Negli ultimi (Wortlaut)

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Weihnachtsansprache
Negli ultimi

von Papst
Pius XII.
an das Kardinalskollegium
über Kirche und Frieden
24. Dezember 1945

(Offizieller italienischer Text AAS 38 [1946] 15-25)

(Quelle: Gerechtigkeit schafft Frieden, Reden und Enzykliken des Heiligen Vaters Pius XII., Herausgegeben von Wilhelm Jussen SJ, Hansa Verlag Josef Toth Hamburg 1946, S. 115-129 mit Sachregister, Kirchliche Druckerlaubnis Osnabrück am 9. Juli 1946 der bischöfliche Generalvikar Dr. Selig).

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


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Einleitung

1 In den letzten Jahren, Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, mussten wir alle an diesem Heiligen Abend den bitteren Gegensatz verkosten zwischen den Gesinnungen heiliger Freude, brüderlicher Liebeseinheit im Dienste des Herrn, welche die Wiederkehr des trauten Christfestes in die Herzen senkt und den traurigen Auftrieben der Rache und der Vergeltung, die die Welt beherrschen; zwischen den milden Klängen des "Gloria in excelsis Deo et in terra pax hominibus" und den wirren Stimmen des Hasses mitten im tosenden Lärm eines Bruderkrieges; zwischen der lichten Klarheit von Bethlehem und dem düsteren Schimmer der Feuerbrände; zwischen dem zarten Glanz, der vom Antlitz des himmlischen Kindes ausstrahlt und dem Kainszeichen, das noch lange der Stirn unseres Jahrhunderts eingebrannt bleiben wird.

2 Welch ein Aufatmen deshalb in unser aller Herzen bei der Kunde, dass der blutige Zwist ein Ende gefunden habe, zuerst in Europa, dann in Asien! Wie viel inständiges Beten war nicht in jenen langen Kampfjahren zum Thron des Allerhöchsten emporgestiegen, auf dass er die Tage der Betrübnis abkürze und die Hand der Engel zurückhalte, die die Schalen des Zornes Gottes durch die schuldige Welt tragen! Nunmehr wird die Menschheitsfamilie zum ersten Mal wieder durch Gottes Erbarmen ein Weihnachten feiern, an dem die Schrecken des Krieges zu Land, auf dem Meere und vor allem in der Luft die Herzen all der vielen nicht mehr mit Furcht und Todesangst erfüllen. Für diese Wendung der Dinge sei von uns allen dem Allmächtigen in Demut Dank gesagt.

3 Haben wir den Frieden auf Erden? Den wahren Frieden ? Nein, sondern nur die "Nachkriegszeit", ein schmerzlicher und allzu bezeichnender Ausdruck! Wie viel Zeit wird erfordert sein, um die materielle und sittliche Not zu beheben, welche "Mühen, bis so viele Wunden vernarbt sind! Gestern noch wurde auf ungeheuren Gebieten Zerstörung, Unglück und Elend gesät und heute, wo es um den Aufbau geht, beginnen die Menschen eben erst sich Rechenschaft darüber zu geben, wie viel Scharfsinn und Umsicht, wie viel Ehrlichkeit und guter Wille notwendig sind, um die Welt aus den Verwüstungen, den physischen und geistigen Ruinen wieder zum Recht, zur Ordnung und zum Frieden zu führen!

Eine Weihnacht der Erwartung und des Gebetes

So bleibt auch diese Weihnacht eine Zeit der Erwartung, der Hoffnung und des Gebetes zum menschgewordenen Sohne Gottes, damit Er, der "Rex pacificus, ... cuius vultum desiderat universa terra (Antiph. 1. in 1. Vesp. Nativ. Domini), der Welt Seinen Frieden gebe ...

4 Die Katholische Kirche, deren Mittelpunkt Rom ist, ist übernational durch ihr Wesen selbst. Das hat einen doppelten Sinn, einen verneinenden und einen bejahenden. Die Kirche ist Mutter, Sancta Mater Ecclesia, eine wahre Mutter, die Mutter aller Nationen und aller Völker nicht weniger als aller Menschen insgesamt und jedes einzelnen. Und gerade weil sie Mutter ist, gehört sie nicht und kann sie nicht ausschließlich diesem oder jenem Volke gehören und auch nicht einem Volke mehr und dem andern weniger, sondern allen gleicherweise. Sie ist Mutter und kann daher nirgends fremd sein. Sie lebt oder ist wenigstens ihrer Natur nach dazu bestimmt, in allen Völkern zu leben. Während außerdem die Mutter mit ihrem Gatten und ihren Kindern eine Familie bildet, stellt die Kirche kraft einer unvergleichlich innigeren Einheit als die einer Familie den mystischen Leib Christi dar. Die Kirche ist also übernational, weil sie ein unteilbares und universales Ganzes ist.

5 Die Kirche ist ein unteilbares Ganzes, weil Christus, ihr Haupt, ungeteilt und unteilbar ist. Christus mit Seiner Kirche ist, um einen tiefen Gedanken des heiligen Augustinus zu verwenden (Sermo 341 c. 1. Migne PL Bd. 39, Spalte 1439) der "totus Christus", der ganze Christus. Diese Ganzheit Christi bedeutet nach dem heiligen Kirchenlehrer die unteilbare Einheit des Hauptes und des Leibes "in plenitudine ecclesiae", in der Lebensfülle der Kirche, die alle Zonen und Zeiten der erlösten Menschheit ohne Ausnahme umfängt.

Die Übernationalität der Kirche

6 Fest und tiefverwurzelt ist die Kirche, mitten hineingestellt in die gesamte Menschheitsgeschichte, in das bewegte und aufgewühlte Kampffeld auseinanderstrebender Kräfte und sich widerstreitender Richtungen. Obwohl allen möglichen Anstürmen gegen ihre unteilbare Ganzheit ausgesetzt, ist sie doch weit davon entfernt, dadurch erschüttert zu werden, vielmehr strahlt sie noch aus ihrem eignen Ganzheits- und Einheitsleben immer neue Heil- und Einigungskräfte aus und lässt sie einströmen in die zerrissene und zerteilte Menschheit: Kräfte der einenden göttlichen Gnade, Kräfte des einenden Geistes, mich dem alle hungern, Wahrheiten, die immer und überall gelten, Ideale, die immer und überall entzünden.

7 Daraus sieht man, dass es ein frevelhaftes Unternehmen gegen den "totus Christus", gegen den Christus in Seiner Ganzheit war und gleichzeitig ein unheilvoller Anschlag auf die Einheit des Menschengeschlechtes, sooft man versucht hat, die Kirche gleichsam zu einer Gefangenen und Sklavin dieses oder jenes Einzelvolkes zu machen, sie in die engen Grenzen einer "Nation einzuschließen oder sie in die Verbannung zu schicken. Solche Zerstückelung der Ganzheit der Kirche lässt, je länger sie dauert, um so mehr die Völker, die ihre Opfer sind, der Wohltat des wahren und vollen Lebens verlustig gehen.

Die unteilbare Einheit der Kirche

8 Aber der nationale und staatliche Individualismus der letzten Jahrhunderte hat nicht allein die Ganzheit der Kirche zu verwunden, ihre geeinten und einigenden Kräfte zu schwächen und zu hemmen gesucht; jene Kräfte, die doch einstmals einen wesentlichen Anteil hatten an der Gestaltung des europäischen Abendlandes. Ein veralteter Liberalismus wollte ohne oder -gegen die Kirche eine Einheit schaffen mittels einer Laienkultur und eines verweltlichter- Humanismus. Da und dort folgte ihm als Frucht seiner auflösenden Tätigkeit und gleichzeitig als Feind der Totalitarismus. Mit einem Wort: was war nach kaum mehr als einem Jahrhundert das Ergebnis all jener Unternehmungen ohne oder oft gegen die Kirche? Das Grab gesunder menschlicher Freiheit, Zwangsorganisationen, eine Welt, die an Brutalität und Barbarei, an Zerstörungen und Ruinen, vor allem aber an unglückseliger Entzweiung und an Mangel von Sicherheit ihresgleichen nicht gekannt hatte.

Die Allgemeinheit der Kirche

9 In einer aufgewühlten Zeit gleich der unsrigen, muss die Kirche zum eigenen Wohl und zum Wohl der Menschheit alles tun, um ihre unteilbare und ungeteilte Ganzheit zur Geltung zu bringen. Sie muss heute mehr denn je übernational sein. Dieser Geist muss durchdringen und erfüllen ihr sichtbares Haupt, das Heilige Kollegium, die ganze Tätigkeit des heiligen Stuhles, dem besonders jetzt schwere Pflichten obliegen, nicht nur für die Gegenwart, sondern noch mehr für die Zukunft.

10 Es handelt sich hier vornehmlich um eine Geisteshaltung: den rechten Sinn zu besitzen für diese Übernationalität, sie nicht zu messen und zu bestimmen nach mathematischen Verhältnissen und nach strenger Statistik über die Nationalität der Einzelnen. In den langen Zeiträumen, in denen durch Fügung der Vorsehung die italienische Nation mehr als andere der Kirche ihr Oberhaupt und viele Mitarbeiter an der Zentralleitung des Heiligen Stuhles gegeben hat, bewahrte die Kirche aufs Ganze gesehen, stets unversehrt ihren übernationalen Charakter. Ja, nicht wenige Umstände haben gerade so mitgeholfen, sie von Gefahren zu schützen, die sich sonst hätten fühlbarer machen können. Man denke z. B. an die Kämpfe um die Vorherrschaft der europäischen Nationalstaaten und der großen Dynastien in den vergangenen Jahrhunderten.

11 Auch nach der Aussöhnung zwischen Kirche und Staat durch die Lateranverträge war der italienische Klerus in seiner Gesamtheit ohne Schaden für die natürliche und berechtigte Vaterlandsliebe immer eine zuverlässige Stütze und ein Anwalt der Übernationalität der Kirche. Wir wünschen und bitten, dass er es bleibe, besonders der junge Klerus in Italien und auf dem ganzen katholischen Erdkreis. Auf jeden Fall erfordern die heiklen gegenwärtigen Verhältnisse eine besonders wachsame Pflege jener Übernationaliiät und unteilbaren Einheit der Kirche.

12 Die Kirche ist übernational, weil sie alle Nationen und alle Völker mit gleicher Liebe umfängt; sie ist es, auch, wie Wir bereits andeuteten, weil sie nirgends fremd ist.

Sie lebt und entfaltet sich in allen Ländern der Welt und alle Länder der Welt tragen bei zu ihrem Leben und zu ihrer Entfaltung. Einst gestaltete sich das kirchliche Leben, so weit es sichtbar ist, vorzugsweise reich in den Ländern des alten Europa, von wo aus es sich wie ein majestätischer Strom in jene ergoss, die man die Randgebiete der Welt zu nennen pflegte; heute hingegen erscheint es wie ein Lebens- und Kräfteaustausch unter allen Gliedern des mystischen Leibes der Kirche auf Erden. So viele Gebiete in andern Kontinenten haben seit langem die Missionsform ihrer kirchlichen Organisation überschritten; sie sind der regelrechten Hierarchie eingegliedert und geben der Gesamtkirche geistliche und materielle Güter, während sie früher nur Empfangende waren.

13 Offenbart sich nicht in diesem Fortschritt und dieser Bereicherung des übernatürlichen und auch natürlichen Lebens der Menschheit der wahre Sinn der Übernationalität der Kirche? Sie steht infolge ihrer Übernationalität nicht gleichsam in einer Schwebe, in unerreichbarer und unberührbarer Ferne jenseits aller Nationen, sondern wie Christus mitten unter den Menschen sich bewegte, so wirkt auch die Kirche, in der Er fortlebt, inmitten der Völker. Wie Christus eine wahre Menschennatur annahm, so umschließt auch die Kirche in sich die Fülle allen echten Menschentums und erhebt es zum Quell übernatürlicher Kraft, wo immer und wie immer sie ihm begegnet.

Das Friedenswerk

14 So vollzieht sich mehr und mehr in der Kirche von heute, was der heilige Augustinus in seiner "Civitas Dei" gepriesen: "Die Kirche, so schreibt er, ruft ihre Bürger aus allen Völkern, und in allen Sprachen vereint sie ihre Pilgergemeinschaft auf Erden; sie sorgt sich nicht um die Verschiedenheit in Sitten, Gesetzen und Einrichtungen, sie bewahrt sie vielmehr und geht ihr nach. Auch das in den verschiedenen Nationen Verschiedene ist schließlich auf das eine und gleiche Ziel: den Frieden auf Erden hingeordnet, sofern es nur nicht der Verehrung des einzigen, höchsten und wahren Gottes in den Weg tritt" (De Civitate Dei, B. 19. K. 17- Migne PL. Bd. 41, Spalte 616)

15 Wie ein gewaltiger Leuchtturm sendet die Kirche in ihrer allumfassenden Ganzheit ihre Lichtstrahlen in die dunklen Tage, in denen wir leben. Nicht weniger umdüstert waren jene, in denen der große Kirchenlehrer von Hippo den anhebenden Untergang einer Welt sah, die er so sehr liebte. Damals stärkte ihn jenes Licht, und in seinem Aufdämmern begrüßte er wie in einer seherischen Schau das junge Morgenrot eines schöneren Tages. Seine Liebe zur Kirche, die nichts anderes war als seine Liebe zu Christus, war sein beseligender Trost. Mögen alle, die heute in den Leiden und Gefahren ihres Vaterlandes ähnliche Qualen wie Augustinus durchkosten, in der Liebe zur Kirche, dem allen gemeinsamen Heim, das nach göttlicher Verheißung bis ans Ende der Zeiten bleiben wird, gleich ihm Trost und Halt finden.

Wir Unsererseits wünschen dieses Haus immer haltbarer, immer wohnlicher zu gestalten für alle ohne Ausnahme. Deshalb wollen Wir nichts unterlassen, was die Übernationalität der Kirche sichtbar zum Ausdruck bringen könnte, als ein Zeichen ihrer Liebe zu Christus, den sie sieht und dem sie dient im Reichtum ihrer über die ganze Welt verstreuten Glieder.

16 In dieser Stunde, da wir die Geburt dessen feiern, der gekommen ist, die Menschen mit Gott und unter sich zu versöhnen, dürfen Wir es nicht unterlassen, ein Wort über das Friedenswerk zu sagen, das die führenden Schichten in Staat, Politik und Wirtschaft zu errichten unternommen haben.

Mit einer bisher nie erreichten Summe von Erfahrung, gutem Willen, politischer Weisheit und Organisationsmacht sind die Vorbereitungen zur Schaffung des Weltfriedens eingeleitet worden. Nie vielleicht, seit die Welt existiert, sahen sich die Lenker des öffentlichen Lebens vor einer Aufgabe, so umfassend und verwickelt durch, die Zahl, die Größe und die Schwierigkeit der zu lösenden Fragen, so folgenschwer in ihren Wirkungen in die Breite und Tiefe, zum Guten oder zum Bösen; wie es die Aufgabe ist: der Menschheit heute, nach drei Jahrzehnten der Weltkriege, der Wirtschaftskatastrophen und maßloser Verelendung wieder Ordnung, Frieden und Wohlfahrt zu geben. Gewaltig, furchtbar ist die Verantwortung jener, die sich anschicken, solch ein gigantisches Werk zu schaffen.

Die Grundvoraussetzungen eines wahren und dauerhaften Friedens

Es ist nicht unsere Absicht, Uns in die Prüfung praktischer Lösungen einzulassen, die sie dem so schwierigen Problem werden geben können. Wir glauben aber, dass es Uns zusteht, in Fortsetzung Unserer früheren Weihnachtsbotschaften während des Krieges, die sittlichen Grundvoraussetzungen eines wahren und dauerhaften Friedens aufzuzeigen. Sie seien in drei kurzen Erwägungen zusammengefasst:

17 1. Die gegenwärtige Stunde verlangt gebieterisch die Zusammenarbeit, den guten Willen, das gegenseitige Vertrauen aller Völker. Hass, Rache, Rivalität, Antagonismus, hinterlistige und unehrliche Konkurrenz müssen als Motive aus den politischen und wirtschaftlichen Erörterungen und Entschließungen ausgeschaltet bleiben. Wer darf sagen: "Ich habe ein reines Gewissen, ich bin frei von Schuld? Zweierlei Gewicht und zweierlei Maß: beides ist dem Herren ein Gräuel." (Proph. 20, 9. 10) Wer also Sühne für Schuld verlangt durch gerechte Bestrafung der Verbrecher nach dem Maße ihrer Verbrechen, muss peinlich darauf achten, das er nicht das Gleiche tue, was er den anderen als Schuld oder Verbrechen vorhält. Wer Wiedergutmachung will, muss sie fordern auf Grund der Sittenordnung, der Achtung vor den unverletzlichen Naturrechten, die auch jenen noch verbleiben, die sich dem Sieger bedingungslos ergeben haben. Wer Sicherheit für die Zukunft verlangt, darf nicht vergessen: die einzig zuverlässige Sicherung liegt in der eigenen innern Kraft, d. h. in der Sorge für die Familie, die Kinder, für Arbeit, in der Bruderliebe, im Verzicht auf jeglichen Hass, auf jegliche Verfolgung oder ungerechte Bedrückung ehrsamer Bürger, in der aufrichtigen Verständigung von Staat zu Staat, von Volk zu Volk.

18 2. Zu dem Zweck muss überall darauf verzichtet werden, durch die Macht des Geldes und willkürlicher Zensur, durch parteiische Beurteilung und falsche Behauptungen künstlich eine so genannte öffentliche Meinung zu schaffen, die Denken und Wollen der Wähler wie vom Wind bewegtes Schilfrohr hin und her treibt. Man lasse die wirkliche und große Mehrheit entsprechend zur Geltung kommen, das Verlangen jener, die ehrsam und ruhig von ihrer Arbeit inmitten ihrer Familien leben und den Willen Gottes erfüllen wollen. In ihren Augen stellen die Forderungen nach günstigeren Grenzziehungen, der Kampf um die Schätze der Erde, wenn auch beiden nicht unbedingt und von vornherein in sich selbst unsittlich ist, doch stets ein gefährliches Spiel dar, das man nicht wagen kann ohne die Gefahr eine Welt der Verwüstungen und des Todes heraufzubeschwören. Es ist die gewaltige Mehrheit der guten Familienväter und Familienmütter, die die Zukunft ihrer eignen Kinder hüten und schützen möchten gegen den Anspruch jeder reinen Machtpolitik, gegen den Willkür-Totalitarismus des starken Staates.

19 3. Die Gewalt des totalitären Staates! Grausame und blutige Ironie! Der ganze Erdkreis, gefärbt von dem in diesen grauenvollen Jahren vergossenen Blut, verkündet laut die Tyrannei dieses Staates!

Das Friedensgebäude würde auf wankendem und stets bedrohtem Grunde ruhen, wenn es solchem Totalitarismus nicht ein Ende bereitete, der den Menschen zu einer bloßen .. Figur im politischen Spiel, zu einer Nummer in den wirtschaftlichen Berechnungen erniedrigt. - Mit einem Federstrich ändert er die Grenzen der Staaten. Mit einer endgültigen Entscheidung entzieht er der Wirtschaft eines Volkes, die doch stets einen Teil des nationalen Lebens darstellt, alle natürlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Mit einer schlecht verheimlichten Grausamkeit treibt er Millionen von Menschen, Hunderttausende von Familien ins tiefste Elend hinein, weg von Haus und Hof, entwurzelt sie; reißt sie heraus aus einer Zivilisation und Kultur, an deren Aufbau ganze Generationen mitgearbeitet hatten. Er setzt der Notwendigkeit und dem Recht der Wanderung sowie dem Siedlungswillen willkürliche Grenzen. All das stellt ein mit der Würde und dem Wohl der Menschheit unvereinbares System dar. Ist doch nach Gottes Ordnung nicht der Machtwille zufälliger und wechselnder Interessengruppen, sondern der Mensch mit seiner Arbeit inmitten der Familie und der Gesellschaft der Herr der Welt. So scheitert jener Totalitarismus am einzigen Maßstab des Fortschritts, nämlich an der Schaffung immer umfassenderer und günstigerer Bedingungen für den Bestand und die Entfaltung der Familie als einer wirtschaftlichen, rechtlichen, sittlichen und religiösen Einheit.

20 Innerhalb der Grenzen jeder Einzelnation wie auch im Schoße der großen Völkerfamilie ist der Totalitarismus des starken Staates unvereinbar mit wahrer und gesunder Demokratie. Wie ein gefährlicher Bazillus vergiftet er die Gemeinschaft der Nationen und macht sie unfähig, die Sicherheit der einzelnen Völker zu sein. Er stellt eine dauernde Kriegsgefahr dar. Das zukünftige Friedenswerk will jedwede aggressive Gewaltanwendung, jeglichen Offensivkrieg aus der Welt verbannen. Wer würde ein solches Vorhaben und vor allem dessen wirksame Durchführung nicht von Herzen begrüßen? Wenn es aber nicht nur eine schöne Geste bleiben soll, muss alle Unterdrückung und alle Willkür nach innen und außen beseitigt werden.

21 Diesem unleugbaren Stand der Dinge gegenüber gibt es nur eine Lösung: die Rückkehr zu Gott und zu der von Gott gesetzten Ordnung. Je mehr sich die Schleier um das Werden und Wachsen der Kräfte lüften, die den Krieg zum Ausbruch gebracht haben, um so klarer zeigt es sich, dass sie die Erben, Träger und Fortsetzer von Irrtümern waren, denen als ein Wesenselement die Vernachlässigung, die Unterhöhlung, die Verneinung und Verächtlichmachung des christlichen Denkens und der christlichen Grundsätze eigen war.

22 Wenn also hier die Wurzel des Übels liegt, bleibt nur ein Heilmittel: zurück zur gottgesetzten Ordnung auch in den Beziehungen zwischen den Staaten und Völkern; zurück zu einem wahren Christentum im Staat und unter den Staaten! Man sage nicht, das sei keine Realpolitik. Die Erfahrung sollte allen gezeigt haben, dass die nach den ewigen Wahrheiten und den göttlichen Gesetzen ausgerichtete Politik die realste und wirklichkeitsnächste Politik ist. Die Realpolitiker, die anders denken, schaffen nichts als Ruinen.

Die Kriegsgefangenen und politischen Häftlinge

23 Und nun, mich dem Unser Blick die gegenwärtige Weltlage, wenn auch nur flüchtig, gestreift hat, wendet er sich wie von selbst noch einmal den zur Stunde noch riesigen Scharen der Kriegsgefangenen zu. Wenn Wir Uns anschicken, in Sammlung innerer Freude und eifrigem Gebet das heilige Weihnachtsfest zu begehen, das mit überzeitlicher, nie gelockerter Eintracht die menschlichen Familienbande festigt und veredelt, und auch den, der sonst fern der Familie lebt, an den heimischen Herd wie an ein heiliges Beisammensein ruft, gedenken Wir mit tiefer Betrübnis all jener, die trotz Kriegsschluss auch dieses Jahr auf fremdem Boden den trauten Abend verbringen müssen und in dieser Freuden- und Friedensnacht die Qual ihres unsichern Loses, ihres Fernseins von den Eltern, der Gattin, den Kindern, von Brüdern und Schwestern, von all ihren Lieben, fühlen müssen.

24 Gerne wollen wir den Behörden, Werken und Personen, die sich bemüht haben ihr schweres Los zu mildern und abzukürzen, verdientes Lob und Anerkennung spenden. Indes können wir nicht Unsern Schmerz verbergen, da Wir erfahren haben, wie man den Kriegsgefangenen und Verschleppten fast absichtlich Leiden zufügt über die hinaus, die der Krieg ohnehin schon mit sich bringt; da Wir gesehen haben, wie man in einzelnen Fällen ohne hinreichenden Grund die Dauer ihrer Gefangenschaft ausdehnte; wie ihnen das an sich schon drückende Joch der Gefangenschaft erschwert wurde durch mühsamen und ungebührlichen Arbeitsdienst; wie man ihnen leichthin unter festgelegten Normen und jener noch unverletzlicheren des christlichen und öffentlichen Gewissens, in unmenschlichen Formen die Behandlung verweigert hat, die man auch dem Besiegten schuldig ist.

25 An diese immer noch zur Gefangenschaft verurteilten Söhne ergehe auf den Schwingen der Weihnachtsengel Unsere väterliche Botschaft und übermittle ihnen als ein Bote des Trostes, der Hoffnung und des Lichtes Unseren von allen, die noch lebendiges Verständnis für menschlichen Brudersinn besitzen, geteilten Wunsch: sie nämlich in guter Verfassung recht bald ihren besorgten Familien und der normalen Friedensarbeit zurückgegeben zu sehen.

26 Wir sind überzeugt, dem Verlangen des Großteils der Menschheit Ausdruck zu verleihen, wenn wir Unsern Wunsch ausdehnen auf jene Männer Frauen und Jugendliche, die als politische Häftlinge nicht selten herben Leiden ausgesetzt sind, denen nichts anderes als ihre politische Haltung in der Vergangenheit zum Vorwurf gemacht werden kann, aber keine verbrecherische Tat und keine Rechtsverletzung. Wir rechnen diesen auch die Missionare und Zivilpersonen im Fernen Osten bei, die infolge schwerer jüngster Ereignisse in Betrübnis und Lebensgefahr sind. Es ist eine offenkundige Naturpflicht, dass an diesen Unglücklichen menschliche Behandlung zuteil werde; ja wir glauben die verheißungsvolle Befriedung und Verständigung in den Völkern und Unter den Völkern könnte nicht besser eingeleitet werden, als mit deren Freilassung und gegebenenfalls mit der ihnen gebührenden, gerechten Ehrenrettung.

Schluss

Mit solchen Empfindungen und Wünschen auf den Lippen und im Herzen flehen Wir auf Euch, Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, wie auch auf alle unsere geliebten Söhne und Töchter auf dem weiten Erdenrund, die Gnadenfülle des göttlichen Erlösers herab, deren Unterpfand der Apostolische Segen ist, den wir Euch in väterlicher Liebe spenden.

Pius XI. PP.