Tode. Ist sie aber einmal zu dem Entschluss gekommen, der Welt gänzlich abzusterben, dann wird sie sich auch von diesen Peinen frei wissen und alles anders finden. Es ist nicht zu fürchten, dass sie in Klagen ausbricht, da sie jetzt den Frieden gefunden, um den die Braut bittet.«

15. Ich halte für gewiss, dass eine einzige Kommunion genügen würde, uns reich zu machen, wenn wir mit großem Glauben und großer Liebe hinzuträten. Und nun empfangen wir das Allerheiligste Sakrament so oft! Allein es scheint, wir betrachten es als eine bloße Zeremonie, wenn wir uns ihm nahen, und darum verschafft uns sein Empfang so wenig Nutzen. O erbärmliche Welt, wie verblendest du doch die Augen derer, die in dir leben, so dass sie die Schätze nicht sehen, mit denen sie sich für alle Ewigkeit bereichern könnten!

16. O Herr des Himmels und der Erde! Wie ist es doch möglich, dass man sogar schon in diesem sterblichen Leben in solch inniger Freundschaft genießen kann? Und wie deutlich spricht es der Heilige Geist in den Worten des Hohenliedes aus! Dennoch aber wollen wir es nicht einsehen, mit welch wonnigen Genüssen du diesem Liede gemäß die Seelen erfreust. Welch liebeatmende Worte! Welch wonnige Gefühle des Entzückens! Ein einziges Wörtchen sollte hinreichen ganz in dir aufzugehen. Sei gepriesen o Herr! Denn an dir fehlt es gewiss nicht, wenn wir so großer Güter verlustig gehen. Auf wie vielen Wegen, wie vielgestaltig offenbarst du uns deine Liebe! Du offenbarst sie uns durch Leiden und durch den bittersten Tod, durch Martern und Qualen, durch tägliche Ertragung von Unbilden und durch Verzeihen. Nebst dem zeigst du deine Liebe auch durch Worte, die wonnevolle Wunden schlagen, wie es bei der liebenden Braut im Hohenliede geschieht, die du ebenso zu dir sprechen lehrst. Ich weiß nicht, wie jemand, der diese Worte in seinem Innern vernimmt — ich will nicht sagen nach ihrem vollen Inhalt, sondern wie es unserer Schwäche entspricht —, sie ohne deine Hilfe ertragen kann.

17. Darum, o mein Herr, bitte ich in diesem Leben um nichts anderes, als dass du mich küssest mit dem Kusse deines Mundes, und zwar in einer Weise, dass ich mich von dieser Freundschaft und Vereinigung nicht trennen kann, wenn ich auch wollte. Lass, o Herr meines Lebens, allzeit meinen Willen dem deinen unterworfen sein und gib, dass nichts in der Welt mich hindere, zu dir sagen zu können: Mein Gott und meine Seligkeit, wahrhaftig, »deine Brüste sind besser und köstlicher als Wein«!

Viertes Hauptstück

Die Heilige spricht über das Gebet der Ruhe und der Vereinigung sowie über die Süßigkeit und Wonne, die sie im Geiste verursachen. Im Vergleich damit sind die Freuden dieser Welt ein reines Nichts.

»Deine Brüste sind lieblicher als Wein; denn sie strahlen aus den Wohlgeruch köstlicher Salben.« (Hohel. 1, 1. 2.)

1. O meine Töchter, welch erhabene Geheimnisse liegen in diesen Worten verborgen! Der Herr verleihe, dass wir sie an uns erfahren, da sie sich nur sehr schwer erklären lassen! Wenn Seine Majestät in ihrer Barmherzigkeit die oben erwähnte Bitte der Braut erhört, beginnt sie in so inniger Freundschaft mit ihr zu verkehren, dass ihr sie nur dann verstehen könnt, wenn sie euch in Wirklichkeit zuteil wird.

Vieles habe ich darüber sehr eingehend und ausführlich in zwei Büchern geschrieben, die ihr nach meinem Tode sehen werdet, wenn es dem Herrn gefällt; denn ich bin der Meinung, dass eine solche Belehrung euch notwendig ist. Daher will ich hier nur ganz kurz davon sprechen; ich weiß aber nicht, ob ich dieselben Worte finden werde, deren ich mich dort nach dem Willen des Herrn zur Erklärung dieses Zustandes bedient habe.

2. Man empfindet im Innern der Seele eine so große Wonne, dass man sich von der Nähe des Herrn wohl überzeugen kann. Es ist dies nicht eine bloß andächtige Stimmung, die reichliche Tränen fließen lässt. Diese verschaffen uns zwar immerhin einige Befriedigung, mögen wir nun über das Leiden des Herrn oder über unsere Sünden weinen; allein diese Befriedigung ist doch nicht so groß wie in dem Gebete, von dem ich rede. Ich nenne es Gebet der Ruhe, weil es alle Vermögen so zur Ruhe bringt, dass die Seele sie nach ihrem Wunsch und Willen zu genießen scheint, obwohl man sie auch zuweilen, wenn die Seele nicht so sehr davon eingenommen ist, in anderer Weise fühlt. Von dieser Süßigkeit scheint der ganze innere und äußere Mensch so gestärkt zu werden, als wäre ihm ins innerste Mark die köstlichste, lieblichen Geruch verbreitende Salbe eingegossen worden. Es ist, wie wenn wir plötzlich an einen Ort kämen, wo sich ein ungemein starker Wohlgeruch ausbreitete. Wir merken, dass er nicht von einem Gegenstande allein, sondern von Vielen ausgeht, wissen aber nicht, was es ist und woher dieser Wohlgeruch kommt; wir merken nur, dass er uns ganz durchdringt.

3. Das gleiche scheint durch die überaus wonnige Liebe unseres Gottes (bei dem erwähnten Gebet) zu geschehen; sie dringt in die Seele mit großer Lieblichkeit ein, ergötzt und befriedigt sie, ohne dass sie jedoch begreift, wie oder wodurch dieses große Gut sich in sie senkt. Sie möchte es nie verlieren, und damit es ihr ja nicht entweiche, möchte sie sich weder rühren, noch sprechen, noch aufblicken, weil sie dessen Wesen nicht kennt. Ich habe schon in den erwähnten Büchern darüber geschrieben, wie die Seele sich in diesem Gebete verhalten müsse, um Gewinn daraus zu ziehen. Auch hier soll nur eine kurze Erklärung über den in Betracht kommenden Gegenstand gegeben werden. Des- halb will ich mich über die Freundschaft, die der Herr schon in diesem Gebete mit der Seele unterhält, nicht weiter verbreiten; ich sage nur, diese Freundschaft ist nach dem Willen des Herrn so innig, dass zwischen ihm und der Seele keine Teilung stattfinden soll. Hier werden der Seele große Wahrheiten mitgeteilt; denn jenes Licht, das sie erleuchtet, aber so blendend ist, dass sie dessen Wesen in keiner Weile erfasst, lehrt sie die Eitelkeit der Welt erkennen. Sie sieht zwar den guten Meister nicht, der sie unterweist, aber sie erkennt klar, dass er bei ihr ist; sie wird von ihm in so vortrefflicher Weise belehrt, und die in ihr bleibenden Wirkungen und die Tugendstärke sind so groß, dass sie sich selbst nicht mehr kennt und nur mehr den Herrn lobpreisen möchte. Solange sie aber diese Wonne genießt, ist sie so vertieft und von Staunen hingerissen, dass sie nicht mehr bei sich selbst, sondern in einer Art göttlicher Trunkenheit sich zu befinden scheint, in der sie nicht weiß, was sie will, was sie sagt oder worum sie bittet. Kurz, sie weiß nichts von sich, ist aber doch nicht so außer sich, dass sie nicht etwas von dem wahrnähme, was hier vorgeht.

4. Will nun der überaus reiche, göttliche Bräutigam die Seele noch mehr bereichern und beschenken, so wendet er sich ihr derart zu, dass sie, wie von inniger Freude und Wonne hingerissen in seine göttlichen Arme, verzückt zu sein scheint, sich anklammernd an seine heilige und göttliche Brust. Da weiß sie nur zu genießen, erhalten von jener göttlichen Nahrung, die ihr Bräutigam ihr reicht und wodurch er sie fördert, damit er sie noch mehr mit Wonnegenuß erfüllen könne und sie täglich wachse an Verdiensten. Erwacht sie aber wieder von diesem Schlafe und dieser himmlischen Trunkenheit, so ist sie wie starr vor Erstaunen und von heiliger Torheit ergriffen. Dabei scheint sie mir die Worte sprechen zu können: »Deine Brüste sind lieblicher als der Wein.« Denn als sie sich nur in jene anfängliche Trunkenheit versetzt sah, meinte sie sich nicht höher erheben zu können; jetzt aber, da sie sich auf einer höheren Stufe erblickt, ganz versenkt in jene unendliche Größe Gottes und so köstlich genährt, macht sie den schönen Vergleich und spricht: »Deine Brüste sind lieblicher als der Wein.« Wie ein kleines Kind seine Kraftzunahme nicht merkt und nicht weiß, wie es gestillt wird; wie ihm oft die Milch, ohne dass es zu saugen sucht oder überhaupt etwas tut, in den Mund gegeben wird, ebenso ist es auch hier. Die Seele weiß durchaus nichts um sich, sie tut nichts und weiß auch nicht und kann nicht verstehen, wie oder wodurch ihr dieses Gut zuteil wird. Sie weiß nur, dass es das höchste Gut ist, das man in diesem Leben genießen kann, größer als alle Freuden und Wonnen der Welt zusammengenommen. Sie sieht sich genährt und vervollkommnet, ohne zu wissen, wie sie es verdient hat. Sie bemerkt, dass sie große Wahrheiten in sich aufgenommen hat, ohne dass sie den Lehrmeister gesehen, der sie unterwiesen; sie fühlt sich gekräftigt in den Tugenden und wonniglich erquickt von dem, der es so gut versteht und tun kann. Dies weiß sie mit nichts anderem zu vergleichen, als mit der kosenden Liebe einer Mutter, die ihr Kind, das sie innigst liebt, ernährt und befriedigt.

5. »Es ist dies ein ganz passender Vergleich; auch die Seele fühlt sich emporgehoben und empfängt, ohne mit ihrem Verstande tätig zu sein, gewissermaßen wie ein kleines Kind die süße Nahrung, woran sie sich ergötzt und erfreut. Es fehlt ihr aber an der Erkenntnis, wie ihr dieses Gut zuteil wird, während sie in dem zuvor erwähnten Schlummer der Trunkenheit nicht so ganz ohne Tätigkeit ist; denn dort erkennt sie, dass sie in Gottes Nähe ist. Und so spricht sie denn mit Recht: ›Deine Brüste sind lieblicher als der Wein.‹

6. »O mein Bräutigam, diese Gnade ist groß, und lieblich dieses Mahl; du bietest mir einen kostbaren Wein, von dem ein einziger Tropfen bewirkt, dass ich alles Geschaffene vergesse, dass ich mich losmache von allen Geschöpfen und von mir selbst, um fortan nicht mehr nach den Freuden und Genüssen zu verlangen, nach denen sich bisher meine Sinnlichkeit sehnte. Diese Wonne ist zu groß, als dass ich sie verdient hätte. Mit Recht spricht also die Seele, nachdem ihr die göttliche Majestät hier eine noch größere Gnade erwiesen und sie noch näher an sich gezogen hat als zuvor: ›Deine Brüste sind lieblicher als der Wein.‹ O mein Gott, war schon die vorhergehende Gnade groß, so ist doch diese noch größer; denn ich beschäftige mich dabei noch weniger, und so ist sie in jeder Weise eine höhere Gnade. Es ist für die Seele eine große Freude und Wonne, wenn sie zu dieser Stufe gelangt ist!«

7. O meine Töchter, möchte doch unser Herr euch zu erkennen geben, oder besser gesagt, möchte er euch kosten lassen, was es mit der Freude einer Seele in diesem Zustande ist, weil man sie anders nicht erkennen kann! Mögen da die Weltmenschen kommen mit ihren Reichtümern, mit ihren Vergnügungen, mit ihren Ehren und Tischgelagen! Könnten sie dies alles, was aber unmöglich ist, auch ohne die damit verbundenen Mühseligkeiten genießen, sie würden selbst bei einem tausendjährigen Genuß jener Freude nicht nahekommen, die eine Seele, vom Herrn in diesen Zustand versetzt, hier in einem Augenblicke genießt. Der heilige Paulus sagt, dass alle Leiden der Welt nichts bedeuten im Vergleich mit der Herrlichkeit, die wir erwarten. Und ich sage, sie bedeuten nichts und können uns auch nicht eine Stunde der Befriedigung, Freude und Wonne verdienen, die Gott hier der Seele verleiht. Nach meinem Dafürhalten kann ein so wonnevolles Geschenk unseres Herrn, eine so innige Vereinigung mit ihm und eine in so erhabener Weise von ihm geoffenbarte und zu kosten gegebene Liebe mit den niedrigen Dingen der Welt nicht verglichen und durch sie auch nicht verdient werden. Die Leiden der Welt sind etwas zu Kindisches, als dass man sie damit vergleichen dürfte. Werden sie nicht um Gottes willen erduldet, so haben sie keinen Wert; nimmt man sie aber um seinetwillen auf sich, so sendet sie Seine Majestät nur nach dem Maße unserer geringen Kräfte, da wir so armselig und kleinmütig sind, dass wir davor zurückschrecken.

8. O Christen, o meine Töchter, wachen wir doch einmal um der Liebe unseres Herrn willen auf von diesem Schlafe der Welt! Betrachten wir, dass uns der Herr den Lohn für unsere Liebe nicht nur für das künftige Leben aufbewahrt, sondern sie uns schon in diesem Leben zu vergelten beginnt. O mein Jesus, könnte ich euch doch zu verstehen geben, welch herrlicher Gewinn darin liegt, dass wir uns in die Arme dieses unseres Herrn werfen und mit Seiner Majestät einen Vertrag eingehen, der also lautet: »Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein!« Er ist für meine Interessen besorgt und ich für die seinen. Wir wollen uns nicht in der Weise lieben, dass wir uns, wie das Sprichwort sagt, die Augen ausreißen. Nochmals, o mein Gott, bitte ich dich und flehe zu dir, gewähre mir um des Blutes deines Sohnes willen die Gnade, dass er mich küsse mit dem Kusse seines Mundes! Denn was bin ich und was vermag ich, wenn ich nicht mit dir, o Herr, vereinigt bin? Wohin werde ich geraten, wenn ich mich auch nur im geringsten von deiner Majestät entferne?

9. O mein Herr, mein Erbarmer und mein höchstes Gut! Wie könnte ich doch in diesem Leben etwas Besseres verlangen, als in so inniger Vereinigung mit dir zu sein, dass es keine Scheidung mehr gibt zwischen mir und dir? Wie könnte in dieser Gesellschaft etwas noch zu schwer sein? Was soll man nicht deinetwegen auf sich nehmen können, wenn man so innig mit dir verbunden ist? Was könnte ich mir zugute rechnen, o Herr? Muß ich nicht vielmehr über mich selbst klagen, dass ich dir nicht diene? Und so flehe ich denn in voller Zuversicht mit dem heiligen Augustin zu dir: »Gib mir, was du befiehlst, und befiehl alsdann, was du willst!« Mit deiner Gnade und deinem Beistande werde ich dir niemals den Rücken kehren.

10. »Ich erkenne jetzt, o mein Bräutigam, dass du mir gehörst, und ich kann es nicht mehr leugnen. Für mich bist du in die Welt gekommen; für mich hast du so entsetzliche Leiden auf dich genommen und so grausame Geißelstreiche empfangen; für mich bist du im Allerheiligsten Altarsakrament zurückgeblieben, und mir bereitest du zur Stunde so unaussprechliche Freuden. Aber, o heilige Braut, wenn ich deine Worte mir angeeignet, was kann ich tun für meinen Bräutigam?«

11. »Wahrhaftig, meine Schwestern, ich weiß nicht, wie ich hier durchkomme. Was kann ich dir nützen, o mein Gott? Was kann jene für dich tun, die sich in all ihrem Wirken noch so unfertig fand? Sie kann nur die Gnade verlieren, die du ihr gewährt hast. Was kann man von ihren Diensten erwarten? Und wenn sie auch mit deiner Gnade etwas vollbringt, was ist denn das, was ein Wurm vollbringt, und wozu bedarf seiner ein so mächtiger Gott? O Liebe! In wie vieler Beziehung möchte ich dieses Wort aussprechen; aber der Herr ist es, der es wagen kann, mit der Braut zu sprechen: ›Ich habe geliebt meinen Geliebten.‹ Doch er, dieser wahre Liebhaber, mein Bräutigam und mein höchstes Gut, erlaubt es uns, den Gedanken zu fassen, er bedürfe unser.«

12. »Weil er uns dies erlaubt, darum, meine Töchter, lasst uns wiederholt sprechen: »Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein!« Du bist mein, o Herr! Wenn du nun selbst zu mir kommst, wie soll ich noch zweifeln, dass ich dir viel dienen kann? Und so will ich denn von jetzt an mich selbst vergessen und nur daran denken, wie ich dir dienen kann; ich will keinen anderen Willen mehr haben als den deinen. Aber mein Können ist unvermögend, du dagegen bist der Mächtige, o mein Gott! Was ich tun kann, besteht darin, dass ich mich entschließe, das Gesagte ins Werk zu setzen, und dies soll auch von diesem Augenblicke an durch mich geschehen.«

Fünftes Hauptstück

Fortsetzung der Abhandlung über das Gebet der Vereinigung. Hinweis auf die Reichtümer, die der Seele durch Vermittlung des Heiligen Geistes zuteil werden, und ihre Bereitwilligkeit zur Hinnahme der Leiden um des Geliebten willen. »In seinem Schatten sitze ich, wie mich verlangte. Und seine Frucht ist süß meinem Gaumen.« Hohel. 2, 3.

1. Fragen wir jetzt die Braut; denn wir wollen von dieser gebenedeiten Seele, die jenem göttlichen Munde sich nahen durfte und von jener himmlischen Brust genährt ist, erfahren und auch wissen, was wir zu reden haben, wenn der Herr uns einmal zu einer so großen Gnade erhebt. Die Braut gibt es uns zu verstehen mit den Worten: »In seinem Schatten sitze ich, wie mich verlangte, und seine Frucht ist süß meinem Gaumen; der König führte mich ins Haus des Weines und pflanzte in mir die Liebe auf.« Sie sagt: »In seinem Schatten sitze ich, wie mich verlangte.«

2. O mein Gott, wie ist diese Seele in die Sonne gestellt und von ihr verbrannt, und doch sagt sie, sie sitze im Schatten dessen, nach dem sie verlangt! Sie vergleicht ihn hier nur mit einem Apfelbaume und spricht: »Seine Frucht ist meinem Gaumen süß.« O ihr Seelen, die ihr das innerliche Gebet übet, kostet doch all diese Worte! In welch verschiedener Weise können wir doch unseren Gott betrachten! Wie mannigfach sind die Speisen, mit denen wir uns an ihm erquicken können! Er ist das Manna, das immer gerade den Geschmack hat, den wir wünschen. O wie himmlisch ist dieser Schatten, und wer vermöchte es auszusprechen, was der Herr der Seele davon zu verstehen gibt! Ich denke hier daran, was einst der Engel zur seligsten Jungfrau, unserer Lieben Frau, gesprochen: »Die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten.« Unter welch vorzüglichem Schutze befindet sich nicht eine Seele, die der Herr in so erhabener Weise beschattet! Da kann sie mit vollem Rechte sich niederlassen und sicher sein.

3. Beachtet hier folgendes: Zuweilen beruft der Herr jemand in ganz außerordentlicher Weise, wie den heiligen Paulus, den er plötzlich zur Höhe der Beschauung erhob. Er erschien ihm und würdigte ihn einer Ansprache, durch die er sofort ganz außer sich geriet; doch solche Berufungen kommen nur äußerst selten vor. Meistens, ja fast immer verleiht Gott so erhabene Gunstbezeigungen und solch seltene Gnaden nur Seelen, die schon viele Opfer im Dienste des Herrn gebracht, sehnsüchtig nach seiner Liebe gestrebt und unter Mühseligkeiten sich eine solche Verfassung erworben haben, um in allem der göttlichen Majestät zu gefallen; er verleiht sie nur Seelen, die sich jahrelang der Übung der Betrachtung hingegeben und in opfervoller Weise den Bräutigam gesucht haben, denen die Dinge dieser Welt zum größten Ekel geworden sind. Denn diese ruhen in der Wahrheit; sie suchen nur da ihren Trost, ihre Ruhe und ihren Frieden, wo sie ihn nach ihrer Erkenntnis in Wahrheit finden können; sie bergen sich unter den Schutz des Herrn und verlangen nach keinem anderen. Und wie gut, dass sie sich der göttlichen Majestät anvertrauen, die all ihr Verlangen erfüllt! Wie glücklich ist die Seele, die in diesem Schatten zu sitzen verdient, selbst wenn wir nur die zeitlichen Dinge ins Auge fassen! Und wie ich schon oft erfahren habe, kann die Seele allein die Erfahrung machen, dass auch diese Dinge eine ganz andere Bedeutung haben.

4. Wenn die Seele mit der besprochenen Wonne begnadigt wird, so scheint sie einen gewissen Schatten der Gottheit wahrzunehmen, der sich über sie breitet und sie in eine Art Wolke hüllt; aus ihm strömen ihr so wonnigliche Süßigkeiten und ein so lieblicher Tau zu, dass sie von der Gefangennahme, die ihr die irdischen Dinge bereiteten, sozusagen ganz befreit wird. Die Seele fühlt alsdann eine Art Ruhe, bei der es ihr sogar lästig wird, atmen zu müssen. Ihre Vermögen sind hier so in Ruhe und Stille, dass der Wille sich weder herbeilässt, sich mit einem, wenn auch guten Betrachtungsgedanken zu beschäftigen noch auch ihn herbeizuführen. Es ist da nicht notwendig, dass die Seele zum schlussfolgernden Denken eine Hand rührt oder überhaupt sich dazu anschickt, da der Herr ihr die Frucht des Apfelbaumes, mit dem sie ihren Geliebten vergleicht, schon gepflückt und zubereitet, ja schon verdauungsreif darbietet. Darum spricht die Seele: »Seine Frucht ist süß meinem Gaumen.« Hier in diesem Schatten der Gottheit sind die Seelenvermögen, ohne irgendwie tätig zu sein, voll und ganz dem Genusse ergeben. Man nennt diesen Zustand mit Recht Schatten, weil wir hienieden die Gottheit nicht klar, sondern nur verhüllt unter dieser Wolke schauen können, bis uns die hellstrahlende Sonne durch die Liebe eine gewisse Erkenntnis der göttlichen Majestät verschafft, die uns so innigst nahe ist, dass man es unmöglich auszusprechen vermag. Ich bin überzeugt, dass jene, die diesen Zustand schon erfahren haben, zur Einsicht kommen werden, dass hier dieser Sinn den Worten der Braut in aller Wahrheit beigelegt werden kann.

5. Mir scheint der Heilige Geist der Vermittler zwischen der Seele und Gott zu sein, der in ihr ein glühendes Verlangen erweckt, dass sie entflammt wird von dem himmlischen Feuer, das ihr so nah gerückt ist. O Herr, welche Erbarmungen erzeigst du hier der Seele! Sei gepriesen und gelobt in Ewigkeit, du getreuester Liebhaber! O mein Gott und mein Schöpfer! Ist es möglich, dass es noch einen Menschen gibt, der dich nicht liebt? Ach, ich Elende habe dich so lange Zeit nicht geliebt, weil ich nicht würdig war, dich zu erkennen. Wie senkt doch dieser göttliche Apfelbaum seine Äste herab, damit die Seele sie erfasse, seine Herrlichkeiten und die Menge der ihr erwiesenen Erbarmungen betrachte und schaue und die Frucht genieße, die Jesus Christus, unser Herr, ihr durch sein Leiden erworben hat, indem er diesen Baum mit seinem kostbaren Blut in so wunderbarer Liebe begoß.

6. Zuvor bemerkte die Seele, die Nahrung seiner göttlichen Brust gekostet zu haben, da sie der Bräutigam als eine Anfängerin durch den Genuß dieser Gnaden nährte; jetzt aber hat sie allmählich an Wachstum zugenommen und ist fähig, mehr zu empfangen. Jetzt nährt sie der Bräutigam mit Äpfeln, um sie zur Einsicht zu bringen, wie sehr sie verpflichtet ist, ihm zu dienen und zu leiden. Doch auch das genügt ihm noch nicht. Es ist wunderbar und wohl zu beachten: Sobald der Herr sieht, dass eine Seele ganz sein Eigentum geworden und sich seinem Dienste völlig hingegeben hat, und zwar ohne allen Eigennutz und ohne jede selbstsüchtige Absicht, nur Gottes und der Liebe wegen, die er zu ihr trägt, so teilt er sich ihr ohne Unterlass auf so vielfache Weise mit, wie nur die Weisheit selbst sie erfinden kann.

7. Bei der ersten Art des Friedens schien es wohl, der Herr habe nichts anderes mehr zu bieten; aber was ich weiter darüber gesagt, überzeugt uns vom Gegenteil. Es ist dies eine noch weit höhere Gnade, die ich jedoch nur mangelhaft erklärt habe, da meine Worte nur Andeutungen waren. Wenn der Herr das erwähnte Buch erscheinen lässt, so werdet ihr, meine Töchter, darin eine weit klarere Abhandlung über diesen Gegenstand finden. Aber können wir noch mehr, als hier gesagt ist, verlangen? O mein Gott, wie wenig vermag doch unser Verlangen, um die Wunder deiner Erbarmungen, o Herr, zu erleben! Wie armselig blieben wir, wenn dein Geben unseren Bitten entspräche! Wir wollen nun sehen, was die Braut weiterhin spricht.

Sechstes Hauptstück

Die Heilige spricht über die Gunstbezeigungen, die alle Wünsche der Braut übertreffen, sowie über die Entrückung der Seelenvermögen. Einige Seelen gelangen in kurzer Zeit zu dieser erhabenen Gebetsweise. »Der König führte mich ins Haus des Weines und pflanzte in mir die Liebe auf.« (Hohel. 2, 4.)

1. Wenn nun die Braut in dem von ihr so innig und rechtmäßig ersehnten Schatten ruht, was bleibt dann einer so weit geförderten Seele noch zu wünschen übrig, als dass sie dieses Gutes nie mehr verlustig gehen möge? Es scheint für sie nichts mehr zu geben, was sie weiter noch verlangen könnte; aber die Gebefreudigkeit unseres allerheiligsten Königs ist noch lange nicht erschöpft. Er möchte nur ohne Unterlass Gnaden spenden, wenn sich nur Seelen finden, denen er sich hingeben kann. Ich habe es schon oft gesagt, meine Töchter, und ich wünsche, ihr möchtet es nie vergessen: Der Herr begnügt sich nicht damit, nur unseren geringfügigen Wünschen zu entsprechen; ich habe dies in einigen Fällen erfahren. Da bittet z. B. jemand den Herrn, ihm Gelegenheit zu geben, etwas für ihn zu leiden und sich dadurch ein Verdienst zu erwerben; seine Absicht erstreckt sich jedoch nicht weiter, als nach seiner Meinung seine Kräfte reichen. Da aber der Herr diesen Kräften Wachstum verleihen kann, so sendet er ihm zum Lohn für das Wenige, wozu er sich um Gottes willen entschlossen hat, so viele Leiden, Verfolgungen und Krankheiten, dass der arme Mensch sich gar nicht mehr auskennt.

2. Mir selbst ist dies in meiner frühesten Jugend begegnet. Ich sagte da manches Mal: Ach, Herr, soviel wollte ich nicht! Aber seine Majestät gab mir Kraft und Geduld in einer Weise, dass ich jetzt noch darüber staune, wie ich es ertragen konnte; ich würde jene Leiden mit allen Schätzen der Welt nicht vertauschen? Die Braut spricht: »Der König führte mich ein.« O wie viel schließt dieses Wort »mächtiger König« in sich, wenn man bedenkt, dass kein Höherer über ihm ist, dass seine Herrlichkeit kein Ende nehmen wird in Ewigkeit! Gewiss fehlt es der Seele, die diese Stufe erreicht hat, nicht an tiefer Erkenntnis der Größe dieses Königs, aber die volle Erkenntnis dieser Größe bleibt für uns in diesem sterblichen Leben eine Unmöglichkeit.

3. Die Braut sagt also: »Er führte mich in das Haus des Weines und pflanzte in mir die Liebe auf.« Daraus erkenne ich die außerordentliche Größe dieser Gnade. Wie man von einem Weine jemanden mehr oder weniger zu trinken geben, ihm einen guten oder einen besseren reichen, ihn mehr oder weniger trunken und berauscht machen kann, so ist es auch mit diesen Gnaden des Herrn. Dem einen gibt er nur wenig von dem Weine der Andacht, dem anderen mehr, wieder einem anderen in so reichlichem Maße, dass er über seine natürlichen Sinneskräfte erhoben wird und alles Irdische aus den Augen verliert. Den einen verleiht er großen Eifer in seinem Dienste, anderen innere An- triebe und wieder anderen eine weitgehende Nächstenliebe, so dass sie, ganz versenkt in diese ihnen verliehenen Gnaden, die großen Leiden gar nicht empfinden, die sie dabei erdulden. Was aber die Braut hier sagt, schließt vieles in sich. Der Herr führt sie in das Haus des Weines, damit sie selbst im Übermaß bereichert werde. Der König scheint sie hier zu lassen, ohne ihr etwas anderes zu geben, als dass sie nach ihrem Verlangen trinke und durch Verkosten aller Weine, die es im Keller Gottes gibt, im Übermaß trunken werde. Sie soll die Süßigkeiten dieser Weine verkosten und Gottes Herrlichkeit bewundern, und zwar ohne jede Furcht, das Leben zu verlieren, wenn sie mehr trinkt, als ihre schwache Natur ertragen kann. Sie soll sterben in diesem Paradies der Wonne. Aber, o seliger Tod, der zu einem solchen Leben führt! Und er führt wirklich dazu; denn die Wunder, die die Seele hier verstehen lernt, ohne zu wissen wie, sind so groß, dass sie ganz außer sich gerät. Sie spricht es selbst in den Worten aus: »Und pflanzte in mir die Liebe auf.«

4. O Worte, die einer Seele unvergesslich bleiben sollten, die unser Herr so mit Wonne tränkt! O erhabene Gnade, die nie verdient werden könnte, wenn nicht der Herr die Befähigung dazu geben würde! Zwar fühlt sich die Seele nicht einmal zur Liebe angeregt; aber o seliger Schlaf, o glückliche Trunkenheit, die den Bräutigam das ergänzen lässt, was die Seele nicht vermag! Während alle Vermögen tot sind oder schlafen, trifft er eine so wundervolle Anordnung, dass die Liebe lebendig bleibt. Ohne dass die Seele erkennt, wie die Liebe wirkt, gestaltet der Herr deren Wirken so wunderbar, dass sie mit dem Herrn der Liebe, das ist mit Gott, in großer Reinheit eins wird. Hier gibt es kein Hindernis weder seitens der Sinne noch der Seelenkräfte, das heißt seitens des Verstandes, des Gedächtnisses und selbstverständlich auch nicht seitens des Willens.

5. Hier dachte ich darüber nach, ob nicht ein Unterschied bestehe zwischen dem Willen und der Liebe; nach meiner Meinung besteht wirklich ein solcher. Ich weiß nicht, ob meine Ansicht nicht eine Torheit ist. Mir scheint die Liebe ein vom Willen entsendeter Pfeil zu sein. Fliegt dieser mit all der in ihm liegenden Kraft, frei von allen irdischen Dingen, nur allein auf Gott zielend dahin, so muss er in aller Wahrheit die göttliche Majestät verwunden, so dass er, in Gott selbst, der die Liebe ist, versenkt, von da mit außerordentlichem Gewinn wieder zurückkehrt. Ich werde das klarzumachen suchen. Ich habe mich über diesen Zustand bei einigen Personen erkundigt, die durch unseren Herrn beim Gebete zu einer überaus hohen Begnadigung gelangen. Er führt sie in dieses heilige Versunkensein durch eine so erhabene Entrückung, dass diese auch nach außen hin sichtbar wird. Auf mein Befragen, was sie hier empfänden, konnten sie keine Erklärung abgeben; sie wussten nicht und konnten auch nicht verstehen, wie hier die Liebe wirkt.

6. Doch man erkennt den außerordentlichen Gewinn, der dabei der Seele erwächst, aus den Wirkungen, aus ihren Tugenden, aus ihrem lebendigen Glauben und aus ihrer (vollkommenen) Weltverachtung. Wie aber der Seele diese Güter und der Genuß in der genannten Entrückung zuteil werden, davon erkennt sie nichts; nur bei Beginn der Verzückung nimmt sie eine außerordentliche Süßigkeit wahr. Es ist dies offenbar dasselbe, was die Braut sagt; denn die göttliche Weisheit tritt hier ergänzend für die Seele ein und ordnet es so, dass sie sich in dieser Zeit so seltene Gnaden erwirbt. Aber wie kann die Seele noch etwas verdienen, wenn sie so ganz außer sich und hingerissen ist, dass sie nichts mehr mit ihren Seelenvermögen wirken zu können scheint? Man kann denn doch nicht glauben, dass Gott die Seele so hoch begnadige, damit sie die Zeit verliere, ohne etwas in der Vereinigung mit ihm zu gewinnen.

7. O der Geheimnisse Gottes! Hier können wir nur unseren Verstand gefangengeben und (schweigend) bekennen, dass er nicht fähig ist, die Wunderwerke Gottes zu begreifen. Hier ist es gut, dass wir uns an das Verhalten der seligsten Jungfrau, unserer Herrin, erinnern. Bei all ihrer Weisheit fragte sie den Engel: »Wie wird das geschehen?« Nachdem aber dieser geantwortet: »Der Heilige Geist wird auf dich herabkommen und die Kraft des Allerhöchsten dich überschatten«, kümmerte sie sich nicht mehr um eine weitere Erklärung. In ihrem festen Glauben und in ihrer großen Weisheit erkannte sie sogleich, dass sie unter diesen Verhältnissen nichts mehr zu wissen brauche und nichts mehr zu bezweifeln habe. Sie handelte nicht, wie so manche Gelehrte, denen der Herr diesen Gebetsweg versagt, die nicht einmal Anfänger sind im geistlichen Leben. Diese möchten alles nur mit ihrer Vernunft abwägen und mit ihrem Verstand bemessen, so dass sie scheinbar nur ihre Wissenschaft benötigen, um alle Wundertaten zu erfassen. Möchten sie doch etwas von der Demut der heiligsten Jungfrau lernen!

8. O du meine Herrin, wie kann man doch an dir so vollkommen erkennen, was Gott an der Braut gemäß ihren Worten im Hohenliede vollbringt! Ihr könnt darum, meine Töchter, im Offizium unserer Lieben Frau, das wir alle Wochen rezitieren, die Wahrnehmung machen, wie vieles in den Antiphonen und Lektionen dem Hohenliede entnommen ist. Auch andere Seelen können es an sich erfahren, je nach dem Verständnisse, das der Herr einer jeden geben will; denn wem je eine ähnliche Gnade zuteil wird wie der Braut im Hohenliede, die da spricht: »Er pflanzte in mir die Liebe auf«, der wird dies vollkommen erkennen können.

9. Wir wollen nun erklären, wie Gott in den Seelen die Liebe ordnet, während sie in jene Trunkenheit und jenen Schlaf versetzt sind; denn sie wissen selbst nicht, wo sie in dieser Zeit sich befanden, wie sie in so erhabener Wonne dem Herrn entsprochen oder was sie für ihn getan haben, da sie ihm nicht einmal Dank dafür sagten. O du von Gott geliebte Seele, gräme dich deshalb nicht! Wenn die göttliche Majestät dich so hoch erhebt und so lieblich anspricht, kannst du da wohl glauben, er werde zulassen, dass du sie in einer so seligen Zeit beleidigst? Du kannst ja aus so vielen Ansprachen des Herrn an die Braut im Hohenliede, z. B. »Ganz schön bist du, meine Freundin«, und auch aus anderen ersehen, dass er hierin seine Freude an der Seele kundgibt. Nein, im Gegenteil, einer solchen Seele wird er dazu verhelfen, dass sie ihm noch mehr gefalle, als sie es verstanden hätte, sich ihm wohlgefällig zu machen. Er sieht ja, wie sie sich selbst entäußert hat, wie sie sich selbst entrückt ist, um ihn zu lieben; er sieht, dass eben diese Kraft der Liebe sie ihres Verstandes beraubt hat, damit sie ihn um so mehr lieben könne. Wie könnte nun Seine Majestät es ertragen, sich der Seele nicht mitzuteilen, da sie sich ihr ganz hingibt?

10. Der Herr will, wie mir scheint, das Gold verzieren, das er durch seine Gaben schon zubereitet und geprüft hat, um zu sehen, welchen Wert die Liebe der Braut besitzt. Auf die mannigfachste Weise arbeitet er daran, wie die bis zu diesem Stande erhobene Seele selbst darüber Aufschluss geben kann. Die dem Golde ähnliche Seele ist in dieser Zeit (gleichsam) ohne Leben und untätig für sich selbst wie das natürliche Gold; sie lässt sich so gestalten, wie es der Goldarbeiterin, der göttlichen Weisheit, gefällt. Diese freut sich, die Seele in dieser Gestaltung zu sehen, weil es so wenige gibt, die mit solcher Kraft Gott lieben; sie fügt diesem Goldbild viele kostbare Edelsteine und tausend zierliche Arbeiten ein.

11. Wie steht es also mit der Seele? Was tut sie während dieser Zeit? Das kann man wohl nicht verstehen; man weiß nur, was die Braut sagt: »Er pflanzte in mir die Liebe auf.« Wenigstens weiß die Seele, wenn sie liebt, nicht, wie sie liebt, und versteht das nicht, was sie liebt. Die übergroße Liebe des Königs, der sie auf diese Stufe erhoben, muss die Liebe dieser Seele so mit sich vereinigt haben, dass der Verstand keine Befähigung mehr hat, dies zu fassen. Die Liebe der Seele und die Liebe Gottes werden hier eins; wie könnte also der Verstand sie noch erfassen, wenn die Liebe der Seele in Wahrheit so innig mit der Liebe Gottes vereinigt ist? In dieser Zeit, die nie von langer, sondern nur von kurzer Dauer ist, verliert der Verstand die Liebe aus den Augen, und da ordnet sie Gott in der Weise, dass sie in dieser Verfassung und auch nachher der göttlichen Majestät gar wohl zu gefallen weiß, ohne dass der Verstand, wie gesagt, es versteht. In der Folge aber, wenn er die Seele mit den Edelsteinen und den Perlen der Tugenden so geziert und geschmückt sieht, versteht er es gar wohl, so dass er voll Staunen ausrufen kann: »Wer ist diese, die geworden ist wie die Sonne?« O du wahrer König, mit welch vollem Rechte gibt dir die Braut diesen Namen! Denn in einem Augenblick kannst du die Reichtümer spenden und in die Seele legen, um sie für immer kosten zu können. Wie wohl bleibt da die Liebe in der Seele geordnet!

12. Ich könnte überzeugende Beweise dafür anführen, da ich mehrere solcher Seelen kennengelernt habe. Einer von ihnen hat der Herr, wie ich mich eben erinnere, in drei Tagen große Gnade verliehen; ich könnte es unmöglich glauben, wenn mich nicht die Erfahrung davon überzeugte, die ich schon seit einigen Jahren bezüglich ihres beständigen Fortschrittes machte. Eine andere kam in drei Monaten so weit. Diese beiden waren noch in jugendlichem Alter. Von anderen wieder weiß ich, dass Gott ihnen diese Gnade erst nach langer Zeit verlieh. Was ich aber von jenen zweien gesagt habe, das könnte ich noch von einigen anderen bezeugen. Ich bemerke dies deshalb, damit man daraus entnehme, dass es doch einige Ausnahmen gibt; ich habe nämlich hier geschrieben, es fänden sich nur wenige Seelen, denen der Herr diese Gnade ohne vorausgegangene vieljährige Mühen und Leiden gewähre. Man darf einem so großen und zum Gnadenspenden geneigten Herrn keine Schranken setzen. Fast gewöhnlich ist es der Fall, dass durch diese Gnaden die Tugenden in hohem Grade erstarken und die Liebe so glühend wird, dass es nicht verborgen bleibt. Es wird sich mit der Zeit herausstellen, ob diese Gnaden, die der Herr einer Seele verleiht, wirklich Gnaden von Gott und nicht Täuschungen oder melancholische Anwandlungen oder Versuche der eigenen Natur sind; solche Seelen werden immer, ohne es zu beabsichtigen, anderen zur Förderung dienen.

13. Und so sagt denn die Braut: »Er pflanzte in mir die Liebe auf.« Diese ist nun in der Seele so geordnet, dass die Liebe zur Welt in ihr geschwunden und die Liebe zu sich selbst in (heiligen) Haß gegen sich verwandelt ist. Sie liebt ihre Verwandten nur noch wegen Gott, ihre anderen Mitmenschen und Feinde aber derart, dass man es nicht glauben könnte, wenn nicht die Erfahrung dafür stünde. Ihre Liebe zu Gott endlich hat ein solches Übermaß erreicht, dass sie die Seele mehr drängt, als es ihre schwache Natur ertragen kann. Matt vor Liebe und fast dem Tode nahe spricht sie darum: »Stärket mich mit Blüten, labet mich mit Äpfeln; denn krank bin ich vor Liebe!«

Siebentes Hauptstück

Die Heilige bespricht den mächtigen Sehnsuchtsdrang der Braut, ganz für Gott und den Nächsten zu leiden, sowie die überreichen Früchte, die jene mit der göttlichen Vereinigung begnadigten und sich selbst abgestorbenen Seelen in der Kirche bringen. Sie stellt die Samariterin als Beispiel für die Nächstenliebe hin und kommt schließlich aus den Zweck dieser Schrift zu sprechen. »Stärket mich mit Blüten, ladet mich mit Äpfeln; denn krank bin ich vor Liebe.« (Hohel. 2, 5.)

1. O welch göttliche Worte, ganz passend für meinen Gegenstand! Wie, o heilige Braut, dich tötet die Wonne? Diese ist wirklich, wie ich erfahren habe, manchmal überaus groß; sie entkräftet die Seele derart, dass sie nicht mehr leben zu können meint. Und du bittest um Blüten? Was sind das für Blüten? Hier sind Blüten ja kein Heilmittel. Oder verlangst du sie etwa, um schon sterben zu können? Denn eine so weit geförderte Seele kennt in Wahrheit kein anderes Sehnen mehr als dieses. Aber auch das kann nicht stimmen, da die Braut sich vernehmen lässt: »Stärket mich mit Blüten!« Denn die Bitte, gestärkt zu werden, scheint mir keine Sehnsucht nach dem Tode, sondern vielmehr nach dem Leben anzuzeigen, um jenem noch in etwa dienen zu können, dem die Seele sich so sehr verbunden sieht.

2. Haltet es, meine Töchter, nicht für eine Übertreibung, wenn ich sage, die Seele sei hier krank und am Sterben; denn es trifft das wirklich zu, was ich gesagt. Da wirkt die Liebe manchmal mit Übermacht und gewinnt über alle Kräfte des natürlichen Menschen die Oberhand. Eine mir bekannte Person sah sich in diesen Gebetszustand versetzt und hörte dabei einen lieblichen Gesang. Nach ihrer Versicherung würde ihre Seele vor übergroßer Wonne und Süßigkeit, die ihr der Herr zu kosten gab, vom Leibe geschieden sein, wenn nicht die göttliche Majestät es gefügt hätte, dass man zu singen aufhörte. Die Person war in ihrer Verzückung nicht imstande, zu verlangen, man möchte den Gesang abbrechen, und so hätte sie gar leicht sterben können. Sie konnte äußerlich weder etwas tun noch sich bewegen, und erkannte genau die Gefahr, in der sie schwebte. Allein sie glich einem Menschen, der von einem schweren Traum gern erwachen möchte, aber nicht reden kann, so ernstlich er auch wollte.

3. Der Unterschied ist nur der, dass die Seele von diesem Zustande nicht frei sein möchte. Auch wäre ihr das Hinscheiden nicht peinlich, sondern ein großes Vergnügen, da sie gerade darnach verlangt. Und welch ein seliger Tod wäre es, in den Händen des Herrn und seiner Liebe zu sterben! Seine Majestät jedoch will der Seele zuweilen zu erkennen geben, dass für sie das Leben noch ein Gut ist, während die Seele es deutlich wahrnimmt, dass diese Begnadigung bei längerer Dauer für ihre natürliche Schwäche untragbar ist. Darum bittet sie um eine andere Gabe, damit ihr jene so erhabene Begnadigung entzogen werde. Und so spricht sie: »Stärket mich mit Blüten!«

4. Diese Blüten haben einen ganz anderen Geruch als jene, die wir hier auf Erden finden. Nach meinem Dafürhalten bittet hier die Seele um Verrichtung guter Werke im Dienste unseres Herrn und des Nächsten; deshalb freut sie sich, ihre Beseligung und Wonne loszuwerden. Wenn auch ihre Bitte sich mehr um ein tätiges als um ein beschauliches Leben dreht und deren Gewährung ein Verlust für sie zu sein scheint, so wirken doch auf dieser erhabenen Stufe Martha und Maria fast immer zusammen. Denn diese scheinbar nur äußere Tätigkeit geht hervor aus ihrer inneren Verfassung; und wenn die Werke des tätigen Lebens dieser inneren Wurzel entsprossen, so sind es wundervolle, höchst lieblich duftende Blüten. Sie entstammen dem Lebensbaum der Liebe Gottes und wachsen nur um seinetwillen ohne alles Eigeninteresse hervor. Der Wohlgeruch dieser Blüten breitet sich aus, um vielen zu nützen; es ist ein andauernder Wohlgeruch, der nicht so schnell vergeht und große Wirkungen hervorbringt.

5. Damit ihr dies versteht, will ich mich darüber näher erklären. Ein Priester hält z. B. eine Predigt in der Absicht, den Seelen zu nützen; allein er hat noch nicht alle menschlichen Rücksichten abgelegt. Es lebt in ihm noch ein gewisses Verlangen, den Zuhörern zu gefallen, Ehre und Ansehen zu erhaschen oder durch seinen guten Vortrag sich eine einträgliche kirchliche Stelle zu erwerben. So ist es auch bei anderen Werken, die manche zum Nutzen des Nächsten und mit guter Absicht, aber auch mit weiser Vorsicht vollbringen, um dadurch ja keine Einbuße zu erleiden oder zu missfallen. Man fürchtet Verfolgungen, man möchte sich Könige, hohe Herrschaften und das Volk geneigt erhalten; man geht mit feinem Takt zu Werke, der ein Deckmantel ist für viele Unvollkommenheiten. Man nennt zwar diese Handlungsweise feinen Takt, aber gebe Gott, dass es auch in Wahrheit so sei!

6. Solche Menschen mögen der göttlichen Majestät dienen und auch großen Nutzen schaffen; allein dies sind meines Erachtens nicht die Werke und Blüten, um die die Braut bittet, die in allem nur auf die Ehre und Verherrlichung Gottes sieht. Nach den Aussagen einiger zu diesem Stande erhobenen Seelen glaube ich, dass diese in Wahrheit nicht mehr an sich denken, gleich als ob sie nicht da wären; sie achten nicht mehr darauf, ob sie gewinnen oder verlieren, und sind nur noch darauf bedacht, dem Herrn zu dienen und ihm zu gefallen. Da sie von seiner Liebe zu den Geschöpfen überzeugt sind, so finden sie auch ihre Freude daran, mit Hintansetzung ihres eigenen Genügens und Wohles ihren Mitmenschen zu dienen, um sich dem Herrn wohlgefällig zu erzeigen. Sie sagen ihnen aber auch, unbekümmert um den Nachteil, den sie dabei erleiden, die Wahrheit, so gut sie es verstehen, um ihnen zu nützen. Sie haben nur den Vorteil ihrer Mitmenschen im Auge und sonst nichts. Um Gott um so mehr zu gefallen, vergessen sie um des Nächsten willen sich selbst; ja sie würden gerne ihr Leben hinopfern, wie so viele Märtyrer es getan. Da ihre Worte von dieser erhabenen Liebe Gottes durchtränkt und sie selbst trunken sind von jenem himmlischen Weine, denken sie nicht daran, den Menschen missfallen zu können, und wenn auch, so geht ihnen das nicht nahe. Solche Seelen stiften großen Nutzen.

7. Ich erinnere mich setzt, dass ich oft an jene heilige Samariterin dachte, die von dieser Gesinnung tief durchdrungen war. Als sie in ihrem Herzen die Worte des Herrn lebendig erfasst hatte, verließ sie selbst den Herrn, damit auch ihre Mitbürger herbeieilen und (aus dem Gespräch mit ihm) Nutzen ziehen konnten. Zur Belohnung ihrer großen Liebe wurde sie vom Herrn für würdig erachtet, dass man ihr Glauben schenkte; sie selbst durfte das große Heil schauen, das unser Herr dieser Stadt brachte. Ich halte es für eine der größten Freuden dieser Welt, wenn jemand sieht, dass durch seine Vermittlung einige Seelen zum Guten geführt werden. Da kostet man meines Erachtens die überaus schmackhafte Frucht dieser Blüten. Glückselig jene, denen der Herr solche Gnaden erweist! Damit wächst aber auch bei ihnen die Verpflichtung, ihm zu dienen.

8. Laut rufend durcheilte jenes heilige Weib in dieser göttlichen Trunkenheit die Gassen. Ich staune, wenn ich bedenke, dass man ihr glaubte; denn sie war doch nur ein Weib und nicht von hoher Abkunft, da sie sich (zum Brunnen) begab, um Wasser zu holen. Sie hatte aber eine große Demut. Als ihr der Herr ihre Fehler vorhielt, ward sie nicht beleidigt, wie es jetzt in der Welt geschieht, die die Wahrheit so schwer ertragen kann; sie sagte nur, er müsse wohl ein Prophet sein. Kurz, man schenkte ihr Glauben, und einzig auf ihr Wort hin begab sich eine Menge Volkes aus der Stadt zum Herrn, um ihn zu sehen.

9. In gleicher Weise, sage ich, stiften jene großen Nutzen, die nach jahrelangem Gebetsverkehr mit dem Herrn und ungeachtet der ihnen zuteil gewordenen Tröstungen und Wonnen ihm auch in beschwerlichen Dingen zu dienen bereit sind, wenn sie auch auf diese Freuden und Wonnen zeitweise verzichten müssen. Ich sage, der Wohlgeruch dieser vortrefflichen Blüten und Werke, die dem Baum einer so glühenden Liebe entsprossen, ist weit nachhaltiger; eine solche Seele nützt mit ihren Worten und Werken weit mehr als viele andere, deren Reden und Handlungen den Staub der Sinnlichkeit oder des Eigeninteresses an sich tragen.

10. Aus diesen Blüten bildet sich dann die Frucht; es sind dies die Apfels von denen die Braut kurz darauf spricht: »Labet mich mit Äpfeln«; gib mir Leiden, o Herr, gib mir Verfolgungen! Sie sehnt sich in Wahrheit darnach und zieht daraus großen Gewinn. Da sie in keiner Weise mehr die eigene Befriedigung, sondern nur das Wohlgefallen Gottes im Auge hat, so findet sie ihr Genügen, in etwa das leidenvolle Leben Jesu nachzuahmen. Unter dem Apfelbaum verstehe ich den Baum des Kreuzes; denn an einer anderen Stelle des Hohenliedes heißt es: »Unter dem Apfelbaum habe ich dich aufgeweckt.« Eine Seele, die vom Kreuz der Leiden und Verfolgungen umgeben ist, erwartet daraus großes Heil. Sie kostet die Süßigkeiten der Beschauung nicht in der Weise, dass sie nicht auch große Wonne am Leiden fände; doch reibt und zehrt dies ihre Kraft nicht derart auf, wie es für gewöhnlich bei der in der Beschauung eintretenden Aufhebung der Seelenkräfte zu geschehen pflegt. Aber auch deshalb hat sie guten Grund, um Leiden zu bitten, weil man nicht immer genießen soll, ohne auch in etwa zu dienen und zu leiden. Ich beobachte dies mit Aufmerksamkeit an einigen Personen; denn um unserer Sünden willen gibt es deren nicht viele. An ihnen finde ich, dass sie in dem Grade, als sie mit diesem Gebete und den Tröstungen des Herrn vertrauter werden, auch auf das Wohl des Nächsten, besonders auf das Heil der Seelen bedacht sind. Meines Erachtens würden sie, wie ich anfangs erwähnt habe, tausend Leben darangeben, um auch nur eine einzige Seele aus der Todsünde zu ziehen.

11. Wie wird man jene von diesen Wahrheiten überzeugen können, denen der Herr Tröstungen zu gewähren beginnt? Sie werden wohl der Ansicht sein, jene anderen hätten im geistlichen Leben noch geringe Fortschritte gemacht; sie werden meinen, alles komme darauf an, an einem einsamen Ort sich dem Genuß der Wonne hinzugeben. Es scheint mir eine Anordnung der Vorsehung zu sein, dass diese Anfänger nicht zur Erkenntnis kommen, wie weit andere Seelen schon vorangeschritten sind; sonst wollten sie in ihrem Anfangseifer durch einen Gewaltsprung gleich auch dahin gelangen. Dies wäre ihnen aber nicht gut; denn sie sind noch nicht erstarkt und müssen noch längere Zeit mit der Milch genährt werden, von der ich anfangs gesprochen. Sie müssen sich noch an jene göttliche Brust schmiegen; der Herr aber wird Sorge tragen, sie weiter zu führen, sobald sie einmal Kraft gewonnen haben. Jetzt würden sie nicht den Nutzen schaffen, den sie sich vorstellen, sondern vielmehr sich selbst schaden.

12. In dem schon erwähnten Buche werdet ihr sehr ausführlich angegeben finden, wann eine Seele das Verlangen nach Förderung anderer ins Werk setzen darf und welche Gefahr es mit sich bringt, vor dieser Zeit sich hervorzuwagen. Ich will darum hier nicht davon reden noch auch mich weiter darüber verbreiten; meine Absicht war von Anfang an keine andere, als euch zu zeigen, wie ihr euch erfreuen könnt, wenn ihr einige Worte aus dem Hohenliede vernehmet, und wie ihr trotz ihres dunkel scheinenden Sinnes die darin liegenden Geheimnisse betrachten sollt. Wollte ich mehr darüber sagen, so wäre es Anmaßung. Der Herr gebe nur, dass nicht meine Darlegungen schon Anmaßung gewesen sind, wenn ich auch nur aus Gehorsam gegen jene handelte, die mir zu schreiben befohlen haben!

13. Möge die göttliche Majestät alles zu ihrer Verherrlichung gereichen lassen! Findet sich etwas Gutes darin, so werdet ihr ohnehin überzeugt sein, dass es nicht von mir stammt; die Schwestern, die bei mir sind, haben ja gesehen, mit welcher Eile ich wegen meiner vielfachen Beschäftigungen geschrieben habe. Ich bitte die göttliche Majestät, dass ich all das aus Erfahrung kennenlerne. Glaubt eine etwas davon zu erfahren, so lobpreise sie unseren Herrn und bitte ihn auch für mich um Gewährung meiner Bitte, damit nicht sie allein den Gewinn habe. Unser Herr wolle uns an seiner Hand halten und uns lehren, allzeit seinen heiligen Willen zu erfüllen! Amen.

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Rufe der Seele zu Gott

Quelle Fünfter Band 1938: Die Seelenburg der heiligen Theresia von Jesu, S. 293-319 (Imprimatur Monachii, die 18 Novembris 1937 F. Buchwieser Vic. Gen.),

Einführung des Herausgebers (S. 13-14)

Diese »Rufe der Seele« sind der Aufschrei der von der göttlichen Liebe wunden Seele in jenen erhabenen Augenblicken, da der göttliche Bräutigam in der heiligen Kommunion sich aufs Innigste mit ihr vereinigt hat. Sie verdanken nämlich ihr Entstehen dem Herzensbedürfnis Theresias, ihren Gefühlen der Liebe und Hingebung an den göttlichen Geliebten, von denen ihr Herz in den Augenblicken nach der heiligen Kommunion übervoll war, Ausdruck zu geben. Sie hätte in solchen seligen Stunden der innigsten Vereinigung mit ihrem göttlichen Bräutigam wie die Braut im Hohenliede durch die Straßen und Plätze der Stadt eilen und allen von ihrem übergroßen Glück der Liebe zu Christus erzählen mögen. Da sie dies nicht konnte, musste sie diesen ihren Gefühlen höchster Wonne, ihren Klagen ob des allzulangen Weilens auf dieser Welt, fern vom Geliebten, ihrem leidenschaftlichen Verlangen nach immerwährendem Vereintsein mit ihm, ihrem Flehen nach baldigem Aufgelöstwerden in Christus, wenigstens auf dem Papiere Ausdruck verleihen. So sind diese Prunkstücke katholischer Mystik entstanden, die an lyrischem Schwung und Schönheit der Sprache, an Innigkeit der Liebe nicht mehr ihresgleichen haben in der gesamten mystischen Literatur.

Auch über die Zeit des Entstehens dieses Schriftchens wissen wir nichts sicheres. Allein da diese »Rufe« auf der gleichen Linie liegen wie ihr bekanntes Lied: »Ich sterbe, weil ich nicht sterben kann«, das wohl in die Zeit der mystischen Verlobung Theresiens mit Christus zu setzen ist, also in die Jahre 1569, 1570, so dürfte wohl auch diese Schrift um diese Jahre entstanden sein; jedenfalls nicht nach dem Jahre 1572 oder gar erst um 1579, wie die Bollandisten wollen, noch auch um 1559, wie die französischen Herausgeber der Werke unserer Heiligen annehmen möchten.

Auch diese Schrift ist nicht im Original auf uns kommen, sondern nur in Abschriften, deren eine dem P. Ribera S. J., einem der Beichtväter der Heiligen, vorgelegen hat. Im Druck erschienen die »Rufe der Seele« zum erstenmal zusammen mit den anderen Werken der Heiligen in der editio princeps des Paters Ludwig de León, Salamanka 1588.

Pater Ambrosius a. S. Theresia, O. C. D. (Rom).

I.

1. O Leben, mein Leben, wie kannst du dich erhalten ferne von dem, der dein Leben ist? Womit beschäftigst du dich in einer so großen Vereinsamung? Was tust du, da alle deine Werke so unvollkommen und mangelhaft sind? Was tröstet dich, o meine Seele, auf diesem ungestümen Meere? Ich jammere über mich selbst, und am meisten jammere ich über die Zeit, in der ich keinen Jammer hatte über mein Leben. Wie lieblich sind deine Wege, o Herr! Aber wer kann ohne Furcht darauf wandeln? Ich fürchte, dir nicht zu dienen; und wenn ich dir auch dienen will, so finde ich nichts, womit ich dir etwas von dem abzuzahlen hoffen könnte, was ich dir schuldig bin. Ich glaube zwar den Willen zu haben, zu diesem Zwecke alles aufzubieten; allein wenn ich meine Armseligkeit recht betrachte, so sehe ich ein, dass ich nichts Gutes tun kann, wenn du es mir nicht gibst.

2. Mein Gott und mein Erbarmer! Was soll ich tun, dass ich die Wunder der Gnade, die du an mir wirkst, nicht zerstöre? Deine Werke sind heilig, gerecht und von unschätzbarem Werte; sie sind höchst weise, da du, o Herr, die Weisheit selbst bist. Beschäftigt sich mein Verstand mit der Betrachtung deiner Weisheit, so beklagt sich der Wille; denn er möchte in der Übung der Liebe zu dir nicht gestört werden. Bei solcher unendlichen Erhabenheit vermag der Verstand nicht zu erfassen, was sein Gott ist; der Wille aber verlangt nach seinem Genusse, sieht sich jedoch außerstande, dahin zu gelangen, solange er noch in diesem peinlichen Gefängnisse, in diesem sterblichen Leben weilt. Alles wird ihm hier zum Hemmnisse, obwohl ihm anfänglich durch die Betrachtung deiner Vollkommenheiten Hilfe wurde; denn in diesen treten meine unzählbaren Armseligkeiten um so deutlicher zutage.

3. Wozu aber, mein Gott, sage ich dies? Wer hört mich als nur du, mein Vater und mein Schöpfer? Was brauche ich also zu reden, damit mir mein Schmerz bekannt werde, da ich ja so deutlich sehe, dass du in mir bist? Wie töricht bin ich doch! Aber ach, o mein Gott, wie kann ich gewiss wissen, dass ich nicht von dir getrennt bin? O mein Leben, wie wenig Sicherheit kannst du hienieden haben in einer so wichtigen Sache! Wer mag noch wünschen, länger zu leben, wenn er sieht, dass der Gewinn so unsicher und gefahrvoll ist, den er durch ein längeres Leben haben und hoffen kann und der darin besteht, in allem Gott zu gefallen?

II.

1. Oft, o mein Herr, denke ich mir, dass das Leben nur Einsamkeit ist, wenn es ohne dich noch durch etwas erhalten werden kann; denn da ruht die Seele in dem, der ihre Ruhe ist. Sei es auch, dass ihr diese Ruhe oftmals zur doppelten Pein wird, weil sie sie nicht mit voller Freiheit genießen kann, so hält sie diese doch noch für ein Vergnügen im Vergleiche mit jener Pein, die sie im Verkehr mit den Geschöpfen empfindet und dadurch gehemmt wird, sich ihrem Schöpfer allein zuzuwenden.

2. Was ist aber das, o mein Gott, dass die Ruhe eine Seele, die nur dir allein zu gefallen sucht, ermüdet? O mächtige Gottesliebe, wie verschieden sind deine Wirkungen von den Wirkungen der Weltliebe! Diese will keine Mitliebenden haben, weil sie fürchtet, durch sie dessen beraubt zu werden, was sie besitzt. Die Liebe zu meinem Gott aber wächst in dem Grade, als sie erfährt, dass die Zahl der Mitliebenden sich vermehrt; und ihre Seligkeit wird abgeschwächt, wenn sie sieht, dass nicht alle dasselbe Gut genießen. O mein höchstes Gut, aus diesem Grunde trauert die Seele selbst unter den größten Erquickungen und Wonnen in dir, wenn sie der vielen gedenkt, die nach diesen Wonnen nicht verlangen, und jener sich erinnert, die sie für immer verscherzen. Da sucht sie nach Mitteln, um Genossen finden zu können; sie verzichtet gerne auf ihren Genuß, wenn sie meint, dazu beitragen zu können, dass auch andere desselben Genusses teilhaftig zu werden suchen.

3. Aber, mein himmlischer Vater, wäre es nicht besser, dieses Verlangen auf eine andere Zeit zu verschieben, in der die Seele deine Tröstungen in geringerem Maße genießt, und jetzt nur deines Genusses sich zu erfreuen? O mein Jesus, wie groß ist doch deine Liebe zu den Menschenkindern! Der größte Dienst, den wir dir erweisen können, ist der, dass wir dich verlassen aus Liebe zu ihnen, um ihres Gewinnes willen. Dadurch erlangen wir zugleich, dass wir dich vollkommener besitzen. Da wird zwar der Wille nicht so sehr befriedigt durch Genuß; aber die Seele freut sich, dir zu gefallen, und sieht ein, dass alle Wonnegenüsse auf Erden, obgleich sie von dir gegeben zu sein scheinen, während unseres Wandels in diesem sterblichen Leben unsicher sind, wenn sie nicht von der Liebe zum Nächsten begleitet werden. Wer den Nächsten nicht liebt, der liebt auch dich nicht, o mein Herr! Sehen wir ja doch, welch große Liebe zu den Kindern Adams du durch Vergießung so vielen Blutes bekundet hast.

III.

1. Betrachte ich, o mein Gott, die Herrlichkeit, die du denen bereitet hast, die ausharren in Erfüllung deines Willens; gedenke ich der vielen Mühseligkeiten und Schmerzen, durch die dein Sohn uns diese Herrlichkeit erworben hat; erwäge ich, wie wir dessen so ganz und gar nicht würdig waren, und welch großen Dank dein Sohn für eine so große Liebe von uns verdient, die er so teuer bezahlen musste, um uns zu lehren, ihn wiederzulieben, so gerät darüber meine Seele in große Betrübnis. Wie kann man doch dies alles vergessen! Und wie schmählich vergessen dich die Menschen, wenn sie dich beleidigen! Ach, mein Erlöser, wie sehr vergessen sie in ihrer so großen Vergessenheit sich selber, und die Größe deiner Güte, in der du unser auch dann noch gedenkst! Ja, sogar dann, wenn wir durch den Fall in die Sünde dir einen tödlichen Streich versetzt haben, vergißt du die dir zugefügte Beleidigung; du reichst uns wieder deine Hand und weckst uns aus einem so unheilbaren Wahnsinn auf, dass wir wieder um unser Heil uns kümmern und um dasselbe bitten. Gepriesen sei ein solcher Herr! Gepriesen sei eine so große Erbarmung und gelobt in Ewigkeit eine so mitleidsvolle Liebe!

2. O meine Seele, lobpreise ewiglich einen so großen Gott! Wie kann man sich doch gegen ihn empören? Aber zu welchem Verderben muss nicht die Größe der Gnade den Undankbaren gereichen! Lass es doch, o mein Gott, nicht dahin kommen! O ihr Menschenkinder, wie lange wollt ihr noch verhärteten Herzens sein und bleiben gegen diesen sanftmütigsten Jesus? Wohin soll dies führen? Wird wohl unsere Bosheit ewig standhalten wider ihn? Doch nein; denn des Menschen Leben verwelkt und geht dahin wie eine Heublume, und der Sohn der Jungfrau wird erscheinen, jenes schreckliche Urteil zu fällen. Von dir, allmächtiger Gott, werden wir gerichtet werden, wenn wir auch nicht wollen, und doch — warum denken wir nicht daran, was uns notwendig ist, um in jener Stunde einen gnädigen Richter zu haben? Wer aber sollte einen so gerechten Gott nicht gerne zum Richter haben wollen? Selig jene, die in dieser Schreckensstunde sich deiner freuen werden!

3. O mein Gott und Herr! Wie kann doch ein Mensch, den du aus seinem Elende erhoben hast, der es einsieht, in welch ein Verderben er sich durch den Genuß einer so kurzen Lust gestürzt hatte, und der jetzt entschlossen ist, dir mit Hilfe deiner Gnade allzeit zu gefallen, wie kann, sage ich, ein solcher Mensch bei der Erinnerung an den Verlust eines so großen Gutes, seiner Taufunschuld nämlich, noch leben, ohne beständig zu sterben? Du entziehst dich ja, o Heil meiner Seele, jenen nicht, die dich lieben, und erhörst jeden, der dich ruft. Das beste Leben, das ein solcher fortan führen kann, ist ein beständiges Sterben vor Schmerz über diesen Verlust. Wie kann aber eine Seele, die dich zärtlich liebt, dies ertragen?

4. Doch wie töricht ist meine Frage, o Herr! Habe ich denn die Wunder deiner Erbarmungen vergessen? Bist du nicht der Sünder wegen in die Welt gekommen? Hast du uns nicht um einen so teueren Preis erkauft? Hast du nicht unsere falschen Freuden durch so grausame Martern und Geißelstreiche gebüßt? Meine Blindheit hast du geheilt, indem du dir deine göttlichen Augen verbinden ließest. Meine Eitelkeit hast du gesühnt durch die schmerzliche Dornenkrone, die du getragen. Aber ach, o mein Herr, das Andenken an dies alles dient nur zur Vermehrung des Schmerzes jener, die dich liebt! Was allein mich tröstet, ist dies: Deine Erbarmung wird in Ewigkeit gepriesen werden, wenn meine Bosheit offenbar werden wird. Dennoch aber weiß ich nicht, ob mein Schmerz eher aufhören wird, als bis in deiner Anschauung alle Armseligkeiten dieses sterblichen Lebens ein Ende haben.

IV.

1. O mein Herr, meine Seele scheint Erleichterung zu finden bei der Betrachtung der Freude, die ihrer harrt, wenn es ihr durch deine Barmherzigkeit gegönnt ist, dich zu genießen; allein zuvor möchte sie dir noch dienen, weil auch du ihr gedient und dadurch ihr das erworben hast, was sie einst genießen soll. Was kann ich aber tun, o mein Herr? Ach, wie spät ist mein Verlangen (dir zu dienen) entflammt, nachdem du, o Herr, so frühe schon um mich geworben und mich gerufen hast, dass ich mich ganz dir weihe! Hast du aber, o Herr, je einen Elenden verlassen oder einen armen Bettler abgewiesen, wenn er zu dir kommen wollte? Haben etwa die Wunder deiner Erbarmungen und Werke Grenzen? O mein Gott und mein Erbarmer, wie herrlich könntest du jetzt diese Wunder offenbaren an deiner Dienerin! Du, der große Gott, bist ja mächtig; jetzt kann es sich zeigen, ob meine Seele sich selbst versteht, wenn sie die Zeit betrachtet, die sie verloren hat, und wenn sie erwägt, wie du, o Herr, in einem Augenblicke bewirken kannst, dass sie diese wieder gewinnt. Es scheint zwar, als rede ich irre, weil man sonst sagt, die verlorene Zeit könne man nicht wieder gewinnen. Aber gepriesen sei mein Gott!

2. Ich bekenne deine große Macht, o Herr! Wenn du allmächtig bist, wie du es wirklich bist, was ist dann dem möglich, der alles vermag? Lass mich, o Herr, lass mich ungeachtet meiner Armseligkeit fest glauben, dass du alles kannst, was du willst! Je mehr ich von deinen Wunderwerken höre und je mehr ich erwäge, dass du noch unendlich mehr vollbringen kannst, desto fester wird mein Glaube, und desto zuversichtlicher vertraue ich, dass du tun wirst, was ich von dir begehre. Wie sollte man sich wundern über das, was der Allmächtige tut? Du, o mein Gott, weißt es, dass ich bei all meinen Armseligkeiten nie aufgehört habe, deine große Macht und Erbarmung anzuerkennen. Lass es mir zugute kommen, dass ich dich in diesem Stücke nie beleidigt habe! Verschaffe mir, o mein Gott, die verlorene Zeit dadurch wieder, dass du mir jetzt und in Zukunft die Gnade verleihest, im hochzeitlichen Kleide vor dir zu erscheinen! Du kannst es, wenn du nur willst.

V.

1. O mein Herr, wie kann ich es wagen, dich um Gnaden zu bitten, nachdem ich dir so schlecht gedient und deine Gaben so wenig zu bewahren gewusst habe? Was kann man einem Menschen anvertrauen, der schon so oft als Verräter sich erwiesen hat? Was soll ich aber tun, du Trost aller Trostlosen, du Heil aller, die bei dir Heil suchen? Sollte es vielleicht besser sein, dir meine Nöten zu verschweigen und zu warten, bis du Hilfe sendest? Nein, gewiss nicht; denn du, mein Herr und meine Wonne, der du weißt, wie viele Nöten wir haben und welche Erleichterung es uns verschafft, sagst selbst, wir sollen bitten, und du werdest nicht unterlassen, uns zu geben.

2. Da fällt mir zuweilen die Klage der heiligen Martha ein. Sie beklagte sich nicht allein über ihre Schwester, sondern ich halte für gewiss, dass sie am meisten deshalb betrübt war, weil es ihr schien, du habest kein Mitleid mit ihr wegen ihrer Mühe, und es sei dir nichts daran gelegen, dass auch sie bei dir bleibe. Es mochte ihr vorkommen, als liebtest du sie nicht so wie ihre Schwester, und dies musste ihr schwerer fallen als die Dienstleistung, die sie dir, den sie so innig liebte, erwies; denn die Liebe bewirkt, dass man die Arbeit (für den Geliebten) als Ruhe betrachtet. Ich nehme dies daraus ab, dass sie zu ihrer Schwester kein Wort sprach, sondern ihre ganze Klage nur dir, o Herr, vortrug. Die Liebe zu dir machte sie nämlich kühn, dich zu fragen, warum du dich nicht um sie kümmerst. Dass ihre Frage diesen Grund gehabt, leuchtet wohl auch aus deiner Antwort hervor. Denn nur die Liebe ist es, die allem seinen Wert gibt; sie muss aber so groß sein, dass nichts sie im Lieben hindert. Die Liebe ist das Notwendigste. Aber wie, o mein Gott, werden wir eine Liebe gewinnen können, die des Geliebten würdig wäre, wenn nicht deine Liebe zu uns sie mit sich vereinigt? Soll ich, o Herr, einstimmen in die Klage dieses Weibes? Ach nein, dazu habe ich keinen Grund; denn immer habe ich von meinem Gott unendlich größere und stets mehr zunehmende Beweise seiner Liebe erfahren, als ich darum zu bitten oder sie mir zu wünschen gewusst. Könnte ich über etwas klagen, so wäre es nur das Übermaß deiner Güte, in der du mich ertragen hast.

3. Um was könnte also eine so Elende wie ich dich bitten? Um das eine, o mein Gott, bitte ich dich, du wollest mir, wie der heilige Augustin gebeten, das geben, was ich dir geben soll, um dir von meiner großen Schuld etwas abtragen zu können. Gedenke, dass ich dein Geschöpf bin, und lass mich dich, meinen Schöpfer, erkennen, auf dass ich dich liebe.

VI.

1. O meine Wonne, Herr aller geschaffenen Dinge und mein Gott! Wie lange muss ich noch warten, bis ich deine Gegenwart schaue? Welches Mittel bietest du jener, die auf Erden so wenig hat, um außer dir noch einige Ruhe zu finden? O langwieriges und peinliches Leben! O Leben, in dem man nicht lebt, in dem nur Verlassenheit und nirgends Hilfe sich findet! Wann also Herr, wann? Wie lange noch? Was soll ich tun, o mein höchstes Gut, was soll ich tun? Soll ich vielleicht verlangen, kein Verlangen mehr nach dir zu haben? Mein Gott und mein Schöpfer! Du schlägst und reichst kein Heilmittel; du verwundest, und die Wunde kommt nicht zum Vorschein; du tötest und gibst noch mehr Leben; kurz, du, o mein Herr, handelst in deiner Allmacht nach deinem Wohlgefallen. Willst du denn wirklich, o mein Gott, dass ein so armseliger Wurm solche Widerwärtigkeiten erträgt? So sei es denn, o mein Gott, weil du es willst; denn ich will nichts anderes, als was du willst.

2. Aber ach, mein Schöpfer, ach, das Übermaß meines Schmerzes zwingt mich, zu klagen und dir das Leid vorzutragen, gegen das es kein Heilmittel gibt, bis es dir gefällig ist zu helfen. In einem so engen Kerker schmachtet meine Seele nach ihrer Freiheit; dennoch aber will sie diese keinen Augenblick früher, als es dir gefällt. Lasse darum du, meine Glorie, ihre Pein immerhin zunehmen, oder gib ihr volles Heil!

3. O Tod, o Tod, ich weiß nicht, wie man dich fürchtet, da doch in dir das Leben ist! Aber wie sollte der dich nicht fürchten, der einen Teil seines Lebens verbracht, ohne seinen Gott zu lieben, wie dies bei mir der Fall war. Um was bitte ich also, nach was verlange ich? Sollte es vielleicht nur die so wohlverdiente Züchtigung für meine Sünden sein? O du mein höchstes Gut, lasse doch dies nicht zu; denn meine Erlösung kam dich ja so teuer zu stehen!

4. O meine Seele, lass nur den Willen Gottes an dir geschehen; dies ist’s, was dir heilsam ist! Diene dem Herrn und hoffe auf seine Barmherzigkeit; sie wird dein Leiden lindern, wenn die Buße für deine Sünden dir in etwa Verzeihung verdient hat. Verlange nicht zu genießen, ohne gelitten zu haben! Doch auch dies, o mein wahrer König und Herr, vermag ich nicht, wenn nicht deine allmächtige Hand und deine Erhabenheit mir beistehen; mit diesem Beistande aber kann ich alles.

VII.

1. O du meine Hoffnung, mein Vater und Schöpfer, du mein wahrer Herr und Bruder! Betrachte ich die Worte, die du gesprochen: »Meine Wonne ist es, bei den Menschenkindern zu sein«, dann wird meine Seele hocherfreut. O Herr des Himmels und der Erde, wie sind doch diese Worte so ganz geeignet, jeden Sünder vor Verzagtheit zu bewahren!

2. Aber wie, o Herr, hast du etwa niemand, an dem du deine Wonne finden könntest, weil du einen so übelriechenden Wurm wie mich dazu suchst? Jene Stimme, die bei der Taufe deines Sohnes erscholl, bezeugte, dass du an ihm dein Wohlgefallen hast? Sollen wir etwa, o Herr, alle ihm gleichgehalten werden? O der übergroßen Barmherzigkeit und Huld, die wir in keiner Weise verdienen können! Ach, und wir Sterbliche sollen dies alles vergessen? Gedenke, o mein Gott, unseres großen Elendes und sieh an unsere Schwäche; denn du kennst alles!

3. O meine Seele, betrachte doch die große Wonne und die große Liebe des Vaters in der Erkenntnis seines Sohnes und des Sohnes in der Erkenntnis seines Vaters, und betrachte die flammende Liebe, in der sich der Heilige Geist mit ihnen vereint! Betrachte, wie keine dieser Personen von dieser Erkenntnis und Liebe sich ausscheiden kann, weil sie ein Wesen sind! Diese göttlichen Personen erkennen und lieben sich und haben ihre Wonne aneinander. Wie kannst du also, mein Gott, noch meiner Liebe bedürfen? Wozu willst du sie, oder was hast du von ihr? Sei gepriesen, mein Gott, sei gepriesen in Ewigkeit! Lobpreisen sollen dich, o Herr, alle Geschöpfe ohne Ende; denn bei dir kann es kein Ende geben!

4. Freue dich, meine Seele, dass es eine Liebe gibt, die deinen Gott so liebt, wie er es verdient! Freue dich, dass es eine Erkenntnis gibt, die seine Güte und seinen unendlichen Wert erkennt! Sage ihm Dank, dass er uns auch auf Erden einen gegeben hat, der ihn so erkennt; das ist sein eingeborener Sohn! Unter diesem Schutze kannst du zu ihm gelangen und ihn bitten, es möchten alle Dinge dieser Erde, da Seine Majestät bei dir ihre Wonne findet, nicht imstande sein, dich der Wonne an deinem Gott zu berauben und zu verhindern, seiner Größe dich zu erfreuen und zu frohlocken, dass er so sehr gelobt und gepriesen zu werden verdient. Da kannst du ihn bitten, er wolle dir beistehen, dass auch du etwas beitragest zum Lobpreise seines Namens und in Wahrheit sagen könntest: »Meine Seele erhebt und lobpreiset den Herrn!«

VIII.

1. O Herr, mein Gott, du hast Worte des Lebens, in denen alle Sterblichen finden könnten, wonach sie verlangen, wenn sie nur suchen wollten! Aber, o mein Herr, was Wunder, wenn wir bei der Torheit und Schwäche, die unsere bösen Werke verursachen, deine Worte vergessen? O Gott, mein Gott, Gott, du Schöpfer alles Geschaffenen! Was ist alles, was du geschaffen, gegen das, was du, o Herr, noch schaffen könntest, wenn du wolltest? Du bist allmächtig, und unbegreiflich sind deine Werke. Lass doch, o Herr, deine Worte mir nie aus dem Sinne kommen!

2. Du sprichst: »Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken!« Was wollen wir mehr, o Herr? Was begehren wir doch, und was suchen wir? Warum gehen die Weltmenschen verloren? Nur weil sie ihre Ruhe (in den Dingen dieser Erde) suchen. O Gott! O Gott! Was ist das, o Herr? Welch ein Jammer, welch eine Blindheit, dass wir Ruhe in dem suchen, worin sie unmöglich zu finden ist! Habe Mitleid, o Schöpfer, mit diesen deinen Geschöpfen! Siehe doch, wie wir uns selbst so gar nicht verstehen und nicht wissen, was wir verlangen, und das Rechte nicht treffen in dem, was wir bitten! Verleihe uns Licht, o Herr; denn siehe, wir bedürfen desselben noch mehr als jener Blindgeborene! Dieser hatte doch ein Verlangen, das Licht zu schauen, und er vermochte es nicht; jetzt aber, o Herr, wollen die Menschen nicht sehen. Ach des unheilbaren Übels! Hier, o Herr, muss deine Macht und deine Erbarmung sich zeigen!

3. Aber welch eine schwierige Sache begehre ich von dir, mein wahrhaftiger Gott! Du sollst jene lieben, die dich nicht lieben; du sollst jenen die Türe öffnen, die dir nicht rufen; du sollst jenen Heilung bringen, die gern krank sind und selbst die Krankheit herbeiführen! Aber du, mein Herr, sprichst ja selber, du seiest gekommen, die Sünder zu suchen. Siehe, hier sind die wahren Sünder! O mein Gott! Schaue nicht auf unsere Verblendung, sondern sieh an das viele Blut, das dein Sohn für uns vergossen hat! Lass in einer so großen Bosheit deine Erbarmung hervorleuchten! Sieh, o Herr, wir sind das Werk deiner Hände, darum helfe uns deine Güte und Erbarmung!

IX.

1. O mitleidiger und liebreicher Herr meiner Seele, du rufst uns auch zu: »Kommet zu mir alle, die ihr dürstet, und ich will euch zu trinken geben!« Wie sollten wohl jene nicht großen Durst leiden, die da brennen in lebendigen Flammen der Begierlichkeit nach den elenden Dingen der Erde? Wahrlich, diese bedürfen des Wassers gar sehr, damit sie von ihrem Durste nicht aufgezehrt werden. Ich weiß wohl, dass deine Güte ihnen dieses Wasser reichen wird; du selbst sagst es ja, und deine Worte können nicht trügen. Wenn sie aber dieses Feuer nicht fühlen, weil sie darin aufgewachsen und zu leben gewohnt sind und in ihrer Torheit die große Not nicht erkennen, in der sie sich befinden, — welches Mittel, o mein Gott, gibt es dann noch für sie? Du, o Herr, bist in die Welt gekommen, solch großen Nöten abzuhelfen; o so beginne denn damit! Gerade in den schwierigsten Dingen muss sich deine erbarmende Liebe zeigen! Sieh doch, wie viel deine Feinde gewinnen! Habe also Erbarmen mit denen, die gegen sich selbst kein Erbarmen haben! Da sie in ihrer unheilvollen Verblendung dir sich nicht nahen wollen, so komme du, mein Gott, selbst zu ihnen! In ihrem Namen bitte ich dich darum; denn ich weiß, dass sie aus ihrem Todesschlafe erwachen werden, sobald sie sich selbst erkennen, in sich gehen und dich zu kosten beginnen.

2. O Leben, das allen Leben spendet, versage doch mir jenes süße Wasser nicht, das du denen verheißest, die darnach verlangen! Ich verlange darnach, o Herr, ich bitte dich darum, ich komme deshalb zu dir! Verbirg dich, o Herr, nicht vor mir! Du kennst ja meine Not und weißt es, dass dieses Wasser das wahre Heilmittel ist für meine durch dich verwunde Seele! O Herr, wie so mannigfache Feuer gibt es in diesem Leben! Wie viele Ursache haben wir nicht, in Furcht zu leben! Da sind es Feuer, die die Seele verzehren, dort andere, die sie reinigen, damit sie im Genuß deiner ewig lebe. O ihr lebendigen Quellen aus den Wunden meines Gottes! In welcher Überfülle werdet ihr ohne Aufhören zu unserem Unterhalte fließen, und wie sicher wird der durch die Gefahren dieses armseligen Lebens hindurchwandeln, der mit diesem göttlichen Wasser sich zu erhalten sucht!

X.

1. O Gott meiner Seele, wie schnell sind wir bereit, dich zu beleidigen, und wie weit schneller noch bist du bereit, uns zu verzeihen! Was ist doch, o Herr, der Grund unserer so wahnsinnigen Vermessenheit? Liegt er wohl darin, dass wir deine große Barmherzigkeit kennen und deine strenge Gerechtigkeit vergessen? »Die Schmerzen des Todes haben mich umgeben.« Ach, ach, ach, was ist es doch Entsetzliches um die Sünde, die da hinreichte, einen Gott durch so große Schmerzen zu töten! Und wie sehr, o mein Gott, bist du von unseren Sünden umgeben! Wohin kannst du dich wenden, wo sie dich nicht peinigen? Von allen Seiten schlagen sie dir Todeswunden.

2. O Christen, es ist Zeit, dass ihr eueren König verteidiget und in seiner so großen Verlassenheit euch um ihn scharet! Denn klein ist die Zahl der Getreuen, die ihn noch umgibt, groß dagegen die Schar derer, die dem Luzifer folgen. Das Schlimmste aber ist, dass diese äußerlich als Freunde des Herrn sich ausgeben, insgeheim aber ihn verraten, so dass er fast niemand mehr findet, auf den er sich verlassen kann. O du wahrer Freund, wie schmählich vergelten dir jene, die dich verraten! O ihr wahren Christen, weinet doch mit euerem Gott! Denn nicht bloß dem Lazarus gelten jene mitleidsvollen Tränen, sondern zugleich allen, die sich nicht aufwecken lassen, so laut ihnen die göttliche Majestät auch zurufen mag.

3. Ach, wie lebhaft, o mein höchstes Gut, schwebten dir auch meine wider dich begangenen Sünden vor! Möchten sie doch, o mein Herr, schon ein Ende genommen haben! Möchte ich, ja möchten alle Menschen dich nie mehr beleidigen! Wecke auf, o Herr, diese Toten! Lass deine Stimme so mächtig erschallen, dass sie, wiewohl sie dich nicht darum bitten, zum Leben erweckt werden und sich erheben aus dem Grabe ihrer Lüste! Lazarus hat dich nicht gebeten, dass du ihn auferweckest; auf die Bitte einer Sünderin hin hast du dieses Wunder gewirkt. Auch hier, o mein Gott, siehst du eine Sünderin, und eine weit größere, als jene gewesen. Trotz meines Elendes bitte ich dich, lass doch deine Barmherzigkeit an denen erglänzen, die selber nicht darum bitten wollen! Du, mein König, weißt es ja, welch eine Qual es für mich ist, zu sehen, wie sie die entsetzlichen Peinen so ganz vergessen, die sie ohne Ende werden ausstehen müssen, wenn sie sich nicht zu dir bekehren.

4. O ihr, die ihr den Freuden, den Vergnügungen und Lüsten der Welt nachjagt und gewohnt seid, immer nur eueren Willen zu tun, habt doch Erbarmen mit euch selbst! Bedenket doch, dass ihr immer und ewig den höllischen Furien preisgegeben sein werdet! Bedenket, ja bedenket es, dass euch jetzt derselbe Richter bittet, der einst das Verdammungsurteil über euch sprechen muss, und dass euer Leben keinen Augenblick sicher ist! Warum wollt ihr denn nicht ewig leben? O der Härte der menschlichen Herzen! Deine unendliche Liebe, o mein Gott, wolle sie erweichen!

XI.

1. O Gott, o Gott, welch große Qual bemächtigt sich meiner, wenn ich bedenke, wie es einer Seele, die hienieden immer angesehen und geehrt, geliebt, bedient und vergnügt gewesen ist, zumute sein müsse, wenn sie nach ihrem Hinscheiden sich verloren sieht und klar erkennt, dass ihre Verdammnis ewig währt! Da wird es ihr nichts nützen, wenn sie, wie sie es in der Welt gewohnt war, an das nicht denken will, was der Glaube lehrt. Ach, was wird sie alsdann empfinden, wenn sie sich auf einmal von allem geschieden sieht, was sie nach ihrer Meinung kaum zu genießen begonnen hat! Und mit Recht kommt es ihr so vor; denn alles, was mit diesem Leben ein Ende nimmt, ist doch nur ein Hauch. Da sieht sie sich umgeben von jener scheußlichen, haßerfüllten Gesellschaft, mit der sie ewig zu leiden verurteilt ist. Sie ist hineingeworfen in jenen übelriechenden, von Schlangen angefüllten Pfuhl, und jedes dieser Untiere wird sie nach Kräften peinigen. Sie ist versenkt in jene jammervolle Finsternis, wo sie nichts schaut, als was sie peinigen und quälen kann. Da leuchtet kein Licht, da glüht nur eine Flamme der Finsternis.

2. Ach, und das alles besagt noch wenig im Vergleich mit der Wirklichkeit! Wer, o Herr, hat doch die Augen dieser Seele so mit Schmutz bedeckt, dass sie von all diesem nichts beachtete, bis sie sich selbst in diesem Elende sah? Wer hat ihre Ohren so verstopft, dass sie das, was ihr so oft von diesen Peinen und deren Ewigkeit gesagt wurde, nicht hörte?

O ewig dauerndes Leben, o Qual ohne Ende! O Qual ohne Ende! Warum fürchten dich nicht jene, die nicht einmal auf einem harten Lager ruhen wollen, um ihrem Leibe nicht wehe zu tun?

3. O Herr, mein Gott! Ich beweine die Zeit, in der ich dies alles nicht eingesehen habe. Du weißt es auch, o mein Gott, wie sehr es mich schmerzt, die große Zahl derer zu sehen, die nichts von diesen Wahrheiten wissen wollen. Ach, erleuchte doch, o Herr, ich bitte dich jetzt darum, wenigstens eine Seele, wenigstens eine; denn durch sie werden viele andere Licht erhalten! Nicht um meinetwillen gewähre mir diese Gnade, o Herr, denn ich verdiene es nicht, sondern um der Verdienste deines Sohnes willen gewähre sie mir! Sieh doch, o Herr, seine Wunden! Und weil er denen verziehen, die ihm diese Wunden geschlagen, so verzeihe du auch uns!

XII.

1. O mein Gott, du meine wahre Stärke! Wie kommt es doch, o Herr, dass wir in allem so mutlos und feige sind, es gelte denn, etwas wider dich zu unternehmen? Dazu bieten die Kinder Adams alle ihre Kräfte auf. Wäre ihre Vernunft nicht geblendet, so sähen sie ein, dass auch die Kräfte aller Menschen zusammengenommen nicht hinreichten, um es wagen zu können, die Waffen gegen ihren Schöpfer zu ergreifen und einen beständigen Krieg gegen den zu führen, der sie in einem Augenblicke in den Abgrund stürzen kann. Weil aber ihre Vernunft blind ist, suchen sie wie Wahnsinnige den Tod, da sie in ihrer Verblendung wähnen, darin das Leben zu finden. Sie sind wie unvernünftige Tiere. Wie, o mein Gott, kann doch jenen geholfen werden, die an einem solchen Wahnsinne leiden? Der Wahnsinn selbst, sagt man, verleihe große Kraft, und so ist es auch mit denen, die sich von Gott absondern. Diese Kranken wenden sich mit ihrer ganzen Wut gegen dich, der du ihnen nur Gutes tust.

2. O unbegreifliche Weisheit! Wie bedarf es doch der ganzen Fülle deiner Liebe zu deinen Geschöpfen, um diesen Wahnsinn zu ertragen und zu warten, bis wir von ihm geheilt werden, indem du uns tausend Mittel und Arzneien dagegen darreichst! Ich wundere mich, wenn ich betrachte, wie es den Menschen an Kraft fehlt, wenn sie an das Kleinste und Leichteste Hand anlegen sollen, und wie sie sich allen Ernstes selbst bereden, sie könnten bei ihrem besten Willen von einer Gelegenheit nicht ablassen und einer Gefahr nicht ausweichen, worin sie ihre Seele verlieren; um sich aber gegen deine so erhabene Majestät zu erheben, dazu haben sie Kraft und Mut. Wie kommt doch dies, o du mein höchstes Gut? Wie kommt dies? Wer gibt ihnen denn diese Kraft wider dich? Ist es vielleicht jener Anführer, dem sie im Kampf wider dich folgen? Aber ist er nicht dein Sklave und verurteilt zum ewigen Feuer? Wie kann er also selbst sich erheben wider dich? Und wie kann er, der Besiegte, Mut verleihen? Wie kann man dem folgen, der so arm und hinausgestoßen ist aus den Reichtümern des Himmels! Was kann er, der selber nichts hat als das größte Elend, anderen geben? Wie kommt doch dies, o mein Gott? Was ist dies, o mein Schöpfer? Woher kommt eine solche Kraft wider dich und eine so große Feigheit dem bösen Feinde gegenüber? Würdest du, o mein Herrscher, die Deinen auch nicht schon hier mit Gnaden überhäufen und hätten wir auch eine Verpflichtung gegen den Fürsten der Finsternis, so wäre es doch Torheit, ihm zu folgen, da wir wissen, welche Güter du uns für alle Ewigkeit aufbewahrt hast und wie alle Freuden und Verheißungen des Teufels falsch und trügerisch sind. Er, der so falsch gegen dich gewesen, wie wird er gegen uns sein?

3. Welch große Blindheit, o mein Gott! Welch großer Undank, o mein König! Welch unheilbarer Wahnsinn! Mit deinen Gaben, o mein Gott, dienen wir dem Teufel! Vergelten wir so die große Liebe, die du zu uns trägst, dass wir den lieben, der dich haßt und hassen wird in Ewigkeit? Du hast für uns dein Blut vergossen, hast Geißelstreiche und die bittersten Schmerzen erduldet, hast die größten Qualen ausgestanden um unsertwillen; und nun machen wir uns zu Verbündeten und Freunden derer, die so grausam gegen dich gewesen sind, und wollen die große Schmach nicht rächen, die deinem ewigen Vater durch die Misshandlungen deiner Person zugefügt wurden, wenn du auch für dich selbst keine Rache willst, da du deinen Peinigern verziehen hast? Da wir ihren höllischen Anführern folgen, so ist es klar, dass auch wir zu ihnen gehören und ewig in ihrer Gesellschaft leben werden, wenn nicht deine erbarmende Liebe uns wieder zur rechten Gesinnung führt und uns alles Geschehene verzeiht.

4. O ihr Sterblichen, gehet doch in euch! Schauet an eueren König! Jetzt werdet ihr ihn noch sanft und gnädig finden gegen euch. Lasst doch eine so große Bosheit zu Ende sein! Euere Wut und euere Kraft wende sich gegen den, der euch bekämpft und um euer Erbgut bringen will! O gehet doch in euch, gehet in euch! Öffnet euere Augen, flehet mit lautem Rufen und vielen Tränen zu dem, der der Welt das Licht gab, dass er es auch euch gebe! Sehet doch um der Liebe Gottes willen ein, dass ihr mit all eueren Kräften auf den Tod dessen ausgeht, der, um euch das Leben zu geben, sein eigenes hingab! Sehet doch in ihm jenen, der euch verteidigt gegen euere Feinde! Hilft aber dies alles nichts, so bedenket, dass ihr gegen seine Macht doch nichts vermöget und früher oder später mit dem ewigen Feuer die Schmach büßen müsst, die ihr ihm angetan, und die Vermessenheit, mit der ihr gegen ihn gekämpft. Seid ihr etwa darum so vermessen, weil ihr diese Majestät gebunden und gefesselt seht von der Liebe, die sie zu uns trägt? Was haben jene, die den Sohn Gottes gemordet, anderes getan, als dass sie ihm, nachdem sie ihn gebunden, Streiche gaben und Wunden schlugen?

5. O mein Gott, wie leidest du doch für jene, die so wenig Mitleid mit deinen Schmerzen haben! Es wird aber die Zeit kommen, in der du, o Herr, deine Gerechtigkeit offenbaren und zeigen wirst, dass diese deiner Barmherzigkeit gleichkommt. O Christen, lasst uns dies wohl betrachten und beherzigen! Nie werden wir Vollkommen zu erkennen vermögen, wie viel wir unserem Herrn und Gott schuldig sind und wie groß seine Barmherzigkeit ist. Wenn aber seine Gerechtigkeit ebenso groß ist, ach, ach, wie wird es dann jenen ergehen, an denen sie sich nach ihrem Verdienst vollstrecken und in ihrer furchtbaren Herrlichkeit erglänzen wird!

XIII.

1. O ihr Seelen, die ihr nun euere Freude genießt, ohne Furcht, ihrer je beraubt zu werden, und die ihr ohne Aufhören in das Lob meines Gottes versenkt seid, welch glückliches Los ist euch zuteil geworden! Wie billig ist es, dass ihr euch allezeit mit diesem Lobe beschäftigt, und wie sehr beneide ich euch! Seid ihr jetzt doch frei von dem Schmerze über so große Beleidigungen, wie sie in diesen unseligen Zeiten meinem Gott zugefügt werden, frei von dem Anblick eines solchen Undankes und einer so großen Blindheit, die den Raub so vieler Seelen durch den Satan nicht sehen will. O ihr seligen Bewohner des Himmels, kommt doch unserer Armseligkeit zu Hilfe und seid unsere Fürbitter bei der göttlichen Barmherzigkeit, dass sie uns einigermaßen teilnehmen lasse an euerer Freude und uns etwas von euerer lichtvollen Erkenntnis mitteile!

2. Lass uns, o mein Gott, erkennen, was jenen zuteil wird, die in dem Traume dieses armseligen Lebens männlich kämpfen! Erwirket uns, ihr liebenden Seelen, einiges Verständnis euerer Wonne, dies ihr aus dem Anblicke euerer in alle Ewigkeit dauernden Freuden und aus der Sicherheit, dass sie nie ein Ende nehmen werden, schöpft!

3. Ach, wir Unseligen! Wir wissen zwar um diese Freuden und glauben an sie; aber weil wir so gar nicht gewöhnt sind, diese Wahrheiten zu betrachten, darum kommen sie jetzt den Seelen so fremd vor, dass sie diese nicht erkennen und auch nicht erkennen wollen. O genußsüchtige Menschen, die ihr nicht von Freuden und Genüssen lassen wollt! Nur kurze Zeit, nur ein Jahr, einen Tag, eine Stunde, ja vielleicht nur einen Augenblick hättet ihr zu warten, um Freuden im Überfluss zu genießen; so aber verscherzt ihr euer ganzes Glück dadurch, dass ihr dem elenden Genusse frönt, den ihr für den Augenblick haben könnt.

4. Ach, ach, ach, wie gering ist das Vertrauen, das wir in dich setzen, o Herr! Welch große Reichtümer und Schätze hast dagegen du uns anvertraut, da du uns die Verdienste aller Mühseligkeiten und Leiden, die dein Sohn dreiunddreißig Jahre lang erduldete, sowie seines so schmerzlichen, bejammernswerten Todes, ja diesen deinen Sohn selbst geschenkt hast, und dies alles schon so lange vor unsrer Geburt! Du wusstest, dass wir diese Güter nicht vergelten würden; dennoch aber wolltest du uns einen so kostbaren Schatz anvertrauen, damit nickt die Schuld an dir liege, wenn wir den Gewinn nicht machen, den wir bei dir, barmherziger Vater, machen können, wenn wir mit diesem Schatze wuchern.

5. O ihr glücklichen Seelen, die ihr es so wohl verstanden habt, aus dem euch anvertrauten Schatze Gewinn zu ziehen und mit diesem kostbaren Preise euch ein so wonnevolles und ewiges Erbe zu erkaufen, sagt uns doch, wie ihr dieses endlose Gut damit gewonnen habt! Helft uns, da ihr der Quelle so nahe seid! Schöpfet Wasser für uns, die wir auf Erden vor Durst so verschmachten!

XIV.

1. Mein Herr und mein wahrer Gott! Wer dich nicht kennt, der liebt dich nicht. O wie wahr ist dies! Aber wehe, wehe denen, die dich o Herr, nicht erkennen wollen! Schrecklich ist die Todesstunde; aber ach, wie schrecklich wird erst der Tag sein, an dem deine Gerechtigkeit, o mein Schöpfer, sich offenbaren wird! Ich betrachte oft, mein Jesus, wie lieblich und wonnevoll der Anblick deiner Augen denen ist, die dich lieben, und die du, o mein höchstes Gut, mit Liebe anblicken willst. Ein einziger so holdseliger Blick auf die Seelen, die du als die deinigen erkennst, scheint mir eine ausreichende Belohnung für die Dienste vieler Jahre zu sein. Aber ach, wie schwer kann man dies jenen beibringen, die noch nicht selbst verkostet haben, wie lieblich der Herr ist!

2. O Christen, o Christen, betrachtet doch die innige Verbindung, in der ihr mit diesem großen Gott steht! Lernet ihn kennen und verachtet ihn nicht! Denn so angenehm sein Blick denen ist, die ihn lieben, so furchtbar und entsetzlich wird er seinen Verfolgern sein. O dass wir doch erkennen würden, was die Sünde ist! Sie ist ein offener Kampf, den wir mit all unseren Sinnen und mit allen Vermögen unserer Seele gegen Gott führen; und je mächtiger eines dieser Vermögen ist, desto mehr Verrat sucht es an seinem Könige zu üben.

3. Du weißt es, o mein Herr, dass mir oft schon die Vorstellung, am Tage jenes furchtbaren Gerichtes dein Antlitz zürnend gegen mich zu sehen, mehr Schrecken einflößte, als die Vorstellung von allen Peinen und Furien der Hölle. Da flehte ich, wie es dir gleichfalls bekannt ist, immer zu dir, deine Barmherzigkeit wolle mich vor solch einem Unglücke bewahren; und um dies flehe ich auch jetzt zu dir, o Herr! Was kann doch je auf Erden über mich kommen, das mit einem so großen Unglück Ähnlichkeit hätte? Alle irdischen Leiden vereint will ich gerne tragen; aber vor einer so entsetzlichen Pein bewahre mich, o mein Gott! Ach, dass ich meinen Gott nie verlassen, dass ich den Anblick einer so wonnevollen Schönheit in Frieden genießen möge! Dein Vater hat dich uns geschenkt; o dass ich doch, o mein Herr, ein so kostbares Kleinod nie Verliere! Ich kenne es, ewiger Vater, dass ich dieses Kleinod schlecht bewahrt habe; allein jetzt, o Herr, ist noch zu helfen, solange wir noch in dieser Verbannung leben.

4. O Brüder, Brüder und Kinder dieses Gottes! Fasset Mut, ermannet euch; denn ihr wisst ja, was er selbst gesagt, er wolle unserer Sünden und Missetaten nicht mehr gedenken, wenn wir es bereuen, ihn beleidigt zu haben! O Erbarmen ohne Maß! Was wollen wir mehr? Sollte es jemand geben, der sich nicht schämen würde, so viel zu begehren? Jetzt ist die Zeit, das anzunehmen, was dieser erbarmungsreiche Herr, unser Gott, uns anbietet. Er will Freundschaft mit uns schließen; wer will sich sträuben dem gegenüber, der sich nicht geweigert hat, für uns sein Blut zu vergießen und sein Leben hinzugeben? Seht doch, wie er nichts anderes von uns verlangt, als das zu tun, was zu unserem eigenen Nutzen ist!

5. Aber ach, o Herr, welche Herzenshärte! Welche Torheit und Verblendung! Der Verlust einer unbedeutenden Sache, einer Nadel oder eines Vogels, der uns kein anderes Vergnügen gewährt, als dass wir ihn durch die Luft fliegen sehen, betrübt uns; und der Verlust jenes mächtigen Adlers, der göttlichen Majestät, und eines Reiches, dessen wir uns ewig erfreuen sollen, geht uns nicht zu Herzen! Was ist das? Was ist das? Ich begreife es nicht. Heile doch, o mein Gott, einen so großen Wahnsinn, eine so große Verblendung!

XV.

1. Ach wie so lange, o Herr, wie so lange dauert diese Verbannung! Wie peinvoll wird sie mir bei dem Verlangen nach Gott! Was soll doch, o Herr, eine Seele beginnen, die in diesen Kerker gebannt ist? O Jesus, wie lange währt doch des Menschen Leben, obwohl man es kurz nennt! Kurz ist es, o mein Gott, um dadurch jenes Leben zu gewinnen, das nie ein Ende nimmt; aber lang, sehr lang ist es für eine Seele, die erfüllt ist vom Verlangen, die Gegenwart ihres Gottes zu schauen. Welche Linderung gibst du ihr in diesem Leiden? Ach, da gibt es keine, als dir zuliebe zu leiden.

2. O (Leiden, du) süße Ruhe der Liebhaber meines Gottes! Mögest du jener nicht fehlen, die dich liebt! Denn durch dich wird die Qual, die der Geliebte der ihn suchenden Seele verursacht, zwar vermehrt, aber auch gemildert werden. Ich verlange, o Herr, dir zu gefallen; und da ich wohl weiß, dass ich an nichts mein Genügen finde, worin sonst die Sterblichen ihre Befriedigung suchen, so wirst du mein Verlangen nicht tadeln. Siehe, hier bin ich, o Herr! Mit deinem treuen Liebhaber, dem hl. Martin, spreche ich: Herr, wenn es notwendig ist, dass ich noch lebe, um dir in etwa zu dienen, so weigere ich mich nicht, alle Leiden der Erde, die über mich kommen können, zu übernehmen.

3. Aber ach, mein Herr, ach, dieser Heilige hatte Werke aufzuweisen, ich aber habe nur Worte, da ich zu sonst nichts tauge. Lass doch wenigstens mein Verlangen noch einen Wert haben vor deinem Angesichte und schaue nicht auf meine geringen Verdienste! Mach uns alle würdig, dich zu lieben, o Herr! Wenn wir denn doch leben müssen, so lasse uns nur dir zuliebe leben! Alles andere Verlangen und alle Eigensucht soll zu Ende sein. Können wir wohl Größeres gewinnen als dein Wohlgefallen?

4. O meine Freude, o du mein Gott, was kann ich tun, um dir wohlzugefallen? Soviel ich auch tun mag für meinen Gott, es sind nur armselige Dienste, die ich ihm leiste. Warum also soll ich noch bleiben in diesem armseligen Elende? Dazu, dass der Wille des Herrn erfüllt werde. Und was könntest du Größeres gewinnen, meine Seele? Hoffe und harre; denn du weißt nicht, wann der Tag, wann die Stunde kommen wird! Wache in treuer Sorgfalt; denn alles vergeht in kurzer Zeit, wenn auch dein Verlangen dir das Gewisse als ungewiss und die kurze Zeit als lang erscheinen lässt. Bedenke, je mehr du kämpfest, desto mehr beweisest du deine Liebe zu deinem Gott, und desto mehr wirst du dich dereinst bei deinem Geliebten freuen, und diese Freude und Wonne wird kein Ende nehmen.

XVI.

1. O wahrer Gott und mein Herr! Ein großer Trost für die Seele in dem Leid, das ihr die Vereinsamung und das Fernsein von dir verursachen, ist der Gedanke, dass du überall gegenwärtig bist. Allein, was hilft dieser Gedanke, o mein Gott, wenn die Glut der Liebe und die heftigen Antriebe dieser Pein zunehmen? Denn da wird der Verstand verwirrt, und der Vernunft verbirgt sich das Licht der Wahrheit, so dass man sie weder Versteht noch erkennt. Die Seele erkennt nur noch, dass sie fern von dir ist und ihr nicht geholfen werden kann. Ihr von inniger Liebe erglühendes Herz nimmt nur noch Rat und Trost von dem an, der es verwundet hat; von ihm erwartet sie Linderung ihrer Pein. Wenn du willst, o Herr, so heilst du in einem Augenblick die Wunde, die du geschlagen hast; eher aber ist keine Heilung und auch keine Freude zu erhoffen außer jener, die aus dem Bewusstsein quillt, zu leiden um einer so erhabenen Sache willen.

2. O du wahrer Liebhaber, wie erbarmungsvoll, wie süß und wonniglich, wie erquickend und mit welch großen Beweisen deiner Liebe heilst du die Wunden, die du mit den Pfeilen der nämlichen Liebe geschlagen hast! Ach, mein Gott, du Erquickung in allen Leiden, wie töricht bin ich doch! Wie wäre es möglich, dass menschliche Mittel jene heilen könnten, die das göttliche Feuer krank gemacht hat? Wie könnte ein Mensch die Tiefe dieser Wunde erkennen und wissen, woher sie gekommen und wie eine so peinliche und zugleich wonnevolle Qual gemildert werden möge? Es wäre Torheit, zu glauben, eine so kostbare Krankheit könne durch so minderwertige Dinge, wie die Heilmittel der Sterblichen es sind, geheilt werden.

3. Mit vollem Rechte sagt die Braut im Hohenliede: »Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein.« Denn eine solche Liebe kann nicht ausgehen von einer so minderwertigen Sache, wie es meine Liebe ist. Aber wenn diese so niedrig ist, mein Bräutigam, was ist dann die Ursache, dass sie nicht in einem geschaffenen Dinge ruht, sondern sich bis zu ihrem Schöpfer erschwingt? O mein Gott, warum bin ich in der Gewalt meines Geliebten? Du, mein wahrer Liebhaber, fängst diesen Liebeskrieg an, der nichts anderes zu sein scheint als eine gewisse Verlassenheit und Unruhe aller Vermögen und Sinne, die hinausgehen auf die Plätze und Straßen und die Töchter Jerusalems beschwören, ihnen zu sagen, wo ihr Gott ist. Da also der Kampf einmal begonnen hat, gegen wen sollen sie streiten als gegen den, der sich zum Herrn der Festung, die sie bewohnten, d. i. des obersten Teiles der Seele, gemacht hat? Er hat sie daraus vertrieben, damit sie wiederkehren, ihren Besieger zu besiegen. Und sind sie, weil sie sich ohne ihn gesehen, ermüdet, dann ergeben sie sich bald als überwunden. Sie verlieren im Kampfe alle ihre Kräfte, kämpfen aber dann um so herrlicher; und dadurch, dass sie sich als Überwundene dem Sieger ergeben, überwinden sie den Sieger.

4. O meine Seele, welch einen wunderbaren Kampf führtest du in dieser Pein, und wie buchstäblich trifft das Gesagte hier zu! So ist denn mein Geliebter mein, und ich bin sein. Wer wird es versuchen, zwei so flammende Feuer voneinander zu trennen oder auszulöschen? Das wäre vergebliche Mühe; denn diese beiden Feuer sind jetzt zu einem vereinigt.

XVII.

1. O mein Gott, du meine unendliche, unermessliche, unbegrenzte Weisheit, erhaben über allen Verstand der Engel und Menschen! O Liebe, die mich mehr liebt, als ich selbst mich zu lieben vermag und ich es begreifen kann! Warum, o Herr, will ich mehr verlangen, als du mir geben willst? Warum will ich mich abmühen, dich um etwas meinem Verlangen Entsprechendes zu bitten, da du das Ziel alles dessen kennst, was mein Verstand erdenken und mein Wille verlangen kann, ich aber nicht weiß, wie ich es benützen soll. Vielleicht würde mir das, wordurch meine Seele zu gewinnen meint, nur zum Verderben gereichen. Was bedeutet meine Bitte, o mein Gott, wenn ich dich um Befreiung von einem Leiden bitte, und gerade dieses Leiden meine Abtötung zum Zwecke hat? Um was bitte ich dann, o mein Gott? Bitte ich dich um Leiden, so ertrüge es vielleicht meine schwache Geduld nicht, und ich könnte einen solchen Schlag nicht aushalten. Könnte ich’s aber mit Geduld ertragen, wäre aber meine Demut nicht fest genug, so würde ich vielleicht dem Wahne verfallen, ich selbst hätte etwas geleistet, da doch du, o mein Gott, alles vollbringst. Will ich mehr leiden, so wünschte ich nicht, dass es in Dingen geschehe, in denen es wegen deines Dienstes nicht gut scheint, dass ich mein Ansehen einbüße, wenn ich auch für mich keine Neigung zu eigener Ehre zu fühlen glaube. Aber gerade das, wodurch ich zu verlieren meine, kann mir Gewinn bringen in Hinsicht auf das von mir angestrebte Ziel, nämlich dir zu dienen.

2. Ich könnte noch mehrere Beispiele dieser Art anführen, um zu zeigen, dass ich mich selbst nicht verstehe. Aber wozu sage ich dies, da ich doch weiß, dass dir, o Herr, alles bekannt ist? Es geschieht dies, o mein Gott, damit meine Vernunft beim Anblick meines Elendes und ihrer Verfinsterung durch Lesung dessen, was ich hier mit eigener Hand geschrieben, wieder erhellt werde. Denn oft, o mein Gott, finde ich mich so elend, so schwach und verzagt, dass ich frage, was aus deiner Magd geworden, nachdem sie doch schon so viele Gnaden von dir empfangen, dass sie meinte, den Stürmen dieser Welt Trotz bieten zu können. Nein, mein Gott, nimmermehr will ich auf etwas bauen, was ich selber für mich wollen kann. Verfüge du mit mir nach deinem Wohlgefallen, ich will nichts anderes als dies; denn all mein Heil besteht darin, dass ich dir gefalle. Wolltest du, o mein Gott, nach meinem Gefallen tun und mir alles gewähren, wonach ich verlange, so ginge ich offenbar zugrunde.

3. Ach, was ist es doch Armseliges um die Weisheit der Sterblichen, und was ist es Unsicheres um ihre Vorsorge! Sieh du, o Herr, durch die nötigen Mittel vor, dass meine Seele mehr nach deinem als nach ihrem eigenen Wohlgefallen dir diene! Strafe mich nicht damit, dass du mir gibst, was ich begehre oder wünsche, wenn deine Liebe (die stets in mir lebe) es nicht gern will! Es sterbe nun das eigene Ich, und ein anderer lebe in mir, der höher steht und mir, um ihm dienen zu können, nützlicher ist als ich. Er lebe und gebe mir das Leben! Er herrsche, und ich sei die Gefangene; denn meine Seele will keine andere Freiheit. Wie kann der frei sein, der dem Allerhöchsten nicht unterworfen ist? Gibt es eine größere und elendere Sklaverei als die Sklaverei einer Seele, die sich der Hand ihres Schöpfers entzogen hat?

4. Glücklich jene, die mit den starken Fesseln und Ketten der Wohltaten der Barmherzigkeit Gottes sich gefangen und unfähig sehen, sich davon lösen zu können! Stark wie der Tod ist die Liebe und hart wie die Hölle. O dass ich mich schon getötet sähe von ihr und hineingeworfen in diese göttliche Hölle, aus der zu kommen es keine Hoffnung mehr gibt, oder, besser gesagt, die verlassen zu müssen man nicht zu fürchten hat! Aber ach, o Herr, solange dieses sterbliche Leben dauert, bin ich immer in Gefahr, das ewige zu verlieren!

5. O Leben, das meinem Heile entgegen ist, dürfte ich dir doch ein Ende machen! Ich ertrage dich, weil Gott dich erträgt, und erhalte dich, weil du ihm angehörst; aber werde nicht zum Verräter an mir und zeige dich nicht undankbar! Dennoch wehe mir, o Herr, dass meine Verbannung so lange dauert! Kurz ist zwar auch die längste Zeit, um damit deine Ewigkeit zu gewinnen; aber sehr lange ist schon ein Tag und selbst eine Stunde für jene, die nicht sicher ist und dich zu beleidigen fürchtet.

6. O freier Wille, welch ein Sklave deiner Freiheit bist du doch, wenn du nicht durch die Bande der Furcht und Liebe an deinen Schöpfer gefesselt bist! Ach, wann wird der selige Tag erscheinen, an dem du dich versenkt sehen wirst in das unendliche Meer der höchsten Wahrheit, wo du nicht mehr die Freiheit hast, zu sündigen, und diese auch nicht mehr willst, weil du dann sicher bist vor allem Elend und teilnimmst an dem Leben deines Gottes!

7. Er ist glückselig, weil er sich erkennt und sich liebt und sich selbst genießt, ohne anders zu können. Er hat nicht und kann nicht die Freiheit haben, sich selbst zu vergessen und sich selbst nicht zu lieben; denn könnte Gott diese Freiheit haben, so wäre dies eine Unvollkommenheit an ihm. Dann, meine Seele, wirst du eingehen in deine Ruhe, wenn du eingehst in dieses höchste Gut, wenn du erkennst, was dein Gott erkennt, und liebst, was er liebt, und genießest, was er genießt. Und siehst du einmal deinen veränderlichen Willen verloren, dann wird es auch keine Unbeständigkeit mehr geben; denn so viel hat die Gnade Gottes vermocht, dass sie dich seiner göttlichen Natur nicht vollkommener Weise teilhaftig gemacht, dass du das höchste Gut gar nicht mehr vergessen kannst, noch vergessen zu können wünschest, noch aufzuhören vermagst, ihn und seine Liebe zu genießen.

8. Selig, die im Buche dieses (unsterblichen) Lebens eingeschrieben sind! Bist du aber, meine Seele, darin eingeschrieben, warum bist du traurig und warum beunruhigst du mich? Hoffe auf Gott! Denn noch hier will ich ihm meine Sünden und seine Erbarmungen bekennen; ihm, meinem Erlöser und Gott, will ich lobsingen für alles, was er an mir getan, und unaufhörlich meine Seufzer zu ihm emporsenden. Endlich wird wohl auch der Tag kommen, an dem meine Herrlichkeit ihn lobpreisen wird. Dann wird mein Gewissen mich nicht mehr beunruhigen, und alle Seufzer und Befürchtungen werden ein Ende haben. Bis dahin will ich meine Stärke in der Hoffnung und im Stillschweigen suchen. Ich will lieber im Streben nach dem ewigen Leben und dessen Erwartung leben und sterben als im Besitz der ganzen Schöpfung und all ihrer Güter, die ja doch eine Ende nehmen werden. Verlass mich nicht, o Herr! Auf dich hoffe ich! Lass meine Hoffnung nicht zuschanden werden. Erhalte mich immer in deinem Dienste und handle mit mir nach deinem Wohlgefallen!

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Kleinere Schriften

Quelle Fünfter Band 1938: Die Seelenburg der heiligen Theresia von Jesu, S. 320-341 (Imprimatur Monachii, die 18 Novembris 1937 F. Buchwieser Vic. Gen.),

Satirische Kritik der heiligen Theresia, die sie im Auftrag des Bischofs von Ávila, Alvaro de Mendoza, schrieb

JHS!

Nötigte mich nicht der Gehorsam, so würde ich wahrscheinlich nicht antworten, noch das Amt einer Schiedsrichterin übernehmen, und zwar aus verschiedenen Gründen; jene aber sind nicht maßgebend, von denen die hiesigen Schwestern sprechen. Da nämlich auch mein Bruder sich unter denen befindet, die ich beurteilen soll, so meinen sie, es könnte den Anschein erwecken, als würde die Gerechtigkeit durch die Liebe verdrängt werden, die ich zu ihm trage. Aber ich liebe alle Beteiligten in gleicher Weise sehr, weil sie mir in meinen Trübsalen beigestanden sind. Mein Bruder ist zwar erst gegen Ende zum Kelche gekommen, aber er hat doch seinen Teil hingenommen und wird mit der Gnade Gottes noch mehr davon erhalten. Der Herr stehe mir bei, damit ich nicht etwas sage, worüber man mich bei der Inquisition verklagen könnte; denn wegen der vielen Geschäfte und Briefe, die ich von der vergangenen Nacht an bis jetzt geschrieben habe, ist mein Kopf sehr geschwächt. Indessen vermag der Gehorsam alles, und deshalb will ich auch dem mir von Euerer bischöflichen Gnaden erteilten Auftrag wohl oder übel nachkommen. Ich hätte mich gerne an den mir zugesandten Schriften ergötzt, aber es hat nicht sein können.

Kritik über Franz de Salcedo

Wie es scheint, handelt es sich um jene geheimnisvollen Worte des Bräutigams unserer Seelen: »Suche dich in mir!« Wenn Herr Franz de Salcedo den Sinn dieser Worte von der Gegenwart Gottes in allen Dingen versteht und dies so weitläufig zu erklären sucht, so ist das ein Beweis, dass er im Irrtum ist, da Gott schon als der Allwissende in allen Dingen ist.

Er sagt auch gar viel von der Vereinigung und dem Verhalten des Verstandes dabei. Aber man weiß ja doch, dass bei der Vereinigung der Verstand nicht tätig ist. Wenn er nun nicht tätig ist, wie kann er dann suchen? Jener aus den Psalmen Davids genommene Vers: »Ich will hören, was in mir redet Gott, der Herr«, hat mir zwar sehr gut gefallen; denn der Friede in den Seelenkräften, die mit dem Namen »des Volkes« bezeichnet werden, ist etwas sehr Schmähenswertes. Weil ich aber willens bin, nichts von dem gutzuheißen, was diese Männer geschrieben haben, so sage ich: »Diese angeführte Stelle passt gar nicht hieher; denn nach jenen Worten des Bräutigams sollten wir nicht hören, sondern suchen.« Das Schlimmste von allem aber ist, dass ich ihn, wenn er nicht widerruft, bei der nächstliegenden Inquisition angeben müsste. Denn nachdem er in seiner Schrift durchwegs immer behauptet: »So spricht der heilige Paulus, so spricht der Heilige Geist«, sagt er am Schlusse, es sei alles, was er geschrieben, Torheit. Er soll nur bald seinen Fehler verbessern, sonst wird er sehen, was geschieht.

Kritik über Pater Julian de Ávila

Pater Julian de Ávila hat gut angefangen, aber schlecht geendet; deswegen gebührt ihm kein Ruhm. Man fordert von ihm keine Erklärung, wie das unerschaffene Licht sich mit dem erschaffenen vereinige, sondern wie wir uns in Gott suchen sollen. Man frägt ihn auch nicht, was eine Seele bei einer so innigen Verbindung mit ihrem Schöpfer empfinde und ob es noch eine Verschiedenheit zwischen ihm und ihr gebe oder nicht, wenn sie mit ihm vereinigt ist. Denn in diesem Zustand ist nach meinem Dafürhalten der Verstand zu einer solchen Untersuchung nicht fähig; wäre er es, so könnte man leicht den Unterschied, zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpfe erkennen. Ferner sagt er: »Wenn die Seele geläutert ist.« Nach meiner Ansicht genügt hier weder der Besitz der Tugenden noch die Läuterung der Seele; denn hier handelt es sich um etwas Übernatürliches, das Gott gibt, wem er will. Wenn etwas dazu vorbereitet, so ist es die Liebe. Indessen verzeihe ich ihm seine Irrtümer, weil er nicht so weitläufig gewesen ist wie mein Vater Pater Johannes vom Kreuz.

Kritik über Pater Johannes vom Kreuz

Dieser Pater gibt in seiner Antwort einen vortrefflichen Unterricht für jene, die die in der Gesellschaft Jesu üblichen Exerzitien machen wollen, aber er sagt nichts, was zu unserem Gegenstande gehört.

Es wäre übel mit uns bestellt, wenn wir erst dann Gott suchen könnten, nachdem wir der Welt schon abgestorben sind. Magdalena, die Samariterin und das kananäische Weib waren es noch nicht, als sie ihn fanden. Er erklärt auch weitläufig, wie die Seele durch die Vereinigung eins mit Gott wird; allein wenn dies schon geschehen und diese Gnade der Seele schon verliehen ist, so wird ihr Gott wohl nicht mehr sagen, dass sie ihn suchen solle, da sie ihn ja schon gefunden hat.

Gott bewahre uns vor Leuten, deren Geist so hoch schwebt, dass sie alles zur vollkommenen Beschauung machen wollen, sei es, was es wolle. Übrigens danken wir dem Pater Johannes dafür, dass er uns etwas so vortrefflich erklärt hat, worum wir ihn gar nicht gefragt haben. Denn es ist gut, immer von Gott zu reden; denn aus dem, woran wir am wenigsten denken, ziehen wir Gewinn.

Kritik über Don Laurentius de Cepeda, ihren Bruder

Auch Herr Laurentius de Cepeda hat uns genützt, und wir danken ihm vielmals für seine Verse und seine Antwort; denn wenn er auch mehr gesagt hat, als er versteht, so verzeihen wir ihm doch wegen des Vergnügens, das uns seine Verse gemacht haben, seine geringe Demut, die er dadurch verrät, dass er sich nach seinem eigenen Geständnis in so hohe Dinge eingelassen hat. Ebenso verzeihen wir ihm seinen guten Rat, den wir nicht erbeten haben; er sagt nämlich, man solle sich dem Gebete der Ruhe widmen, als stünde dies nur so in seiner Willkür. Er kennt schon die Strafe, in die jener fällt, der solches wagt. Gott gebe, dass an ihm von dem Honig, in dessen Nähe er ist, etwas hängenbleibe! Er verschafft mir viel Trost, wiewohl ich einsehe, dass er Ursache genug hat, sich zu schämen. Man kann nicht beurteilen, wer aus allen den Vorzug verdient, weil sie in allem gefehlt haben. Ich will keinem Unrecht tun. Tragen Euere Bischöfliche Gnaden ihnen auf, sich zu bessern! Vielleicht werde auch ich mich darin bessern, dass ich meinem Bruder in seiner geringen Demut nicht nachfolge. Diese Herren sind alle so hoch daran, dass sie das Spiel verloren haben, weil sie eine Karte zuviel hatten..Denn wem die Gnade widerfährt, dass seine Seele mit Gott vereinigt ist, dem wird er, wie schon erwähnt, nicht mehr sagen, dass er ihn suchen solle, weil er ihn ja schon besitzt.

Ich küsse Euerer Gnaden vielmals die Hand für die Huld, die Sie mir durch Zusendung Ihres Briefes erwiesen haben. Ich beantworte ihn jetzt nicht, da ich Ihnen mit solchen Torheiten ohnehin schon lästig genug war.

Euerer Bischöflichen Gnaden

unwürdige Dienerin und Untergebene

Theresia von Jesu

Antwort der heiligen Theresia auf eine Aufforderung zum geistlichen Wettstreit

Als bei uns die schriftliche Aufforderung eintraf, hielten wir unsere Kräfte für zu schwach, um mit so mutigen, tapferen und ritterlichen Seelen den Kampf aufnehmen zu können; denn der Sieg würde sicher auf ihrer Seite bleiben, uns aber würden sie all unserer Güter berauben; vielleicht könnten wir auch noch den Mut verlieren, das Wenige zu tun, das wir vermögen. Ja Erwägung dieser Gründe wollte keine von uns diese Aufforderung unterzeichnen, am wenigsten Theresia von Jesu. Dies ist die reinste Wahrheit ohne Übertreibung. Wir gehen indessen doch darauf ein, zu tun, was unsere schwachen Kräfte zulassen; vielleicht können wir dann, an diesen seinen Ton gewöhnt, unter dem Beistande derer, die uns zur Teilnahme einladen, in einiger Zeit die Aufforderung unterzeichnen.

Es soll aber dies nur unter der Bedingung geschehen, dass der Urheber dieser Herausforderung sich nicht zurückziehe und in jenen Höhlen sich versteckt halte; er möge nur heraustreten auf den Kampfplatz dieser Welt, in der wir leben! Es könnte dann sein, dass er nicht mehr so herausfordernd an uns heranträte, wenn er sich einem beständigen Kampfe ausgesetzt sähe, in dem man keinen Augenblick sich der Sorglosigkeit und sicheren Ruhe hingeben kann; denn zwischen Sagen und Tun ist ein Unterschied, den auch wir ein wenig verstehen. Er und seine Gefährten mögen also jenes wonnige Leben verlassen, das sie führen; vielleicht stolpern und fallen sie sobald, dass wir ihnen beistehen und sie aufrichten müssen; denn es ist etwas Schreckliches, immer in Gefahr zu sein, beständig unter den Waffen zu stehen und dabei keine Nahrung zu haben. Deshalb schicke der Anführer, der selbst so reichlich mit Proviant versehen ist, den versprochenen bald; würde er uns nur durch Hunger bezwingen, so hätte er wenig Ehre und Gewinn davon.

Jede ritterliche Seele oder jede Tochter der allerseligsten Jungfrau, die Tag für Tag den Herrn bittet, er wolle die Schwester Beatrix Juárez in seiner Gnade erhalten und ihr seinen Beistand verleihen, dass ihre Worte nicht unüberlegt und nur auf die Ehre Gottes gerichtet seien, soll von ihr die Verdienste erhalten, die sie sich durch zweijährige, sehr mühsame Krankenpflege erworben hat. Die Schwester Anna de Vergas verspricht, den genannten ritterlichen Brüdern, wenn sie ihr vom Herrn die Befreiung von einem gewissen Widerstreben und die Tugend der Demut erbitten, alles Verdienst zu schenken, das sie durch diese ihr vom Herrn gewährte Gnade sich erwerbe.

Die Mutter Subpriorin, Elisabeth vom Kreuze, ersucht die Genannten, sie möchten für sie den Herrn bitten, dass er ihr den Eigenwillen benehme, und verspricht ihnen dafür die Verdienste von zwei Jahren.

Die Schwester Sebastiana Gómez sagt, sie wolle einem jeden der Genannten, der zum Andenken an das dreistündige Hängen unseres Herrn am Kreuze des Tages über dreimal den Gekreuzigten betrachtet und ihr die Gnade erbittet, eine gewisse, ihre Seele heftig quälende Leidenschaft zu überwinden, das Verdienst ihrer Überwindungen zuwenden, wenn der Herr ihr diese Gnade gewährt.

Die Mutter Maria de Tamayo verspricht, sie wolle jedem der Genannten, der täglich ein Vaterunser und Ave Maria betet, damit ihr der Herr in ihrer Krankheit Geduld und Ergebung verleihe, an jedem dieser Tage den dritten Teil des Verdienstes ihres Leidens schenken. Es ist dies ein sehr großes, da sie schon über ein Jahr die Sprache verloren hat.

Die Schwester Anna de la Miseria sagt: Wer von diesen ritterlichen Söhnen und Töchtern der allerseligsten Jungfrau bei Betrachtung der Armut unseres Herrn Jesus Christus bei seiner Geburt und bei seinem Tode ihn um die Gnade bittet, dass er ihr jene der göttlichen Majestät gelobte Armut im Geiste verleihe, dem wolle sie alles Verdienst schenken, das sie sich im Dienste des Herrn durch reumütiges Bekenntnis ihrer Fehler erwerbe?

Die Schwester Elisabeth vom heiligen Angelus verspricht, allen Rittern und Töchtern der seligsten Jungfrau, die sich im Geiste bei unserem Herrn in seinem dreistündigen Leiden am Kreuze andächtig aufhalten und ihn um die Gnade der vollkommenen Erfüllung der drei Gelübde bitten, Anteil an den Verdiensten geben zu wollen, die sie durch ihre Seelenleiden erworben hat.

Die Schwester Beatrix Remón will jedem Ritter und jeder Tochter der allerseligsten Jungfrau ein Jahr ihrer Verdienste überlassen, wenn diese täglich um Gehorsam und Demut für sie bitten.

Die Schwester Maria de la Cueva schenkt allen Rittern und Töchtern der seligsten Jungfrau, die für sie um Glauben, um Erleuchtung und Gnade bitten, drei Jahre von ihren Verdiensten. Ich weiß, dass diese groß sind, da sie schwere innere Leiden auszustehen hat.

Die Schwester Maria vom heiligen Joseph sagt, sie wolle einem jeden der Genannten ein Jahr ihrer Verdienste schenken, wenn er ihr vom Herrn Demut und Gehorsam erbittet.

Die Schwester Katharina Alvarez will denen, die den Herrn für sie um Selbsterkenntnis bitten, ein Jahr der Verdienste schenken, die sie durch große Leiden erworben hat.

Die Schwester Eleonora de Contreras will für alle Ritter und für alle Schwestern zeitlebens täglich dreimal das Salve Regina beten, wenn diese täglich unsere Liebe Frau um ihre Fürsprache bei ihrem lieben Sohne bitten, dass er ihr die Gnade der Beharrlichkeit in seinem Dienste verleihe.

Die Schwester Anna Sánchez verspricht, für jeden Ritter und für jede Tochter der allerseligsten Jungfrau täglich dreimal das Ave Maria zu Ehren der Reinheit unserer Lieben Frau zu beten, wenn diese täglich unseren Herrn für sie um seine Liebe bitten.

Die Schwester Maria Gutiérrez sagt, sie wolle jedem der Genannten, der für sie um vollkommene Liebe zu Gott und um Beharrlichkeit in dieser Tugend bittet, Anteil geben an all ihren Verdiensten vor dem Herrn.

Die Schwester Maria Cimbrón sagt, dass all die Genannten Anteil haben sollen an den Verdiensten ihres Leidens, wenn sie täglich für sie um einen guten Tod bitten. Sie kann sich nämlich schon lange nicht mehr aus dem Bette erheben und ist ganz von Kräften.

Die Schwester Agnes Diáz verspricht, für jeden der Genannten, der täglich für sie die allerseligste Jungfrau um Anteilnahme ihrer Schmerzen unter dem Kreuze bittet, gleichfalls täglich fünf Vaterunser und Ave Maria zu beten. Die Schwester Johanna von Jesu will einem jeden der genannten Ritter und jeder Schwester, wenn sie täglich den Herrn um Reue über ihre Sünden bitten, Anteil gewähren an den Verdiensten für die Leiden und Unbilden, die sie um ihrer Sünden willen erduldet hat; und wahrlich, diese Leiden sind nicht gering.

Die Schwester Anna de Torres verspricht den Genannten ihre Verdienste während dieses Jahres, wenn sie täglich den Herrn bitten, dass er ihr um der bei seiner Annagelung an das Kreuz erduldeten Schmerzen willen die Gnade, ihm in der rechten Weise zu dienen, und Gehorsam verleihen wolle.

Die Schwester Katharina de Velasco sichert einem jeden der Genannten Anteil an den Verdiensten ihrer täglichen Andachten zu unserer Lieben Frau zu, wenn sie unseren Herrn bitten, ihr um des Schmerzes willen, den er bei Annagelung an das Kreuz empfand, die Gnade zu gewähren, ihn nicht zu beleidigen, und unserem Orden Zunahme zu verleihen. Diese Schwester ist in Verrichtung solcher Andachten sehr eifrig.

Die Schwester Hieronyma vom Kreuze verspricht, für jeden der Genannten, der für sie täglich um Demut, Geduld und um Erleuchtung bittet, wie sie dem Herrn dienen solle, alle Tage dreimal das Kredo zu beten und ihm außerdem die Verdienste eines Jahres zu schenken für die Leiden, die sie erduldet hat. Ein zufällig Anwesender erklärt: Wenn der Oberste der Ritter ihm vom Herrn die notwendige Gnade erstehe, ihm vollkommen zu dienen in allem, was der Gehorsam ihm befehle, so wolle er ihm alles Verdienst schenken, das er dadurch in diesem Jahre gewinnen würde.

Die Schwester Stephanie Samaniego verspricht, für jeden Ritter und für jede Tochter der seligsten Jungfrau täglich das Gebet vom Namen Jesu zu verrichten und ihnen die Verdienste eines Jahres für ihre ausgestandenen Krankheiten und Versuchungen zu schenken, wenn sie ihr vom Herrn die Gnade, ihm zu dienen und ihn nicht zu beleidigen, sowie einen lebendigen Glauben und Sanftmut erbitten.

Die Schwester Antonie de Aguilar will den dritten Teil der Verdienste ihrer Krankheiten und Leiden für ihr ganzes Leben allen Rittern und Töchtern der seligsten Jungfrau zuwenden, die jeden Tag eine Zeitlang der Schmerzen unserer Lieben Frau gedenken, für sie selbst in einem schweren Anliegen ihrer Seele, für unsere Mutter Priorin Theresia von Jesu um Erhaltung ihres Lebens und endlich für die Zunahme unseres Ordens beten.

Theresia von Jesu schenkt einem jeden Ritter der seligsten Jungfrau, der täglich auch nur einen einzigen, aber ganz entschiedenen Akt erweckt sein ganzes Leben lang einen recht unwissenden, fehlerhaften, gefräßigen und übelgesitteten Oberen ertragen zu wollen, an dem Tag, an dem er diesen Akt setzt, die Hälfte der Verdienste jenes Tages, sowohl von der Kommunion als auch von ihren schweren Leiden und allem übrigen, was allerdings sehr wenig sein wird. Zur Erweckung dieses Altes betrachte man die Demut, in der unser Herr vor seinen Richtern stand, und den Gehorsam, den er geübt bis zum Tode am Kreuze. Dieser Vertrag gilt für eineinhalb Monate.

Leitsätze und Denksprüche der heiligen Theresia von Jesu

Lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und demütig.

St. Chrysostomus: Das vollkommene Martyrium besteht nicht allein im Blutvergießen, sondern auch darin, dass man sich in Wahrheit von Sünden frei hält und die Gebote Gottes erfüllt. Auch die wahre Geduld in Widerwärtigkeiten macht zum Martyrer.

Was unserem Willen Wert verleiht, ist seine Vereinigung mit dem Willen Gottes, so dass man nichts anderes will, als was Seine Majestät will.

Der vollkommene Besitz dieser Liebe ist Seligkeit.

Es ist eine Bestimmung der alten Satzungen, dass die Nonnen am Tage ihrer Einkleidung und am Tage ihrer Profeß die heilige Kommunion empfangen.

Mittel gegen Verfolgungen und Beleidigungen.

Damit die Verfolgungen und Beleidigungen der Seele Nutzen bringen, ist es gut, zu bedenken, dass sie, ehe ich sie erleide, Gott zugefügt werden; denn bevor der Schlag auf mich fällt, wurde er schon der göttlichen Majestät durch die Beleidigung versetzt.

Auch erwäge man, dass der wahrhaft Liebende schon mit seinem Bräutigam übereingekommen sein muss, ihm ganz anzugehören und nichts mehr für sich selbst zu wollen. Erträgt also Gott das Unrecht, warum sollen wir es nicht ertragen? Was uns schmerzen muss, ist die Beleidigung der göttlichen Majestät; denn nicht an der Seele berührt uns das zugefügte Unrecht, sondern nur an diesem irdischen Leibe, der es wohl verdient hat, zu leiden.

Leiden und Sterben muss unser Verlangen sein.

Keiner wird über seine Kräfte versucht.

Nichts geschieht ohne Gottes Willen. Mein Vater, du bist der Wagen Israels und sein Lenker, sagte Elisäus zu Elias.

Antiochus verbreitete wegen seiner Sünden einen so üblen Geruch, dass ihn weder er noch seine Begleiter ertragen konnten.

In der Beichte soll man nur seine Fehler und Sünden sagen, nicht aber über seine Tugenden und über die Vorgänge beim Gebete sprechen außer mit einem Beichtvater, von dem man weiß, dass er dafür Verständnis hat. Die Priorin wird die Notwendigkeit prüfen, wenn ihr eine Nonne darüber berichtet, und entscheiden, was zu tun sei. Denn wer nicht weiß, sagt Cassian, dass die Menschen schwimmen können, ist wie einer, der sie nie hat schwimmen sehen, und nicht weiß, was das ist. Sieht er, dass sie sich ins Wasser stürzen, so wird er meinen, sie wollen sich alle ertränken.

Der Herr wollte dass Joseph seine Vision seinen Brüder erzählte und erklärte, obwohl ihm das überaus teuer zu stehen kam.

Die Furcht, die eine Seele empfindet, wenn ihr Gott eine ausgesuchte Gnade erweisen will, ist offenbar nur eine vom Geiste bewirkte Ehrfurcht, wie wir dies an den vierundzwanzig Ältesten sehen, von denen die Heilige Schrift berichtet. Man sündigt nicht, wenn man vom Bösen keine Erkenntnis hat; so ließ der Herr den König von Ägypten nicht mit dem Weibe des Abraham sündigen, da der König dachte, es sei dies nicht die Frau des Patriarchen, sondern seine Schwester.

Wenn die Fähigkeiten der Seele in der Ekstase aufgehoben sind und ihr gewisse Anlagen vorgestellt werden, um sie Gott zu empfehlen, so kann man annehmen, dass ein Engel sie ihm vorträgt; denn es stand, wie es in der heiligen Schrift heißt, ein Engel vor Gott, um ihm Rauchwerk und unsere Gebete darzubringen. Ermahnungen der heiligen Mutter Theresia an ihre Nonnen

1. Die Erde, die nicht bearbeitet wird, bringt nur Disteln und Dornen hervor, sollte sie auch fruchtbar sein; in gleicher Weise verhält es sich auch mit der Seele des Menschen.

2. Von allen geistlichen Personen, wie von Ordensleuten, Priestern und Einsiedlern, sprich nur Gutes!

3. Wenn du unter vielen bist, so rede stets nur wenig!

4. Sei bescheiden in allem, was du tust und redest!

5. Sei nie allzu hartnäckig, zumal in Dingen, an denen wenig gelegen ist!

6. Rede mit allen in gemäßigter Frömmigkeit!

7. Spotte nie über etwas!

8. Weise niemanden zurecht ohne Bescheidenheit, Demut und eigene Betretenheit!

9. Richte dich nach der Stimmung dessen, mit dem du umgehst; sei fröhlich mit den Fröhlichen, traurig mit den Traurigen; kurz: Werde allen alles, um alle zu gewinnen!

10. Rede nie etwas, ohne es vorher wohl überlegt und unserem Herrn angelegentlich empfohlen zu haben, damit du niemals etwas sprichst, was ihm missfällt!

11. Entschuldige dich nie, wenn du nicht einen sehr triftigen Grund hast!

12. Sprich nie etwas zu deinem Lobe, z. B. von deinem Wissen, von deiner Tugend, von deiner Herkunft, außer du habest Hoffnung, dass es zum Guten diene; dann geschehe es aber mit Demut und mit der Erinnerung, dass es Gaben Gottes sind!

13. Rede von keiner Sache mit Übertreibung, sondern sage deine Ansicht mit Mäßigung!

14. Allen deinen Gesprächen und Unterhaltungen mische immer etwas Geistliches bei; dadurch werden mäßige Worte und üble Nachreden vermieden!

15. Behaupte nie etwas, was du nicht weißt!

16. Dränge dich in keiner Sache mit deiner Ansicht vor, wenn du nicht darum gefragt wirst, oder wenn es nicht die Liebe fordert!

17. Spricht jemand von geistlichen Dingen, so höre in Demut zu wie ein Schüler und nimm das Gute, das einer sagt, zu deiner Belehrung hin!

18.Deinem Obern und Beichtvater entdecke alle deine Versuchungen, Unvollkommenheiten und Kämpfe, damit er dir Rat und Mittel angebe, wie du sie überwinden kannst!

19. Halte dich nicht außer deiner Zelle auf und gehe nicht aus ihr ohne Ursache; wenn du aber hinausgehst, so bitte Gott um seinen Beistand, dass du ihn nicht beleidigen mögest!

20. Iß und trink nur zu den gewöhnlichen Stunden — und da mit innigem Dank gegen Gott!

21. Verrichte alles so, als sähest du die göttliche Majestät wahrhaft vor dir gegenwärtig! Auf diese Weise gewinnt eine Seele viel.

22. Über niemand, außer über dich selbst, höre oder rede etwas Böses! Kannst du dich der üblen Rede über dich freuen, so machst du gute Fortschritte.

23. Jedes Werk, das du tust, richte auf Gott, opfere es ihm auf und bitte ihn, dass es zu seiner Ehre und Verherrlichung gereichen möge.

24. Bist du fröhlich, so überlasse dich nicht übermäßigem Lachen; deine Freude sei demütig, bescheiden, anmutig und erbauend.

25. Betrachte dich immer als die Dienerin aller, und in allem blicke auf Christus, unsern Herrn! Dann wirst du Achtung und Ehrfurcht vor allen haben.

26. Zur Erfüllung des Gehorsams sei immer so bereit, als ob Christus selbst durch deinen Prior oder Vorgesetzten dir befohlen hätte.

27. Bei jedem Werke und zu jeder Stunde erforsche dein Gewissen! Bemerkst du Fehler, so suche sie mit der Gnade Gottes zu bessern! Auf diese Weise wirst du die Vollkommenheit erreichen.

28. Denke nicht an die Fehler anderer, sondern an ihre Tugenden und an deine eigenen Fehler!

29. Habe immer ein großes Verlangen, in allem und bei Jeder Gelegenheit etwas um Christi willen zu leiden!

30. Jeden Tag opfere dich Gott fünfzigmal auf, und zwar mit großem Eifer und feurigem Verlangen nach Gott!

31. Was du am Morgen betrachtest, das halte dir den ganzen Tag über gegenwärtig; verwende darauf allen Eifer; denn dadurch machst du große Fortschritte!

32. Bewahre sorgfältig die Gefühle, die der Herr dir mitteilt; und die (frommen) Anregungen, die er dir in der Betrachtung eingibt, setze ins Werk!

33. Vermeide stets soviel wie möglich die Sonderheit; denn in einer (geistlichen) Gemeinde ist sie ein großes Übel!

34. Die Vorschriften und die Regel deines Ordens lies oft und halte sie gewissenhaft!

35. In jedem Geschöpfe betrachte die Vorsehung und Weisheit Gottes; ihn preise in allen Dingen!

36. Mache dein Herz los von allen Dingen, suche Gott und du wirst ihn finden!

37. Zeige nie in deinem Äußeren eine Andacht, die du nie in deinem Inneren empfindest; deine Unandacht aber darfst du wohl verbergen!

38. Offenbare nie deine innere Andacht ohne große Notwendigkeit! Mein Geheimnis ist für mich! sagen der heilige Franziskus und der heilige Bernhard.

39. Über die Speisen, seien sie nun gut oder schlecht bereitet, beklage dich nicht; denke vielmehr an die Galle und den Essig, die man Jesus Christus reichte!

40. Bei Tisch rede mit niemand und erhebe deine Augen nicht, um andere anzusehen!

41. Betrachte die himmlische Tafel, bei der Gott die Speise und die heiligen Engel die Gäste sind; zu dieser Tafel erhebe die Augen mit dem Verlangen, dabei zu sein!

42. Vor deinen Oberen, in denen du Jesus Christus schauen sollst, rede immer nur das Notwendige und dies mit großer Ehrerbietung!

43. Man soll nie etwas tun, was man nicht vor jedermann tun könnte.

44.Vergleiche keinen mit einem anderen; denn dies ist eine gehässige Sache!

45. Wirst du über etwas zurechtgewiesen, so nimm es mit innerlicher und äußerlicher Demut an und bitte Gott für den, der dich zurechtgewiesen!

46. Wenn dir ein Oberer etwas befiehlt, so sage nicht, ein anderer habe dir das Gegenteil aufgetragen, sondern denke, alle Oberen haben heilige Zwecke im Auge, und verrichte gehorsam, was man dir befiehlt!

47. Was dich nicht angeht, davon rede und darnach frage nicht vorwitzig!

48. Vergegenwärtige dir dein vergangenes Leben, um es zu beweinen! Denke an deine gegenwärtige Lauheit und wieviel dir noch fehlt, um von hier in den Himmel zu kommen, damit du in Furcht lebest! Dadurch wirst du große Güter erlangen!

49. Tue immer, was deine Hausgenossen dir sagen, wenn es nicht wider den Gehorsam ist, und antworte ihnen mit Demut und Freundlichkeit!

50. Begehre nie etwas Besonderes, weder in der Nahrung noch in der Kleidung, wenn nicht eine große Not dich drängt!

51. Lasse nicht ab, dich bis zum Tod zu demütigen und abzutöten in allen Dingen!

52. Erwecke recht oft Akte der Liebe; denn sie entzünden und erweichen die Seele!

53. Auch Akte der übrigen Tugenden sollst du erwecken!

54. Opfere dem ewigen Vater alles auf in Vereinigung mit den Verdiensten seines Sohnes Jesus Christus!

55. Sei mild gegen alle, gegen dich aber streng!

56. An den Festtagen der Heiligen betrachte ihre Tugenden und bitte den Herrn, dass er sie dir verleihe!

57. Die abendliche Gewissenserforschung verrichte mit großer Sorgfalt!

58. An Kommuniontagen betrachte (des Morgens), dass du trotz deines Elendes Gott empfangen darfst; beim Abendgebet aber, dass du ihn empfangen hast!

59. Bist du über andere gesetzt, so weise niemand im Zorne zurecht, sondern erst, wenn der Zorn vorüber ist; so wird die Zurechtweisung nützen!

60. Strebe eifrig nach der Vollkommenheit und Andacht, und damit verrichte alle deine Werke!

61. Übe dich ernstlich in der Furcht des Herrn; denn sie macht die Seele zerknirscht und demütig!

62. Bedenke wohl, wie schnell die Menschen sich ändern und wie wenig man sich auf sie verlassen kann; darum halte dich fest an Gott, der unveränderlich ist!

63. Berate die Angelegenheiten deiner Seele mit deinem Beichtvater, wenn er gelehrt und im geistlichen Leben erfahren ist; ihm teile sie mit und folge seinem Rate!

64. Sooft du kommunizierst, erbitte dir irgendeine besondere Gnade von Gott um der großen Barmherzigkeit willen, in der er zu deiner armen Seele gekommen ist!

65. Wenn du auch viele Heilige zu Fürbittern hast, so verehre doch als solchen ganz besonders den heiligen Joseph; denn er erlangt viel von Gott!

66. Zur Zeit der Traurigkeit und der Beunruhigung unterlasse nicht deine gewöhnlichen Gebets und Bußübungen! Deshalb sucht dich der böse Feind zu beunruhigen, damit du diese Übungen unterlassest. Verrichte im Gegenteil mehr als sonst, und du wirst sehen, wie schnell der Herr dir hilft!

67. Deine Versuchungen und Unvollkommenheiten verbirg vor jenen im Hause, die weniger als du in der Tugend begründet sind, sonst würdest du dir und ihnen schaden; nur mit Vollkommenen rede darüber!

68. Gedenke, dass du nur eine Seele hast und nur einmal sterben wirst; — dass du nur ein Leben, und zwar ein kurzes, dir selbst eigenes Leben hast, — dass es nur eine, und zwar ewige Glorie gibt! Auf diese Weise wirst du von vielen Dingen lassen.

69. Dein Verlangen sei, Gott zu schauen, — deine Furcht, ihn zu verlieren, — dein Schmerz, ihn noch nicht zu genießen, — deine Freude, dass er dich zu sich führen kann! Dann wirst du in großem Frieden leben. Ermahnung der heiligen Theresia an ihre Töchter bei ihrem Abschied von Soria Meine Töchter! Da ich in Liebe euch zugetan bin, so trage ich euch drei Dinge auf: Das erste ist die Beobachtung der Ordensvorschriften; das zweite der Gehorsam gegen die Obern; das dritte die gegenseitige Liebe zueinander. Wenn ihr diese drei Stücke befolget, so verheiße ich euch, dass Gott der Herr euch den doppelten Geist verleihen werde, wie unser heiliger Vater Elisäus ihn erhalten, weil an seinem Festtage dieses Kloster gegründet wurde. Kurze Ansprache der heiligen Theresia bei ihrem Abschied von ihren Töchtern zu Valladolid, drei Wochen vor ihrem Tode Meine Töchter! Ich reise von diesem Kloster sehr getröstet ab, sowohl in Anbetracht der Vollkommenheit, die hier geübt wird, als auch der Armut, die ich hier sehe, und der Liebe, die jede zur anderen trägt. Wenn ihr so weiterlebet wie bisher, wird unser Gott euch mächtig beistehen. Jede von euch sorge dafür, dass ihrerseits kein Pünktlein von dem fehle, was die vollkommene Ordensobservanz betrifft.

Verrichtet die Ordensübungen nicht aus bloßer Gewohnheit, sondern erwecket heldenmütige Akte, und zwar mit täglich steigender Vollkommenheit! Befleißigt euch, nach Hohem zu streben; denn daraus erwächst großer Nutzen, wenn auch dieses Verlangen nicht ins Werk gesetzt werden kann! Worte der sterbenden Theresia an ihre Nonnen Meine Töchter und Frauen! Verzeihet mir das böse Beispiel, das ich euch gegeben habe, und ahmet nichts davon nach! Denn ich war die größte Sünderin von der Welt und habe meine Regel und Satzungen am wenigsten gehalten. Um der Liebe Gottes willen bitte ich euch, meine Töchter, haltet eure Regel und Satzungen mit großer Vollkommenheit und seid gehorsam euren Obern! Grundsätze der heiligen Theresia Nichts soll dich ängstigen; nichts dich erschrecken! Alles vergeht; Gott bleibt derselbe; Geduld erreicht alles. Wer Gott besitzt, dem kann nichts fehlen; Gott nur genügt.

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Satzungen für die Unbeschuhten Karmeliten

Quelle Sechster Band 1941: Weg der Vollkommenh eit, S. 218-249 (Imprimatur Monachii, die 16 Junii 1941 F. Buchwieser Vic. Gen.),

Einführung in die Satzungen

Unterm 7. Februar 1562 hatte die heilige Theresia vom Apostolischen Stuhl die Vollmacht erhalten, in Ávila ein Kloster für Frauen nach der strengeren Regel des Ordens Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel zu gründen und behufs der regeltreuen Leitung desselben Satzungen oder Verordnungen aufzustellen, »soweit sie dem kanonischen Recht nicht entgegen sind, bzw. sie zu ändern, außer Kraft zu setzen oder neue an deren Stelle zu setzen, je nachdem es die Umstände erfordern«. Und diese Vollmacht wurde unterm 17. Juli 1565 durch ein weiteres Apostolisches Breve erneuert und bestätigt.

Kraft dieser Apostolischen Vollmacht verfasste denn die Reformatorin des Karmels nach reiflicher Beratung mit ihren Beichtvätern und Männern, die in Sachen der Leitung von Klosterfrauen Erfahrung besaßen, Konstitutionen oder Satzungen, d. i. eine Art Erweiterung oder genauere Festle-gung der an sich sehr knappen Ordensregel, zwecks einer gesicherten und der Beobachtung der ursprünglich stren-gen Regel entsprechenden Leitung des von ihr 1562 ge-gründeten St.-Josephs-Klosters von Ávila und der allenfalls in Zukunft noch entstehenden Klöster des reformierten Karmels. Bis dahin scheint die Heilige ihre Töchter nur auf Grund mündlicher Anweisungen im Sinne der alten unge-milderten Regel geführt zu haben.

Als im Jahre 1567 der General des Ordens, P. Johannes Baptista Rubeo, zwecks Visitation bzw. Reform der Klöster seines Ordens in Spanien auch nach Ávila kam und mit der heiligen Theresia bekannt wurde, legte ihm diese die von ihr verfassten neuen Satzungen für die reformierten Frau-enklöster ihres Ordens vor. Der Ordensgeneral, sehr zu-frieden mit dem Geiste des ersten Reformklosters von Ávila sowie auch mit dem Wortlaut der Satzungen, hieß diese gut; ja er wollte ausdrücklich, dass sie auch auf die in Zukunft zu gründenden Klöster der Reform ausgedehnt würden.

Diese Satzungen sind ein neuer Beweis für das kluge Urteil und das Organisationstalent unserer Heiligen wie nicht minder für ihr weises Maßhalten in allen Dingen. Sie will mit ihrer Reform wohl zurückkehren zur ursprünglich strengen Regel der Karmeliten, wie sie 1247 von Papst In-nozenz IV. approbiert worden war, ohne die Milderungen anzunehmen, die Papst Eugen IV. im Jahre 1432 gestattet hatte. Aber gleichwohl hält sie sich fern davon, ihren geist-lichen Töchtern neue, außergewöhnliche Strengheiten auf-zubürden. Das, worauf sie in erster Linie Gewicht legt, ist, dass das Leben im Karmel nach dem Vorbild der ersten Ein-siedler des Karmels auf die drei Grundzüge zurückgeführt werde: Gebet, Einsamkeit und Buße. Aber das Gebet soll nach ihrer Anleitung als eine beständige Äußerung der Liebe aufgefasst werden; die Einsamkeit und Absonderung von der Welt soll versüßt werden durch echte schwesterli-che Liebe; die Bußwerke sollen jederzeit den Vorschriften der Regel angemessen und dem Urteil der Vorgesetzten un-terworfen sein. Obschon Theresia auf der genauen Be-obachtung der von der ursprünglichen Regel vorgeschrie-benen Fasten und der gewissenhaften Enthaltung des kirch-lichen Stundengebetes besteht, verbietet sie gleichwohl in diesen Satzungen den Schwestern direkt alle außerordentli-chen Bußwerke, soweit sie eigener Willkür entspringen. Mit seltener Klugheit versteht sie, so von ihren geistlichen Töchtern alle verweichlichende Milderung wie auch jede schwächende Strengheit fernzuhalten. Für Übertretung der Regel setzt sie strenge Strafen fest; doch auf der anderen Seite findet sie für Schwache und besonders für Kranke Worte rührender Mutterliebe. Wohlvertraut mit den weib-lichen Schwächen, auch in den Klöstern, räumt sie gerech-ter Kurzweil in der Zeit der gemeinsamen Erholung ihren Platz ein, verbietet aber auch streng jede Äußerung von Zärtlichkeit und Liebkosung in ihren Klöstern. Kurz und gut: Weise Milde und unnachsichtliche Strenge, alles am rechten Platze; Klugheit und mütterliche Liebe, reife Erfah-rung und genaue Kenntnis des Menschenherzens haben an diesen Satzungen in gleicher Weise mitgearbeitet.

Die Originalhandschrift dieser Satzungen, die von Anfang an von allen Autoren als Werk der heiligen Theresia be-zeugt worden, ist verlorengegangen oder wenigstens bis heute trotz wiederholter Forschungen nicht aufzufinden. Wohl aber sind davon verschiedene authentische Abschrif-ten aus der ersten Zeit erhalten.

P. Ambrosius a S. Teresia O. C. D. (Rom)

Satzungen für die unbeschuhten Karmelitinnen gegeben von der heiligen Mutter Theresia von Jesu

Von der Ordnung, die bei den geistlichen Übungen zu beobachten ist Die Mette soll nach neun Uhr, nicht früher, aber auch nicht viel später, gebetet werden, damit die Schwestern nach deren Beendigung noch eine Viertelstunde auf die Erforschung verwenden können, wie sie den Tag zugebracht haben. Zu dieser Erforschung werde mit der Glocke das Zeichen gegeben! Wer von der Mutter Priorin dazu beauftragt ist, lese sodann in der Muttersprache etwas Weniges über das Geheimnis vor, das am anderen Tage zu betrachten ist! Die auf diese Übung zu verwendende Zeit werde in der Weise berechnet, dass man Punkt elf Uhr mit der Glocke das Zeichen zum Schlafengehen gibt! Solange die Erforschung und Lesung währt, sollen alle Schwestern noch im Chore beisammenbleiben, aus dem sich nach Beginn der Offizien keine Schwester ohne Erlaubnis entfernen darf.

Im Sommer stehe man um fünf Uhr auf und verharre sodann bis sechs Uhr im innerlichen Gebete! Im Winter aber stehe man um sechs Uhr auf und verbleibe bis sieben Uhr im Gebete! Nach Beendigung des (innerlichen) Gebetes werden sogleich die Horen bis zur Non rezitiert, außer man würde an einem hohen Festtage oder am Gedächtnistage eines Heiligen, zu dem die Schwestern eine besondere Andacht tragen, bei der Terz schließen, um sie vor der Messe zu singen. An Sonn und Festtagen sollen Messe, Vesper und Mette gesungen werden. An den Ostertagen sowie an anderen hohen Festen, vorzüglich am Feste des glorreichen heiligen Joseph, können auch noch die Laudes gesungen werden.

Der Gesang sei niemals moduliert, sondern finde in ein und demselben Ton, in gleicher Stimmenhöhe statt! Für gewöhnlich werde das Offizium bloß rezitiert und die Messe still gelesen, damit uns noch etwas Zeit zum Erwerb des notwendigen Lebensunterhaltes verbleibe! Der Herr wird uns das nicht übelnehmen.

Die Schwestern sollen darauf achten, wegen geringfügiger Ursachen nicht vom Chore wegzubleiben. Nach Beendigung der Horen gehen sie an ihre Arbeiten. Die Messe sei im Sommer um acht Uhr, im Winter um neun Uhr! Wer dabei kommuniziert, soll noch kurze Zeit im Chore verbleiben.

Tage, an denen die heilige Kommunion empfangen werden soll

Die heilige Kommunion finde an jedem Sonntage, an den Festen unseres Herrn und unserer Lieben Frau sowie am Feste des heiligen Albertus und des heiligen Joseph und außerdem mit Erlaubnis der Mutter Priorin an jenen Tagen statt, an denen es der Beichtvater, entsprechend der Andacht und dem geistlichen Fortschritt einer jeden einzelnen Seele, für gut hält! Am Schutzfeste des Klosters kommuniziere man ebenfalls!

Kurz vor dem Mittagstische werde geläutet, damit die Schwestern sich erforschen über das, was sie bis zu dieser Stunde getan haben! Die hauptsächlichsten Fehler, die sie hierbei wahrnehmen, sollen sie zu bessern sich vornehmen und ein Vaterunser beten, damit ihnen Gott die Gnade dazu gebe. Eine jede knie sich an dem Orte, an dem sie sich eben befindet, nieder und erforsche kurz ihr Gewissen! Um zwei Uhr werde die Vesper gebetet, mit Ausnahme der vierzigtägigen Fastenzeit, in der sie um elf Uhr gebetet wird! Nach der Vesper, wenn sie um zwei Uhr gebetet wird, sollen die Schwestern eine Stunde lang (geistliche) Lesung halten. In der vierzigtägigen Fasten aber geschehe diese Lesung um zwei Uhr! Selbstverständlich soll zur Vesper um zwei Uhr geläutet werden. Ist diese eine feierliche, so halte man die vorgeschriebene Lesestunde nach dem Completorium.

Das Completorium werde im Sommer um sechs Uhr, im Winter um fünf Uhr gebetet! Im Winter und im Sommer soll um acht Uhr zum Stillschweigen geläutet und dieses bis zum anderen Tage nach beendigter Prim gehalten werden. Es werde mit großer Sorgfalt beobachtet! Auch während der ganzen übrigen Zeit ist es den Schwestern nicht gestattet, ohne Erlaubnis miteinander zu reden. Ausgenommen sind jene, die Ämter haben, wenn sie über notwendige Dinge sprechen müssen. Diese Erlaubnis gebe die Priorin, wenn eine Schwester mit einer anderen reden will, um die Liebe zum göttlichen Bräutigam zu steigern oder um in irgendeiner Not oder Anfechtung Trost zu finden! Das hier ausgesprochene Verbot erstreckt sich nicht auf eine bloße Frage oder Antwort oder auf ein paar Worte; denn so viel dürfen die Schwestern auch ohne Erlaubnis miteinander sprechen. Eine Stunde vor der Mette werde zum innerlichen Gebete geläutet! Diese Zeit können die Schwestern entweder mit (geistlicher) Lesung zubringen, und zwar nebst jener Stunde, die nach der Vesper für diese Übung bestimmt ist, oder sie können ihrer Stimmung entsprechend dem (innerlichen) Gebete obliegen, je nachdem sie es zur innerlichen Sammlung als förderlicher erachten.

Die Priorin trage dafür Sorge, dass gute Bücher vorhanden seien, wie »Kartäuser«, die »Blüte der Heiligen«, die »Verachtung der Welt«, das »Oratorium der Ordensleute«, die Bücher des Paters Ludwig de Granada oder des Paters Petrus de Alcántara, denn solche Nahrung ist der Seele gewissermaßen ebenso notwendig wie die Speise dem Leibe!

Die ganze Zeit, in der die Schwestern nicht bei der Kommunität weilen oder nicht mit einem Amte beschäftigt sind, verbleibe jede in ihrer Zelle oder in der Einsiedelei, die ihr die Priorin als Ort für ihre Zurückgezogenheit angewiesen hat! Dort verrichte sie an den Tagen, die keine Feiertage sind, irgendeine Arbeit! Durch diese Abgeschiedenheit erfüllen wir, was die Regel befiehlt, dass jede für sich allein sei. Keine Schwester aber darf ohne Erlaubnis der Priorin in die Zelle einer anderen gehen! Dies verpflichtet unter schwerer Strafe. In keinem Kloster befinde sich ein gemeinsames Arbeitszimmer!

Vom Zeitlichen

Immer lebe man vom Almosen, ohne irgendein bestimmtes Einkommen zu besitzen! Solange man es ertragen kann, sollen keine Almosensammlungen vorgenommen werden; nur in großer Not dürfen die Schwestern Almosen sammeln, sonst sollen sie sich mit Händearbeit fortbringen nach dem Vorbild des heiligen Paulus; der Herr wird sie mit dem Notwendigen versehen. Wenn sie nicht mehr verlangen als das Notwendige und Überfluss gern entbehren, so wird es ihnen nicht an dem fehlen, womit sie das Leben erhalten können. Sofern sie sich mit allen Kräften bemühen, den Herrn zufriedenzustellen, wird Seine Majestät Sorge tragen, dass es ihnen am nötigen Unterhalt nicht mangle.

Die Schwestern sollen ihren Unterhalt nicht mit feiner Arbeit zu verdienen suchen, sondern mit Spinnen oder mit solchen Arbeiten, die nicht so künstlich sind, dass sie den Geist einnehmen und ihn hindern, sich beständig mit dem Herrn zu beschäftigen. Sie sollen auch keine Arbeiten von Gold und Silber verfertigen. Über den Preis einer Arbeit aber mögen sie nicht streiten, sondern die dargebotene Bezahlung gutwillig annehmen. Erscheint ihnen diese zu gering, so mögen sie solche Arbeiten nicht mehr verfertigen.

In keiner Weise dürfen die Schwestern etwas für sich allein besitzen, weder in der Nahrung noch in der Kleidung; es werde ihnen dies durchaus nicht gestattet! Sie sollen weder einen Kasten noch ein Kästchen noch eine Schublade noch einen Wandschrank haben mit Ausnahme jener, die ein Amt in der Kommunität innehaben; überhaupt sollen sie nichts für sich allein, sondern alles gemeinsam besitzen. Es ist dies ein sehr wichtiger Punkt; denn durch Kleinigkeiten kann der Teufel allmählich eine Erschlaffung in der Vollkommenheit der Armut herbeiführen. Wenn darum irgendeine Schwester eine Anhänglichkeit an etwas hätte, sei es ein Buch oder eine Zelle oder was immer für eine Sache, so sei die Priorin sehr darauf bedacht, ihr diese Gegenstände wegzunehmen!

Vom Fasten

Vom Feste Kreuzerhöhung im September bis zum Ostertage werde, die Sonntage ausgenommen, gefastet. Der Genuß des Fleisches aber ist, wie es die Regel verordnet, außer im Notfalle, für immer untersagt. Die Kleidung sei aus rohem Tuch oder grobem schwarzem, jedoch ungefärbtem Wollenzeug! Der Habit habe enge Ärmel, die unten nicht enger seien als oben! Er sei ohne Falten, gleich weit, der Hinterteil nicht länger als der Vorderteil, und reiche bis aus die Füße herab! Das Skapulier sei vom selben Stoffe und vier Fingerbreit kürzer als der Habit! Der Chormantel, gleichfalls von grobem, jedoch weißem Tuche, habe gleiche Länge mit dem Skapuliere, und es werde auch hierzu so wenig Tuch als möglich verwendet! Man berücksichtige dabei immer das Notwendige und nicht das Überflüssige! Das Skapulier trage man über den Token! Die Token seien von Hanf und nicht gefältelt, die Unterkleider und ebenso die Bettücher von Etamin! Die Fußbekleidung bestehe in Sandalen, aus Hanf geflochten, und der Ehrbarkeit halber trage man Strümpfe von grobem Wollenzeug oder von Werg! Die Kissenüberzüge seien von Etamin, außer im Falle einer Notwendigkeit, in der man auch Leinwand dazu gebrauchen kann!

In den Betten habe man keinerlei Matratzen, sondern gefüllte Strohsäcke, die, wie es sich bewährt hat, auch für schwache und kränkliche Personen hinreichen! Man bringe bei den Betten keinen Vorhang an, außer im Notfalle eine Matte von Spartogras oder eine Kotze oder grobes Wollentuch oder etwas Ähnliches von geringem Werte! Eine jede habe ihr Bett für sich allein! Teppiche seien bloß für die Kirche vorhanden! Desgleichen bediene man sich auch keines Estradepolsters! Dies alles gehört zur Ordensobservanz, die in solcher Weise gehalten werden muss; es wird hier namentlich angeführt, weil sonst im Falle einer Erschlaffung (leicht) etwas in Vergessenheit kommt, was Ordensvorschrift und verpflichtend ist. Weder an der Kleidung noch am Bette darf sich etwas Farbiges befinden, und wäre die Sache auch noch so gering, wie z. B. ein Band. Niemals trage man Pelzkleider! Würde aber eine Schwester kränklich sein, so kann ihr noch ein Kleid von grobem Wollenzeug gestattet werden. Das Haupthaar soll geschnitten sein, damit man nicht mit Kämmen die Zeit vertan muss. Man soll auch weder einen Spiegel noch sonst etwas haben, was zur Pflege der Eitelkeit dient, sondern gänzlich auf sich selbst vergessen.

Von der Klausur

Vor jeder Person erscheine man verschleiert, außer vor Vater, Mutter und Geschwistern oder in einem Falle, in dem Nichtverschleierung ebenso gerechtfertigt wäre! Zudem verkehre man nur mit Personen, die uns zur Erbauung dienen und uns in unseren Gebetsübungen und zu geistlichem Troste förderlich sind; niemals aber diene der Verkehr zur bloßen Unterhaltung! Es sei immer noch eine andere Schwester zugegen, wenn man sich nicht über Angelegenheiten der Seele bespricht! Die Schlüssel zum Gitter und zur Pfortentüre bewahre die Priorin! Wenn ein Arzt oder ein Chirurg oder andere im Hause benötigte Personen oder der Beichtvater in die (Klausur) eintreten, sollen immer zwei Schwestern vorausgehen. Beichtet eine Kranke, so halte sich eine andere Schwester in solcher Entfernung auf, dass sie den Beichtvater sehen kann, mit dem nur die Kranke und nicht sie sprechen darf, außer sie müsste auf irgendeine Frage Antwort geben!

In den Klöstern, die im Inneren einen Chor haben, um das Allerheiligste Sakrament aufzubewahren, sei von außen keine Pforte zur Kirche, damit die Kapläne eintreten und (die Schwestern) bequem die Kirche schmücken können! Wo aber dies unmöglich und eine äußere Pforte notwendig ist, soll die Priorin den Schlüssel dazu haben und die Pforte nicht geöffnet werden, ohne dass zwei Schwestern miteinander sich dorthin begeben. Während die Schwestern die Kirche instand setzen, soll die äußere Pforte geschlossen bleiben.

Die Novizinnen dürfen Besuche annehmen wie die Profeßschwestern; denn wenn jene etwa (im Kloster) unzufrieden wären, so sollen es die Besuche nur hören. Man will sie nicht zurückhalten, wenn sie nicht selbst ganz gerne bleiben wollen; es soll ihnen Gelegenheit gegeben werden, dies zu offenbaren.

Um weltliche Angelegenheiten sollen sich die Schwestern nicht bekümmern und auch nicht davon reden, außer um jenen, die davon sprechen, behilflich zu sein, ihnen das Rechte zu raten oder sie in irgendeinem Leid zu trösten. Hat man aber nicht die Absicht, aus dem Gespräche Nutzen zu ziehen, so soll man es, dem bereits Gesagten gemäß, alsbald abbrechen; denn es ist viel daran gelegen, dass jene, die uns besuchen, mit einigem Gewinn und nicht mit bloßem Zeitverlust hinweggehen, sowie dass die Zeit uns verbleibe. Die Schwester, die einer anderen beim Besuche zugeteilt ist, habe acht, dass diese Vorschrift eingehalten werde! Wird sie übertreten, so ist sie verpflichtet, es der Priorin anzuzeigen, widrigenfalls sie der Strafe verfalle wie die Fehlende. Diese soll, nachdem sie von der ihr beigegebenen Schwester zweimal gewarnt worden ist, auf die dritte Übertretung hin neun Tage lang die Zelle hüten und am dritten dieser neun Tage im Refektorium eine Disziplin erhalten; denn es ist dies ein Punkt, an dem für den Orden viel gelegen ist.

Die häutigen Unterhaltungen mit den Verwandten sollen die Schwestern so viel wie möglich meiden. Denn abgesehen davon, dass sie sonst von ihren Angelegenheiten allzusehr eingenommen würden, wäre es auch schwer zu vermeiden, mit ihnen von weltlichen Dingen zu sprechen. Im Reden mit Auswärtigen, und seien es auch ganz nahe Verwandte, sei man sehr vorsichtig! Wenn es nicht Personen sind, die an Gesprächen über göttliche Dinge Freude haben, gehe man nur sehr selten bei und mache stets dem Gespräche bald wieder ein Ende!

Von der Aufnahme der Novizinnen

Man achte sehr darauf, dass jene, die aufgenommen werden sollen, dem Gebete ergebene Personen seien, dass sie die ganze Vollkommenheit anstreben und die Welt verachten. Sie dürfen nicht unter siebzehn Jahre alt sein. Wenn sie nicht losgeschält sind von der Welt, werden sie sich nur schwer an das gewöhnen können, was man hier übt. Auch ist es besser, vorher darauf zu sehen, als sie später wieder zu entlassen. Zudem müssen sie Gesundheit, Verstand und Geschicklichkeit besitzen, das göttliche Offizium zu beten und sich am Chore zu beteiligen.

Sieht man während des Probejahres einer Novizin, dass sie den rechten Geist und die übrigen zu unseren Übungen erforderlichen Eigenschaften nicht besitzt, so werde sie nicht zur Profeß zugelassen! Und sollte ihr auch nur eine davon fehlen, so darf sie dennoch nicht Profeß ablegen, es sei denn, sie wäre eine so große Dienerin des Herrn und dem Hause von solchem Nutzen, dass man glaubt, es werde durch sie keinerlei Unruhe entstehen und es sei unserem Herrn angenehm, wenn man ihrem heiligen Verlangen entspricht. Würde dieses aber nicht so groß sein, dass es zu dem Schlusse berechtigt, der Herr berufe sie zu diesem Stande, so darf sie durchaus nicht aufgenommen werden.

Wenn auch eine kein Vermögen hat, um es dem Kloster als Almosen geben zu können, so werde ihr deshalb die Aufnahme doch nicht verweigert, wie dies bis jetzt auch so gehalten wird! Hat sie aber Vermögen und will sie es hergeben, so fordere man es nicht gerichtlich ein, wenn es aus irgendeinem Grunde nicht übergeben werden würde! Von der Ablegung der Profeß aber werde sie deshalb nicht zurückgehalten! Man nehme sich sehr in acht, dass man bei der Aufnahme von Novizinnen nicht eigennützig sei! Denn allmählich könnte sich die Habsucht derart einschleichen, dass man mehr auf das Almosen als auf die Tugendhaftigkeit und sonstige Beschaffenheit einer Person Rücksicht nimmt. Dies darf durchaus nicht geschehen, weil es ein großes Übel wäre. Die Schwestern sollen darum immer die Armut vor Augen haben, zu der sie sich bekennen, und bedenken, dass nicht die Reichtümer ihren Unterhalt begründen, sondern der Glaube, die Vollkommenheit und das Vertrauen auf Gott allein. Diese Satzung soll sehr hochgehalten und nach Gebühr erfüllt werden. Man lese sie den Schwestern vor! Die Aufnahme und Profeß der Novizinnen geschehe stets nur mit Zustimmung des größeren Teiles des Konventes! Die Laienschwestern, die sich zur Aufnahme melden, müssen kräftig sein und zu erkennen geben, dass sie dem Herrn dienen wollen. Sie sollen ein Jahr lang ohne Habit verbleiben, damit man sehe, ob sie die Fähigkeit für die mit der Aufnahme verbundene Erfüllung der Pflichten haben, und damit auch sie erproben, ob sie diese ertragen können. Während dieser Zeit tragen sie keinen Schleier vor dem Gesichte, und es werde ihnen auch nachher der schwarze Schleier nicht gegeben! Nach zwei Jahren aber mögen sie Profeß ablegen, wenn sie nicht infolge ihres besonderen Tugendwandels früher zugelassen zu werden verdienen. Sie sollen mit Liebe und Schwesterlichkeit behandelt und mit Nahrung und Kleidung wie alle anderen versehen werden.

Von den niederen Ämtern

Die Kehrordnung beginne mit der Mutter Priorin, damit diese in allem ein gutes Beispiel gebe! Es werde sehr darauf geachtet, dass die Aufseherin für die Kleiderkammer sowie auch die Schaffnerin die Schwestern sowohl bezüglich der Nahrung als auch in allen übrigen Stücken mit Liebe versorgen! Die Priorin und die älteren Schwestern sollen der Regel gemäß nicht besser gehalten werden als alle anderen. Gleichwohl aber nehme man Rücksicht auf Bedürfnis und Alter, mehr jedoch auf das Bedürfnis als aus das Alter, weil manchmal auch bei höherem Alter dennoch weniger Bedürfnis vorhanden ist! Auf solch gleichmäßige Behandlungsweise aller werde sehr geachtet, da sie zu vielem nützlich ist!

Keine Schwester murre über die Kost, so dass sie etwa bei sich selbst spräche, es werde zuwenig oder zuviel gegeben, es sei zu gut oder zu schlecht bereitet! Die Priorin aber oder die Schaffnerin mögen sich nach dem richten, was der Herr gegeben, und dafür sorgen, dass es gut bereitet werde, so dass die Schwestern, die nichts anderes haben, mit dem Gereichten bestehen können.

Wenn die Schwestern irgendein Bedürfnis haben, sei es in betreff der Kleidung oder der Nahrung, so ist es ihre Pflicht, dies der Mutter Priorin mitzuteilen; die Novizinnen aber haben sich an ihre Meisterin zu wenden. Sollten sie indessen etwas außer dem Gewöhnlichen vonnöten haben, so mögen sie dies, und zwar auch dann, wenn die größte Not sie drängen würde, doch zuvor dem Herrn empfehlen; denn oftmals verlangt unsere Natur mehr, als die Notwendigkeit erheischt, und zuweilen trägt auch der böse Feind dazu bei, Furcht vor der Buße und dem Fasten einzuflößen.

Von den kranken Schwestern

Die Kranken sollen mit aller Liebe und Sorgfalt und mit allem Mitleid, unserer Armut entsprechend, gepflegt werden. Sie sollen Gott, unseren Herrn, loben, wenn er sie gut versorgt. Würde ihnen aber irgendeine Erleichterung abgehen, die den Reichen in ihren Krankheiten zu Gebote steht, so mögen sie sich darüber nicht betrüben. Zur Ertragung solcher Entbehrung müssen sie schon bei ihrem Eintritt in das Kloster entschlossen sein; denn das heißt ja eben arm sein, wenn man auch im Falle des dringendsten Bedürfnisses Mangel leidet. Die Mutter Priorin sehe mit großer Sorgfalt darauf, dass es eher den Gesunden am Notwendigen als den Kranken an Erleichterungen fehle! Diese sollen auch von den Schwestern besucht und getröstet werden.

Es werde eine Schwester als Krankenwärterin aufgestellt, die zu diesem Amte Geschicklichkeit und Liebe besitzt! Die Kranken aber sollen jene Vollkommenheit an den Tag zu legen trachten, die sie sich zur Zeit der Gesundheit erworben haben; sie sollen Geduld bewahren und, wenn das Übel nicht groß ist, möglichst wenig Ungelegenheit verursachen und gegen die Krankenwärterin folgsam sein. Auf diese Weise werden sie aus ihrer Krankheit Nutzen ziehen und mit Gewinn daraus hervorgehen und die Schwestern erbauen. Man gebe ihnen Leinwand und gute Betten mit Matratzen und Pflege sie mit großer Reinlichkeit und Liebe!

Verschiedene andere Vorschriften

Niemals werde den Schwestern zur Fertigung ihrer Arbeiten eine bestimmte Zeit festgesetzt! Aber eine jede trachte so zu arbeiten, dass (durch ihr Verdienst) die anderen zu essen haben, und man beachte wohl, was die Regel befiehlt, dass »wer essen will, auch arbeiten müsse«, wie der heilige Paulus getan! Will indessen eine Schwester bisweilen aus eigenem Antriebe für jeden Tag ein bestimmtes Maß von Arbeit übernehmen, so mag sie es tun können! Es werde ihr aber, wenn sie damit nicht fertig wird, keine Buße dafür auferlegt!

Täglich nach dem Abendessen oder der Kollation, während die Schwestern noch (im Refektorium) versammelt sind, gebe die Windnerin das Almosen an, das untertags gespendet wurde! Sie nenne die Wohltäter, damit die Schwestern es sich angelegen seinlassen, diese Gott zu empfehlen!

Bezüglich der Essensstunde können wir nichts Bestimmtes festsetzen; denn es kommt darauf an, was der Herr uns schickt. Ist etwas zu essen vorhanden, dann sei die Mittagsmahlzeit im Winter um halb 12 Uhr an den Kirchenfasttagen, um 11 Uhr an den Ordensfasttagen! Im Sommer aber werde um 10 Uhr zu Tische geläutet! Gibt der Herr einer Schwester in den Sinn, eine Abtötung vorzunehmen, so bitte sie um die Erlaubnis dazu, bevor man sich zu Tische niedersetzt! Diese heilsame Übung der Frömmigkeit lasse man nicht abkommen, da man mannigfachen Nutzen daraus zieht! Jedoch währe sie nur kurze Zeit, damit die Lesung nicht behindert werde! Außer dem Mittags und Abendtische darf keine Schwester ohne Erlaubnis etwas essen oder trinken.

Sind die Schwestern vom Mittagstische aufgestanden, so kann die Mutter Priorin erlauben, dass alle gemeinsam sich über das unterhalten, was ihnen am meisten zusagt, wenn es nur nicht die Grenzen überschreitet, die eine gute Ordensperson einhalten muss. Dabei sollen alle ihre Spinnrocken oder (sonstige) Arbeiten zur Hand haben; Spiel aber werde in keiner Weise zugelassen, da der Herr (gewiss) einigen die Gabe verleihen wird, die anderen zu erheitern! Wenn sie in solcher Weise sich versammeln, wird die ganze Zeit (der Erholung) gut zugebracht werden. Sie sollen sich auch hüten, einander lästig zu fallen, weshalb ihre Reden und Scherze bescheiden seien. Ist die Stunde der gemeinsamen Erholung vorüber, so dürfen die Schwestern im Sommer eine Stunde lang schlafen; wer nicht schlafen will, soll das Stillschweigen halten.

Nach dem Completorium und der Betrachtung kann, wie oben angegeben wurde, die Mutter Priorin im Winter wie im Sommer den Schwestern (abermals) erlauben, sich gemeinsam zu unterhalten, wobei sie wieder ihre Arbeiten zur Hand haben sollen. Die Dauer dieser Erholung ist dem Gutbefinden der Mutter Priorin überlassen.

Keine der Schwestern darf eine andere umarmen noch sie im Gesichte oder bei den Händen berühren, und es bestehe keine Sonderfreundschaft unter ihnen! Alle sollen insgemein einander lieben, wie Christus seinen Aposteln so oft befohlen. Diese Vorschrift wird leicht zu halten sein, da ihrer so wenige sind; die Schwestern mögen nur ihren Bräutigam nachzuahmen trachten, der sein Leben für uns hingegeben hat. An einer solch allgemeinen Liebe aller zueinander ist viel gelegen. Keine Schwester verweise einer anderen die Fehler, die sie an ihr wahrnimmt! Sind es beträchtliche Fehler, so mache sie die Betreffende im geheimen darauf aufmerksam, und erst dann, wenn sich diese auf die dritte Zurechtweisung hin nicht bessert, erstatte sie der Mutter Priorin Anzeige davon! Einer anderen Schwester aber sage sie nichts! Es werden auch Zelatorinnen aufgestellt, die auf die vorkommenden Fehler achtgeben; die übrigen Schwestern sollen sich nicht darum kümmern und, wenn sie solche wahrnehmen, darüber hinweggehen und nur auf ihre eigenen Fehler merken. Ebensowenig sollen sich die Schwestern einmischen, wenn andere in ihren Ämtern Fehler machen; handelt es sich um Wichtiges, dann sind sie, wie schon erwähnt, verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen. Die Schwestern mögen sich sorgfältig hüten, sich zu entschuldigen, es sei denn in Fällen, in denen es notwendig wäre; dadurch werden sie viel gewinnen.

Die Zelatorinnen seien eifrig darauf bedacht, die vorkommenden Fehler zu beachten und diese bisweilen auch auf Geheiß der Priorin zu rügen, selbst wenn es sich um Schwestern handeln würde, die älter sind als sie! Dadurch soll man in der Demut geübt werden. Aus eben diesem Grunde dürfen auch die so Zurechtgewiesenen nichts erwidern, selbst wenn sie schuldlos wären. Keine Schwester darf etwas hergeben oder von irgend jemand, und sei es auch von ihren Eltern, annehmen oder begehren ohne Erlaubnis der Priorin, der alles vorgezeigt werde, was man den einzelnen als Almosen bringt. Weder die Priorin noch eine der anderen Schwestern werde jemals mit dem Titel »Frau« angesprochen!

Da fast alles unserer Regel gemäß geordnet ist, so sollen zur Bestrafung der Übertretungen und Fehler, die gegen das bisher Gesagte begangen werden, jene Bußen dienen, die am Ende dieser Satzungen für größere oder geringere Schuld verzeichnet werden. In all den obenerwähnten Fällen wird die Mutter Priorin der Billigkeit gemäß mit Klugheit und Liebe dispensieren können, und sie verpflichte zu dessen Beobachtung nicht unter Sünde, sondern unter körperlicher Strafe. Mit Ausnahme der Kirche darf niemals ein Kloster prunkvoll erbaut werden, noch darf es etwas Prunkvolles zur Schau tragen. Das Holzgerät sei schlicht, das Haus klein, die Zimmer seien niedrig! Es soll ein Haus sein, das dem Bedürfnisse der Schwestern entspricht, nicht aber dem Überflusse dient. Es werde so fest als möglich gebaut und mit einer hohen Mauer umgeben! Auch fehle es nicht an einem freien Raum, um Einsiedeleien zu errichten, wohin sich die Schwestern nach dem Beispiele unserer heiligen Väter zum Gebete zurückziehen können!

Von den Verstorbenen

(Den Kranken und Sterbenden) sollen die Sakramente nach Vorschrift des Ordinariums gespendet werden. Für die Verstorbenen werden die Exequien und das Begräbnis mit einer Vigil und gesungener Messe abgehalten! Am Jahrestage finde ebenso eine Vigil mit gesungener Messe statt! Außerdem werden nach Möglichkeit die gregorianischen Messen gelesen! Wenn nicht, so werde vom ganzen Konvente (noch) ein Totenoffizium gebetet! Dies alles geschehe für die Nonnen in dem Konvente, in dem sie sterben! Für die Nonnen anderer Konvente, die nach der ursprünglichen Regel leben, werde, wenn möglich, ein Totenoffizium gebetet oder eine Messe gesungen! Für jene, die sich zur gemilderten Regel bekennen, werde eine Nokturn mit den Laudes (un oficio de finados) gebetet!

Von den Pflichten einer jeden Amtsschwester

Aufgabe der Mutter Priorin ist es, mit großer Sorgfalt darüber zu wachen, dass die Regel und die Satzungen in allem beobachtet, die Ehrbarkeit und die Klausur des Hauses mit großem Eifer gewahrt werden, achtzuhaben, wie alle ihre Ämter erfüllen, und endlich mit der Liebe einer Mutter für die geistlichen und zeitlichen Bedürfnisse der Schwestern Sorge zu tragen. Sie bemühe sich, die Liebe ihrer Untergebenen zu erwerben, damit diese ihr (um so lieber) gehorchen! Die Priorin stelle eine Pförtnerin und eine Sakristanin auf und wähle hierzu verlässige Personen! Diese kann sie jedoch nach Gutbefinden von ihren Ämtern wieder entfernen; denn es soll den Schwestern keine Gelegenheit gegeben sein, an irgendeinem Amte mit (ungeordneter Neigung) zu hängen. In gleicher Weise besetze die Priorin auch alle übrigen Ämter mit Ausnahme des Amtes der Subpriorin und des Amtes der Klavarinnen, die durch geheime Abstimmung gewählt werden! Letztere, wenigstens ihrer zwei, müssen schreiben und rechnen können.

Das Amt der Mutter Subpriorin besteht darin, für den Chor Sorge zu tragen, damit das Beten und Singen ordnungsgemäß (und) mit Pause geschehe, worauf sehr zu achten ist. An Abwesenheit der Priorin führe die Subpriorin den Vorsitz! Sie sei immer bei der Kommunität gegenwärtig und korrigiere im Chor und im Speisesaal, wenn die Priorin nicht anwesend ist, die Fehler, die dort begangen werden!

Die Klavarinnen haben alle Monate im Beisein der Priorin von der Einnehmerin Rechenschaft zu fordern, und die Priorin hat in wichtigen Sachen deren Gutachten einzuholen. Zur Aufbewahrung der Schriften des Konventes und des ihm etwa anvertrauten Gutes sei ein mit drei Schlüsseln versperrbarer Kasten vorhanden! Einen dieser Schlüssel behalte die Priorin, die beiden anderen aber werden von den zwei älteren Klavarinnen bewahrt!

Aufgabe der Sakristanin ist es, für sämtliche zur Kirche gehörigen Gegenstände sowie dafür Sorge zu tragen, dass daselbst dem Herrn mit großer Ehrerbietung und Reinlichkeit gedient werde. Auch dafür hat sie zu sorgen, dass die Beichten der Schwestern in geordneter Reihenfolge stattfinden. Keine Schwester aber lasse sie, bei Vermeidung der schweren Schuld, ohne Erlaubnis zum Beichtstuhl treten außer nur, um dem bestimmten Beichtvater zu beichten!

Das Amt der Einnehmerin und ersten Pförtnerin, das ganz in einer Person vereinigt sei, besteht in der Besorgung alles dessen, was für das Haus einzukaufen ist, vorausgesetzt, dass der Herr vorher die Mittel dazu gibt. An der Winde spreche sie nur mit leiser Stimme und in erbaulicher Weise! Sie berücksichtige mit Liebe die Bedürfnisse der Schwestern und besorge die Auszeichnung der Einnahmen und Ausgaben! Wenn sie etwas kauft, so streite und feilsche sie nicht! Nachdem sie zweimal gesprochen, nehme sie die Sache oder lasse sie! Ohne Erlaubnis der Priorin lasse sie keine Schwester an die Winde kommen, und soll eine zum Sprechgitter gehen, so rufe sie sogleich auch die Begleiterin herbei! Über das, was an der Winde vorkommt, teile sie niemanden etwas mit außer der Priorin! Sie händige den Schwestern keine Briefe aus, sondern gebe sie der Oberin, damit diese sie zuerst lese! Ebenso überbringe sie ohne Erlaubnis der Oberin keiner Schwester eine Botschaft, noch gebe sie eine solche hinaus bei Vermeidung der Strafe der schweren Schuld!

Die Zelatorinnen haben die Pflicht, auf die vorkommenden Fehler zu merken, um sie, wie schon erwähnt, der Oberin anzuzeigen. Es ist dies ein wichtiges Amt.

Die Novizenmeisterin sei eine Person von großer Klugheit, dem Gebete sehr ergeben und im geistlichen Leben wohlerfahren! Sie trage Sorge, den Novizinnen die Satzungen vorzulesen und sie in allem zu unterrichten, was sie sowohl in betreff der Zeremonien als auch der Abtötungen zu üben haben! Mehr Sorgfalt als auf das Äußere verwende sie jedoch auf das Innere! Darum lasse sie sich von den Novizinnen täglich Rechenschaft ablegen über ihren Fortschritt im Gebete, über ihr Verhalten bei der Betrachtung des vorgestellten Geheimnisses sowie über den Nutzen, den sie daraus gezogen! Sie unterweise sie in dieser Übung und belehre sie, wie sie sich zur Zeit der Tröstungen und der Trockenheiten zu verhalten haben, sowie auch darüber, wie sie selbst in geringfügigen Dingen beständig ihren eigenen Willen brechen müssen! Die Schwester, der dieses Amt anvertraut ist, habe acht, dass sie in keinem Stücke nachlässig sei! Denn es handelt sich darum, Seelen zu erziehen, die dem Herrn zur Wohnung dienen sollen. Sie behandle die Novizinnen mit Zärtlichkeit und Liebe und verwundere sich nicht über ihre Fehler! Denn nur allmählich werden sie voranschreiten. Eine jede töte sie nach Verhältnis der geistigen Kraft ab, die sie an ihr wahrnimmt, und lege mehr Gewicht auf vollkommenen Erwerb der Tugenden als auf äußere Bußstrenge! Die Priorin ordne an, dass die Novizenmeisterin in Erteilung des Leseunterrichtes unterstützt werde! Sämtliche Schwestern sollen der Priorin alle Monate einmal Rechenschaft ablegen, in welcher Weise sie im Gebete vorangeschritten sind und wie unser Herr sie führt; denn Seine Majestät wird ihr Licht verleihen, um jene auf den rechten Weg zu führen, die ihn nicht gehen. Es ist dies zugleich eine Übung der Demut und Abtötung und verschafft den Schwestern großen Gewinn; doch soll es immerhin dem freien Willen einer jeden überlassen bleiben. Sieht die Priorin, dass sie keine zur Novizenmeisterin geeignete Schwester habe, so möge sie selbst es sein und selbst dieses so wichtige Amt auf sich nehmen! In diesem Falle trage sie einer Schwester auf, ihr dabei behilflich zu sein!

Kann eine Schwester wegen notwendiger Beschäftigung in ihrem Amte nicht zur bestimmten Stunde dem innerlichen Gebete obliegen, so nehme sie sich eine andere Stunde dazu, in der sie weniger behindert ist! Dies gilt jedoch nur dann, wenn sie die ganze Stunde oder wenigstens den größeren Teil derselben nicht auf das Gebet verwenden konnte.

Von dem Schuldkapitel

Das Schuldkapitel werde der Vorschrift der Regel gemäß einmal in jeder Woche gehalten! Dabei sollen die Fehler der Schwestern in Liebe zurechtgewiesen werden. Es finde immer in der Frühe, und zwar in folgender Weise statt:

Ist mit der Glocke das Zeichen gegeben und sind alle Schwestern im Kapitel versammelt, so lese jene, die das Amt der Leserin hat, auf das von der Oberin oder Präsidentin gegebene Zeichen etwas von diesen Satzungen und der Regel vor! Ehe sie zu lesen beginnt, spreche sie: »Jube Done benedicere«, worauf die Präsidentin antworte: »Regularibus disciplinis nos instruere dineris, Magister coelestis.« Alle sagen: Amen. Hält es hierauf die Mutter Priorin für gut, eine auf die Lesung oder Zurechtweisung bezügliche kurze Ansprache zu halten, so sage sie zuvor: »Benedicite!« Die Schwestern antworten: »Dominus«, und beugen sich zur Erde, bis ihnen befohlen wird, sich zu erheben; alsdann sehen sie sich wieder. Nachdem die Ansprache beendet ist, stehen sie auf das von der Oberin gegebene Zeichen auf und bekennen ihre Fehler. Den Anfang machen die Novizinnen und die Laienschwestern, denen dann die übrigen Sehwestern unter Vorantritt der älteren folgen. Sie treten zu zwei und zwei in die Mitte des Kapitelsaales und bekennen der Präsidentin ihre äußeren Fehler und Nachlässigkeiten; zuvor aber sollen die Novizinnen und Laienschwestern sowie jene, die nicht Sitz und Stimme haben im Kapitel, entlassen werden.

Nur in zwei Fällen dürfen die Schwestern im Kapitel reden: Erstens, um ihre eigenen Fehler sowie die ihrer Mitschwestern einfach vorzubringen, und zweitens, um der Präsidentin auf die von ihr gestellten Fragen zu antworten.

Die Schwester, die angeklagt wird, hüte sich, eine andere auf einen bloßen Verdacht hin anzuklagen! Würde eine dies tun, so werde ihr dieselbe Strafe auferlegt, die dem angeschuldigten Vergehen zukommt! Ebenso werde mit jener verfahren, die eine andere einer Schuld anklagt, für die diese bereits genuggetan hat! Damit jedoch die Fehler und Mängel nicht verborgen bleiben, so kann eine Schwester der Mutter Priorin oder dem Visitator mitteilen, was sie gesehen oder gehört hat. Wer fälschlich über eine andere etwas aussagt, werde auf dieselbe Weise bestraft, und sie sei zudem noch gehalten, deren verletzten guten Ruf nach Möglichkeit wieder zu erstatten!

Jene, die angeklagt wird, erwidere nichts, außer es werde ihr befohlen! Alsdann sage sie zuvor demütig: »Benedicite!« Würde sie aber ungehalten antworten, so werde sie nach klugem Ermessen der Präsidentin noch schwerer gestraft, aber erst, wenn die Leidenschaft sich gelegt hat!

Die Schwestern sollen sich hüten, die gepflogenen Beratungen und geheimen Angelegenheiten eines Kapitels, auf welche Weise es auch sei, zu verbreiten und zu veröffentlichen. Von allem, was die Mutter im Kapitel gerügt und angeordnet hat, darf keine Schwester in tadelnder Weise etwas nach außen erwähnen; denn dadurch entstehen Zwistigkeiten, weicht der Friede aus dem Konvente, bilden sich Parteilichkeiten und maßt man sich das Amt der Vorgesetzten an.

Die Mutter Priorin oder Präsidentin soll mit liebevollem Eifer und mit Gerechtigkeitsliebe sowie ohne Hehl die Fehler, die an einer Schwester offen zutage treten oder deren sich eine anklagt, gemäß der hier folgenden Erklärungen gebührend zurechtweisen. Jedoch kann die Mutter Priorin die Strafe für eine Schuld, die nicht aus Bosheit begangen wurde — wenigstens das erste, zweite oder dritte Mal —, mildern oder abkürzen. Findet sie aber, dass eine Schwester aus gewisser Bosheit oder aus schlimmer Gewohnheit fehlt, so soll sie die früheren Strafen verschärfen und diese ohne Ermächtigung des Visitators nicht nachlassen oder mildern. Demnach werde jenen, die einen leichten Fehler gewohnheitsmäßig begehen, die für eine größere Schuld festgesetzte Buße auferlegt! Und in der gleichen Weise sollen auch den übrigen die (für eine Schuld) bestimmten Strafen verschärft werden, wenn sie solche aus Gewohnheit begehen.

Nach Anhörung und Zurechtweisung der Fehler bete man den Psalm: Deus misereatur usw., wie das Ordinarium es vorschreibt! Zum Schlusse des Kapitels sage die Präsidentin: »Sit nomen Domini benedictum«, worauf die Schwestern antworten: »Ex hoc nunc et usque in saeculum.«

Von der leichten Schuld

Eine leichte Schuld ist es, wenn eine Schwester auf das gegebene Zeichen sich nicht mit der gehörigen Eile oder Hurtigkeit anschickt, zur rechten Zeit wohlgeordnet und anständig in den Chor zu kommen.

Wenn eine erst nach dem Beginn des Offiziums (in den Chor) kommt oder wenn sie unrichtig liest oder singt oder sonst einen Fehler macht und sich nicht sogleich vor allen verdemütigt.

Wenn eine aus Nachlässigkeit das Brevier oder das Buch, aus dem sie beten soll, nicht bei sich hat.

Wenn eine nicht zu der hierfür bestimmten Zeit für die Lesung vorsorgt.

Wenn eine im Thore lacht oder eine andere zum Lachen reizt.

Wenn eine zu den gottesdienstlichen Übungen oder zur Arbeit zu spät kommt.

Wenn eine die Prosternationen und Inklinationen oder die anderen Zeremonien geringachtet und nicht in der gehörigen Weise verrichtet.

Wenn eine im Chor oder im Dormitorium oder in der Zelle irgendeine Unruhe oder ein Geräusch verursacht.

Wenn eine säumt, zur gehörigen Stunde zum Kapitel oder in das Refektorium oder zur Arbeit zu kommen.

Wenn eine müssige Reden führt oder mit unnützen Dingen sich beschäftigt oder auf diese Dinge aufmerkt; wenn eine übermäßigen Lärm macht.

Wenn eine mit Büchern, Kleidern oder anderen Sachen des Klosters nachlässig umgeht oder Sachen, die zum Gebrauche des Hauses dienen, bricht oder verdirbt.

Wenn eine ißt oder trinkt ohne Erlaubnis von seiten jener, die ihr diese erteilen kann.

Jenen, die solcher Dinge angeklagt werden oder sich selbst anklagen, werde als Buße ein Gebet oder nach Beschaffenheit der Schuld auch mehrere Gebete oder irgendein Werk der Verdemütigung oder besonderes Stillschweigen für das Brechen des vom Orden vorgeschriebenen Schweigens oder Enthaltung von einer Speise beim Mittagsmahle auferlegt!

Von der mittleren Schuld

Eine mittlere Schuld begeht eine Schwester, die sich noch nicht im Chor eingefunden hat, nachdem der erste Psalm beendet ist. Jene, die zu spät kommen, müssen sich so lange prosternieren, bis die Mutter Priorin ihnen befiehlt, aufzustehen.

Wenn eine sich die Freiheit nimmt, auf eine andere Weise zu singen und zu lesen, als es Gewohnheit ist.

Wenn eine ohne Aufmerksamkeit auf das göttliche Offizium ihre Augen umherschweifen lässt und so die Leichtfertigkeit ihres Geistes bekundet. Wenn eine mit den Altargeräten unehrerbietig umgeht.

Wenn eine nicht zum Kapitel oder zur Arbeit oder zur Predigt kommt oder von der gemeinsamen Mahlzeit wegbleibt.

Wenn eine das, was allen insgemein aufgetragen wurde, wissentlich zu tun unterlässt.

Wenn sich eine in Erfüllung des ihr zugeteilten Amtes nachlässig erweist. Wenn eine im Kapitel ohne Erlaubnis redet.

Wenn eine, die angeklagt wird, lauten Widerspruch dagegen erhebt. Wenn eine sich erlaubt, eine andere aus Rache eines Fehlers zu beschuldigen, dessen sie selbst am nämlichen Tage (von ihr) angeklagt wurde.

Wenn eine im Benehmen oder in der Kleidung sich unordentlich zeigt. Wenn eine eidliche Beteuerungen oder ungeziemende Worte vorbringt oder, was noch schlimmer ist, dies gewohnheitsmäßig tut.

Wenn eine streitet oder etwas sagt, wodurch die Schwestern beleidigt werden können.

Wenn eine jener, von der sie beleidigt worden ist, die Verzeihung verweigert, nachdem sie von ihr darum ersucht wurde.

Wenn eine ohne Erlaubnis in die Offizinen des Klosters geht.

Für diese und ähnliche Pflichtverletzungen werde im Kapitel von der Präsidentin oder von der damit beauftragten Schwester eine Disziplin als Strafe erteilt! Jene aber, die die Schuldige angeklagt hat, darf diese Strafe nicht vollziehen noch auch eine noch junge Schwester an den älteren.

Von der schweren Schuld

Eine schwere Schuld begeht eine Schwester, die mit einer anderen in unanständiger Weise zankt.

Wenn eine Schwester (eine andere) beschimpft, verwünscht oder sonstige ungeziemende und für Ordenspersonen unpassende Worte im Zorne gegen sie ausstößt.

Wenn eine fälschlich schwört oder wenn sie einer Schwester einen früher begangenen Fehler, für den diese bereits genuggetan hat, oder deren natürliche Mängel oder die Mängel ihrer Eltern in beschimpfender Weise vorhält. Wenn eine ihren eigenen Fehler oder den einer anderen Schwester verteidigt. Wenn erwiesen ist, dass eine absichtlich gelogen hat.

Wenn eine gewohnheitsmäßig das Stillschweigen bricht.

Wenn eine gewohnt ist, bei der Arbeit oder bei anderer Gelegenheit Neuigkeiten aus der Welt zu erzählen.

Wenn eine ohne Grund und ohne Erlaubnis die Ordensfasten und insbesondere die von der Kirche gebotenen Fasten bricht.

Wenn eine etwas von einer anderen Schwester oder von der Kommunität wegnimmt.

Wenn eine mit einer anderen die Zelle oder die ihr zum Gebrauche gegebene Kleidung vertauscht oder solchen Tausch mit einer anderen vornimmt.

Wenn eine ohne Erlaubnis und ohne offenbare Not zur Zeit der Ruhe oder auch zu einer anderen Zeit in die Zelle einer anderen geht.

Wenn eine ohne besondere Erlaubnis der Priorin an der Winde oder im Sprechzimmer oder an einem anderen Orte, wo auswärtige Personen sind, sich einfindet.

Wenn eine einer Schwester erzürnten Gemütes droht, wenn sie die Hand oder sonst etwas gegen sie erhebt, um sie zu schlagen, so werde ihr die Strafe der schweren Schuld verdoppelt!

Wer für Schulden dieser Art, ohne darüber angeklagt worden zu sein, um Verzeihung bittet, soll eine zweimalige Zurechtweisung im Kapitel erhalten, zwei Tage bei Brot und Wasser fasten und an einem Tage am letzten Platz der Tische vor dem Konvent ohne Tisch und Tischzeug essen. Jenen aber, die angeklagt wurden, werde noch eine Zurechtweisung und noch ein Tag Fasten bei Brot und Wasser hinzugefügt!

Von der schwereren Schuld

Eine schwerere Schuld begeht eine Schwester, wenn sie es wagt, mit der Mutter Priorin oder der Präsidentin frech zu streiten oder diesen eine grobe Rede zu geben.

Wenn eine Schwester eine andere boshafterweise schlägt. Eine solche fällt durch die Tat selbst in die Strafe der Exkommunikation und muss von allen gemieden werden.

Wenn eine Schwester Uneinigkeit und Zwietracht unter den übrigen stiftet oder gewohnheitsmäßig anderen die Ehre nimmt oder von ihnen in ihrer Abwesenheit Übles redet.

Wenn eine sich erlaubt, ohne Genehmigung der Mutter Priorin oder ohne Gefährtin, die Zeugin sein und sie deutlich hören soll, mit Auswärtigen zu sprechen.

Wenn eine wegen dergleichen Fehler angeklagt wird und der Schuld überführt ist, soll sie sich sogleich prosternieren und demütig (piadosamente) um Verzeihung bitten. Damit sie nach Verdienst gestraft werde, erhalte sie auf entblößte Schultern eine Disziplin, die so lange währe, als es die Mutter Priorin für gut hält! Nachdem sie sodann den Befehl erhalten, aufzustehen, begebe sie sich in die von der Mutter Priorin bezeichnete Zelle, und keine wage es, sich ihr beizugesellen oder mit ihr zu sprechen oder ihr etwas zu schicken. Sie soll erkennen, dass sie vom Konvente ausgeschieden und der Gesellschaft der Engel beraubt sei. Solange sie sich in der Buße befindet, darf sie nicht kommunizieren, auch zu keinem Amte verwendet, mit keinem Geschäfte betraut und zu keiner Sache beauftragt werden. Sie soll vielmehr des Amtes, das sie zuvor bekleidete, beraubt sein und im Kapitel weder Sitz noch Stimme haben, außer um sich selbst anzuklagen; sie soll ferner bis zur vollständigen Abbüßung ihrer Schuld die letzte von allen sein. Im Refektorium darf sie sich nicht zu den übrigen setzen, vielmehr soll sie, mit ihrem Mantel bekleidet, in der Mitte des Refektoriums auf dem bloßen Boden sitzen und nur Brot und Wasser genießen, wenn ihr nicht aus Barmherzigkeit auf Geheiß der Mutter Priorin sonst etwas gereicht wird. Diese erzeige sich mitleidsvoll gegen sie und sende ihr, wenn sie demütigen Herzens ist, eine Schwester zu, die sie tröste und in ihrer (guten) Gesinnung fördere! Einer solchen wende auch der ganze Konvent seine Gunst und Hilfe zu, und die Mutter Priorin weigere sich nicht, Barmherzigkeit an ihr zu üben, früher oder später, mehr oder minder, je nachdem das Vergehen es erfordert.

Wenn eine sich offen gegen die Mutter Priorin oder ihre Oberen auflehnt oder diesen etwas Unerlaubtes oder Unehrbares andichtet, soll sie außer der oben festgesetzten Strafe noch vierzig Tage lang Buße tun und der Stimme und des Sitzes im Kapitel sowie jedes Amtes, das sie innehatte, beraubt sein.

Wenn durch eine geheime Verschwörung oder boshafte Übereinkunft dieser Art weltliche Personen in irgendeiner Weise zur Verwirrung oder Schande der Schwestern oder des Klosters sich einmischen würden, so sollen die Schuldigen in das Gefängnis gesperrt werden und darin je nach der Größe des entstandenen Ärgernisses verbleiben. Wenn deshalb Parteiungen oder Spaltungen im Kloster entstünden, so sollen sowohl deren Urheber als auch deren Begünstiger der Strafe der Exkommunikation verfallen und gleichfalls eingesperrt werden. Wenn eine die Wiederherstellung der Ruhe oder die Bestrafung der Übertretungen zu verhindern sucht und die Oberen beschuldigt, als handelten sie aus Haß oder aus Missgunst oder anderen dergleichen Motiven, so soll sie wie jene, die gegen die Mutter Priorin konspirieren, mit der oben angeführten Strafe gestraft werden.

Wenn eine es wagt, ohne Erlaubnis der Mutter Priorin Briefe zu empfangen oder fortzusenden oder zu lesen oder sonst etwas hinauszuschicken oder das, was ihr gegeben wird, für sich zu behalten; ebenso, wenn durch die Übertretungen dieser Schwester jemanden in der Welt (Ärgernis) gegeben wird, so soll sie außer den in den Satzungen dafür bezeichneten Strafen bei den kanonischen Tagzeiten und bei der Danksagung nach dem Mittagessen vor der Chortüre sich so lange prosternieren, bis die Schwestern vorübergegangen sind.

Von der schwersten Schuld

Als schwerste Schuld ist die Unverbesserlichkeit jener anzusehen, die ohne Scheu die Fehler begeht und sich der Buße weigert.

Wenn eine sich der Apostasie schuldig macht oder die Grenzen des Konventes überschreiten würde, so verfalle sie der Strafe der Exkommunikation.

Schwerste Schuld ist es auch, wenn eine ungehorsam ist und mit offener Auflehnung einem Befehle des Prälaten oder Oberen, der ihr im besonderen oder allen gemeinsam erteilt wird, nicht Gehorsam leistet.

Wenn eine — was Gott, die Stärke derer, die auf ihn hoffen, nicht zulassen möge — in die Sünde der Sinnlichkeit fällt und des Fehlers überführt als sehr verdächtig angesehen wird.

Wenn eine etwas als Eigentum besitzt oder zu besitzen bekennt. Wird diese Schuld an einer bei ihrem Tode befunden, so sei sie des kirchlichen Begräbnisses beraubt.

Wenn eine an die Mutter Priorin oder an eine andere Schwester gewaltsam Hand anlegt oder wenn sie in irgendeiner Weise ein Vergehen einer Schwester oder des Konventes auswärtigen oder weltlichen Personen entdeckt, so dass der Schwester oder dem Konvent eine Unehre daraus erwachsen kann, oder wenn sie andere geheime Vorkommnisse des Konventes solchen Personen mitteilt. Wenn eine für sich oder für andere Würden oder Ämter oder etwas anstrebt, was gegen die Satzungen des Ordens ist.

Die Schwestern, die sich solcher Vergehen schuldig machen, sollen mit Gefängnis, verbunden mit Fasten und Abstinenz mehr oder weniger, je nach der Größe und Beschaffenheit des Vergehens und nach dem klugen Ermessen der Mutter Priorin oder des Provinzials oder Visitators, bestraft werden. Die anderen Schwestern seien gehalten, jede dieser Schuldigen, sobald es die Mutter Priorin befiehlt, in die Kerkerzelle abzuführen, widrigenfalls sie sich die auf Empörung gesetzte Strafe zuziehen würden. Es darf auch bei Vermeidung der nämlichen Strafe — jene ausgenommen, die die Eingekerkerte bewachen — keine mit dieser reden noch ihr etwas schicken. Würde die eingekerkerte Schwester entweichen, so soll die wachhabende Schwester oder jene, durch deren Versehen sie entwichen ist, in dieselbe Kerkerzelle gesperrt werden und darin Buße tun, aber erst, wenn sie der Schuld überführt ist, je nach der Beschaffenheit der Vergehen, deren sich die Entwichene schuldig gemacht hatte. Es sei eine bestimmte Kerkerzelle vorhanden, in der die hier genannten Schwestern zu büßen haben, und aus der sie solcher ärgerniserregender Vergehen wegen nicht anders befreit werden dürfen als durch den Provinzial oder Visitator.

Die Abtrünnige sowie auch jene, die in eine fleischliche Sünde fällt, sollen mit beständigem Kerker bestraft werden; auch jene, die eine Sünde begeht, die in der Welt die Todesstrafe verdient, und endlich jene, die aus Mangel an Demut ihre Schuld nicht erkennen wollen, sollen in das Gefängnis gesperrt und daraus nicht befreit werden, bis sie nach bewährter Besserung und Geduld auf den Rat aller hin, die für sie bitten, mit Zustimmung der Mutter Priorin und mit Erlaubnis des Visitators Befreiung verdienen.

Jede, die sich in besagter Kerkerzelle befindet, soll wissen, dass sie die aktive und passive Stimme und den Sitz verloren habe sowie jeder rechtsgültigen Handlung und jedes Amtes beraubt sei. Wird sie aber auch aus der Kerkerzelle entlassen, so sei sie darum doch noch nicht in die genannten Rechte wiedereingesetzt, wenn ihr diese Gnade nicht ausdrücklich gewährt wird. Und wenn ihr auch wieder der Sitz eingeräumt wird, so ist ihr damit doch nicht zugleich die Stimme im Kapitel, und wenn auch die aktive, doch nicht wieder die passive Stimme zurückgegeben, sofern ihr dies, wie schon erwähnt, nicht ausdrücklich zugestanden wird. Es kann aber einer Schwester, die der angeführten Vergehen sich schuldig gemacht, die Strafe nicht insoweit nachgelassen werden, dass sie zu irgendeinem Amte wählbar wäre, oder dass sie Begleiterin der Schwestern an der Winde oder an einem anderen Ort sein dürfte.

Ist eine in die Sünde der Sinnlichkeit gefallen, so darf sie, auch wenn sie in Reue über sich selbst freiwillig zurückkehrt und um Barmherzigkeit und Gnade bittet, dennoch in keiner Weise wiederaufgenommen werden, außer mit Erlaubnis und auf den Rat des Provinzials, oder wenn sonst ein vernünftiger Grund dazukäme. Wer vor der Priorin überführt wird, dass sie falsches Zeugnis abgelegt habe oder gewohnheitsmäßig andere verleumde, soll folgende Buße verrichten: Zur Stunde des Mittagessens sitze sie ohne Schleier, mit einem Skapulier bekleidet, auf das vorne und auf der Rückseite zwei Zungen von weißem und rotem Tuche verschiedenartig genäht sind, in der Mitte des Refektoriums auf dem Boden und genieße nur Wasser und Brot zum Zeichen, dass sie für die großen Zungenfehler diese Strafe erleide! Darauf werde sie in die Gefängniszelle abgeführt, und wenn sie nach einiger Zeit wieder daraus befreit wird, so habe sie weder Stimme noch Sitz!

Wenn, was Gott verhüten wolle, die Priorin in einen der erwähnten Fehler fallen würde, soll sofort ihre Absetzung erfolgen, damit sie auf das schärfste bestraft werde.

In jedem Konvente befinde sich ein Exemplar dieser Satzungen im Kasten der drei Schlüssel! Außerdem sollen mehrere Exemplare vorhanden sein, damit sie einmal in der Woche allen versammelten Schwestern zu einer von der Mutter Priorin bestimmten Zeit vorgelesen werden. Jede Schwester soll sie fest im Gedächtnis bewahren; dies möge besonders von den (in der Tugend) geförderten Schwestern mit der Gnade des Herrn beobachtet werden. Sie sollen diese Satzungen auch manchmal selbst sorgfältig lesen, weshalb mehrere Exemplare davon im Konvente vorhanden seien, damit jede nach Belieben ein Exemplar in die Zelle mitnehmen kann.

Das Almosen, das der Herr in Geld schickt, wird immer sogleich in den mit drei Schlüsseln versperrbaren Kasten gelegt, außer es wäre weniger als neun oder zehn Dukaten; in diesem Fall kann es der von der Priorin bezeichneten Klavarin übergeben werden. Diese aber händige der Prokuratorin nach Angabe der Priorin jenen Betrag aus, der zu verausgaben ist! Die Prokuratorin lege aber jeden Abend, bevor zum Stillschweigen ausgeläutet wird, der Priorin oder der genannten Klavarin Rechenschaft über die einzelnen Ausgaben ab! Die ausgefertigte Rechnung werde sodann im ganzen in das zu diesem Zwecke vorhandene Buch eingetragen, um es alljährlich dem Visitator der Rechenschaft wegen vorzulegen!

Gott sei Dank

Nach der Vorschrift des Ordinariums soll die Disziplin stattfinden: in der vierzigtägigen Fastenzeit und im Advente, sooft das Offizium de feria gebetet wird, und in der übrigen Zeit am Montag, Mittwoch und Freitag, wenn das Offizium an diesen Tagen gleichfalls de feria trifft. Außerdem wird noch an jedem Freitag des Jahres eine Disziplin für die Ausbreitung des Glaubens, für die Wohltäter, für die Seelen im Fegfeuer, für die Gefangenen und für jene, die sich in der Todsünde befinden, und zwar ein Miserere lang, mit den dazugehörigen Gebeten für die Kirche und die genannten Anliegen verrichtet. Diese letzteren Disziplinen erteile eine jede sich selbst, und zwar gleichfalls im Chore nach der Mette! Die anderen, mit der Rute, erhalten sie in der vom Ordinarium vorgeschriebenen Weise. Keine aber nehme sie öfters, noch verrichte irgendein anderes Bußwerk ohne Erlaubnis!

Weblink

Visitationsverfahren in den Klöstern der Unbeschuhten Karmelitinnen

Quelle Sechster Band 1941: Die Seelenburg der heiligen Theresia von Jesu, S. 250-271 (Imprimatur Monachii, die 16 Junii 1941 F. Buchwieser Vic. Gen.),

Einführung in die Visitationsverfahren in den Klöstern der unbeschuhten Karmelitinnen

P. Hieronymus Gracián O.C.D., der seit 1573 Visitator und Apostolischer Kommissar zur Visitation bzw. Reform der Klöster der alten Observanz, aber auch der Klöster der Reform war, ließ sich in Ausübung dieses seines Amtes, speziell bei Visitation der reformierten Frauenklöster, manche Fehler zuschulden kommen, die ihm die heilige Theresia trotz ihrer sonstigen großen Bewunderung für ihn und seine Fähigkeiten ungeschminkt vorhielt. So war er z. B. zu milde in seinen Visitationen, lieh gern ein williges Gehör dem Gerede unzufriedener Nonnen, führte wohl auch in diese Klöster neue und überflüssige Gebräuche ein, usw. Demütig, wie er war, nahm P. Hieronymus den Vorhalt der heiligen Mutter geduldig hin. Ja, er bat sie sogar in einem Brief, sie möge ihm ganz offen mitteilen, wie nach ihrer Meinung die Klöster der unbeschuhten Karmelitinnen am besten visitiert werden könnten. Die Heilige, die sich so beim Wort genommen sah, konnte nicht mehr gut ausweichen. Und obwohl es ihr bei ihrer Demut peinlich genug sein mochte, einem Vorgesetzten Weisungen zu erteilen, fügte sie sich dem Auftrag, da ihr das Wohl ihrer geistlichen Töchter zu sehr am Herzen lag, und schrieb eine kurze Anweisung für den Visitator, wie er die Klöster der unbeschuhten Karmelitinnen zu visitieren habe.

Es mag dies wohl, wenigstens nach allgemeiner Annahme, um das Jahr 1576 gewesen sein; denn ein bestimmtes Jahr der Abfassung dieses Schriftchens lässt sich nicht mit Sicherheit angeben. Die Originalhandschrift dieses Werkchens war zusammen mit jener des »Weges der Vollkommenheit« und der »Klosterstiftungen«, wenigstens bis zum Ausbruch der spanischen Revolution, in der Sammlung des Escorial aufbewahrt.

Auch dieses Schriftchen ist wieder ein kleines Meisterstück weisen Maßhaltens und psychologischen Einfühlungsvermögens sowie ihrer guten Kenntnis der weiblichen Psyche. Wie schon in den Satzungen weiß auch hier die Heilige den rechten Mittelweg einzuhalten zwischen Schwächlichkeit und übergroßer Strenge.

Die Weisungen, die sie dem Visitator erteilt, lassen sich in die folgenden zusammenfassen: Der Visitator soll wohl liebenswürdig und freundlich gegen die Schwestern sein, aber er soll ihnen auch zu verstehen geben, dass er um keinen Preis bereit ist, auch nur den kleinsten Punkt der Regelvorschriften um ihrer Launen willen preiszugeben; er möge sich ja nicht ausschließlich von einfältigen, unzufriedenen, hysterischen Nonnen berichten lassen; er soll sich auch über die kleinsten Einzelheiten des klösterlichen Lebens Aufklärung verschaffen; denn da es nach ihrer Ansicht in Klöstern wie denen des reformierten Karmels keine Gelegenheiten zu schweren Sünden gebe, suche der Teufel auch die unbedeutendsten Anlässe zu benutzen, um sich einzuschleichen; der Visitator solle um keinen Preis den Priorinnen erlauben, dass sie den Schwestern Bußwerke nach eigenem Ermessen aufbürden oder sonstwie die Regelvorschriften noch verschärfen; er selbst, der Visitator, möge sich wohl hüten, die Schwestern, die ohnehin schon durch die genaue Erfüllung ihrer Vorschriften genug zu tragen haben, auch noch mit anderen Abtötungen zu überladen.

P. Ambrosius a S. Teresia O. C. D. (Rom)

Visitationsverfahren in den Klöstern der unbeschuhten Karmelitinnen

1. Vor allem bekenne ich meine Unvollkommenheit, mit der ich mich durch Übernahme dieser Arbeit dem Gehorsam füge. Ich tue dies mit großem Widerstreben, obwohl ich nach nichts mehr verlange als nach dem Besitze dieser Tugend, und es kostet mich die größte Abtötung. Möge mich unser Herr in dem, was ich sagen werde, wenigstens einigermaßen das Rechte treffen lassen! Denn nur auf seine Barmherzigkeit und auf die Demut dessen, der mir dies zu schreiben befohlen hat, setze ich mein Vertrauen. Um dieser Demut willen wird Gott Macht üben und nicht achten auf meine Person.

2. Es möchte zwar unpassend scheinen, mit dem Zeitlichen zu beginnen; aber meines Erachtens ist dies für die stete Förderung des Geistlichen von höchster Wichtigkeit, wenn man auch dies von Klöstern, die auf Armut gegründet sind, nicht meinen sollte. Überall ist es notwendig, dass Ordnung gehalten und für die rechte Leitung und Ordnung in allem Sorge getragen werde.

3. Die erste Voraussetzung ist, dass der Obere, wie es sich im höchsten Grade ziemt, gegen die ihm Untergebenen Nonnen sich so verhalte, dass er ihnen zu erkennen gibt, er werde in wesentlichen Dingen streng und durchaus nicht nachgiebig sein, wenn er auch leutselig und liebevoll gegen sie sich zeigt. Ich glaube nicht, dass es in der Welt etwas gibt, das einem Oberen so sehr schaden könnte, als wenn er nicht gefürchtet wird und die Untergebenen mit ihm wie mit Ihresgleichen umgehen zu können meinen. Dies gilt vorzüglich bei weiblichen Personen; merken diese einmal, dass der Obere in seiner Milde so weit geht, dass er ihre Fehler ungerügt lässt und sich nachgiebig gegen sie erzeigt, um sie nicht zu betrüben, dann wird es ihm sehr schwer werden, sie zu regieren.

4. Es ist für sie sehr notwendig, zu wissen, dass sie ein Oberhaupt haben, und zwar ein solches, das nichts duldet, was zum Nachteile des Ordens gereichen könnte. Sie müssen wissen, dass ein Richter da ist, der so strenge auf Gerechtigkeit hält, dass sie überzeugt sein dürfen, er werde in Sachen, die den treueren Dienst Gottes und die größere Vollkommenheit betreffen, nicht nachgeben, wenn auch die Welt darüber zugrunde ginge; dass ihnen seine Liebe und Freundlichkeit nur so lange zugewendet bleibe, als er sie in seinem Dienste und in der Übung der Vollkommenheit nicht nachlässig findet. Wie er sich gütig gegen sie erzeigen und mit väterlicher Liebe ihnen zugetan sein soll, was zu ihrem Troste und zur Vermeidung jeglicher Entfremdung von großer Bedeutung ist, ebenso ist auch die erwähnte Strenge notwendig. Sollte er es in einem dieser Stücke fehlen lassen, so wäre es ohne Vergleich besser, er ließe es an Güte und Milde als an Strenge fehlen.

5. Die Visitationen werden nur einmal im Jahre vorgenommen; wenn dabei der Obere nur Liebe anwenden und nur allmählich die vorkommenden Fehler verbessern wollte und die Nonnen nicht wüßten, dass sie am Ende des Jahres Zurechtweisung und Strafe dafür erhalten, so würde ein Jahr um das andere vergehen und die Klosterzucht so erschlaffen, dass man nichts mehr bessern könnte, wenn man auch wollte. Mag auch die Schuld auf Seite der Priorin sein und diese deshalb abgesetzt werden, so wären doch die Nonnen bereits an die Erschlaffung gewöhnt, und um die Gewohnheit unserer Natur ist es etwas Entsetzliches; da werden allmählich aus unbedeutenden Dingen unheilbare Übel im Orden. Der Obere aber, der nicht beizeiten Abhilfe schafft, wird eine furchtbare Rechenschaft vor Gott ablegen müssen.

6. Es scheint mir, ich beleidige diese Klöster der allerseligsten Jungfrau, unserer Lieben Frau, wenn ich von solchen Dingen rede, von denen sie durch die Güte Gottes so weit entfernt sind, dass sie einer solchen Strenge nicht bedürfen. Allein ich bin doch in Furcht, es könnte mit der Zeit eine Erschlaffung in diesen Klöstern eintreten, wenn man nicht auf solche Grundursachen achtet; darum drängt es mich, davon zu sprechen. Auch sehe ich, wie unsere Klöster durch Gottes Güte sich täglich mehr ausbreiten; vielleicht wäre in einem oder dem anderen schon ein Riß entstanden, hätten die Oberen nicht, wie gesagt, mit Strenge kleine Schäden verbessert und die Oberinnen nicht abgesetzt, die sie zum Regieren für untauglich hielten.

7. In letzterer Beziehung insbesondere darf man durchaus kein Erbarmen haben; denn manche Oberinnen können sehr heilig sein, aber zum Regieren taugen sie nicht, und da ist schleunig Abhilfe nötig. Dies wird hier, wo man der Abtötung und den Übungen der Demut so sehr ergeben ist, keine Oberin als Beleidigung auffassen. Würde es aber dennoch der Fall sein, so wäre dies ein klarer Beweis, dass sie für dieses Amt untauglich ist; denn es soll eine nicht Seelen leiten, die so eifrig nach Vollkommenheit streben, wenn sie selbst so wenig Vollkommenheit besitzt, dass sie Oberin zu sein wünscht.

8. Wer Visitationen hält, muss Gott und die Gnade recht im Auge behalten, die der Herr diesen Klöstern erweist, damit diese durch ihn nicht verringert werde. Darum muss er gewisse mitleidsvolle Gefühle, die meistens der Teufel erregen mag, um schweren Schaden anzurichten, von sich weisen, wenn er nicht der größten Grausamkeit gegen seine Untergebenen sich schuldig machen will.

9. Unmöglich können alle, die zu Oberinnen gewählt werden, die zu diesem Amte erforderlichen Talente haben. Sobald man aber wahrnimmt, dass es einer Oberin daran fehlt, soll man durchaus nicht das erste Jahr vorübergehen lassen, ohne sie abzusetzen. In einem Jahre würde sie noch nicht so viel Schaden anrichten können; aber in drei Jahren könnte sie das ganze Kloster zugrunde richten, da die Unvollkommenheiten zur Gewohnheit würden. Dieses Verfahren ist von außerordentlicher Wichtigkeit. Wenn es dem Visitator auch noch so schmerzlich fiele, weil er die Oberin für heilig hält und an ihre guten Absichten glaubt, so muss er sich doch Gewalt antun und darf sie nicht in ihrem Amte belassen. Um das allein bitte ich um der Liebe unseres Herrn willen. Sieht der Obere, dass bei der Wahl einer Priorin, was Gott verhüte, eine Bewerbung oder ungeordnete Leidenschaft unterlaufen sei, so erkläre er sie für nichtig; denn aus einer solchen Wahl kann nie etwas Gutes folgen. In diesem Falle bezeichne er Nonnen aus unseren anderen Klöstern, die zu Priorinnen gewählt werden können.

10. Ich weiß nicht, betrifft das Gesagte Zeitliches oder Geistliches. Was ich aber gleich anfangs sagen wollte, ist dies: Der Visitator nehme mit großer Sorgfalt und Aufmerksamkeit von den Rechnungsbüchern Einsicht und durchgehe sie nicht bloß oberflächlich! Vorzüglich in Klöstern, die ein bestimmtes Einkommen haben, ist es sehr notwendig, dass die Ausgaben die Einnahmen nicht übersteigen, wenn man auch knapp leben müsste. Gott sei Dank haben alle unsere Klöster Einkommen genug, um recht gut auszukommen, wenn die Ausgaben im richtigen Verhältnis mit den Einnahmen gemacht werden. Geschieht dies nicht, so werden die Klöster verderben, wenn sie einmal anfangen, Schulden zu machen. Denn würden die Nonnen große Not leiden, so wird es den Oberen als unmenschlich erscheinen, wenn sie ihnen nicht den Lohn ihrer Arbeiten, oder was eine jede von ihren Verwandten erhält, überließen oder ihnen nicht Ähnliches gestatteten, was (anderwärts) jetzt Brauch ist. Da wollte ich aber unvergleichlich lieber die Zerstörung eines Klosters als seinen Fall in einen solchen Zustand mit ansehen. Darum sagte ich, dass aus dem Zeitlichen große Nachteile für das Geistliche zu entstehen pflegen, und ebendeshalb ist das Gesagte von größter Wichtigkeit.

11. In den auf Armut gegründeten Klöstern soll der Visitator darauf sehen und sehr davor warnen, dass keine Schulden gemacht werden. Haben die Nonnen Glauben und dienen sie Gott, dann wird ihnen (am Notwendigen) nichts mangeln, wenn sie nicht übermäßige Ausgaben machen. In diesen wie in den anderen Klöstern muss der Visitator ganz besondere Erkundigung einziehen, was man den Nonnen gebe und welche Behandlung sie, insbesondere die Kranken, erfahren. Er muss darauf achthaben, dass ihnen das Notwendige hinreichend gegeben werde; denn der Herr wird es nie so weit kommen lassen, dass ihnen dies nicht gegeben werden kann, wenn die Oberin Mut und Sorgfalt hat. Die Erfahrung hat dies schon bewiesen.

12. Der Visitator erkundige sich auch nach den Arbeiten, die von den Schwestern sowohl in den besagten als auch in den anderen Klöstern gefertigt werden, und rechne nach, was sie mit ihrer Handarbeit gewonnen haben! Dies hat einen doppelten Nutzen. Fürs erste werden jene, die viel arbeiten, zu (fortgesetztem) Fleiß ermuntert, wenn ihnen dafür Anerkennung zuteil wird. Fürs zweite kann dann der Visitator in anderen Klöstern, wo man wegen geringerer Notlage auf die Arbeit nicht so viel Eifer verwendet, den Nonnen sagen, wieviel man in jenen durch Arbeit erworben hat; denn Eifer in der Arbeit hat, abgesehen vom zeitlichen Gewinn, durchweg großen Nutzen. Auch gereicht es den Nonnen bei ihrer Arbeit zum Troste, wenn sie wissen, dass der Obere sich darnach erkundigen werde. Dies ist zwar nicht von großer Bedeutung; allein man muss Frauenspersonen, die in so strenger Klausur leben und denen die Zufriedenheit ihres Oberen ihr einziger Trost ist, auch etwas zugute halten und der menschlichen Schwachheit zuweilen Rechnung tragen.

13. Der Visitator frage nach, ob nicht übermäßige Ausgaben aus bloßer Höflichkeit gemacht werden! Dies ist vorzüglich notwendig in Klöstern, die bestimmtes Einkommen haben und mehr leisten können; denn durch so unbedeutend scheinende Dinge kommen gewöhnlich die Klöster in Verfall. Sind die Oberinnen allzu freigebig, so könnte es geschehen, dass sie, um Geschenke zu machen, die Nonnen hungern ließen, wie dies sich in manchen Klöstern ereignet. Darum muss berechnet werden, was im Verhältnis zum Einkommen geleistet und wieviel Almosen gegeben werden kann; es muss in allem das gehörige Maß vorgeschrieben werden.

14. Der Obere gestatte nicht, dass die Klöster übermäßig groß erbaut werden oder dass man wegen eines Baues oder einer Erweiterung des Gebäudes Schulden mache, wenn keine dringende Notwendigkeit vorhanden ist! Darum wird es nötig sein, zu verordnen, dass kein Bau unternommen werden dürfe, ohne dass es dem Oberen angezeigt und nachgewiesen werde, aus welchen Mitteln er hergestellt werden soll, damit jener nach Erwägung der Sachlage die Erlaubnis gebe oder verweigere. Dies ist jedoch nicht von Kleinigkeiten zu verstehen, die keinen großen Schaden bringen können; ich will nur sagen, es sei besser, man leide in einem nicht ganz entsprechenden Hause Ungemach, als dass die Nonnen (in einem bequemen Hause) beunruhigt sind, durch Schuldenmachen ein schlechtes Beispiel geben und nichts zu essen haben.

15. Sehr wichtig ist es, dass der Visitator immer das ganze Kloster besichtige, damit er sehe, wie es mit dessen Abgeschlossenheit bestellt sei. Denn es ist gut, die Gelegenheiten abzuschneiden und sich nicht auf die Heiligkeit der Nonnen zu verlassen, so groß diese auch sei, weil man nicht weiß, was in der Zukunft geschehen kann. Darum muss man auf alles Böse, was in der Zukunft geschehen könnte, bedacht sein, um, wie gesagt, die Gelegenheit dazu abzuschneiden. Besondere Aufmerksamkeit soll man den Sprechzimmern zuwenden. Diese müssen ein doppeltes Gitter haben, eines von außen und eines von innen, jedes so enge, dass man durch keines die Hand hindurchreichen kann. Es ist dies etwas sehr Wichtiges. Auch sehe man darauf, ob die Beichtstühle mit befestigten Vorhängen versehen seien, sowie ob das Kommunionfensterchen klein sei! Ferner beachte der Visitator, ob die Haupttüre zwei Riegel habe und zur Türe in den Kreuzgang zwei Schlüssel vorhanden seien, wie es angeordnet ist! Den einen dieser Schlüssel soll die Pförtnerin, den anderen die Priorin bewahren. Ich weiß wohl, dass dies jetzt so ist, aber damit es nicht vergessen werde, bemerke ich es hier. Auf alle diese Dinge muss man immer achthaben, und die Nonnen sollen wissen, dass man darauf sieht, damit sich hierin keine Nachlässigkeit einschleiche.

16. Auch das ist von großer Bedeutung, dass der Visitator über den Kaplan und den Beichtvater sich erkundige und nachfrage, ob nicht zwischen ihnen und den Nonnen ein häufigerer Verkehr stattfinde, als notwendig ist. Hierüber und über die im Hause beobachtete Zurückgezogenheit soll er sich bei den Nonnen ganz besonders erkundigen. Wäre eine von ihnen in Versuchung, so höre er sie sehr aufmerksam an! Denn wenn auch oftmals eine sich etwas einbildet und die Sache vergrößert, so kann doch der Visitator daraus Anlass nehmen, bei den anderen nachzufragen, um die Wahrheit zu erfahren. In diesem Falle gebe er ihnen ein Gebot, (anzugeben, was sie wissen)! Er strafe mit Strenge, wenn er eine Übertreibung findet, damit die Schuldige künftig abgeschreckt werde!

17. Wenn Nonnen Kleinigkeiten, bei denen die Priorin keine Schuld hat, oder Übertreibungen vorbringen, so muss der Visitator sie mit Strenge zurechtweisen und ihnen ihre Verblendung zeigen, damit sie nicht unruhig seien; denn wenn solche sehen, dass sie nichts erreichen, sondern dass man sie durchschaut, werden sie sich beruhigen. Man muss daher immer, wenn es sich nicht um wichtige Sachen handelt, die Oberinnen in Schutz nehmen, obgleich deren Fehler zu rügen sind; denn zur Ruhe der Untergebenen wird die Einfalt des vollkommenen Gehorsams viel beitragen. Es könnte nämlich der Teufel eine Nonne dadurch versuchen, dass sie in der Meinung, die Sache besser als die Oberin zu verstehen, auf unbedeutende Dinge merkte, wodurch sie sich selbst sehr schaden würde. Die Unterscheidungsgabe des Oberen wird dies erkennen, um solche Nonnen zu heilen, wiewohl es ihm schwerfallen wird, wenn diese melancholischer Natur sind. Diesen gegenüber darf er keine Nachgiebigkeit zeigen; denn solange sie meinen, etwas erreichen zu können, werden sie nie aufhören, Unruhe zu stiften, und auch sie selbst werden nicht ruhig sein. Sie müssen vielmehr immer sehen, dass sie gestraft werden, und darum muss der Visitator die Priorin in Schutz nehmen.

18. Würde etwa eine Nonne um Versetzung in ein anderes Kloster anhalten, so muss ihr der Obere in einer Weise antworten, dass sowohl sie als auch alle anderen daraus abnehmen können, eine solche Versetzung sei für immer unmöglich; denn wer es nicht selbst erfahren hat, der kann sich gar nicht vorstellen, welch überaus große Übelstände es mit sich bringt und wie weit dem Teufel die Türe geöffnet wird, wenn die Nonnen denken, sie könnten in ein anderes Kloster versetzt werden, mögen die von ihnen angegebenen Gründe auch noch so wichtig sein. Sollte es aber dennoch geschehen, so dürfen sie nicht merken, dass es auf ihr Verlangen hin geschehe. Nie darf man die Meinung in ihnen aufkommen lassen, als seien sie deshalb versetzt worden, weil sie es gewollt, sondern man schütze andere Gründe vor. Sonst würde eine solche Nonne nirgendwo ruhig bleiben und den anderen sehr viel schaden. Der Obere lasse sie erkennen, dass eine Nonne, die aus ihrem Kloster versetzt zu werden verlangt, in keiner Sache mehr sein Vertrauen genießen werde. Ebendeshalb entspreche er in keiner Weise ihrem Verlangen, auch wenn er sonst veranlasst wäre, sie aus dem Kloster zu nehmen, ich meine wegen irgendeiner Notwendigkeit oder einer Stiftung! Denn auch dann ist es ratsam, dies nicht zu tun, da solchen Versuchungen nur Melancholische unterworfen sind oder solche, die überhaupt nicht viel nützen. Vielleicht würde es gut sein, wenn der Visitator, bevor noch eine ihm ihr Verlangen nach Versetzung in ein anderes Kloster kundgibt, in einer Ansprache an die Nonnen bemerkte, wie schlimm es wäre und wie leid es ihm täte, wenn eine von ihnen eine Versuchung dieser Art hätte. Er könnte auch die Gründe anführen und sagen, dass solche Versetzungen nur aus notwendigen Anlässen geschehen seien; jetzt aber könne keine Nonne mehr aus ihrem Kloster versetzt werden.

19. Der Visitator erkundige sich, ob die Priorin zu irgendeiner Nonne eine besondere Freundschaft habe, so dass sie ihr mehr Gutes erweise als den anderen! Sonst soll man nicht viel darauf geben, wenn nicht in etwa das Maß überschritten wird. Die Priorinnen müssen immer mehr mit denen verkehren, die mehr Verständnis und Unterscheidungsgabe haben. Weil aber unsere Natur uns nicht zur Erkenntnis unseres wirklichen Wertes gelangen lässt, darum meint jede, sie passe ebenso als Ratgeberin wie andere, und so kann der Teufel diese Versuchung in manchen erwecken. Gibt es auch keine großen Versuchungen von außen, dann erregt er durch Kleinigkeiten solche im Innern, damit es ja nie an Kampf und an Verdienst im Widerstande fehle; deshalb meint man, diese oder jene Schwester beherrsche die Priorin. Überschritte diese wirklich das rechte Maß, so müsste sie sich Mühe geben, sich zu mäßigen; denn es wäre dies eine große Anfechtung für die Schwestern. Doch deshalb ist der Priorin der häufige Verkehr mit einzelnen Schwestern nicht zu verwehren; denn es können dies solche sein, deren sie, wie gesagt, notwendig bedarf. Allein immer ist es gut, sehr darauf zu dringen, dass sie mit keiner zu große Vertraulichkeit unterhalte. Aus der Art und Weise ihres Verkehres wird man bald erkennen, wie es hierin steht.

20. Es gibt einige, die sich für so außerordentlich vollkommen halten, dass ihnen alles, was sie sehen, als fehlerhaft erscheint. Dies sind immer jene, die selbst die meisten Fehler haben, diese aber nie als ihre eigenen erkennen, sondern die ganze Schuld auf die arme Priorin oder auf andere schieben. Dadurch können sie einen Oberen leicht irremachen, so dass er abstellen wollte, was doch recht ist. Darum darf er, um etwas abzustellen, nicht einer allein glauben, sondern muss sich auch bei den übrigen erkundigen. Denn wo ohnehin die Ordenszucht so strenge ist, wäre es unerträglich, wenn von jedem Oberen und bei jeder Visitation neue Verordnungen gegeben würden. Dies ist eine Sache von großer Wichtigkeit; darum sollte der Visitator nur in wichtigen Dingen Verordnungen hinterlassen, nachdem er sich bei der Priorin selbst und bei den übrigen Nonnen über eine Sache, die er abstellen will, und über deren Umstände erkundigt hat. Sonst würden die Nonnen so beladen werden, dass sie es nicht ertragen könnten und darüber das Wichtige, was die Regel befiehlt, unterlassen.

21. Der Obere muss vor allem sehr auf die Haltung der Satzungen dringen. Würde sich eine Priorin so viel Freiheit erlauben, dass sie diese aus geringfügiger Ursache oder gar aus Gewohnheit überträte, in der Meinung, an diesem oder jenem Punkte sei nur wenig gelegen, so dürfte man überzeugt sein, dass sie dem Kloster großen Schaden zufügen werde. Die Zeit würde dies an den Tag bringen, wenn es auch nicht sogleich bemerkt werden sollte. Die Ursache, warum manche Klöster und sogar manche Orden in Verfall geraten sind, war die Nichtbeachtung geringfügiger Dinge; denn von kleinen Dingen kommt man zu sehr großen. Der Visitator soll darum alle öffentlich mit großem Ernste auffordern, ihm die Fehler bezüglich der Beobachtung der Satzungen im Kloster zu unterbreiten, und ihnen nahelegen, dass er jene, die ihm keine Anzeige machen, strenge bestrafen werde, wenn er nachher Kenntnis davon bekomme. So werden die Priorinnen in Furcht wandeln und achtsam sein.

22. Man darf ihnen gegenüber nicht nachsichtig sein, ob sie es schmerzlich empfinden oder nicht; vielmehr sollen sie wissen, dass es immer so geschehen werde. Ihr Amt hat ja hauptsächlich den Zweck, die Haltung der Regel und Satzungen zu überwachen, nicht aber nach ihrem eigenen Belieben etwas davon hinweg oder hinzuzutun, während die anderen alles beachten und den Oberen davon Mitteilung machen sollen. Die Priorin aber, der es leid tut, wenn der Obere etwas erfährt, was sie vollbringt, kann meines Erachtens ihr Amt unmöglich gut verwalten. Denn es ist ein Zeichen, dass etwas nicht in voller Wahrheit den Dienst Gottes bezweckt, wenn ich wünsche, dass es der Stellvertreter Gottes nicht erfahre. Darum muss der Obere achthaben, dass man offen und aufrichtig mit ihm rede. Sieht er, dass dies nicht der Fall ist, so rüge er es mit großer Strenge und sorge dafür, dass es geschehe! Er rede der Priorin oder den Offiziantinnen zu oder wende andere Mittel an! Denn wenn sie auch keine Lügen sagen, so können sie doch manches bemänteln. Es wäre aber nicht recht, wenn man ihm nicht alles kundtun würde, da er doch das Oberhaupt ist, unter dessen Leitung alle leben müssen. Ohne Haupt würde der Leib schwerlich etwas Gutes vollziehen können; ebenso wäre es, wenn man dem Oberen etwas verhehlen wollte, was gebessert werden muss.

23. Zum Schlusse sage ich noch: Werden die Satzungen beobachtet, so wird alles gut gehen; wird aber darauf und auf die Befolgung der Regel nicht viel geachtet, so werden die Visitationen, die zur Wahrung der Observanz vorgenommen werden, wenig nützen; dann müssen die Priorinnen und, falls die Übertretungen, was Gott verhüte, schon gewohnheitsmäßig vorkommen, auch die Nonnen gewechselt und durch andere ersetzt werden, die die Ordensobservanz vollkommen beobachten. Es ist dies geradeso, wie wenn ein Kloster neu gegründet würde. Man verteile dann die Schwestern einzeln in verschiedene Klöster! Denn eine oder zwei Nonnen können in einem wohlgeordneten Kloster wenig Schaden anrichten.

24. Es ist auch zu beachten, dass es Priorinnen geben könnte, die um Gewährung solcher Dinge nachsuchen, die gegen die Satzungen sind. Dazu möchten sie vielleicht hinreichende Gründe zu haben glauben, weil sie es nicht besser verstehen, oder sie werden vielleicht den Oberen begreiflich machen wollen, dass es so notwendig sei. Wären aber ihre Forderungen auch nicht gegen die Satzungen, so könnten sie doch von der Art sein, dass ihre Gewährung Schaden brächte. Denn da der Obere nicht immer zugegen ist, so weiß er nicht, was daraus entstehen kann; wir selbst aber wissen das recht dringlich hinzustellen, was wir wünschen. Darum ist es am besten, allem das Tor zu verschließen, was nicht im Einklang mit der bisherigen Ordnung steht; denn diese Ordnung ist, wie man steht, gut und durch die Erfahrung bewährt. Das Gewisse ist aber immer dem Ungewissen vorzuziehen. In solchen Fällen muss der Obere fest bleiben und sich jener Freiheit bewusst sein, von der ich gleich anfangs gesprochen habe. Wenn Dinge von ihm gefordert werden, die mit der Zeit einen Nachteil bringen könnten, so soll er mit einer heilig gebietenden Autorität, wenn möglich rückhaltlos nein sagen, ob es den Priorinnen zusagt oder nicht; es genügt, dass etwas als Neuerung empfunden wird, um es nicht einzuführen.

25. Was die Aufnahme der Nonnen betrifft, so ist es von größter Wichtigkeit, dass der Obere seine Erlaubnis dazu nicht erteile, wenn ihm nicht ein genauer Bericht vorliegt. Es könnte nämlich vorkommen, dass eine Priorin zur Aufnahme von Nonnen so geneigt wäre, dass sie sich auch mit wenigem zufrieden gäbe. Wünscht eine solche die Aufnahme einer Novizin und sagt sie, sie sei über sie unterrichtet, so werden ihre Untergebenen fast immer ihrem Wunsche willfahren. Da könnte sich die Priorin aus Freundschaft oder wegen Verwandtschaft oder aus anderen Rücksichten für die Aufnahme bewegen lassen und glauben, sie treffe es recht, obgleich sie im Irrtum ist.

26. Wenn jedoch bei der Aufnahme ein Fehler gemacht worden ist, so kann noch leichter abgeholfen werden; allein wenn es sich um Ablegung der Profeß handelt, muss man mit der größten Vorsicht zu Werke gehen. Wenn darum in einem Kloster Novizinnen sind, so soll sich der Obere bei Gelegenheit der Visitationen über ihre Verhältnisse erkundigen, damit er zur Zeit, in der er die Erlaubnis zur Profeß geben soll, wisse, was er zu tun habe. Es könnte nämlich vorkommen, dass die Priorin mit einer Novizin, die für den Orden untauglich ist, sich gut verstünde und für deren Verbleiben im Kloster ein Parteiinteresse hätte; aus diesem Grunde wäre es möglich, dass die Untergebenen es nicht wagten, der Priorin gegenüber ihre Meinung auszusprechen, während sie es dem Oberen gegenüber tun würden. Darum wäre es gut, mit der Ablegung der Profeß womöglich zu warten, bis der Obere zur Visitation käme, wenn deren Vornahme nicht in allzu weiter Ferne läge. Der Obere könnte auch, wenn er es für gut fände, verlangen, dass ihm die Nonnen die Stimmen verschlossen, wie bei einer Wahl, zustellten. Es ist von großer Wichtigkeit, dass keine Novizin, die ihr Leben lang den Nonnen nur Leiden und Unruhe verursachen würde, im Kloster bleibe; darum wird jedmögliche Sorgfalt am Platze sein.

27. Bei Aufnahme von Laienschwestern muss man große Vorsicht zuwenden. Fast alle Priorinnen sind geneigt, viele Laienschwestern aufzunehmen, so dass die Klöster belastet werden, zuweilen sogar mit Personen, die wenig arbeiten können; darum darf man ihre Aufnahme nicht gleich gestatten, wenn kein merkliches Bedürfnis dazu vorhanden ist. Man muss sich vielmehr vorher erkundigen, wie viele Laienschwestern schon im Haufe sind und ob nicht etwa die festgesetzte Zahl schon voll ist. Wird in dieser Hinsicht nicht mit Vorsicht zu Werke gegangen, so kann großer Schaden entstehen.

28. Man sollte immer darauf achten, dass in keinem Kloster die Zahl der Nonnen voll werde; vielmehr halte man in jedem einige Plätze frei. Es würde sonst kein Platz mehr vorhanden sein, wenn eine sich meldete, deren Aufnahme dem Kloster zu großem Nutzen gereichte. Ein Überschreiten der festgesetzten Zahl darf aber durchaus nicht gestattet werden. Dies hieße der (Unordnung) Tür und Tor öffnen und hätte nichts Geringeres zur Folge als den Verfall der Klöster. Es ist darum besser, den Vorteil eines einzigen Klosters hintanzusetzen, als alle anderen zu schädigen. Man könnte jedoch veranlassen, dass eine Nonne in ein anderes Kloster versetzt werde, in dem die Zahl noch nicht voll ist, um einer anderen den Eintritt zu gewähren. Die Aussteuer oder das Almosen, das jene Schwester etwa mitgebracht hätte, müsste man ihr dann mitgeben, weil sie für immer scheidet. Auf diese Weise würde geholfen werden. Wäre aber eine solche Versetzung nicht möglich, so dürfte man nicht etwas beginnen, was für die Gesamtheit so nachteilig werden könnte, wenn auch noch so viel dabei verlorenginge. Darum muss der Obere, wenn er um Aufnahme einer Person gebeten wird, sich erkundigen, wie groß die Anzahl der Nonnen bereits ist, damit er weiß, was er zu tun hat; denn in einer so wichtigen Sache darf er sich nicht auf die Priorinnen allein verlassen.

29. Der Visitator muss sich ferner erkundigen, ob nicht etwa die Priorin den Schwestern in mündlichen Gebeten oder in Bußwerken mehr auferlegt, als sie zu vollbringen verpflichtet sind. Es könnte da eine jede nach ihrem Belieben Dinge verlangen und die Nonnen so sehr damit überbürden, dass sie ihre Gesundheit einbüßten und das nicht mehr leisten könnten, wozu sie ohnehin schon verpflichtet sind. Dies ist jedoch nicht von einem oder dem anderen Tage zu verstehen, an dem ein besonderes Anliegen es erheischt. Aber es könnten manche Priorinnen so unverständig sein und, wie es zu geschehen pflegt, aus dergleichen außerordentlichen Übungen eine Gewohnheit machen. Die Nonnen würden da nichts zu sagen wagen in der Meinung, als nicht vollkommen ergeben zu erscheinen, und es schickt sich auch nicht, mit jemand anderem davon zu sprechen als mit den Oberen.

30. Auch dem Chordienste wende der Visitator seine Aufmerksamkeit zu, sowohl was den Gesang als auch die Rezitation betrifft. Er forsche nach, ob man langsam bete und ob der Gesang nach Ordensbrauch mit gedämpfter Stimme geschehe, so dass er erbaut; denn aus einem zu lauten Gesange ergeben sich zwei Nachteile. Fürs erste hört sich ein solcher Gesang, weil man nicht nach Noten singt, übel an, und fürs zweite leidet darunter die Bescheidenheit und der Geist unserer Lebensweise. Wenn man nicht sehr darauf achtet, wird dieses Übermaß solche Nachteile herbeiführen und den Zuhörern die Andacht benehmen. Die Nonnen sollen deshalb die Stimmen so mäßigen, dass sie mehr von ihrer Abtötung zeugen, als das Bestreben an den Tag legen, den Zuhörern zu gefallen, was jetzt so allgemein in Übung ist, dass eine Besserung nicht mehr möglich zu sein scheint. Darum ist es notwendig, diesen Punkt recht einzuschärfen.

31. Gibt der Visitator wichtige Verordnungen, so wird es sehr zweckdienlich sein, einer Nonne in Gegenwart der Priorin im Gehorsam zu befehlen, ihm im Falle der Nichtbeachtung dieser Verordnungen zu schreiben. Die Priorin soll eben wissen, dass sie nicht gegen die Absicht des Visitators handeln kann. Dies würde dieselbe Wirkung haben, als wenn er selbst an Ort und Stelle wäre, und die Priorin wird mit mehr Sorgfalt und Vorsicht darauf sehen, die Grenzen ihrer Gewalt in keiner Weise zu überschreiten.

32. Es wird gut sein, vor dem Beginn der Visitation recht eindringlich darauf hinzuweisen, wie unrecht es wäre, wenn die Priorin gegen jene Schwestern eine Abneigung fasste, die dem Oberen die wahrgenommenen Fehler offenbaren; denn die Schwestern sind im Gewissen dazu verpflichtet, wenn sie auch nach der Meinung der Priorin nicht recht handeln. Dies sollte hier, wo die Abtötung so sehr geübt wird, der Oberin zum Troste gereichen, weil sie dadurch veranlasst wird, ihr Amt besser zu verwalten und unserem Herrn vollkommener zu dienen. Würde es aber für sie eine Ursache sein, den Nonnen zu zürnen, so wäre es ein sicheres Zeichen, dass sie zu deren Leitung untauglich ist. Die Nonnen jedoch würden ein andermal nichts zu sagen wagen in der Annahme, dass sie es nach der Abreise des Oberen büßen müssten; so könnte alles erschlaffen. Der Visitator unterlasse also nicht, diese Mahnung vorauszuschicken! Er vertraue nicht auf die Priorin, so heilig diese auch sei! Denn unsere Natur ist einmal so, wie sie ist; und wenn der Teufel sonst keine Gelegenheit findet, so wird er doch hier heftige Versuchungen herbeiführen und vielleicht gewinnen, was er anderwärts verliert.

33. Sehr ratsam ist es, dass der Obere in allem eine große Verschwiegenheit beobachte, so dass die Priorin nicht erfahren kann, wer ihm etwas angezeigt hat. Denn die Oberinnen sind, wie gesagt, noch auf Erden, und diente diese Vorsicht auch zu nichts anderem als zur Verhütung einer Versuchung, so wäre es schon genug; sie kann aber vor großem Schaden bewahren.

34. Ist das, was gegen die Priorin vorgebracht wird, nicht von Bedeutung, so kann sie in einer Weise darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie gar nicht merkt, es sei dies von den Nonnen gesagt worden. Denn je mehr man die Priorin im Glauben lassen kann, es sei nichts wider sie gesagt worden, desto besser ist es. Handelt es sich aber um Sachen von Wichtigkeit, so ist es besser, Abhilfe zu schaffen, als der Priorin zu gefallen.

35. Der Visitator forsche auch nach, oh etwa die Priorin Geld verwahre, ohne dass die Klavarinnen davon wissen! Denn es handelt sich hier um eine Sache von Wichtigkeit, und es könnte sein, dass die Priorin selbst es nicht beachtete. Diese soll Geld nur insoweit besitzen, als die Satzungen es erlauben. Dies ist auch in Klöstern, die auf Armut gegründet sind, notwendig. Ich meine, dies schon einmal gesagt zu haben, sowie ich auch anderes wiederholt vorbringen werde; allein im Laufe der Zeit vergesse ich, was ich geschrieben habe, und um mir das Nachlesen zu ersparen, (lasse ich es stehen).

36. Dem Oberen wird es sehr lästig sein, auf so viele Kleinigkeiten, wie ich sie hier angeführt habe, zu achten; allein größer als diese Last würde sein Schmerz sein, wenn er sie nicht beachtete und dann sehen müsste, wie wenig Nutzen er deshalb geschafft hat. Diese Achtsamkeit ist, wie gesagt, notwendig, so heilig auch die Nonnen sein mögen. Die Hauptsache aber ist, was ich gleich anfangs von der Leitung weiblicher Personen gesagt habe. Diese müssen wissen, dass sie einen Oberen haben, der sich durch nichts auf Erden wankend machen lässt, sondern festhält an allem, was zur Ordensobservanz gehört, und darauf dringt, dass man es beobachte, widrigenfalls er strafen werde. Sie müssen wissen, dass der Obere auf jedes Kloster in dieser Hinsicht ein besonderes Augenmerk richte, dass er nicht bloß alle Jahre die Visitation vornehme, sondern auch wisse, was tagtäglich geschieht. Auf diese Weise wird die Vollkommenheit eher zu als abnehmen. Da die Frauenspersonen größtenteils auf Ehre halten und furchtsam sind, so wird das Gesagte viel dazu beitragen, dass man nicht nachlässig wird. Wenn es zuweilen notwendig ist, muss man nicht nur reden, sondern auch tatsächlich einschreiten, damit die eine (durch ihre Bestrafung) allen anderen zur Warnung diene. Wollte aber der Obere aus Mitleid oder aus anderen Rücksichten anfangs, da noch wenig vorfällt, anders verfahren, so würde er später genötigt sein, mit größerer Strenge einzuschreiten. Ein solches Mitleid wäre die größte Grausamkeit, und er hätte deshalb Gott, unserem Herrn, eine strenge Rechenschaft abzulegen.

37. Es gibt Nonnen von solcher Einfalt, dass sie es für einen großen Fehler und für unedel halten, dem Visitator die Fehler der Priorin in Dingen zu sagen, die gebessert werden müssen. Solche muss man darüber belehren, was sie zu tun haben. Sie sollen schon, bevor sie dem Visitator etwas angeben, die Priorin selbst in Demut mahnen, wenn sie sehen, dass diese gegen die Satzungen oder in anderen wichtigen Dingen fehlt; denn es kann sein, dass sie dann solche Fehler nicht mehr begeht. Es könnte aber auch geschehen, dass gerade jene, die der Priorin raten, etwas zu tun, in der Folge als Anklägerinnen gegen sie auftreten, wenn sie mit ihr uneins werden. In betreff dessen, was bei der Visitation zu tun ist, herrscht große Unwissenheit; darum muss der Obere die Nonnen mit Klugheit unterweisen und belehren.

38. Sehr notwendig ist es auch, dass der Visitator sich erkundige, wie man es mit dem Beichtvater halte und welche Gewalt man ihm einräume. Darüber muss er nicht bloß eine oder zwei, sondern alle Nonnen befragen. Denn da der Beichtvater nicht Vikar der Nonnen ist und es auch nicht sein soll, damit er keine Gewalt (zur äußeren Leitung der Nonnen) habe, so dürfen sie nur sehr mäßig mit ihm verkehren, und je weniger dies geschieht, desto besser ist es. Auch auf die Geschenke und Präsente, die dem Beichtvater gemacht werden, soll man, wenn es sich nicht um ganz Unbedeutendes handelt, ein sehr genaues Augenmerk richten, wenn es auch zuweilen nicht ganz vermieden werden kann, ihm etwas zu geben. Lieber besolde man ihn höher, als das Kaplaneinkommen beträgt, als dass man ihm eine solche Sorgfalt zuwende, die viel Unschickliches mit sich bringt.

39. Die Priorinnen müssen ermahnt werden, aus Höflichkeitsrücksichten nicht zu freigebig zu sein, sondern stets zu bedenken, dass sie die Pflicht haben, aufzumerken, was sie ausgeben. Sie sind nur Verwalterinnen und dürfen das Geld nicht ausgeben, als wäre es ihr Eigentum, sondern wie es recht ist, und mit großer Achtsamkeit, dass keine überflüssigen Ausgaben gemacht werden. Dazu sind sie, abgesehen von dem schlechten Beispiele, das sie sonst geben würden, im Gewissen verbunden, weil sie die Pflicht haben, auch das Zeitliche zu hüten, und ebensowenig wie alle übrigen etwas Besonderes besitzen dürfen. Nur einen Schlüssel dürfen sie haben zu dem Schreibtische oder Schreibkasten, worin sie die Papiere, das ist die Briefe aufbewahren, besonders jene, die Mitteilungen der Oberen oder Ähnliches enthalten, was andere billigerweise nicht zu Gesichte bekommen sollen.

40. Der Visitator sehe auch nach, ob die Kleider und Schleier der Nonnen den Satzungen gemäß seien; und sollte er, was Gott verhüte, jemals etwas Eitles oder minder Erbauliches finden, so lasse er es in seiner Gegenwart verbrennen! Durch einen solchen Strafakt werden sie erschreckt und gebessert, und die Erinnerung daran wird auch den Nachkommenden bleiben.

41. Auch ihrer Redeweise wende der Visitator seine Aufmerksamkeit zu! Diese soll einfach, schlicht und klösterlich sein. Die Nonnen sollen sich mehr der Sprache der Einsiedler und zurückgezogener Leute befleißen, als sich in modernen Redensarten ergehen, was in der Welt, wo man immer Neues hat, üblich ist und, wie ich glaube, Ziererei genannt wird. In dieser Hinsicht sollen sie lieber für ungebildet als für eitel gelten wollen.

42. Die Schwestern sollen, soweit es nur immer sein kann, Prozesse vermeiden und nur notgedrungen solche führen; denn der Herr wird ihnen auf andere Weise geben, was sie in dieser Hinsicht verlieren. Sie sind immer anzuleiten, das Vollkommenere zu beobachten, und es soll ihnen verboten werden, einen Rechtsstreit anzufangen und zu führen, ohne es dem Oberen angezeigt und dessen besonderen Auftrag dazu erhalten zu haben.

43. Der Visitator ermahne die Schwestern, bei jenen, die sie in den Orden aufnehmen, mehr auf die Fähigkeiten als auf die Aussteuer zu sehen, die sie mitbringen! Sie mögen ja nie eine Person um des zeitlichen Gewinnes wegen aufnehmen, besonders wenn es ihr an einer der erforderlichen Eigenschaften fehlt. Hier gilt es, sich an die Verordnung der Satzungen zu halten.

44. Es ist notwendig, dass die künftigen Oberen ebenso handeln wie der gegenwärtige Obere, den der Herr uns gegeben. Ich habe hier vieles von dem aufgenommen, was ich bei seinen Visitationen gesehen. Den folgenden Punkt aber möchte ich besonders hervorheben. Es soll kein Oberer mit einer Schwester, weder durch Unterredungen noch durch Briefe, speziell mehr verkehren als mit allen anderen, sondern allen insgesamt als wahrer Vater seine Liebe bezeigen. Sobald er sich mit einer Nonne in irgendeinem Kloster in besondere Freundschaft einlässt, und wäre diese so rein und heilig wie die eines heiligen Hieronymus und einer heiligen Paula, so könnte er sich ebensowenig wie diese vor üblen Nachreden schützen. Dadurch würde er nicht bloß dem betreffenden Kloster, sondern zugleich allen anderen schaden und dem Teufel Anlass zur Verbreitung dieser Vorgänge geben, um etwas dabei zu gewinnen. Auch ist die Welt um unserer Sünden willen, wie man jetzt sieht, so verdorben, dass viele üble Folgen sich daraus ergeben würden.

45. In diesem Falle würde der Obere wenig geachtet, und die allgemeine Liebe, wie sie dem gegenwärtigen Oberen zuteil wird, nähme ab. Im allgemeinen lieben ja die Nonnen jeden Oberen, wenn er ist, wie er sein soll; (handelt er aber parteiisch), dann könnten sie leicht die Meinung hegen, er wende alle seine Liebe nur einer einzigen zu. Es bringt aber großen Nutzen, wenn der Obere von allen sehr geliebt wird. Das Gesagte ist aber nicht so zu verstehen, als ob nicht manchmal in Fällen der Notwendigkeit eine Ausnahme gemacht werden dürfte; es gilt nur von auffallenden und übermäßigen Kundgebungen besonderer Freundschaft.

46. Es ist billig, dass der Visitator, wenn er sich in ein Kloster begibt, immer die Klausur visitiere und, wie schon erwähnt, das ganze Haus besichtige. Dabei beachte er, dass sein Begleiter nebst der Priorin und einigen anderen Nonnen stets bei ihm seien! Wenn die Visitation der Klausur vormittags stattfindet, so bleibe er unter keiner Bedingung im Kloster, um da zu essen, wie dringend ihn die Nonnen auch dazu ersuchen mögen! Nachdem er alles in Augenschein genommen, entferne er sich sogleich wieder! Denn zum Sprechen eignet sich besser der Ort am Gitter. Könnte es auch in aller Züchtigkeit und Einfalt geschehen, so wäre es doch möglich, dass mit der Zeit ein anderer käme, dem man so viel Freiheit nicht gestatten dürfte und der sich sogar noch mehr erlauben wollte. Möge der Herr so etwas verhüten und gnädig verleihen, dass dies und alles übrige zu jeder Zeit so erbaulich vor sich gehe, wie es jetzt geschieht! Amen, Amen.

47. Der Visitator gestatte auch nicht, dass man ihn in den Tagen der Visitation übermäßig mit Speisen bewirte! Es soll ihm nur gereicht werden, was sich ziemt. Sieht er, dass es anders geschieht, so spreche er seinen ernsten Tadel darüber aus! Sowohl der Obere als die Nonnen haben die Armut gelobt, und darum ziemt sich übermäßige Bewirtung weder für die einen noch für die anderen, und sie nützt auch nichts, da die Oberen doch nur so viel essen, als sie bedürfen. Auch würden die Nonnen dadurch nicht, wie es sich geziemt, erbaut werden. Gegenwärtig dürfte es, wie ich meine, nur wenig zu bedeuten haben, wenn hierin auch zuviel geschehen sollte; denn der jetzige Obere beachtet es nicht, ob ihm viel oder wenig, Gutes, oder Schlechtes vorgesetzt wird, und ich weiß nicht einmal, ob er es merkt, wenn er nicht ganz besonders darauf achtet.

48. Unser jetziger Obere ist auch sehr darauf bedacht, dass er bei der Vernehmung der Schwestern allein und ohne seinen Gefährten sei, weil er nicht will, dass dieser etwas davon erfahre, wenn Fehler vorgebracht werden. Es ist zu verwundern, wie vorsichtig er ist, damit die Kindereien der Nonnen nicht bekannt werden. Kämen heute solche vor, so würden sie, Gott sei Dank, wenig schaden, weil sie der Obere als Vater anhört und als Vater bei sich behält; denn Gott, dessen Stelle er vertritt, lässt ihn die Wichtigkeit des Amtes erkennen. Ein anderer, der nicht so ist, wird vielleicht das für groß halten, was an sich nichts bedeutet; er wird sich wenig in acht nehmen, davon zu reden, weil ihm nicht so viel daran gelegen ist. So könnte das Kloster unschuldigerweise um seinen guten Ruf kommen. Unser Herr gebe, dass die Oberen dies immer beachten und darnach handeln!

49. Es ist nicht ratsam, dass der Obere eine große Vorliebe für die Priorin oder eine besondere Übereinstimmung mit ihr an den Tag lege; wenigstens zeige er dies nicht vor den übrigen, sonst würde er sie mutlos machen, so dass sie es nicht mehr wagten, ihm die Fehler der Priorin zu offenbaren. Er beachte es wohl, wie notwendig es ist, dass alle die Überzeugung haben, er werde die Priorin nicht entschuldigen, sondern abstellen, was abzustellen ist! Denn es gibt für eine für Gott und den Orden eifernde Seele keine größere Betrübnis, als wenn sie in ihrem Kummer sehen muss, wie alles abwärtsgeht und beim alten bleibt, nachdem sie vom Oberen Abhilfe gehofft. Sie wendet sich dann zu Gott mit dem entschiedenen Willen, in Zukunft zu schweigen, wenn auch alles zugrunde ginge; denn sie sieht ja, wie wenig ihr Reden nützt. Die armen Kinder werden nur einmal angehört, wenn sie nämlich zur Vernehmung vorgeladen werden, indes die Priorinnen viele Zeit haben, ihre Fehler zu entschuldigen oder als minder häufig anzugeben, Gründe für ihr Verhalten vorzubringen und vielleicht die arme Anklägerin zu beschuldigen, sie habe nur aus Leidenschaft wider sie geredet; die Priorinnen aber werden, wenn man ihnen auch keinen Namen sagt, mehr oder minder erraten können, wer die Anzeige gemacht hat. Der Visitator jedoch kann nicht selbst Zeuge der Vorgänge im Kloster sein, und es wird ihm alles so dargestellt, dass er es für glaubwürdig halten muss, und so bleibt alles beim Alten. Könnte er selbst längere Zeit als Zeuge es ansehen, so würde er sich von dem wahren Sachverhalt überzeugen. Zwar haben die Priorinnen nicht die Absicht, etwas Unwahres zu sagen; aber unsere Eigenliebe ist von der Art, dass wir wunderselten uns erkennen und uns selbst die Schuld geben.

50. So habe ich es oft gefunden, und zwar bei Priorinnen, die sehr, sehr fromme Dienerinnen Gottes sind und auf die ich ein solches Vertrauen gesetzt habe, dass ich meinte, es könnte sich etwas unmöglich anders verhalten, als sie sagten. War ich aber einige Tage im Hause, so fand ich zu meinem Erstaunen völlig das Gegenteil davon. Dies war sogar in einer wichtigen Sache der Fall. Die Priorin hatte mir die Meinung beigebracht, sie sei nur aus Leidenschaft angeklagt worden, und doch hat fast die Hälfte des Konventes mir die Sache so berichtet. Sie allein erkannte sich nicht, wie sie es selbst später eingesehen. Da der Teufel nicht viele Anlässe hat, die Schwestern zu versuchen, so versucht er, wie ich denke, die Priorinnen, dass sie in manchen Stücken eine üble Meinung von ihnen fassen. Wenn man aber sieht, wie sie dies alles ertragen, so wird man zum Lobe unseres Herrn gestimmt. Darum habe ich mir vorgenommen, keiner mehr zu glauben, bis ich mich selbst unterrichtet habe, um jener, die sich täuscht, den Irrtum nachweisen zu können. Verführt man nicht auf diese Weise, so wird das Übel nicht gebessert. Was ich soeben gesagt, kommt zwar nicht immer in wichtigen Dingen vor; allein von geringeren Dingen kann es zu größeren kommen, wenn man nicht vorsichtig zu Werke geht. Ich staune über die Arglist des Teufels, wie er einer jeden die Meinung beizubringen weiß, sie sage die lauterste Wahrheit von der Welt. Deshalb sagte ich, man solle der Priorin nicht unbedingten Glauben schenken und ebensowenig einer einzelnen Nonne, sondern in wichtigen Sachen weiter nachforschen, damit das rechte Heilmittel angewendet werde. Unser Herr wolle uns allezeit einen vorsichtigen und heiligen Oberen geben! Ist er es, so wird die göttliche Majestät ihn erleuchten, dass er uns kennenlernt und in allem das Rechte trifft. So wird alles aufs beste geleitet, den Seelen zum Wachstum in der Vollkommenheit und Gott zur Ehre und Verherrlichung dienen.

51. Ich bitte Euere Paternität, mir zur Belohnung der Abtötung, die mich diese Arbeit gekostet hat, einige Unterweisungen für die Visitatoren aufschreiben zu lassen. Ist in dem Vorstehenden in etwa das Rechte getroffen, so kann man es besser ordnen und zu besagtem Zwecke benützen. Dies könnte dann der Beschreibung der Klosterstiftungen, mit der ich eben zu Ende komme, beigefügt werden, was einen großen Nutzen bringen würde. Ich fürchte zwar, es werde ein anderer nicht so demütig sein, um diese Unterweisungen zu benützen, wie jener, der mir den Auftrag zu ihrer Niederschrift gegeben hat; aber wenn Gott es haben will, so wird er nicht anders können. Werden unsere Klöster in der Weise visitiert, wie es bisher im Orden Gewohnheit war, so wird damit sehr wenig Frucht geschafft und vielleicht mehr geschadet als genützt werden. Damit aber die Visitatoren den gewünschten Nutzen bringen, ist noch weit mehr nötig, als was ich gesagt habe; denn ich weiß nicht alles, und es fällt mir jetzt auch nicht alles ein. Für den Anfang wird die größte Sorgfalt nötig sein; später aber, wenn man einmal einsieht, dass die Visitationen in dieser Form vorgenommen werden müssen, wird man in der Leitung dieser Klöster wenig Mühe mehr haben. Sorgen Euere Paternität, soweit es an Ihnen liegt, dafür, dass die Vornahme der Visitationen auch weiterhin in der Weise sich vollzieht, wie es jetzt geschieht und es meinen hier niedergeschriebenen Anweisungen entspricht! Für das übrige wird der Herr in seiner Barmherzigkeit und um der Verdienste dieser Schwestern willen sorgen; denn ihr Verlangen ist es, dem Herrn in allem auf die rechte Weise zu dienen und hierüber belehrt zu werden.

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Gedichte und Lieder der heiligen Theresia von Jesu

Quelle Sechster Band 1941: Die Seelenburg der heiligen Theresia von Jesu, S. 272-341 (Imprimatur Monachii, die 16 Junii 1941 F. Buchwieser Vic. Gen.),

Aus dem Vorwort des Herausgebers (S. 5+6)

Die »Gedichte und Lieder« der Heiligen, die auch in diesen Band aufgenommen wurden, suchte ich nach bestem Wissen und Können sinngemäß zu übertragen. Ich war mir meiner Ohnmacht, dieses Geistesgut der Heiligen so wiedergeben zu können, wie es aus ihrer gottliebenden Seele hervortrat, voll und ganz bewusst; ich stand vor einer Aufgabe, die nur relativ gelöst werden konnte. Zu meinem Troste schrieb mir Herr Professor Dr. Lambert Kunle, dem ich als meinem lieben Mitarbeiter bei der Korrektur der Druckbogen den Text der Übertragung der Gedichte der Heiligen vorlegte, folgende Worte: »Ich gehe mit Ihnen darin einig, dass es eine Übersetzung von Gedichten eigentlich nicht gibt. Das Verstandesgut eines Menschen lässt sich nachleben. Mathematische Lehrsätze lassen sich in alle Sprachen übertragen. Nicht so Gemütswerte. Sie sind einmalig, in jedem Menschen verschieden und unübertragbar. Was sich in der Glut der Andacht nach oben drängt, ist einmalig und eigentlich auch für den Beter selbst nicht ein zweites Mal erfaßbar. Gibt es eine wirklichkeitstreue Übertragung der homerischen Gedichte? Keine einzige. Von Dantes Werken? Nirgends. Eine Übersetzung theresianischer Gedichte? Auch nicht. Reinhold Schneider in seinem Buch ›Philipp II.‹ verfügt über eine wundervolle und hinreißende Sprache und Sprachenformung. Auf Seite 161 zitiert er Theresias Gedicht: En las internas entrañas sentí un golpe repentino vollständig, lässt es aber unübersetzt. Warum wohl? Er hat die Unübersetzbarkeit herausgefühlt und war bescheiden genug, dies einzugestehen.« Dasselbe Gefühl beschlich auch mich, als ich die Gedichte der Heiligen übertrug; trotzdem übergebe ich sie der Öffentlichkeit, wenn sie auch ungleich ausgefallen sind und man dem Übersetzer das innere Ringen anmerkt. In Bezug auf die metrische Wiedergabe der Gedichte haben mir die beiden Armen Schulschwestern M. Roselina Jungkunst von Neumarkt und M. Gundolfa Weiß von Regensburg wertvolle Dienste geleistet, deren ich hier in Dankbarkeit gedenke.

Einführung in die Gedichte der Heiligen

Man mag sich vielleicht darüber wundern, dass eine Frau wie die heilige Theresia, die uns unvergleichliche mystische Werke hinterließ und die sonst von Arbeiten aller Art überhäuft war, sich auch mit Abfassung von Gedichten beschäftigte, was von manchen großen Geistern gern als überflüssige Spielerei angesehen wird. Und doch finden wir ein Gleiches auch bei ihrem großen geistlichen Sohn Johannes vom Kreuz sowie bei vielen Mystikern nicht nur jener Epoche, sondern auch der folgenden Jahrhunderte. Diese Tatsache hat ihren Grund darin, dass in diesen mystischen Seelen der Feuerbrand der göttlichen Liebe loderte, der mit unwiderstehlicher Gewalt in gewissen Momenten sich nach außen Bahn brach und in Versen und Liedern Gestalt wurde. Wie in der profanen Literatur gerade die schönsten lyrischen Gedichte zumeist einer im Innern aufgestauten großen Liebe entspringen, so nicht minder in der geistlichen Poesie. Und das gilt in erster Linie von der großen heiligen Theresia von Ávila.

Aber bei der heiligen Theresia hat dieses poetische Schaffen noch einen anderen Grund: Wir wissen, Theresia war von Natur aus ein froher, heiterer Charakter, der um sich überall Frohsinn und Freude verbreitete. Sie mochte es nicht leiden, wenn ihre Schwestern ein griesgrämiges Gesicht machten, weil das mit der wahren Frömmigkeit unverträglich ist. Darum suchte sie bei jeder Gelegenheit, zumal in der Zeit der gemeinsamen Erholung oder anlässlich von kirchlichen oder klösterlichen Feiern, die Unterhaltung zu würzen durch geistliche Lieder, die sie mit ihrem Gesang und mit dem Tamburin begleitete. Vielfach improvisierte sie solche Lieder nach Art der damals in ihrer Heimat üblichen Coplas. Während nun jene Lieder Theresias, welche dem Überschwang ihrer Gottesliebe entsprangen, zumeist einen hohen Grad von Vollendung zeigen, haften letzteren, die nur Gelegenheitsprodukte sind, auch die Mängel und zugleich die Vorzüge aller derartigen Stegreiferzeugnisse an. Ohne sich viel um die Gesetze der Prosodie zu kümmern, offenbart Theresia in ihnen gleichwohl viel natürliche Anmut, Wärme und poetische Veranlagung. Jedenfalls kann unserer Heiligen das Verdienst nicht abgesprochen werden, dass sie durch Hineintragen von mystischem Gedankengut in das Reich der Poesie mehr als frühere spanische Dichter die Literatur ihres Landes befruchtet hat. Inhaltlich könnten die Gedichte der heiligen Theresia geschieden werden in rein mystische, in denen sie das Wehen und Wirken der göttlichen Liebe besingt; in aszetische, in denen sie in poetischem Gewande ihren geistlichen Töchtern Mahnungen erteilt zur Übung gewisser Tugenden; und in hagiographische, in denen sie die Herrlichkeit oder den Heldenmut verschiedener Lieblingsheiligen feiert. P. Ambrosius a S. Teresia O. C. D. (Rom)

Gedichte und Lieder der heiligen Theresia von Jesu

1. Sehnsucht nach dem ewigen Leben

Ich lebe, doch nicht mehr in mir,
Ein heilig Sehnen lebt in mir,
So dass ich sterb’, weil ich nicht sterbe.

1. Seitdem ich aus Liebe sterbe,
Leb’ nicht ich,
Er lebt in mir,
Der für sich mich auserwählte.
Als ich ihm mein Herze weihte,
Hat er dies dort eingeschrieben:
Stirb dir selbst, und du wirst leben!

2. Diese Gotteshaft hienieden
Durch die Lieb’, in der ich lebe,
Übergibt mir Gott gefangen,
Während sie mein Herz befreiet.
Schmerzlich ist es mir, zu sehen
Gott in meinen engen Banden,
Denn ich sterb’, weil ich nicht sterbe.

3. O wie währt dies Leben lange,
Und wie hart drückt dieses Elend!
Diese Kerker, diese Ketten,
Drin die Seele mein gefangen!
Mit so herben Schmerzen quälet
Schon die Hoffnung auf Errettung,
Denn ich sterb’, weil ich nicht sterbe.

4. Ach, wie ist dies Leben herbe,
Wenn man Gott noch nicht genießet!
Ist auch süß der Liebe Wonne,
Doch die lange Sehnsucht nimmer.
Nimm von mir, Gott, diese Lasten,
Die wie Blei so schwer mich drücken!
Denn ich sterb’, weil ich nicht sterbe.

5. Nur die Hoffnung auf das Sterben
Hält mich immer noch am Leben;
Denn sie gibt mir das Vertrauen,
Dass der Tod mir Leben bringet.
Tod, aus dem das Leben blühet,
Auf dich hoff’ ich, säum’ mitnichten;
Denn ich sterb’, weil ich nicht sterbe.

6. Stark sind meiner Liebe Bande,
Leben, sei mir nimmer lästig!
Dich gewinnt, wer dich verlieret,
Nichts sonst führet hin zum Ziele.
Komm, o süßer Tod, o komme!
Komm, o sanftes, leichtes Sterben!
Denn ich sterb’, weil ich nicht sterbe.

7. Nur das Leben höhenwärts
Kann man wahres Leben nennen.
Nimmer freut man sich hienieden,
Ehe dieses Leben stirbt.
Dann erst leb’ ich, wenn ich sterbe;
Denn ich sterb’, weil ich nicht sterbe.

8. Leben! Nichts kann sonst ich geben
Meinem Gott, der in mir lebt.
Ja, ich will dich gern verlieren,
Um an dir mich zu erfreu’n.
Sterbend möcht ich dich umfangen;
So ersehn’ ich dich, Geliebter;
Denn ich sterb’, weil ich nicht sterbe.

2. Hingabe in die Hände Gottes

Dein bin ich, für dich geboren,
Was begehrst du, Herr, von mir?

1. Herr des Himmels und der Erde,
Weisheit du von Ewigkeit,
Höchstes Gut, Dreieinigkeit,
Meiner Seele Güte, Hoheit!
Schau auf meine große Armut,
Heute singt die Liebe dir.
Was begehrst du, Herr, von mir?

2. Dein bin ich, du schufest mich,
Dein, du hast erlöset mich,
Dein, du hast ertragen mich.
Dein, du hast berufen mich,
Dein, du hast erhalten mich,
Dein, nicht ging verloren ich.
Was willst machen du aus mir?

3. Was befiehlst du, guter Meister,
Das dein armes Kind verpflichtet?
Welches Amt hast du verliehen
Diesem sündbefleckten Knechte?
Sieh mich hier, o süße Liebe,
Süße Liebe, sieh mich hier!
Was begehrst du, Herr, von mir?

4. Sieh, mein demutsvolles Herz
Leg ich ganz in deine Hände:
Leben, Leib, die Seele mein,
Mein Gemüt, mein ganzes Sein,
Süßer Bräutigam, Erlöser,
Ich gab mich zu eigen dir.
Was begehrst du, Herr, von mir?

5. Gib mir Leben oder Sterben,
Gib Gesundheit oder Krankheit,
Ehre oder Schande mir!
Gib mir Kämpfe oder Frieden,
Schwachheit oder Lebensfülle!
Ja, ich sag’ es für und für:
Was begehrst du, Herr, von mir?

6. Gib mir Reichtum oder Armut,
Gib mir Freude oder Trauer,
Gib mir Dunkel oder Helle,
Gib mir Himmel oder Hölle,
Süßes Leben, Sonnenschein!
Voll und ganz gehör ich dir:
Was begehrst du, Herr, von mir?

7. Gib die Gabe des Gebetes,
Wie du willst, auch Trockenheit!
Oder gib der Andacht Fülle,
Und wenn nicht, gib Geistesdürre!
König Himmels und der Erde,
Friede find’ ich nur in dir.
Was begehrst du, Herr, von mir?

8. Gib mir Fülle frommer Weisheit,
Oder nach Belieben Torheit!
Gib des Überflusses Zeiten
Oder auch des Hungers Leiden,
Tageslicht gib oder Dunkel,
Send nach dorten mich, nach hier!
Was begehrst du, Herr, von mir?

9. Willst du, dass ich Freud’ genieße,
Will ich gerne fröhlich sein.
Hast du Müh’ für mich erkoren,
Will ich tapfer mich bemüh’n.
Sag es, süße Liebe, sag es,
Sprich, o Liebe, für und für!
Was begehrst du, Herr, von mir?

10. Fruchtbar Land gib oder Wüste,
Tabor oder Golgotha.
Soll als Job im Schmerz ich liegen,
Wie Johannes dir am Herzen?
Soll ein Weinberg ich wohl sein,
Trocken oder früchteschwer?
Was begehrst du, Herr, von mir?

11. Joseph will ich sein im Kerker
Oder Vorstand der Ägypter.
David will ich sein im Elend
Oder auch am Thron in Ehren.
Jonas in das Meer versenkt
Oder wiederum errettet.
Was begehrst du, Herr, von mir?

12. Schweigen will ich oder reden,
Leer sein oder reich an Früchten.
Ob die alte oder neue Satzung
Mich betreut, ob sie mich tröstet,
Ob in Freuden oder Leiden,
Wenn nur du stets lebst in mir.
Was begehrst du, Herr, von mir?
Dein bin ich, für dich geboren,
Was begehrst du, Herr, von mir?

3. »Mein Geliebter ist mein« (Hohel. 2, 16.)

Ganz, hab’ ich mich ihm ergeben
Und den Tausch so fest vollzogen,
Dass nun mein ist mein Geliebter,
Und ich sein, ihm ganz zu eigen.

1. Als der Jäger süß und holde
Mich getroffen, mich verwundet,
Sank in seiner Liebe Arme
Meine Seele, minnetrunken.
Durch die Wandlung dieser Liebe
Ist mir Liebe neu erwachsen,
Dass nun mein ist mein Geliebter,
Und ich sein, ihm ganz zu eigen.

2. ’s war ein Pfeil, der mich getroffen,
Von der Liebe abgeschossen;
Und da wurde meine Seele
Eins mit dem, der sie erschaffen.
Nimmer such’ ich andre Liebe,
Da ich mich Gott hingegeben,
Dass nun mein ist mein Geliebter,
Und ich sein, ihm ganz zu eigen.

4. Liebendes Zwiegespräch

1. »Brennst in Liebe du zu mir,
Wie ich brenne, Herr, zu dir?
All mein Sinnen, sag’, wo’s ruht,
Und das deine, höchstes Gut?«

2. Was begehrst du, Herr, von mir?
»Herr, zu schau’n dein Angesicht.«
Was macht einzig Kummer dir?
»Dass ich dich verlier’, mein Licht«

3. »Gib mir Liebe, die dich minnt,
Bis sie dich für stets gewinnt,
Dass ich bau’ ein Nestlein« warm,
Drin ich ruhe sonder Harm.«

4. Freundin! Gott in deinem Herzen,
Welcher Mangel kann dich schmerzen?
»Meine Liebe, Herr, zu mehren,
Das ist einzig mein Begehren.
Darum will ich stets und treu,
Mich zur Liebe kehren neu.«

5. Glücklich, wer Gott liebt

Heil dem Herzen, das in Lieb entzündet,
Dessen Sinnen Gott allein gehört,
Alles ihm geschenket, was geschaffen,
Ruhm und Freude sucht in ihm allein.
Sorglos lebt’s im heilig stillen Frieden,
Weil ihr Sinnen ganz Gott zugekehrt,
Froh und munter steuert sich’s hienieden,
Durch die Meereswellen sturmbewegt.

6. Staunen über die Schönheit Gottes

1. Schönheit, die du überstrahlest
Alles, was sonst Schönheit heißt,
Schaffst ohn’ Wunden herbe Schmerzen,
Machest ohne Schmerz die Liebe
Aller Kreatur zunichte.

2. O du Band, das du verbindest
Zwei so ganz verschied’ne Dinge;
Wie doch kommt’s, dass du dich lösest,
Da gebund’ne Kraft du leihest,
Selbst das Übel gutzuheißen?

3. Was kein Sein hat, das verbindest
Mit dem Sein du, das nie endet.
Du vollendest, nie vollendend,
Liebest da, wo nichts zu lieben.
Unsrem Nichts verleih’st du Größe.

7. Seufzer einer verbannten Seele

Ach, wie traurig ist’s, zu geh’n,
Herr, durchs Leben ohne dich!
Nur ein Sehnen kenne ich:
Sterben möchte‘ ich, dich zu seh’n.

1. Lang ist unser Weg hienieden,
Durch der Tränen banges Tal,
Mühevoll der Menschen Dasein,
Der Verbannung herbe Qual.
Meister, voller Ruhm und Zier,
Nimm‘ mich, Heiland, weg von hier!
Ja, nur darum will ich fleh’n:
Sterben möcht’ ich, dich zu seh’n.

2. Düster ist das Erdenleben,
Bitter bis zum Übermaß,
Fern von dir seufzt meine Seele,
Trauernd ohne Unterlass.
Ach, wie ist mir, süßes Gut,
Elend ohne dich zumut!
Nur um eines will ich fleh’n:
Sterben möcht’ ich, dich zu seh’n.

3. Tod, du Trost in meinen Nöten,
Heile meiner Sehnsucht Schmerz!
Süß empfind’ ich deine Schläge,
Sie befrei’n mein armes Herz.
Welch ein Glück, Geliebter mein,
Ganz vereint mit dir zu sein!
Nur um eines will ich fleh’n:
Sterben möchte‘ ich, dich zu seh’n.

4. Wie die schnöde Erdenliebe
Sich an dieses Leben hängt,
So die hehre Gottesliebe
Uns zum wahren Leben drängt.
Wie vermöchte, Meister, ich
Zu bestehen ohne dich?
Nur um eines will ich fleh’n:
Sterben möcht’ ich, dich zu seh’n.

5. Unser Weilen hier auf Erden
Ist nur Schmerz und Seelenpein,
Reines Leben wird uns werden
In des Himmels Höh’n allein.
Gott, mein Gott, gewähre mir,
Dass ich lebe dort bei dir!
Nur um eines will ich fleh’n:
Sterben möcht’ ich, dich zu seh’n.

6. Wer soll noch in Furcht erbeben,
Wenn der Leib in Staub zerfällt,
Da man doch für dieses Leben
Grenzenlose Lust erhält?
Süßes Dürfen, süße Pflicht,
Dich zu lieben, schönstes Licht!
Nur um eines will ich fleh’n:
Sterben möcht’ ich, dich zu seh’n.

7. Meine Seele schwebt in Ängsten,
Seufzt vor Schwäche, seufzt vor Leid
Welches Herz soll sich denn freuen,
Wenn der Vielgeliebte weit?
Meine Qualen, meine Pein,
Lass sie bald zu Ende sein!
Herr, ich kenne nur ein Fleh’n:
Sterben möcht’ ich, dich zu seh’n.

8. Wie der Fisch am Angelhaken
Hängt und zerrt, dem Tod geweiht,
Und von seinen tausend Qualen
Erst im Tode wird befreit,
So leid’ ich der Schmerzen Glut
Ohne dich, mein höchstes Gut.
Und ich kenne nur ein Fleh’n:
Sterben möcht’ ich, dich zu seh’n.

9. O mein Meister, ganz vergeblich
Sucht dich meine Seele hier,
Unsichtbar dem blöden Auge
Birgst du allzeit dich vor ihr.
In der Trennung heißem Schmerz
Fliegt ihr Sehnen himmelwärts.
Eines will sie nur erfleh’n:
Sterben möcht’ ich, dich zu seh’n.

10. Ach, wann wirst du dich entschließen,
Einzukehren, Herr, bei mir?
Muß ich ja noch immer fürchten,
Dass ich dich, mein Gott, verlier’.
Seufzend ruft die Seele mein,
Schmerzerfüllt gedenkt sie dein,
Und um eins nur kann sie fleh’n:
Sterben möcht’ ich, dich zu seh’n.

11. Komm doch deiner Magd zu Hilfe,
Die in Sehnsucht fast vergeht!
Setz ein Ende ihren Nöten,
Höre doch ihr Bittgebet!
Brich die Ketten rasch entzwei,
Dass sie endlich glücklich sei!
Denn sie kann nur eines fleh’n:
Sterben möcht’ ich, dich zu seh’n.

12. Doch, ach nein, mein guter Meister,
Ist mir doch mein Schmerz zum Heil,
Sühnen will ich meine Fehler,
Tilgen meiner Schulden Teil.
Höre, Herr, meine Klagen an,
Und mein Ruf steig’ himmelan!
Eines will ich nur erfleh’n:
Sterben möcht’ ich, dich zu seh’n.

8. Suche Gott in dir selbst!

Seele, suche dich in mir,
Such’ mich nirgends als in dir!

1. Meines Geistes Liebe schuf,
Seele, dich nach meinem Bilde;
Keines Malers beste Kunst,
Größte Liebe, höchstes Sinnen
Brächt’ dies Bild so hehr zusammen.

2. Liebe rief ins Dasein dich;
Bist geschmückt mit Reiz und Schönheit,
Die mich selber ganz entzückt.
Sollst, Geliebte, dich verlieren,
Such’ dich nirgends als in mir!

3. Dort wirst finden klar und treu
Dich als Abbild meines Wesens,
Lebenswahr dir eingeprägt;
Und mit seligstem Frohlocken
Schaust in mir dein hehres Bild.

4. Weißt du nicht, wo ein und aus,
Wo mag der Geliebte weilen?
Irre nicht nach dort, nach hier!
Wenn du ehrlich mich begehrst,
Such mich nirgends als in dir!

5. Denn du bist mein Brautgemach,
Bist mein Haus und meine Kammer
Dran ich klopf’ zu jeder Stund’,
Wenn in deinem Sinnen, Denken
Ich die Tür verschlossen find’.

6. Such mich nicht in weiter Ferne,
Da ich dir doch allzeit nahe!
Mir genügt dein Sehnsuchtsruf,
Und schon hast du mich gefunden.
Such mich nirgends als in dir!

9. Geduld erreicht alles

Nichts soll dich ängstigen,
Nichts dich erschrecken.
Alles vergeht,
Gott bleibt derselbe.
Geduld erreicht alles.
Wer Gott besitzt,
Dem kann nichts fehlen.
Gott nur genügt.

10. Der Heimat zu

Lasst uns, Nonnen, nicht verweilen!
Hin zum Himmel lasst uns eilen!

1. Lasst uns abgetötet leben,
Nichts auf eitle Ehre geben,
Schmachten nicht nach Trost und Wonnen
Wie sich’s ziemt für Karmelsnonnen!

2. Wenn wir ohne Widerstreben
Treulich in Gehorsam leben,
Ist’s für uns ein sich’res Zeichen,
Dass wir unser Heil erreichen.
Darum lasst uns nicht verweilen!
Hin zum Himmel lasst uns eilen!

3. Armut sei der Weg nach oben!
Dies zu lehren kam von droben
Unser König einstens her.
Folgen wir stets seiner Lehr’!
Lasst uns, Nonnen, nicht verweilen!
Hin zum Himmel lasst uns eilen!

4. Allzeit ruft uns Gottes Gnade.
Folgen sorgsam wir dem Pfade!
Sehet doch, wie er uns liebt,
Uns sich stets zu eigen gibt!
Lasst uns, Nonnen, nicht verweilen!
Hin zum Himmel lasst uns eilen!

5. Zitternd vor der Kälte Fülle
Kam einst Gott in Menschenhülle,
Er, der Herr, das höchste Gut,
Ganz entflammt von Liebesglut.
Darum lasst uns nicht verweilen!
Hin zum Himmel lasst uns eilen!

6. Lasst uns wahre Schätze suchen
Und ein dauernd Gut uns buchen,
Glück erringen, das nicht weicht,
Reichtum sammeln, der uns bleibt!
Lasst uns, Nonnen, nicht verweilen!
Hin zum Himmel lasst uns eilen!

7. Und Elias, unsrem Vater,
Lasst uns folgen als Berater!
Wollen treu und kraftvoll streiten,
Reger Eifer soll uns leiten.
Lasst uns, Nonnen, nicht verweilen!
Hin zum Himmel lasst uns eilen!

8. Abgestorben unserm Willen,
Streben wir nach Geistesstille,
Wie sie wohl zu eigen war
Elisäus, zweifach gar.
O so lasst uns nicht verweilen!
Hin zum Himmel lasst uns eilen!

11. Zur Geburt Jesu

Ihr Hirten, die ihr wachet,
Eure Herden zu behüten,
Seht, euch ist ein Lamm geboren,
Sohn des Allerhöchsten, Gottes!

1. Arm erscheint es und verachtet,
Säumet nicht, es zu behüten!
Denn der Wolf will es euch rauben,
Eh ihr euch daran erfreuet.
»Reich den Hirtenstab mir, Lieber!
Er soll stets zur Hand mir bleiben.
Niemand soll das Lamm uns rauben,
Ist’s ja Gott, der Allerhöchste.«

2. Bange Zweifel mich verwirren
Halb vor Freud’ und halb vor Schmerzen:
Ist es Gott, der heut geboren,
Wie kann er den Tod erleiden?
»Er ist Gott, doch Mensch nicht minder;
In der Hand hat er das Leben.
Siehe, wahrlich dieses Lamm ist
Sohn des Allerhöchsten, Gottes!«

3. Seltsam, dass sie zu ihm flehen,
Den sie einst so grimm verfolgten?
»Doch ist’s besser wohl, mein Lieber,
Als wenn er zur Heimat kehrte.
Wohl und Weh ist ohne Schranken!
Stets in seine Hand gegeben.
Nun er kam, soll er auch leiden,
Sohn des Allerhöchsten, Gottes.«

4. Wenig nur rührt dich sein Leiden.
Ach, wie wahr ist’s, dass dem Menschen
Ganz entgeht des Nächsten Unglück,
Wenn ihm Glück daraus erblühet!
»Aber sieh, man wird ihn preisen
Als den Hirten großer Herden!«
Wohl, doch immer ist es schrecklich,
Dass Gott stirbt, der Allerhöchste.

12. Zur Geburt Jesu

Gnädiglich, uns zu erlösen,
Kam, uns nah verwandt, ein Hirte,
Gott ist es, der Allmacht heißet.

1. Nur durch ihn sind wir entronnen
Aus des Teufels schlimmen Diensten.
Nah verwandt ist er uns allen,
Mir und dir und all den andren.
Es ist Gott, der Allmacht heißet.

2. »Sag’, wenn Gott er ist, wie konnt’ er
An dem Kreuz verraten sterben?«
Weißt du nicht, dass er die Sünde
Unschuldsvoll durch Leiden tilgte,
Er, der Gott, der Allmacht heißet?

3. »Traun, ich weiß, dass seine Mutter
Hirtin ist, voll schöner Anmut.
Doch, wenn Gott er ist, wie kommt es,
Dass die Armut er erwählet,
Er, der Hoheit, Allmacht heißet?«

4. Drum lass ab von diesen Fragen!
Lieber wollen wir ihm dienen.
Da er kommt, für uns zu sterben,
Wollen wir mit ihm auch sterben.
Er ist Gott, der Allmacht heißet.

13. Weihnachtslied

Voll Gnade hat Gott uns
Die Liebe geschenket;
Drum lasst uns nichts fürchten,
Lass sterben uns beide!

1. Einstens gab der Vater
Uns den einz’gen Sohn,
Der im armen Stalle
In die Welt heut kam.
O welch große Freude!
Gott ward Mensch für uns,
Drum lasst uns nichts fürchten!
Lass sterben uns beide!

2 .Wer kann mir’s erklären,
Dass der Herr der Welt
Hier im kalten Stalle
Heut Geburtstag hält?
Allen Reichtum ließ er,
Wählt die Armut sich;
Wenn ich ihm drin folge,
Läßt die Sorge mich.
Denn ich sterbe nicht allein,
Er wird immer bei mir sein.

3. Welchen Lohn erhält er
Für die Opferlieb’?
Ach, mit Geißelstreichen
Schlägt man blutig ihn!
Solchen Undank kann ich,
Meister, nicht mehr seh’n;
Will für dich, Geliebten
Gern zum Sterben geh’n.
Heiland, ach, stirb nicht allein!
Ich will immer bei dir sein.

4. Nicht genug der Schmerzen,
Nicht genug der Not.
Nein; denn unsre Sünden
Wollen seinen Tod.
»Das kann ich nicht leiden,
Retten will ich ihn.«
Lass es! Denn das wäre
Nicht nach seinem Sinn.
Sterben will ich gerne,
Doch nicht ganz allein,
Du sollst bei ihm sein.

14. Zur Geburt des göttlichen Kindes

Liebes, süßes Hähnchen mein,
Hörst du nicht der Engelein
Fröhlich Jubeln, Jauchzen da?
Denn das Morgenrot ist nah.

1. In der Ferne Festgesang,
Heller, süßer Freudenklang.
Auf, mein Herz, und eil geschwind
Zu der Mutter mit dem Kind!
Liebes, süßes Hähnchen mein,
Hörst du nicht der Engelein
Fröhlich Jubeln, Jauchzen da?
Denn das Morgenrot ist nah.

2. Jungfrau, Fürstin sondergleichen,
Wer wird jemals dich erreichen?
Gottestochter, Braut des Herrn,
Funkelnd wie der Abendstern!
Liebes, süßes Hähnchen mein,
Hörst du nicht der Engelein
Fröhlich Jubeln, Jauchzen da?
Denn das Morgenrot ist nah.

15. Zur Beschneidung des Herrn

Ach, wie dieses Kindlein blutet,
Und ich weiß doch nicht warum!

1. »Ach, warum, so muss ich fragen,
Leidet dieses Kindlein hier?
Braucht nicht Schuldenlast zu tragen,
Hat nichts Böses doch getan,
Welchen Grund mag das wohl haben?«
Große Lieb’ ist’s, die es dränget,
Die es zu uns Sündern trägt.
»Ach, dies Kindlein blutet ja!

2. Ach, so früh schon, kaum geboren,
Quält man dieses Kindelein!«
Ja, zu sterben ist’s gekommen
Und zu tilgen unsre Schuld.
Meiner Treu, welch guter Hirte
Wird es seiner Herde werden!
»Ach, dies Kindlein blutet ja,
Und ich weiß doch nicht warum.«

3. Hast du’s denn noch nicht vernommen,
Wer dies holde Kindlein ist?
Mir kam von des Kindes Freunden
Frohe Kunde wohl zu Ohren:
Gott ist dieses kleine Kind.
Wahrlich groß der Undank wäre,
Liebten wir dies Kindlein nicht,
Das so früh schon für uns blutet.

16. Zur Beschneidung des Herrn

Weinend ist dies Kind gekommen,
Gib wohl acht, es ruft nach dir!

1. Unsre Kämpfe zu beenden,
Kam’s vom Himmel auf die Erde.
Und schon fließt sein frisches Blut,
Ehe noch der Kampf begonnen.
Gib wohl acht, es ruft nach dir!

2. Seine Liebe ist so groß,
Tränen sind noch das Geringste;
Denn mit Kraft will es beginnen,
Da zu herrschen es bestimmet.
Gib wohl acht, es ruft nach dir!

3. Großen Dank sind wir ihm schuldig.
Da es schon so früh beginnet
Mit Vergießung seines Blutes,
Sollten Tränen wir vergießen.
Gib wohl acht, es ruft nach dir!

4. Nein, es hat ja nur verlassen
Seine Heimat; um zu sterben
Ist es jetzt zu uns gekommen.
Wie ein Leu ruft es nun hier
Laut und mächtig, Freund, nach dir.

5. »Sag, mein Lieber, was ich soll,
Da du mich so laut ermahnest!«
Lieb es, Freund, weil es dich liebt
Und für dich vor Kälte zittert!
Gib wohl acht, es ruft nach dir!

17. Zum Feste der Heiligen Drei Könige

Heut erschien der Stern der Weisen,
Lasst uns mit den Fremden reisen!

1. Lasst uns miteinander gehen,
Den Messias anzusehen,
Weil erfüllt in dieser Stunde
Sich der alten Zeiten Kunde.
Da wir schau’n den Stern der Weisen
Lasst uns zu dem Kindlein reisen!

2. Reiche Gaben lasst und bringen,
Freudenlieder woll’n wir singen
Vor der Mutter mit dem Kinde,
Weil geführt durch Nacht und Winde
Sternenglanz die frommen Weisen.
Lasst uns mit den Fremden reisen.

3. Suche nicht nach kalten Gründen,
Die des Knaben Gottheit künden!
Lass dich von der Liebe meistern,
Und fürs Kindlein dich begeistern,
Um geschwind zu ihm zu reisen,
Treu geführt vom Stern der Weisen!

18. Lobpreis des Kreuzes

Kreuz, du Lebensrast und Zier,
Stets willkommen bist du mir.

1. Banner, unter dessem Schutze
Selbst der Schwächste Trost gefunden,
Lebensquell, der selbst des Todes
Scharfen Stachel überwunden.
Du bezwangst des Löwen Wut,
Hast das Leben ihm genommen,
Süßes Kreuz, sei mir willkommen!

2. Wer dich scheut, bleibt immer Sklave,
Nie wird er die Freiheit sehen.
Doch, wer dich zum Ziel erkoren,
Wird nie in die Irre gehen.
Wer sich deiner Herrschaft füget,
Dem wird sicher alles frommen.
Süßes Kreuz, sei mir willkommen!

3. Ja, du brachtest uns die Freiheit,
Uns, die wir gefesselt waren,
Und wir haben in der Krankheit
Deine Wunderkraft erfahren.
Sich’rer Pfad zu Gottes Glück
Willst du, Kreuzholz, sein den Frommen?
Süßes Kreuz, sei mir willkommen!

19. Der Weg des Kreuzes

Im Kreuz ist Leben, Trost und Schmerz,
Es weist allein mich himmelwärts.

1. Am Kreuze hängt der Herr der Welt,
Des Himmels und der Erde.
Das Kreuz ist mir ein Friedenszelt,
Verscheucht der Erde Leid und Schmerz.
Das Kreuz, es weist mich himmelwärts.

2. Das Kreuz umfasst die Gottesbraut
Aus Lieb’ zu Gott im Himmel,
Weil sie die süßen Früchte schaut,
Die diese Palme wirft ins Herz.
Das Kreuz, es weist mich himmelwärts.

3. Das Kreuz ist einem Ölbaum gleich,
Ganz kostbar, meine Seele,
An Licht und Salbung wunderreich.
Drum hin zum Kreuz, drück’ es ans Herz!
Das Kreuz, es weist dich himmelwärts.

4. Im Kreuzesschatten sitzt die Braut,
Sie fühlt sich wohl darin,
Mit ihrem Himmelsherrn vertraut.
Das grünend Kreuz stillt Sehnsuchtsschmerz,
Das Kreuz, es weist dich himmelwärts.

5. Die Seele, die ganz Gott gehört,
Hat sich ihm ganz ergeben;
Wohl keine Weltlust sie betört,
Als Lebensbaum das Kreuz sie preist,
Weil es so süß zum Himmel weist.

6. Seit unser Herr am Kreuze hing,
Ist jedes Kreuz voll Ehren,
Fürwahr ein wertvoll, köstlich Ding
Und Leben, Trost; des Kreuzes Schmerz
Ein sich’rer Führer himmelwärts.

20. Kreuzesliebe

Lasst uns zu des Himmels Wonnen
Gläubig eilen, Karmelsnonnen!

1. Lasset uns das Kreuz umfassen
Und vom Heiland nimmer lassen,
Der uns Leuchte ist und Steg,
Trost auf unsrem Himmelsweg!
Folgt ihm treulich, Karmelsnonnen!

2. Wenn wir mehr als unsre Augen
Die Gelübde treu bewahren,
Wird uns Gott von üblen Lasten,
Von der Trauer, Not entlasten.
Achtet drauf, ihr Karmelsnonnen!

3. Weisheit ist es, zu versprechen,
Seinen Eigensinn zu brechen;
Und es gibt nur ein Vergehen:
Dem Gehorsam widerstehen.
Mög’ euch, Nonnen, Gott bewahren
Vor des Eigensinns Gefahren!

4. Lasset uns mit Sorgfalt hüten
Heil’ger Keuschheit zarte Blüten!
Gott nur wollen wir stets leben;
Karmelsnonnen mit Entzücken
Erdenlust nicht kann beglücken.

5. Wer die Armut liebt in Treue,
Lernt sie üben ohne Reue.
Reichtum ist’s, den er gewonnen,
Der in sich schließt Himmelswonnen
Übt sie eifrig, Karmelsnonnen!

6. Wenn beharrlich unser Streben,
Brauchen wir vor niemand beben,
Und wir werden ewig leben,
Ruh’n in Gottes heil’gen Wonnen,
Ewig, glücklich, Karmelsnonnen!

21. Zum heiligen Andreas

Wenn Leiden in der Liebe schon
So große Wonne kann erzeugen,
O welch Entzücken wird es sein,
Geht schauend man in dich erst ein!

1. Welche Wonne wird es werden,
Zu schau’n die ewige Majestät,
Wenn schon die Kreuzesschau auf Erden
Andreas’ Herz mit Lust erfüllte!
Ja, wenn sogar im bittren Leiden
Die Freude ihm nicht fehlen kann.
O dich zu schauen, welch Entzücken!

2. Ist erst die Liebe groß geworden,
So kann sie nimmer müssig sein,
Nicht ohne Kämpfe mit dem Feinde,
Die sie für den Geliebten führt.
Sie wird darin ihn überwinden
Und wird zu finden sich bemüh’n.
O dich zu schauen, welch Entzücken!

3. Der Tod, den alle anderen fürchten,
Wie kann er dir willkommen sein?
Nur weil ich weiß, dass ich durch ihn
Zu weit erhab’nerem Leben gehe.
O Gott, der durch dein bittres Sterben
Du auch die Schwächsten stark gemacht,
O dich zu schauen, welch Entzücken!

4. O Kreuz, du wunderbarer Balken,
So voll der Macht und Majestät!
Denn als du noch verächtlich warst,
Hast du zum Bräut’gam Gott gewonnen.
Ich komm zu dir von Freud’ durchglüht
Obschon ich nicht der Liebe wert;
Denn dich zu schau’n ist mein Entzücken.

22. Zum heiligen Hilarion

Heute siegt’ ich als ein Krieger
Über Welt und ihr Gefolge.
Kehret, kehret um, o Sünder,
Lasst uns heiligem Pfade folgen!

1. In die Wüste lasst uns fliehen!
Wollen nimmer kampflos sterben,
Bis in so erhab’ner Armut
Wir das Leben uns erwerben.
O wie wunderbar ist dieses
Unsres Krieges Kampfesschicksal!
Kehret, kehret um, o Sünder,
Lasst uns heiligem Pfade folgen!

2. Mit der Buße scharfen Waffen
Hat er Luzifer besieget;
Nichts ist, was er fürchten müsste,
Weil geduldig er im Kampfe.
Wenn wir diesem Helden folgen,
Werden wir den Sieg erringen.
Kehret, kehret um, o Sünder,
Lasst uns heiligem Pfade folgen!

3. Keinem andren Schutz vertraut er;
Nur das Kreuz war seine Stärke.
Allen Sündern strahlt die Helle,
Die das Kreuz uns hat verliehen.
O welch sel’ge Liebesbande
Knüpfte dieser tapfre Streiter!
Kehret, kehret um, o Sünder,
Lasst uns heiligem Pfade folgen!

4. Nun hat er die Kron’ erworben,
Und sein Leiden ist beendet;
Jetzt genießt er dort im Himmel,
Was hienieden er verdienet.
O du seliger Sieg, den ruhmvoll
Unser tapfrer Held gewonnen!
Kehret, kehret um, o Sünder,
Lasst uns heiligem Pfade folgen!

23. Zur heiligen Märtyrin Katharina

O Herz voller Liebe
Zum ewigen Gott;
Du strahlender Stern,
Beschütze uns doch!

1. Im zartesten Alter
Hast du dich verlobet;
Nicht Rast und nicht Ruh’ ließ
Der Liebe Gewalt dir.
Wer feige, verzagt ist,
Darf nimmer dich finden,
Wer ’s Leben mehr liebet
Statt froh dir’s zu opfern.

2. O schauet, ihr Feigen,
Dies zarte Jungfräulein!
Nicht achtet das Gold sie,
Verschmäht ihre Schönheit.
Sie stürzt in den Kampf,
Weint grimme Verfolgung
Voll Großmut der Seele,
Zum Leiden bereit.

3. Mehr schmerzt sie zu leiden
Fern vom Verlobten;
Drum hat auf der Folter
Sie Ruhe gefunden.
Die Pein ist ihr Ruhe,
Sie seufzt nach dem Tode;
Solange sie lebet,
Kein Leben erblüht ihr.

4. Doch soll ihre Freude
Auch euch einst erfreu’n,
So werdet nicht müde,
Um Ruhe zu finden!
O trugvolle Täuschung,
O liebloser Wahn,
Im Leben zu suchen,
Die Heilung vom Schmerz.

24. Zur Einkleidung der Schwester Hieronyma von der Menschwerdung

Wer hat dich, o Mädchen,
Hieher denn geführt
Aus dem Tränental
Dieser schnöden Welt?
Gott, den ich als Schatz erwählt.

25. Zum Schleierfest der Schwester Elisabeth von den Engeln

Schwester, dass du wachsam seiest,
Gab man heute dir den Schleier,
Um den Himmel handelt sich’s.
So sei immer aus der Hut!

1. Dieser gnadenvolle Schleier
Mahnt dich, dass du wachsam seiest,
Immer auf der Wache stehest,
Bis der Bräutigam wird kommen,
Wenn du gar nicht daran denkest.
Drum sei immer auf der Hut!

2. Niemand weiß, zu welcher Stunde,
Ob schon bei der ersten Wache,
Ob zur zweiten oder dritten
Ihn der Christ hat zu erwarten.
Deshalb wache, Schwester, wache!
Was du hast, lass dir nicht rauben!
Drum sei immer auf der Hut!

3. Halte immer in den Händen
Angezündet eine Lampe!
Immer stehe auf der Wache,
Fest umgürtet deine Lenden!
Sei nicht immer schlummersüchtig,
Wieviel steht dir auf dem Spiele?
Drum sei immer auf der Hut!

4. Habe Öl stets in dem Krüglein,
Gute Werke und Verdienste,
Dass die Lampe fröhlich brenne
Und ihr Licht nicht bald ersterbe!
Denn ist einstens sie erloschen,
Wirst du vor der Tür gelassen.
Drum sei immer aus der Hut!

5. Niemand wird wohl Öl dir leihen,
Und wenn du zu kaufen eilest,
Möchtest viel zu spät du kommen,
Wenn der Bräutigam schon einzog.
Ist die Tür einmal verschlossen,
Rufest du umsonst um Einlass:
Drum sei immer aus der Hut!

6. Trage unablässig Sorge,
Dass du bis zum Tag des Todes
Das, was heute du gelobest,
Auch mit starkem Mut erfüllest!
Denn, wenn stets du also wachest,
Sollst du eingeh’n mit dem Bräut‘gam
Drum sei immer auf der Hut!

26. Zur Profeß der Schwester Elisabeth von den Engeln

1. Meine Freude sei’n die Tränen,
Und die Furcht mein Seelenfrieden;
Meine Ruhe sei im Leiden,
Die Erholung in der Schwäche.

2. Meine Liebe sei’n die Stürme
Und mein Glück der Seele Schmerzen;
Täglich Sterben sei mein Leben,
Und mein Trost sei die Verachtung.

3. In der Armut sei mein Reichtum
Und mein Sieg im steten Kämpfen;
Meine Ruhe sei die Arbeit,
Traurigkeit sei meine Freude.

4. Meine Leuchte sei das Dunkel,
Meine Größe Niedrigkeit;
Und das Kreuz sei meine Ehre,
Sei mein Pfad und Lebensweg.

5. Ehre sei mir jede Schmähung,
Meine Palme sei das Leiden;
Im Verluste sei mein Reichtum,
In der Schwachheit meine Stärke,

6. Meine Sättigung im Hunger,
Meine Hoffnung sei im Bangen;
In den Ängsten sei mein Friede,
In der Bitterkeit die Freude,

7. In Erniedrigung Erhöhung,
In Vergessenheit Gedanken;
Und mein Ruhm sei in der Missgunst,
Und mein Sieg sei die Beschimpfung.

8. Meine Krone sei Verachtung,
Meine Seligkeit die Schmerzen,
Im Verborg’nen meine Würde,
Und die Einsamkeit mein Kleinod.

9. Mein Vertrauen sei der Heiland,
Er allein sei meine Ruhe;
Meine Stärke sein Ermatten,
Ihm zu folgen meine Freude.

10. Er sei Stütze meiner Treue,
Nur bei ihm bin ich gesichert;
Er ist Zeuge meiner Wahrheit
Und das Siegel meiner Treue.

27. Zu einer Profeß

O wie glücklich ist die Hirtin,
Die sich einem Hirten weiht,
Der da herrscht in Ewigkeit!

1. Selig Los der Gottesbraut,
Die dem Höchsten angetraut!
Wage kaum, sie anzuseh’n,
Trau’ mir nicht, zu ihr zu geh’n,
Seit sie sich dem Herrn geweiht,
Der da herrscht in Ewigkeit.

2. »Frag sie, was sie ihm gegeben,
Dass er in sein Haus sie nahm!«
Freudig und mit freiem Willen
Hat sie ihm ihr Herz geschenkt.
Wahrlich, gar geringen Preis
Gab sie für so schönen Hirten,
Der da herrscht in Ewigkeit.

3. Nein, sehr groß ist ihre Tat;
Denn wer alles, was er hat,
Hingibt, tut ja, was er kann.
Und sie hätt’ noch mehr getan
Für den Herrn der Ewigkeit,
Dem als Braut sie sich geweiht.

4. »Was sie gab, das wissen wir.
Aber was gab ihr der Hirte?«
All sein Blut, sie loszukaufen.
O der großen Morgengabe!
Glücklich preise ich die Hirtin,
Die sich solchem Hirten weihte.

5. Groß muss sein der Liebe Kraft,
Dass er solchen Schatz ihr gab.
Alles hat sie nun von ihm:
Kleid, ja alles, auch die Schuhe,
Denn sie ist nun seine Braut,
Der da herrscht in Ewigkeit.

6. Unsrer Hürde Einsamkeit
Steht für sie darum bereit.
Lasst uns ihr gefällig sein,
Ihre Liebe zu gewinnen!
Denn sie ist die Braut des Herrn,
Der ohn’ Ende herrschen wird.

28. Zu einer Profeß

Welch ein Glück ist’s ohnegleichen,
O welch selige Vermählung,
Da der König aller Welten
Selber ward zum Bräutigam!

1. Welch ein hochbeglücktes Los
Wurde heute dir zuteil,
Da Gott dich zur Braut erwählte
Und mit seinem Blut erworben!
Drum sei stark in seinem Dienste,
Wie du heute ihm gelobet,
Da der König aller Welten
Selber ward dein Bräutigam!

2. Reichen Brautschatz wird dir geben
Dein Gemahl, des Himmels König;
Vielen Trost wird er dir spenden,
Den dir niemand mehr kann rauben.
Gibt die Demut dir vor allem,
Schlichten, still bescheid’nen Geist,
Kann er’s doch, ist ja der König,
Er, der heut dein Bräutigam.

3. Mehr noch gibt er dir, der Herr:
Eine Liebe rein und heilig,
Dass du — glaub es mir fürwahr! —
Nimmer brauchst die Welt zu fürchten
Und den Teufel minder noch,
Da der König aller Welten
Selbst ward heut dein Bräutigam.

29. Zu einer Profeß

O ihr alle, die ihr streitet
Unter diesem heil’gen Banner,
Bleibet wach, o bleibe! wach!
Denn kein Friede herrscht auf Erden.

1. Wie ein tapf’rer Führer stürzte
Unser Herr sich in den Tod,
Weil wir ihm den Tod gegeben,
Lasset uns ihm tapfer folgen!
O welch herrlich Los gewann er
Als Erfolg aus diesem Kampfe!
Bleibet wach, o bleibet wach!
Gottes Frieden fehlt auf Erden.

2. An dem Kreuz für uns zu sterben
Bot er sich voll Freuden an,
Wollte durch sein bitt’res Leiden
Ew’ges Licht uns allen spenden.
O wie ward der Kampf so glücklich! O wie ward der Sieg so herrlich!
Bleibet wach, o bleibet wach!
Fehlt ja Gottes Fried’ auf Erden.

3. Niemand soll sich feig erzeigen.
Setzen wir das Leben ein!
Denn nur wer’s verloren gibt,
Wird am besten es behüten.
Christus selbst ist unser Führer,
Unser Kampfpreis nach dem Siege.
Bleibet wach, o bleibe: wach!
Denn kein Frieden herrscht auf Erden.

4. Bieten wir uns an im Ernste,
Alle für den Herrn zu sterben,
Und zum ew’gen Hochzeitstage
Freudig wir im Himmel wohnen,
Weil voran uns Christus schreitet.
Fürchtet nicht, o bleibet wach!
Denn kein Friede ist auf Erden.

30. Zu einer Profeß

O Töchter, seht, der Bräutigam,
Will uns in süßer Haft,
Ins Brautgewand,
Des Ordens heil’ger Zier!

1. Welch auserles’nes Hochzeitsmahl
Hält Christus uns bereit!
Er schenkt uns seiner Gnade Licht,
Der Liebe Seligkeit.
O weihen wir uns seinem Kreuz
Nun voll und ganz dafür
Im Brautgewand,
Des Ordens heil’ger Zier!

2. Der Herr hat uns im Ordensstand
Aus Tausenden erwählt;
Nun sind vor Sünde wir geschützt,
Behütet vor der Welt.
Ein überreicher Gottestrost
Ist unser Anteil hier,
Wenn diese Haft, die uns bestimmt,
In Freude tragen wir.

3. Des Himmels Pracht und Herrlichkeit
Wird ewig unser Glück,
Wenn von dem eitlen Erdentand
Wir wenden unsren Blick,
Wenn in Entsagung nur allein
Dem Höchsten leben wir
Im Brautgewand,
Des Ordens heil’ger Zier.

4. Glückselig diese Kerkerhaft,
Die uns zur Freiheit führt,
Zu einem Leben voller Glück,
Auf ewig unberührt!
So hab’, o Gott, ich keine Lust,
Mich zu entwinden dir
In meinem Brautgewand,
Des Ordens heil’ger Zier.

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