Sanctuarium in ecclesia (Wortlaut)

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Motu proprio
Sanctuarium in ecclesia

von Papst
Franziskus
zur Übertragung der Zuständigkeit für die Heiligtümer an den Päpstlichen Rat zur Förderung der Neuevangelisierung
11. Februar 2017

(Quelle: Osservatore Romano 14. April 2017, S. 10; Orig. ital. in OR 2.4.2017)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


1. Wallfahrtsorte besitzen in der Kirche ein »hohen Symbolwert«,<ref>Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Direktorium über die Volksfrömmigkeit und die Liturgie. Grundsätze und Orientierungen (2001), 263.</ref> und sich auf Pilgerfahrt zu begeben ist ein echtes Glaubensbekenntnis. Denn durch die betende Betrachtung des sakralen Bildes bezeugt man die Hoffnung, die Nähe Gottes stärker zu spüren, die das Herz auf das Vertrauen hin öffnet, in den tiefsten Wünschen gehört und erhört zu werden.<ref>Vgl. 5. Generalkonferenz des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik, Dokument von Aparecida, 29. Juni 2007, 259.</ref> Die Volksfrömmigkeit, die »ein authentischer Ausdruck des spontanen missionarischen Handelns des Gottesvolkes ist«,<ref>Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 122.</ref> findet in den Wallfahrtsstätten den bevorzugten Ort, an dem sie die schöne Tradition des Gebets, der Frömmigkeit und des Vertrauens auf die Barmherzigkeit Gottes zum Ausdruck bringen kann, inkulturiert in das Leben eines jeden Volkes.

Denn von den ersten Jahrhunderten an dachte man an die Wallfahrt vor allem an jene Orte, wo Jesus Christus gelebt und das Geheimnis der Liebe des Vater verkündigt hatte, und wo sich vor allem ein greifbares Zeichen seiner Auferstehung befand: das leere Grab. Später machten die Pilger sich auf den Weg an jene Orte, wo sich den verschiedenen Überlieferungen nach die Gräber der Apostel befanden. Im Laufe der Jahrhunderte schließlich erstreckte sich die Wallfahrt auch auf jene Orte, nunmehr zur Mehrheit geworden, an denen die Volksfrömmigkeit die geheimnisvolle Gegenwart der Gottesmutter, der Heiligen und der Seligen konkret wahrgenommen hat.<ref>Vgl. Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, Die Pilgerfahrt zum großen Jubiläum (25. April 1998), 12-17.</ref>

2. Die Wallfahrtsorte sind bis in unsere Tage hinein in allen Teilen der Welt weiterhin ein besonderes Zeichen des einfachen und demütigen Glaubens der Gläubigen, die an diesen heiligen Stätten die grundlegende Dimension ihres gläubigen Daseins finden. Hier erfahren sie zutiefst die Nähe Gottes, die Zärtlichkeit der Jungfrau Maria und die Gesellschaft der Heiligen: eine Erfahrung wahrer Spiritualität, die nicht abgewertet werden darf, um dem Wirken des Heiligen Geistes und dem Leben der Gnade keinen Abbruch zu tun. Viele Pilgerstätten wurden so sehr als Teil des Lebens von Menschen, Familien und Gemeinschaften wahrgenommen, dass sie die Identität ganzer Generationen geprägt und sogar die Geschichte einiger Nationen beeinflusst haben.

Der große Strom der Pilger, das demütige und einfache Gebet des Gottesvolkes im Wechsel mit den liturgischen Feiern, die Erlangung zahlreicher Gnaden, die viele Gläubige ihrem eigenen Zeugnis nach empfangen haben, sowie die natürliche Schönheit dieser Orte lassen erkennen, dass die Heiligtümer in der Vielfalt ihrer Formen eine unersetzliche Gelegenheit für die Evangelisierung in unserer Zeit darstellen.

3. Diese Orte werden trotz der Glaubenskrise, von der die heutige Welt heimgesucht wird, immer noch als sakrale Räume empfunden, zu denen man pilgert, um einen Augenblick der Einkehr, der Stille und der Betrachtung in dem oft hektischen Leben unserer Tage zu finden. Ein verborgener Wunsch lässt bei vielen die Sehnsucht nach Gott aufkommen; und die Wallfahrtsorte können ein wahrer Zufluchtsort sein, um sich selbst neu zu entdecken und wieder die notwendige Kraft für die eigene Umkehr zu finden. Außerdem können die Gläubigen in der Pilgerstätte eine Stütze für ihren täglichen Weg in der Pfarrei und in der christlichen Gemeinde finden. Diese Osmose zwischen der Wallfahrt zum Heiligtum und dem täglichen Leben ist eine wertvolle Hilfe für die Seelsorge, weil sie ihr gestattet, die Evangelisierungstätigkeit durch ein überzeugteres Zeugnis neu zu beleben. Zum Heiligtum zu pilgern und an der Spiritualität teilzuhaben, die diese Orte zum Ausdruck bringen, ist daher bereits ein Akt der Evangelisierung, der es verdient, aufgrund seines hohen pastoralen Werts wertgeschätzt zu werden.<ref>Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 124.126.</ref>

4. Seinem Wesen nach ist die Wallfahrtsstätte also ein sakraler Ort, wo die Verkündigung des Wortes Gottes, die Feier der Sakramente, insbesondere der Versöhnung und der Eucharistie, sowie das Zeugnis der Nächstenliebe das große Bemühen der Kirche um die Evangelisierung zum Ausdruck bringen. Es zeichnet sich daher aus als echter Ort der Evangelisierung, wo von der ersten Verkündigung bis hin zur Feier der heiligen Geheimnisse das mächtige Wirken offenbar wird, mit dem die Barmherzigkeit Gottes im Leben der Menschen tätig ist.

Durch die jedem Wallfahrtsort eigene Spiritualität werden die Pilger »durch hinführende und begleitende Evangelisierung«<ref>Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 48.</ref> zu einem immer größeren Verantwortungsbewusstsein sowohl in ihrer christlichen Bildung als auch im notwendigen Zeugnis der Nächstenliebe geführt, das daraus entspringt. Außerdem trägt die Pilgerstätte in nicht geringem Maße zum katechetischen Bemühen der christlichen Gemeinde bei:<ref>Vgl. Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, Heilige Stätten – Erinnerung, Gegenwart und Prophezeiung des lebendigen Gottes (8. Mai 1999), 10.</ref> indem sie in zeitgemäßer Form die Botschaft weitergibt, die zu seiner Errichtung geführt hat, bereichert es das Leben der Gläubigen und bietet ihnen Beweggründe für ein Werk des Glaubens (vgl. 1 Thess 1,3), das reifer und bewusster ist. Denn im Wallfahrtsort werden die Türen weit geöffnet für die Kranken, die behinderten Menschen und vor allem für die Armen, die Ausgegrenzten, die Flüchtlinge und die Migranten.

5. Im Licht dieser Überlegungen wird deutlich, dass die Wallfahrtsorte aufgerufen sind, eine Rolle bei der Neuevangelisierung der heutigen Gesellschaft zu spielen, und dass die Kirche aufgerufen ist, die Eingebungen des Herzens, die durch die Wallfahrten zu den Heiligtümern und zu den heiligen Stätten zum Ausdruck kommen, pastoral aufzuwerten.

Daher habe ich in dem Wunsch, die Entwicklung der Seelsorge in den Heiligtümern der Kirche zu fördern, beschlossen, dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Neuevangelisierung die Zuständigkeiten zu übertragen, die kraft Art. 97, 1° des Apostolischen Schreibens Pastor Bonus bislang der Kongregation für den Klerus zukamen, ebenso wie jene, die in Art. 151 desselben Schreibens bezüglich der religiös motivierten Reisen vorgesehen sind, ohne Einschränkung der Aufgaben der zuständigen kirchlichen Autoritäten sowie jener, die kraft besonderer Gesetze anderen Organismen gegenüber bestimmten Pilgerstätten zukommen.

Folglich bestimme ich, dass in Zukunft Aufgabe des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung sein wird:

a) Die Errichtung internationaler Wallfahrtsorte und die Genehmigung der jeweiligen Statuten, gemäß Can. 1232-1233 CIC.

b) die Untersuchung und Umsetzung von Maßnahmen, die die Rolle der Wallfahrtsorte bei der Evangelisierung und die Pflege der Volksfrömmigkeit in ihnen fördern;

c) die Förderung einer organischen Seelsorge der Wallfahrtsorte als Zentren zur Unterstützung der Neuevangelisierung;

d) die Veranstaltung von nationalen und internationalen Begegnungen zur Förderung eines gemeinsamen Werks zur Erneuerung der Pastoral der Volksfrömmigkeit und der Wallfahrt zu den heiligen Stätten;

e) die Förderung der besonderen Ausbildung der Mitarbeiter der Wallfahrtsorte und der heiligen Stätten;

f) die Aufsicht darüber, dass den Pilgern an den jeweiligen Orten ein konsequenter und tragfähiger geistlicher und kirchlicher Beistand geleistet wird, der es gestattet, aus diesen Erfahrungen die größtmögliche persönliche Frucht zu ziehen;

g) die kulturelle und künstlerische Wertschätzung der Wallfahrtsorte gemäß der »via pulchritudinis« als besondere Form der Evangelisierung der Kirche. Ich verfüge, dass alles, was ich mit diesem Apostolischen Schreiben in Form eines »Motu Proprio« festgesetzt habe, voll und bleibend gültig ist, ungeachtet jeder gegenteiligen Anordnung, auch wenn sie besonders erwähnenswert wäre, und dass es durch die Veröffentlichung im L’Osservatore Romano promulgiert wird, zwei Wochen nach der Promulgation in Kraft tritt und anschließend in die Acta Apostolicae Sedis aufgenommen wird.

Gegeben in der Vatikanstadt am 11. Februar 2017,

dem liturgischen Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes,
im vierten Jahr des Pontifikats.

Franziskus

Anmerkungen

<references />

Weblinks