Sacramentum paenitentiae (Wortlaut)

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Seelsorgliche Richtlinien
Sacramentum paenitentiae

Kongregation für die Glaubenslehre
unseres Heiligen Vaters
Paul VI.
zur Erteilung der sakramentalen Generalabsolution
16. Juni 1972

(Offizieller lateinischer Text AAS 64 [1972] 510-514)

(Quelle: Nachkonziliare Dokumentation Band 42, Seelsorgliche Richtlinien für die Erteilung der sakramentalen Generalabsolution. Paulinus Verlag 1974; S. 6-20. Von den deutschen Bischöfen approbierte Übersetzung)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Christus der Herr hat das Bußsakrament eingesetzt, damit die Gläubigen, die gesündigt haben, die Verzeihung der Gott zugefügten Beleidigung von seiner Barmherzigkeit erlangen und zugleich mit der Kirche versöhnt werden (vgl. Vaticanum II, Konst. über die Kirche, 11). Er tat dies, als er den Aposteln und ihren rechtmäßigen Nachfolgern die Vollmacht erteilte, Sünden nachzulassen und zu behalten (vgl. Jo 20, 22 f.).

Das Konzil von Trient hat feierlich erklärt, dass zur vollkommenen Vergebung der Sünden für den Beichtenden drei Akte als Teile des Sakramentes erforderlich sind: Reue, Bekenntnis und Genugtuung; ferner, dass die Lossprechung durch den Priester ein richterlicher Akt ist und dass kraft göttlichen Rechtes alle Todsünden, deren man sich nach sorgfältiger Gewissenserforschung erinnert, dem Priester einzeln zu bekennen sind, ebenso die Umstände, die die Art der Sünde ändern (vgl. XIV. Sitzungsperiode, Can. über das Bußsakrament 4,6-9; DS 1704, 1706-1709).

Mehrere Ortsordinarien aber waren in Sorge, einerseits weil ihre Gläubigen wegen des Priestermangels in manchen Gegenden nur schwer eine persönliche Beichte ablegen können, zum anderen, weil gewisse irrige Ansichten über die Lehre vom Bußsakrament verbreitet sind und zudem sich das Bestreben und die unzulässige Praxis verstärken, gleichzeitig mehreren, die nur ein allgemeines Bekenntnis abgelegt haben, die sakramentale Absolution zu erteilen. Diese Ordinarien wandten sich deshalb an den Heiligen Stuhl mit der Bitte, den Gläubigen in Erinnerung zu bringen, was dem wahren Wesen des Bußsakraments gemäß unbedingt zum rechten Empfang dieses Sakraments erforderlich ist, und Richtlinien für die gegenwärtige Situation zu erlassen.

Die Heilige Kongregation für die Glaubenslehre hat die einschlägigen Fragen sorgfältig geprüft und gibt unter Berücksichtigung der Instruktion der Apostolischen Poenitentiarie vom 25. März 1944 folgende Erklärungen:


I.

Nach wie vor ist an der Lehre des Konzils von Trient festzuhalten. In der Praxis ist genau nach ihr vorzugehen. Es besteht die Meinung, man leiste dem Gebot, wonach zur Erlangung der Lossprechung die Todsünden im Sakrament zu bekennen sind, durch ein lediglich allgemeines oder, wie man sagt, gemeinschaftlich abgelegtes Schuldbekenntnis Genüge. Die aus dieser Meinung heraus in jüngerer Zeit da und dort entstandene Praxis ist auf Grund der Lehre des Konzils von Trient zurückzuweisen.

Abgesehen von dem göttlichen Gebot, das vom Konzil von Trient verkündet wurde, empfiehlt sich die Einzelbeichte nachdrücklich durch den großen Nutzen für die Seele, der, wie die jahrhundertealte Erfahrung lehrt, aus der persönlichen Beichte hervorgeht, wenn diese richtig abgelegt und das Sakrament gut verwaltet wird. Das persönliche Bekenntnis aller Sünden und die Lossprechung bleiben der einzige, ordentliche Weg, auf dem sich die Gläubigen mit Gott und der Kirche versöhnen; nur physische oder moralische Unmöglichkeit entschuldigt von einer solchen Beichte.


II.

Es kann nämlich besondere Umstände geben, die es erlauben, ja sogar notwendig machen, mehreren Gläubigen ohne vorhergehendes· persönliches Bekenntnis die Generalabsolution zu erteilen.

Das trifft vor allem zu bei unmittelbarer Todesgefahr, wenn anwesenden Priestern die Zeit nicht ausreicht, die Beichte der einzelnen Gläubigen entgegenzunehmen. In einem solchen Fall hat jeder Priester die Vollmacht, einer Personengruppe die Generalabsolution zu erteilen; wenn es die Zeit erlaubt, möge er kurz einige Worte christlicher Ermahnung vorausschicken, damit sich jeder bemühe, Reue zu erwecken.


III.

Außer bei Todesgefahr ist es erlaubt, mehreren Gläubigen, die zwar nur ein allgemeines Schuldbekenntnis abgelegt haben, aber in geeigneter Weise zur Umkehr gelangt sind, die sakramentale Absolution zusammen zu erteilen, wenn ein schwerwiegender Notfall eintritt: dann nämlich, wenn angesichts der Zahl der Beichtwilligen nicht genügend Beichtväter zur Verfügung stehen, um innerhalb einer angemessenen Zeit die Beichte der einzelnen auf rechte Weise zu hören, so dass diese - ohne ihre Schuld - die Gnade des Sakramentes oder die heilige Kommunion lange entbehren müssten. Dies kann vor allem in Missionsgebieten der Fall sein, aber auch anderswo; ebenso bei Personengruppen, für die eine derartige Notwendigkeit besteht.

Wenn Beichtväter zur Verfügung stehen können, ist die Erteilung der sakramentalen Generalabsolution allein auf Grund einer großen Zahl von Beichtwilligen, wie dies zum Beispiel bei großen Festen und Wallfahrten der Fall sein kann, jedoch nicht erlaubt (vgl. Prop. 59 von den von Innozenz XI. am 2. März 1679 verurteilten Sätzen: DS 2159).


IV.

Die Ortsordinarien wie auch die Priester, soweit es sie angeht, sind im Gewissen verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Zahl der Beichtväter nicht dadurch abnehme, dass einige Priester diesen wichtigen Dienst vernachlässigen (vgl. Vaticanum II, Dekret über Dienst und Leben der Priester, 3.13; Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe, 30), indem sie sich in weltliche Geschäfte verwickeln oder sich anderen nicht so wichtigen seelsorglichen Aufgaben widmen, zumal wenn diese von Diakonen oder geeigneten Laien ausgeführt werden können.


V.

Es ist dem Ortsordinarius nach Beratung mit den anderen Mitgliedern der Bischofskonferenz vorbehalten, zu beurteilen, ob die oben (III) angegebenen Voraussetzungen zutreffen, und dementsprechend zu entscheiden, wann es erlaubt ist, die sakramentale Generalabsolution zu erteilen.

Sollte außer den vom Ortsordinarius festgesetzten Fällen ein anderer schwerwiegender Notfall eintreten, dass mehreren Personen gleichzeitig die sakramentale Generalabsolution zu erteilen wäre, ist der Priester verpflichtet, sich vorher, wenn es möglich ist, an den Ortsordinarius zu wenden, damit er die Lossprechung erlaubterweise erteilt. Andernfalls soll er den Ortsordinarius möglichst bald über die gegebene Notlage und die erteilte Absolution in Kenntnis setzen.


VI.

Damit die Gläubigen die sakramentale Generalabsolution empfangen können, ist unbedingt erforderlich, dass sie in der rechten Weise vorbereitet sind: jeder muss seine Sünden bereuen und den Vorsatz fassen, nicht mehr zu sündigen; er muss willens sein, gegebenes Ärgernis sowie allenfalls zugefügten Schaden gutzumachen; gleichzeitig muss er sich vornehmen\ zu gegebener Zeit die schweren Sünden einzeln zu beichten, die er jetzt nicht in dieser Weise bekennen kann. Über diese innere Verfassung und die Bedingungen, die zur Gültigkeit des Sakramentes erforderlich sind, sollen die Gläubigen von den Priestern sorgfältig unterwiesen werden.


VII.

Wer durch eine Generalabsolution die Nachlassung schwerer Sünden erhalten hat, muss (soll), bevor er erneut eine solche Lossprechung empfangen wird, eine Ohrenbeichte ablegen, es sei denn, dass er aus gerechtem Grund daran gehindert ist. Auf jeden Fall aber ist er verpflichtet, innerhalb eines Jahres zu beichten, vorausgesetzt, dass dies moralisch nicht unmöglich ist. Denn es besteht auch für ihn das Gebot, nach dem jeder Gläubige verpflichtet ist, alle seine Sünden, wenigstens die schweren, die er noch nicht einzeln gebeichtet hat, mindestens einmal im Jahre dem Priester in der Einzelbeichte zu bekennen (vgl. IV Konzil v. Lateran, Cap. 21, mit dem Konzil von Trient: Die Lehre über das Bußsakrament, Cap. 5 über die Beichte, Can. 7-8 DS 812, 1679-1683, 1707-1708; vgl. auch Prop. 11, verurteilt vom Heiligen Offizium durch Dekret vom 24. Sept. 1665, DS 2031).


VIII.

Die Priester sollen die Gläubigen darauf hinweisen, dass es für den, der eine Todsünde auf dem Gewissen hat und sich an einen Beichtvater wenden kann, untersagt ist, mit Absicht oder aus Nachlässigkeit die Verpflichtung zur persönlichen Beichte zu umgehen, indem er die Gelegenheit für eine Generalabsolution abwartet (vgl. Instruktion der Apostolischen Poenitentiarie vom 25. März 1944).


IX.

Damit aber die Gläubigen der Verpflichtung zur persönlichen Beichte ohne Schwierigkeit nachkommen können, soll dafür Sorge getragen werden, dass in den Kirchen Beichtväter zur Verfügung stehen, und zwar an Tagen und Stunden, die für die Gläubigen günstig sind.

An abgelegenen und entfernten Orten, wohin der Priester nur selten während des Jahres kommen kann, soll man es so einrichten, dass er nach Möglichkeit jedes Mal die Beichte eines Teiles der Gläubigen hört, während er den anderen unter den oben genannten Voraussetzungen (III) die sakramentale Generalabsolution erteilt; allen Gläubigen aber soll nach Möglichkeit die Gelegenheit gegeben werden, wenigstens einmal im Jahr eine persönliche Beichte abzulegen


X.

Die Gläubigen soll man eingehend unterweisen, dass liturgische Bußfeiern und gemeinsame Bußriten sehr nützlich sind zur Vorbereitung auf ein noch wirksameres Sündenbekenntnis und zur Besserung des Lebens. Man soll sich jedoch davor hüten, solche Feiern oder Riten mit der sakramentalen Beichte und Lossprechung zu verwechseln.

Die Gläubigen, die während solcher Feiern zur Beichte gehen, sollen vom Beichtvater, den sie aufsuchen, einzeln die Lossprechung erhalten. Wird aber die sakramentale Generalabsolution erteilt, so ist sie immer nach dem besonderen Ritus zu spenden, der von der Kongregation für den Gottesdienst festgesetzt wird. Bis zum Inkrafttreten dieses neuen Ritus jedoch soll die Pluralform der derzeit vorgeschriebenen sakramentalen Absolutionsformel angewandt werden. Dieser Ritus soll von der Feier der Messe völlig getrennt sein.


XI.

Wer den Gläubigen tatsächlich zum Ärgernis geworden ist, kann zwar zusammen mit anderen die Generalabsolution empfangen, wenn er aufrichtig bereut und ernstlich entschlossen ist, den Grund des Ärgernisses zu beseitigen. Die Heilige Kommunion aber darf er erst dann empfangen, wenn er nach dem Urteil des Beichtvaters, mit dem er sich vorher persönlich in Verbindung setzen soll, das Ärgernis behoben hat.

Was die Lossprechung von reservierten Zensuren betrifft, sollen die Richtlinien des geltenden Rechts eingehalten werden; die Zeit für den Rekurs wird von der folgenden persönlichen Beichte an berechnet.


XII.

Von der häufigen Beichte, der "Andachtsbeichte", dürfen die Priester den Gläubigen auf keinen Fall abraten. Im Gegenteil, sie sollen diese wegen der reichen Früchte für ein christliches Leben empfehlen (vgl. Mystici corporis, AAS 35, 1943, 235) und sich immer bereit zeigen, diese entgegenzunehmen, sooft sie von den Gläubigen mit gutem Grund darum angegangen werden. Auf jeden Fall ist es zu vermeiden, dass die persönliche Beichte nur schweren Sünden vorbehalten bleibt. Denn dies würde die Gläubigen des großen Segens der Beichte berauben und dem guten Ruf jener schaden, die zur persönlichen Beichte gehen.


XIII.

Die sakramentalen Generalabsolutionen, die ohne Einhaltung dieser Vorschriften erteilt werden, sind als schwerer Missbrauch anzusehen. Alle Seelsorger sollen sie mit Nachdruck verhindern, eingedenk der ihnen auferlegten Verantwortung für das Wohl der Seelen und für den Schutz der Würde des Bußsakramentes.

Papst Paul VI. hat diese Richtlinien in der Audienz, die er dem unterzeichneten Kardinal der Kongregation für die Glaubenslehre am 16. Juni 1972 gewährt hat, in besonderer Weise gutgeheißen und ihre Veröffentlichung angeordnet.

Die Kongregation für die Glaubenslehre. Rom, 16. Juni 1972

FRANZISKUS KARDINAL SEPER,
Präfekt
Paul Philippe,

Sekretär

siehe: Erklärung zu Sacramentum paenitentiae

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