Nobilissima gallorum (Wortlaut)

Aus kathPedia
Zur Navigation springenZur Suche springen
Enzyklika
Nobilissima gallorum

von Papst
Leo XIII.
an die Bischöfe Frankreichs
Die Bedeutung des Zusammenlebens von Kirche und Staat -
zur religiösen Frage in Frankreich
8. Februar 1884

(Offizieller lateinischer Text: ASS XVI (1883) 241-248)

(Quelle: Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, Hrsg. Arthur Utz + Birgitta Gräfin von Galen, XXV 1-11, S. 2514-2527; Scientia humana Institut Aachen 1976, (Imprimatur Friburgi Helv., die 2. decembris 1975 Th. Perroud, V.G. Die Nummerierung folgt der englischen Fassung; in deutscher Sprache auch in: Leo XIII., Lumen de coelo II., - Bezeugt in seinen Allocutionen, Rundschreiben, Constitutionen, öffentlichen Briefen und Akten, Buch und Verlag Rudolf Brzezowsky & Söhne Wien 1890, S. 177-186, in Fraktur abgedruckt)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder,
Gruß und Apostolischen Segen !

Historischer Rückblick auf die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Frankreich

1 Das edle französische Volk hat in Krieg und Frieden viele große Taten vollbracht, durch die es sich gegenüber der Kirche besondere Verdienste erworben hat, die ihm ewige Dankbarkeit und unvergänglichen Ruhm eingebracht haben. Da es unter Anführung des Königs Chlodwig schon früh den christlichen Glauben angenommen hatte, wurde es als rühmliches Zeugnis für seinen Glauben und seine Frömmigkeit und als Lohn zugleich "die älteste Tochter der Kirche" genannt. Seit dieser Zeit, Ehrwürdige Brüder, erschienen eure Vorfahren wegen ihrer großen und rühmenswerten Taten oft als die Helfer der göttlichen Vorsehung; vor allem wurden ihre Tugenden berühmt in der Verteidigung der katholischen Sache überall auf der Erde, in der Verbreitung des christlichen Glaubens bei den heidnischen Völkern, in der Befreiung und dem Schutz der heiligen Stätten in Palästina, sodass nicht ohne Grund jenes alte Wort "gesta Dei per Francos" zum Sprichwort wurde. Aus all diesen Gründen konnte es auch geschehen, dass sie sich voll Treue für die katholische Sache einsetzten und dadurch in gewisser Weise auch am Ruhm der Kirche teilnehmen konnten, und dass sie zahlreiche öffentliche und private Institutionen gründeten, die die außerordentliche Kraft ihrer Frömmigkeit, Wohltätigkeit und Großmut erkennen ließen. Diese Tugenden eurer Vorfahren haben die Römischen Päpste, Unsere Vorgänger, in höchstem Maße anerkannt und, wie sie es verdienten, mit Wohlwollen erwidert, und viele Male haben sie den Namen Frankreichs durch ihr Lob verherrlicht. Das höchste Lob aber haben Innozenz III. und Gregor IX., diese großen Leuchten der Kirche, euren Vorfahren gespendet. Ersterer sagte in seinem Schreiben an den Erzbischof von Reims: "Frankreich lieben Wir mit einer ganz besonderen Vorliebe, weil es mehr als alle Reiche der Welt dem Apostolischen Stuhl und Uns immer willfährig und ergeben war." Letzterer schrieb an den hl. Ludwig IX., dass in Frankreich, "in dem die Treue zu Gott und der Kirche durch nichts erschüttert werden konnte, niemals die Freiheit der Kirche aufgehoben wurde, zu keiner Zeit der christliche Glaube seine Kraft verloren hat; zu ihrem Schutz haben die Könige und das Volk dieses Königreiches niemals gezögert, ihr eigenes Blut zu vergießen und sich zahllosen Gefahren auszusetzen". - Gott der Schöpfer der Natur, von dem die Staaten schon hier auf Erden den Lohn für ihre Tugend und Rechtschaffenheit empfangen, hat den Franzosen vielfachen Wohlstand verliehen, Ruhm im Kriege, die Künste im Frieden, einen ehrenvollen Namen, die Herrschaft über ein großes Reich. Wenn jedoch Frankreich gelegentlich sich selbst vergass, wenn es sich der ihm von Gott übertragenen Mission zeitweilig entzog und es vorzog, eine feindliche Haltung gegenüber der Kirche einzunehmen, so ist es doch durch einen großen Gnadenerweis Gottes nie auf lange Zeit, noch vollständig in die Irre gegangen. Wäre es doch auch aus den für die Religion und den Staat verhängnisvollen Ereignissen, die sich in den unserer Epoche näherliegenden Zeiten zugetragen haben, unbeschadet hervorgegangen! Nachdem jedoch der Geist der Menschen vom Gift der modernen Ideen durchdrungen war und nach und nach in wildem Freiheitsdrang die Autorität der Kirche abzulehnen begann, war der Kurs in den Abgrund vorgezeichnet. Denn da das tödliche Gift dieser Doktrinen die Sitten der Menschen beeinflusst hatte, ist ein großer Teil der menschlichen Gesellschaft nach und nach anscheinend dahin gekommen, sich ganz und gar von den christlichen Grundsätzen lossagen zu wollen. Zur Verbreitung dieses Übels in ganz Frankreich haben nicht wenig jene einer falschen Philosophie anhängenden Philosophen des vergangenen Jahrhunderts beigetragen, die die Fundamente der christlichen Wahrheit zu untergraben begannen und jene philosophische Richtung grundlegten, die den bereits unmäßig gesteigerten Freiheitsdrang noch heftiger entflammte. Noch mehr ist es die Schuld jener, die sich in ohnmächtigem Hass gegen die göttlichen Dinge zu frevelhaften Gesellschaften zusammentaten und tagtäglich begieriger danach trachteten, der katholischen Sache zu schaden; ob jedoch in Frankreich mit größerer Leidenschaft als anderswo, kann niemand besser beurteilen als Ihr, Ehrwürdige Brüder.

Der Staat, der die Ehrfurcht vor Gott verliert, bewirkt seinen eigenen Untergang

2 Deshalb hat die väterliche Liebe, mit der Wir alle Völker umgeben und die Uns schon bei anderen Gelegenheiten dazu bewogen hat, insbesondere die Völker Irlands, Spaniens, Italiens durch Briefe an ihre Bischöfe zu gegebener Zeit an ihre Pflicht zu erinnern, Uns nunmehr dazu gedrängt, Unsere Gedanken und Überlegungen Frankreich zuzuwenden. - Alle die erwähnten Umsturzpläne schaden nämlich nicht nur der Kirche, sie sind vielmehr auch für die Republik verderblich und verhängnisvoll, denn es ist unmöglich, dass einem Staat die Wohlfahrt erhalten bleibt, wenn einmal die Kraft der Religion ausgelöscht ist. Und in der Tat, wo der Mensch aufhört, Gott zu verehren, da schwindet das stärkste Fundament der Gerechtigkeit, ohne die, wie selbst heidnische Weise zugegeben haben, die öffentlichen Angelegenheiten nicht richtig geführt werden können; denn weder wird die Autorität der Staatsoberhäupter die genügende sittliche Würde, noch werden die Gesetze die genügende Kraft haben. Bei einem jeden wird die Nützlichkeit höher gewertet als die Ehrenhaftigkeit, die Unverletzlichkeit der Rechte wird erschüttert, da diese nur schlecht durch die Furcht vor Strafen geschützt werden; die Herrschenden werden zu ungerechter Gewaltherrschaft, die Untertanen beim geringsten Anlass zu Aufruhr und Unruhen neigen. - Da im übrigen nichts Gutes in der Natur der Dinge liegt, das nicht aus der göttlichen Güte stammt, muss jede menschliche Gesellschaft, die Gott aus ihrer Staatsverfassung und Gesellschaftsordnung fernhalten will, auch die Hilfe der göttlichen Wohltaten zurückweisen, und es ist daher nur angemessen, dass ihr der Schutz des Himmels versagt bleibt. Mag sie noch so mächtig durch ihre Truppenstärke und noch so reich an materiellen Gütern sein, sie trägt doch in ihrem Innern selbst die Saat ihres Untergangs und kann keine Hoffnung auf dauernden Bestand haben. Denn für die christlichen Völker wie für die einzelnen Individuen ist es heilsam, Gottes Geboten zu folgen, und gefährlich, von ihnen abzuweichen; darum geschieht es ihnen auch zumeist, dass sie in Zeiten, in denen sie Gott und der Kirche die Treue halten, irgendwie auf natürliche Weise zu höchstem Wohlstand gelangen, wenn sie aber jene vernachlässigen, auch diesen zugrunde richten. Derartige Zusammenhänge kann man den Annalen aller Zeiten entnehmen; Wir könnten zahlreiche Beispiele hierfür aus Eurem eigenen Lande und aus jüngerer Zeit anführen, wenn Wir die Zeit hätten, nur an jene des vergangenen Jahrhunderts zu erinnern, als die Entfesselung der Massen das entsetzte Frankreich bis auf den Grund erschütterte und die religiösen und profanen Dinge gemeinsam in den Untergang riss. Dagegen würde alles, was den sicheren Untergang des Staates herbeiführen könnte, leicht abzuwenden sein, wenn bei der Gründung und Leitung der häuslichen wie der staatlichen Gemeinschaft die Gebote der katholischen Religion befolgt würden. Sie sind nämlich zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zum Wohl des Staates in besonderer Weise geeignet.

3 Was nun zunächst die häusliche Gemeinschaft betrifft, so ist es von höchster Wichtigkeit, dass die Kinder christlicher Eheleute frühzeitig in den Geboten der Religion unterrichtet werden und dass jene Wissenschaften, in denen das Kindesalter zur höheren Bildung unterwiesen wird, mit dem Religionsunterricht verbunden werden. Die einen von dem anderen zu trennen, bedeutete tatsächlich zu wollen, dass die Seelen der Kinder zur Gleichgültigkeit bezüglich ihrer Pflichten gegenüber Gott bewogen werden; eine solche Erziehung ist trügerisch, vor allem im frühen Kindesalter verhängnisvoll, da sie in Wahrheit auf den Weg zum Atheismus führt und den Weg zur Religion versperrt. Gute Eltern müssen überhaupt dafür sorgen, dass ihr Kinder, sobald sie zu lernen anfangen, auch die Vorschriften der Religion lernen und dass ihnen in den Schulen nichts begegnet, was der Integrität von Glaube und Sitten schaden könnte. Diese Sorgfalt bezüglich des Unterrichts der Kinder ist durch das göttliche wie das natürliche Gesetz befohlen, und die Eltern können durch gar nichts von diesem Gesetz befreit werden. Die Kirche, die die Unverletzlichkeit des Glaubens schützt und bewahrt und die von Gott ihrem Schöpfer die Autorität empfangen hat, muss alle Völker zur christlichen Weisheit ermahnen und aufmerksam darüber wachen, nach welchen Vorschriften und Grundsätzen die Jugendlichen, die ihrer Amtsgewalt unterstehen, gebildet werden; sie hat deshalb auch die so genannten gemischten oder neutralen Schulen öffentlich verurteilt und immer wieder die Familienväter ermahnt, dass sie in einer so wichtigen Sache höchste Wachsamkeit walten lassen und Vorsichtsmaßnahmen treffen. In all diesen Dingen der Kirche gehorchen, ist zugleich nützlich und die beste Art und Weise, für das öffentliche Wohl zu sorgen. Denn wer im frühesten Alter nicht in der Religion unterwiesen wurde, wächst heran ohne Kenntnis der höchsten Dinge, die allein in den Menschen das Tugendstreben nähren und die der Vernunft widerstrebenden Begierden mäßigen können. Es sind die Begriffe von Gott dem Schöpfer, von Gott dem Richter und Vergelter, von Lohn und Strafe, die im jenseitigen Leben zu erwarten sind, von den himmlischen Gnaden, die von Jesus Christus zur treuen und gewissenhaften Pflichterfüllung geschenkt werden. Wo dies nicht gewusst wird, ist alle weitere Bildung der Seelen nicht recht gesund; die Jugendlichen, die nicht gewohnt sind, Gott zu fürchten, werden die Ordnung eines rechtschaffenen Lebens nicht ertragen können und sich, da sie es nicht wagen, ihren Begierden irgendetwas zu verweigern, leicht dazu hinreissen lassen, Unruhen im Staat zu stiften.

Friedliche Beziehungen zwischen Kirche und Staat

4 Nun zu jenen in gleicher Weise höchst heilsamen und wahren Lehren, die die bürgerliche Gesellschaft und die gegenseitigen Rechte und Pflichten der religiösen und der politischen Gesellschaft betreffen. - Denn wie es auf Erden zwei vollkommene Gesellschaften gibt, die staatliche, deren unmittelbares Ziel es ist, das zeitliche und irdische Wohl der Menschheit zu bewirken, und die religiöse, deren Aufgabe darin besteht, den Menschen zu jenem wahren Glück zu führen, für das wir geschaffen sind, dem himmlischen und ewigen, so gibt es auch eine doppelte Gewalt; beide sind dem ewigen und natürlichen Gesetz unterworfen, und in den Dingen, die ihre jeweilige Ordnung und Befehlsgewalt betreffen, entscheidet jede einzelne für sich. Wenn aber über irgendetwas bestimmt werden muss, worüber zu bestimmen beide Gewalten, wenn auch aus verschiedenen Gründen und in verschiedener Weise, jedoch alle beide, das Recht haben, ist das gute Einvernehmen zwischen ihnen notwendig und für das öffentliche Wohl von Nutzen; wo dieses fehlt, entsteht unweigerlich eine ungewisse und unbeständige Situation, bei der weder in der Kirche noch im Staate Frieden herrschen kann. Wenn jedoch aufgrund geschlossener Verträge zwischen der kirchlichen und der staatlichen Gewalt etwas vereinbart wurde, dann ist es sowohl im Interesse der Gerechtigkeit als auch ebenso in dem des Staates, dass das Einvernehmen ungemindert bestehen bleibt; wenn daher beide die gegenseitigen Verpflichtungen erfüllen, dann erwächst jeder Seite ein entsprechender Nutzen.

5 In Frankreich hat zu Beginn dieses Jahrhunderts nach Beendigung der voraufgegangenen gewaltigen politischen Wirren und der Schreckensherrschaft die Regierung der Republik selbst eingesehen, dass kaum etwas den durch die Katastrophen ermatteten Staat besser wiederaufrichten könnte als die Wiedereinführung der katholischen Religion. Unser Vorgänger Pius VII. hat in Voraussicht der zu erwartenden Vorteile dem Willen des Ersten Konsuls entsprochen und soviel Entgegenkommen und Nachsicht gezeigt, wie es sein Amt zuließ. - Nachdem so eine Vereinbarung über die wichtigsten Punkte erzielt worden war, wurden die Fundamente gelegt und ein sicherer Weg gebahnt, der zur Wiederherstellung und allmählichen Festigung der Religion geeignet war. Und tatsächlich wurden in jener und in der folgenden Zeit viele klug bedachte Vereinbarungen getroffen, die die Sicherheit und die Ehre der Kirche betrafen. Sie hat daraus sehr großen Nutzen gezogen, der umso mehr zu würdigen ist, als vorher in Frankreich alles Religiöse unterdrückt und schwer heimgesucht worden war. Nach Wiederherstellung des öffentlichen Ansehens der Religion lebten auch die christlichen Institutionen wieder auf; aber es ist erstaunlich, wie viel Gutes auch für das Gedeihen des Staates daraus entstand. Denn der kaum den stürmischen Fluten entstiegene Staat, der energisch nach einem festen Fundament für die öffentliche Ruhe und Ordnung suchte, erkannte, dass er das Gesuchte am leichtesten durch die katholische Religion erlangen konnte; so wurde auch klar, dass der Rat, ein Konkordat zu schließen, der Rat eines klugen und um das Wohl des Volkes besorgten Mannes war. Deshalb sollte, selbst wenn es sonst keine Gründe dafür gäbe, eben der gleiche Grund, der damals die Aufnahme friedlicher Beziehungen forderte, jetzt auch zu ihrer Aufrechterhaltung drängen. Denn bei der allenthalben entflammten Sucht nach Neuerungen, bei der ungewissen Zukunft wäre es höchst unbesonnen und gefährlich neuen Anlass zu Zwietracht zwischen den beiden Gewalten zu geben und der Kirche Hemmnisse in den Weg zu legen, die ihren wohltätigen Einfluss mindern oder ganz beseitigen. Dass aber gegenwärtig derartige Gefahren heraufziehen, sehen Wir nicht ohne Besorgnis und Angst; denn vieles ist schon geschehen und geschieht noch immer,- was dem Wohl der Kirche nicht zuträglich ist, seitdem nicht wenige voll Erbitterung unentwegt Verdacht und Neid gegen die katholischen Institutionen provozieren und dem Volke einreden, sie sei die Feindin des Staates. Nicht geringere Besorgnis und Angst bereiten Uns die Pläne derjenigen, die Kirche und Staat trennen und das nutzbringende und rechtmäßig abgeschlossene Konkordat mit dem Apostolischen Stuhl früher oder später auflösen wollen.

Die Kirche Frankreichs angesichts der Gefahr des Antiklerikalismus

6 Wir selbst haben bei dieser Sachlage nichts unterlassen, was die Zeitumstände zu fordern schienen. Wir haben, so oft es angebracht schien, Unseren Apostolischen Legaten angewiesen, die entsprechenden Schritte zu unternehmen, worauf die Regierungen der Republik versicherten, dass sie im Geiste der Gerechtigkeit und Billigkeit darauf eingehen würden. - Wir selbst haben, als das Gesetz über die Auflösung der Ordenskollegien erlassen wurde, in einem Schreiben an Unseren geliebten Sohn, den Kardinal-Erzbischof von Paris, Unserer Meinung öffentlich Ausdruck verliehen. In ähnlicher Weise haben Wir im Juni vergangenen Jahres in einem Schreiben an den Präsidenten der Republik Unser Bedauern über all das ausgedrückt, was zum Schaden der Seelen und unter Verletzung der Rechte der Kirche geschehen ist. Wir haben dies getan, weil die Heiligkeit und Größe Unseres Apostolischen Amtes Uns dazu veranlassten, aber auch, weil Wir lebhaft wünschen, dass die von den Vätern und Ahnen überkommene Religion in Frankreich heilig und unverletzt bewahrt wird. Auf diese Weise werden Wir mit der gleichen ununterbrochenen Ausdauer auch in Zukunft stets die katholische Sache in Frankreich verteidigen. - In der Erfüllung dieser gerechten, Uns verpflichtenden Aufgabe habt Ihr, Ehrwürdige Brüder, Uns stets kraftvoll unterstützt. Denn obwohl Ihr dem Schicksal der Ordensleute nur mit Bedauern zusehen konntet, habt Ihr doch getan, was in Eurer Macht stand, damit jene, die sich nicht weniger um den Staat als um die Kirche Verdienste erworben haben, nicht ohne Verteidigung unterliegen mussten. Gegenwärtig ist es Eure größte Sorge, dass den Jugendlichen, soweit es die Gesetze zulassen, gute Unterrichtsmöglichkeiten in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen; und Ihr habt es auch nicht unterlassen,darauf hinzuweisen, wie verhängnisvoll auch für den Staat die gegen die Kirche gerichteten Pläne sind. Aus all diesen Gründen kann niemand Euch zu Recht beschuldigen, dass Ihr von allzu menschlicher Rücksichtnahme getrieben oder dass Ihr Feinde der bestehenden Republik seid; denn wenn es sich um die Ehre Gottes handelt, wenn das Heil der Seelen auf dem Spiele steht, ist es Eure Pflicht, all dies zu schützen und zu verteidigen. - Fahrt also fort, klug und kraftvoll zu tun, was Euer bischöfliches Amt von Euch fordert: die Gebote der himmlischen Lehre zu verkünden und in den großen Schwierigkeiten der Gegenwart dem Volk zu zeigen, welchen Weg es einzuschlagen gilt. Es ist vor allem nötig, dass Ihr im Denken und Wollen einmütig seid und dass Ihr dort, wo es um die gemeinsame Sache geht, auch die gleiche Verhaltensweise zeigt. Sorgt dafür, dass nirgendwo Schulen fehlen, in denen die Schüler mit der Lehre von den himmlischen Gütern und den Pflichten gegen Gott in gewissenhaftester Weise vertraut gemacht werden und wo sie lernen, die Kirche in ihren innersten Werten zu begreifen und ihren Worten zu gehorchen, bis sie erkennen und spüren, dass alle Opfer, die ihretwegen gebracht werden, leicht erträglich zu erachten sind.

7 Frankreich ist reich an Beispielen hervorragender Männer, die für den christlichen Glauben keine Unbill und selbst das Opfer des Lebens nicht gescheut haben. Gerade in den großen Wirren, die Wir erwähnt haben, gab es viele Menschen voll ungebrochenen Glaubens, die durch ihre Tugend und das Opfer ihres Lebens die Ehre des Vaterlandes gerettet haben. Auch in unseren Tagen sehen Wir, dass die Tugend in Frankreich sich mit Gottes Hilfe inmitten der Nachstellungen und Gefahren behauptet. Der Klerus erfüllt seine Pflicht, und mit der Liebe, die den Priestern eigen ist, ist er stets eifrig auf das Wohl des Nächsten bedacht. Die Laien bekennen zum größten Teil offen und furchtlos ihren katholischen Glauben; sie wetteifern darin, ihre Ergebenheit gegenüber dem Apostolischen Stuhl in mannigfacher Weise und häufig zu beweisen; mit großem Kostenaufwand und Anstrengungen sorgen sie für die Erziehung der Jugend, und mit bewundernswürdiger Großmut und Freigebigkeit schaffen sie Abhilfe bei öffentlichen Notständen.

8 All das Gute, das eine glückliche Zukunft für Frankreich erhoffen lässt, muss nicht nur bewahrt, sondern in gemeinsamer Anstrengung und niemals nachlassendem Eifer noch vermehrt werden. Vor allem ist darauf zu achten, dass die Zahl der Geistlichen mehr und mehr durch geeignete Persönlichkeiten wächst. Die Priester sollen die Autorität ihrer Bischöfe achten; sie sollen bedenken, dass ihr priesterliches Amt, sofern es nicht unter der Leitung der Bischöfe ausgeübt wird, weder heilig, noch nutzbringend, noch ehrenwert sein kann. - So dann ist es notwendig, dass auserlesene Männer aus dem Laienstand, die die gemeinsame Mutter aller, die Kirche, lieben und die in Wort und Schrift die Interessen der katholischen Sache mit Erfolg verteidigen können, große Anstrengungen zum Schutz der Religion machen. Um aber den gewünschten Erfolg zu erlangen, ist Eintracht im Wollen und Handeln von höchster Wichtigkeit. Denn nichts erstreben die Feinde mehr als Zwietracht unter den Katholiken; diese sollen daher nichts so sehr fliehen als die Zwietracht, eingedenk des göttlichen Wortes: ,Jedes Reich, das in sich selbst uneins ist, zerfällt".

9 Wenn es daher um der Eintracht willen notwendig sein sollte, dass jemand von seiner Meinung oder seinem Urteil ablasse, so tue er es gern im Hinblick auf den gemeinsamen Vorteil. Die Schriftsteller mögen sich angelegentlich bemühen, diese Eintracht der Geister in allem zu bewahren; sie sollen das gemeinsame Interesse aller über den eigenen Vorteil stellen; sie sollen die gemeinschaftlichen Unternehmungen fördern; sie sollen den Anweisungen derjenigen, die "der Heilige Geist als Bischöfe eingesetzt hat, damit sie die Kirche Gottes regieren", bereitwillig Folge leisten und ihre Autorität achten; auch sollen sie nichts gegen ihren Willen unternehmen, denn da, wo es um den Kampf für die Religion geht, muss man ihnen wie Heerführern folgen.

10 Schließlich soll das ganze Volk unter Eurer Anleitung tun, was die Kirche stets in ungewissen Zeiten zu tun pflegte: Gott unablässig anflehen und beschwören, dass er sich Frankreich zuwende und seine Barmherzigkeit statt seinen Zorn walten lasse. Durch die Hemmungslosigkeit im Reden und Schreiben ist die göttliche Majestät vielfach beleidigt worden; auch gibt es viele, die nicht nur die Wohltaten des Erlösers Jesus Christus voll Undank zurückweisen, sondern sogar in gottloser Prahlerei behaupten, nicht einmal die Majestät Gottes anerkennen zu wollen. Diese Verwirrung im Denken und Handeln müssen die Katholiken durch großen Eifer im Glauben und in der Frömmigkeit wiedergutzumachen suchen und öffentlich bezeugen, dass ihnen nichts wichtiger ist als die Ehre Gottes, nichts teurer als die ererbte Religion. Jene vor allem, die Gott am innigsten verbunden sind, die ihr Leben in den Klöstern verbringen, mögen sich zu noch großmütigerer Liebe aufraffen und durch demütige Bitten, freiwillige Opfer und Hingabe ihrer selbst das göttliche Erbarmen erflehen. All dies wird, wie Wir zuversichtlich hoffen, mit Gottes Hilfe dazu führen, dass die Irrenden wieder zur Einsicht kommen und der Name Frankreichs seinen ursprünglichen Ruhm wieder gewinnt.

Schlusswort und Segen

11 Aus allem, was Wir bisher gesagt haben, mögt Ihr, Ehrwürdige Brüder, Unsere väterliche Gesinnung erkennen und die große Liebe, mit der Wir ganz Frankreich umgeben. Wir zweifeln nicht daran, dass dieses Zeugnis Unseres eifrigen Bemühens auch dazu dient, die so heilsamen engen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Apostolischen Stuhl zu festigen und zu mehren, die zu allen Zeiten nicht geringen gemeinsamen Nutzen bewirkt haben. - In dieser freudigen Hoffnung erflehen Wir für Euch, Ehrwürdige Brüder, und Euer ganzes Volk die reichste Fülle himmlischer Gaben. Als deren Unterpfand und als Zeichen Unseres besonderen Wohlwollens erteilen Wir Euch und ganz Frankreich voll Liebe im Herrn den Apostolischen Segen.

Gegeben zu Rom bei St. Peter, am 8. Februar 1884,

im sechsten Jahr Unseres Pontifikats.

Leo XIII. PP.

Weblinks