Rerum orientalium (Wortlaut)

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Enzyklika
Rerum orientalium

unseres Heiligen Vaters
Pius XI.
an die hochwürdigsten Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe und Bischöfe sowie sonstigen Ordinarien,
welche in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle halten,
über die Förderung der Orientkunde
8. September 1928

(Offizieller lateinischer Text AAS 20 [1928] 277-288)

(Quelle: Pius XI., Rundschreiben über die Förderung der Orientkunde, Autorisierte Ausgabe, Lateinischer und deutscher Text, Herder & Co. G.m.b.H. Verlagsbuchhandlung, Freiburg im Breisgau 1928, Typographi Editores Pontificii; in Fraktur abgedruckt. Überschriften wurden bei der Digitalisierung erstellt. Die Nummerierung folgt dem englischen Text bei www.papalencyclicals.net)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Einleitung: Der Osten

1 Orientkundliche Bestrebungen und Forschungen bei den Christgläubigen, besonders aber bei den Priestern, zu fördern, war Unseren Vorgängern im Laufe der verflossenen Jahrhunderte Gegenstand besonderer Sorge und Mühe. In wie hohem Grade das der Fall war, leuchtet jedem ein, der in die Jahrbücher der Katholischen Kirche auch nur einen ganz flüchtigen Blick wirft. Die Päpste wussten es zu gut: Manche schlimme Dinge aus früherer Zeit, zumal die unglückselige Trennung, die viele einst blühende Kirchen von der Wurzel der Einheit losgelöst hatte, lagen zwangsläufig darin begründet, dass sich die Völker einerseits nicht genügend kannten und schätzten und dass anderseits die langdauernde seelische Entfremdung bei ihnen zu Vorurteilen geführt hatte. Ohne Beseitigung dieser Hemmnisse kann ein so großes Leid nicht ausheilen. Gerade aus jenen Zeiten, in denen sich allmählich das Band der alten Einheit lockerte, seien einige geschichtliche Tatsachen in Kürze berührt. Sie legen Zeugnis ab von den Sorgen und Mühen, die die Päpste hierauf verwandten. Allgemein ist bekannt, welches Maß an Wohlwollen, ja Verehrung den beiden Aposteln der Slaven, Cyrillus und Methodius, Hadrian II. entgegenbrachte und welch besondere Ehrenbezeigungen er ihnen zuteil werden ließ. Und mit welchem Eifer derselbe Papst, auch durch die Entsendung eigener Legaten, das achte allgemeine Konzil, das vierte zu Konstantinopel, förderte, als nicht lange vorher ein Großteil der Herde des Herrn durch beneidenswerte Trennung von dem Römischen Päpste, ihrem gottgegebenen Oberhirten, losgerissen worden war. Derartige Synoden zur Betreuung der Kirche im Orient wurden im Verlauf der Zeit wiederholt abgehalten. So zu Bari am Grabe des heiligen Nikolaus von Myra, wo Anselmus, der heilige Kirchenlehrer aus Aorta und Erzbischof von Canterbury, durch Wissen und heiliges Leben ausgezeichnet, auf Geist und Herz der Zuhörer allgemein tiefen Eindruck machte. So zu Lyon, wohin jene beiden Leuchten der Kirche, der engelsgleiche Thomas und der seraphische Bonaventura, von Gregor X. zusammen berufen waren - der eine starb allerdings schon unterwegs, der andere in den schweren Arbeiten des Konzils selbst eines frühen Todes. So zu Ferrara-Florenz, wo die Zierden des christlichen Orients und späteren Kardinäle der Römischen Kirche, Bessarion von Nizza und Isidor von Kiew, in der ersten Reihe standen und wo die Wahrheit der katholischen Glaubenslehre, wissenschaftlich gestützt und von Christi Liebe durchflutet, der Wiedervereinigung der orientalischen Christenheit mit dem obersten Hirten die Bahn freizumachen schien.

Der Osten, bereichert durch Ordensleute

2 Was Wir, ehrwürdige Mitbrüder, bisher streiften, das beweist die geradezu väterliche Vorsorge und Liebe des Apostolischen Stuhles für die Völker des Ostens. Es sind Tatsachen, die naturgemäß weniger durch ihre Zahl als durch ihr Gewicht auffallen. Gewinn anderer Art jedoch ist häufig und ununterbrochen von der Römischen Kirche in sozusagen Tag um Tag fließendem Segensstrom über fast alle Länder des Ostens gekommen. Vor allem: Sie schickte Ordensmänner, die ihr Leben opfern wollten, um dem Wohle des Orients zu dienen. Von der Autorität des Apostolischen Stuhles getragen, zogen hochgemute Männer, besonders aus den Orden des heiligen Franziskus von Assisi und der heilige Dominiks hinaus, bauten Häuser und richteten neue Ordensprovinzen ein. Und sie brachten durch theologische und andere Wissenschaften weltliche und religiöse Bildung unter gewaltigen Mühen nicht bloß nach Palästina und Armenien, sondern auch in andere Landstriche, wo Orientalen unter der Herrschaft von Tataren oder Türken, von der Einheit mit Rom gewaltsam getrennt, jede gute und zumal religiöse Ausbildung hätten entbehren müssen.

Orientalisches Institut und orientalische Sprachen

3 Für diese ausgezeichneten Verdienste und für die Gesinnung des Apostolischen Stuhles hatten offensichtlich bereits im 13. Jahrhundert die Professoren der Pariser Universität recht wohl Gefühl und Blick. Wie berichtet wird, gründeten sie, dem herzlichen Wunsche des Apostolischen �Stuhles willfahrend, ein Orientalisches Kolleg, das mit ihrer Universität verbunden war. Sorgfältig erkundigte sich Unser Vorgänger Johann XXII. einige Zeit nachher beim Bischof Hugo von Paris, welche Fortschritte in der Orientkunde das Institut mache und welche Erfolge es erziele<ref>Denifle-Chatelain, Chartul. Univ. Paris., Bd. 2, Nr. 857</ref>. Hierzu kommen andere ebenso wertvolle, in den Geschichtsquellen der gleichen Zeit bezeugte Tatsachen. Der gelehrte Humbert de Romanis, General des Dominikanerordens, empfahl in seiner Schrift "über die Verhandlungsgegenstände des Lyoner allgemeiner Konzils" die folgenden Einzelpunkte als notwendig für die Einigung mit den Orientalen <ref>Mansi, Bd. 24, Sp. 128</ref>: die Kenntnis oder Übung der griechischen Sprache, "denn vermittelst der Sprachen wird die Verschiedenheit der Völker zur Einheit des Glaubens zusammengeführt"; weiterhin eine Sammlung griechischer Werke und einen guten Vorrat aus unserer in orientalischen Sprachen übersetzten Literatur. Seine bei dem Generalkapitel in Mailand versammelten Mitbrüder bat er inständig, sie möchten die Kenntnis und das Studium der orientalischen Sprachen hochschätzen und gewissenhaft pflegen, um, wenn Gottes Wille sie rufe, für Missionsreisen zu diesen Völkern sich bereit und fertig zu halten.

Lebensart und Wissenschaft des Ostens

4 Ebenso hat der gelehrte, Unserem Vorgänger Klemens IV. nahestehende Franziskaner Roger Bacon nicht nur mit reichem Wissen über das Chaldäische, Arabische und griechische geschrieben<ref>Opus maius, dritter Teil</ref>, sondern die Kenntnis dieser Sprachen selbst auch anderen vermittelt.

Im Wetteifer mit ihnen ist der eigenartig gelehrte und fromme Raimund Lullus in vielem viel stürmischer - er war so veranlagt - vorangegangen. Und eines oder anderes, das er sich ausdachte, mag für seine Zeit reichlich kühn gewesen sein. Immerhin hat er von Unseren Vorgängern Cölestin V. und Bonifatius VIII. manches mit seinen Bitten erreicht. Er wollte, dass man sich um Lebensart und Wissenschaft des Ostens kümmere. Dass von den Kardinälen irgend einer über dies wissenschaftliche Arbeiten die Oberleitung erhalte. Schließlich, dass man die Missionsreisen und zwar ständige Missionsreisen veranstalte zu den Tataren, Sarazenen und anderen Ungläubigen, besonders auch zu den "Schismatikern" für deren Wiedervereinigung mit der Kirche.

Errichtung von Lehrgängen der orientalischen Sprachen

5 Was aber viel bedeutungsvoller und an erster Stelle zu buchen ist: auf seine Anregung und Aufmunterung hin ist, wie berichtet wird, auf dem allgemeinen Konzil von Wien das Dekret erlassen und von Unserem Vorgänger Klemens V. amtlich verkündet worden, in dem Wir Unser Orientalisches Institut umrissen finden: "Mit Gutheißung dieses heiligen Konzils haben Wir für den jeweiligen Sitz der Römischen Kurie sowie für die Universitäten von Paris, Oxford, Bologna und Salamanca die Errichtung von Lehrgängen der nachbezeichneten Sprachen vorgesehen. Wir bestimmen, dass dort überall Katholiken mit hinreichender Kenntnis des Hebräischen, Griechischen, Arabischen und Chaldäischen angestellt werden und zwar je zwei Fachmänner für jede Sprache. Die sollen dort Lehrgänge abhalten, die ausländische Literatur treu ins Lateinische übertragen, die Fremdsprachen selbst andere sorgfältig lehren und die Übung darin durch ein den Schülern gewissenhaft angepasstes Lehrverfahren weitergeben. Auf die Weise sollen diese, in solchen Sprachen hinlänglich ausgebildet und bewandert, mit Gottes Hilfe die erhoffte Frucht bringen können zur Verbreitung des Heilsglaubens unter den ungläubigen Völkern …"<ref>Denifle-Chatelain, Chartul. Univ. Paris., Bd. 2, Nr. 695</ref>.

Bau von Klöstern und Kollegien

6 Allerdings waren derzeit bei jenen Völkern des Ostens die allgemeinen Wirren so arg und wissenschaftliche Hilfsmittel großenteils so verstreut, dass es wirklich kaum möglich war, wissenschaftliche Köpfe, auch bei guter spekulativer Begabung, gründlicher in Wissenschaft einzuführen und voranzubringen. Ihr wisst ehrwürdige Mitbrüder, deshalb ging die Absicht Unserer Vorgänger auch darauf, dass nicht nur an den führenden Unterrichtsanstalten oder Universitäten der damaligen Zeit eigene Lehrstühle für Orientkunde beständen, sondern erst recht hier im Weichbilde der Stadt Rom einige besonders zweckentsprechende Pflanzstätten errichtet würden. Aus ihnen sollten Zöglinge jener Völker, mit den Hilfsmitteln wissenschaftlichen Arbeitens ganz gründlich vertraut, für den guten Kampf vollgerüstet in die Feldschlacht ziehen können. Deshalb wurden zuerst Klöster und Kollegien für die Griechen und Ruthenen in Rom gebaut und Häuser der Maroniten und Armeniern überwiesen. Welch seelischer Gewinn und wissenschaftlicher Fortschritt daraus entsprang, das bezeugen augenfällig die liturgischen und anderen wissenschaftlichen Urkunden, die die Heilige Kongregation der Glaubensverbreitung in verschiedenen orientalischen Sprachen veröffentlichen ließ. Desgleichen auch die kostbaren orientalischen Handschriften, die die Vatikanische Bibliothek fleißig gesammelt und gewissenhaft aufbewahrt hat.

Sorge der Päpste zur Förderung der Orientkunde

7 Dabei blieb man jedoch nicht stehen. Unsere jüngsten Vorgänger sahen, wie Wir oben andeuteten, sehr gut ein, dass zur Pflege der Liebe und gegenseitigen Hochschätzung eine reichere Kenntnis des Ostens im Abendlande viel beitrage. So hat man alle Kraft angespannt, um sich diesen großen Wert zu sichern. Zeuge ist Gregor XVI.. Ehe er zur Papstwürde erhoben wurde, hatte er sich über die russischen Verhältnisse ein sehr genaues Urteil verschafft. In eben dem Jahre allerdings, in dem er mit einer päpstlichen Sendung zu Alexander I. betraut werden sollte, hat er den unerwarteten Tod des Zaren von Russland beklagen müssen. Zeuge ist Pius IX., der vor und nach dem Vatikanischen Konzil die Veröffentlichung orientalischer Riten und Volksüberlieferungen angelegentlich empfohlen hatte. Zeuge ist Leo XIII., der Koppten und Slawen, überhaupt alle Orientalen mit so lieber Hirtensorge umhegte, dass er, abgesehen von der neuen Kongregation der Augustiner von der Himmelfahrt Mariä, auch andere religiöse Genossenschaften zum Studium und zur Förderung der Orientkunde anregte, dass er den Orientalen selbst neue Kollegien in ihrer Heimat und auch hier in Rom errichtete, dass er der heute noch blühenden und Uns sehr nahestehenden Jesuitenuniversität in Beirut hohes Lob spendete. Zeuge ist Pius X., der das päpstliche Bibelinstitut in Rom gründete und dadurch in weiten Kreisen Begeisterung für den Orient und seine Sprachen aufs neue und mit viel glücklichem Ernteertrag weckte.

Sorge Papst Benedikt´s XV.

8 Die väterliche Obsorge für die Völker des Ostens übernahm Unser letzter Vorgänger Benedikt XV. wie ein heiliges Vermächtnis von Pius X.. Mit allem Eifer nahm er sie auf, nach besten Kräften dem Osten Schutz und Gedeihen zu sichern. Er organisierte die Kongregation für die Riten und alle Angelegenheiten des Orients. Er beschloss, "ein eigenes Heim für wissenschaftliche Orientkunde hier in Rom, der Hauptstadt der Christenheit, zu stiften". Es sollte "mit allem, was der wissenschaftliche Betrieb heutigentags fordert, ausgerüstet sein und sich auszeichnen durch Professoren von allseitiger Erfahrung und von guter Kenntnis des Orients" <ref>Papst Benedikt XV., Motu proprio "Orientis catholici" vom 15. Oktober 1917, Acta Ap. Sedis IX [1917] Nr. 11, S. 531-533</ref>. Ja es sollte sogar berechtigt sein, "die Doktorwürde zu verleihen, wenn auch nur in denjenigen Disziplinen, die auf den christlichen Orient Bezug haben"<ref>Papst Benedikt XV., Apostolisches Schreiben "Quod nobis" vom 25. September 1920; Acta Ap. Sedis XII [1920] Nr. 11, S. 440-441</ref>. Dieses Institut sollte nicht bloß Orientalen offensten, darunter sogar denen, die von der katholischen Einheit getrennt sind, sondern vor allem lateinischen Priestern, die sich der heiligen Wissenschaft widmen oder bei den Orientalen Seelsorge übernehmen wollten. Höchstes Lob gebührt jenen Gelehrten, die fast vier Jahre lang die jungen Almumnen dieses Instituts in den orientalischen Lehrfächern mit emsigen Fleiß unterwiesen haben.

Verlegung des Orientalischen Instituts und der Jesuitengeneral

9 Der Entwicklung dieses zeitgemäßen Instituts war indes die unangenehme Tatsache im Wege, dass es zwar ganz in der Nähe des Vatikans, aber zu weit von dem dichtest bevölkerten Stadtteile Roms lag. Was Benedikt XV. schon zu tun gedachte, wollten Wir deshalb gleich bei Antritt des Pontifikats verwirklichen. So bestimmten Wir die Verlegung des Orientalischen Instituts in das Heim des Bibelinstitutes, das ja mit seinen Arbeiten und Zielen nahe verwandt ist. Das Orientalische Institut sollte jedoch getrennt bleiben und zwar in der Absicht, dass Wir ihm, sobald sie es machen ließe, ein eigenes Heim geben würden. Wir wollten sodann verhüten, dass es jemals später an fachmännischen Professoren der Orientalwissenschaft fehle. Das glaubten Wir leichter erreichen zu können, wenn Wir eine einzige Ordensfamilie mit dieser wichtigen Angelegenheit betrauen. Deshalb haben Wir in einem eigenem Schreiben<ref>"Decessor noster", Acta Ap. Sedis XIV [1922] Nr. 15, S. 545-546</ref> vom 14. September 1922 den General der Gesellschaft Jesu angewiesen, er möge gemäß seiner Liebe und gemäß seinem schuldigen Gehorsam gegen den Heiligen Stuhl und den Statthalter Christi allen Schwierigkeiten zum Trotz die gesamte Verwaltung des Instituts unter folgenden Vorraussetzungen übernehmen: Die Oberleitung des Instituts verbleibt Uns selbst und Unseren Nachfolgern. Sache des Jesuitengenerals ist es, zu den reichlich schweren Aufgaben des Instituts die geeigneten Kräfte, sei es als Direktor, sei es als Professoren heranzuziehen. Er soll ferner stets diejenigen, die er als Lehrer der verschiedenen Disziplinen des Instituts auszusuchen gedenkt, persönlich und durch den Direktor Uns und Unseren Nachfolgern zur Genehmigung vorschlagen, sowie schließlich über alles Bericht erstatten, was zur Erhaltung und Entwicklung des Institutes von Belang zu sein scheint.

[Fortsetzung folgt]

Anmerkungen

<references />