Joseph Roth

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Joseph Roth (* 30. Januar 1896 in Köln; † 22. Januar 1945 in Friesdorf) war ein deutscher Politiker der Deutschen Zentrumspartei. Er war Vorsitzender des Zentrums in Bad Godesberg, Kreistagsmitglied des Kreistages Bonn-Land und Volksschullehrer.

Biografie

Joseph Roth wurde als erstes von sieben Kindern des Kirchen- und Dekorationsmalers Wilhelm Roth (1870–1948) und dessen Frau Margarethe geb. Kruth (1866–1932) geboren. Er wuchs im Belgischen Viertel in Köln in einer streng katholischen Umgebung auf. Drei seiner jüngeren Brüder, Willi, Ernst und Karl Gustav, wurden Priester. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er eine Ausbildung als Volksschullehrer an der Präparandie in Euskirchen.<ref>Stadtarchiv Rheinbach: Schulchronik Volksschule 13.05.1921</ref> Sein Vorbild als Lehrer war der Pädagoge Dr. Lorenz Kellner.

Von 1914 bis 1917 nahm er am Ersten Weltkrieg teil, wurde verwundet und bekam das Eiserne Kreuz 1. Klasse und das Verwundetenabzeichen.<ref>Familienarchiv Roth, Feldpostkarte vom 19.10.1916</ref> Im Januar 1918, nach seiner Entlassung 1917 aus dem Militär, schloss er seine Ausbildung zum Volksschullehrer in Euskirchen ab. Als Lehramtsreferendariat bekam er verschiedene Stellen an Grundschulen: 20. Februar 1918 – 15. Juni 1918 in Obergeilenkausen; 17. Juni 1918 – 15. Januar 1919 in Honrath; 18. Januar 1919 – 31. März 1921 Burgschule Bad Godesberg; 1. April 1921 – 15. Juli 1921 in Rheinbach; 16. Juli 1921 – 13. September 1921 an der Martinschule in Euskirchen; 11. Oktober 1921 – 1. Mai 1922 in Köln-Porz; 2. Mai 1922 – 31. August 1924 in Friesdorf (Bonn); Schriftleiter an der Godesberger Volkszeitung von September 1924 bis November 1925; 1. Dezember 1925 – 31. März 1927 in Mehlem; 1. April 1927 – 31. Juli 1927 an der Burgschule in Godesberg. Schließlich kam die Festanstellung am 9. August 1927 an der Burgschule.<ref>Stadtarchiv Bonn: Personalakte Joseph Roth, S. 3</ref>

1924 heiratete er die aus Friesdorf stammende Katharina Paffenholz (1900–1979). Seine politische Karriere begann im Bad Godesberger Windthorstbund.<ref>Familienarchiv Roth, Schriftliche Erinnerungen des Sohnes Wilhelm Roth</ref> Von dort wechselte er schnell zur katholischen Zentrumspartei unter dem Vorsitz des damaligen Kreistagsmitgliedes Bonn-Land, Peter Hensen, und wurde kurze Zeit später zu dessen Stellvertreter im Kreistag gewählt. Nachdem Hensen 1931 den Vorsitz des Zentrums niederlegte, wurde Roth zum 1. Vorsitzenden gewählt.<ref>Hauptstaatsarchiv Düsseldorf: L.A. Bonn Nr. 972, 958 u. 173-b-16-18/27</ref> Im März 1933 wählte man ihn zum Vollmitglied in den Kreistag Bonn-Land.<ref>Stadtnarchiv Bonn: General-Anzeiger, 14.03.1933</ref>

Seit 1924 arbeitete Roth auch als Schriftleiter für die Godesberger Volkszeitung, der Parteizeitung des Godesberger Zentrums. Er veröffentlichte viele politische Artikel und griff immer wieder die Nationalsozialisten an.<ref>Stadtnarchiv Bonn: Godesberger Volkszeitung, Jhrg 1932-1933</ref> Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden Roth und Bürgermeister Josef Zander am 13. März 1933 auf Bestreben des neuen Nazi-Bürgermeisters Heinrich Alef zwangsweise beurlaubt und für einem Tag in Schutzhaft genommen. In der Schulchronik der Burgschule, an der er als Lehrer tätig war, steht dazu:

Am Montag, den 13. März, wurde die nationale Revolution in Godesberg durchgeführt. Eine SA-Mannschaft (Sturmabteilung) besetzte das Rathaus und nötigte den Bürgermeister, die beiden besoldeten Beigeordneten und drei weitere Beamte, sich sofort „beurlauben“ zu lassen. Auch an der Burgschule erschien eine solche Abteilung von 20–30 Mann und veranlaßte, daß der Lehrer Roth sofort beurlaubt wurde, weil er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Godesberger Zentrumspartei die Nationalsozialisten scharf bekämpft hatte.<ref>Stadtarchiv Bonn: GO 8231, S.160</ref>

Am 3. Juni 1933, wieder unter massivem Druck von Alef, nun nationalsozialistischer Bürgermeister von Bad Godesberg, musste er sein Mandat als Kreistagsabgeordneter sowie sein Amt als Vorsitzender der Zentrumspartei in Bad Godesberg niederlegen. Einige Wochen später, am 6. April, schrieb Alef in seinem Amte als Staatskommissar zum Versetzungsversuch gegen Roth als Lehrer:

Lehrer Roth war und ist vermutlich auch heute noch Führer der hiesigen Zentrumspartei. In dieser Eigenschaft hat er sich durch Verbreitung unwahrer Behauptungen, insbesondere auch über die N.S.D.A.P., in Bad Godesberg unmöglich gemacht. Er wird im übrigen als der Urheber der in dem hiesigen Zentrumsorgan (Godesberger Volkszeitung) wiederholt erschienenen hetzerischen Artikel, die die Entwicklung der nationalen Erhebung gerade hier im zentrümlichen Bad Godesberg besonders erschwert und gehemmt hatten, bezeichnet. Auch ist Roth öfter als öffentlicher Redner aufgetreten und hat hierbei selbst vor Beleidigungen und verletzenden Ausdrücken gegenüber seinen politischen Gegnern nicht zurückgeschreckt.<ref>Stadtarchiv Bonn: Personalakte Joseph Roth, S.17.</ref>

Dennoch war Roth noch bis 1935 weiter als Lehrer an der Bad Godesberger Burgschule beschäftigt. Erst 1935 schaffte es Alef, dass er an die Friesdorfer Volksschule versetzt wurde.<ref>Stadtarchiv Bonn: Personalakte Joseph Roth, S. 31</ref> Im selben Jahr hatte auch sein Bruder, Vikar Ernst Moritz Roth, große Schwierigkeiten mit den Nationalsozialisten.<ref>Historisches Archiv des Erzbistums Köln: Nachlass Karl-Gustav Roth</ref> Bei Kriegsbeginn 1939 wurde Roth zunächst zur Wehrmacht eingezogen, aber wegen akuten Lehrermangels und aus Altersgründen 1940 wieder entlassen. Nachdem Roth von der Front heimkehrte<ref>Stadtarchiv Bonn: Personalakte Joseph Roth, S. 35/2</ref>, traf er sich heimlich mit Hans Karl Rosenberg:

"Einige Zeit nach seinem plötzlichen Verschwinden, ich glaube es waren ein paar Monate, war Herr Roth auf einmal wieder da, erschien jedoch nicht in der Schule. Allerdings kam er zu uns nach Hause zu Besuch, und mein Vater schloß sich mit ihm in seiner Bibliothek ein. Stunden später trennten sie sich, und ich sah ihn nicht wieder."<ref>Pia Rosenberg, "Schwimmen im Rhein", S. 35</ref>

Rosenberg starb am 17. April 1942 an den Folgen eines ärztlichen "Nicht-Beistandes". Von 1940 bis 1944 war Roth wieder als Lehrer in Friesdorf tätig. Am 22. August 1944 wurde er nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 im Rahmen der Aktion Gewitter verhaftet, einen Tag später in das Kölner Gestapo-Gefängnis, das berüchtigte EL-DE-Haus, eingeliefert und von dort mit anderen ehemaligen Reichstagsabgeordneten und Politikern demokratischer Parteien (u. a. mit Konrad Adenauer, Thomas Eßer, Josef Baumhoff, Peter Schlack, Otto Gerig und Peter Paffenholz) in das Arbeitserziehungslager (AEL) in den Messehallen in Köln-Deutz, das Messelager Köln, überführt. Von dort aus wurden Roth, Gerig, Schlack und Baumhoff mit weiteren ehemaligen Politikern am 16. September 1944 ins KZ Buchenwald deportiert. Roths KZ-Nummer 81555 hatte vor ihm der verstorbene Résistancekämpfer Victor Delplanque.<ref>Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar: NS 4 Bu Häftlingsnummernkartei 81555</ref> Bei seiner Entlassung am 28. Oktober 1944 wurde Roth vom KZ-Arzt noch eine sog. Benzinspritze (Phenolspritze) injiziert. Kurz vor Ende des Jahres sollte Roth erneut verhaftet werden, doch sein Bruder Ernst versteckte ihn bei einer befreundeten Familie in Dattenfeld.<ref>Historisches Archiv des Erzbistums Köln, Nachlass Karl-Gustav Roth</ref>. Zu Weihnachten konnte er dann jedoch, von der Wirkung der Giftspritze gezeichnet, wieder heimkehren.

Am 22. Januar 1945 starb er zu Hause an an den Folgen des Giftes. Auf seinem Sterbebett sagte er noch:

Ich vergebe den Feinden gegen die Kirche und gegen mich.<ref>Familienarchiv Roth: Brief von Karl Gustav Roth von 1947</ref>

Von Behördenseite aus wurde der Familie untersagt, ein reguläres Begräbnis durchzuführen, und auch der Ortspfarrer hatte hatte zu viele Bedenken, teilzunehmen. Engste Freunde und Schulkinder zogen auf zwei Schlitten den Sarg zum Friedhof. Nachdem polnische Kriegsgefangene das Grab ausgehoben hatten, wurde Roth von seinem Bruder Ernst, auch in der Eigenschaft als Priester, im engsten Familienkreis begraben. Die Gestapo verlangte jedoch noch einen Textzusatz auf dem Totenzettel:

Sein Tod erfolgte plötzlich infolge seiner bei den letzten Fliegerangriffen stark erschütterten Gesundheit.<ref>Familienarchiv Roth: Totenzettel von Joseph Roth</ref>

Katharina Roth musste darum kämpfen, als politisch verfolgtes Opfer zu gelten, und bekam schließlich den Ausweis Politisch Verfolgter Nr. 123.<ref>Dauerleihgabe im Stadtmuseum Bonn</ref> 1950 regte Peter Hensen bei der Stadtverwaltung an, doch für seinen Parteifreund und Nazi-Opfer eine Ehrung vorzunehmen. Daraufhin wurde im selben Jahr durch den Bürgermeister von Bad Godesberg, Heinrich Hopmann, der Friesdorfer Dorfplatz in Joseph-Roth-Platz umbenannt. Nach heftigen Bürgerprotesten wurde der Name des Platzes jedoch 1956 wieder aufgehoben und eine Seitenstraße am Wohnhaus von Roth in Joseph-Roth-Straße umbenannt.<ref>Joseph-Roth-Platz und Joseph-Roth-Straße in der Auskunft über Straßennamen in Bonn.</ref> Auch dort wehrten sich die Anwohner gegen den Namen noch bis Mitte der 1960er-Jahre und drohten mit Wahlboykott. Doch dieses Mal blieb der Protest erfolglos, und der Straßenname blieb.<ref>Godesberger Heimatblätter: Nr. 30, S. 73</ref>

Bernd Wittschier schrieb in "Theologisches", einer Beilage der "Offerten Zeitung für die katholische Geistlichkeit" Jahrgang 19 Nr. 11 (1989) erstmals über den "Märtyrer Roth". 1996 kam dann der Aufruf an Zeitzeugen für Roth von Prälat Dr. Helmut Moll im Pressedienst des Presseamtes des Erzbistums Köln ((PEK Nr. 800). Schließlich wurde Roth 1999 in das von Moll herausgegebene Werk Zeugen für Christus aufgenommen und ein Jahr später durch Papst Johannes Paul II. zum Märtyrer ernannt.

In der Wanderausstellung „Märtyrer des Erzbistums Köln aus der Zeit des Nationalsozialismus“, die das Bildungswerk der Erzdiözese Köln seit 2000 zeigt, sind ein Replika seiner KZ-Haftnummer und der rote Winkel für politische Häftlinge als Hauptaugenmerk sowie ein Kurzabriss seines Lebens zu sehen. Als diese Ausstellung 2003 auch in seinem Heimatort Friesdorf gezeigt wurde, schrieb der General-Anzeiger Bonn in seiner Ausgabe 1./2. Mai 2003: Ein Mitläufer wird Naziopfer. Dabei belegte der Autor dies mit einem Foto, das Roth mit lokalen Nazigrößen Mitte der 1930er Jahre zeigen sollte. Nach Gegendarstellungen von Dr. Walle und Enkelin Jutta Roth mit Quellen und im Besitz des Originalfotos, das belegen konnte, dass das Bild schon 1928 auf einer Kegeltour gemacht wurde, musste der GA eine Gegendarstellung bringen und berichtete anschließend objektiv am 14. Mai 2003 über die Ausstellung und über die beiden Freunde und Märtyrer Roth und Rosenberg. Dennoch kam es noch mehrere Monate lang zu anonymen schriftlichen Angriffen gegen die Familie.<ref>Familienarchiv Roth/Anzeige bei der Polizei Bonn</ref>

Ehrungen

Im Jahr 2000 erhob die katholische Kirche unter Papst Johannes Paul II. Roth zu einem der neuen Blutzeugen und Märtyrer der Kirche, und er steht mit einer kleinen Biografie im Martyrologium Germanicum. Im Jahr 2003 wurde in der Kölner Basilika St. Ursula ein Gedenkort für die Kölner Märtyrer der Gegenwart geschaffen, wo auch Roth in der neugeschaffenen Gedenkkapelle innerhalb der Kirche einen Platz gefunden hat. Die Stadt Bonn ehrte 2005 Joseph Roth mit der Ernennung seines Grabes zu einem Ehrengrab der Stadt. Der Künstler Gunter Demnig legte im Jahr 2006 vor dem ehemaligen Wohnhaus in Friesdorf einen Stolperstein für Roth.<ref>Godesberger Heimatblätter: Nr44, S. 157</ref>

Literatur und Quellen

  • Privatarchiv der Familie Roth
  • Stadtarchiv Bonn, Personalakte Joseph Roth
  • Archiv der Gedenkstätte Buchenwald
  • Konrad-Adenauer Stiftung Sankt Augustin, Nachlass Gerig und Biografie Joseph Roth
  • NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
  • Pia Rosenberg, "Schwimmen im Rhein", Rheinlandia Verlag, Siegburg 1977, ISBN 3-931509-31-1
  • Godesberger Heimatblätter, Rheinische Verlagsanstalt, Bonn, ISSN 0436-1024, Nr.22 (1984) S. 101–105, Nr.44 (2005) S. 156-157, Nr.49 (2011) S. 157
  • An der Synagoge e.V. (Hrsg.): Bonn und die NS-Zeit in Dokumenten 1, Verfolgung und Widerstand .Bonn 1990
  • Renate Klingenburg, Karl-Josef Schwalb, Gerta Wendl: Friesdorf und seine Kirchen. Bonn 1991 S. 197-198
  • Stadt Euskirchen, 700 Jahre Stadt Euskirchen, 1302–2002, Buchmanufaktur Handpresse Weilerswist, 2002, ISBN 3-935221-17-7; S. 252–256
  • Helmut Moll, Martyrium und Wahrheit. Zeugen Christi im 20. Jahrhundert, Verlag Gustav-Siewerth-Akademie, Weilheim-Bierbronnen, 2005, ISBN 3-928273-74-4, 3. vermehrte und aktualisierte Auflage 2007, S. 118–121
  • Helmut Moll, Zeugen für Christus. Teil 1, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn-München-Wien-Zürich, 1999, ISBN 3-506-75778-4, 4. vermehrte und aktualisierte Auflage 2006, S. 318-321
  • Bonner Geschichtswerkstatt e.V. (Hrsg.) / Red. Sabine Harling, Andrea Lummert, Erhard Stang: Wie herrlich duftet es hier nach Eau de Cologne!. Bad Godesberg – ein historisches Lesebuch. Bonn, 2008. ISBN 978-3-9806609-3-8, S. 156
  • Hauser-Nagel, Burgschule 1761–2011, Verlag epubli GmbH, Berlin, 2011, ISBN 978-3-88309-690-3, S. 67, 222, 228
  • Josef Roth, Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Verlag Traugott Bautz GmbH, Nordhausen, 2012, ISBN 978-3-88309-690-3, S. 1140-1144

Siehe auch: Martyrologium Germanicum

Weblinks

Anmerkungen

<references/>