Leva ierusalem (Wortlaut)

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Weihnachtsansprache
Leva ierusalem

von Papst
Pius XII.
über Christus und die Harmonie des Kosmos
(4. Adventsonntag, dem 22. Dezember 1957)

(Offizieller italienischer Text: AAS 50 [1958] 5-24)

(Quelle: Herder-Korrespondenz, Herder Verlag, 12. Jahrgang 1957/58; Viertes Heft, Januar 1958, S. 175-183)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


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Einleitend

"Erhebe deine Augen, Jerusalem, und schau die Macht des Königs: Sieh, der Erlöser naht, dich von den Banden zu lösen" (Brev. rom. fer. 2 infra hebd. I adv. ad magnif.). Diese mütterliche Einladung der Kirche, den Blick zum Himmel zu erheben, um von dort Gott als Erlöser und mit ihm die Befreiung von den Fesseln der Unordnung, die die Geister beunruhigt, zu erwarten, möchten Wir euch, geliebte Söhne und Töchter des katholischen Erdkreises, als väterlichen Wunsch zu diesem Weihnachtsfest wiederholen. Wohl haben die Menschen an diesem Fest den Blick nach oben gerichtet, doch ihre Herzen sind bedrückt von ängstlicher Sorge um das ungewisse Schicksal der Menschheitsfamilie und selbst ihres Verbleibens auf dieser Erde.

Nicht so haben die Hirten von Bethlehem und die Weisen aus dem Morgenland den Himmel betrachtet, als jenen die Engel erschienen und diesen der geheimnisvolle Stern sich zur Verkündigung der Geburt des Gottessohnes auf Erden zeigte. Ein tiefes Staunen durchdrang ihren Geist, als sie die "magnalia dei" (Apg 2, 11, 1 Petr 2, 9) hörten und erlebten, die großen und wunderbaren Taten Gottes, die den Höhepunkt und Inbegriff aller nur möglichen Größe in jenem zarten Kind erreichten, das in der Stadt Davids geboren, in ärmliche Windeln gewickelt und in eine einfache Krippe (vgl. Lk 2, 12) gelegt wurde. Ihr Staunen hatte jedoch nichts gemein mit der Bestürzung und der Qual, wie sie die Größe in ihrer furchterregenden Erscheinung hervorruft. Ihr Staunen über Gottes Größe verwandelte sich vielmehr in eine Woge beglückenden Trostes, in einen Hauch unsagbaren Friedens und beruhigender Harmonie, wie sie nur Gott in die Menschenherzen senken kann, die ihn suchen, aufnehmen und anbeten.

Größe des Menschen und Größe Gottes

Vor der unergründlichen Tatsache vom Kommen des göttlichen Wortes in die Welt, vor diesem Ereignis, das alle anderen in der Geschichte des Menschengeschlechtes weit überragt und darum höchste Bewunderung verdient, neigen sich nicht alle Menschen in Anbetung. Viele sind Gefangene ihrer eigenen Engstirnigkeit und unfähig, sich die Möglichkeiten der unendlichen Größe auszudenken. Andere können angesichts der Entwicklung der modernen Wissenschaft, die Kenntnis und Macht des Menschen bis in den Raum der Sterne ausgedehnt hat, und geblendet vom Zauber der eigenen Leistungen nur noch die "Großtaten des Menschen" bewundern und verschließen vor den Großtaten Gottes freiwillig die Augen. Sie wissen nicht oder haben vergessen, dass Gott selbst über allen Himmelshöhen und sein Thron auf den Spitzen der Sternenwelt steht (vgl. Job 22, 12). Sie erfassen nicht mehr die Wahrheit und den Sinn des Lobgesangs der Engel über der Grotte, wo die höchste göttliche Größe sich offenbarte: "Gloria in excelsis deo". Sie sind vielmehr versucht, ihn zu ersetzen durch ein "Ehre dem Menschen auf Erden", dem Menschen, der so Großes plant und verwirklicht, dem "homo faber", wie er von einigen Philosophen genannt wird, da dies sein Wesen sei, wie es sich in seinen Werken geoffenbart habe, die jedoch jedes menschliche Maß zu überschreiten scheinen. Es ist Zeit, die Selbstbewunderung des modernen Menschen auf die rechten Maße zurückzuführen. Die Bewunderer des "homo faber" sollten mit weiser Mäßigung das Gefühl der Trunkenheit, das die neuesten Errungenschaften der Technik hervorgerufen haben, zurückdämmen und überzeugt sein, dass ein ergriffenes und anbetendes Innehalten vor der Krippe des menschgewordenen Gottessohnes sie nicht in ihrem Lauf auf den Wegen des Fortschrittes verlangsamen, sondern mit der Fülle des "homo sapiens" krönen würde.

Angst des modernen Menschen vor den neuen Errungenschaften von Wissenschaft und Technik

Dieser Mensch, dem Werk und dem Geist zugleich hingegeben, anerkennt mühelos, dass alles, was Gott im Geheimnis der Weihnacht wirkt und offenbart, unvergleichbar jede menschliche Kraft, Energie und Leistung überragt, wie eben das Unendliche über dem Endlichen steht. Mit einem Feingefühl, lebhafter und vollkommener als jenes, das andere zur vorbehaltlosen Bewunderung irgendeines Erzeugnisses aus Materie führt, fühlt er die Köstlichkeit des Hingerissenseins vor dem göttlichen Kind, das auf seinen Schultern die Herrschaft trägt (vgl. Jes 9, 6). In ihm sieht er die Wundertaten des ewigen Gottes, der sich in Zeitlichkeit kleidet, des unermesslichen und allmächtigen Gottes, der sich in den Raum und in die Schwäche eingrenzt, des Gottes der Majestät, der zur "Güte und Menschenfreundlichkeit unseres Erlösers" (vgl. Tit 3, 4) wurde, voll unendlicher Barmherzigkeit und Liebe.

Der Engel, der den Hirten die Wunder der Weihnacht verkündete, begann deshalb mit einer Ermunterung: "Fürchtet euch nicht! Ich verkünde euch eine große Freude für das ganze Volk" (Lk 2,10). Ganz andere Empfindungen weckt dagegen die Ankündigung neuer Wunder der Technik. Wenn der erste Freudentaumel vorüber ist, werden die Menschen heute angesichts der unerwarteten Menge ihrer erweiterten Kenntnisse mit den sich daraus ergebenden Wirkungen und angesichts dieses unerhörten Einbruchs in Mikrokosmos und Makrokosmos von Angst gepackt und stellen sich die Frage, ob sie ihre Herrschaft über die Welt behalten oder Opfer ihres Fortschrittes werden. Die nicht vorauszusehenden Änderungen, zu denen die neuen, von Wissenschaft und Technik eröffneten Wege führen, werden von manchen als etwas Disharmonisches betrachtet, das geeignet sei, Verwirrung und Durcheinander in die Einheit der Ordnung und die von der menschlichen Vernunft erstrebte Harmonie zu bringen. Für andere sind diese Änderungen ein Anlass zu ernstlichen Befürchtungen für das Überleben derer, die sie schufen. Der Mensch beginnt die Welt zu fürchten, die er eben jetzt in seinen Händen zu halten glaubte. Er fürchtet sie mehr als je, und zumal dort, wo Gott nicht wahrhaft in Geist und Herz lebt, Gott, dessen Werk die Weh in ihrer Einheit wie in der Fülle ihrer Einzelheiten ist und der er unauslöschlich seine Spur eingeprägt hat, Gott der Allmächtige, der absolute Geist, das weiseste Wesen und der Ursprung aller Ordnung, Harmonie, Güte und Schönheit.

Christus der Ursprung der Harmonie in der Welt

Diesem Menschengeschlecht, zu einem großen Teil aus Menschen bestehend, die einzig sich selbst bewundern, die jedoch sich und ihre Welt zu fürchten beginnen, zeigen Wir noch einmal die Pfade nach Bethlehem. Dort finden sie den, den sie suchen und von dem der Apostel sagt: "Alles ist durch ihn und zu ihm hin geschaffen. Er aber steht an der Spitze von allem, und alles hat in ihm seinen Bestand" (Kol 1, 16-17).

Dies ist die heilbringende Wahrheit, die in der armen Grotte aufleuchtet und von der Wir wünschen, dass sie in eurem Geiste widerstrahle. Vor allem erscheint und bietet sich der neugeborene Christus der Welt von heute an

1. als Trost für jene, welche die Disharmonien beklagen und keine Hoffnung mehr haben auf die Harmonie der Welt;

2. als Unterpfand der Harmonie in der Welt;

3. als Licht und Weg für jede Bemühung des Menschengeschlechts, die Harmonie in der Welt herzustellen.

I. Christus als Tröster in den Disharmonien dieser Welt

Seit seiner ersten Begegnung mit dem Weltall war der Mensch hingerissen von dessen unvergleichlicher Schönheit und Harmonie. Der lichtfunkelnde oder sternenbesetzte Himmel, die Ozeane mit den wechselnden Farbtönen ihrer unermesslichen Flächen, die unzugänglichen Höhen der schneegekrönten Berge, die grünen, lebenstrotzenden Wälder, der geordnete Wechsel der Jahreszeiten, die vielgestaltige Mannigfaltigkeit der Lebewesen entlockten dem Herzen des Menschen einen Freudenruf der Bewunderung. Durch seine Natur selbst auf die Schönheit hin angelegt, ahnte der Mensch sie sogar in den entfesselten Elementen als Ausdrucksformen der Macht des Schöpfers: "Mächtiger als das Branden des Meeres, mächtig ist in den Höhen der Herr" (Ps 92,4); - "Gott donnert wunderbar mit seiner Stimme" (Job 37,5). Mit Recht fand ein Volk des Altertums von hoher Kultur keine geeignetere Bezeichnung für das Universum als den Namen Kosmos, d. h. Ordnung, Harmonie, Zierde. Sooft der Mensch dann den Blick auf sich selbst wandte und seine Bestrebungen mit diesen Werken verglich, brach er in Seufzer der Unzufriedenheit aus wegen der allzu vielen Widersprüche, Disharmonien und Unordnungen, die sein Leben zerreißen.

Disharmonien in der Weltordnung

Nicht anders als der Mensch der Vergangenheit ist der moderne Mensch hin- und hergerissen zwischen verzückter Bewunderung für die bis in die tiefsten Schlupfwinkel und in die weitesten Entfernungen erforschte Natur und dem bitteren Kummer, den ihm sein chaotisches, durch ihn selbst bestimmtes Dasein bereitet. Der Gegensatz zwischen der Harmonie der Natur und der Disharmonie des Lebens scheint mit der wachsenden Kraft der Erkenntnis und des Handelns keineswegs nachzulassen, sondern vielmehr ihr zu folgen wie ein schwerer Schatten. In der Vereinsamung, in die sich der moderne Mensch begibt, wiederholt er nur die Klage des Dulders Job: "Ruf' ich Gewalttat, wird mir keine Antwort. Schrei' ich um Hilfe, wird mir kein Recht" (Job 19,7). Verweilen wir kurz bei seiner Klage, um sein innerstes Empfinden besser zu verstehen und um ihm den zu zeigen, der seine Finsternis verscheuchen und seinem zerrissenen Dasein die Harrmonie wiedergeben kann.

Ungerechtfertigter totaler Pessimismus

Bei einem Teil der gegenwärtigen Menschheit führt die Schau der Disharmonien der Welt zu einem Verdammungsurteil über die ganze Schöpfung, als ob die Disharmonie ihr notwendiges Kennzeichen, ihr unausweichliches Verhängnis sein müsse, demgegenüber dem Menschen nichts übrig bleibt, als die Arme zu verschränken und sich zu ergeben. Als Höchstes könne er noch versuchen, sich schadlos zu halten an vergänglichen, gerade der herrschenden Unordnung entrissenen Vergnügungen. Dieser totale Pessimismus ergreift sehr oft die Herzen, die zunächst einem grenzen- und darum sinnlosen Optimismus zuneigten. Er entfließt dem Bestreben, die unleugbaren Unstimmigkeiten in dieser Welt auf die gesamte Weltordnung und ihre Gesetze auszudehnen und die Schuld dafür dem Schöpfer selbst zuzuschieben. So erliegen dem Ansturm des totalen Pessimismus jene, die in der Welt nichts anderes sehen können als ein Meer von Grausamkeit und Schmerz, gequälte Einzelmenschen und Völker, deren Leiden unmittelbar oder mittelbar die Verwirklichung des äußeren Fortschritts begleiten. Ein anderer Teil der jetzigen Generation lässt sich dazu verleiten, an der Möglichkeit der wiederherzustellenden Harmonie infolge der schwerwiegenden Tatsache zu verzweifeln, dass es Menschen gibt, die sich vom Zauber der Neuigkeiten so sehr bestechen lassen, dass sie die übrigen echten Werte, besonders diejenigen, die das menschliche Zusammenleben aufrechterhalten, verachten. Schließlich kapitulieren viele vor dem totalen Pessimismus, wenn sie die bedauernswerte Tatsache beobachten, wie äußerlich fortschrittliche Menschen innerlich ungesittet werden.

Die Ursachen

Wenn man bei der Untersuchung dieser und ähnlicher Tatsachen bis zu den Wurzeln vordringt, so wird die Hoffnung noch mehr erschüttert, da ihre Ursachen tiefere Disharmonien aufweisen und noch schwerere Erschütterungen erwarten lassen. Woher kommt denn soviel Gleichgültigkeit für das Lebensrecht des anderen, soviel Geringschätzung der menschlichen Werte, ein solches Absinken der Äußerungen echter Kultur? Kommt all das nicht daher, dass der überwiegend materielle Fortschritt die harmonische und glückliche Fülle des Menschen zersetzt, seine Empfänglichkeit für höhere Werte gleichsam verstümmelt und nur eine eng begrenzte Richtung menschlicher Entwicklungsmöglichkeiten vorangetrieben hat? Dem in einem Klima strenger technischer Zivilisation geborenen und erzogenen Menschen fehlt notwendigerweise ein sehr wichtiger Teil seines vollen Menschseins, der durch Lebensbedingungen zum Absterben gebracht wurde, die der natürlichen Entwicklung abträglich sind. Eine Pflanze in einem Boden, dem man lebenswichtige Substanzen entzogen hätte, könnte wohl noch diese oder jene Eigenschaft entwickeln, aber nie ihre ganze harmonische Form hervorbringen. Genauso ist es mit der "fortschrittlichen", d. h. einseitig materialistischen Zivilisation, die bestimmte, für das Leben der Familien und der Völker notwendige Werte und Elemente verbannt: sie raubt zum Schluss dem Menschen die echte Form des Denkens, Urteilens und Handelns. Damit diese Form dem Wahren, Rechten, Ehrbaren entspreche und, mit einem Worte gesagt, "menschlich" sei, erfordert sie größte Weite und vielgestaltige Ausrichtung. Wo hingegen der technische Fortschritt den Menschen in seine Schrauben einspannt und ihn vom Rest des Universums, besonders vom Geistigen und Innerlichen trennt, da formt er ihn nach seinen eigenen Kennzeichen, deren bemerkenswerteste Oberflächlichkeit und Unbeständigkeit sind. Die Entwicklung dieser Missbildung ist kein Geheimnis, wenn man die Neigung des Menschen in Betracht zieht, Missverständnis und Irrtum auf sich zu nehmen, wenn sie das Versprechen eines leichteren Lebens enthalten. Schaut z. B. auf das Missverständnis, das der bewundernswerte Fortschritt der rein räumlichen Fortbewegungsgeschwindigkeit dadurch gebracht hat, dass man Werte anderer Ordnung mit denselben Methoden behandeln will. Durch den Zauber der Geschwindigkeit verführt und den Wert der Fortbewegungsgeschwindigkeit auf Werte übertragend, die ihre Vollendung nicht durch rasche Veränderung, sondern ihre Fruchtbarkeit nur durch Beständigkeit und Treue zur Überlieferung erhalten, neigt der Mensch der "wahnsinnigen Geschwindigkeiten" dazu, im Leben wie ein vom Winde bewegtes Schilfrohr zu werden, unfruchtbar an bleibenden Werken und unfähig, sich selbst und die anderen aufrecht zu halten. Ein ähnliches Missverständnis ergibt sich aus der an sich bewundernswerten Zunahme der Fähigkeit der Sinne, denen die modernen Beobachtungs- und Übertragungsinstrumente die Möglichkeit geben, alles zu sehen, zu hören und zu messen, was in beinahe jedem Winkel des Universums existiert, sich bewegt und sich verwandelt. In selbstgefälliger Freude über seine so vermehrten Fähigkeiten und fast ganz in Beschlag genommen durch die Betätigung seiner Sinne, ist der "allessehende" Mensch unversehens dahin gebracht, die Verwendung seiner vollgeistigen Fähigkeit, im Innern der Dinge zu lesen, also des Intellekts, einzuschränken und so immer weniger geeignet zu werden, die wahren Ideen reifen zu lassen, von denen das Leben sich nährt. In gleicher Weise führen die vielfachen Anwendungen der bewundernswert vermehrten äußeren Energie täglich mehr dazu, das menschliche Leben in ein mechanisches System einzuschließen, das alles aus sich selbst und auf eigene Kosten vollbringt, und auf diese Weise die Reize zu verringern, die vorher den Menschen zwangen, seine persönliche Energie zu entfalten.

Die Welt, zur ursprünglichen Harmonie zurückgeführt durch die Verbindung mit Christus

Es bestehen also tiefe Disharmonien in dem neuen, durch den Fortschritt geschaffenen Menschen. So gefährlich auch diese Disharmonien sein mögen, sie können doch nicht die Verzweiflung der totalen Pessimisten und die Resignation der Trägen rechtfertigen. Die Welt kann und muss wieder zurückgeführt werden zur ursprünglichen Harmonie, die das Thema des Schöpfers von Anbeginn war, als er seinem Werk an seinen Vollkommenheiten Anteil gab (vgl. Sir 16, 25-26). Die höchste Sicherheit für diese Hoffnung beruht auf dem Weihnachtsgeheimnis: Christus, der Gott-Mensch, der Urheber jeder Harmonie, sucht sein Werk heim. Wie könnte das Geschöpf an der Welt verzweifeln, wenn Gott selbst nicht an ihr verzweifelt, wenn das göttliche Wort, durch das alles geschaffen wurde, Fleisch annahm und unter uns wohnte, auf dass die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater erstrahle (vgl. Joh 1,3ff.)? Wie könnte die Herrlichkeit des Schöpfers und Erneuerers aller Dinge in einer Welt erstrahlen, die in ihrer innersten Struktur auf Widerspruch und Disharmonie gegründet ist?

Pessimismus und lähmende Mutlosigkeit können vom Christentum nie bejaht werden, weil sie im Widerspruch stehen zur christlichen Idee vom Menschen. Gleich von Beginn an erhob sich der heilige Paulus gegen das Vorurteil der Antike, als sei das Los der Menschen schicksalhaft von den Kräften und den Bewegungen der Natur bestimmt. Darum betonte er: "Wir stehen nicht unter der Gewalt der Weltelemente, sondern unter Christus, der uns zu Kindern und Erben Gottes gemacht hat" (vgl. Gal 4, 3-4). Die ganze Erlösung und Freiheit kommt uns darum von Christus, nicht von der Natur, die stets - und heute unter der Herrschaft der Technik vielleicht noch mehr dazu neigt, ihre Ketten fester zu schmieden. Der heutige Mensch ist mehr in Gefahr, zum Sklaven der Natur zu werden, als der Mensch der Antike. Früher war der Mensch der Natur aus Unwissenheit und Schwachheit unterworfen, heute ist er ihrem starken Druck durch die umfassende Kenntnis und Anwendung ihrer Energien ausgesetzt und muss ihr gleichsam einen Kult der Anbetung und Dankbarkeit für die sich darbietende Wunderwelt und die empfangenen Wohltaten leisten.

Die Mahnungen des Apostels, die Ketten der von der Natur auferlegten Knechtschaft zu sprengen und dafür Christus zu wählen und ihm anzuhängen, sind darum wirklichkeitsnäher als je. Er, und niemand anders, ist euer Gott, der Schöpfer und Herr der Natur, euer Befreier und Erlöser. Durch ihn seid ihr dazu bestimmt, "Kinder Gottes zu werden" (Joh 1,12), nicht Sklaven der Elemente dieser Welt, nicht zu einer nur teilweisen Vollkommenheit dieser oder jener Anlage berufen, sondern dazu, im ganzen Menschen das vollkommene Bild Gottes wieder herzusteIlen, Gottes, der selbst Harmonie und Ursprung jeglicher Ordnung im Weltall ist.

Diese lichtvollen Wahrheiten sind geeignet, die Würde des Menschen wiederherzustellen und seine Hoffnung zu beleben. Sie werden aber von jenen abgelehnt, denen es nicht gelingt, die notwendige Beziehung zwischen dem Ewigen und dem Zeitlichen, zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf herzustellen. Sie trennen vielmehr Gott und die Welt als zu verschiedene und voneinander entfernte Wesen, die deshalb ohne gegenseitige Bindungen sind. Und doch macht das Kommen des Sohnes Gottes auf die Erde die innigsten Beziehungen sichtbar, welche das Zufällige mit dem Ewigen verbinden. Welt und Mensch hätten weder Grund noch Möglichkeit der Existenz, wenn sie nicht am ewigen Sein des Schöpfergottes teilhätten. Die geschaffene Welt ist begrenzt und schwimmt notwendigerweise auf dem Ozean der göttlichen Ewigkeit, dessen Lauf und Gesetze sie befolgt.

Mit vielen Philosophen der alten und neuen Zeit behauptet der heilige Augustinus zu Recht, in der Welt, auch wenn sie geschaffen und kontingent sei, bestehe ein höchstes und ewiges Gesetz, durch das sie ihren Bestand und ihre Würde erhalte. Es ist jenes ewige Gesetz, das die endliche Schöpfung zu der Würde erhebt, ein Widerschein des Unendlichen und Ewigen zu sein. Es wirkt durch die allen Dingen innewohnende Wesensordnung, durch den inneren Zusammenhang und die Harmonie, von denen das Weltall widerhallt. Wenn man aber den Begriff der Ewigkeit Gottes selbst und die Möglichkeit verneint, dass Gott die Geschöpfe irgendwie an sich teilhaben lasse, ist es sinnlos, von Ordnung und Harmonie der Welt zu sprechen. Doch die Sehnsucht nach Harmonie, nach Ordnung und Glück wird durch solches Verneinen im Menschen nicht erstickt. Der Mensch sieht sich dazu gezwungen, das zum höchsten Wert zu erheben, was ihm noch bleibt, also sein eigenes konkretes, begrenztes Sein. Herausgerissen aus der äußeren Ordnung und aus aller Harmonie in der Welt, muss er ein Leben wählen, das nichts weiter ist als eine ständige Sorge um seine Existenz und nur ein Gang zum Tod, etwas überdeckt durch einen gekünstelten Stolz auf die begrenzte eigene Natur. Der moderne Mensch, der sich nicht wesenhaft dem Ewigen verbunden fühlt, fällt in die Anbetung des Endlichen, in dessen Mitte der konkrete Mensch steht und selbst- und seinsbewusst handelt.

Das ist eine falsche Wiedergabe der Wirklichkeit, die den Durst nach Wahrheit und das Sehnen der Herzen wohl zu täuschen, aber nicht zu befriedigen vermag. Wollen die Menschen ihre Sehnsucht stillen, so mögen sie nach Bethlehem gehen, wo das fleischgewordene ewige Wort unter uns wohnte, um uns zu lehren, dass alles menschliche Tun seine Leitung, seine schöpferische Kraft und seine Sicherheit ganz aus dem Ewigen schöpfen muss. Wenn das Wesen des Menschen selbst ein Abbild Gottes ist, muss auch sein Tun ihm gleichförmig sein, ganz nach der Lehre der Philosophie, die sagt: "Das Tun folgt dem Sein" ("operari sequitur esse").

Das Wirken des Menschen auf Erden ist darum nicht dazu verdammt, ein Missklang zu sein. Es ist vielmehr dazu bestimmt, die ewige Harmonie Gottes zu offenbaren. In diesem Sinn befreit das fleischgewordene ewige Wort den Menschen von der Knechtschaft, erlöst ihn von dem unfruchtbaren Verhaftetsein in sich selbst und gibt ihm auf den Wegen des Fortschritts die Hoffnung zurück.

II. Christus das Unterpfand der Harmonie der Welt

Dem christlichen Begriff eines Kosmos, der von der Schöpferweisheit Gottes geformt und darum einheitlich, geordnet und harmonisch ist, entspricht die Sicht auf die feierliche Erfüllung, die vielleicht erst in Jahrhunderten reif wird, dann nämlich, wenn "in einem neuen Himmel und auf einer neuen Erde" (vgl. 2 Petr 3, 13), "in einem Zelt Gottes unter den Menschen, um bei ihnen zu wohnen, ... er jede Träne von ihren Augen wegwischen wird. Und der Tod wird nicht mehr sein und nicht Trauer und Klage und Mühsal; denn was vorher war, ist vergangen" (Offb 21, 1-4). Mit anderen Worten: die gegenwärtigen Missklänge sind dann überwunden. Aber ist damit vielleicht die Verwirklichung des harmonischen Schöpfungsplanes ganz zurückgestellt? Hat wohl Gott, der bei der Schaffung des Menschen "ihm die Macht gab über alles, was auf der Erde ist" (Sir. 17,3), sein Wort zurückgezogen? Sicher nicht! Weit davon entfernt, dem Menschen die Macht, über die Erde zu herrschen, wieder zu entziehen, hat Gott sie ihm an dem Tage bestätigt, an dem er seinen eingeborenen Sohn in einen Menschenleib kleidete, "da er den Ratschluss gefasst hatte, in der vorausbestimmten Fülle der Zeiten alles im Himmel und auf Erden in Christus zusammenzufassen" (Eph 1, 10). So bestätigt Christus, das fleischgewordene Wort, der Gottmensch, bei seinem Kommen in die Welt, vom ersten Augenblick seines Daseins an, dass die Herrschaft über die Welt in verschiedener Abstufung Gott und dem Menschen zusteht und dass sie folglich nur im Geiste Gottes erlangt werden kann.

In Christus hat derselbe Geist Gottes wesenhaft gewohnt (vgl. Kol 2,9), der im Anfang der Zeiten sprach: "Es werde Licht, und es ward Licht" (Gen. 1,3). Derselbe Geist Gottes, als unauslöschlichem Siegel allem Geschaffenen, dem Leblosen wie dem Belebten, eingeprägt, ist das einigende Band, der Keim der Ordnung, die Grundlage der Harmonie.

Vollkommene Harmonie durch die Gegenwart Christi in der Welt

Bevor der Mensch sich das klare Bewusstsein der vollkommenen Harmonie bildete, die durch die Gegenwart Christi in der Welt und seine Naturgleichheit mit dem Menschen erzeugt ist, vermochte er in seinem eigenen Geist, diesem Ebenbild des Geistes Gottes, das einigende Band zu erkennen, das die Dinge fest miteinander verknüpft. Zu einem so beglückenden Schluss kamen bereits die alten Philosophen von Athen und Rom und mit noch größerer Klarheit die Leuchten der christlichen Philosophie, unter ihnen die Heiligen Augustinus und Thomas von Aquin. Jedenfalls reicht die Technik allein nicht aus, den in den Dingen angelegten göttlichen Keim der Einheit und der Harmonie zu erkennen und zu entwickeln. Es gibt heute Männer der Wissenschaft, die glauben, wenigstens methodisch von dieser Wahrheit abgehen zu können. Sie arbeiten, wie wenn es keinen Geist gäbe oder also ob er nichts zu bieten hätte. Sie untersagen ihm sogar den Zugang zu den Laboratorien und die Anwesenheit bei den Forschungen. Verseucht vom Materialismus und Sensualismus, erwarten sie die Lösung der Probleme ausschließlich von ihren Instrumenten und Berechnungen, von der sorgfältigen Beobachtung der Tatsachen, von der Untersuchung und der äußerlichen Klassifizierung der Erscheinungen. Andere geben wohl noch einen gewissen logischen Zusammenhang nach Art der mathematischen Beziehungen zu. Sie stellen sich vor, die Weltordnung könne, auch wenn sie der Führung des Geistes entzogen sei, als Ergebnis der physischen Ordnung der Einzelteile nach Art einer riesenhaften Rechenmaschine funktionieren.

Wo die Philosophie vielleicht nicht hinreichte, die Haltlosigkeit einer solchen Meinung darzutun, könnte die Wissenschaft selbst sie widerlegen. Wenn man beobachtet, wie die besten Forscher vorgegangen sind, so muss man die wirkende Gegenwart des Geistes bejahen. Von ihm stammt jenes Erfassen des inneren Zusammenhangs ganz verschiedenartiger Tatsachen, von ihm stammt der scharfsinnige Einblick bei der Beobachtung und Analyse, von ihm die Kraft der Synthese, die dem Verstand den wahren Sachverhalt klarlegt und zum endgültigen Urteil führt.

Darum ist das Dasein des Geistes im menschlichen Handeln nicht zu leugnen, und auch seine Kundgebungen in der Welt können nur durch Vorurteile und Aberglauben zum Schweigen gebracht werden: Er ist das Zeugnis der aus Gott kommenden Einheit, Ordnung und Harmonie, ohne die auch die in der Wissenschaft angewandten mathematischen Formeln nicht die Wirklichkeit zur Darstellung bringen würden.

Geist und Harmonie bezeugen sich also gegenseitig: wie dem Reichtum an Geist stets der Reichtum an Harmonie entspricht, so verrät jede Dissonanz, ob sie nun in den Wissenschaften, in der Kunst oder im Leben auftritt, irgendein Hindernis für seine volle Wirksamkeit.

Diese Wechselbeziehung stellt die notwendige Verurteilung derer klar, die in Literatur und Kunst den Kult der Disharmonie und, wie sie selbst zugeben, den Kult der Sinnlosigkeit verbreiten. Was würde aus der Welt und dem Menschen werden, wenn das Feingefühl und die Achtung vor der Harmonie untergingen!

Dieses Ziel wird jedoch von denen angestrebt, die das Gemeine, das Sündhafte, das Böse mit dem Schmuck verführerischer Schönheit zu umkleiden suchen. Ihr Vorstoß geht über die Grenzen des Ästhetischen hinaus, um der Würde des Menschen Abbruch zu tun, der als Abbild des göttlichen Geistes mit der Harmonie und der Ordnung wesenhaft gleicher Natur ist. Es wird durchaus nicht in Abrede gestellt, dass auch das Böse im Lichtschein der wahren Kunst dargestellt werden kann, vorausgesetzt, dass dessen Darstellung sich dem Denken und den Sinnen als ein Widerspruch gegen den Geist oder als ein Zeichen für das Fehlen des Geistes zeige. Die Kunst strahlt um so mehr Würde wider, je mehr sie den Geist des Menschen, des Ebenbildes Gottes, in seiner schöpferischen Fruchtbarkeit, in seiner vollen Reife in der Entfaltung durch die Werke und durch die verschiedenen Lebenshaltungen und damit das göttliche Thema der Einheit und Harmonie ins rechte Licht stellt.

Wie klar aber auch das Zeugnis des Menschengeistes für die Harmonie der Welt sein mag und wie fruchtbar seine Betätigung für die Entwicklung der Ordnungskeime auch sein kann, so zeigen doch die Geschichte und das Leben eine ihm innerlich eigene Unzulänglichkeit und Schwäche. Zu ihrer Heilung war es nach den Plänen der unendlichen Liebe des Schöpfers zu seinem Werke notwendig, dass der Geist Gottes selbst sich sichtbar mache und sich in die Zeit einschalte. Christus, das fleischgewordene göttliche Wort, kommt in die Welt wie in sein eigenes Haus, in sein Eigentum - "in propria venit" (Joh 1, 11).

Der Anspruch auf dieses Eigentumsrecht ist der Anspruch der Ansprüche: die Schöpfung. Die Welt strahlt also in ihrer Ausdehnung und Universalität - "extensive et diffusive", wie der hl. Thomas sich ausdrückt (S. th. I q. 93 a. 2 ad 3) - die ewige Wahrheit und Güte des Schöpfers wider. Somit erscheint das Verhältnis Christi zur Welt von hellstem Licht durchdrungen.

Der Mensch, Abbild des Geistes Gottes, Herr über die Welt durch Erkenntnis, Wollen und Wirken

In ähnlicher Weise stellte der Schöpfer den Menschen, das Abbild seines Geistes, in die Welt, damit er ihr Herr sei durch Erkenntnis, Wollen und Handeln und sich mit Leidenschaft und Gründlichkeit - "intensive et collective" (S. th., a.a.O.) - die Ähnlichkeit der ewigen, über die Welt hin ausgebreiteten Wahrheit und Güte zu eigen mache. Also auch hier erfreut sich das Verhältnis des Menschen zur Welt des hellen Lichtes des ewigen Geistes, den der Schöpfer seiner Schöpfung mitteilte. Die Menschwerdung Gottes bewahrt und vermehrt noch die Würde des Menschen und den Adel der Welt. Denn die Erschaffung des Menschen und die Menschwerdung Gottes haben denselben Ursprung im Geiste Gottes als der Quelle aller Einheit, Ordnung und Harmonie.

Wenn man den Ursprung des Menschen aus dem Geist mit der sich daraus ergebenden Ebenbildlichkeit zwischen dem Menschen und dem ewigen göttlichen Sein sowie die Spur Gottes in der vernunftlosen Kreatur leugnet, dann ist auch die Harmonie im Verhältnis zwischen Mensch und Welt beseitigt. Der Mensch würde zu einem bloßen Punkt, zum Ort einer anonymen und vernunftlosen Vitalität zusammenschrumpfen. Er wäre in der Welt nicht mehr wie in seinem Heim. Die Welt würde für ihn etwas Fremdes, Dunkles, Gefährliches mit der ständigen Neigung, den Charakter des Werkzeuges abzulegen und sich zum Feind des Menschen zu machen.

Und was wären die Ordnungsbeziehungen des gesellschaftlichen Lebens ohne das Licht des göttlichen Geistes und ohne Berücksichtigung der Beziehung Christi zur Welt? Auf diese Frage antwortet leider die bittere Wirklichkeit derer, die die Dunkelheit der Welt vorziehen und sich als Anbeter der äußeren Werke des Menschen bekennen. In ihrer Gesellschaftsordnung gelingt es nur durch die eiserne Disziplin des Kollektivismus, das Nebeneinanderleben anonymer Existenzen aufrechtzuerhalten. Ganz anders ist das soziale Leben, das auf das Beispiel der Beziehungen Christi zur Welt und zum Menschen aufgebaut ist: ein Leben brüderlicher Zusammenarbeit und gegenseitiger Achtung vor dem Recht des anderen, ein Leben, das des ersten Ursprungs und des letzten Zieles eines jeden Menschen würdig ist.

Christus, Unterpfand der Erlösung und Erneuerung

Die Ursache aller Dunkelheit und Disharmonie, die das fleischgewordene Wort aufzuhellen und wieder gutzumachen hatte, bestand in dem durch die Urschuld hervorgerufenen Bruch, der das ganze Menschengeschlecht und seine Heimstätte, die Welt, in seine bitteren Folgen hineingezogen hat. Der gefallene Mensch mit seinem verdunkelten Geist sah um sich herum nicht mehr eine unterworfene Welt als fügsames Instrument zur Gestaltung seines Geschickes, sondern eine Art von Verschwörung der rebellischen Natur, die unbewusst zur Vollstreckerin des Richterspruches wurde, der ihren ursprünglichen Herrn enterbt hatte.

Dennoch erlosch weder im Menschen noch in der Welt jemals die Erwartung einer Rückkehr zum ursprünglichen Zustand, zur göttlichen Ordnung. Diese Erwartung kommt nach dem Wort des Apostels durch das Seufzen der gesamten Schöpfung zum Ausdruck (vgl. Röm 8, 22). Trotz der Knechtschaft der Sünde blieb der Mensch immer das Abbild des göttlichen Geistes. Die Welt blieb Eigentum des Wortes. Christus kam, um wieder zu beleben, was die Sünde vernichtet, um zu heilen, was sie verwundet, zu erleuchten, was sie verdunkelt hatte im Menschen und in der Welt. Er gab dem Menschen die Herrschaft über die Welt gemäß dem Geiste Gottes zurück und entzog die Welt dem sündigen Missbrauch durch den Menschen. Wenn der Bruch auch in der Wurzel geheilt wurde, so verbleiben doch als Erbe des Menschengeschlechtes manche Folgen: Zweifel, Schwierigkeiten, Leiden. Aber auch für diese Folgen der Sünde ist Christus Unterpfand der Erlösung und der Wiederherstellung der Harmonie. Das übernatürliche Licht, das in der Weihnacht von Bethlehem aufleuchtete, wölbt sich wie ein neuer Regenbogen der Versöhnung über die ganze Zukunft der Welt, "die der Vergänglichkeit unterworfen ward, nicht weil sie selber wollte, sondern um dessentwillen, der sie unterwarf, aber auf Hoffnung hin" (Röm 8, 20). Die Hoffnung ist immer noch Christus, der die Welt auch von der Knechtschaft der Verderbnis frei machen und sie der Freiheit der Kinder Gottes wiedergeben wird, wie er sie von der Knechtschaft der Sünde befreite. Das Leben der Menschen und der Lauf der Welt sind zuinnerst durchdrungen von dieser Erwartung. Wenn die Menschen bis zum Anbruch des ewigen Tages die Harmonie nicht vollständig wiederhergestellt sehen, wenn Schweiß und Tränen noch ihr Brot benetzen und wenn der Schmerzensschrei der Geschöpfe immer noch widerhallt unter der Sonne, so wird ihre Trauer doch nicht Traurigkeit des Todes sein, sondern das Weh einer Mutter, die - nach dem lebendigen Ausdruck des göttlichen Meisters - gern allen Schmerz vergisst, wenn ihre Stunde gekommen ist, weil ein Mensch zur Welt geboren wurde (vgl. Joh 16,21). Die schmerzliche und langsame Geburt eines neuen Lebens, einer neuen Menschheit in ständigem Fortschritt von Ordnung und Harmonie ist die von der Geschichte zugewiesene Aufgabe "post christum natum" - nach der Geburt Christi. Dabei müssen die der Freiheit zurückgegebenen Kinder Gottes persönlich und aktiv mitarbeiten. Es wäre vergeblich, die Vollkommenheit und die Ordnung der Welt von irgendeinem immanenten Vorgang zu erwarten, bei dem der Mensch unbeteiligter Zuschauer bliebe, wie einige behaupten. Ein solcher dunkler Immanentismus ist eine Rückkehr zum antiken Aberglauben, der die Natur vergöttlichte. Man kann sich aber auch nicht, wie man es möchte, auf die Geschichte berufen, ohne die Deutung der Tatsachen zu fälschen. Die Geschichte der Menschheit in der Welt ist etwas ganz anderes als eine Entfaltung blinder Kräfte. Sie ist ein wunderbares und lebensvolles Offenbarwerden der Geschichte des göttlichen Wortes selbst. Von ihm erhielt sie den ersten Anstoß, und durch ihn wird sie zur Vollendung kommen am Tag der allgemeinen Rückkehr zum ersten Ausgangspunkt, wenn das fleischgewordene Wort sein losgekauftes und vom Geiste Gottes erleuchtetes Eigentum als Zeugnis seiner Herrlichkeit dem ewigen Vater darbringen wird. Viele Tatsachen, besonders solche der Geschichte, die gegenwärtig den Anschein von Disharmonien an sich tragen, werden dann als Elemente echter Harmonie offenbar werden, wie zum Beispiel das ständige Aufkommen neuer Dinge und das Verschwinden der alten, weil die einen und die andern in irgendeiner Weise an der göttlichen Wahrheit und Güte Anteil hatten oder haben. Das vorübergehende Erscheinungsbild einer Sache oder eines Ereignisses nimmt ihnen nicht die Würde, sofern sie diese haben, den göttlichen Geist auszudrücken. So ist übrigens die ganze Welt; denn wie der Apostel bemerkt, "vergeht die Gestalt dieser Welt" (1 Kor 7, 31); aber ihre Endbestimmung zur Verherrlichung des Vaters und zum Triumph des Wortes, die ihrem ganzen Entwicklungsgang zugrunde liegt, verleiht und bewahrt der Welt die Würde eines Zeugen und eines Werkzeugs der ewigen Wahrheit, Güte und Harmonie.

III. Christus Licht und Leben für die Menschen, um die Harmonie in der Welt herzustellen

Die Allmacht dessen, der "alles vollbringt, was er will" (Ps 115,3), gelenkt durch seine unendliche Weisheit, die "von einem Ende zum andern sich voll Kraft erstreckt und alles mit Milde durchwaltet" (Weish 8, 1), hat das große Grundgesetz der Harmonie begründet, das die Welt durchdringt und ihr Geschehen erklärt. Der Geist Gottes, der im Anfang der Zeiten von oben her das Werk der Schöpfung leitete, hat sich gleichsam in sie übertragen, während in der Fülle der Zeiten durch das Walten der barmherzigen Liebe das ewige Wort selbst in der Menschwerdung sich persönlich in die Schöpfung eingereiht und von ihr sichtbar und endgültig Besitz ergriffen hat. "Jesus Christus gestern und heute, derselbe auch in Ewigkeit" (Hebr 13,8). Das Weltall erscheint auf diese Weise als eine vom Geiste Gottes komponierte Symphonie, deren Grundakkord aus der Verschmelzung der göttlichen Vollkommenheiten, der Weisheit, Liebe und Allmacht quillt. "Herr, unser Herr, wie wunderbar ist auf der ganzen Erde dein Name!" (Ps. 8,2.)

Für jene jedoch, die mit dem Psalmisten Ohren haben, um in Freude die göttliche, im Kosmos widerhallende Symphonie zu vernehmen, und in erster Linie für die Christen ist die Schöpfung nicht bloß ein ästhetisches, dem Menschen dargebotenes Erlebnis, um sein Wohlgefallen zu erregen und nur um den Lobpreis auf ihren großen Urheber hervorzurufen. Indem Gott den Menschen schon von Anfang an zu einer höheren Würde erhob als alle übrigen Werke seiner Hände, hatte er ihm alle Dinge unterworfen, auch den von seinem Finger gebildeten Himmel, den Mond und die Sterne (vgl. Ps 8, 4), mit einem Worte: die Welt, damit der Mensch in ihr wirke und ihre Harmonie behüte (vgl. Gen 2, 15). Aber Christus selbst, der Zeuge und Bürgschaft ist für die Harmonie der Welt, hat mit dem Beispiel seines Lebens und Sterbens gezeigt, welch tätigen, mühsamen und schmerzlichen Beitrag der Mensch zu leisten hat zu ihrer Erhaltung, ihrer Entfaltung und - falls die Harmonie unvollkommen wäre - zu deren Wiederherstellung. Das Werk der durch Christus vollbrachten Wiederherstellung der Ordnung wurde von ihm selbst als Kampf gegen den "Fürsten dieser Welt" (Joh 12,31) und sein Ausgang als Sieg bezeichnet - "Ich habe die Welt überwunden" (Joh 16,33).

Die göttliche Symphonie des Kosmos, vor allem auf Erden und unter den Menschen, wurde von ihrem höchsten Urheber der Menschheit selbst anvertraut, damit diese wie ein gewaltiges Orchester, in zeitlichen Abständen und vielgestaltig in den Mitteln, aber geeint unter der Führung Christi sie getreulich ausführe und möglichst vollkommen ihr einziges und ideales Thema zum Ausdruck bringe. Gott hat ja dem Menschen seine Pläne übergeben, damit diese sie persönlich und frei ausführen, wobei er ihm die volle sittliche Verantwortlichkeit auferlegt und, wo notwendig, von ihm nach dem Beispiel Christi Mühen und Opfer verlangt. In dieser Hinsicht ist der Christ an erster Stelle ein Bewunderer der göttlichen Ordnung in der Welt, da er ihre Anwesenheit liebt und alles aufbietet, um sie anerkannt und bejaht zu sehen. Er muss also ihr mutiger Vorkämpfer sein gegen die Kräfte und Bestrebungen, die ihrer Verwirklichung entgegenstehen, ob sie sich nun in ihm selbst verbergen als verkehrte Neigungen oder ob sie von außen kommen durch Satan und seine Torheiten. So sah der heilige Paulus die Stellung des Christen in der Welt, als er ihn hinwies auf die Widersacher der Front Gottes und ihn ermahnte, dessen Waffenrüstung anzulegen, um gegen die Anschläge Satans bestehen zu können, die Lenden umgürtet mit der Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit (vgl. Eph 6, 11 und 14). Die Berufung zum Christentum ist also nicht eine Einladung Gottes zum rein ästhetischen Genuss seiner bewundernswerten Ordnung, sondern der verpflichtende Ruf zu einem unablässigen, ernsthaften Handeln in der Fülle des Lebens. Das Tun des Christen zeigt sich vor allem in der vollen Beobachtung des Sittengesetzes, was auch immer dessen Gegenstand sei, ob klein oder groß, geheim oder öffentlich, Enthaltung oder positive Erfüllung. Das sittliche Leben gehört nicht so sehr in die Persönlichkeitssphäre des Menschen, als dass es nicht auch mit seinen Auswirkungen die Harmonie der Welt berühre. Der Mensch ist niemals, auch nicht in irgendeinem ganz einzigartigen Geschehen, so allein, so Individuum und abgesondert in sich selbst, dass seine Entscheidungen und Akte keine Auswirkungen auf die Umwelt hätten. Als Mitwirkender an der göttlichen Symphonie darf der einzelne Mensch das eigene Tun nicht ausschließlich als seine Sache betrachten, die nur ihn allein anginge; das sittliche Leben ist wohl an erster Stelle eine individuelle und innerkirchliche Angelegenheit, jedoch nicht im Sinne eines "Interiorismus" und "Historizismus", womit manche die allgemeingültige Kraft der sittlichen Richtlinien abzuschwächen und zurückzustellen suchen.

Die Mitwirkung an der Ordnung der Welt - eine Forderung Gottes an den Christen

Das Mitwirken an der Ordnung der Welt, das Gott vom Christen im allgemeinen verlangt, muss sich also vor einem Spiritualismus hüten, der ihm jeden Zutritt und jedes Eingreifen in die Außenwelt verwehren möchte und der durch seine Anwendung im katholischen Lager der Sache Christi und des Schöpfers des Weltalls schweren Schaden verursacht hat. Wie wäre es denn möglich, die Weltordnung aufrechtzuerhalten und zu entfalten, wenn man nur jenen die volle Freiheit des Handelns lässt, welche die Ordnung nicht anerkennen oder ihre Festigung nicht wollen? Das Eingreifen in die Dinge der Welt zur Erhaltung der göttlichen Ordnung ist ein Recht und eine Pflicht, die zum Wesen der Verantwortung des Christen gehören und die es ihm gestatten, rechtmäßig jede auf dieses Ziel hingerichtete und dafür geeignete private wie öffentliche oder organisierte Aktion zu unternehmen.

Dieser Verantwortung vermögen nicht die spitzfindigen Vorwände zu entheben, die von manchen Christen als Entschuldigung für ihre Trägheit vorgebracht oder von den Gegnern aus einer unberechtigten Eifersucht heraus erfunden werden, zumal wenn behauptet wird, das christliche Handeln in der Welt sei eine Maske für die dem Geiste Christi fremde Herrschsucht, es errege die Abneigung gegen den christlichen Glauben bei den bereits Übelgesinnten, es sei eine Frucht des Misstrauens gegenüber Gott und seiner allmächtigen Vorsehung und es sehe aus wie eine Anmaßung des Geschöpfes gegenüber dem Schöpfer. Einige stellen sogar die Rückkehr zur anspruchslosen Bescheidenheit der Katakomben als christliche Weisheit hin. Es wäre dagegen vernünftig, zu der gotterleuchteten Weisheit des Apostels Paulus zurückzukehren, der im Brief an die Gemeinde von Korinth mit einer seiner großen Seele würdigen und auf die volle Macht Gottes vertrauenden Kühnheit dem Wirken der Christen alle Wege öffnete: "Alles ist Euer ... , sei es Welt oder Leben oder Tod oder Gegenwärtiges oder Zukünftiges, denn alles ist Euer; Ihr aber seid Christi, und Christus ist Gottes" (1 Kor 3,22). Der Christ, der es nicht wagen wollte, sich diese Fülle der Freiheit zu eigen zu machen, würde stillschweigend für Christus selbst das Vorrecht jener Macht verneinen, "gemäß der auch er sich alles unterwerfen kann" (Phil 3, 21). Vielmehr müsste er es als eine Schande ansehen, sich von den Feinden Gottes an lebendiger Arbeitsfreude und Unternehmungslust, selbst im Geist des Opfers, übertreffen zu lassen. Es gibt keine verbotenen Gebiete und keine untersagten Richtungen für die Betätigung des Christen: Kein Lebensbezirk, keine Einrichtung, kein Gebrauch einer Vollmacht kann den Mitarbeitern Gottes zur Wahrung der göttlichen Ordnung und der Harmonie in der Welt untersagt werden.

Das Eingreifen des Christen zur Erhaltung der göttlichen Ordnung und der Harmonie in der Welt

Ein solches Eingreifen legt keineswegs den Gedanken eines Wirkens nahe, das abgesondert und beinahe eifersüchtig gegenüber dem Beitrag anderer wäre. Öfters schon sagten Wir, dass die Katholiken die Mitarbeit mit anderen Menschen zulassen können und müssen, wenn deren Tätigkeit und das Einvernehmen mit ihnen so sind, dass sie wirklich die Ordnung und Harmonie in der Welt fördern. Es ist jedoch notwendig, dass die Katholiken sich zunächst von ihrem Können und Wollen Rechenschaft geben, d. h. dass sie geistig und technisch für die Vorhaben gerüstet sind, sonst werden sie der gemeinsamen Sache keine wirkliche Hilfe und noch viel weniger das kostbare Geschenk der Wahrheit bringen, zum offensichtlichen Schaden für die Ehre Christi und der eigenen Seelen.

Unter dieser Voraussetzung schreibt man es zu Unrecht einem häufig mit dem Namen "Getto" bezeichneten Geist der "Intoleranz" und der Absonderung zu, wenn die Katholiken sich darum bemühen, die Schule, die Erziehung und die Heranbildung der Jugend auf christliche Grundlage zu stellen, katholische Berufsorganisationen zu errichten, den organisierten Einfluss der christlichen Grundsätze auch auf dem Gebiete der Politik und der Gewerkschaften zu fördern, wo die Überlieferung und die Umstände dazu raten. Es war nicht allein die abstrakte, christliche "Idee", die in der Vergangenheit die hohe Kultur geschaffen hat, auf welche die christlichen Völker mit Recht stolz sind. Es waren vielmehr die konkreten Verwirklichungen jener Idee, d. h. die Gesetze, die Verordnungen, die Einrichtungen, gegründet und gefördert von Menschen, die der Kirche ergeben waren und unter ihrer Führung oder wenigstens unter ihrem Einfluss arbeiteten. Die katholische Hierarchie war nicht nur besorgt, dass das Glaubenslicht nicht erlösche. Mit konkreten Werken der Verwaltung, der Anordnungen wie der Auswahl und Berufung von Menschen hat sie jene vielgestaltige Gesamtheit von lebendigen Organismen mitgeschaffen, die neben anderen, die nicht eigentlich zu ihrem Bereich gehörten, die Grundlage des gesitteten Zusammenlebens bilden. Die christliche Tätigkeit kann nicht, auch heute nicht, auf ihr eigenes Recht und ihre Eigenart nur deshalb verzichten, weil jemand in der menschlichen Gemeinschaft von heute eine pluralistische, d. h. durch entgegengesetzte Haltungen gespaltene Gesellschaft sieht, unverrückbar in den jeweiligen Einstellungen und unduldsam gegenüber jeder Mitarbeit, die sich nicht auf einfachhin "menschlicher" Ebene abspielen würde. Wenn dieses "Menschliche", wie es den Anschein hat, Agnostizismus gegenüber der Religion und den wahren Lebenswerten bedeutet, so käme jede Einladung zur Mitarbeit einer Forderung des Abdankens gleich, wozu der Christ nicht bereit sein kann. Woraus würde übrigens dieses "Menschliche" die Kraft schöpfen, um zu verpflichten und um die Gewissensfreiheit für alle zu begründen, wenn nicht aus der Kraft der göttlichen Ordnung und Harmonie? Dieses "Menschliche" würde enden mit der Schaffung eines "Gettos" neuer Art, das jeden verbindenden Gesichtspunkt vermissen ließe.

Die Ordnung und göttliche Harmonie in der Welt - ein Eckpfeiler für das Tun aller Menschen guten Willens

Die göttliche Ordnung und Harmonie in der Welt müssen daher der wesentliche Eckpfeiler für das Handeln nicht nur der Christen, sondern aller Menschen guten Willens zum gemeinsamen Wohle sein. Ihre Bewahrung und Entfaltung muss das oberste Gesetz sein, das die großen Begegnungen von Menschen bestimmen soll. Wenn die heutige Menschheit nicht einig würde in der Anerkennung der Allgemeingültigkeit dieses Gesetzes, d. h. in der absoluten Ehrfurcht vor der allgemeinen Ordnung und Harmonie in der Welt, dann wäre es schwer vorauszusehen, welches Schicksal die Nationen erleiden würden. Die Notwendigkeit dieser Übereinstimmung ist praktisch gespürt worden, als vor kurzem einige Fachleute in den modernen Wissenschaften Zweifel und innere Unruhe über die Entwicklung der Atomenergie äußerten. Wie es auch gegenwärtig mit ihren Folgerungen und Entschlüssen stehen mag, sicher ist, dass die Zweifel dieser höchst bedeutenden Männer das Problem der Existenz und der Grundlagen von Ordnung und Harmonie der Welt betrafen. Jetzt ist es notwendig, sich zu überzeugen, dass von der Bewahrung dieser Güter, der Ordnung und der Harmonie, jeglicher Entschluss abhängen muss, wenn man darüber berät, ob die dem Menschengeist gebotene Verwirklichungsmöglichkeit zu entfalten oder einfachhin außer acht zu lassen sei. Heutzutage treibt eine gleichsam blinde Verlockung des Fortschritts die Nationen dazu, offensichtliche Gefahren zu missachten und selbst schwere Verluste gar nicht zu berücksichtigen. Wer sieht nicht, wie die Entwicklung und Anwendung einiger Erfindungen zu militärischen Zwecken bedeutend größere Nachteile mit sich bringen als die vielleicht daraus zu ziehenden politischen Vorteile, die man auch auf anderem Wege mit weniger Aufwand und Gefahr erringen könnte oder deren Erlangung man auf reifere Zeiten verschieben könnte?

Wer vermöchte den wirtschaftlichen Schaden des nicht von der Weisheit beratenen Fortschritts in Zahlen auszurechnen? Eine solche Menge von Materialien, soviel erspartes Kapital, die Frucht von Einschränkungen und Mühen, soviel menschliche, dringenden Notwendigkeiten entzogene Arbeitskraft werden verbraucht, um diese neuesten Waffen herzustellen, so dass auch die reichsten Völker Zeiten voraussehen müssen, in denen sie das gefährlich geschwächte Gleichgewicht ihrer nationalen Wirtschaft beklagen werden oder tatsächlich schon beklagen, obwohl sie es zu verbergen suchen!

Wettlauf der Völker um den Fortschritt in der Bewaffnung

Wenn man wohlüberlegt und realistisch urteilt, so bringt der heutige Wettstreit unter den Nationen zum Erweis des eigenen Fortschritts in den Rüstungen (immer unbeschadet des Rechts auf Verteidigung) gewisse neue "Zeichen am Himmel" hervor, aber noch mehr Zeichen des Hochmutes, jenes Stolzes, der auf Erden Abgründe zwischen den Geistern aufreißt, den Hass nährt und Trauer bereitet. Die Zuschauer des heutigen Rüstungswettlaufes mögen jedoch so klug sein, die Tatsachen auf ihr wahres Maß zurückzuführen und, ohne die Versuche friedlicher Vergleiche, die immer wünschenswert sind, zurückzuweisen, sich nicht blenden zu lassen, weder von Höchstleistungen, die häufig nur einen Augenblick aktuell sind, noch von Befürchtungen, die absichtlich geweckt wurden, um die Sympathie und Unterstützung anderer zu gewinnen. Sie mögen daran denken, dass sie einer Generation angehören, in welcher der "homo faber", der technische Mensch, oft das Übergewicht hat über den "homo sapiens" - den Geistesmenschen. Vorherrschen möge der christliche Mensch, der von seiner aus der weitesten Schau der Dinge kommenden Geistesfreiheit Gebrauch macht und in der objektiven Betrachtung der Ereignisse jene Ruhe und Festigkeit des Geistes wieder findet, die im göttlichen, allzeit in der Welt anwesenden und vorsehenden Geiste verankert sind.

Das Problem des Friedens

Zum Schlusse ergehe an die Verfechter der göttlichen Harmonie in der Welt die dringende Einladung, ihre besten Kräfte für das Problem des Friedens einzusetzen. Euch und allen, denen Unser Gedanke bekannt ist, wird es genügen, bei dieser Gelegenheit und um Unserem unermüdlich auf die Sache des Friedens bedachten Geiste Genüge zu tun, an die unmittelbaren Ziele zu erinnern, welche die Nationen sich vornehmen und verwirklichen müssen. Wir tun es mit väterlichem Herzen und gleichsam zur Deutung der zarten Klagen des göttlichen Kindes von Bethlehem, das Urheber und Unterpfand jeden Friedens auf der Erde und im Himmel ist.

Das göttliche Gesetz der Harmonie in der Welt legt strikt allen Staatsoberhäuptern die Verpflichtung auf, den Krieg durch geeignete internationale Einrichtungen zu verhindern, unter wirksamer Überwachung die Rüstungen einzuschränken, durch zuverlässige Solidarität unter den Nationen, die aufrichtig den Frieden wollen, einen jeden abzuschrecken, der im Sinne hätte, den Frieden zu stören. Wir sind sicher, dass sich beim ersten Warnungszeichen dieses Band bestimmt immer enger schließen würde, wie noch kürzlich einige Erklärungen bestätigten. Doch jetzt geht es nicht so sehr darum, sich in Sicherheit zu bringen, als vielmehr den Störungen der Ordnung vorzubeugen und der Welt, die schon zuviel gelitten hat, ein verdientes Aufatmen zu schenken. Wir, die Wir Uns in kritischen Augenblicken mehr als einmal bemüht haben, durch Ermahnungen und Ratschläge jene Solidarität zu stärken, betrachten es als eine besondere von Gott gegebene Aufgabe Unseres Pontifikats, die Völker brüderlich zu einen. Wir erneuern Unsere Mahnung, dass unter den wahren Freunden des Friedens jede mögliche Rivalität aufhören und jede Ursache des Misstrauens beseitigt werden möge. Der Friede ist ein so kostbares, so fruchtbares, so wünschenswertes und erwünschtes Gut, dass jede Bemühung um seine Verteidigung, ja sogar Verzicht auf eigene rechtmäßige Ansprüche gut angewendet sind. Wir sind sicher, dass die Völker ohne Zaudern mit Uns übereinstimmen und dass sie die gleiche Auffassung von ihren Regierungen erwarten.

Der Friedensfürst möge von der Krippe von Bethlehem aus diese Vorsätze wecken, bewahren, befestigen und sich würdigen, im Zusammenhalt aller Menschen guten Willens das zu vollbringen, was heute am meisten fehlt zur Verwirklichung der Ordnung und Harmonie in der Welt, wie sie der Wille ihres Schöpfers sind.