Robert Bellarmin: Erläuterung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses

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Erläuterung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses

Robert Bellarmin

Quelle:: Robert Bellarmin: Katechismen - Glaubensbekenntnis - Vater unser, übersetzt und herausgegeben von Andreas Wollbold, Echter Verlag Würzburg 2008, S. 209-272 (304 Seiten, ISBN 978-3-429-03046-9; Copyright: am 17. November 2020 für Kathpedia vom Verlag genehmigt, jede weitere Verwendung ist untersagt). Die Anmerkungen im Original, wurden außer den andeutenden Zahlen bei der Digitalisierung weggelassen.

Vorwort 1

Das ist unbedingt notwendig, um das ewige Heil zu erlangen: die Erkenntnis des wahren Gottes und Christi Jesu. So nämlich lesen wir bei Johannes (in 17,3): Das ist das ewige Leben, dass sie dich erkennen, den einzigen, wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus. Gott nämlich ist das letzte Ziel und das höchste Gut der Menschheit; Christus Jesus aber ist der wahre und einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen (1 Tim 2,5), durch den allein die Menschen zu Gott gelangen können, sagt er doch selbst: Niemand kommt zum Vater, außer durch mich (Joh 14,6). Die Menschen kommen aber zu Gott bzw. zur Einheit mit Gott durch echte Liebe. Lieben jedoch kann man nicht, was man nicht kennt. Darum ist es die Grundlage des Heils, Gott und Christus zu erkennen, und zwar zumindest durch die dem Glauben zugängliche Erkenntnis. Die klare Erkenntnis nämlich gibt es nicht in diesem Leben, sondern im zukünftigen. Da ich also aus ganzem Herzen nach dem ewigen Heil des Volkes, das meiner Sorge anvertraut ist (2), verlange, habe ich mich entschlossen, so kurz und direkt ich kann (3), alle Geheimnisse unseres allerheiligsten Glaubens zu erläutern, die im Apostolischen Glaubensbekenntnis enthalten sind, damit alle kennen, was sie glauben müssen, und, durch den Glauben gereinigt und erleuchtet, auf dem Weg der Gebote gehen, welches der Weg ist, der zum Leben führt, wie der Herr in Mt 19,17 sagt: Wenn du ins Leben eingehen willst, halte die Gebote. Diese Erläuterung wollten wir allerdings kurz und leicht machen, damit die Pfarrer bzw. Hirten, die es von sich aus nicht wagen, zum Volk zu predigen, wenigstens dem Volk bei der Messfeier diese Erklärung in der Volkssprache vorlesen, besonders wenn die Festtage sind, an denen die Geheimnisse des Glaubensbekenntnisses gefeiert werden.

Bevor wir jedoch zur Erklärung des Glaubensbekenntnisses kommen, muss wohl erläutert werden, was das Glaubensbekenntnis (symbolum fidei) ist, warum es diesen Namen trägt und worin seine Notwendigkeit und sein Nutzen bestehen. Was den ersten Punkt angeht, so ist das Glaubensbekenntnis eine kurze Zusammenfassung dessen, was Gott in der Heiligen Schrift durch die Apostel und Propheten zu offenbaren sich entschlossen hat. Denn da nicht alle selbst die Heiligen Schriften lesen und verstehen konnten, haben die Apostel, die von Christus eingesetzten Lehrer der ganzen Erde, jene Geheimnisse, die von allen unbedingt zu glauben sind, aus dem Gesamt der Heiligen Schrift auf zwölf ganz kurze Sätze zurückgeführt. Diese Summe heißt darum Symbol (Glaubensbekenntnis), weil es ein Zeichen ist, wodurch sich die wahren Gläubigen von allen Ungläubigen, den Heiden, Juden und Irrgläubigen, unterscheiden. Diese nämlich nehmen nur einen Teil oder überhaupt nichts von dieser Lehre an, oder sie nehmen sie als ganze an, aber nur ihrem Wortlaut nach, nicht dem wahren Sinne der Aussage nach. Nur die Gläubigen, die auch Katholiken heißen, nehmen die ganze und vollständige Wahrheit dieser Lehre an und bekennen sie. Es heißt aber Apostolisches Glaubensbekenntnis, weil die heiligen Apostel diese Zusammenfassung der Lehre den Gläubigen übergaben, bevor sie auseinandergingen, um auf der ganzen Welt das Evangelium zu verkünden. Das aber ist der Grund, warum dieses Apostolische Glaubensbekenntnis zwölf Sätze enthält, weil es zwölf Apostel waren, die das Glaubensbekenntnis verfasst haben, wie der hl. Papst Leo in Epist. 13 an die Kaiserin Pulcheria überliefert.4

Des weiteren heißen die zwölf Sätze dieses Glaubensbekenntnisses Artikel, weil es ganz kurze Sätze sind. Denn Artikel bedeutet ein kleines und kurzes Stück.

Das Verständnis dieses Glaubensbekenntnisses ist für jeden einzelnen Christen notwendig, und es reicht nicht, wenn jemand sagt: "Ich glaube ohne Abstriche das, was die katholische Kirche glaubt." Dieser implizite und allgemeine Glaube hat seinen Platz bei den Gegenständen, die jeder einzelne nicht explizit glauben muss. Die Teile dieses Glaubensbekenntnisses dagegen muss hingegen ausnahmslos jeder explizit glauben, wie der hl. Thomas in der Summa Theologica (lI-lI qu. 2, art. 5) lehrt. Daher kommt es, dass niemand zum Empfang der heiligen Taufe zugelassen wird, wenn er nicht dieses Glaubensbekenntnis aufsagen kann, sofern es sich um einen Erwachsenen handelt, oder wenn nicht der Pate es an seiner Stelle aufsagt, wenn es sich um ein kleines Kind handelt. Es wäre sehr nützlich, wenn das, was bei der Taufe geschieht, auch bei den übrigen Sakramenten erfolgen würde: dass nämlich jemand, der das Glaubensbekenntnis nicht gelernt hätte, auch nicht zum Sakrament der Firmung, der Eucharistie, der Buße, der Weihe, der Ehe oder der Letzten Ölung zugelassen würde.5 Alle Sakramente sind nämlich dazu eingesetzt, dass sie als Mittel der göttlichen Barmherzigkeit und der Passion des Herrn die Gnade Gottes mitteilen. Die Gnade erfordert die ihr vorausgehenden Einstellungen, die gemäß der Lehre des Allgemeinen Konzils6 die Akte von Glaube, Hoffnung und Liebe sind. Wie kann jedoch jemand glauben, hoffen und lieben, der nicht weiß, was zu glauben, zu hoffen und zu lieben ist? Das ist auch der Grund, warum viele dazu verpflichtet sind, sich Mühe zu geben, dass diejenigen, die getauft werden, die Grundlagen des Glaubens erlernen, und zwar die Bischöfe, Pfarrer, Eltern und Bürgen bzw. Paten, damit es niemanden gibt, nicht Kind noch Greis, nicht Edelmann noch Bürger, nicht Mann noch Frau, der sich am Tag des Gerichts mit den Worten herausreden könnte, er hätte niemanden gehabt, von dem er in einer für das Heil so wichtigen Sache hätte unterrichtet werden können.

Es ist notwendig, das Glaubensbekenntnis zu lernen, doch selbst wenn es nicht notwendig wäre, würde es doch sehr großen Nutzen bringen, es zu lernen. Wer nämlich erstens die Artikel des Glaubensbekenntnisses im Gedächtnis und im Verstand behält, weiß mehr von den erhabensten Gegenständen als alle heidnischen und jüdischen Gelehrten, selbst wenn sie ihre ganze Lebenszeit mit dem Wälzen der Bücher von Philosophen oder Rabbinern zugebracht hätten.7 Wer zweitens das Glaubensbekenntnis gut behält, kann die Versuchungen der Häretiker leicht mit dem Schild des Glaubens abwehren. Das können diejenigen sicher nicht, die nicht wissen, was der Glaube der Kirche ist. Außerdem taugt das Verständnis des Glaubensbekenntnisses nicht wenig zur Meidung der Sünden. Denn wer gelernt hat, dass Gott allmächtig und gerecht ist, wagt es nicht, ihn zum Zorn zu reizen, und wer weiß, dass Christus die Marter des Kreuzes erleiden wollte, um uns vom ewigen Tod zu erretten, bemüht sich darum, ihm in all seinen Werken zu gefallen, um einem solchen Wohltäter gegenüber nicht undankbar zu sein. Und wer glaubt, dass alle Menschen am Jüngsten Tag auferstehen werden, die Frommen zum ewigen, überaus glückseligen Leben, die Frevler jedoch zu ewigen Strafen und Qualen, der verachtet leicht die gegenwärtigen Güter und fürchtet nicht die Übel dieses Lebens; sodann überwindet er, von Weltliebe und Weltfurcht befreit, mit dem Schild des Glaubens leicht alle Versuchungen gemäß dem Wort des hl. Petrus in 1 Petr 5,8: Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge; leistet ihm Widerstand, stark im Glauben; und gemäß dem Wort des hl. Paulus in Eph 6,16: Ergreift in allem den Schild des Glaubens, mit dem ihr alle brennenden Pfeile des Bösen auslöschen könnt; und gemäß dem Wort des hl. ]ohannes in 1 loh 5,4: Das ist der Sieg, der die Welt besiegt: unser Glaube. Schließlich ist die Kenntnis des Apostolischen Glaubensbekenntnisses sehr nützlich, weil es reichlich Stoff dafür bietet, alle Geheimnisse unseres allerheiligsten Glaubens zu betrachten und durch die Betrachtung nach oben aufzusteigen, wo Friede und Ruhe herrschen, und sich mit dem Apostel zu rühmen und mit Phi13,20 zu sagen: Unser Wandel ist im Himmel. Doch nun wollen wir bereits zur Erklärung der Worte des Glaubensbekenntnisses kommen.

Artikel I : Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde

ICH GLAUBE. Dieses erste Wort ist allen Artikeln gemeinsam und muss zu Beginn jedes einzelnen Artikels jeweils mitgedacht werden. Von Glauben sprechen wir bei dem, was wir aufgrund der Autorität des Sprechenden zuversichtlich festhalten, so wie man von uns sagt, wir sehen das, was wir mit den Augen wahrnehmen, und wie man von uns sagt, wir wissen das, wovon wir aufgrund einer sicheren Begründung überzeugt sind. Wenn deshalb jemand von dir wissen will, ob du glaubst, dass die Sonne mittags scheint, dann wirst du antworten, dass du das nicht glaubst, sondern siehst. Und wenn wiederum jemand dich fragt, ob du glaubst, dass drei und drei sechs ist, wirst du sagen, dass du das nicht glaubst sondern weißt, weil ein sicherer und einleuchtender Grund lehrt, dass die Dreizahl die Hälfte der Sechszahl ist und deshalb aus zwei Dreizahlen die Sechszahl resultiert. Wenn schließlich jemand von dir wissen will, ob du sicher glaubst, dass die Sonne größer als die Erde ist, wirst du, wenn du klug bist, antworten, dass du dies allerdings glaubst. Obwohl nämlich dein Auge anders urteilt und du auch und keinen sicheren Beweis dafür hast, behauptet dies doch eine so große Zahl von Philosophen und Sternenkundigen einhellig, dass du es aufgrund ihrer Autorität für unbesonnen hältst, es nicht zu glauben.8 Und so können auch die Geheimnisse des katholischen Glaubens nicht mit den Augen wahrgenommen werden, weil sie unsichtbar sind, und auch nicht mit dem Verstand erfasst werden, weil sie die menschliche Vernunft in ihrer Erhabenheit weit übersteigen; doch sie können und müssen mit einem Glauben geglaubt werden, der seiner selbst sicher ist, weil Gott sie durch die Propheten und Apostel geoffenbart hat. Gott aber, der die erste Wahrheit ist, kann keinesfalls lügen oder irgendetwas Falsches sagen. Und die Geheimnisse des Glaubens sind nicht nur mit sicherem Glauben zu glauben, sondern man darf an den Geheimnissen des Glaubens noch viel weniger zweifeln, als man an den Dingen zweifelt, die man entweder mit den Augen wahrnimmt oder aufgrund eines sicheren Beweises weiß. Die Augen können sich nämlich täuschen, und die menschliche Vernunft kann irren, dass aber Gott sich täuscht oder betrogen wird, ist vollkommen unmöglich, denn wenn er sich täuschen oder irren könnte, dann wäre er überhaupt nicht Gott.

Nicht selten kommt es vor, dass Menschen der Autorität eines anderen Menschen, den sie als sehr weise einschätzen, den Vorzug geben vor der Erfahrung der eigenen Sinne oder auch dem Nachdenken. Und der Mensch selbst, der mit den Augen urteilt, die Sonne sei kleiner als die Erde, korrigiert mit dem Urteil der Vernunft den Irrtum der Augen und behauptet mit Gewissheit, die Erde sei kleiner als die Sonne. Warum zieht dann nicht jeder Mensch, so kundig und gelehrt er auch sein mag, die Autorität und das Wissen Gottes der eigenen Erfahrung und dem eigenen Nachdenken vor, wenn er doch nicht daran zweifeln kann, dass die unendliche Vernunft und das Wissen Gottes weitaus höher über der Vernunft und dem Wissen des Menschen stehen, als die menschliche Vernunft und das Wissen die eigenen Augen und die Erfahrung überragen? Siehe, Gott ist groß, der unser Wissen übertrifft, wie es im Buch Ijob 36,26 heißt, und Gott ist wahrhaftig, jeder Mensch aber ist ein Lügner, wie in Röm 3,4 der Apostel Paulus sagt, womit übereinstimmt, was der Apostel J ohannes in 1 loh 3,20 sagt: Gott ist größer als unser Herz.

Aber obwohl die Menschen dazu gezwungen sind, zuzugeben, man müsse dem Wort Gottes mehr als dem eigenen Verstand glauben, würden die Menschen doch nicht dazu in die Lage versetzt, das zu glauben, was die menschliche Vernunft weit überragt, wenn Gott nicht durch die Wohltat seiner Gnade die Augen des Geistes erleuchtete und zum Glauben geneigt machte. Dies meint der Herr im Evangelium, wenn er in loh 6,44 sagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn der Vater, der mich gesandt hat, ihn nicht zieht, und der Apostel in seinem zweiten Brief an die Korinther in 2 Kor 4,6: Er selbst ist in unseren Herzen aufgeleuchtet zur Erleuchtung der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes, und in Eph 2,8: Aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, und dies nicht von euch aus; Gottes Gabe ist es nämlich. Deshalb verdanken wir Gott nicht nur, dass er die göttlichen Geheimnisse durch die Apostel und Propheten kundmachen wollte und dass es ihm gefiel, die Verkünder eben dieser Geheimnisse zu uns zu senden, sondern auch, dass er beschlossen hat, die Herzen zu erleuchten und zum Glaubensgehorsam geneigt zu machen durch die überaus süße Eingießung des Heiligen Geistes.9

AN GOTT. Dieser zweite Begriff lehrt uns dreierlei: dass Gott ist, dass er einer ist und dass er unser Gott ist. Doch bevor wir zur Erklärung dieser drei kommen, ist es nötig, kurz zu zeigen, was man unter diesem Begriff "Gott" zu verstehen hat. Also: Der Begriff "Gott" bezeichnet eine bestimmte Wirklichkeit, im Vergleich zu der keine erhabenere und bessere gedacht werden kann, oder vielmehr: die alle geschaffenen Wirklichkeiten an Abstand, Adel und Güte unendlich übersteigt. Daraus lässt sich leicht der Schluss ziehen, dass Gott kein unbelebter Körper ist, wie es die Elemente und auch die Himmel selbst mit ihren Gestirnen sind, weil ihnen allen das überlegen ist, was lebt. Und von Gott sagt die Schrift in loh 1,4: In ihm war das Leben, und Gott selbst sagt von sich oft, z. B. in Ez 18,3: Ich lebe.lO Weil aber bei belebten Dingen wiederum die geistigen und für die Augen des Leibes unsichtbaren besser sind als die körperlichen und sichtbaren, dürfen wir Gott nicht für einen lebendigen Körper halten, sondern für einen vernunftbegabten und unsichtbaren Geist, sagt doch der Herr in loh 4,24: Gott ist Geist, und spricht doch der Apostel in 1 Tim 1,17 von dem unsterblichen, unsichtbaren König der Zeiten, dem einzigen Gott. Daraus aber, dass ein geschaffener Geist veränderlich und endlich ist und viel geringer als ein ungeschaffener und unermesslicher Geist, folgt schließlich, dass Gott als ungeschaffener, unveränderlicher Geist zu glauben ist, der alles kann, alles weiß, ailes erfüllt, über alles herrscht, der keines Dings bedarf und dessen alle Dinge bedürfen. So spricht Gott selbst über sich in Ex 3,14: Ich bin, der ich bin, und in MaI3,6: Ich bin Gott und wandle mich nicht. Von ihm sagt der Prophet in Ps 101,28 (Psalmzählung hier und im folgenden nach der Vulgata): Du aber bist ganz derselbe, und in Ps 138,7: Wohin werde ich mich vor deinem Geist wenden und wohin vor deinem Angesicht fliehen? Und in Ps 15,2: Mein Gott bist du, weil du meiner Güter nicht bedarfst. Und der Apostel spricht über ihn in Hebr 1,3: Der alles mit dem Wort seiner Kraft trägt, und an anderer Stelle in Apg 17,25: Er ist kein Gott, der eines Dings bedarf, weil er selbst allen Leben, Atem und alles weitere gibt.

Nun gehen wir dazu über, kurz jene drei Punkte zu zeigen, die wir eben angekündigt haben, nämlich dass Gott ist, dass er einer ist und dass er unser Gott ist.

Gott ist, d. h. es existiert wirklich ein unendlich vollkommener Geist, im Vergleich zu dem man nichts Größeres oder Besseres denken kann. Das bezeugt vor apern das Bekenntnis aller Menschen, auch der Heiden, mit Ausnahme weniger Toren, wie es im Psalm 13,1 und 52,1 heißt: Es sprach der Tor in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott. Die Erkenntnis Gottes ist dem menschlichen Geist nämlich so eingeboren, dass nur wenige, die von ihrer Bosheit blind geworden sind und dadurch völlig töricht, zu sagen wagen: Es gibt keinen Gott. Ja, sie sagen es sogar nicht einmal öffentlich mit den Lippen, sondern nur innerlich in ihrem Herzen, d. h. sie denken, es gibt keinen Gott, der sich um die Angelegenheiten der Menschen kümmert. Des weiteren ruft auch diese bewundernswerte Masse, Welt genannt, klar genug aus, es gebe einen Gott, der die Welt geschaffen hat und sie lenkt, auch wenn wir diesen Gott mit den leiblichen Augen nicht sehen und wir zur völligen Erkenntnis seines Wesens mit der Schärfe des Geistes nicht gelangen können.

Das können wir mit zwei Vergleichen veranschaulichen.

Der erste Vergleich ist der mit einem Palast, auf den man in einer Einöde stößt. Wenn jemand nämlich an einem einsamen Ort zufällig einen Palast findet, der kunstvoll gebaut ist und einen Hof, Zimmer, Säle, Fenster und dergleichen hat, wird er, auch wenn er keinen Architekten sieht, sondern nur Mäuse, die durch die Zimmer rennen, Schwalben, die im Gebälk nisten und Spatzen auf den Dächern, doch ohne jeden Zweifel nicht meinen, der Palast sei von selbst in der Einöde gewachsen oder von den Mäusen, Schwalben oder Spatzen gebaut worden, sondern er wird sicherlich bei sich zum Schluss kommen, der Palast sei von einem weisen Architekten dort errichtet worden, später aber aufgrund irgendeines Unglücks, bei dem die Bewohner ausgelöscht wurden, verlassen worden. Wer somit das Gesamt der Wirklichkeit betrachtet, das mit einer so bewundernswerten Vernunft geschaffen ist, den Lauf der Sonne und der Sterne, den Wechsel der Zeiten, die Erde, die Frucht bringt, das Wasser, das fließt, den Wind, der weht, und die Vielzahl von Tieren und Pflanzen, der wird gar nicht anders urteilen können, wenn er nicht völlig verrückt ist, als dass die Welt von einem überaus weisen, mit unendlicher Macht ausgestatteten Geist erbaut worden ist und erhalten und gelenkt wird.

Der zweite Vergleich lässt sich auf den Menschen selbst beziehen, der ja eine kleine Welt für sich, ein Mikrokosmos, ist. Im Menschen gibt es nämlich eine Seele, die ein unsichtbarer, mit Verstand und Vernunft ausgestatteter Geist ist, und obwohl nicht einmal der Mensch selbst seine Seele sieht, kann er doch nicht daran zweifeln, dass sie wirklich da ist und den Leib belebt und lenkt, wenn er wahrnimmt, dass der Mensch lebt, sich bewegt, spricht, sich wissenschaftlich betätigt und mit Überlegung und Vernunft vieles tut, was die Tiere nicht zu tun in der Lage sind. Doch über diese Vernunftgründe hinaus haben wir die Schriften der Propheten und Apostel, die voll von Zeugnissen für die Existenz Gottes sind. Darum sagen wir mit Gewissheit: Ich glaube an Gott.

Dieser Gott nun, so lehrt uns das Glaubensbekenntnis, ist einer, nicht mehrere, da wir lesen: Ich glaube an Gott, nicht: an die Götter. Die Heilige Schrift schärft dies an vielen Stellen wie in Dtn 6,4 ein: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einzigerll, und loh 17,3: Damit sie dich erkennen, den einzigen wahren Gott. Genau dies verkündet die Kirche im Glaubensbekenntnis, das in der Messe gelesen wird, wo es heißt: Ich glaube an den einen Gott. Dieses Dogma stimmt aber sehr gut mit der Vernunft überein. Wenn es nämlich mehrere Götter gäbe, wären sie einander entweder gleich oder ungleich. Wenn sie einander gleich wären, dann wäre keiner von ihnen der wahre Gott, weil dem einen die Vollkommenheit des anderen fehlte. Derjenige ist jedoch kein wahrer Gott, dem irgendeine Vollkommenheit fehlt. Wenn sie aber einander ungleich wären, dann wäre nur ihr größter der wahre Gott, weil es nicht sein kann, dass der wahre Gott noch irgendjemanden Größeres als sich hat.

Dass schließlich Gott unser Gott ist, lehrt das Wörtchen "an" im Glaubensbekenntnis. Denn wir sagen ja nicht "Ich habe Gottesglauben", sondern: "Ich glaube an Gott". "An Gott" zu glauben bedeutet nämlich nicht bloß zu glauben, dass Gott ist, so wie wir sagen, wir glauben, dass es auf der Welt viele Städte gibt und noch anderes, was uns nicht betrifft und wovon wir nicht sagen würden: "Ich glaube an die Stadt Rom" oder "an die Stadt Venedig", sondern es bedeutet: Wir glauben an Gott, der unsere erste Ursache und unser letztes Ziel ist, auf den wir mehr als auf alles andere vertrauen und dem wir in allem den Vorrang einräumen.12

DEN VATER. Mit diesem Begriff sagen die Apostel aus, dass Gott der erste Ursprung aller Dinge ist, und dies auf zweierlei Weise, nämlich durch Zeugung und durch Schöpfung. Durch Zeugung ist Gott der Vater seines eingeborenen Sohnes, von dem wir im zweiten Artikel sprechen werden. Durch Schöpfung ist er Vater aller Dinge, die es in diesem Weltall gibt, d. h. der Engel, Menschen, Himmel, Sterne, Elemente, Tiere, Pflanzen, Metalle, Steine und so letzten Endes alles dessen, was ist, aber nicht Gott ist. All das war von sich aus nichts, bevor es von Gott hervorgebracht wurde. Von Gott erhielt es wie aus einer Quelle das Sein und alles, was es besitzt. So sagt nämlich auch der heilige Johannes in loh 1,3: Alles ist durch ihn geworden, und ohne ihn ist nichts geworden, was geworden ist. Obwohl nun aber Gott im eigentlichen Sinne und aus seiner Substanz nur seinen eigenen und einzigen Sohn gezeugt, alle übrigen Dinge aber aus Nichts hervorgebracht hat, wollte er doch auch Vater der übrigen Dinge und vor allem der Menschen heißen. So sagt Moses in Deuteronomium 32,6: Ist er nicht dein Vater, der dich zum Besitz genommen, dich gemacht und geschaffen hat?, und Christus im Evangelium in Mt 23,9: Einer ist euer Vater, der im Himmel ist. Warum aber Gott, der unser Schöpfer und Herr ist, auch Vater seiner Geschöpfe genannt werden wollte, hat einen doppelten Grund:

Der eine ist allen Geschöpfen gemeinsam, der andere gilt speziell für die vernunftbegabten Geschöpfe.

Der erste Grund ist, dass Gott nicht wie sonstige Handwerker seine Werke macht und sie dann sich selbst überlässt, sondern er gleicht einem Vater, der die Kinder, die er gezeugt hat, auch ernährt, erhält, erzieht und bewahrt. Der Handwerker, der ein Haus baut, trägt und erhält es nicht, hat er es einmal errichtet, sondern verkauft es oder übergibt es seinem eigenen Herrn und kümmert sich nicht weiter darum. Gott aber sorgt sich wie ein guter und treuer Vater um all seine Geschöpfe, er erhält und bewahrt sie, wie der Apostel es in Apg 17,28 ausdrückt: In ihm (Gott) leben wir, bewegen wir uns und sind wir, und an anderer Stelle in Hebr 1,3: Der alles mit dem Wort seiner Kraft trägt.

Der andere und speziell für die vernunftbegabten Geschöpfe geltende Grund ist der, dass Gott den gerechten Menschen ein Erbe versprochen hat und es ihnen auch geben wird, wenn sie in der Gerechtigkeit ausharren. Denn auch den guten Engeln hat er bereits ein Erbe gegeben. Die bösen Engel aber, die sich durch ihren Hochmut selbst des himmlischen Erbes unwürdig gemacht haben, sind davon ausgeschlossen und enterbt worden. Daran sollen die Menschen erkennen, wieviel sie Gott verdanken und wie eifrig und treu sie einem solchen Vater dienen und gehorchen müssen und wie tief die Demut ist, in der sie sich ihm unterwerfen müssen. Denn er hat uns gemacht, als wir überhaupt nichts waren; er erhält uns, ohne diese Bewahrung aber würden wir ins Nichts zurückfallen; er nährt uns, zieht uns auf, kleidet, schützt und lenkt uns; schließlich hat er ein ewiges und überaus seliges Leben versprochen. Wenn jemand unglücklicherweise blind geboren oder geworden wäre, dann aber einen Arzt fände, der das Augenlicht wiederherstellte, dann würde er sicher eingestehen, dass er von ihm eine große Wohltat empfangen hat. Wieviel verdanken wir also Gott, der uns nicht nur die Augen gab und in jedem Augenblick bewahrt, sondern auch Ohren, Nase, Zunge, Hände, Füße, alle Glieder, alle Fähigkeiten, alle Sinne und selbst die Vernunft sowie das Leben der Seele und des Geistes? Ganz zu Recht sagt der Herr im Evangelium in Lk 6,35, dass Gott wohltätig ist gegenüber den Undankbaren und Bösen. Wir sind nämlich ganz undankbar und dadurch auch böse, da wir einen solchen Wohltäter nicht aus ganzem Herzen lieben oder ihn wiederlieben, wie wir es mit seiner Hilfe könnten.

DEN ALLMÄCHTIGEN. Die Apostel haben diesen Begriff einerseits hinzugefügt, damit es niemandem sonderbar erscheint, dass Gott "Vater" und Ursprung aller geschaffenen Wirklichkeiten genannt wird und dass er sie erhält und lenkt; andererseits auch weil wenig später eben dieser Vater "Schöpfer des Himmels und der Erde" genannt wird, und zu dieser Schöpfung ist zweifellos Allmacht erforderlich. An dieser Stelle ist aber zu erklären, was unter Allmacht zu verstehen ist und wer im eigentlichen Sinn allmächtig genannt werden kann. Es scheint, dass der Prophet David dies erklären wollte, wenn er über Gott in Ps 134,6 sagt: Alles, was der Herr wollte, hat er gemacht, im Himmel und auf Erden, im Meer und in allen Tiefen.J3 Und der Engel Gabriel sagt in Lk 1,37= Kein Wort ist bei Gott unmöglich. Also ist Gott allmächtig, weil er tun kann, was immer er will, auch wenn es uns unmöglich erscheint. Und wenn es heißt: Kein Wort ist bei Gott unmöglich, ist unter "Wort" entweder nach hebräischem Sprachgebrauch eine Wirklichkeit zu verstehen, entsprechend der Stelle ebenfalls bei Lukas in Lk 2,15: Wir wollen das Wort sehen, das geschehen ist, das der Herr gemacht hat und uns zeigt. Oder es ist eine Vorhersage oder Verheißung darunter zu verstehen, so dass der Sinn der folgende ist: Wenn Gott gesagt hat, dass er etwas tun werde, so stellt es für ihn keine Unmöglichkeit dar, das auch zu tun. Ebenso ist es für ihn nicht unmöglich, zu erfüllen, was er verheißen hat. Denn Gott ist nicht wie die Menschen, die viel versprechen, was sie später nicht halten können.

Aus diesem Wort können aber nun alle Freunde Gottes eine große Hoffnung und Freude gewinnen, wenn sie bedenken, dass sie einen allmächtigen Freund haben, so dass sie sich mit dem Apostel rühmen und nach Röm 8,31 sprechen können: Wenn Gott für uns ist, wer ist dann gegen uns? Umgekehrt müssten alle Gottlosen ständig in Zittern und in äußerster Furcht leben, da sie wissen, dass sie den allmächtigen Gott zum Feind haben, von dem derselbe Apostel in Hebr 10,31 schrieb: Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.

Nun wird vielleicht jemand fragen, warum Gott im Glaubensbekenntnis "allmächtig" genannt wird, nicht aber "allwissend" oder "allweise". Der Grund dafür ist, dass die höchste Macht notwendigerweise die höchste Weisheit erfordert, nicht aber umgekehrt. Es gibt nämlich viele, die wissen, was getan werden müsste und wie es getan werden müsste, aber die Kräfte nicht haben, es auch auszuführen. Es gibt dagegen niemanden, der etwas wirklich tun kann, vor allem ohne die Unterstützung und den Dienst anderer, der nicht auch mit der zur Verwirklichung dieses Werkes notwendigen Weisheit und dem entsprechenden Wissen ausgerüstet wäre. Wenn wir daher glauben, dass Gott allmächtig ist, so glauben wir gleichzeitig auch, dass er allwissend ist. Und niemand möge den Verdacht hegen, die Allmacht Gottes werde durch die Aussage eingeschränkt, er könne nicht sterben, nicht sündigen und nicht getäuscht werden. Sterben, sündigen und getäuscht werden bedeutet nicht, dass man etwas bewirkt, sondern dass einem etwas fehlt, und Gott ist deshalb allmächtig, weil er alles tun kann und weil ihm nichts fehlt. Er kann nicht sterben, weil sein Leben stärker ist als der Tod. Er kann nicht sündigen, weil seine Güte mächtiger ist als jede Bosheit. Er kann nicht irren, weil seine Weisheit mächtiger ist als jede List und Verschlagenheit seitens des Teufels oder der Menschen. Schließlich kann Gott von keiner Unvollkommenheit besiegt werden, weil seine unendliche Vollkommenheit jede Unvollkommenheit ausschließt.

DEN SCHÖPFER. An dieser Stelle beginnen die Apostel bereits, die Werke Gottes zu erklären, und zwar zuerst die Werke der Schöpfung, danach die Werke der Erlösung. Diese Werke zeigen deutlich die Allmacht, die unendliche Weisheit und die höchste Güte Gottes. Man sieht auch ganz klar, dass allein unser Gott der wahre Gott ist, wie es in Ps 95,5 heißt: Alle Götter der Heiden sind Dämonen, der Herr aber hat die Himmel geschaffen, so als würde der Psalmvers sagen: Dass die Götter der Heiden keine Götter sind, sondern Dämonen, d. h. böse Geister, die unter dem Namen von Göttern die elenden Sterblichen betrügen, kann man daran erkennen, dass selbst alle Götter der Heiden zusammengenommen nicht einmal eine einzige Ameise oder ein einziges Sandkorn aus dem Nichts erschaffen haben noch erschaffen konnten. Unser Herr dagegen hat den Himmel und alles, was unter dem Himmel ist, aus dem Nichts geschaffen, und er hat es nicht bloß ohne einen ihm vorliegenden Stoff, sondern auch ohne einen Helfer, ohne Werkzeuge, ohne Mühe geschaffen, und er hat auch keine Zeit dazu gebraucht, sondern allein durch den Befehl seines Willens hat er alles geschaffen: Er sprach, und alles wurde ins Dasein gerufen; er gebot, und es wurde erschaffen (Ps 148,5).

DES HIMMELS UND DER ERDE. Unter diesen beiden Begriffen sind alle Werke Gottes zusammengefasst. Denn "Himmel" umfasst alle unvergänglichen Werke, "Erde" hingegen alles Vergängliche. Außerdem ist der Himmel gewissermaßen der Palast der Engel, die Erde der Palast der Menschen, und wegen dieser beiden überaus edlen Geschöpfe ist alles Übrige geschaffen worden. Obwohl Gott nun aber alles am gleichen Tag, ja im gleichen Augenblick hätte erschaffen können, wollte er dennoch lieber sein Werk in sechs Tage aufteilen, damit wir wüssten, in welcher Reihenfolge Gott alles geschaffen hat.

So schuf Gott am ersten Tag, von den Christen "Tag des Herrn" genannt, die gesamte Materie bzw. Substanz, aus der die Teile der ganzen Welt hergestellt werden sollten. Das bedeutet das Wort in Gen 1,1-2: Er schuf den Himmel und die Erde; die Erde aber war öd und leer, d. h. er schuf die Substanz von Himmel und Erde, jedoch ohne Genauigkeit und Ausschmückung, in der Art, wie ein Maler am Anfang eine Gestalt ohne Genauigkeit bei den einzelnen Körperteilen und ohne Farben skizziert und diese erst später ausarbeitet und ausschmückt. Das nun ist das erste Werk Gottes, von dem man im eigentlichen Sinn sagen kann, es sei geschaffen worden, denn im eigentlichen Sinne geschaffen wird das, was aus dem Nichts wird. Und wirklich ist aus dem Nichts die Materie bzw. Substanz von Himmel und Erde geworden. Darunter ist auch das Wasser zu verstehen. Es heißt nämlich an derselben Stelle in Gen 1,2: Und der Geist des Herrn schwebte über den Wassern.

An demselben ersten Tag wurde das Licht gemacht, welches der schönste, nützlichste und angenehmste Stoff ist. Ich will nun aber nicht die vielen Fragen diskutieren, die hinsichtlich jenes Lichtes unter den Fachgelehrten diskutiert werden, habe ich mir doch vorgenommen, in dieser Erklärung des Glaubensbekenntnisses nur die Pfarrer zu unterweisen.14 Zusammen mit dem körperlichen Licht wurde nun auch das geistige Licht geschaffen, d. h. die Engelnatur, die das übersinnliche Licht ist.1s Denn es ziemte sich nicht, dass das körperliche Licht früher als das geistige Licht war. Die Engel sind aber feinste Geister, mit größter Weisheit ausgestattet und ihrer Menge nach fast unzählbar. Das ist vielleicht der Grund, warum es wenig später heißt: Die Erde war öd und leer, nicht aber, dass der Himmel öd und leer war, weil der Himmel sofort von der Menge der Engel erfüllt war.

Am zweiten Tag begann der Schöpfer am oberen Teil der Welt zu wirken, und aus jener ungeformten himmlischen Materie formte er das Firmament, das er Himmel nannte, und trennte die Wasser von den Wassern. Die dichteren Wasser setzte er unterhalb des Firmaments, den lockereren und reineren wies er den Platz über dem Firmament zu. Von ihnen heißt es in Ps 148,4: Und alle Wasser, die über den Himmeln sind, sollen loben den Namen des Herrn, und im Gesang der drei jünglinge in Dan 3,60 heißt es: Preiset den Herrn, all ihr Wasser ü,ber den Himmeln! Welcher Art aber diese Wasser sind und wie sie über dem Himmel ihren Platz haben sollen, das zu beurteilen steht uns, die wir die Erde bewohnen, nicht zu. Allein das ist einstweilen unsere Aufgabe, mit übergroßer Bewunderung und Staunen die Allmacht des Schöpfers zu loben, die in einem einzigen Augenblick die ganze himmlische Wirklichkeit geschaffen hat, und zwar in einer solchen Größe, dass wir es mit unserem Geist nicht begreifen können. Denn wenn schon jeder beliebige Stern am Firmament den Erdkreis an Größe übertrifft, wie es die Gelehrten mit sicheren Argumenten behaupten, wie groß wird dann erst der Himmel sein, der unzählige Sterne umfasst?

Am dritten Tag hat der Schöpfer, indem er gewissermaßen vom Himmel herabgestiegen ist, oder besser gesagt durch seinen Befehl und sein Wort, die Wasser, die die Erde überall bedeckten, in den niedriger gelegenen Flächen der Erde eingeschlossen, damit die Erde zum größeren Teil trocken bliebe. Zugleich befahl er mit seinem allmächtigen Wort, die vom Wasser befreite Erde solle grünes Gras und alle Arten von Obst tragenden Bäumen hervorsprießen lassen. Bald nun erschien die Erde, die kurz zuvor noch öd und leer gewesen war, ganz grünend, blühend und prächtig. Was für eine völlig wunderbare Macht und Weisheit des Schöpfers, waren doch die Samen noch nicht ausgesät, hatte die Sonne noch nicht die Erde erwärmt und gab es noch keine Bauern, die die Erde bearbeitet hätten! Doch der Befehl Gottes benötigte nicht die Hilfe oder den Dienst von Geschöpfen. Daran erkennen wir folgendes. Dass jetzt zur Hervorbringung und Erhaltung der Dinge die Mithilfe von Menschen oder von Himmelskörpern nötig ist, ist kein Beweis für die Ohnmacht des Schöpfers, sondern für seine Gnade. Er wollte nämlich seine Geschöpfe ehren, indem er sie zur Mithilfe bei der Hervorbringung und Erhaltung der Dinge heranzog.

Am vierten Tag kehrte der Schöpfer gewissermaßen wieder zum Himmel zurück und setzte an das Firmament die Sonne, den Mond und das unzählbare Sternenheer, die mit höchster Geschwindigkeit allezeit kreisen, mit ihrem Licht die Erde erwärmen und die Menschen erfreuen, zugleich aber Tage und Nächte, Monate und jahre gliedern sollten. Dabei ist ganz und gar bewundernswert: Seit der Erschaffung der Lichter sind bereits 5000 jahre vergangen, doch nicht eines von ihnen ist erloschen oder von so schnellem Lauf ermüdet, sondern sie alle leuchten und gehorchen ihrem Schöpfer, als ob sie heute erst erschaffen worden wären.

Am fünften Tag ist der Schöpfer erneut zum gewissermaßen niedrigeren Teil seines Werkes herabgestiegen und hat mit seinem allmächtigen Wort und seinem Befehl aus den Wassern Fische und Vögel hervorgebracht und befohlen, sie sollten wachsen und sich vermehren. Dieses Gebot erfüllen sie aber bis heute so sorgfältig und werden ihm bis zum Ende der Welt nachkommen, dass, obwohl von den Menschen zahllose Fische und Vögel verzehrt werden 16, doch immer eine beinahe unendliche Menge von ihnen übrig bleibt.

Am sechsten Tag formte Gott unmittelbar aus der Erde das ganze Geschlecht der Landlebewesen. Weil aber der Mensch auch ein Landlebewesen ist, hat er ihn am selben Tag hervorgebracht. Weil nun jedoch der Mensch teils irdisch, teils himmlisch ist und weil er gewissermaßen eine Zusammenfassung der gesamten Welt sowie das Bild des lebendigen Gottes und der zukünftige Herr über den Erdkreis und über alles, was sich auf der Erde und im Meer aufhält, ist, war es angemessen, dass für ihn ein Palast erbaut und geschmückt sowie Knechte und Diener bereitgestellt wurden, bevor er selbst in die Welt kam. Gott machte also den Menschen aus Erde, damit er nicht hochmütig werde. Doch er gab ihm einen Geist, der der Vernunft fähig ist, und schuf ihn dadurch nach seinem Bild, damit er nicht kümmerlich sein sollte. Er machte ihn aber zum Herrn über alle Lebewesen, damit er in seiner Lebensweise nicht die Tiere der Erde nachahme, sondern die Engel des Himmels. Das aber ist es, was David in Ps 8,5-9 von der Erhabenheit des Menschen singt, wobei er Gott für alles Dank sagt: Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als die Engel. Mit Herrlichkeit und Ehre hast du ihn gekrönt, und du hast ihn eingesetzt über die Werke deiner Hände. Alles hast du ihm unter die Füße gelegt: alle Schafe und Rinder, dazu die Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels und die Fische des Meeres, die dahinziehen auf den Pfaden des Meeres.

Am selben Tag schuf Gott zuletzt die Frau, und das war ein bewundernswertes Werk des Schöpfers. Er formte die Frau nämlich aus einer Rippe Adams ohne einen Schmerz des Mannes, und in einem Augenblick gab er ihr alle Glieder und hauchte ihr die Seele ein, so dass sie sogleich als Frau mit dem richtigen Alter und zur Ehe geeignet in Erscheinung trat. Gott schuf aber die Frau aus dem Mann und nicht aus dem Lehm der Erde, damit die Frauen erkennen, dass sie ihren Ursprung aus dem Mann haben und ihn deshalb als ihren Oberen anerkennen und nicht um den Vorrang streiten. Er schuf sie aber nicht aus dem Haupt und auch nicht aus den Füßen des Mannes, sondern aus der Seite, damit die Männer erkennen, dass die Ehefrau nicht Herrin, aber auch nicht Sklavin sein soll, sondern Gefährtin und Beistand, dem Mann zwar untergeordnet, aber in einer rechtlich verfassten und nicht in einer despotischen Unterordnung. Und weiter, dass daher die Männer, ebenso sündigen, wenn sie sich der Herrschaft der Frauen unterwerfen, wie wenn sie diese ohne schwerwiegende Notwendigkeit mit Drohungen und Schlägen zur Pflicht zwingen, während sie sie doch lieben sollen, wie Christus die Kirche geliebt hat (Eph 5,25).17

Artikel II : Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn

Während die Apostel uns im ersten Artikel gelehrt haben, dass Gott ist, dass er einer ist und dass von ihm alle geschaffenen Wirklichkeiten als von ihrem Ursprung und gleichsam ihrem Seinsquell abhängen, lehren sie in diesem zweiten Artikel, wer der Mittler zwischen Gott und den Menschen ist. Zuerst verkünden sie, dass der Mittler den Namen Jesus trägt, d. h. Retter; sodann, dass er den Beinamen Christus besitzt, d. h. der Messias, der im Gesetz verheißen ist; zum dritten, dass er selbst der einzige Sohn Gottes ist, geboren als wahrer Gott vom wahren Gott; schließlich dass derselbe unser Herr ist nicht nur aufgrund der Schöpfung wie Gott Vater, sondern auch aufgrund der Erlösung. Erklären wir nun die einzelnen Worte.

UND AN JESUS. Dieses erste Wort bedeutet, dass wir nicht nur an Gott Vater glauben, sondern auch an seinen Sohn, der Jesus heißt. Was dieser Name Jesus aber bedeutet, tat der Engel kund, als er zum hl. Joseph sprach (Mt 1,20-21): Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn was in ihr gezeugt ist, ist vom Heiligen Geist. Sie wird aber einen Sohn gebären und du wirst ihm seinen Namenjesus geben. Denn er wird sein Volk aus seinen Sünden erretten. Und in der Nacht der Geburt des Herrn spricht der Engel zu den Hirten (Lk 2,10-11): Ich verkündige euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden wird, denn euch ist heute in der Stadt Davids der Retter geboren, der Christus ist, der Herr. Was bedeutet nun eigentlich der Name "Retter"? Er ist eine Bezeichnung für jemanden, der von einer drohenden Gefahr befreit. Wenn jemand an einer sehr ernsten Krankheit leiden würde, so dass man ihn dem Tode nahe glaubte, und durch die Kunst eines äußerst kundigen Arztes geheilt würde, könnte er sicher zu Recht von diesem Arzt sagen: Dieser da hat mich vor dem Tod gerettet. In diesem Sinne sagte einmal der hl. Petrus, als er im Wasser zu versinken begann (Mt 14,30): Herr, rette mich! Und ein andermal riefen die Apostel zum Herrn, als ihr Schiff beinahe unterging (Mt 8,25): Rette uns, wir gehen zugrunde. In diesem Sinne also wurde der Herr Jesus genannt, d. h. Retter, weil er sein Volk vor der drohenden Gefahr des ewigen Todes gerettet hat, in welche es aufgrund der Sünde geraten war. Denn der Sold der Sünde ist der Tod, wie der Apostel sagt (Röm 6,23). Nun wird unser Jesus im eigentlichen und absoluten Sinn Jesus genannt, d. h. Retter, weil nur er allein aus der sehr schweren Krankheit, der Sünde, rettet und dadurch von der drohenden Gefahr des ewigen Todes befreit. Die anderen Übel können nämlich im Vergleich zu Sünde und Hölle kaum Übel genannt werden. Daher sagte nämlich der Apostel Petrus (Apg 4,12): Es ist den Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben worden, in dem wir gerettet werden sollen. Und an anderer Stelle bezeugt er, dass nicht nur diejenigen, die nach Christus kamen, sondern auch diejenigen, die vor der Ankunft Christi gelebt haben, durch die Gnade desselben Christus gerettet worden sind. Er sagt (Apg 15,11): Durch die Gnade jesu Christi, so glauben wir, werden wir gerettet, wie auch jene, nämlich die zur Zeit des Alten Testamentes lebenden Väter. Dies haben bereits lange zuvor die Samariter bekannt, die, nachdem sie Christus predigen gehört hatten, sagten (Joh 4,42): Wir selbst haben gehört und wissen, dass dieser der wahre Retter der Welt ist. {Christus wird aber Retter der Welt genannt, nicht weil er die ganze Welt rettet, sondern weil er die Macht hat, die ganze Welt zu retten, und der Preis seines Blutes ausreicht, die ganze Welt zu retten. Und er allein ist es, der diejenigen rettet, die aus der ganzen Welt gerettet werden. Tatsächlich rettet er aber nur jenes Volk, von dem der Apostel sagt (Tit 2,14): Er gab sich selbst für uns dahin, um uns von aller Bosheit loszukaufen und sich ein wohlgefälliges Volk zu reinigen, das nach guten Werken trachtet.)18

Wie groß die Wohltat Gottes ist, vor dem ewigen Tod gerettet zu werden, kann man leicht daran erkennen, was die Menschen tun, um vor dem zeitlichen Tod gerettet zu werden. Welche Ausgaben nehmen die Menschen nicht gern in Kauf, um dem Tod - ich will nicht sagen, zu entgehen, sondern ihn ein wenig hinauszuschieben? Ganz treffend steht nämlich im Buch Ijob geschrieben (2,4):

Haut für Haut wird der Mensch geben, und alles, was er hat,jür seine Seele, d. h. für sein Leben. Wenn so große Dinge geschehen, um den zeitlichen Tod aufzuschieben, was würde dann erst geschehen, um den ewigen Tod zu vermeiden, wenn sie nur seine Bedeutung ernsthaft bedenken und genau abwägen würden?

Nun aber rettet uns Jesus vom uns drohenden ewigen Tod, indem er uns die Sünden vergibt, ohne dazu verpflichtet zu sein. Der Lohn der Sünde ist der Tod, sagt der Apostel (Röm 6,23), und der Apostel Johannes nennt in der Offenbarung deshalb die Sünde den ersten Tod und die Hölle den zweiten Tod (Offb 2,11 und 20,6-14), weil die Menschen durch die Sünde zur Hölle verdammt werden, und niemand kann der Hölle entgehen, der nicht zuvor von der Sünde befreit worden ist. Ebenso wird niemand zur Hölle verdammt, der ohne Sünde angetroffen wird. Auch rettet uns Jesus nicht nur hinsichtlich unserer Seele, sondern er wird uns auch am Jüngsten Tag hinsichtlich unseres Leibes befreien. Dann werden nämlich die verherrlichten Leiber der Heiligen auferstehen, und der Tod wird nicht mehr über sie herrschen.19

An diesem allerheiligsten Namen Jesu erkennen wir somit, wieviel wir dem Retter und20 Sohn Gottes verdanken, weil wir durch ihn vor dem Tod der Sünde, dem Tod der Hölle und vom natürlichen Tod gerettet sind, und dies hat uns der Herr nicht um den Preis von Gold oder Silber, von Widder- und Kälberopfern gewährt, sondern durch sein kostbares Blut.21 Das ist der Grund, weshalb wir diesen heiligen Namen vor allen Namen ehren, und im Namenjesu sich jedes Knie der Himmlischen, der Irdischen und der Unterirdischen beugt (PhiI 2,10).

CHRISTUS. Mit diesem zweiten Wort lehren uns die Apostel, dass Jesus jener wahre Messias ist, der dem Volk Gottes durch alle Propheten verheißen worden war. Der Name "Christus" aber beinhaltet drei überaus erhabene Würden und Ehrentitel, nämlich die des Hohenpriesters, des mächtigsten Königs und des ganz wahrhaftigen Propheten. Christus bedeutet eigentlich "Gesalbter", und im Volk Gottes wurden üblicherweise drei Personen gesalbt, nämlich Priester, Könige und Propheten.22 Jesus wurde aber nicht von Menschen gesalbt und auch nicht mit materiellem Öl, sondern von Gott Vater und mit geistlichem Öl. SO sagt nämlich David in Ps 44,8: Deshalb hat Gott dich gesalbt, dein Gott, mit dem Öl der Freude vor all deinen Gefährten23, und der hl. Petrus in der Apostelgeschichte (Apg 10,38): Gott hat ihn mit dem Heiligen Geist und mit Kraft gesalbt.

So ist Christus also höchster Priester, höchster König und höchster Prophet.24 Was das Priestertum angeht, so ist er der höchste Priester, weil alle anderen Priester seine Diener sind und er selbst durch sie die Opfer darbringt und alle priesterlichen Aufgaben vollzieht. Er selbst ist es, so sagt der hl. Johannes der Täufer, der im Heiligen Geist tauft (Joh 1,33). Er selbst ist es, der durch die Priester die Beichtenden losspricht. Er selbst ist es, der durch sie das Messopfer darbringt, Brautleute in der Ehe verbindet und die Sterbenden salbt. Er selbst ist es, der durch die Bischöfe die Getauften firmt und ihnen dadurch den Heiligen Geist mitteilt. Ebenso erteilt er selbst durch die Bischöfe mittels der Handauflegung d,ie heiligen Weihen. Schließlich wird er deshalb auch: Priester auf ewig (Ps 109,4) genannt, und er ist es auch, weil die übrigen Priester nur auf Zeit dienen, er dagegen alles durch alle Priester, die aufeinander folgen, vollbringt. Daher kommt es auch, dass, auch wenn Priester manchmal mit Sünden behaftet sind, doch die Opfer, die sie darbringen, und die Sakramente, die sie spenden, gut und heilsam sind. Denn der eigentliche Priester, nämlich Christus, ist stets heilig und gut.

In gleicher Weise ist Christus der höchste König der ganzen Welt. Denn er selbst ist der Erste der Könige der Erde, wie der heilige Johannes sagt (Offb 1,5). An anderer Stelle sagt er auch: Diese werden mit dem Lamm kämpfen, und das Lamm wird sie besiegen, weil es der Herr der Herren ist und der König der Könige (Offb 17,14). Er selbst aber sagt von sich: Mir ist alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben (Mt 28,18). Darum sind die Könige und Fürsten der Erde Diener Christi; von ihm empfangen sie die Macht, von ihm die Gesetze und Rechte, und ihm werden sie am Tag des Gerichtes Rechenschaft ablegen.

Schließlich war er ebenfalls der höchste Prophet, der im Gesetz verheißen war, sagt doch Moses: Einen Propheten wird dir der Herr, dein Gott, erwecken; ihn sollst du hören (Dtn 18,15). Und von ihm rief die Menge: Dieser ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen wird (Joh 6,14).

SEINEN SOHN. An dritter Stelle lehren uns die Apostel ein hocherhabenes Geheimnis, nämlich, dass Jesus Christus nicht nur Mensch, Priester, König und Prophet ist, sondern auch der wahre Sohn Gottes und dadurch auch wahrer Gott. Denn der wahre und seiner eigenen Natur entstammende Sohn hat dieselbe Natur wie sein Vater. Deshalb ist der wahre Sohn Gottes auch wahrer Gott. Dies haben die heiligen Väter im Glaubensbekenntnis von Nizäa und Konstantinopel mit folgenden Worten ausgedrückt: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott.2S Dennoch sind sie nicht zwei Götter, der Vater und der Sohn, sondern ein einziger Gott, weil Gott Vater bei der Zeugung des Sohnes diesem seine eigene, unverminderte göttliche Natur durch die Zeugung gegeben hat. Dieses Geheimnis übersteigt den menschlichen Verstand, so dass es scheint, man könne es gar nicht in Worte fassen. Darum sagt Jesaja, da er über den Sohn Gottes spricht: Seine Zeugung, wer wird sie erzählen? (Jes 53,8).

Dennoch erläutert der Apostel Paulus im Brief an die Hebräer mittels zweier Vergleiche annähernd, welcher Art die Zeugung des Sohnes Gottes ist. So sagt er: Da er der Abglanz der Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens ist (Hebr 1,3). Der erste Vergleich ist vom Licht genommen, das den Abglanz hervorbringt. Auf die gleiche Weise wie das Licht nämlich augenblicklich ohne die Hilfe einer Gattin in höchster Reinheit den Schein hervorbringt, und wie dabei das Licht nicht früher ist als der Abglanz noch der Abglanz später ist als das Licht, ganz so bringt Gott Vater, der unzugängliches Licht ist (1 Tim 6,16), in dem keinerlei Finsternisse sind (1 Joh 1,5), von Ewigkeit her den Sohn hervor, der Licht vom Licht ist, und er bringt ihn ohne die Hilfe einer Gattin hervor sowie ohne Einfluss von Begehrlichkeit. Davon spricht er durch den Mund Davids in einem Psalm: Im Schein der Heiligen habe ich dich vor dem Morgenstern gezeugt (Ps 109,3). So war der Vater niemals ohne den Sohn, wie das Licht nie ohne den Schein, sondern aus dem ewigen Vater ist der immerwährende Sohn hervorgegangen. Der zweite Vergleich ist dem Bild entnommen, das in einem Spiegel entsteht, wenn jemand sich selbst im Spiegel betrachtet. Dieser Vergleich zeigt, dass der Sohn Gottes durch den Verstand hervorgebracht wird, indem Gott Vater sich selbst, gewissermaßen wie einen fleckenlosen Spiegel, mit dem Auge des Geistes anschaut und Gott Sohn dabei wie ein ganz vollkommenes und ganz ähnliches Bild entsteht.26 Diese beiden Vergleiche deuten das Geheimnis der ewigen Zeugung des Sohnes Gottes jedoch in unbestimmter Weise an. Die vollkommene Erkenntnis aber ist als Lohn des Glaubens für die andere Welt aufgespart.

DEN EINZIGEN. Dieses Wort ist hinzugefügt, damit wir erkennen, dass nur ein einziger der eigentliche und seiner eigenen Natur entstammende Sohn Gottes sein kann, während es viele an Kindes Statt angenommene Söhne gibt und noch viel mehr Söhne aufgrund der Schöpfung. Nun werden die an Kindes Statt angenommenen Söhne nicht vom Vater gezeugt und bestehen auch nicht aus dem Wesen Gottes, sondern werden durch die in ihre Herzen eingegossene Gnade Gottes zu Söhnen und Erben Gottes gemacht sowie zu Miterben Christi, wie der Apostel im Brief an die Römer sagt (Röm 8,17). Söhne aufgrund der Schöpfung aber werden alle Menschen genannt, die nach dem Bild Gottes geschaffen werden, ganz wie Moses in seinem Gesang ausruft: Ist er nicht selbst dein Vater, der dich in Besitz genommen hat, der dich gemacht und geschaffen hat? (Dtn 32,6). Christus dagegen ist der eingeborene Sohn, wie Johannes der Täufer und der Evangelist es immer wieder bekräftigen27, weil er allein das Wesen Gottes, und dieses ganz, durch die Zeugung, die durch die göttliche Vernunft geschieht, erhalten hat. Doch diese Dinge sind zu hoch, als dass man sie dem Volk mit vielen Worten erklären sollte.28

UNSEREN HERRN. Die Apostel fügen hinzu, dass dieser selbe Sohn Gottes unser wahrer und absoluter Herr ist. Dass er aus zwei Gründen ein Anrecht darauf hat, ist ganz gewiss, nämlich aufgrund der Schöpfung und der Erlösung. Denn er hat uns mit dem Vater erschaffen, wie Johannes bezeugt: Alles ist durch ihn geschaffen (Joh 1,3), und wenig später: Und die Welt ist durch ihn geschaffen (Joh 1,10). Da der Sohn Gottes uns nun mit dem Vater aus Materie, die er selbst geschaffen hatte, formte, und dies ohne Diener, ohne Werkzeuge, allein durch den Befehl des Willens, so folgt daraus, dass er selbst der wahre und eigentliche Herr aller Dinge ist, von dem der hl. Petrus im absoluten Sinn in Apg 10,36 verkündet: Dieser ist der Herr aller. Weil wir aber weiterhin Sklaven des Teufels geworden waren, hat eben dieser eingeborene Sohn Gottes uns erlöst und uns der Macht der Finsternis und dem Zorn des allmächtigen Gottes entrissen: Um einen teuren Preis seid ihr erkauft, sagt der Apostel Paulus (1 Kor 6,20). Und sein Mitapostel Petrus fügt hinzu: Nicht mit vergänglichem Gold oder Silber seid ihr erkauft, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, als eines makellosen und unbefleckten Lammes (1 Petr 1,18 f.). Zu Recht nennen wir daher den, der uns erlöst hat, den Herrn, mag er selbst uns auch aus seiner unendlichen Güte Freunde, Brüder und Miterben sein lassen.

Artikel III : Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria

Im zweiten Artikel lehrten uns die Apostel, dass Christus Gott und Mensch ist. In diesem dritten Artikel legen sie dar, wie der Sohn Gottes der Sohn der Jungfrau Maria geworden ist, und damit, wie Gott Mensch geworden ist. Zwei Punkte müssen also von uns kurz erklärt werden: erstens welcher Art die Empfängnis Christi gewesen ist und des Weiteren welcher Art die Geburt Christi gewesen ist.

DER EMPFANGEN WURDE. Die menschliche Empfängnis Christi war in einer Hinsicht der Empfängnis der übrigen Menschen ähnlich, in vielen anderen Punkten dagegen davon verschieden. Ähnlich war sie der Empfängnis der anderen im Hinblick auf die Mutter, weil er wirklich im Mutterschoß empfangen worden ist, und aus dem Blut der Mutter. Dadurch ist er nämlich wahrer Sohn seiner Mutter Maria, und Maria ist die wahre Mutter Christi. Weil nun die hl. Maria ihre Abstammung von David hatte, sagt der hl. Paulus, Christus sei aus dem Samen Davids (Röm 1,3), und im Evangelium wird Christus öfter Sohn Davids genannt.29 Verschieden war dagegen die Empfängnis Christi von der Empfängnis der übrigen Menschen hinsichtlich der Wirkursache. Die anderen Menschen haben nämlich als unmittelbare Wirkursache ihren Vater, also einen andern Menschen, Christus aber hat keinen Vater auf Erden, wie er auch keine Mutter im Himmel hat. Das ist die Bedeutung von: empfangen vom Heiligen Geist. Der Heilige Geist hat nämlich allein, ohne die Hilfe eines Menschen, durch seine unendliche Macht aus dem jungfräulichen Blut im Schoß der Jungfrau den Leib Christi geformt, und er hat auch seine Seele geschaffen und sie dem Leib eingegossen.

Weil aber auch Adam keinen Vater auf Erden hatte, sondern von Gott allein gebildet worden war, nennt ihn der hl. Paulus den ersten Menschen (1 Kor 15,45), von dem die übrigen Menschen durch natürliche Zeugung abstammen, Christus aber den zweiten Menschen, von dem alle an Kindes Statt angenommenen Kinder Gottes durch die Wiedergeburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geist abstammen.30 Auch ist es für Gott nicht schwierig, die Wirkursache zu ersetzen. Am Anfang hat Gott nämlich allein die Pflanzen und Bäume hervorgebracht, als der Mensch noch nicht geschaffen war, der sie hätte säen und pflanzen können, und ebensowenig die Sonne, die sie mit ihrer Hitze hätte wärmen, und der Regen, der sie hätte befeuchten können. Doch jenes Wort des Herrn, Es lasse die Erde grünes Gras hervorsprießen (Gen 1,11), hat alles gemacht und vollendet.

Aus diesem ersten Unterschied haben sich viele weitere ergeben. Erstens nämlich werden wir alle mit der Erbsünde geboren, die wir uns vom Stammvater durch die fleischliche Zeugung zuziehen. Christus dagegen wurde ohne Sünde geboren, da er auf Erden keinen Vater hatte, so wie auch keine Mutter im Himmel. Daher auch dieses Wort des Engels an die Jungfrau: das Heilige, das aus dir geboren wird (Lk 1,35). Zweitens sind wir von der Empfängnis an mit Mängeln behaftet, und die einen sind größer, die anderen kleiner als das rechte Maß, einige sind blind, einige taub und einige kaum lebensfähig. Die Empfängnis Christi war dagegen ganz vollkommen, denn die Werke Gottes sind vollkommen (Dtn 32,4). Deshalb war er auch niemals krank, hatte er die richtige Gestalt und war schöner als alle Menschen (Ps 44,3), so wie auch Adam und Eva, die Gott allein gemacht hat, ganz hervorragende Leiber hatten, und der Wein, den Christus bei der Hochzeit allein mit seinem Willen aus Wasser gemacht hat, so war, dass der Speisemeister sagte: Du hast den guten Wein bis jetzt aufbewahrt (Joh 2,10). Drittens benötigt unsere Empfängnis bis zu ihrem Abschluss einen Zeitraum von 40 Tagen, weil die Natur in ihrem Tun allmählich voranschreitet. Christus dagegen wurde in einem Augenblick empfangen und war gänzlich gebildet, weil Gott keine Zeit braucht. Er sprach, und es geschah; er gebot, und es wurde geschaffen (Ps 148,4). Viertens haben unsere Leiber 40 Tage lang noch keine Vernunftseele, und nachdem ihnen dann die Vernunftseele eingegossen worden ist, hat diese Seele für lange Zeit noch keinen Vernunftgebrauch, noch sind ihr irgendwelches Wissen, Können oder Macht eingegossen worden. Christus dagegen hat durch seine Zeugung bereits in seiner Empfängnis eine ganz edle Seele, die mit aller Weisheit und Macht und sogar der Seligkeit selbst geschmückt war, empfangen. Dies drückt Jesaja mit den Worten aus: Es wird ein Reis aus der Wurzel Isai hervorgehen, und eine Blume wird aus seiner Wurzel emporwachsen, und der Geist des Herrn wird darauf ruhen: der Geist der Weisheit und der Erkenntnis, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Wissenschaft und der Frömmigkeit, und der Geist der Furcht des Herrn wird ihn erfüllen (Jes 11,1-3).31 Das Reis aus der Wurzel Isai ist nach der Auslegung des h1. Hieronymus die Jungfrau Maria32; sie geht aus der Nachkommenschaft Davids hervor, dessen Vater Isai war. Die Blume, die aus jenem Reis blühte, war Christus, der von sich sagt: Ich bin die Blume des Feldes und die Lilie der Täler (Hld 2,1). Christus war aber in der Zeugung eine Blume und in der Geburt eine Frucht. So war er bereits in der Zeugung selbst und vor der Geburt voll des Heiligen Geistes und all seiner Gaben.

Fünftens und letztens: Wir beginnen, wenn die Empfängnis abgeschlossen ist und der Leib mit der Vernunftseele beseelt ist, Menschen zu sein. Christus aber begann, da die Zeugung abgeschlossen war, zugleich Gott und Mensch zu sein bzw. menschgewordener Gott.33 Denn im selben Augenblick, da der Leib gebildet und die Seele eingegossen wurde, wurde auch auf unaussprechliche Weise Leib und Seele mit der Gottheit in der zweiten Person der allerheiligsten Dreifaltigkeit vereint. So ist, wie der hl. Johannes bezeugt, das Wort Fleisch geworden (Joh 1,14), und der der Sohn Gottes war, begann, auch der Sohn der Jungfrau zu sein. Es sind nämlich nicht zwei Söhne, der eine der Gottes und der andere der der Jungfrau, sondern nur einer: derjenige, der von Ewigkeit her der eingeborene Sohn Gottes, des Vaters, war, von dem er die Gottheit empfangen hat, und derjenige, der in der Zeit der eingeborene Sohn der Jungfrau Maria geworden ist, von der er die Menschennatur empfangen hat.34

Dies war nun die größte Wohltat, die von Gott dem ganzen Menschengeschlecht erwiesen worden ist. Und es wäre nur recht und billig, wenn die ganze Menschheit und jeder einzelne Mensch täglich Gott danken würden, der unser höchster Herr war und doch auch unser Bruder werden wollte. Und er hat unser Geschlecht zu einer solchen Höhe erhoben, dass ein Mann, Christus, wahrhaft der König und Herr der Engel ist, und eine Frau, die Jungfrau Maria, über allen Chören der Engel thront.

Doch zur weitergehenden Erklärung dieses Geheimnisses sind offensichtlich drei Probleme zu lösen. Das erste Problem ist, warum die Empfängnis Christi dem Heiligen Geist zugeschrieben wird, wenn doch alle Werke nach außen der Dreiheit der göttlichen Personen gemeinsam sind. Das zweite Problem ist, warum nur die Person des Sohnes als fleischgeworden bezeichnet wird, wenn doch die ganze allerheiligste Dreifaltigkeit die Fleischwerdung gewirkt hat. Das dritte Problem ist, ob der Heilige Geist als der Vater Christi bezeichnet werden k,stnn, wenn es doch von Christus heißt, er sei vom Heiligen Geist empfangen.

Das erste Problem lässt sich leicht lösen. Zwar sind die nach außen gerichteten Werke Gottes allen göttlichen Personen gemeinsam, dennoch schreibt man für gewöhnlich diejenigen, die sich auf die Macht beziehen, dem Vater zu; diejenigen, die sich auf die Weisheit beziehen, werden dem Sohn zugeschrieben; und die sich auf die Liebe beziehen, werden dem Heiligen Geist zugeschrieben. Dies tut man nicht, weil sie der jeweiligen Person eigen sind, sondern weil sie offenbar eine gewisse Ähnlichkeit mit den Eigenschaften der jeweiligen Personen besitzen. Darum wird die Empfängnis Christi für gewöhnlich dem Heiligen Geist zugeschrieben, weil sie das Werk der höchsten Liebe Gottes gegenüber dem Menschengeschlecht war, sagt doch der Herr: So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab (Joh 3,16). Das zweite Problem lässt sich ebenso leicht lösen. Man sagt nämlich nur von der Person des Sohnes, dass sie Fleisch geworden sei, obwohl doch die ganze Dreifaltigkeit das Werk der Fleischwerdung vollbracht hat, weil allein die Person des Sohnes die Menschheit angenommen hat, auch wenn alle drei göttlichen Personen zusammengewirkt haben, um diese Menschennatur zu erschaffen und mit der Person des Sohnes zu vereinen. Es ist, wie wenn jemand ein neues Gewand anzieht, das er selbst unter Mithilfe von zwei anderen angefertigt hat und nun ebenfalls mit ihrer Hilfe anzieht. Dann sind es nämlich drei, die dieses Gewand verfertigten und dabei helfen es anzuziehen, doch nur ein einziger wird damit bekleidet. Zum letzten Problem sagen wir, dass der Heilige Geist nicht als der Vater Christi bezeichnet werden kann, obwohl er als von ihm empfangen bezeichnet wird. Denn Vater ist derjenige, der aus seinem eigenen Wesen einen Sohn hervorbringt. Wer dagegen irgendein Werk nicht aus dem eigenen Wesen, sondern aus etwas anderem hervorbringt, der muss Bildner und darf nicht Vater genannt werden. So ist also bereits Gott Vater der wahre und einzige Vater Christi, was die Gottheit angeht, und die selige Jungfrau Maria ist die wahre und einzige Mutter Christi, was die menschliche Natur angeht. Denn Gott Vater hat aus seinem Wesen Christus als Gott gezeugt, nicht aber aus nichts erschaffen oder aus etwas anderem gebildet, und die selige Jungfrau Maria hat Christus als Menschen aus dem Stoff ihres Blutes hervorgebracht, nicht aus etwas anderem. Der Heilige Geist dagegen hat Christus nicht aus seinem eigenen Wesen gezeugt, sondern ihn aus dem Blut der Jungfrau gebildet; infolgedessen ist er nicht der Vater Christi, sondern muss als der Bildner des Leibes und der Seele Christi bezeichnet werden.35

Obwohl richtig gesagt worden ist, dass Christus von der seligen Jungfrau als Mensch, nicht aber als Gott hervorgebracht worden ist, so folgt daraus doch nicht, dass die selige Jungfrau nicht die Mutter Gottes oder nicht die Gottesgebärerin ist. Denn die Jungfrau Maria ist ganz wahrhaftig Gottesgebärerin und Mutter Gottes, weil es in Christus ja nur eine einzige Person gibt, und zwar die göttliche, welche zwei Naturen besitzt, die göttliche vom Vater und die menschliche von der Mutter. Folglich ist beides wahr: Christus als Gott hat einen Vater, ohne eine Mutter zu haben, und: Der göttliche Christus hat einen Vater und eine Mutter. In gleicher Weise ist auch beides wahr, dass Christus als Mensch keinen Vater hat, sondern nur eine Mutter, und dass der menschliche Christus eine Mutter und einen Vater hat. Es ist somit die Aufgabe des Pfarrers, das Volk genau darüber zu unterrichten, welche Bedeutung diese Doppelaussage "Gott als Gott" und "Mensch als Mensch" hat, und welcher Unterschied zwischen diesen Begriffen "der göttliche Christus (Christus Deus)" und "Christus als Gott (Christus ut Deus)" sowie zwischen "der menschliche Christus (Christus homo)" und "Christus als Mensch (Christus ut homo)" besteht, damit nicht das Volk bei einem Geheimnis, das für das Heil ganz und gar notwendig ist, einem Irrtum erliegt.36

GEBOREN VON DER JUNGFRAU MARIA. Dies ist die andere Hälfte des Artikels, in der die Geburt des Heilands erklärt wird, die in einer Hinsicht der Geburt der übrigen Menschen glich und in vielerlei Hinsicht ganz anders war, so wie wir es kurz zuvor von der Empfängnis gesagt haben. Gleich war die Geburt Christi zunächst der Geburt der übrigen Menschen darin, dass die übrigen Menschen nach der Empfängnis neun Monate lang im Schoß der Mutter eingeschlossen sind und Christus ebenso neun Monate lang im Schoß der jungfräulichen Mutter geblieben ist, d.h. vom 25. März bis zum 25. Dezember. In mehreren Punkten war sie dagegen ganz anders. Denn die übrigen Frauen müssen sich bei der Geburt abmühen und erdulden die heftigsten Schmerzen. Die Jungfrau Maria dagegen erlitt keinerlei Schmerzen und hatte auch keine Hebamme oder Helferin für sich oder für ihren Sohn nötig. Vielmehr hat sie ihren Sohn selbst von der Erde aufgehoben, sie selbst hat ihn in Windeln gewickelt und sie selbst hat ihn in die Krippe gelegt. Des Weiteren können die übrigen Frauen nicht ohne eine gewaltsame Erweiterung jener Teile gebären, durch die der Säugling ans Licht kommt; daher rührt jener heftige Geburtsschmerz. Die heilige Gottesgebärerin dagegen erlitt beim Gebären keine Erweiterung oder Öffnung der Geburtswege, sondern wie sie als Jungfrau empfangen hat, so hat sie auch als Jungfrau geboren. Wie Christus aus dem verschlossenen Grab auferstand und durch die verschlossenen Türen bei den Aposteln eintrat, so ist er auch aus dem verschlossenen Mutterschoß ans Licht getreten.37 Dies hat Ezechiel angekündigt, da er von der Tür im Osten spricht, die stets verschlossen ist, durch die allein Gott, der Herr, eingetreten ist (Ez 44,2). Des Weiteren kann kein Mensch sich aussuchen, wann und wo er geboren werden will, Christus aber wählte Zeit und Ort, und beides war voll von Geheimnissen. Er wählte die Zeit der Wintersonnenwende, wenn die Sonne sich wieder zu uns zu wenden beginnt, denn damals wendete sich die Sonne der Gerechtigkeit selbst und das wahre Licht der Welt den Menschen durch die Gnade wieder ZU38, von denen sie sich wegen der Sünde abgewandt hatte. Er wählte einen verachteten und unbedeutenden Ort, das Dörfchen Bethlehem, und darin eine Höhle, wo er geboren werden sollte, sowie eine Krippe, in die er gelegt werden sollte, um durch dieses Beispiel die Verachtung der Welt sowie ihrer Pracht und Freuden zu lehren. Ganz richtig sagt der hl. Leo am Festtag der Epiphanie: Er, der die Gestalt eines Sklaven annahm, gab Bethlehem den Vorzug für seine Geburt undjerusalem für seine Passion.39 Er wollte nämlich an einem unscheinbaren Ort geboren werden, wo er von Engeln gepriesen und von Königen angebetet würde, und an einem hochberühmten und vielbesuchten Ort sterben, wo er von der Menge verachtet und von den Führern verspottet würde.

Aus zwei Gründen wollten die Apostel in diesem Glaubensbekenntnis aber den Namen Marias erwähnen und sagen "geboren von der Jungfrau Maria" und nicht nur "geboren von der Jungfrau". Erstens um die historische Wahrheit zu bekräftigen und zweitens zum größeren Trost der Kirche und zum Preis dieser Jungfrau. Denn die Beifügung von Eigennamen trägt sehr zur Bekräftigung der historischen Wahrheit bei. Das nämlich ist der Grund, warum in diesem Glaubensbekenntnis Pontius Pilatus erwähnt ist und bei der Verkündigung des Herrn der Engel Gabriel, die Stadt Nazareth, Joseph und Maria und bei der Predigt des Vorläufers des Herrn der Kaiser Tiberius, der Prokurator Pilatus, der Tetrarch Herodes, die Hohenpriester Hannas und Kaiphas und schließlich Zacharias und Johannes.4o Ebenso trägt es auch nicht wenig zum Trost der Kirche und zum Lob der Jungfrau bei, dass wir den liebenswerten Namen der allerheiligsten Gottesgebärerin kennen; denn mit vollem Recht vertraut die ganze Kirche nach Christus, unserem Herrn, auch auf ihren Schutz. Zur Ehre der Jungfrau selbst trägt vor allem bei, dass im Apostolischen Glaubensbekenntnis, das doch ganz kurz ist, die Jungfrau und Gottesgebärerin Maria, die alle Lobeshymnen übertrifft, ausdrücklich beim Namen genannt wird.

Artikel IV : Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben

Nach der Erklärung von Empfängnis und Geburt Christi lehren uns die Apostel Leiden und Tod Christi. Dabei lassen sie seine Taten, so die Predigten und Wunder, aus, weil sie in dieser kurzen Zusammenfassung nur das lehren wollten, was eine besondere Schwierigkeit in sich birgt. Denen aber, die bereits zum Glauben an die Fleischwerdung des Wortes gekommen sind und die nicht daran zweifeln, dass Christus wahrer Mensch und wahrer Gott sei, fällt es nicht schwer zu glauben, dass er ganz weise, ganz gut und ganz machtvoll in Wort und Tat gewesen ist.41 Dass der Gottmensch dagegen gekreuzigt worden war und gestorben war, das war sehr schwer zu glauben. Bis zum heutigen Tag glauben auch die Muslime, dass Christus von der Jungfrau geboren ist, sie können aber nicht dazu gebracht werden zu glauben, dass derselbe gekreuzigt wurde und starb. Auch der Apostel Paulus selbst sagt, Christus, den Gekreuzigten, zu verkünden sei den juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit (1 Kor 1,23 f.). Ganz zu Recht haben also die Apostel diesen neuen Artikel hinzugefügt, um die Gläubigen zu unterrichten und zu lehren, dass es für sie zum Heil nicht genügt, an die Empfängnis und Geburt Christi zu glauben, wenn sie nicht auch an sein Leiden und seinen Tod glauben. Erklären wir nun die einzelnen Worte.

GELITTEN UNTER PONTIUS PILATUS. Leiden Christi bedeutet an dieser Stelle all das, was Christus am letzten Tag seines irdischen Daseins erlitten hat. Dieses Leiden geschah unter Pontius Pilatus, d. h. zu der Zeit, als Pontius Pilatus für den Kaiser Tiberius Judäa regierte. Es ist aber nicht bloß unter der Regierung des Pontius Pilatus geschehen, sondern er war auch der Richter und hat das Urteil über Christus gesprochen. Beides besagt nämlich diese Wendung "unter Pontius Pilatus". Denn obwohl Pilatus danach gestrebt hatte, Christus freizusprechen, wie die Evangelien bezeugen42, da er doch wusste, dass er ungerecht angeklagt worden war, so war er doch nicht stark genug, mit seiner Macht das Unrecht aus der Welt zu schaffen, sondern sprach, von Menschenfurcht übermannt, das ungerechte Urteil über Christus und sündigte dabei schwer. Infolgedessen brach auch aufgrund göttlicher Vergeltung in kurzer Zeit so viel Unglück über ihn herein, dass er sich mit eigener Hand den Tod gab.43

GEKREUZIGT. Dieser Ausdruck bezeichnet die Art des Leidens des Herrn. Es war äußerst hart, lang und erniedrigend; diese Strafe wurde höchstens gegen niedriggestellte Personen verhängt. Diese Art des Leidens hat der Herr selbst gewählt und es durch das Bildnis der ehernen Schlange in der Wüste, die an einem Holz erhöht war, vorhergesagt44, wie er selbst erklärt (Joh 3,14 f.). Das alles ist aber geschehen, damit die Erlösung vollkommen sei. Obwohl es viele andere Leiden Christi wie die Verspottung, die Geißelung, die Dornenkrönung und andere gab, werden sie der Kürze wegen hier nicht erwähnt und nur das schlimmste Leiden genannt.

GESTORBEN. Er wollte nicht nur leiden, sondern auch sterben. Er hätte nämlich, wenn er gewollt hätte, vom Kreuz herabsteigen können, wie es die Juden von ihm verlangten, als sie ihn verspotteten: Wenn du der Sohn Gottes bist, dann steig vom Kreuz herab (Mt 27,40), und: Wenn er der König Israels ist, soll er jetzt vom Kreuz herabsteigen, und dann glauben wir ihm (Mt 27,42). Er aber wollte sein Werk vollenden und den bitteren Kelch des Todes kosten, um unseren Tod durch sein Sterben zu vernichten und unser Leben durch seine Auferstehung wieder herzustellen. 45

UND BEGRABEN. Begraben werden wollte der Herr und drei Tage im Grabe liegen, damit der Glaube sicher sei, dass er wirklich tot gewesen war. Und er wollte in ein neues Grab gelegt werden und dieses Grab mit einem öffentlichen Siegel verschließen lassen (Mt 27,60), zum Beweis für die Echtheit der Auferstehung. Denn es gefiel der göttlichen Weisheit, die menschliche Torheit dadurch zu besiegen, dass sie ausgerechnet durch das Mittel, zu dem die frevlerischen Juden zur Verhinderung der Auferstehung auf Anstiftung des Teufels gegriffen hatten, die Auferstehung als wirklich bewies.

Nachdem wir dies erklärt haben, wollen wir aber kurz zeigen, wer der Urheber und welches der Zweck des Leidens und des Todes Christi war. Diese Überlegung nützt nämlich viel dabei, das Leiden mit großem Nutzen zu betrachten. Es gab viele Urheber bzw. Wirkursachen der Passion des Herrn, und ebenso gab es auch viele Zwecke, um deretwillen das Leiden des Herrn geschehen ist. Der erste Urheber der Passion des Herrn war Gott Vater, der seinen eigenen Sohn nicht geschont hat, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat, wie der Apostel Paulus sagt (Röm 8,32). Sodann ist der Sohn selbst der Urheber seiner eigenen Passion gewesen, wie er selbst im Johannesevangelium sagt: Niemand nimmt mir meine Seele von mir, sondern ich gebe sie von mir aus dahin (Joh 10,18). Und vor ihm sagt schon Jesaja: Er wurde geopfert, weil er selbst es wollte (Jes 53,7), und nach ihm sagt der Apostel Paulus: Christus hat uns geliebt und sich selbst für uns dahingegeben als Opfer und als Opfergabe für Gott als Duft des Wohlgeruchs (Eph 5,2). Drittens war Judas, der ihn verraten hat, Urheber der Passion des Herrn. Viertens die Juden, die ihn dem Herrscher übergaben und mit lauten Rufen seine Kreuzigung forderten. Fünftens Pilatus, der das Urteil sprach. Sechstens die Diener des Herrschers, die das Todesurteil überbrachten. Diese alle haben jedoch nicht wegen desselben Ziels, sondern wegen sehr unterschiedlicher Ziele an der Passion Christi mitgewirkt. Entsprechend diesen Zielen haben sie nun ein gutes oder ein schlechtes Werk getan, des Lobes oder des Tadels wert.

Um nun aber bei den letzten zu beginnen und allmählich zur höchsten Ursache emporzusteigen, so haben die Diener des Herrschers eine große Sünde begangen, weil die Unschuld Christi allgemein bekannt und ganz offenkundig war, was sogar Pilatus selbst mehr als einmal öffentlich ausgesprochen hat.46 Wenn nun jemandes Unschuld allgemein bekannt ist, kann ihn niemand strafen, ohne dabei zu sündigen. Außerdem reichte den Dienern nicht die Todesstrafe, die der Richter festgesetzt hatte, sondern aus eigener Bosheit und Grausamkeit fügten sie noch die Dornenkrone und verschiedene Verspottungen hinzu47, die im Evangelium eine ausführliche Erwähnung finden. Es war darum das Ziel der Diener, zum einen den Juden gefällig zu sein, und zum anderen ihre Grausamkeit auszutoben. Pilatus verurteilte Christus zum Tod, obwohl er wusste, dass er unschuldig war, damit er nicht dem Zorn des Kaisers verfalle, womit ihm die Juden gedroht hatten: Wenn du ihn freilässt, bist du kein Freund des Kaisers. Denn jeder, der sich zum König macht, widerspricht dem Kaiser (Joh 19,12). Also hat auch er gesündigt und bereits in diesem Leben schwer dafür gebüßt, wie wir oben aus der Kirchengeschichte des Eusebius bewiesen haben.48 Daraus gewinnen wir die Erkenntnis, dass man Gott niemals aus Menschenfurcht beleidigen darf, weil Gott über allen Menschen steht, alles wahrnimmt und ohne weiteres die, die ihn verehren, befreien kann. So wollten der heilige Patriarch Joseph49 und die heilige Frau Susanna50, als sie durch Menschenfurcht zum Ehebruch getrieben werden sollten, lieber in Lebensgefahr geraten als gegen Gott sündigen, und beide sind durch die wunderbare Vorsehung Gottes dem Tod entronnen. Die Juden aber trachteten danach, Christus zu töten, teils aus Neid, weil sie sahen, dass Christus vom Volk mehr geschätzt wurde als ihre eigenen Schriftgelehrten und Pharisäer; teils aus weltlich begründeter Furcht, dass das jüdische Reich völlig untergehe. Den Neid bezeugt das Evangelium, denn der hl. Matthäus schreibt: Pilatus wusste nämlich, dass sie ihn aus Neid ausgeliefert hatten (Mt 27,18). Über die weltlich begründete Furcht schreibt der hl. Johannes, die Hohenpriester und Pharisäer hätten gesagt: Was sollen wir tun, da dieser Mensch viele Zeichen tut? Wenn wir ihn lassen, werden alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns unseren Ort und unser Volk (Joh 11,470. Daher sündigten auch sie schwer und verloren das zeitliche und das ewige Reich. Judas, ein ganz schlechter Händler, wie ihn die Kirche zu Recht nennt51, verkaufte Christus aus Habgier. Doch die dreißig Silberstücke, die er als Lohn für den Verrat empfing, haben ihm nichts genützt. Er brachte sie nämlich wenig später zurück, und in seiner Verzweiflung hängte er sich mit einem Strick aue2 Alle Habgierigen gleichen Judas, sie genießen die Güter nicht, die sie gierig in diesem Leben gesammelt haben, und werden im künftigen Leben aufs strengste gestraft.

Nun bleiben nocn Gott und Christus, die Ursachen der Passion waren, deren Ziel jedoch ein ganz anderes war als das des Judas und des Pilatus oder auch der Juden oder der Diener bei dieser gewaltigen Untat. Denn Gott und Christus suchten in der Passion das Heil des Menschengeschlechts und die Ehre der Gottheit. Die erste Sünde Adams, die sich durch die Zeugung auf alle Menschen ausbreitee3, hat nämlich Gott die Ehre und dem Menschen das Heil genommen. Diese zwei Übel konnten nicht unter gleichzeitiger Wahrung der Gerechtigkeit beseitigt werden, außer durch eine Genugtuung von unendlichem Wert. Darum hat also die ewige Weisheit Gottes die Barmherzigkeit und die Gerechtigkeit derart miteinander verbunden, dass Gott Vater aus seiner unendlichen Barmherzigkeit seinen Sohn dahingab und der Sohn sich selbst opferte, nämlich als unendlicher Preis, um der göttlichen Gerechtigkeit Genugtuung zu leisten. Denn er erniedrigte sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz (Phil 2,8). Und dieser demütige Gehorsam des zweiten Adam war in den Augen der göttlichen Gerechtigkeit viel wohlgefälliger, als ihr im Gegenteil der stolze Ungehorsam des ersten Adam missfiel. Also hat Gott Vater in der Passion Christi nicht gesündigt, obwohl er sie von Ewigkeit her beschlossen hatte. Denn er trieb die Juden und Pilatus nicht dazu an, Christus umzubringen, sondern er ließ es zu, dass sie es taten und nutzte ihren bösen Willen in einer guten Weise, um seine unendliche Liebe zu zeigen, entsprechend dem Wort des Evangeliums: So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingab (Joh 3,16). Und Christus, der sich selbst anbot, um für die Erlösung der Welt zu sterben, sündigte nicht, sondern vollbrachte ein ganz hervorragendes Werk des Gehorsams gegenüber dem Vater und der Liebe gegenüber dem Menschengeschlecht. Denn es gibt niemanden, der nicht mit dem Apostel Paulus sprechen könnte: Christus hat mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben (Gal 2,20).

Aus all dem ist dieser Schluss zu ziehen: Unsere Sünden waren wirklich der Grund für die Passion des Sohnes Gottes. Wenn der Mensch nicht gesündigt hätte, hätte Gott es niemals zugelassen, dass seinem vollkommen unschuldigen Sohn ein Leid zugefügt würde oder dass er gar getötet würde, und der Sohn hätte sich nicht freiwillig dem grausamsten Tod preisgegeben. Auch hätte die List der Juden, die Habgier des Judas, die Macht des Pilatus oder die Grausamkeit der Diener nichts gegen den Sohn Gottes vermocht. Und sogar die Nägel, die Dornen und die Geißeln hätten ihre Macht gegen die Täter gerichtet, oder sie wären wohl zu Staub zerfallen, um nicht das unschuldige und allerheiligste Fleisch des Sohnes Gottes zu verletzen.

Und schließlich müssen wir, wenn wir die Passion Christi betrachten, vor allem unsere Sünden verabscheuen, mit Christus mitleiden, ihm so demütig wie nur möglich Dank sagen und den sehr festen Entschluss fassen, in Zukunft alle Sünden nach Kräften zu meiden, Christi Geduld und Demut sowie seinen Gehorsam und seine Liebe ganz eifrig nachzuahmen54 und endlich nicht nur unsere Habe und unsere Verwandten, sondern sogar das Leben selbst lieber zu verachten, als unseren liebreichsten Gott und Herrn zu beleidigen.

Artikel V : Hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten

In diesem Artikel lehren uns die Apostel, was die Seele Christi nach ihrer Trennung vom Leib getan hat. Dabei sagen sie im ganzen zweierlei, nämlich zum einen, dass die Seele in das Reich des Todes hinabgestiegen ist, und zum zweiten, dass eben diese Seele dann aus dem Reich des Todes wieder emporgestiegen ist und ihrem Leib auf das glücklichste wiedergegeben worden ist. Beginnen wir mit dem ersten Punkt.

HINABGESTIEGEN IN DAS REICH DES TODES. Diese Worte bedeuten, dass Christus, der mit seinem Leib im Grab ruhte, mit seiner Seele dagegen in das Reich des Todes hinabgestiegen ist. Dies war der Ort der Seelen, bevor Christus in den Himmel aufgefahren ist und den Gläubigen das Himmelreich geöffnet hat. Daher sagte nämlich der hl. Patriarch Jakob zu seinen Söhnen: Ihr werdet mein graues Haar unter Schmerzen in das Reich des Todes bringen (Gen 42,38). D. h. ihr werdet bewirken, dass meine Seele, wenn sie von meinem alten Leib unter Schmerzen scheidet, in die Unterwelt hinübergeht, wo die Seelen der Verstorbenen weilen.

In der Unterwelt gibt es aber nach der einmütigen Lehre der Theologen55 vier Orte, gewissermaßen also vier verschiedene Bereiche. Der tiefste und dunkelste Bereich ist die unterste Hölle, sie ist der Ort der Verworfenen und zu ewigen Qualen Verdammten. Es war nämlich angemessen, dass ebenso, wie der Ort der Seligen der höchste Bereich des Himmels ist, hoch erhaben und von Licht durchflutet, der Ort der Verdammten der tiefste und dunkelste Abgrund ist. Der ein wenig höher liegende Bereich heißt Purgatorium oder Fegefeuer, wo diejenigen Seelen festgehalten werden, die in der Liebe aus diesem Leben geschieden sind, jedoch im reinigenden Feuer entsühnt werden müssen, bevor sie ins Himmelreich gelangen können. Von ihnen sagt der Apostel Paulus: Sie werden gerettet werden,jedoch so wie durch Feuer (1 Kor 3,lS). Dann gibt es einen noch höher liegenden Bereich, worin die Seelen derjenigen Kinder festgehalten sind, die einzig mit der Erbsünde behaftet gestorben sind. Der höchste Bereich, gleichwohl noch ein unterirdischer und zur Unterwelt gehöriger, ist derjenige, zu dem die Seelen der Heiligen des Alten Bundes hinabgestiegen sind, und dort blieben sie, bis der Heiland sie von dort herausführte.56 Zu diesem Ort wurde die Seele jenes Bettlers Lazarus geführt, wo er auch den heiligen Abraham fand und in seinem Schoß ruhte, wie der Herr im Evangelium erzählt (Lk 16,19-31). Zu diesem Ort stieg also die Seele Christi hinab, sie erfüllte jene heiligen Seelen mit unaussprechlichem Trost, machte sie durch die Schau seiner Gottheit selig und machte so durch seine Gegenwart die Unterwelt zum Paradies. Dass dies geschehen werde, kündigte der Herr an, als er zu dem Räuber, der mit ihm am Kreuz hing, sagte: Heute wirst du mit mir im Paradies sein (Lk 23,43). Der Seele nach stieg der Herr also in die Unterwelt hinab. Freilich stieg er nicht als Gefangener hinab, sondern frei und als Herr, um auch von diesem Teil der Welt Besitz zu ergreifen, um die Dämonen und Verworfenen anzuklagen und in Schrecken zu versetzen, um die Seelen im Fegefeuer zu trösten, vor allem jedoch, um die Seelen der Heiligen von dort herauszuführen und mit sich in den Himmel zu nehmen. Das kündigte David an, als er in den Psalmen in der Person Christi sagte: Ich wurde frei unter den Toten (Ps 87,S 0, und über die Befreiung der heiligen Seelen: Du stiegst in die Höhe empor, du nahmst die Gefangenschaft gefangen (Ps 67,19), oder, wie es der Apostel Paulus liest: Christus stieg in die Höhe empor und nahm die Gefangenschaft gefangen (Eph 4,8).

AM DRITTEN TAGE AUFERSTANDEN VON DEN TOTEN. Der Aufenthalt Christi in der Unterwelt währte drei Tage, aber keine drei vollständigen Tage. Er blieb am Freitag bzw. am sechsten Tag der Woche von der neunten Stunde bis zur zwölften, am Samstag die vollen 24 Stunden und am Sonntag von der ersten Stunde der Nacht bis zum Anbruch der Morgendämmerung. Denn es gefiel dem Herrn, so wie er 33 Jahre auf Erden geweilt hatte, so auch mindestens 33 Stunden unter der Erde zu verweilen. Der hauptsächliche Grund für diesen Aufenthalt war, dass wir erkennen, dass er57 wirklich tot gewesen ist. Wenn er nämlich nach einer oder zwei Stunden auferstanden wäre, hätten die Menschen den Verdacht schöpfen können, dass er gar nicht wirklich tot gewesen sei, sondern dass seine Sinne nur betäubt und seine Körperbewegung nur zeitweise gelähmt gewesen waren.

Doch hier ist kurz ein Zweifel zu zerstreuen. Der Herr selbst sagt nämlich im Evangelium: Wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches gewesen ist, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein (Mt 12,40). Auf diesen Zweifel antwortet der hl. Augustinus in der Schrift "Über den Einklang der Evangelisten (De consensu Evangelistarum)"58 und sagt, in der Heiligen Schrift werde oft der Teil für das Ganze genommen, und er führt den hl. Matthäus an, der sagt: und nach sechs Tagen (Mt 17,1), sowie den hl. Lukas, der, als er von ebendieser Zeit spricht, sagt: und nach beinahe acht Tagen (Lk 9,28). Denn der eine Evangelist spricht von vollständigen Tagen, der andere aber von angebrochenen. So also lehrt der hl. Augustinus, der Zeitraum, in dem der Herr seiner Seele nach im Limbus und seinem Leib nach im Grab verweilte, sei drei Tage und drei Nächte gewesen, indem er den Teil für das Ganze nimmt. Denn der erste Tag ist der Freitag bzw. der sechste Tag, an dem der Herr die drei letzten Stunden im Limbus und im Grab weilte. Doch unter diesen drei Stunden werden zugleich alle vorangegangenen verstanden, d. h. die zwölf Stunden der vorherigen Nacht und die neun Stunden jenes Freitages. Denn bei den Juden beginnen die natürlichen Tage am Abend und enden am Abend nach dem Wort aus Genesis: Und es wurde Abend und Morgen, der erste Tag (Gen 1,S), wie auch nach dem aus Leviticus: Vom Abend bis zum Abend sollt ihr eure Sabbate feiern (Lev 23,32). Der zweite Tag ist der Samstag, der im wörtlichen Sinn vollständig war. Der dritte Tag ist der Sonntag, an dem der Herr vom Beginn der Nacht bis zur Morgendämmerung im Limbus und im Grab blieb. Doch durch jene Redefigur, bei der man das Ganze anstelle eines Teils nimmt, kann mit Recht von einem vollständigen natürlichen Tag gesprochen werden. Deshalb ist beides wahr, sowohl dass der Herr am dritten Tag auferstanden ist, wie es in Mt 20,19 heißt, als auch dass er drei Tage und drei Nächte dem Leib nach im Grab und der Seele nach in der Unterwelt geblieben ist, wie es Mt 12,40 sagt. Die erste Aussage trifft wörtlich zu, die zweite entsprechend einer rhetorischen Denkfigur.

Des weiteren ist die Auferstehung des Herrn ein äußerst ernstes und schwieriges Geheimnis; wenn man es einmal zugesteht und glaubt, dann macht es alle anderen Geheimnisse des Christentums leicht und glaubwürdig. Wie sollte es schwer sein zu glauben, Christus sei vom Heiligen Geist empfangen, von einer Jungfrau geboren, er habe Wunder gewirkt, er sei wirklich gestorben und begraben worden, wenn wir glauben, er sei aus eigener Kraft aus der Unterwelt zurückgekehrt und sei vom Tode auferstanden? Denn dass ein Lebender einen Toten mit der Hilfe Gottes auferweckte, war bei den Juden nichts Neues. 59 Dass aber ein Toter sich selbst auferweckte, das hatte man bis zur Auferstehung Christi noch nie gehört. Denn diese Auferstehung beweist unwiderlegbar, dass der, der aus eigener Kraft auferstanden ist, kein bloßer Mensch gewesen war, sondern wahrer Gott, der in seiner unendlichen Kraft seine Seele dem Leib zurückgeben und den Leib selbst so umgestalten konnte, dass er von da an weder sterben noch leiden konnte. Das aber ist der Grund, warum der Herr nach seiner Auferstehung noch vierzig Tage auf Erden weilen wollte, um nämlich durch verschiedene Erscheinungen und durch viele Beweise den Glauben an die tatsächliche Auferstehung zu festigen. Er bewies zunächst, dass es ein wirklicher Leib war, der auferstanden war, und kein Gespenst, indem er sagte: Berührt mich und seht, denn ein Geist hat kein Fleisch und keine Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe (Lk 24.39). Dass es derselbe Leib war wie vorher, bewies er anhand der Wundmale, die von den Nägeln herrührten, und er sagte: Seht meine Hände, dass ich selbst es bin (ebd.). Und zu Thomas, der gesagt hatte: Wenn ich nicht in seinen Händen die Male der Nägel sehe und meinen Finger nicht in die Stelle der Nägel lege und meine Hand in seine Seite lege, dann glaube ich nicht (Joh 20,25), sagte der Herr: Leg deinen Finger hierher und sieh meine Hände, strecke deine Hand aus und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig (Joh 20,27). Dass der Leib lebendig war, bewies er durch Gehen, Sprechen, Hören und Essen. Dass der Leib mit derselben Seele begabt war, wie er sie vorher gehabt hatte, bewies er durch das Zeugnis der Engel60, die nicht nur den Leib, sondern auch die Seele sehen und die mehr als einmal bezeugt haben, dass er der sei, der er vorher gewesen war, und diese Erscheinungen und Zeugnisse der Engel geben alle Evangelisten wieder. Dass er derselbe Christus war, d. h. Gott und Mensch, bewies er, indem er das Wunder wiederholte, das er beim wunderbaren Fischfang gewirkt hatte (vgl. Lk 5,1-11 und Joh 21,1-8).61 Und dass der Leib schließlich verherrlicht und unsterblich war, bewies er dadurch, dass er aus dem verschlossenen Grab heraustrat, in den Abendmahlssaal trotz verschlossener Türen eintrat; er bewies es außerdem durch sein Kommen und sein Weggehen, die sich nicht durch die übliche Bewegung des Gehens, sondern durch ein Verschwinden auszeichneten, d. h. er bewegte seinen Leib mit einer solchen Geschwindigkeit von einem Ort zum anderen, als ob er verschwunden sei. Eben diese Notwendigkeit und Schwierigkeit, die Auferstehung zu glauben, war die Ursache dafür, dass die Apostel sagten, sie seien gesandt worden, um die Auferstehung zu bezeugen. So sagt der heilige Petrus, als er Matthias anstelle von Judas zum Apostel machen wollte: Es ist nötig, dass einer von ihnen mit uns ein Zeuge seiner Auferstehung werde (Apg 1,21). Und im selben Buch der Bibel sagt der heilige Lukas: Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung unseres Herrn jesus Christus (Apg 4,33). Und der heilige Augustinus sagt zu Psalm l20,4: Der Glaube der Christen ist die Auferstehung Christi.62 Denn dass Christus gestorben ist, glauben auch die Heiden und die Juden, aber dass er auferstanden ist, glauben nur die Christen. Es liegt jedoch in diesem feierlichen Triduum ein großes, heiliges Geheimnis, d. h. im Tag des Leidens, im Tag des Begräbnisses und im Tag der Auferstehung. Wie nämlich unser Haupt, Christus, am sechsten Tag, dem Freitag, gelitten hat, am Sabbat geruht hat, am Tag des Herrn, dem Sonntag, aber auferstand und ins glorreiche, unsterbliche Leben hinüberging, so müssen alle seine Glieder am sechsten Tag, d. h. in der gegenwärtigen Zeit, leiden und Bedrängnisse ausstehen. Wenn dann der Tod kommt, wird der Geist sagen, dass sie ausruhen mögen von ihren Mühen (Offb 14,13), nämlich in ihren Gräbern. Das ist unser Sabbat. Schließlich wird am letzten Tag der Tod, unser Feind, vernichtet, und die Heiligen werden mit Gott nicht nur ihrer Seele, sondern auch ihrem Leib nach herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Das aber wird der Tag des Herrn sein, wahrhaftig der Tag, den der Herr gemacht hat, damit wir jubeln und uns freuen an ihm (Ps 117,24). Kluge Christen wundern sich darum nicht noch stöhnen sie, wenn sie in diesem Leben verschiedenes Unglück erleiden, denn sie bedenken, dass es jetzt die Zeit dafür ist, so wie sich auch die Bauern nicht beklagen, wenn es im Winter Schnee und Eis gibt, denn das ist für diese Zeit normal. Und wie dieselben Bauern es bedauern, wenn die Winter feucht und warm sind, weil das Anzeichen für eine Missernte sind, ebenso sind kluge und fromme Christen misstrauisch gegenüber dem zeitlichen Wohlergehen in diesem Leben und freuen sich nicht darüber, weil sie große Angst davor haben, dass ihnen in der künftigen Welt einmal gesagt wird: Du hast deinen Lohn bereits erhalten (Mt 6,2), oder das, was dem Prasser gesagt wurde: Erinnere dich, dass du in deinem Leben Gutes erhalten hast, Lazarus aber Schlechtes. Nun aber wird er getröstet, du aber gepeinigt (Lk 16,2S).63

Artikel VI : Aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters

AUFGEFAHREN. Dieses erste Wort des sechsten Artikels bedeutet, dass Christus nach seiner Auferstehung nicht auf Erden geblieben ist - nur kurze Zeit, um die Apostel zu unterweisen -, sondern in die Höhe aufgefahren ist. Es war nämlich nicht angemessen, dass der unsterbliche und verherrlichte Leib, der leuchtender als die Sonne selbst war, im Tränental und in dieser Dunkelheit weilte, wo alles schwankend, nichtig und der Vergänglichkeit unterworfen ist. Der hl. Lukas schreibt in der Apostelgeschichte, dass Christus in einem Zeitraum von 40 Tagen nach seiner Auferstehung den Jüngern recht häufig erschienen sei und sie über das Reich Gottes, die Ankunft des Heiligen Geistes und die Verkündigung des Evangeliums auf der ganzen Erde belehrt habe (vgl. Apg 1,4-9). Dann erst habe er begonnen, vom Ölberg, wo die Apostel und alle Jünger zugegen waren, vor ihrer aller Augen ein wenig emporzuschweben, und habe sie, wie wiederum Lukas im Evangelium hinzufügt, mit erhobenen Händen gesegnet (Lk 24,SO). In frommer Überzeugung glauben wir, dass dieser Segen in Form des Kreuzzeichens gegeben und seit dieser Zeit das Kreuzzeichen in der Kirche für Segnungen verwendet worden ist. Als aber der Herr dann so hoch emporgestiegen war, dass man ihn kaum mehr mit dem Auge erkennen konnte, da hat ihn eine leuchtende Wolke aufgenommen und ihn ihren Blicken verborgen.64 Der Herr stieg nun nicht mehr langsam empor, sondern fuhr in seiner Macht mit äußerster Geschwindigkeit auf und gelangte beinahe in einem einzigen Augenblick zur höchsten Höhe des Himmels. Zeugen dafür sind die beiden Engel, die in weißen Kleidern erschienen und zu den Jüngern sagten: Dieser jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt in den Himmel gehen sehen (Apg 1,11). Diese Worte wurden nämlich von den Engeln noch in dem Moment gesprochen, als die Jünger den Herrn in den Himmel gehen sahen, wie der heilige Lukas an derselben Stelle schreibt. Da nun aber zwis~hen diesem Himmelsgewölbe, das nahe bei der Erde liegt, und dem höchsten Himmel ein geradezu unendlicher Abstand besteht, muss also der Herr diesen Abstand bei seiner Auffahrt in nahezu einem einzigen Augenblick überwunden haben.

An dieser Stelle stellt sich aber die Frage65, warum der Herr nach Aussage des Glaubensbekenntnisses in den Himmel aufgestiegen ist, während es im Evangelium und in der Apostelgeschichte heißt, er sei aufgenommen worden (Mk 16,19 und Apg 1,2). Dabei muss man jedoch wissen, dass Christus nicht nur im Glaubensbekenntnis, sondern auch im Evangelium, in den Briefen der Apostel und in den Psalmen Davids die Auffahrt zugeschrieben wird. Im Evangelium lesen wir: Niemand ist in den Himmel aufgefahren außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist (Joh 3,13), und an anderer Stelle: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater (Joh 20,17). Beim Apostel Paulus lesen wir: Der herabgestiegen ist, ist derselbe, der über alle Himmel auffährt (Eph 4,9), womit der heilige Petrus übereinstimmt: Er ging in den Himmel, und unterwarf sich die Engel, Mächte und Gewalten (1 Petr 3,22). In den Psalmen schließlich lesen wir: Gott fuhr auf unter Jubel, und der Herr beim Schall der Trompete (Ps 46,6), und wiederum: Du stiegst in die Höhe empor, du nahmst die Gefangenschaft gefangen (Ps 67,19). Bei Christus ist die Auffahrt kein Widerspruch zur Aufnahme. Die Kraft, durch die Christus in den höchsten Himmel aufgefahren ist, ist nämlich in Christus selbst, und so sagt man völlig zu Recht, dass er aufgefahren ist. Dieselbe Macht kommt aber von der Gottheit, und diese Gottheit ist dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist gemeinsam. Aus diesem Grund ist es ebenfalls richtig zu sagen, dass Christus vom Vater aufgenommen bzw. in den Himmel erhöht worden ist. Auch kann man sagen, er sei vom Heiligen Geist aufgenommen und erhöht worden, und auch, dass der Sohn selbst seinen Leib in den Himmel aufgenommen und erhöht habe. Auch bei der Auferstehung gibt es etwas ähnliches. Denn Christus erstand aus eigener Kraft, weil seine Gottheit seinen toten Leib auferweckte und zum Leben zurückrief. Weil aber dieselbe Gottheit den göttlichen Personen gemeinsam ist, sagt man auch, dass der Vater Christus von den Toten auferweckt hat, und ebenso der Heilige Geist. Denn in dieser Weise drückt sich der Apostel Paulus aus: Wenn der Geist dessen, der jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, dann wird der, der jesus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen um seines Geistes willen, der in euch wohnt (Röm 8,11).

Des weiteren ist Christus nicht allein aufgefahren, sondern begleitet von vielen Legionen von Engeln sowie von all jenen heiligen Seelen der Patriarchen und Propheten und anderen Gerechten, die im Schoß Abrahams ruhten.66 Als ein Vorausbild dieses Geheimnisses sagt Jakob im Buch Genesis: Mit meinem Stab durchschritt ich den jordan, und siehe, nun kehre ich zurück mit zwei Scharen (Gen 32,10). Christus durchschritt nämlich tatsächlich mit seinem Kreuzstab den Jordan seiner vielfältigen Passion, und mit den zwei Scharen der Engel und der heiligen Seelen kehrte er aus dieser Welt zum Vater zurück. Zum Gedenken an diese wunderbare Himmelfahrt wollte Gott zwei immerwährende Beweise an dem Ort, von wo Christus aufgefahren ist, hinterlassen. Den einen, wo die Füße gestanden haben: Dieser Ort konnte nämlich niemals mit Steinen bedeckt werden, sondern dort blieb immer der Staub, auf dem der Herr gestanden hatte, und die Spuren, die er in den Staub eingedrückt hatte, und obwohl dieser Staub von den Pilgern mitgenommen wird, bleiben doch die Fußabdrücke immer erhalten, wie Sulpicius Severus im 2. Buch der "Heiligen Geschichte (Historia Sacra)" bezeugt.67 Der zweite Beweis besteht darin, dass, als über diesem Ort eine Kirche errichtet wurde, das Dach niemals geschlossen werden konnte, so dass der Ort, von wo aus der Herr zum Himmel aufgefahren ist, stets offen blieb. Zeuge dafür ist der heilige Hieronymus im Buch "Die hebräischen Orte in der Apostelgeschichte (De Locis Hebraicis in Acta [sic!] Apostolorum)". 68 Der Leser vergleiche zu diesen Wundern auch den heiligen Paulinus im Brief 2 an Severus und Beda "Die heiligen Orte (De Locis Sanctis)", Kap. 7.69

IN DEN HIMMEL. Nach dem Apostel Paulus gibt es drei Himmel, schreibt er doch im zweiten Brief an die Korinther (2 Kor 12,2), er sei in einer Ekstase bis in den dritten Himmel entrückt worden. Es gibt nämlich einen Luft-, einen Sternen- und einen Feuerhimmel, wo sich das Paradies, der Aufenthalt der Seligen, befindet. Derselbe Apostel fügt darum an der Stelle, da er davon spricht, er sei bis in den dritten Himmel entrückt worden, gewissermaßen zur Erklärung des Gesagten hinzu, er sei in das Paradies entrückt worden (2 Kor 12,4). Wenn es somit im Glaubensbekenntnis heißt, Christus sei "in den Himmel" aufgefahren, ist das so zu verstehen, dass er in alle drei Himmel aufgefahren und im höchsten Himmel geblieben ist. Das erklärt derselbe Apostel, wenn er an die Epheser schreibt, er sei über alle Himmel aufgefahren (Eph 4,10). In dieser Himmelfahrt hat sich das erfüllt, was der Herr wiederholt bekräftigt hat: Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.70 Denn er selbst, der sich bis zum Tod erniedrigt hat, ja bis zum Tod am Kreuz (Phil 2,8), und der bis zu den unteren Teilen der Erde hinabgestiegen ist (Eph 4,9), eben dieser ist über alle Engel erhöht worden und über alle Himmel aufgefahren. Großartig und nahezu unglaublich ist diese Himmelfahrt, durch die die Erde über den Himmel und der menschliche Leib über die Geister der Engel aufgefahren ist. Und an dieser Herrlichkeit ließ der Sohn Gottes uns teilhaben. Denn auch die selige Jungfrau Maria und wir alle werden, wenn wir Christi Demut nachgeahmt haben werden, über die Sterne erhöht und den Chören der Engeln eingegliedert werden. Wie kostbar und liebenswert aber jenes Haus bzw. jene himmlische Stadt ist, zu der Christus aufgefahren ist, kann man leicht an der Fülle und Schönheit der Sterne erkennen, die wir von hier aus sehen. Denn sie sind gewissermaßen der äußere Teil des Himmelsgrundes, und wenn schon die nach außen gewandte Seite dieses Grundes von so vielen überaus kostbaren Edelsteinen erstrahlt, wie wird dann erst das Innere des Hauses sein: die Höfe, die Gemächer, die Säle, die Dächer? Mit Recht sagt der Prophet in Ps 83,3: Meine Seele sehnt sich und strebt nach den Sälen des Herrn.

ER SITZT. Das Sitzen im Himmel bedeutet kein Sitzen im eigentlichen Sinn, so wie es bei uns geschieht. Denn auf Erden sitzen wir, um uns auszuruhen, so wie wir liegen, um zu schlafen. Die verherrlichten Leiber aber werden keine Mühsal haben und nicht schlafen; darum werden sie weder sitzen noch liegen, sondern stehen, was die natürliche Haltung des menschlichen Leibes ist. Es heißt trotzdem von Christus, er sitze, und von allen Heiligen, sie säßen Christus zur Seite, und zwar aus einem zweifachen Grund. Erstens weil das Sitzen Ruhe bedeutet, und im Himmel wird eine ewige Ruhe herrschen, denn es heißt: Ihnen habe ich in meinem Zorn geschworen, sie werden nicht in meine Ruhe eingehen (Ps 94,11); und: Selig sind die Toten, die im Herrn sterben! Von nun an bereits, spricht der Geist, sollen sie ausruhen von ihren Mühen (Offb 14,13). Was für ein Gut das ist, kann derjenige leicht erkennen, der bedenkt, wie bitter die Unruhe ist, die wir in diesem Leben haben wegen Schmerz, Furcht, Neid, Hass, Zorn, verschiedener Befürchtungen und vor allem wegen der sicheren Erwartung des Todes, die alles Angenehme dieses Lebens in Bitterkeit verwandelt. Sodann bedeutet das Sitzen die richterliche Vollmacht, denn es heißt: Ihr werdet auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten (Mt 19,28). Dass der Herr im Himmel sitzt, sagt man also in dem Sinne, dass er von jeder Mühsal ausruht und dass er zum Richter über die Lebenden und die Toten eingesetzt ist (Apg 10,42).

ZUR RECHTEN DES VATERS. Diese letzte Wendung drückt die Gleichrangigkeit des Sohnes mit dem Vater aus. Denn im Himmel sitzt Christus nicht über oder unter dem Vater, sondern an der Seite des Vaters und ist so dem Vater gleich. Obwohl nämlich der Sohn Gottes der Menschennatur nach geringer als der Vater ist, wie er selbst bezeugt hat, als er sagte: Der Vater ist größer als ich (Joh 14,28), so ist er doch der Gottheit nach dem Vater gleich, wie der Apostel sagt: Er hat es nicht für einen Raub gehalten, Gott gleich zu sein (Phil 2,6). Dieser Ausdruck "zur Rechten" ist demnach nicht im räumlichen Sinn des Ortes zu verstehen, so als säße der Sohn zur Rechten und der Vater zur Linken oder der Vater in der Mitte, der Sohn zur Rechten und der Heilige Geist zur Linken. Denn Vater, Sohn und Heiliger Geist haben ein einziges gemeinsames Wesen, das, da es unermesslich und unendlich ist, alles erfüllt, an jedem Ort ganz gegenwärtig ist und weder eine rechte noch eine linke Seite hat. Zur Rechten des Vaters zu sitzen ist Christus weiterhin zu eigen, weil er Gott ist, und es steht keinem Geschöpf zu, weder einem Menschen noch einem Engel.71 Zu welchem der Engel hat er nämlich jemals gesagt: Setze dich zu meiner Rechten?, sagt der Apostel im Hebräerbrief (Hebr 1,13).

Wenn du aber fragst, ob Christus als Mensch zur Rechten des Vaters sitzt, wird man antworten müssen, dass Christus als Mensch und Christus als Gott nicht zwei Christus bzw. zwei Personen ist, sondern ein Christus bzw. eine Person. Und aus diesem Grund sitzt Christus als Mensch zur Rechten des Vaters nicht aufgrund seiner Menschheit, sondern aufgrund seiner Gottheit, die in der einen Person miteinander verbunden sind und nicht voneinander getrennt werden können. Als dagegen derselbe Christus am Kreuz hing, hing Christus als Gott am Kreuz nicht aufgrund der Gottheit, sondern aufgrund der Menschheit. Denn Christus als Gott und Christus als Mensch sind keine zwei Christus bzw. zwei Personen, sondern ein einziger Christus bzw. eine einzige Person, die zwei Naturen besitzt, eine göttliche und eine menschliche. Das sind komplizierte und erhabene Gegenstände.72 Deshalb muss der Hirte große Sorgfalt aufwenden, dabei nicht in Irrtümer zu verfallen und das Volk, so sehr es irgend möglich ist, klar zu unterweisen. Gerne gebraucht man dabei den Vergleich mit einem König, der auf dem Thron sitzt und in Purpur gekleidet ist. Obgleich nämlich dieses purpurne Gewand, würde man es von der Person des Königs trennen, eines so erhabenen Platzes nicht würdig ist und keinen Vorzug verdient vor den Personen der Fürsten, die unterhalb des Königs sitzen, ist es doch dem Leib des Königs vereint, und insofern erhält es zu Recht den hervorragendsten Platz, nicht um seiner selbst willen, sondern um der Person des Königs willen, mit der es verbunden ist.

Artikel VII : Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten

Dies ist der letzte der Artikel, die sich auf die Person des Sohnes Gottes beziehen. Er enthält kurz gesagt das zweite Kommen Christi in die Welt. Seine erste Ankunft geschah nämlich, um das Menschengeschlecht zu erlösen, und sie war das Werk einer unendlichen Barmherzigkeit. Die zweite wird geschehen, um das Menschengeschlecht zu richten, und sie wird das Werk der strengsten Gerechtigkeit sein.

Bevor wir jedoch die einzelnen Worte erklären, wird es von Nutzen sein, sich darüber Rechenschaft zu geben, warum es dieses allgemeine Gericht geben wird, wo doch ein jeder unmittelbar beim Tode von Christus seinen Urteilsspruch erhält und kraft dieses Urteils sofort entweder in den Himmel zum Reich der Seligen aufsteigt, in die Hölle geworfen wird, um ewig gestraft zu werden, oder für eine Zeit an den Reinigungsort verbannt wird. Gründe gibt es viele, warum - außer dem individuellen besonderen Gericht über die einzelnen Menschen - bei der Vollendung der Welt noch ein allgemeines Gericht gehalten werden wird.73

Der erste Grund liegt bei Gott. Denn jetzt fehlt es nicht an Menschen, die sehen, dass die Gerechten Ungerechterweise viel Übel erleiden und die Frevler mit vielen zeitlichen Gütern überhäuft sind, und die darum den Verdacht haben, dass Gott dies entweder nicht sieht oder sich nicht darum kümmert oder, was noch schlimmer ist, dass er die Welt nicht recht regiere. Damit also das ganze Menschengeschlecht erkennt, dass die Welt auf das weiseste von Gott verwaltet worden ist, und damit alle Menschen, ob sie wollen oder nicht, ausrufen: Gerecht bist du, Herr, und gerecht ist dein Urteil (Tob 3,2), wollte Gott, dass am Jüngsten Tag alle guten Werke der Gerechten und alle bösen Werke der Frevler vor allen Engeln und Menschen restlos offen gelegt werden und dass öffentlich für die Verdienste und für die bösen Taten Lohn und Strafe festgelegt und zugeteilt werden.

Der zweite Grund liegt bei Christus. Denn da die Gottlosen es gewagt haben, Christus, den Herrn, zu richten, ist es gerecht, dass er selbst alle Gottlosen entsprechend jenem Satz im Buch Ijob öffentlich richtet: Deine Rechtssache wurde wie die eines Gottlosen gerichtet, nun wirst du selbst die Rechtssache und das Gericht erhalten CIjob 36,17). Darum wird die Schande der zu Unrecht erlittenen Passion des Sohnes Gottes in gerechter Weise durch den Ruhm des Richters vor den Augen der ganzen Welt ausgeglichen. Dann nämlich wird jenes Wort des Apostels erfüllt werden: Im Namen jESU wird jedes Knie der Himmlischen, der Irdischen und der Unterirdischen sich beugen, und jede Zunge soll bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, zum Ruhm Gottes des Vaters (PhiI 2,10-11).

Der dritte Grund liegt darin, dass die Vergeltung für die Gerechten vollständig sein soll. Denn der Lohn für die Tugend ist die Ehre. Weil nun aber viele ganz gerechte Menschen wie Verbrecher und Gottlose öffentlich hingerichtet worden sind, ist es gerecht, dass ihre Gerechtigkeit bei einer öffentlichen Versammlung der ganzen Welt offenbar gemacht wird.

Der vierte Grund zielt auf die Beschämung der Frevler. Denn in den Reihen der Frevler fehlt es nicht an solchen, die im Ruf der Heiligkeit sterben, und darum ist es nötig, dass wenigstens am Jüngsten Tag ihre Heuchelei vor aller Augen entlarvt wird.

Der fünfte Grund ist der, dass Seelen und Leiber zugleich gerichtet werden sollen. Im Gericht werden nämlich nur die Seelen gerichtet und empfangen Lohn oder Strafe. Im allgemeinen Gericht dagegen werden die Menschen vollständig erscheinen, und wie sich die Seelen gemeinsam mit ihren Leibern im gegenwärtigen Leben gut oder schlecht verhalten haben, so werden im zukünftigen Leben die Seelen gemeinsam mit ihren Leibern Lohn oder Strafe empfangen.

Schließlich kommt noch der Grund hinzu, dass die Verdienste und die bösen Taten mancher Menschen nicht mit ihrem Tod aufhören, sondern bis zur Vollendung der Welt wachsen. Denn es gibt viele Fromme, die ihren Nächsten auch nach ihrem Tod noch auf lange Zeit durch von ihnen verfasste nützliche Bücher helfen oder dadurch, dass sie Krankenhäuser oder andere fromme Stätten errichtet haben. Es fehlt aber auch nicht an verruchten Menschen, die ihren Nächsten noch lange Zeit nach ihrem Hinscheiden durch häretische, schlüpfrige oder aus anderem Grund schädliche Bücher, durch Bauten für Gladiatorenspiele oder für obszöne Lustspiele oder auf andere Art und Weise Schaden zufügen. Da also am Ende der Welt alle Entwicklungen abgebrochen und die Verdienste ebenso wie die schlechten Taten aller Menschen ein Ende nehmen werden, ist es angemessen, dass dann das letzte Urteil des höchsten, mächtigsten und gerechtesten Richters gesprochen wird. Nach diesen Vorbemerkungen wollen wir nun zur Erklärung der einzelnen Worte übergehen.

VON DORT. Dieser erste Begriff bedeutet, dass Christus zum Gericht nicht aus irgendeinem verlassenen oder unbekannten Ort, sondern vom höchsten Himmel und in größter Herrlichkeit kommen wird, so dass niemand daran zweifeln kann, dass er der wahre Sohn Gottes und Herr aller ist, so wie es niemanden gibt, der zweifelt, ob es wirklich die Sonne ist, wenn sie nach dem Dunkel der Nacht aufgeht. Ausgehend von diesem Wort kann man alle Menschen ermahnen, dem Antichrist oder anderen Verführern, die sagen, sie seien Christus, keinen Glauben zu schenken. Der Herr sagt nämlich: Wenn jemand zu euch sagt: Siehe, hier ist Christus oder dort, glaubt es nicht. Denn es wird mancher falsche Messias und mancher falsche Prophet auftreten und große Zeichen und Wunder wirken, so dass, wenn dies möglich ist, auch die Erwählten irregeführt werden. Siehe, ich habe es euch vorhergesagt. Wenn sie also zu euch sagen werden: Seht, er ist in der Wüste, so geht nicht hinaus. Seht, er ist im innersten Heiligtum, so glaubt es nicht. Denn wie der Blitz vom Osten ausgeht und bis zum Westen sichtbar ist, so wird auch die Ankunft des Menschensohnes sein (Mt 24,23-27).

WIRD ER KOMMEN. Dieser zweite Begriff besagt, dass Christus in diese untere Region kommen wird, aus der er einst zum Himmel aufgefahren ist. Er wird jedoch in Herrlichkeit und Ehre kommen, und er wird nicht bis zur Erde herabsteigen, sondern bis zur Luft, die der Erde nahe ist, von wo aus er von allen gesehen werden kann. Denn so sagt er es selbst: Ihr werdet den Menschensohn in den Wolken des Himmels kommen sehen (Mt 26,24), und der Apostel fügt hinzu: Wir werden in den Wolken entrückt, Christus in der Luft entgegen (1 Thess 4,17). Der Ort, wo genau Christus herabkommen wird, wird sich aber über Jerusalem und den umliegenden Gegenden befinden, wo der Ölberg und das Tal Josaphat sich befinden. Denn so hat es der Prophet Joel vorhergesagt:

Ich werde alle Völker versammeln, sie in das Tal Josaphat hinabführen und dort über sie Richter sein (JoeI4,2). Dort nämlich werden Gerechtigkeit und Barmherzigkeit einander begegnen.74 Denn an dieser Stelle befindet sich der Kalvarienberg, wo Christus durch seinen Tod die Welt erlöst hat, und dort wird das Gericht abgehalten werden, damit diejenigen die Gerechtigkeit des gerechten Richters erfahren, die die Barmherzigkeit des Erlösers von sich gestoßen haben. Christus wird in menschlicher Gestalt kommen, denn wenn auch die höchste richterliche Gewalt der Gottheit zukommt, wird doch die Ausübung des Gerichtes Christus als Mensch zugeschrieben. Denn so sagen es die Apostel Petrus und Paulus, und zwar Petrus in der Apostelgeschichte: Er ist es, der zum Richter der Lebenden und der Toten eingesetzt worden ist (Apg 10,42), und Paulus in demselben Buch: Gott hat den Tagfestgesetzt, an dem er die Erde in Gerechtigkeit durch den Mann richten wird, den er dafür bestimmt hat, da er ihn vor allen dadurch beglaubigt hat, dass er ihn von den Toten auferweckt hat (Apg 17,31). Und der Herr sagt selbst von sich: Er hat ihm die Macht gegeben, Gericht zu halten, weil er der Menschensohn ist (Joh 5,27).

ZU RICHTEN. Dieser dritte Begriff drückt das Ziel aus, um dessentwillen der Herr kommen wird. Das Ziel wird nämlich darin bestehen, alle Völker zu richten und von allen und jedem einzelnen Rechenschaft zu fordern, für all ihre Werke, Worte und selbst die verborgensten Gedanken ebenso wie für die unterlassenen Werke, Worte und Gedanken, zu denen sie entsprechend den göttlichen und menschlichen Gesetzen verpflichtet waren. Obwohl aber so viel zu untersuchen sein wird, wird die Untersuchung doch äußerst kurz sein, weil Gott auf unaussprechliche Art und Weise alles ans Licht bringen wird, so dass keiner etwas ableugnen kann. So nämlich sagt es der Apostel Paulus:

Dann werden die verborgenen Dinge der Finsternisse offenbar gemacht, und die Absichten der Herzen werden kund gemacht (1 Kor 4,5). Das aber sind die Bücher, von denen Daniel spricht, wenn er sagt: Das Gericht nahm Platz und die Bücher wurden geöffnet (Dan 7,10); noch deutlicher sagt es der heilige Johannes: Ich sah die Toten, die Großen und die Kleinen, im Angesicht des Thrones stehen. Bücher wurden geöffnet, und ein weiteres Buch wurde geöffnet, das Buch des Lebens. Und die Toten wurden nach dem gerichtet, was in den Büchern geschrieben stand, entsprechend ihren Werken (Offb 20,l2). Es heißt an dieser Stelle, die Toten stünden vor dem Thron und würden gerichtet, denn die Menschen werden nur für das gerichtet, was sie bis zum Tod getan haben. Weiter heißt es, sie würden nach den Büchern entsprechend ihren Taten gerichtet, weil ihre guten ebenso wie ihre bösen Taten, die in ihrem Gewissen aufgeschrieben sind, gelesen werden, und dabei wird keine Gefahr bestehen, dass irgendetwas verborgen bleibt, weil es vergessen worden ist. Denn Gott wird bewirken, dass alles offenbar gemacht und ans Licht gebracht wird.

Das Gewissen jedes einzelnen wird deshalb der ganzen Welt offen stehen, und es wird die Schuldigen leichter überführen und verurteilen als tausend Zeugen. Nach dieser Untersuchung folgt der Urteilsspruch, gegen den man nirgendwo mehr Berufung einlegen können wird: ewige Seligkeit für die Gerechten und ewige Qualen für die Ungerechten, wie es der Herr selbst beschreibt (Mt 25,31-46).

DIE LEBENDEN UND DIE TOTEN. Dies ist der letzte Teil des Artikels, worin wir belehrt werden, dass niemand von diesem Urteil ausgenommen werden soll. "Lebende und Tote" bedeutet aber nach Meinung des hl. Johannes Chrysostomus "Gute und Böse".75 Die Guten sind nämlich wirklich lebendig, weil sie die Liebe haben, die das Leben der Seelen ist, sagt doch der hl. Johannes: Wir wissen, dass wir aus dem Tod ins Leben versetzt worden sind, weil wir die Brüder lieben; wer aber nicht liebt, bleibt im Tod (1 Joh 3,14). Doch die Liebe ist nicht nur das Leben der Seelen, sondern auch das Leben der Tugenden, sagt doch der hl. Jakobus: Der Glaube ohne Werke ist tot (Jak 2,26); und der Apostel Paulus: Der Glaube wirkt durch die Liebe (Gal 5,6).

"Lebende und Tote" bedeutet aber auch alle Menschen, die am Jüngsten Tag tot sein werden, und alle, die dann noch unter den Lebenden sein werden, wie wiederum Chrysostomus und sehr viele andere Ausleger es lehren.76 Obwohl nämlich alle Menschen sterben müssen gemäß dem Wort des Apostels Paulus: Es ist den Menschen bestimmt, ein einziges Mal zu sterben, danach aber kommt das Gericht (Hebr 9,27), werden doch diejenigen, die am letzten Tag lebend angetroffen werden, so schnell sterben und auferstehen, dass es scheinen könnte, sie seien gar nicht erst gestorben. Denn sie werden weder begraben werden noch werden sie bei den Toten liegen, sondern in einem einzigen Augenblick werden sie sterben und zum unsterblichen Leben auferstehen. Daher sagt auch der Apostel Paulus aus der Sicht derjenigen, die am letzten Tag lebend angetroffen werden: Wir, die wir leben, die wir übrig geblieben sind, werden zugleich mit jenen entrückt, Christus in der Luft entgegen, und so werden wir immer beim Herrn sein (1 Thess 4,17). Diejenigen der Erwählten, die dann noch am Leben sein werden, werden daher in dieser Entrückung selbst sterben und zum unsterblichen und glückseligsten Leben auferstehen. Dagegen werden diejenigen von den Verworfenen, die noch am Leben sein werden, ebenfalls ganz schnell sterben und zum unsterblichen, jedoch allerelendesten Leben auferstehen. Sie werden nämlich immer leben, um immer Qualen zu erleiden, und sie werden den Tod suchen, aber nicht finden.77

Dieser Jüngste Tag heißt in der Heiligen Schrift "der Tag des Herrn" und "der große und schreckliche Tag". Denn so ruft der Prophet Joel: Groß ist der Tag des Herrn und über die Maßen schrecklich. Wer wird ihn ertragen? (Joel 2,11). Und Zefanja sagt: Nahe ist der große Tag des Herrn (Zef 1,7); und Maleachi: Seht, ich werde euch den Propheten Elia senden, bevor der große und schreckliche Tag des Herrn kommt (Mal 3,23 [Vulg. 4,5]).78 Auch die Apostel schließen sich den Propheten an, damit eine so bedeutende Sache, ohne im geringsten daran zu zweifeln, geglaubt wird. Der hl. Paulus sagt nämlich: Der Tag des Herrn wird es ans Licht bringen, weil er im Feuer offenbar werden wird (1 Kor 3,13); und: Der Tag des Herrn wird so kommen wie ein Dieb in der Nacht (1 Thess 5,2); und der Apostel Petrus: Der Tag des Herrn wird aber wie ein Dieb kommen; an ihm werden die Himmel mit einem großen Schlag vergehen, die Elemente werden sich in der Hitze auflösen, die Erde aber und die Werke, die auf ihr sind, werden verbrennen (2 Petr 3,10). Und der Apostel Johannes sagt: zum großen Tag des allmächtigen Gottes (Offb 16,14). Der Tag des Gerichtes wird aber "Tag des Herrn" genannt, weil die anderen Tage unsere Tage sind, an denen wir mit Erlaubnis Gottes tun, was wir wollen, wie ja geschrieben steht: Wenn du doch an diesem deinem Tag (erkannt hättest), was dir Frieden bringt (Lk 19,42). Je nachdem, wie wir es wollen, handeln wir gut oder schlecht. Und Gott schweigt oft dazu, als ob er es nicht sähe. Am Jüngsten Tag hingegen, der recht eigentlich der Tag des Herrn sein wird, wird er selbst tun, was er will, und die Menschen werden gegen ihren Willen gezwungen, das zu erleiden, was sie nicht wollen. Er heißt aber "der große Tag", weil an ihm die wichtigsten aller Angelegenheiten zum Abschluss gebracht werden und weil an ihm der ewige Tag und die ewige Nacht beginnen werden: der ewige Tag für die Gerechten, die ewige Nacht aber für die Gottlosen.

Schließlich wird dieser Tag den frevlerischen Menschen vor allen anderen Tagen als ein entsetzlicher Tag anbrechen. Denn wenn, wie die Wahrheit bezeugt, die Menschen vergehen werden vor Angst und Erwartung dessen, was über die ganze Erde kommen wird (Lk 21,26), wenn die Zeichen für das nahe Gericht an der Sonne, dem Mond und den Sternen zu erscheinen beginnen, wie wird es erst sein, wenn das Gericht selbst vollzogen wird? Welche Trauer, welcher Schrecken, welche Ängste werden die Herzen der Verworfenen dann erfüllen, wenn sie aus den Gräbern kommen, die Erde wüst und ohne jedes Grün erblicken, aber auch sich selbst nackt und wehrlos und bar jeder Hilfe vor den höchsten Richter gebracht sehen, der von einem Heer aus zahllosen Engeln wie von einer Mauer umgeben sein wird? Wenn sie gleichzeitig hören werden, wie alle ihre Sünden, auch die verborgensten, öffentlich bekanntgegeben werden? Wenn schließlich vor ihren Ohren jener unwiderrufliche Urteilsspruch erschallen wird: Fort, ihr Verfluchten, ins ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist (Mt 25,41)? Es ist wohl kaum möglich, dass derjenige, der das fest glaubt und aufmerksam in der Betrachtung bedenkt, nicht sein Leben und Verhalten sobald wie möglich bessern wird.79

Artikel VIII : Ich glaube an den Heiligen Geist

In den bis hierher behandelten Artikeln haben uns die Apostel die notwendige Lehre über die Person von Gott Vater und von seinem eingeborenen Sohn mitgeteilt. In diesem Artikel nun übergeben sie uns mit ganz wenigen Worten die Lehre von der dritten Person der allerheiligsten Dreifaltigkeit, die Heiliger Geist genannt wird. Was hinsichtlich dieser Person zu erklären ist, kann man in Anbetracht der beabsichtigten Kürze auf vier Stücke zurückführen. Das erste Stück wird sein, dass der Heilige Geist eine göttliche Person ist, die von der Person des Vaters und der des Sohnes verschieden ist. Das zweite, dass er mit dem Vater und dem Sohn ein Gott ist. Das dritte, warum er "Heiliger Geist" heißt. Das vierte, warum er in der Gestalt einer Taube und in Gestalt von Feuerzungen erschienen ist.

Kommen wir zum ersten Punkt. Der Heilige Geist ist nach den heiligen Schriften nicht eine Person mit dem Vater und dem Sohn, denn er ist nicht der Vater und nicht der Sohn. Er ist nicht der Zeugende und nicht der Gezeugte, sondern er geht aus dem Vater und dem Sohn hervor. So nämlich lesen wir im Evangelium nach Matthäus: Geht und lehrt alle Völker und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes (Mt 28,19). Und im ersten Brief des heiligen Johannes: Drei sind es, die im Himmel Zeugnis ablegen: der Vater, das Wort und der Heilige Geist (1 Joh 5,7). Dasselbe kann auch deutlich genug mit dem Johannesevangelium belegt werden. Wer nämlich aus einem anderen hervorgeht, kann nicht eine und dieselbe Person mit dem sein, aus dem er hervorgeht. Denn niemand kann aus sich selbst hervorgehen. Dass nun aber der Heilige Geist aus Gott, dem Vater, hervorgeht, bezeugt Christus selbst, da er sagt: Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der aus dem Vater hervorgeht (Joh 15, 26). Dass er jedoch nicht mit dem Sohn identisch ist, wird wiederum aus den Worten Christi deutlich: Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der ewig bei euch bleiben wird, den Geist der Wahrheit (Joh 14,16). Wenn der Heilige Geist ein vom Sohn verschiedener Beistand ist, dann sind der Sohn und der Heilige Geist mit Sicherheit nicht dieselbe Person. Kurz gesagt geht der Sohn allein aus dem Vater hervor wie das Wort, das aus einem fruchtbaren Geist hervorfließt, der Heilige Geist hingegen aus dem Vater und dem Sohn wie das Band und die Süße der Liebe beider.

Was den zweiten Punkt angeht, ist der Heilige Geist ohne jeden Zweifel Gott, sagt doch der Apostel Petrus zu Ananias: Warum hat der Satan dein Herz versucht, dass du den Heiligen Geist anlügst? Du hast nicht Menschen belogen, sondern Gott (Apg 5,3). Zudem ist nur Gott überall, und vom Heiligen Geist heißt es: Wohin werde ich vor deinem Geist weggehen? (Ps 138,7). Und: Der Geist des Herrn hat den Erdkreis erfüllt (Weish 1,7). Gott allein weiß alles, und über den Heiligen Geist sagt der Apostel Paulus: Der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes (1 Kor 2,10). Gott allein hat einen Tempel, und über den Heiligen Geist schreibt der Apostel Paulus: Wisst ihr nicht, dass eure Glieder der Tempel des Heiligen Geistes sind, derin euch ist? (1 Kor 6,19) Und wenn der Heilige Geist nicht Gott wäre und ein Gott zusammen mit dem Vater und dem Sohn, hätte ihn der Herr niemals mit dem Vater und dem Sohn verbunden und gesagt: Tauft alle Völker im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes (Mt 28,19). Daraus ersehen wir nämlich, dass der Urheber der Gnade und der Rechtfertigung der Heilige Geist zusammen mit dem Vater und dem Sohn ist, die drei göttliche Personen und ein Gott sind bzw. drei Personen, die ein und dieselbe Wesenheit und Gottheit haben. Schließlich haben die Apostel in diesem Glaubensbekenntnis so, wie sie sagten: "lch glaube an Gott, den Vater" und "Ich glaube an Jesus Christus", auch gesagt: "lch glaube an den Heiligen Geist", um so die Gleichheit der drei göttliche Personen zu zeigen. Denn in den anderen Artikeln haben sie nicht gesagt: "Ich glaube an die Kirche, oder an die Gemeinschaft der Heiligen, oder an die Vergebung der Sünden", sondern jeweils ohne das Wort "an": "Ich glaube die heilige katholische Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, die Vergebung der Sünden, die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben."

Was den dritten Punkt angeht, so wird ganz zu Recht gefragt, warum die dritte Person der allerheiligsten Dreifaltigkeit "Heiliger Geist" heißt. Denn offensichtlich ist dieser Name nicht nur Gott Vater und Gott Sohn gemeinsam, denn jeder von beiden ist ja heilig und Geist, sondern auch allen Engeln und allen Seelen der Heiligen. Sie alle sind nämlich Geister und heilig. Darauf ist zu antworten, dass der Name "Heiliger Geist" in hervorragender Weise Gott allein zugesprochen wird, der der erhabenste Geist ist und so heilig, dass die Kirche im Engelsgesang, dem Gloria, spricht: Du allein bist der Heilige, und bei Jesaja rufen die zwei Seraphim aus: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott Sabaoth (Jes 6,3). Was aber die drei göttlichen Personen angeht, so wird der Name "Heiliger Geist" der dritten Person als Eigenname zugesprochen, haben doch die erste und die zweite Person andere Eigennamen, nämlich den des Vaters und den des Sohnes. Die dritte Person dagegen hat keinen Eigennamen, und darum ist für sie der gemeinsame Name geblieben. Dass jedoch die dritte Person keinen Eigennamen hat, liegt nicht in einer Unvollkommenheit der dritten Person selbst begründet, sondern in der menschlichen Unwissenheit. Denn wir können vom Göttlichen nur mittels unserer Begriffe sprechen, die eine gewisse Beziehung oder Ähnlichkeit mit dem Göttlichen haben. Weil nun bei uns derjenige, der zeugt, Vater heißt und derjenige, der gezeugt wird, Sohn, und es in Gott eine Zeugung gibt - allerdings keine leibliche, sondern eine geistige, eine ganz reine und ganz erhabene -, darum heißt die erste Person, die die zweite zeugt, Vater, und die zweite, die gezeugt wird, Sohn. Die dritte hingegen, die aus der ersten und der zweiten nicht durch Zeugung, sondern durch eine andere Hervorbringung, die uns unbekannt ist, hervorgeht, hat aus diesem Grund keinen Eigennamen, sondern für sie bleibt der gemeinsame Name, nämlich Heiliger Geist.

Der Heilige Geist hat sich nun, obwohl an sich unsichtbar, einst auf zwei Arten sichtbar gemacht, nämlich in der Gestalt einer Taube und in der Gestalt von Feuerzungen. Von der ersten Erscheinung sagt der heilige Matthäus folgendes: Siehe, die Himmel öffneten sich ihm, und er sah seinen Geist herabkommen wie eine Taube und über sich kommen (Mt 3,16). Dasselbe bezeugen auch alle anderen Evangelisten (Mk 1,10; Lk 3,22; Joh 1,32). Von der zweiten Erscheinung schreibt der heilige Lukas in der Apostelgeschichte: Und es erschienen ihnen verteilte Zungen wie von Feuer, ließen sich auf jedem einzelnen von ihnen nieder, und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt (Apg 2,3). Jedoch weder die Taube noch die Feuerzungen waren der Heilige Geist. Diese nämlich waren leiblich und sichtbar, jener Geist dagegen ist unsichtbar. Auch darf man nicht meinen, die Taube oder die Zungen seien vom Heiligen Geist mit seiner Person vereint worden, so wie vom Sohn Gottes die menschliche Natur angenommen worden ist. Jene sichtbaren Erscheinungen, nämlich Werke von Engeln, sind mit einem Mal entstanden und auch bald darauf wieder verschwunden. Die Menschheit Christi aber, die mit dem Wort vereint ist, bleibt und wird in Ewigkeit bleiben.

Zu welchem Zweck ist der Heilige Geist dann aber über Christus bei seiner Taufe in der Gestalt einer Taube erschienen? Zweifellos um damit zu zeigen, dass Christus vollkommen unschuldig, rein und fruchtbar an guten Werken ist, einer Taube gleich, und dass er Flügel hat, mit denen er bis zum höchsten Himmel fliegen kann. Ebenfalls um damit zu zeigen, dass diejenigen, die durch die Taufe in Christus wiedergeboren werden, Unschuld und Fruchtbarkeit erlangen und Flügel wie die einer Taube erhalten80, damit auch sie von der untersten Erde bis zum höchsten Himmel aufsteigen können. Die Feuerzungen aber bedeuten die Beredsamkeit, die Weisheit und Liebe, die Gott den Aposteln durch die Ausgießung des Heiligen Geistes mit einem Mal geschenkt hat. Dabei bezeichnet nämlich die Gestalt der Zunge die Beredsamkeit, der Glanz des Feuers die Weisheit und die Hitze des Feuers die Liebe.81 Soweit über den Heiligen Geist.

Artikel IX : Die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen

Bis hierher haben die Apostel alle die Geheimnisse gelehrt, die sich direkt auf Gott beziehen. In den übrigen Artikeln lehren sie das, was sich auf die Kirche bezieht, die die Braut Gottes ist. Wie nun Gott einer im Wesen und dreifaltig in den Personen ist, so ist die Kirche eine, aber sie besitzt gewissermaßen drei Brautgaben: die Vergebung der Sünden, die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben. Von ihnen bezieht sich die erste auf die Seele, die zweite auf den Leib und die dritte zugleich auf die Seele und den Leib. Obwohl nämlich die Auferstehung des Fleisches einmal alle Menschen betreffen wird, kommt doch die Auferstehung zum wahren Leben nur den Kindern der Kirche ZU.82 Für die anderen nämlich wird es eine Auferstehung zum Gericht und zum ewigen Tod sein. Darum beziehen sich die vier folgenden Artikel auf die Kirche und ihre Brautgaben. Erläutern wir nun den neunten Artikel, der von der Kirche handelt.

Zuerst lehrt dieser Artikel die Gläubigen zu glauben, dass die Kirche eine ist. Wir sagen nämlich nicht: "Ich glaube die heiligen Kirchen", sondern "die heilige Kirche". Dies erklärt das Konzil von Konstantinopel83 mit deutlichen Worten, wenn es sagt: "Und die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche". Weiterhin lehrt dieser Artikel, dass diese eine Kirche immer heilig ist, und zum dritten, dass sie katholisch, das heißt weltumspannend ist, und zum vierten, dass es in ihr die Gemeinschaft der Heiligen gibt und sie dadurch apostolisch ist, wie eben dieses Konzil von Konstantinopel erklärt hat.

Allem aber vorauszuschicken ist, dass mit dem Begriff "Kirche" manchmal die Versammlung bzw. Zusammenkunft von Menschen, manchmal aber auch der Ort, wo diese Versammlung bzw. Zusammenkunft geschieht, gemeint ist. Wenn wir nämlich sagen: "Die Kirche von Rom ist die Mutter aller Kirchen", dann verstehen wir unter Kirche die Versammlung der Gläubigen, die es in Rom gibt. Wenn wir dagegen sagen: "Die Kirche des heiligen Petrus, die in Rom errichtet ist, übertrifft alle Kirchen der Stadt und des Erdkreises an Glanz und Kostbarkeit", dann verstehen wir unter Kirche die Kirche bzw. die Basilika des heiligen Petrus, wo das Volk von Rom gewöhnlich zusammenkommt. Wenn wir also im Glaubensbekenntnis sagen, heilige Kirche, dann verstehen wir unter dem Begriff "Kirche" nicht das Kirchengebäude bzw. die Basilika, sondern die Versammlung bzw. Zusammenkunft. "Versammlung" heißt die Kirche nicht deshalb, weil alle Gläubigen an einem einzigen Ort versammelt sind, sondern weil sie unter dem einen Banner des Kreuzes und unter einem einzigen Anführer bzw. Haupt versammelt sind, Christus und seinem Stellvertreter für die ganze Welt, dem römischen Papst. Dieselbe Kirche heißt aber "Zusammenkunft", weil man nicht schon als Gläubiger geboren wird, sondern erst von Gott durch seine Verkündiger dazu berufen wird.

Dreierlei ist aber notwendig, damit man sagen kann, dass jemand zur Kirche gehört: die Taufe, das Glaubensbekenntnis und die Unterordnung unter das Haupt der Kirche. Die Taufe ist die Pforte, durch die man in die Kirche eintritt; darum sind auch die Heiden nicht in der Kirche, weil sie nicht in sie eingetreten sind. Die Häretiker sind nicht in der Kirche, weil sie durch die Irrlehre aus ihr hinausgegangen sind. Die Schismatiker sind nicht in der Kirche, weil sie durch den Ungehorsam von ihr weggegangen sind. Die Exkommunizierten gehören nicht zur Kirche, weil sie hinausgeworfen worden sind. So nämlich sagt der heilige Gregor in seiner Auslegung des ersten Verses des fünften Bußpsalms: Von diesem Geist lebt nicht der Häretiker, lebt nicht der Schismatiker, lebt nicht der Exkommunizierte; denn sie gehören nicht zum Leib. 84 Und der heilige Hieronymus sagt in seiner Auslegung des dritten Kapitels des Briefs an Titus85, dass die Häretiker und die Schismatiker von sich aus die Kirche verlassen; aus diesem Grund nennt man sie auch die, welche sich selbst ihr Urteil gesprochen haben. Andere Sünder aber würden durch die Exkommunikation der Bischöfe aus der Kirche entfernt. Alle übrigen aber, die durch die Taufe in die Kirche eingetreten sind und sie nicht durch Häresie (unter der auch der Abfall vom gesamten christlichen Glauben zu verstehen ist) oder durch Schisma verlassen haben und nicht durch Exkommunikation aus ihr hinausgeworfen worden sind, gehören zur Kirche, obwohl sie Sünder sind, und sie bleiben es bis zum Tag des Gerichtes. Dann nämlich werden alle Bösen von allen Guten getrennt werden, wie die Gleichnisse im Evangelium es darlegen, nämlich das vom Weizen und von der Spreu in derselben Tenne86, das von den guten und den schlechten Fischen in demselben Netz87 und das vom Unkraut und vom Weizen auf demselben Feld (Mt 13,18-33). 88

Nun mag vielleicht jemand fragen, warum wir im Glaubensbekenntnis gelehrt werden, die Kirche zu glauben. Vielmehr ist die Kirche als Versammlung der Gläubigen doch sichtbar, der Glaube jedoch bezieht sich nicht auf Sichtbares, sondern auf Unsichtbares, sagt doch Paulus, dass der Glaube sich auf die nicht sichtbaren Wirklichkeiten bezieht (Hebr 11,1). Darauf kann man antworten, dass die Kirche sichtbar ist in Bezug auf die Personen, die zur Kirche gehören, unsichtbar dagegen hinsichtlich dessen, was diese Personen zur Kirche Christi macht. Das aber ist es, was wir glauben, dass nämlich ebendiese Gemeinschaft und keine andere die wahre Kirche Christi ist. In gleicher Weise war auch Christus, der Bräutigam der Kirche, hinsichtlich seines menschlichen Leibes sichtbar, hinsichtlich der Vereinigung seiner Menschheit mit der Gottheit in einer Person unsichtbar89, und in dieser Hinsicht war er nur dem Glauben zugänglich. Ebenfalls sind alle Sakramente der Kirche hinsichtlich ihrer materiellen Substanz sichtbar. Dass aber diese materiellen Dinge, etwa Wasser, Brot, Wein, Öl und Worte die Materie der Sakramente sind und wahrhaftig eine wunderbare Wirkung besitzen, sehen wir nicht, sondern glauben wir. Obwohl aber die Kirche in sich in gewisser Weise unsichtbar ist, so ist sie doch in ihren Merkmalen und Kennzeichen sichtbar und gleichsam eine Stadt, die auf einem Berg liegt.90

Erläutern wir also diese vier Eigenschaften der Kirche bzw. Kennzeichen, an denen die wahre Kirche leicht zu erkennen ist, nämlich dass sie "eine, heilig, katholisch und apostolisch" ist. Anhand des letzten dieser Begriffe werden wir verstehen, was in diesem Artikel als "Gemeinschaft der Heiligen" bezeichnet wird.

EINE heißt die Kirche, weil sie, obwohl sie an verschiedenen Orten ist und viele Arten von Menschen umfasst, doch ein Reich mit dem einen König Christus ist, ein Heer unter einem einzigen Feldherrn, ein Leib unter einem Haupt, weil sie von einem Geist gelenkt wird und einen Glauben, ein Gesetz und dieselben Sakramente besitzt. Ein Gott, so sagt der Apostel Paulus, ein Glaube, eine Taufe (Eph 4,S).

Zweitens heißt und ist dieselbe Kirche HEILIG, obwohl es in ihr viele Sünder gibt, denn Christus, ihr Haupt, ist heilig. Und wie unter den Sterblichen jemand, der ein sehr schönes Gesicht hat, als schön bezeichnet wird, auch wenn ein anderes seiner Glieder hässlich ist, so kann auch der Leib der Kirche in uneingeschränkter Weise heilig genannt werden, obwohl einige Glieder der Heiligkeit entbehren, weil die Kirche das denkbar heiligste Haupt hat. Die Kirche heißt darüber hinaus heilig, weil sie ganz gerechte Gesetze, ganz reine Sakramente, die sehr guten evangelischen Räte besitzt und alle wahren Tugenden in sich fasst, kein Laster und keine Sünde billigt. Und schließlich findet man in ihr neben den Bösen immer auch einige, die wirklich heilig sind. Darin unterscheidet sie sich stark von den Zusammenschlüssen aller Heiden, Häretiker, Juden und Schismatiker, dass es in der Kirche Gute und Böse gibt, in den anderen Gemeinschaften dagegen gibt es nur Böse und keine Guten.

Drittens heißt die Kirche KATHOLISCH, das heißt weltumspannend, weil sie nicht auf bestimmte Orte oder Zeiten begrenzt ist, sondern sie war und ist immer und überall. Was die Orte angeht, so gibt es zwar fast überall häretische Sekten, aber es sind nicht dieselben. Die einen gibt es im Osten, andere im Westen, wieder andere im Süden, und noch andere im Norden. Zudem gibt es in denselben Provinzen viele Sekten, die untereinander so zerstritten sind, dass die eine die andere als häretisch bezeichnet. Die katholische Kirche dagegen ist in allen Provinzen dieselbe. Darum wird sie sogar von den Häretikern selbst ganz richtig als katholisch bezeichnet. Was die Zeiten angeht, so können wir leicht die Fortdauer der Kirche von Abel bis zu Christus und von Christus bis heute beweisen. Das Heidentum, so ist zu lesen, ist zu einer bestimmten Zeit entstanden und es ist, wie man sieht, an vielen Orten erloschen. Auch die vielen Häresien, die nach der Ankunft Christi zu bestimmten, bekannten Zeiten entstanden sind, sind entweder nach kurzer Zeit wieder verschwunden bzw. werden wenig später erlöschen. Schön vergleicht der hl. Augustinus die Häresien mit Strömen, wenn er sagt: Brüder, es sollen euch gewisse Flüsse, die man Wildbäche nennt, nicht erschrecken. Denn eine Zeitlang fließt das Wasser, macht viel Lärm, doch bald versiegt es. Lange bleiben können sie nicht. Viele Häresien sind bereits tot. Innerhalb ihrer Ufer sind sie dahingeeilt, so sehr sie konnten, doch nun sind sie ausgetrocknet. Man kann sich kaum noch an sie oder an ihre bloße Existenz erinnern. Soweit der hl. Augustinus.91

Viertens heißt sie APOSTOLISCH. Diese Aussage ist im Glaubensbekenntnis, das in der Messe gesungen wird, noch hinzugefügt. Beim Apostolischen Glaubensbekenntnis ist sie den Worten "Gemeinschaft der Heiligen" zu entnehmen. In der Kirche besteht nämlich die Gemeinschaft der Heiligen, denn die Kirche ist wie ein lebendiger Leib und so in sich zusammengefügt, dass alle Glieder vom Haupt abhängen und an allen Gütern teilhaben, die von diesem Haupt in die Glieder fließen. Nun ist das Haupt der ganzen Kirche Christus, das Haupt der sichtbaren Kirche aber, die auf der Erde ist, ist der Apostolische Oberste Priester, der in ihr die Stelle Christi einnimmt. Christus hat nämlich die Apostel gesandt, die Kirche zu erbauen und zu gründen, und ihre ersten Bischöfe und Hirten waren die Apostel. Den übrigen Aposteln sind dann aber nicht andere Apostel nachgefolgt, sondern einfache Bischöfe. Nur dem hl. Petrus, dem Apostelfürsten, ist der Apostolische Oberste Priester nachgefolgt, dessen Bischofsstuhl der "Apostolische" heißt und dessen Amt "Apostelamt". Aus diesem Grund ist nur die Kirche apostolisch und darum auch die wahre Kirche Christi, die den römischen Papst anerkennt, den Nachfolger des hl. Petrus, der allein den Apostolischen Stuhl innehat. So nämlich sagt es Augustinus im Brief 162 an Glorius und Eleusius: "In der römischen Kirche herrschte ununterbrochen der Vorrang des Apostolischen Stuhles." Weiterhin sind die gemeinsamen Güter dieses Leibes die Sakramente, die Opfer, die Gebete, die Ablässe und anderes, was vom Haupt zu den Gliedern herabkommt. Dabei teilt nicht bloß die Kirche, die auf Erden weilt, ihre Güter mit allen ihr verbundenen Gliedern, sondern sie lässt auch die Kirche, die im Fegefeuer weilt, an ihren Gebeten und guten Werken teilhaben. Und die Kirche, die im Himmel weilt, teilt ihre Gebete und Verdienste mit der Kirche, die auf Erden weilt. Deshalb sind auch alle zu mahnen, wie gefährlich es ist, sich von der apostolischen Kirche zu trennen, weil diejenigen, die von ihr durch Häresie, Schisma oder Exkommunikation getrennt sind, an diesen ganz wichtigen und heilbringenden Gütern keinen Anteil haben können.

Artikel X : Die Vergebung der Sünden

In diesem Artikel93 wird das erste von drei großen Gütern erklärt, die es in der Kirche Gottes gibt. Von diesen bezieht sich das eine auf die Seele, das andere auf den Leib und das dritte auf den ganzen Menschen.94

Das erste Gut also ist die Vergebung der Sünden und damit die Rechtfertigung durch die Eingießung der himmlischen Gnade, die den Menschen durch Adoption zum Sohn Gottes macht, sowie zum Erben Gottes und zum Miterben Christi.95 Dieses große Gut, das erstrebenswerter ist als jedes andere Gut, das man in diesem Leben erlangen kann, entbehren alle, die außerhalb der Kirche sind. Des Weiteren umfasst die Vergebung der Sünden hier gleichzeitig drei Dinge. Erstens ist es mit gewissem Glauben zu glauben, dass unsere Sünden, wie groß sie auch immer sein mögen und wie oft sie auch begangen worden sein mögen, vergeben werden können und gewöhnlich auch tatsächlich von Gott vergeben werden, wenn man die dazu eingesetzten Mittel gebraucht. Wer nämlich die unendliche Majestät Gottes bedenkt, die der Mensch, doch bloß ein Erdenwurm im Vergleich zu Gott, auf das schwerste beleidigt, könnte an der Versöhnung verzweifeln, gäbe uns nicht der Glaube, der aus dem Wort Gottes geschöpft ist, die Zuversicht, Vergebung zu erlangen. So sollen wir also glauben, dass es in der Kirche die Vergebung der Sünden gibt. Denn der Prophet ruft: Bei Gott ist die Sühne (Ps 129,4); und ein anderer Prophet sagt: Ich bin es, der all deine Missetaten vernichtet (Jes 43,25); und alle Apostel lehren in ihren Evangelien und Briefen dasselbe und haben in dieses kurze Glaubensbekenntnis diese überaus tröstliche Wendung gesetzt: "die Vergebung der Sünden".

Wir müssen glauben, dass diese Vergebung durch Jesus Christus, unseren Herrn, geschieht. Er ist nämlich das Lamm, das die Sünden der Welt hinwegnimmt (Joh 1,29), und von ihm sagt der Apostel Paulus: Wie es durch die Untat eines einzigen für alle Menschen zur Verdammnis kam, so durch die Gerechtigkeit eines einzigen für alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens. Denn wie durch den Ungehorsam eines einzigen Menschen die Vielen zu Sündern gemacht worden sind, so sind durch den Gehorsam eines einzigen Menschen die Vielen zu Gerechten gemacht worden (Röm 5,18). Doch die Rechtfertigung wird nicht nur im Neuen Bund durch Christus erlangt, sondern auch im Alten Testament wurde sie durch ihn erlangt, sagt doch der Apostel Petrus: Wir glauben, dass wir gerettet werden durch die Gnade unseres Herrnjesus Christus, so wie auch jene (Apg 15,11), d. h. die Väter im Alten Testament. Damit stimmt das Wort des hl. Johannes überein, dass das Lamm Gottes vom Anfang der Welt an geschlachtet worden war (vgl. Offb 13,8), da nämlich der Tod Christi, des Heilands, von Gott vorhergesehen und von den Vätern geglaubt worden war und so ihre Rechtfertigung gewirkt hat.

Die Mittel der Sündenvergebung aber sind die von Christus eingesetzten Sakramente, vor allem die Taufe und die Buße. Denn bei den übrigen Sakramenten sagt man, dass sie Sünden vergeben, nur deshalb, weil sie die Gnade Gottes mitteilen, die nicht zugleich mit der Sünde vorhanden sein kann und die darum, findet sie eine Sünde, diese abwischt. Die Taufe und die Buße aber lassen im eigentlichen Sinn und aufgrund ihrer Einsetzung Sünden nach. Weil aber die Taufe das Sakrament ist, das zur Sündenvergebung am notwendigsten und allen gemeinsam ist, nicht nur den Erwachsenen, sondern auch den Kindern, hat sich das Konzil von Konstantinopel in seinem Glaubensbekenntnis folgendermaßen ausgedrückt: "lch bekenne die eine Taufe zur Vergebung der Sünden."96 Das Konzil spricht dabei von der einen Taufe, nicht weil es nicht mehrere Taufen gibt, sondern weil man die Taufe mit Wasser nur einmal empfangen kann und niemand nochmals getauft werden darf. Es ist, als ob das Konzil sagte: "Ich bekenne eine einzige Taufe mit Wasser, die jeder empfangen muss." Außer der Wassertaufe gibt es auch noch die Begierdetaufe, die Bluttaufe und die mühevolle Taufe. Begierdetaufe heißt die Taufe, die nicht wirklich, sondern dem Verlangen nach aufgrund einer Eingebung des göttlichen Geistes empfangen wird. Wenn nämlich ein Erwachsener getauft zu werden verlangt, jedoch niemanden findet, der ihn tauft, und mit diesem Verlangen und zugleich mit einer Abscheu gegen seine Sünden und einer wahren Reue und Bekehrung zu Gott aus dem Leben scheidet, werden ihm die Sünden von Gott vergeben. Die Bluttaufe ist das Martyrium. Wer nämlich nicht wirklich getauft werden konnte, aber mit dem Verlangen nach der Taufe das Martyrium für den Glauben an Christus erlitten hat, von dem sagt man, er sei mit seinem eigenen Blut getauft worden. Als mühevolle Taufe schließlich bezeichnet der hl. Gregor von Nazianz in seiner "Rede auf die heiligen Lichter" das Bußsakrament.97 Wer nämlich die Taufe mit Wasser empfängt, dem werden alle Sünden vergeben, und zwar hinsichtlich der Schuld und auch hinsichtlich der Strafe, und es sind keine mühevollen Werke zur Genugtuung erforderlich. Wer dagegen nach der Taufe in Sünden fällt, wird nicht ohne Genugtuung durch mühsame Werke zur Versöhnung zugelassen, also Fasten, Almosen, Gebete, Seufzen und Tränen, so wie sie der Schwere und der Menge der Sünden angemessen sind. Darüber aber diskutieren die Theologen, und dies kann in dieser kurzen und einfachen Erklärung des Glaubensbekenntnisses keinen Platz beanspruchen.98

Artikel XI : Die Auferstehung des Fleisches

In diesem Artikel gehen die Apostel zur Erklärung des zweiten Gutes über, das die Kirche erwartet und das den Leib betrifft. Sie tragen uns nämlich auf, die künftige Auferstehung des Fleisches zu glauben. Auf Eingebung Gottes hin haben sie aber nicht gesagt "Auferstehung des Menschen" oder "Auferstehung des Leibes", sondern "Auferstehung des Fleisches". Hätten sie nämlich gesagt "Auferstehung des Menschen", dann hätten einige argwöhnen können, der ganze Mensch sterbe, sowohl die Seele als auch der Leib. Denn das kommt zur Auferstehung, was gestorben ist. Da aber die Gläubigen schon davon überzeugt sind, dass die menschliche Seele unsterblich ist, wurde zur Beseitigung dieses Argwohns und zur Bekräftigung der Unsterblichkeit der Seele ganz zu Recht gesagt: "Auferstehung des Fleisches". Hätten die Apostel andererseits von "Auferstehung des Leibes" gesprochen, dann hätten einige zur Überzeugung kommen können, wir würden nach der Auferstehung zwar Leiber haben, aber wie aus Luft und nicht aus Fleisch. Einst befand sich Eutychius, der Patriarch von Konstantinopel, in diesem Irrtum, wenngleich er ansonsten ein ausgezeichneter Mann war. Der hl. Gregor jedoch, damals Kardinaldiakon und Legat beim Kaiser, hat Eutychius anhand der Worte des Herrn an die Apostel klar widerlegt. Berührt und seht, weil ein Geist kein Fleisch und keine Knochen hat, wie ihr es bei mir seht (Lk 24,39). Darum haben die hl. Apostel zur Vermeidung jeglichen Irrtums in einem so bedeutsamen Punkt äußerst klug mit deutlichen Worten von der "Auferstehung des Fleisches" gesprochen.

Mit dem Wort "Auferstehung" aber meinen die Apostel, dass das Fleisch in der Auferstehung nicht nur wahres Fleisch sein wird, sondern auch, dass es dasselbe sein wird wie zuvor. Andernfalls könnte man nämlich nicht von Auferstehung sprechen, sondern von der Hervorbringung einer neuen Wirklichkeit. So begreifen wir auch, dass die Männer mit einem männlichen Leib, die Frauen aber mit einem weiblichen Leib auferstehen werden. Obwohl es nämlich nach der Auferstehung keine Ehe mehr geben wird 100, ist es dennoch angemessen, dass die Heiligen in demselben Leib, in dem sie gekämpft haben, auch triumphieren werden, und die heiligen Jungfrauen in demselben Leib öffentliches Lob empfangen werden, in dem sie für ihre außerordentliche Keuschheit in großem Ansehen gestanden haben. Auf welche Weise würde schließlich die überragende Stellung der Mutter Gottes erkannt werden, wenn sie dann keinen weiblichen Leib hätte? So wird es also eine Auferstehung des fleisches geben, und zwar desselben Fleisches und in demselben Geschlecht.

An dieser Stelle bietet es sich nun an, kurz einen großen und unangenehmen Zweifel aufzulösen. Wir wissen ja, dass viele als Kinder gestorben sind, viele als Greise, viele als Blinde, viele als Taube und viele durch unterschiedliche Körperbehinderungen verunstaltet. Falls diese Menschen nun aber mit ihren Behinderungen auferstehen, werden sie in alle Ewigkeit deren Mangel an sich tragen. Falls sie aber ohne die Behinderungen auferstehen, werden sie nicht dieselben sein wie vorher. Schließlich bleibt von vielen überhaupt nichts auf der Welt, weil sie von Hunden oder von Fischen aufgefressen wurden und in das Fleisch dieser Tiere übergegangen sind. Nicht wenige sind in Erde übergegangen, haben sich in Grünpflanzen und Gras verwandelt und wurden anderen zur Speise, so dass es äußerst schwierig ist zu begreifen, woraus sie auferstehen können, da von ihnen nichts mehr auf Erden zu finden ist. Wenn wir uns jedoch an den ersten Artikel erinnern101 in dem wir mit gewissem Glauben glauben, dass Gott allmächtig ist und alles, was es jetzt in der Wirklichkeit der Natur gibt, aus dem Nichts geschaffen hat, ja dass er alles in einem Augenblick, ohne Mühe, ohne Helfer, ohne Werkzeug, lediglich durch den Befehl seines Willens gemacht hat, dann werden wir keine Mühe haben zu glauben, dass derselbe Gott alle Verstorbenen sehr wohl in ihre eigenen Leiber zurückrufen kann. Und obwohl es dann keine Kinder, keine Greise, keine Blinden, keine Tauben und keine anderweitig Behinderten geben wird, sondern alle in dem Alter sein werden, in dem Christus auferstanden ist, wie der Apostel Paulus in seinem Brief an die Epheser uns lehrt (Eph 4,13), werden sie doch ganz und gar dieselben Menschen sein, freilich so, wie sie gewesen wären, wenn sie zu diesem Alter gelangt wären oder es nicht überschritten hätten. Auch dass die Körperbehinderungen dann fehlen werden, stellt kein Hindernis dafür dar, dass die Leiber die gleichen wie zuvor sein werden. Denn Behinderungen gehören nicht zur Substanz der Leiber, sondern sie sind Akzidentien, die aus einem Mangel beim zugrundeliegenden Stoff oder beim handelnden Subjekt hervorgegangen sind. Bei der Auferstehung aber, die Gott allein wirken wird, dessen Werke vollkommen sind102, kann es keine Behinderungen mehr geben.

Weil aber der Glaube an die Auferstehung der Toten, besonders zu einem unvergänglichen Leben, den Sterblichen sehr schwer fällt, und weil die Männer von Athen, die als Weise gelten wollten, dem Apostel Paulus bei seiner Predigt über die Auferstehung mit Spott begegnet sind (Apg 17,32), hat es die göttliche Vorsehung so gefügt, dass es in der Zeit des natürlichen Gesetzes, des geschriebenen Gesetzes und des Gesetzes der Gnade nicht an überaus ernsthaften und ausgezeichneten Männern fehlte, die die Auferstehung der Toten ganz offen verkündet haben.

Aus dem natürlichen Gesetz haben wir den hl. Ijob, der folgendermaßen spricht: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Und am letzten Tag werde ich von der Erde auferstehen. Und ich werde wieder in meine Haut gehüllt werden, und in meinem Fleisch werde ich meinen Gott schauen. Ich selbst werde ihn schauen, und meine Augen werden schauen und kein anderer. Eingeschlossen ist diese Hoffnung in meine Brust (ljob 19,25-27). Diese Aussage ist nun ganz klar und hat einen ganz frühen und wahrhaftigen Urheber, so dass die Gläubigen auf keine Weise seine Autorität in Zweifel ziehen können.

Aus der Zeit des geschriebenen Gesetzes haben wir den Propheten Daniel, einen der vier großen Propheten, der in seinem Buch folgendermaßen spricht: Viele, die im Staub der Erde schlafen, werden erwachen: die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, um sie ewig zu schauen (Dan 12,2). An dieser Stelle sagt der hl. Prophet, dass diejenigen, die im Staub der Erde schlafen "erwachen werden". Denn es wird für Gott so leicht sein, die Toten auferstehen zu lassen, wie es für uns leicht ist, Schlafende zu wecken. Wenn er aber von "vielen" spricht, die erwachen werden, leugnet er damit nicht, dass alle erwachen werden, sondern das bedeutet, dass die Menge von Auferstehenden gewaltig sein wird, so als würde er sagen: Alle werden auferstehen, und es werden nicht wenige, sondern sehr viele sein. Diese Ausdrucksweise gebraucht auch der Apostel Paulus gegenüber den Römern. Er sagt nämlich zuerst: Durch die Untat eines einzigen allen Menschen zur Verdammnis (Röm 5,150, und kurz darauf wiederholt er das und sagt: Durch den Ungehorsam eines einzigen sind die Vielen zu Sündern gemacht worden (Röm 5,19). Die er hier also "alle" nennt, die nennt er kurz darauf "viele", damit wir begreifen, dass sie alle nicht wenige an Zahl, sondern viele gewesen sind. Auch in den Makkabäerbüchern lesen wir, dass die heiligen makkabäischen Märtyrer und ihre Mutter vor allem deshalb einen überaus grausamen Tod tapfer erduldet haben, weil sie unerschütterlich hofften, dass Gott sie am Jüngsten Tag zum ewigen Leben auferwecken werde (vgl. 2 Makk 7,14 und 23).

Im Gesetz der Gnade erwähnt Christus im Evangelium sehr häufig die Auferstehung der Toten, so dass die hl. Martha, als sie hörte: Dein Bruder wird auferstehen, aufgrund seiner Lehre zur Antwort gab: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Jüngsten Tag (Joh 11,24). Weiterhin erörtert der Apostel Paulus im ersten Brief an die Korinther ausführlich die Auferstehung der Toten (1 Kor 15,35-58), und im ersten Brief an die Thessalonicher beschreibt er die Art und Weise und die Reihenfolge der Auferstehung (1 Thess 4,16 f.). Wie es sich also bei der Auferstehung der Toten um etwas Erhabenes und sehr Schwieriges handelt, so wollte Gott auch, dass sie ganz klar und mit ganz deutlichen Worten von den Propheten und Aposteln gepredigt würde.

Doch auch der natürlichen Vernunft widerstreitet dieses Geheimnis nicht. Wer vielmehr aufmerksam alles bedenkt, wird nicht wenige Gründe finden, die dem katholischen Glauben auf wunderbare Weise dienen. Zuerst nämlich folgenden: Wenn die vernünftige Seele unsterblich und die wirkliche Form des Leibes ist, wie es die besseren Philosophen behaupten, dann war es sicher angemessen, dass sie einen unsterblichen Leib erhielte. Und wirklich hat Gott den Menschen am Anfang der Schöpfung "unauslöschlich" gemacht, wie der Weise sagt, doch durch den Neid des Teufels trat der Tod in den Erdkreis ein (Weish 2,23 f.). Demgemäß war es recht, dass Gott einen Weg und eine Weise finden würde, wodurch der tote Leib wiederum zum Leben zurückkäme und dass dieses ohne Ende fortdauere. Wer könnte sich weiterhin glauben machen, dass Gott, der gerechte Richter, es zugelassen haben würde, dass die meisten Heiligen ihr ganzes Leben lang Bedrängnisse und Verfolgungen erlitten und ihre Leiber unter vielen Schmerzen von den Frevlern getötet würden, wenn es nicht ein anderes Leben gäbe, in dem diese Leiber auferstehen und den Lohn für ihre Geduld empfangen? Wer würde schließlich glauben, dass Gott, der die Welt in größter Weisheit lenkt, es zulassen würde, dass so viele ruchlose Menschen ihre ganze Lebenszeit in Reichtum und Lüsten schwelgen, wenn es keine Auferstehung der Toten gäbe, bei der, wie der Herr selbst sagt, die Gerechten "zur Auferstehung des Lebens" auferstehen werden, die Ungerechten aber "zur Auferstehung des Gerichtes", d. h. zur Verdammung zu ewigen Strafen (Joh 5,29)? Alle Gläubigen sollen darum daran festhalten und in keinster Weise daran zweifeln, dass es eine Auferstehung des Fleisches geben wird, und sie sollen ihr Leben so fromm und heilig einrichten, dass sie den Tag der Auferstehung eher ersehnen können als dass sie ihn fürchten.

Artikel XII : Das ewige Leben

In diesem letzten Artikel erklären die Apostel das dritte Gut der Kirche, das Seelen und Leiber zugleich betrifft und das das letzte Ziel nicht nur eines Christen, sondern auch des Menschen überhaupt darstellt. Auf die Erreichung dieses Ziels sind alle göttlichen und menschlichen Hilfsmittel ausgerichtet: Sakramente, Opfer, heilige Bücher, alle Tugenden, Hirten und Lehrer, selbst auch die zeitlichen Güter, also bürgerliche Gesetze, Regierungen, Reichtümer, Ehrenstellungen und insgesamt alles Geschaffene. In dieser kurzen und einfachen Erklärung des Glaubensbekenntnisses werden wir aber nur zweierlei kurz betrachten. Erstens warum die ewige Seligkeit "Leben" genannt wird und der Zustand ewigen Unglücks "Tod", obwohl doch alle Menschen vom Tod zum Leben auferstehen werden. Sodann was für ein großes Gut das ewige Leben und umgekehrt was für ein gewaltiges Übel der ewige Tod ist.

Zum ersten Punkt: Man sagt, dasjenige lebe, was sich selbst bewegen kann, das aber, was sich nicht selbst bewegen kann, sei tot. Daher nennt man nämlich das Wasser der Flüsse lebendig, das Wasser der Sümpfe aber tot, weil jenes fließt, dieses aber still daliegt, wenn es nicht vielleicht vom Wind in Bewegung versetzt wird. So haben also die Seligen das Leben, weil sie nicht nur das Leben der Gnade besitzen, sondern sich auch frei bewegen können, wohin immer sie möchten, und weil sie sehen, hören, sprechen, verstehen, lieben, sich freuen und die anderen Tätigkeiten, die zum Leben gehören, ohne jedes Hindernis ausführen. Die über alle Maßen elenden und unglückseligen Verworfenen dagegen haben, so sagt man, den ewigen Tod, weil sie das Leben der Gnade entbehren, also das übernatürliche Leben der Seele, und weil sie sich nicht selbst zu den Tätigkeiten, die zu jenem Leben gehören, hinbewegen können, da sie weder beten noch Gott loben oder sich in Gott freuen können. Auch nennt man sie tot, weil sie mit gebundenen Händen und Füßen in der Finsternis103 liegen und in Ewigkeit liegen werden, wie Tote in den Gräbern. Und wenn sie irgendeine Bewegung des Verstandes, des Willens und der Sinne besitzen, dann besitzen sie diese, um zu leiden, nicht um zu handeln. Denn sie erkennen ihren Unglückszustand, sie beklagen ihr Elend, sie fühlen die Glut des heftigen Feuers, des kochenden Schwefels und des nagenden Wurms. Ihr Leben ist folglich so, dass sie sich unablässig den Tod wünschen: Sie werden nämlich den Tod suchen und ihn nicht finden, wie wir in der Geheimen Offenbarung lesen (Offb 9,6).

Zum zweiten Punkt: Was für ein großes Gut das ewige Leben darstellt, kann man erkennen, wenn man es mit den zeitlichen Gütern vergleicht, die alle von Natur aus anstreben. Was nämlich wünschen sich die Sterblichen gewöhnlich in diesem Leben? Für den Leib eine gute Gesundheit, Schönheit, Kraft und Beweglichkeit, und für die Seele wünschen zumindest diejenigen, die vernünftig sind, Kenntnis vieler Dinge, Vorzüge der Seele und die Erfüllung aller Wünsche. Was die äußeren Dinge betrifft, wünschen sie sich Reichtum, Ehren, Macht, Genuss, treue Freunde und endlich, dass ihnen niemand in irgendeiner Weise Schaden zufügen kann. Doch dies alles und noch Höheres, was über unser Verlangen hinausgeht, werden diejenigen haben, die das ewige Leben besitzen. Anstelle einer guten leiblichen Gesundheit werden sie die Unsterblichkeit haben. Gesät, so sagt der Apostel Paulus, wird in Vergänglichkeit, auferstanden in Unvergänglichkeit (1 Kor 15,42). Zweifellos werden die Seligen in Verbindung mit der Unsterblichkeit auch die Leidensunfähigkeit haben. Anstelle der Schönheit werden sie den höchsten Glanz besitzen, sagt doch der Herr: Dann werden die Gerechten strahlen wie die Sonne im Reich ihres Vaters (Mt 13,43). Obwohl nach der Lehre des Apostels der Glorienschein nicht bei allen Heiligen gleich sein wird - ein Stern unterscheidet sich nämlich vom anderen Stern an Helligkeit (1 Kor 15,41) -, werden doch alle mit ihrem Los zufrieden sein und die größere Herrlichkeit der anderen nicht beneiden, sondern sich daran mitfreuen. Anstelle der leiblichen Beweglichkeit werden sie die bewundernswerte und beinahe unglaubliche Fähigkeit erhalten, ihre Leiber in einem Augenblick dahin zu bewegen, wohin auch immer sie wollen. Davon spricht der Apostel, wenn er sagt: Gesät wird ein sinnlicher Leib, doch ein geistiger Leib wird auferstehen (1 Kor 15,44). Hier heißt es "geistig", nicht etwa als ob er wie aus Luft statt aus Fleisch sein werde, sondern weil er so der Seele in der Seligkeit gefügig sein wird, dass er ihr allezeit auf einen bloßen Wink hin gehorcht. Anstelle der Kraft werden sie die Fähigkeit haben, mühelos allem Widrigen zu widerstehen, entsprechend dem Wort des Apostels Paulus: Gesät wird in Schwachheit, auferstanden in Kraft (1 Kor 15,43). Darum werden die Seligen den Angriff von Dämonen, Menschen oder sonst etwas Geschaffenem nicht fürchten. Was die geistigen Güter angeht, werden alle Seligen voll der höchsten Weisheit sein, dank derer sie nicht nur die Natur und die Eigenschaften aller geschaffenen Dinge erkennen werden, sondern auch das Wesen GOTTES selbst und alle seine Attribute schauen werden. Aufgrund dieser Schau werden sie Gott ähnlich sein und darum selig und in jeder Hinsicht vollkommen glücklich, sagt der heilige Johannes doch: Jetzt sind wir Söhne Gottes, und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Denn wir wissen, dass, wenn er erscheinen wird, wir ihm ähnlich sein werden, denn wir werden ihn schauen, wie er ist (1 loh 3,2). Außerdem werden sich alle Seligen aufgrund der Gnade Gottes, der vollkommenen Liebe und aller Tugenden restlos ihres Willens bedienen können, und sie werden in der Freundschaft Gottes derart befestigt sein, dass sie nicht einmal mehr die geringste Sünde. begehen können. So werden denn also all ihre Wünsche erfüllt sein, und sie werden jenen Frieden genießen, der alles Begreifen übersteigt.104 Was die äußeren Dinge angeht, so wird ihr Reichtum darin bestehen, nichts mehr zu entbehren. Denn Gott wird alles in allem sein, wie Paulus sagt (1 Kor 15,28), und dies allein ist wirklicher Reichtum. Sie werden die höchste Ehre und Würde innehaben, denn sie werden Söhne und Erben Gottes, Miterben aber Christi (Röm 8,17) heißen, und sie werden mit ihm herrschen in alle Ewigkeit. Ihre Lust und ihre Freude aber werden derart sein, dass man es gar nicht in Worte fassen kann. Darum heißt es ja nicht: "Die Freude deines Gottes trete in dich ein", sondern: Tritt ein in die Freude deines Herrn (Mt 25,21). Auch die Macht wird derart sein, dass man sie Allmacht nennen könnte. Denn ihr Wille wird so mit dem Willen Gottes verbunden sein, dass sie all das wollen, was Gott will, und darum wird man von jedem einzelnen von ihnen sagen können, was der Psalmist von Gott singt: Alles, was immer er will, tut er im Himmel und auf Erden (Ps 134,6). Schließlich werden sie in engster und unauflöslicher Freundschaft mit allen Engeln und Heiligen verbunden sein. All ihre Verfolger und Feinde aber, die Dämonen und die verworfenen Menschen, werden zu ewiger Gefangenschaft verdammt sein, und zwar nicht irgendwo in der Nähe, sondern im tiefsten Abgrund und im Herzen der Erde, so dass von ihnen keine Gefahr mehr zu befürchten ist. Das also ist die Gesamtheit der Güter, die in jenen beiden Begriffen "ewiges Leben" enthalten ist.

Dagegen ist der ewige Tod nicht bloß die Abwesenheit aller Güter, die wir eben aufgezählt haben, sondern er ist auch die Ansammlung aller Übel, die in der Schrift bezeichnet werden als die äußersten Finsternisse, der Wurm, der niemals stirbt, Weinen und Zähneknirschen, endlich Feuer- und Schwefelpfuhl, worin alle Bösen in alle Ewigkeit gepeinigt werden.lOs Wenn die Seelsorger all dies dem Volk häufig und sorgfältig darlegen würden, kann es kaum ausbleiben, dass viele in sich gehen werden. Der Grund, warum so wenige die ewigen Wahrheiten erstreben bzw. davor erschrecken, so viele dagegen mit unglaublicher Gier vergänglichen Gütern und Sinnenfreuden nachlaufen, besteht allein darin, dass sie die ewigen Güter und die ewigen Übel entweder nicht richtig kennen oder nicht ernsthaft bedenken. Schuld daran sind die Hirten, wenn sie ihr Amt nicht ausüben, zu dem sie berufen sind und wofür sie von den Schafen Milch und Wolle erhalten. Denn Christus, der Anführer der Hirten, hat das Himmelreich mit Eifer verkündet, und die Apostel, die ersten, von ihm eingesetzten Hirten, haben gesagt: Es ist nicht gut, dass wir das Wort Gottes verlassen und den Tischen dienen, sowie: Wir aber werden uns dem Gebet und dem Dienst am Wort widmen (Apg 6,2). Und der Apostelfürst ermahnte die anderen mit den Worten: Weidet die Herde des Herrn, die bei euch ist (1 Petr 5,2). Sein Mitapostel Paulus aber schreibt an Timotheus: Verkünde das Wort, beharre darauf, gelegen oder ungelegen (2 Tim 4,2), und an Titus, ebenfalls seinen Schüler: Sprich dies, mahne und weise zurecht mit Gewalt deines Amtes (Tit 2,15).106

Ende der Erklärung des Glaubensbekenntnisses.

Anmerkungen

<references />