Philosophia perennis

Aus kathPedia
Zur Navigation springenZur Suche springen

Das Patrimonium philosophicum perenniter validum oder kurz die Philosophia perennis (lat., zu deutsch: "immerwährende", d.h. "überzeitliche";<ref>Pius XI.: überzeitliche Philosophie in: Enzyklika Firmissimam constantiam vom 28. März 1937, Nr. 19.</ref> dauerhaft gültiges philosophisches Erbe<ref> Zweite Vatikanische Konzil: innixi patrimonio philosophico perenniter valido: Dekret Optatam totius vom 28. Oktober 1965, Nr. 15.</ref>) bedeutet, dass die scholastischen bzw. neuscholastische Philosophie "von ihrer Zeitgebundenheit losgelöste Grundgedanken" besitzt, "in denen der überzeitliche Wert des aristotelisch und platonisch-augustinischen Denkens" sich offenbart und dauernd das katholische Geistesleben" befruchtet.<ref> Martin Grabmann in: Lexikon für Theologie und Kirche, 1. Auflage, Band IX 1937, Sp. 298-299.</ref> Sie ist kein "beliebiges kurzlebiges philosophisches System".<ref>Johannes Paul II. mahnt 1998, dass die Kirche sich nicht an ein beliebiges kurzlebiges philosophisches System binden könne." aus: Enzyklika Fides et ratio über das Verhältnis von Glaube und Vernunft vom 14. September 1998, Nr. 96, Anmerkung 112.</ref><ref>zum Wort System: Pius XI.: Apostolische Konstitution Deus scientiarum Dominus über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten vom 24. Mai 1931, Art. 29: In der philosophischen Fakultät soll die scholastische Philosophie gelehrt werden, und zwar so, dass die Hörer durch eine vollständige und zusammenhängende Synthese der Philosophie nach der Methode und den Grundsätzen des heiligen Thomas von Aquin ausgebildet werden. Nach dieser Lehre aber sollen die verschiedenen Systeme der Philosophen geprüft und beurteilt werden.</ref> Sie ist Teil der philosophischen Ausbildung der katholischen Priester.

Herkunft der beiden Begriffe

Herkunft des Begriffes "Philosophia perennls"

Der Ausdruck "Philosophla perennls" geht auf den Humanisten und Theologen Bischof Augustinus Steuchus (1496-1548) zurück und war ursprünglich Titel eines Werkes (1540), das die Übereinstimmung der aus Uroffenbarung und Philosophie stammenden Weisheit der alten Völker mit der christlichen Lehre darzulegen suchte. Nachdem Gottfried Wilhelm Leibniz die Geschichte der bei den Orientalen beginnenden und trotz häufiger Beimischung von Irrtümern im ganzen fortschreitenden Wahrheitserkenntnis gelegentlich "Phllosophla perennls" genannt hatte, griff die Neuscholastik dieses Wort auf und rechtfertigte durch den Hinweis auf eine längst gefundene bleibende Wahrheit ihren Rückgriff auf Aristoteles und Thomas von Aquin.<ref>Ludger Oeing-Hanhoff in: Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Auflage, Band 8, Sp. 471+472; Karl Schottenloher in: Band 9, Sp. 1063.</ref>

Herkunft des Begriffes "Patrimonium philosophicum perenniter validum"

Ab dem Zweiten Vatikanischen Konzil werden die Worte "immerwährende Philosophie" im Dekret Optatam totius (Nr. 15) noch um die Worte "Erbe" und "gültig" präzisiert<ref> und unterstreicht damit die von Martin Grabmann gegebene Definition von "Philosophla perennls" (siehe oben).</ref>:

Die philosophischen Disziplinen sollen so dargeboten werden, dass die Alumnen vor allem zu einem gründlichen und zusammenhängenden Wissen über Mensch, Welt und Gott hingeführt werden. Sie sollen sich dabei auf das stets gültige philosophische Erbe stützen (Vgl. Pius XII., Enz. Humani generis, 12. Aug. 1950: AAS 42 [1950] 571-575).

Dies wird dann in allen nachfolgenden päpstlichen Schreiben so beibehalten.

Inhalt und vorkommen der Begriffe

Philosophia perennis

Papst Leo XIII. nennt die scholastische<ref>auch Pius X. in: Pascendi Dominici gregis Nr. 41.</ref> bzw. Pius XI. die neuscholastische Philosophie Philosophia perennis. Sie bewahre wirksam gegen alle Arten moderner Irrtümer: sie befähige den Geist, das Wahre vom Falschen genau zu unterscheiden, und verleihe in den verschiedensten Fragen oder späteren Studien eine Klarheit des Denkens, die dem anderer, die diese philosophische Schulung nicht erhalten haben, weit überlegen sei, auch wenn diese mit einem ausgedehnteren Einzelwissen ausgerüstet seien.<ref>Enzyklika Ad catholici sacerdotii über die Heiligkeit des Priesterlebens vom 20. Dezember 1935, Nr. 68.</ref>

Papst Pius XII. sagt in der Enzyklika Humani generis 1950, dass es z. B. eine absolut wahre Metaphysik gebe und die Art des Philosophierens der "Philosophia perennis" der modernen Kultur und deren Bedürfnissen entspreche.<ref>Pius XII.: Enzyklika Humani generis über einige falsche Ansichten, die die Grundlagen der katholischen Lehre zu untergraben drohen vom 2. August 1950, Nr. 32.</ref>

Patrimonium philosophicum perenniter validum

Ab dem Dekret Optatam totius Nr. 15, des Zweiten Vatikanischen Konzil, wird stets die Bezeichnung in folgenden Schreiben verwendet:

Die Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis der Kongregation für das katholische Bildungswesen vom 6. Januar 1970:

Diese philosophische (Priester)-Ausbildung muss sich auf das stets gültige philosophische Erbe stützen, (VgI, Pius XII., Rundschreiben „Humani generis“, 12. August 1950: AAS, 42 (1950), S. 571-575; Paul VI., Ansprache „Nous sommes" an die Teilnehmer des VI, Internationalen Thomistischen Kongresses, 10. September 1965: Insegnamenti, 111, S. 445 ff.) dessen Gewährsleute die bedeutendsten christlichen Philosophen sind; diese haben fundamentale philosophische Prinzipien überliefert, die von bleibender Gültigkeit sind und gleichsam in der Natur selbst gründen.

Das Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen im Ökumenisches Direktorium (Teil 2) Spiritus Domini vom 16. April 1970:

In den philosophischen Kursen, die ein gründliches und zusammenhängendes Wissen über Mensch, Welt und Gott, gestützt auf das stets gültige philosophische Erbe, darbieten, soll man auch die philosophischen Systeme der Neuzeit behandeln und die Studenten mit deren Grundlagen bekannt machen. (Vgl. das Dekret des II. Vatikanischen Konzils "über die Ausbildung zum Priestertum": Optatam totius, Nr. 15).

Der Kongregation für das katholische Bildungswesen im Schreiben Das Philosophiestudium in den Seminaren am 20. Januar 1972:

Der fundamentale Wahrheitskern, der jeden historizistischen Relativismus und jeden materialistischen oder idealistischen Immanentismus ausschließt, entspricht jener soliden, einheitlichen Erkenntnis des Menschen, der Welt und Gottes , von der das 2. Vatikanische Konzil spricht („Optatam totius“, Nr. 15), wenn es dem Philosophieunterricht in den Seminarien die Weisung gibt, sich auf das reiche Geisteserbe der Vergangenheit zu stützen („innixi patrimonio philosophico pereneiter valido“, ebd.), doch zugleich aufnahmebereit zu sein für den vom neuen Denken immer wieder eingebrachten Reichtum („ratione habita quoque philosophicarum investigationum progredientis aetatis“, ebd.).

Die Apostolische Konstitution Sapientia christiana der Kongregation für das katholische Bildungswesen über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten vom 29. April 1979 (Art. 79. § 1):

Die kirchliche Philosophische Fakultät hat das Ziel, wissenschaftlich-methodisch die philosophischen Probleme zu erforschen und auf der Grundlage des bleibend gültigen philosophischen Erbes (Optatam totius, 15) im Lichte der menschlichen Vernunft nach deren Lösungen zu suchen sowie ihren Zusammenhang mit dem christlichen Welt-, Menschen- und Gottesbild aufzuzeigen, wobei die Beziehungen der Philosophie mit der Theologie ins rechte Licht gerückt werden.

Der Codex des kanonischen Rechtes 1983, can. 251:

Die philosophische Ausbildung, die sich auf das immer gültige philosophische Erbe stützen und auch Rücksicht auf die philosophische Forschung der fortschreitenden Zeit nehmen muß, ist so zu vermitteln, dass sie die menschliche Bildung der Alumnen vervollkommnet, ihren Verstand schärft und sie für die theologischen Studien fähiger macht.

Die Kongregation für das Katholische Bildungswesen ordnet im Dekret Ad operam zur Reform der kirchlichen Studien der Philosophie vom 28. Januar 2011 an:

Forschung und Lehre der Philosophie an einer kirchlichen Fakultät für Philosophie müssen sich auf das „immer gültige philosophische Erbe” stützen, wie es sich im Laufe der Geschichte, insbesondere im Werk des heiligen Thomas von Aquin entwickelt hat. Gleichzeitig soll die an einer kirchlichen Fakultät gelehrte Philosophie offen sein für die Ergebnisse, die neuere Forschungen erbracht haben und weiterhin erbringen. Es ist dabei wichtig, die weisheitliche und metaphysische Dimension der Philosophie zu betonen.<ref>Kongregation für das Katholische Bildungswesen: Dekret Ad operam zur Reform der kirchlichen Studien der Philosophie vom 28. Januar 2011, Art. 59.</ref> Und weiter oben: Sowohl für den Erwerb der intellektuellen „Habitus“ als auch für die ausgereifte Aufnahme des philosophischen Erbes gebührt der Philosophie des heiligen Thomas von Aquin eine herausragende Stellung.<ref>Kongregation für das Katholische Bildungswesen: Dekret Ad operam zur Reform der kirchlichen Studien der Philosophie vom 28. Januar 2011, Nr. 11-12.</ref>

Die Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis vom 8. Dezember 2016:

Was die Inhalte des philosophischen Studiums angeht, soll der systematischen Philosophie besondere Bedeutung zugemessen werden. Sie führt zu einem soliden und kohärenten Wissen über den Menschen, die Welt und Gott, da sie eine an Gedanken und Sichtweisen reiche Zusammenfassung gewährleistet. Diese Ausbildung muss auf dem dauerhaft gültigen philosophischen Erbe der großen christlichen Philosophen basieren.

Die Apostolische Konstitution Veritatis gaudium von Papst Franziskus über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten vom 8. Dezember 2017, Art. 64. § 1:

Forschung und Lehre der Philosophie an einer kirchlichen Fakultät für Philosophie müssen sich auf das „immer gültige philosophische Erbe” (vgl. can. 251 CIC und II. Vatikanisches Konzil, Dekret Optatam totius) stützen, wie es sich im Laufe der Geschichte, insbesondere im Werk des heiligen Thomas von Aquin entwickelt hat.
Art. 81. § 1: Die kirchliche Philosophische Fakultät hat das Ziel, wissenschaftlich-methodisch die philosophischen Probleme zu erforschen und auf der Grundlage des bleibend gültigen philosophischen Erbes (vgl.: Optatam Totius, 15: AAS 58 [1966] 722) im Lichte der menschlichen Vernunft nach deren Lösungen zu suchen sowie ihren Zusammenhang mit dem christlichen Welt-, Menschen- und Gottesbild aufzuzeigen, wobei die Beziehungen der Philosophie mit der Theologie ins rechte Licht gerückt werden.

Philosophische Fächer des Erbes, die zu studieren sind

Fächer des Erbes, die zu studieren sind, sind nach der Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis 2016 und nach der Apostolischen Konstitution Veritatis gaudium 2017: die Metaphysik, die Logik, die Philosophische Anthropologie, die Erkenntnislehre, die Ethik, die Theodizee, die Philosophiegeschichte, die Kosmologie, die Ästhetik, die politische Philosophie und die Religionsphilosophie.<ref>Kongregation für den Klerus: Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis: Das Geschenk der Berufung zum Priestertum vom 8. Dezember 2016, Nr. 158-164; Franziskus: Apostolische Konstitution Veritatis gaudium über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten 8. Dezember 2017, Art. 55, 66.</ref>

Kritik

Kritiker gehen nicht auf den Begriff dauerhaft gültiges philosophischen Erbe ein, sondern auf den Begriff Philosophia perennis vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil:

Heinrich Schmidinger sieht im Lexikon für Theologie und Kirche (3. Auflage 1993) die Philosophia perennis weit liberaler als die lehramtliche päpstliche Position. Sie stehe für die Vorstellung einer kontinuierlichen Tradition in der Philosophie des Abendlandes; der Gedanke gehe davon aus, dass durch alle geschichtlichen Veränderungen hindurch "die großen Systeme der Philosophie in den Antworten auf ihre zentralen Fragen übereinstimmten".<ref>Heinrich M. Schmidinger: Art. Philosophia perennis in: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Auflage, Band. 8, Sp. 248.</ref>

Gegen die These, die Heinrich Schmidinger im LThK vertritt, wenden einige dagegen ein, dass ein Fortbestehen desselben Gehalts über Zeiten, philosophische Systeme und Kulturen hinweg, aus hermeneutischen und historischen Gründen nicht haltbar sei; zudem seien in der Philosophia perennis Kriterien wie Alter und Kohärenz philosophischer Gehalte wirksamer als das Kriterium, dass eine philosophische Ansicht wohl begründet sei.<ref>Heinrich M. Schmidinger: Art. Philosophia perennis in: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Auflage, Band. 8, Sp. 249.</ref> Der Philosoph Nicolai Hartmann legte den Akzent der Philosophia perennis nicht auf die Inhalte des Philosophierens, sondern auf Problembereiche. Der katholische Philosoph und Theologe Gottlieb Söhngen forderte für eine Philosophia perennis eine Wende von neuscholastischen Engführungen zu einer zeitgemäßen Adaption des Problembezugs, die die "Ewigkeit" der Philosophie nicht in "problemlösenden" Inhalten, sondern als "regulative Idee" einer andauernden geschichtlichen Entwicklung sieht:

„Soll die Rede von einer Philosophia perennis besagen, ein bestimmter ‚Status‘ in der Philosophiegeschichte sei zu verewigen, z. B. die aristotelische Gedankenwelt des Thomas von Aquin, so wird philosophische Arbeit zum Ausgraben an Gräberpyramiden einer Gräberstadt und zu einer Art Grabmalpflege und Ahnengedächtnis. Das Ideal einer Philosophia perennis behält aber seinen rechten Sinn als regulative Idee, nicht als konstitutives Prinzip […]. Dem, der Philosophiegeschichte problemgeschichtlich zu lesen versteht, verbirgt sich in den sich wandelnden Problemstellungen und Problemlösungen nicht ihr dauernder Gehalt; aber dies Bleibende ist ein Ewiges, das sich in einer nie abreißenden geschichtlichen Entwicklung und einer Fülle sich auseinandersetzender und sich begegnender Problem- und Denkergestalten auszeitigt.“<ref>Gottlieb Söhngen, Philosophische Einübung in die Theologie, Erkennen – Wissen – Glauben, Freiburg-München: Alber 2. Aufl. 1964 (1. A. 1955), 40f. Ebenso ders., Die Einheit in der Theologie: gesammelte Abhandlungen, Aufsätze, Vorträge, München: Zink, 12. Aufl. 1952</ref>.

Anmerkungen

<references />