Incarnationis mysterium (Wortlaut)

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Ankündigungsbulle
Incarnationis mysterium

Johannes Paul II.
Diener der Diener Gottes
an alle Gläubigen auf dem Weg ins 3. Jahrtausend
des großen Jubiläums des Jahres 2000
29. November 1998
(Offizieller lateinischer Text: AAS 91 [1999] 129-143)

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite; auch in: VAS 136)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Gruß und Apostolischen Segen !

1. Den Blick fest auf das Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes gerichtet, schickt sich die Kirche an, die Schwelle des dritten Jahrtausends zu überschreiten. Wie nie zuvor empfinden wir es in diesem Augenblick als unsere Pflicht und Schuldigkeit, uns das Lob- und Danklied des Apostels zu eigen zu machen: »Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen. [...] Er hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er es gnädig im voraus bestimmt hat: Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist« (Eph 1, 3-5.9-10).

Aus diesen Worten geht klar hervor, dass die Heilsgeschichte in Jesus Christus ihren Höhepunkt und letzten Sinn findet. In ihm haben wir alle »Gnade über Gnade« (Joh 1, 16) empfangen; so wurde es uns gewährt, mit dem Vater versöhnt zu werden (vgl. Röm 5, 10; 2 Kor 5, 18).

Die Geburt Jesu in Betlehem ist kein Ereignis, das sich in die Vergangenheit verbannen ließe. Denn vor ihm steht die ganze Menschheitsgeschichte: unsere Gegenwart und die Zukunft der Welt werden von seinem Dasein erleuchtet. Er ist »der Lebendige« (Offb 1, 18), »der ist und war und der kommt« (Offb 1, 4). Vor ihm muss jeder im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sein Knie beugen, und jeder Mund muss bekennen, dass er der Herr ist (vgl. Phil 2, 10-11). Durch die Begegnung mit Christus entdeckt jeder Mensch das Geheimnis seines eigenen Lebens.<ref> Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 22.</ref>

Jesus ist die wahre Neuheit, die jede Erwartung der Menschheit übersteigt. Er wird es durch die aufeinanderfolgenden Geschichtsepochen hindurch für immer bleiben. Die Menschwerdung des Gottessohnes und das Heil, das er durch seinen Tod und seine Auferstehung gewirkt hat, sind daher das eigentliche Kriterium für die Beurteilung der zeitlichen Wirklichkeit und jedes Vorhabens, das sich zum Ziel setzt, das Leben des Menschen immer menschlicher zu machen.

2. Das Große Jubiläum des Jahres 2000 steht vor der Tür. Seit meiner ersten Enzyklika Redemptor hominis habe ich auf dieses Datum mit der alleinigen Absicht hingewiesen, die Herzen aller darauf vorzubereiten, sich auf das Wirken des Geistes einzulassen.<ref> Vgl. Nr. 1: AAS 71 (1979), 258.</ref> Es wird ein festliches Ereignis sein, das gleichzeitig in Rom und in allen, über die Welt verstreuten Teilkirchen stattfindet. Es wird gleichsam zwei Zentren haben: einerseits die Stadt, in der nach dem Willen der Vorsehung der Stuhl des Nachfolgers Petri steht, und andererseits das Heilige Land, in dem der Sohn Gottes durch die Annahme unserer fleischlichen Gestalt von einer Jungfrau namens Maria als Mensch geboren wurde (vgl. Lk 1, 27). Daher wird das Jubeljahr außer in Rom mit gleicher Würde und Bedeutung in dem Land gefeiert werden, das mit Recht »heilig« heißt, hat es doch Jesus zur Welt kommen und sterben sehen. Jenes Land, in dem sich die erste christliche Gemeinde gebildet hat, ist der Ort, wo sich die Offenbarungen Gottes an die Menschheit ereignet haben. Es ist das Gelobte Land, das die Geschichte des jüdischen Volkes geprägt hat und das auch von den Anhängern des Islam verehrt wird. Möge uns das Jubiläum einen weiteren Schritt im wechselseitigen Dialog voranbringen, bis wir eines Tages alle — Juden, Christen und Muslime — miteinander in Jerusalem den Friedensgruß austauschen können.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Redemptionis anno (20. April 1984): AAS 76 (1984), 627.</ref>

Die Jubiläumszeit führt uns in jene kraftvolle Sprache ein, welche die göttliche Pädagogik des Heiles anwendet, um den Menschen zu Umkehr und Buße anzuhalten; sie ist Anfang und Weg seiner Rehabilitierung und die Voraussetzung für die Wiedererlangung dessen, was der Mensch mit seinen Kräften allein nicht erreichen könnte: die Freundschaft Gottes, seine Gnade, das übernatürliche und damit das einzige Leben, in dem sich die tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens erfüllen können.

Der Eintritt in das neue Jahrtausend ermutigt die christliche Gemeinschaft dazu, bei der Verkündigung des Reiches Gottes im Glauben auf neue Horizonte hinauszublicken. Aus diesem besonderen Anlass verlangt es die Pflicht, mit Festigkeit und Treue auf die Lehre des II. Vatikanischen Konzils zurückzugreifen, die in den missionarischen Einsatz der Kirche neues Licht gebracht und dabei die heutigen Erfordernisse der Evangelisierung berücksichtigt hat. Auf dem Konzil ist sich die Kirche auf sehr lebendige Weise ihres Geheimnisses und der apostolischen Aufgabe bewußt geworden, die ihr von ihrem Herrn übertragen wurde. Dieses Bewußtsein verpflichtet die Gemeinschaft der Gläubigen, in der Welt zu leben, wohl wissend, dass sie »der Sauerteig und die Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gesellschaft«<ref> II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 40.</ref> sein muss. Um dieser Verpflichtung wirksam zu entsprechen, muss sie in der Einheit bleiben und in der von ihr gelebten Communio wachsen.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), 36: AAS 87 (1995), 28.</ref> Das bevorstehende Jubiläumsereignis stellt einen starken Ansporn in dieser Richtung dar.

Der Gang der Gläubigen in das dritte Jahrtausend leidet keineswegs unter einer Ermüdung, wie sie die Last von zweitausend Jahren Geschichte mit sich bringen könnte; vielmehr fühlen sich die Christen ermuntert durch das Bewußtsein, der Welt das wahre Licht zu bringen: Jesus Christus, den Herrn. Wenn die Kirche Jesus von Nazaret als wahren Gott und vollkommenen Menschen verkündet, eröffnet sie jedem Menschen die Aussicht, »vergöttlicht« und damit mehr Mensch zu werden.<ref> Vgl. II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 41.</ref> Das ist der einzige Weg, durch den die Welt die hohe Berufung, zu der sie ausersehen ist, entdecken und in dem von Gott gewirkten Heil leben kann.

3. In diesen Jahren der unmittelbaren Vorbereitung auf das Jubeljahr bereiten sich in Übereinstimmung mit dem, was ich in meinem Schreiben Tertio millennio adveniente geschrieben habe,<ref> Vgl. Nr. 39-54: AAS 87 (1995), 31-37.</ref> die Ortskirchen durch Gebet, Katechese und Einsatz in den verschiedenen Formen der Seelsorge auf diesen Termin vor, der die gesamte Kirche in eine neue Zeit der Gnade und Sendung hineinführt. Das Näherrücken des Jubiläums ruft zudem wachsendes Interesse bei denjenigen hervor, die nach einem geeigneten Zeichen suchen, das ihnen hilft, die Spuren der Gegenwart Gottes in unserer Zeit zu erkennen.

Die Vorbereitungsjahre auf das Große Jubeljahr wurden unter das Zeichen der Heiligsten Dreifaltigkeit gestellt: durch Christus — im Heiligen Geist — zu Gott Vater. Das Geheimnis der Dreifaltigkeit ist der Ursprung des Glaubensweges und sein letztes Ziel, wenn unsere Augen endlich auf ewig das Antlitz Gottes schauen werden. Während wir die Menschwerdung Gottes feiern, heften wir den Blick unverwandt auf das Geheimnis der Dreifaltigkeit. Jesus von Nazaret, der Gott geoffenbart hat, hat den im Herzen jedes Menschen verborgenen Wunsch nach Gotteserkenntnis erfüllt. Was die Schöpfung wie ein Siegel bewahrte, das ihr von Gottes Schöpferhand eingeprägt worden war, und was die Propheten des Alten Testaments als Verheißung angekündigt hatten, das tritt in der Offenbarung Christi endgültig in Erscheinung.<ref> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbum, 2.4.</ref>

Jesus enthüllt das Antlitz Gottes, des Vaters »voll Erbarmen und Mitleid« (Jak 5, 11), und macht mit der Aussendung des Heiligen Geistes das dreifaltige Geheimnis der Liebe offenbar. Es ist der Geist Christi, der in der Kirche und in der Geschichte wirkt: auf ihn muss man unablässig hören, um die Zeichen der neuen Zeit zu erkennen und im Herzen der Gläubigen die Erwartung der Wiederkunft des verherrlichten Herrn immer lebendiger zu machen. Das Heilige Jahr wird daher ein einziger, ununterbrochener Lobgesang auf die Dreifaltigkeit, auf den Allerhöchsten, sein müssen. Zu Hilfe kommen uns dabei die poetischen Worte des hl. Kirchenlehrers Gregor von Nazianz:

»Ehre sei Gott dem Vater und dem Sohn,
König des Universums.
Ehre sei dem Geist,
lobenswürdig und allheilig.
Die Dreifaltigkeit ist ein einziger Gott,
der alles schuf und ausfüllte:
den Himmel mit himmlischen Wesen
und die Erde mit irdischen.
Das Meer, die Flüsse und die Quellen
füllte er mit Wasserpflanzen,
während er alles mit seinem Geist belebte,
auf dass jede Kreatur
ihren weisen Schöpfer preise,
den einzigen Grund des Lebens
und Fortbestehens.
Mehr als jedes andere verherrliche
das vernunftbegabte Geschöpf ihn stets
als großen König und gütigen Vater«.<ref> Lehrgedichte, XXXI, Hymnus alias: PG 37, 510-511.</ref>

4. Möge sich dieser Hymnus an die Dreifaltigkeit zum Dank für die Menschwerdung des Sohnes gemeinsam erheben von all denen, die durch den Empfang der einen Taufe denselben Glauben an den Herrn Jesus Christus teilen. Der ökumenische Charakter des Jubeljahres möge ein konkretes Zeichen für den Weg sein, den die Gläubigen der verschiedenen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften vor allem in diesen letzten Jahrzehnten zurückgelegt haben. Das Hören auf den Geist soll uns alle dazu befähigen, endlich in voller Gemeinschaft die Gnade der von der Taufe eröffneten Gotteskindschaft sichtbar zu bekunden: wir alle sind Kinder eines einzigen Vaters. Der Apostel versäumt es nicht, auch für uns heute die verpflichtende Mahnung zu wiederholen: »Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist« (Eph 4, 4-6). Um es mit den Worten des hl. Irenäus zu sagen: Wir können es uns nicht leisten, vor der Welt das Bild eines ausgedörrten Bodens abzugeben, nachdem wir das Wort Gottes als Regen vom Himmel empfangen haben; noch werden wir uns jemals anmaßen können, zu einem einzigen Brot zu werden, wenn wir verhindern, dass das Mehl mit Hilfe des Wassers, das in uns ausgegossen worden ist, zu einem Teig verknetet wird.<ref> Vgl. Adversus haereses, III, 17: PG 7, 930.</ref>

Alle Jubeljahre sind wie eine Einladung zu einem Hochzeitsfest. Aus den über die Welt verstreuten verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften eilen wir alle zu dem Fest, das vorbereitet wird; wir bringen mit, was uns schon verbindet, und der allein auf Christus gerichtete Blick läßt uns an die Einheit glauben, die Frucht des Geistes ist. Als Nachfolger des Petrus ist der Bischof von Rom hier, um die Einladung zur Feier des Jubiläums zu bekräftigen, damit nun die zweitausendste Wiederkehr des zentralen Geheimnisses des christlichen Glaubens als Weg der Versöhnung und als Zeichen echter Hoffnung für alle erlebt werde, die auf Christus und seine Kirche, das Sakrament »der innigsten Vereinigung mit Gott und der Einheit der ganzen Menschheit«,<ref> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 1.</ref> blicken.

5. Wie viele historische Ereignisse ruft das Jubiläumsereignis in uns wach! In Gedanken gehen wir zurück in das Jahr 1300, als Papst Bonifatius VIII., dem Wunsch des ganzen Volkes von Rom entsprechend, feierlich das erste Jubeljahr der Geschichte ausrief. Indem er auf eine uralte Überlieferung zurückgriff, wonach allen, die die Petersbasilika in der Ewigen Stadt besuchten, »reiche Nachlässe und Ablässe der Sünden« gespendet wurden, gewährte er aus jenem Anlass »nicht nur volle und reichliche, sondern sogar vollste Vergebung aller Sünden«.<ref> Bulle Antiquorum habet (22. Februar 1300): Bullarium Romanum III/2, S. 94.</ref> Von da an hat die Kirche das Jubeljahr stets als einen bedeutsamen Abschnitt ihres Schreitens auf die Fülle Christi zu gefeiert.

Die Geschichte zeigt, mit welch leidenschaftlichem Aufbruch das Volk Gottes die Heiligen Jahre stets gelebt hat. Es sah in ihnen eine wiederkehrende Gelegenheit, bei der die Aufforderung Jesu zur Umkehr auf intensivste Weise spürbar wird. Mißbräuche und Verständnislosigkeit sind im Verlauf dieses Weges nicht ausgeblieben, bei weitem größer waren aber die Zeugnisse echten Glaubens und aufrichtiger Liebe. Das beweist auf beispielhafte Weise die Gestalt des hl. Philipp Neri, der anläßlich des Jubeljahres 1550 als greifbares Zeichen für die freundliche Aufnahme der Pilger die »Caritas romana« ins Leben rief. Ausgehend von der Durchführung des Jubeljahres und den Früchten der Bekehrung, welche die Gnade der Vergebung in unzähligen Gläubigen hervorgebracht hat, ließe sich eine lange Geschichte der Heiligkeit schreiben.

6. Ich hatte während meines Pontifikates im Jahre 1983 die Freude, das außerordentliche Jubeljahr anläßlich der 1950-Jahr-Feier der Erlösung des Menschengeschlechtes auszurufen. Dieses Geheimnis, das sich im Tod und in der Auferstehung Jesu vollzogen hat, stellt den Höhepunkt eines Ereignisses dar, das mit der Menschwerdung des Gottessohnes seinen Anfang nimmt. So kann dieses Jubiläum zu Recht als »Großes Jubiläum« angesehen werden, und die Kirche äußert den lebhaften Wunsch, alle Gläubigen in ihre Arme zu schließen, um ihnen die Freude der Versöhnung anzubieten. Aus der ganzen Kirche wird der Lob- und Dankhymnus zum Vater emporsteigen, der uns in seiner unvergleichlichen Liebe in Christus zugestanden hat, »Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes« (Eph 2, 19) zu sein. Anläßlich dieses großen Festes sind auch die Anhänger anderer Religionen sowie auch alle, die dem Glauben an Gott fernstehen, herzlich eingeladen, sich an unserer Freude zu beteiligen. Als Brüder und Schwestern der einen Menschheitsfamilie überschreiten wir gemeinsam die Schwelle eines neuen Jahrtausends, das den Einsatz und die Verantwortung aller einfordern wird.

Für uns Gläubige wird das Jubiläumsjahr mit aller Klarheit die von Christus durch seinen Tod und seine Auferstehung vollbrachte Erlösung herausstellen. Niemand kann nach diesem Tod von der Liebe Gottes getrennt werden (vgl. Röm 8, 21-39), es sei denn durch eigene Schuld. Die Gnade der Barmherzigkeit kommt allen entgegen, damit alle, die versöhnt wurden, auch »gerettet werden [können] durch sein Leben« (Röm 5, 10).

Ich lege daher fest, dass das Große Jubiläum des Jahres 2000 in der Weihnachtsnacht 1999 mit der Öffnung der Heiligen Pforte der Petersbasilika im Vatikan beginnt, die der in Jerusalem und in Betlehem vorgesehenen Eröffnungsfeier und der Öffnung der Heiligen Pforte in den anderen Patriarchalbasiliken in Rom um einige Stunden vorausgehen wird. Für die Basilika Sankt Paul vor den Mauern wird die Öffnung der Heiligen Pforte auf Dienstag, 18. Januar, den Beginn der Gebetswoche für die Einheit der Christen, verlegt, um auch auf diese Weise den besonderen ökumenischen Charakter zu unterstreichen, der dieses Jubiläum kennzeichnet.

Darüber hinaus lege ich für die Teilkirchen fest, dass die Eröffnung des Jubiläumsjahres am heiligen Tag des Geburtsfestes des Herrn mit einer festlichen Eucharistiefeier unter dem Vorsitz des Diözesanbischofs in der Kathedrale und auch in der Konkathedrale begangen wird. In der Konkathedrale kann der Bischof den Vorsitz der Feier einem von ihm bevollmächtigten Vertreter übertragen. Da der Ritus der Öffnung der Heiligen Pforte der Vatikanbasilika und den Patriarchalbasiliken vorbehalten ist, sind für die Eröffnung der Jubiläumszeit in den einzelnen Diözesen, entsprechend den Hinweisen im »Rituale für die Feier des Großen Jubiläums in den Teilkirchen«, folgende liturgische Handlungen vorgesehen: die statio in einer anderen Kirche, von der sich dann der Pilgerzug zur Kathedrale bewegt, die liturgische Hervorhebung des Evangelienbuches und die Lesung einiger Abschnitte dieser Bulle.

Weihnachten 1999 möge für alle ein leuchtender Festtag, das Präludium zu einem besonders tiefen Erlebnis göttlicher Gnade und Barmherzigkeit sein, das bis zum Abschluß des Jubiläumsjahres andauern soll: dem Fest der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus am 6. Januar 2001. Jeder Gläubige nehme die Einladung der Engel an, die unaufhörlich verkünden: »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade« (vgl. Lk 2, 14). So wird die Weihnachtszeit das pulsierende Herz des Heiligen Jahres sein, das in das Leben der Kirche die Fülle der Gaben des Geistes für eine Neuevangelisierung einbringen wird.

7. Die Einrichtung des Jubeljahres ist im Laufe ihrer Geschichte reicher geworden an Zeichen, die den Glauben des christlichen Volkes bezeugen und eine Hilfe für seine Frömmigkeit sind. Unter diesen Zeichen ist vor allem die Wallfahrt zu erwähnen. Sie spielt auf die Situation des Menschen an, der sein Leben gern als einen Weg beschreibt. Von der Geburt bis zum Tod ist es jedem Menschen eigen, homo viator zu sein. Die Heilige Schrift ihrerseits bezeugt mehrmals die Bedeutung des Brauches, dass man sich auf den Weg zu den heiligen Stätten macht; es war Brauch, dass der Israelit in die Stadt pilgerte, wo die Bundeslade aufbewahrt wurde, oder dass er entweder das Heiligtum in Bet-El (vgl. Ri 20, 18) oder jenes in Schilo besuchte, wo das Gebet Hannas, der Mutter Samuels, erhört worden war (vgl. 1 Sam 1, 3). Auch Jesus unterwarf sich willig dem Gesetz und zog mit Maria und Josef hinauf in die heilige Stadt Jerusalem (vgl. Lk 2, 41). Die Geschichte der Kirche ist das lebendige Tagebuch einer niemals endenden Pilgerschaft. Unterwegs zur Stadt der heiligen Petrus und Paulus, zum Heiligen Land oder zu den alten und neuen Heiligtümern, die der Jungfrau Maria und den Heiligen geweiht sind: das ist das Ziel vieler Gläubiger, die auf diese Weise ihre Frömmigkeit fördern.

Die Wallfahrt ist seit jeher ein bedeutsamer Vorgang im Leben der Gläubigen gewesen, der in den verschiedenen Epochen unterschiedliche kulturelle Ausdrucksformen angenommen hat. Sie erinnert an den persönlichen Weg des Glaubenden auf den Spuren des Erlösers: eine Übung tätiger Askese, der Reue über die menschlichen Schwächen und der inneren Vorbereitung auf die Erneuerung des Herzens. Durch Wachen, Fasten und Gebet kommt der Pilger auf dem Weg der christlichen Vollkommenheit voran, indem er sich bemüht, mit Hilfe der Gnade Gottes »zum vollkommenen Menschen [zu] werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt dar[zu]stellen« (Eph 4, 13).

8. Zur Wallfahrt gesellt sich das Zeichen der Heiligen Pforte, die zum ersten Mal während des Jubeljahres 1423 in der Basilika des heiligsten Erlösers im Lateran geöffnet wurde. Sie erinnert an den Übergang von der Sünde zur Gnade, den zu vollziehen jeder Christ aufgerufen ist. Jesus hat gesagt: »Ich bin die Tür« (Joh 10, 7), um anzuzeigen, dass niemand zum Vater Zugang hat, außer durch ihn. Diese Selbstbestimmung Jesu bezeugt, dass er allein der vom Vater gesandte Erlöser ist. Es gibt nur einen Zugang, der den Eintritt in das Leben der Gemeinschaft mit Gott aufschließt: dieser Zugang ist Jesus, der einzige und absolute Heilsweg. Auf ihn allein läßt sich das Wort des Psalmisten in vollem Ausmaß anwenden: »Das ist das Tor zum Herrn, nur Gerechte treten hier ein« (Ps 118, 20).

Der Hinweis auf die Tür erinnert an die Verantwortung jedes Gläubigen, deren Schwelle zu überschreiten. Durch jene Tür gehen, heißt bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, und den Glauben an ihn stärken, um das neue Leben zu leben, das er uns geschenkt hat. Es ist eine Entscheidung, welche die Freiheit der Wahl und zugleich den Mut zum Loslassen voraussetzt im Wissen darum, dass man das göttliche Leben gewinnt (vgl. Mt 13, 44–46). In diesem Geist wird der Papst als erster in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1999 durch die Heilige Pforte gehen. Während er ihre Schwelle überschreitet, wird er der Kirche und der Welt das Heilige Evangelium zeigen, die Quelle des Lebens und der Hoffnung für das bevorstehende dritte Jahrtausend. Durch die Heilige Pforte, die in symbolischer Hinsicht am Ende eines Jahrtausends größer ist,<ref> Vgl. Johannes Paul II. Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), 33: AAS 87 (1995), 25.</ref> wird uns Christus tiefer in die Kirche, seinen Leib und seine Braut, einführen. So verstehen wir, wie bedeutungsvoll der Hinweis des Apostels Petrus ist, wenn er schreibt, dass, vereint mit Christus, auch wir uns »als lebendige Steine zu einem geistigen Haus, zu einer heiligen Priesterschaft aufbauen lassen, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen« (1 Petr 2, 5).

9. Ein weiteres, den Gläubigen wohlbekanntes besonderes Zeichen ist der Ablass, der eines der wesentlichen Elemente des Jubiläumsereignisses ausmacht. In ihm offenbart sich die Fülle des Erbarmens des Vaters, der mit seiner Liebe, die zuallererst in der Vergebung der Schuld zum Ausdruck kommt, allen entgegenkommt. Üblicherweise gewährt Gott Vater seine Vergebung durch das Sakrament der Buße und Versöhnung.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Reconciliatio et paenitentia (2. Dezember 1984), 28-34: AAS 77 (1985), 250-273.</ref> Denn der Gläubige, der sich bewußt und aus freien Stücken der schweren Sünde überläßt, trennt sich damit vom Gnadenleben mit Gott und schließt sich selbst von der Heiligkeit aus, zu der er berufen ist. Die Kirche, gestützt auf die ihr von Christus verliehene Vollmacht, in seinem Namen Schuld zu vergeben (vgl. Mt 16, 19; Joh 20, 23), stellt in der Welt die lebendige Gegenwart der Liebe Gottes dar, der sich über jede menschliche Schwäche niederbeugt, um sie aufzunehmen in die Umarmung seines Erbarmens. Ja, durch den Dienst seiner Kirche breitet Gott in der Welt seine Barmherzigkeit aus durch jene kostbare Gabe, die mit dem uralten Namen »Ablass« bezeichnet ist.

Das Bußsakrament bietet dem Sünder »eine neue Möglichkeit, sich zu bekehren und die Gnade der Rechtfertigung wiederzuerlangen«,<ref> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1446.</ref> die durch das Opfer Christi erwirkt worden ist. So wird er wieder in das Leben Gottes und in die volle Teilnahme am Leben der Kirche zurückgeführt. Wenn der Gläubige seine Sünden bekennt, erhält er wirklich die Vergebung und kann, als Zeichen für die wiedergewonnene Gemeinschaft mit dem Vater und mit seiner Kirche, wieder an der Eucharistie teilnehmen. Die Kirche ist jedoch von alters her immer zutiefst davon überzeugt gewesen, dass die von Gott ungeschuldet gewährte Vergebung als notwendige Folge eine tatsächliche Lebensänderung, einen zunehmenden innerlichen Abbau des Bösen und eine Erneuerung der eigenen Existenz einschließt. Der sakramentale Akt sollte mit einer existentiellen Handlung, mit einer tatsächlichen Reinigung von der Schuld, die eben Buße genannt wird, einhergehen. Vergebung heißt nicht, dass dieser existentielle Prozeß überflüssig würde, sondern vielmehr, dass er einen Sinn erhält, dass er angenommen und aufgenommen wird.

Die eingetretene Versöhnung mit Gott schließt nämlich nicht aus, dass gewisse Folgen der Sünde zurückgeblieben sind, von denen man geläutert werden muss. Gerade in diesem Bereich gewinnt der Ablass, durch den das »Vollgeschenk des göttlichen Erbarmens«<ref> Johannes Paul II., Bulle Aperite portas redemptori (6. Januar 1983), 8: AAS 75 (1983), 98.</ref> zum Ausdruck gebracht wird, an Bedeutung. Mit dem Ablass wird dem reuigen Sünder die zeitliche Strafe für Sünden erlassen, die hinsichtlich der Schuld schon getilgt sind.

10. Auf Grund ihrer Eigenschaft, die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes zu verletzen sowie die persönliche Freundschaft, die Gott für den Menschen hegt, zu verachten, zieht die Sünde in der Tat eine doppelte Folge nach sich. Einerseits bringt sie, wenn es sich um eine schwere Sünde handelt, den Entzug der Gemeinschaft mit Gott und somit den Ausschluß von der Teilhabe am ewigen Leben mit sich. Dem reuigen Sünder gewährt jedoch Gott in seinem Erbarmen die Vergebung der schweren Sünde und den Nachlass der »ewigen Sündenstrafe«, die sie eigentlich nach sich ziehen würde.

Außerdem »zieht jede Sünde, selbst eine geringfügige, eine schädliche Bindung an die Geschöpfe nach sich, was der Läuterung bedarf, sei es hier auf Erden, sei es nach dem Tod im sogenannten Purgatorium [Läuterungszustand]. Diese Läuterung befreit von dem, was man “zeitliche Sündenstrafe” nennt«,<ref> Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1472.</ref> eine Sühne, durch die getilgt wird, was der vollen Gemeinschaft mit Gott und mit den Brüdern und Schwestern im Wege steht.

Auf der anderen Seite lehrt die Offenbarung, dass der Christ auf seinem Bekehrungsweg nicht allein gelassen ist. In Christus und durch Christus ist sein Leben durch ein geheimnisvolles Band mit dem Leben aller anderen Christen in der übernatürlichen Einheit des mystischen Leibes verbunden. So kommt es zwischen den Gläubigen zu einem wunderbaren Austausch geistlicher Güter, kraft dessen die Heiligkeit des einen den anderen zugute kommt, und zwar mehr als die Sünde des einen den anderen schaden kann. Es gibt Menschen, die geradezu ein Übermaß an Liebe, an ertragenem Leid, an Reinheit und Wahrheit zurücklassen, das die anderen einbezieht und aufrichtet. Es ist die Wirklichkeit der »Stellvertreterschaft«, auf die sich das ganze Geheimnis Christi gründet. Seine überreiche Liebe rettet uns alle. Trotzdem gehört es zur Größe der Liebe Christi, dass sie uns nicht im Zustand passiver Empfänger beläßt, sondern in sein heilbringendes Wirken und insbesondere in sein Leiden einbezieht. Das besagt die bekannte Stelle aus dem Kolosserbrief: »Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt« (1, 24).

Wunderbar ausgedrückt ist diese tiefgründige Wirklichkeit auch an einer Stelle der Geheimen Offenbarung, wo die Kirche als die Braut beschrieben wird, die mit einem Gewand aus weißem Linnen, aus blendend reinem Leinen bekleidet ist. Und der hl. Johannes sagt: »Das Leinen bedeutet die gerechten Taten der Heiligen« (Offb 19, 8). Denn im Leben der Heiligen wird das blendend weiße Leinen gewoben, welches das Kleid der Ewigkeit ist.

Alles kommt von Christus, aber da wir sein Eigentum sind, wird auch das, was uns gehört, zu seinem Eigentum und gewinnt eine heilbringende Kraft. Das ist gemeint, wenn man vom »Schatz der Kirche« spricht, der aus den guten Werken der Heiligen besteht. Für die Erlangung des Ablasses beten heißt, in diese geistliche Gemeinschaft eintreten und sich damit ganz den anderen öffnen. Denn auch im geistlichen Bereich lebt keiner nur für sich allein. Und die heilsame Sorge um das eigene Seelenheil wird erst dann von Furcht und Egoismus befreit, wenn sie zur Sorge auch um das Heil des anderen wird. Das ist die Wirklichkeit der Gemeinschaft der Heiligen, das Geheimnis der »stellvertretenden Wirklichkeit« und des Gebetes als Weg zur Vereinigung mit Christus und mit seinen Heiligen. Er nimmt uns zu sich, damit wir zusammen mit ihm das makellose Gewand des neuen Menschengeschlechtes weben, das Gewand der Braut Christi aus blendend weißem Leinen.

Diese Lehre über die Ablässe macht also zunächst deutlich, »wie traurig und bitter es ist, sich von Gott dem Herrn abgewandt zu haben (vgl. Jer 2, 19). Denn wenn die Gläubigen die Ablässe erwerben, begreifen sie, dass sie aus eigener Kraft nicht fähig wären, das Übel, das sie durch die Sünde sich selbst und der ganzen Gemeinschaft zugefügt haben, wiedergutzumachen; so werden sie zu heilbringenden Taten der Demut angespornt«.<ref> Paul VI., Apostolische Konstitution Indulgentiarum doctrina (1. Januar 1967), 9: AAS 59 (1967), 18.</ref> Die Wahrheit von der Gemeinschaft der Heiligen, welche die Gläubigen mit Christus und untereinander verbindet, sagt uns außerdem, wie sehr ein jeder den anderen — Lebenden wie Verstorbenen — dabei helfen kann, immer inniger mit dem Vater im Himmel verbunden zu sein.

Indem ich mich auf diese Lehraussagen stütze und den mütterlichen Sinn der Kirche deute, verfüge ich, dass alle Gläubigen, sofern sie angemessen vorbereitet sind, während des ganzen Jubiläumsjahres in den reichlichen Genuß des Ablassgeschenkes kommen können, wie es den dieser Bulle beigefügten Anweisungen entspricht (vgl. Dekret).

11. Diese genannten Zeichen gehören schon zur Tradition der Jubiläumsfeier. Das Volk Gottes soll es aber nicht versäumen, mit wachem Geist noch andere mögliche Zeichen für das im Jubeljahr wirksame Erbarmen Gottes zu erkennen. In dem Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich auf einige solcher Zeichen hingewiesen,<ref> Vgl. Nr. 33.37.51: AAS 87 (1995), 25-26; 29-30; 36.</ref> die in angemessener Weise dazu dienen können, die außerordentliche Gnade des Jubiläums intensiver zu erleben. Ich führe sie hier kurz an.

Da ist vor allem das Zeichen der Reinigung des Gedächtnisses: es verlangt von allen einen mutigen Akt der Demut, nämlich die Verfehlungen zuzugeben, die von denen begangen wurden, die den Namen Christen trugen und tragen.

Das Heilige Jahr ist seinem Wesen nach eine Zeit des Aufrufes zur Umkehr. Das ist auch das erste Wort der Verkündigung Jesu, das sich auf vielsagende Weise mit der Bereitschaft zum Glauben verbindet: »Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!« (Mk 1, 15). Der Imperativ, den Christus hier setzt, folgt aus der Bewußtwerdung des Umstandes, dass »die Zeit erfüllt ist« (ebd.). Das Sich-Erfüllen der Zeit Gottes setzt sich in den Aufruf zur Umkehr um. Diese aber ist vor allem Frucht der Gnade. Der Geist ist es, der jeden dazu drängt, »in sich zu gehen« und zu merken, dass er zum Haus des Vaters zurückkehren muss (vgl. Lk 15, 17-20). Die Gewissenserforschung ist also einer der bedeutsamsten Vorgänge der persönlichen Existenz. Denn durch sie wird jeder Mensch mit der Wahrheit des eigenen Lebens konfrontiert. So entdeckt er, wie weit seine Handlungen von dem Ideal entfernt sind, das er sich zuvor gesteckt hat.

Die Geschichte der Kirche ist eine Geschichte der Heiligkeit. Das Neue Testament bestätigt nachdrücklich folgende charakteristische Eigenschaft der Getauften: Sie sind in dem Maße »heilig«, wie sie sich von der dem Bösen unterworfenen Welt trennen und der Verehrung des einzigen und wahren Gottes hingeben. Tatsächlich tritt diese Heiligkeit in den wechselvollen Lebensgeschichten vieler von der Kirche anerkannter Heiliger und Seliger ebenso in Erscheinung wie im Leben einer unendlichen Schar unbekannter Männer und Frauen, deren Zahl sich unmöglich errechnen läßt (vgl. Offb 7, 9). Ihr Leben gibt Zeugnis von der Wahrheit des Evangeliums und bietet der Welt das sichtbare Zeichen für die Möglichkeit der Vollkommenheit. Man muss jedoch eingestehen, dass die Geschichte auch viele Ereignisse verzeichnet, die ein Antizeugnis gegenüber dem Christentum darstellen. Wegen jenes Bandes, das uns im mystischen Leib miteinander vereint, tragen wir alle die Last der Irrtümer und der Schuld derer, die uns vorausgegangen sind, auch wenn wir keine persönliche Verantwortung dafür haben und nicht den Richterspruch Gottes, der allein die Herzen kennt, ersetzen wollen. Aber auch wir haben als Söhne und Töchter der Kirche gesündigt, und es wurde der Braut Christi verwehrt, in ihrer ganzen Schönheit zu erstrahlen. Unsere Sünde hat das Wirken des Geistes im Herzen vieler Menschen behindert. Unser schwacher Glaube hat viele der Gleichgültigkeit verfallen lassen und sie von einer echten Begegnung mit Christus abgehalten.

Als Nachfolger Petri fordere ich, dass die Kirche, gestärkt durch die Heiligkeit, die sie von ihrem Herrn empfängt, in diesem Jahr der Barmherzigkeit vor Gott niederkniet und von ihm Vergebung für die Sünden ihrer Kinder aus Vergangenheit und Gegenwart erfleht. Alle haben gesündigt, und niemand kann sich vor Gott gerecht nennen (vgl. 1 Kön 8, 46). Man möge ohne Furcht wiederholen: »Wir haben gesündigt« (Jer 3, 25), doch soll die Gewißheit lebendig erhalten werden, dass dort, »wo die Sünde mächtig wurde, die Gnade übergroß geworden ist« (Röm 5, 20).

Die Umarmung, die der Vater demjenigen vorbehält, der ihm reumütig entgegengeht, wird der gerechte Lohn für das demütige Eingeständnis der eigenen und der Schuld anderer sein; es stützt sich auf das Bewußtsein von dem tiefen Band, das alle Glieder des mystischen Leibes Christi untereinander vereint. Die Christen werden aufgefordert, vor Gott und vor den Menschen, die ihr Verhalten verletzt hat, zu den von ihnen begangenen Fehlern zu stehen. Das sollen sie tun, ohne irgendetwas dafür einzufordern, stark allein durch die »Liebe Gottes, die in unsere Herzen ausgegossen ist« (Röm 5, 5). Es wird nicht an Personen fehlen, die ohne Vorurteile fähig sind anzuerkennen, dass die vergangene und gegenwärtige Geschichte häufig Fälle von Ausgrenzung, Ungerechtigkeiten und Verfolgungen gegenüber den Söhnen und Töchtern der Kirche vermerkt hat und weiter vermerkt.

Niemand möge sich in diesem Jubeljahr von der Umarmung des Vaters ausschließen. Niemand verhalte sich wie der ältere Bruder im Gleichnis des Evangeliums, der sich weigert, das Haus zu betreten, um am Fest teilzunehmen (vgl. Lk 15, 25-30). Die Freude über die Vergebung möge stärker und größer sein als jeder Groll. Wenn das geschieht, wird die Braut vor den Augen der Welt in jener Schönheit und Heiligkeit erstrahlen, die aus der Gnade des Herrn stammen. Seit zweitausend Jahren ist die Kirche die Wiege, in die Maria Jesus legt und ihn allen Völkern zur Anbetung und Betrachtung anvertraut. Möge durch die Demut der Braut die Herrlichkeit und Kraft der Eucharistie, die sie in ihrem Schoß feiert und bewahrt, noch stärker strahlen. Im Zeichen der konsekrierten Gestalten von Brot und Wein offenbart der auferstandene und verherrlichte Jesus Christus als Licht der Heiden (vgl. Lk 2, 32) die Kontinuität seiner Menschwerdung. Er bleibt lebendig und wahrhaftig mitten unter uns, um die Gläubigen mit seinem Leib und seinem Blut zu speisen.

Der Blick sei daher fest auf die Zukunft gerichtet. Der barmherzige Vater stellt die Sünden, die wir wirklich bereut haben, nicht in Rechnung (vgl. Jes 38, 17). Er vollbringt nun etwas Neues und nimmt in verzeihender Liebe den neuen Himmel und die neue Erde vorweg. Im Hinblick auf einen erneuerten Einsatz für das christliche Zeugnis in der Welt des nächsten Jahrtausends möge der Glaube erstarken, die Hoffnung wachsen und die Liebe immer tätiger werden.

12. Ein Zeichen der Barmherzigkeit Gottes, das heute besonders nötig ist, stellt die Liebe dar, die uns die Augen für die Bedürfnisse derer öffnet, die in Armut und am Rande der Gesellschaft leben. Diese Zustände erfassen heute weite gesellschaftliche Räume und bedecken mit ihrem Todesschatten ganze Völker. Die Menschheit steht neuen und subtileren Formen von Sklaverei gegenüber, als wir sie aus der Vergangenheit kennen; für allzu viele Menschen bleibt Freiheit weiterhin ein Wort ohne Inhalt. Nicht wenige Nationen, besonders die ärmsten, werden von einer Schuldenlast förmlich erdrückt, die solche Ausmaße angenommen hat, dass eine Rückzahlung praktisch unmöglich ist. Es ist allerdings klar, dass ohne die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Völkern aller Sprachen, Rassen, Nationalitäten und Religionen kein wirklicher Fortschritt erreicht werden kann. Es müssen Formen der Unterdrückung beseitigt werden, die zur Vorherrschaft der einen über die anderen führen: wir haben es dabei mit Sünde und Ungerechtigkeit zu tun. Wem es darum geht, nur hier auf der Erde Schätze anzuhäufen (vgl. Mt 6, 19), der »ist vor Gott nicht reich« (Lk 12, 21).

Außerdem muss man eine neue Kultur internationaler Solidarität und Zusammenarbeit schaffen, in der alle — besonders die reichen Länder und der private Bereich — ihre Verantwortung für ein Wirtschaftsmodell übernehmen, das jedem Menschen dient. Es darf der Zeitpunkt nicht weiter hinausgezögert werden, an dem sich auch der arme Lazarus neben den reichen Mann setzen kann, um an demselben Mahl teilzunehmen, und nicht mehr gezwungen ist, sich von dem zu ernähren, was vom Tisch des Reichen herunterfällt (vgl. Lk 16, 19-31). Die extreme Armut ist Quelle von Gewalt, Groll und Skandalen. Abhilfe schaffen kann man hier nur durch aktiven Einsatz für die Gerechtigkeit und damit für den Frieden.

Das Jubeljahr ist ein weiterer Aufruf zur Umkehr des Herzens durch die Änderung der Lebensweise. Es erinnert alle daran, dass sie weder die Güter der Erde absolut setzen dürfen, weil sie nicht Gott sind, noch die Herrschaft oder den Herrschaftsanspruch des Menschen, weil die Erde Gott und nur ihm allein gehört: »Das Land gehört mir, und ihr seid nur Fremde und Halbbürger bei mir« (Lev 25, 23). Möge dieses Gnadenjahr das Herz derer berühren, die das Schicksal der Völker in Händen haben!

13. Ein dauerndes, aber heutzutage besonders beredtes Zeichen für die Wahrheit der christlichen Liebe ist das Gedächtnis der Märtyrer. Ihr Zeugnis soll nicht vergessen werden. Sie sind diejenigen, die das Evangelium verkündet haben, indem sie aus Liebe ihr Leben hingaben. Der Märtyrer ist vor allem in unseren Tagen Zeichen jener größeren Liebe, die jeden anderen Wert einschließt. Sein Dasein spiegelt die letzten von Christus am Kreuz gesprochenen Worte wider: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun« (Lk 23, 34). Der Gläubige, der seine christliche Berufung, für die das Martyrium eine schon in der Offenbarung angekündigte Möglichkeit ist, ernsthaft erwogen hat, kann diese Perspektive nicht aus seinem Lebenshorizont ausschließen. Die zweitausend Jahre seit der Geburt Christi sind von dem beständigen Zeugnis der Märtyrer geprägt.

Unser nunmehr zu Ende gehendes Jahrhundert hat vor allem als Folge des Nationalsozialismus, des Kommunismus und der Rassen- oder Stammeskämpfe zahllose Märtyrer hervorgebracht. Menschen aller Gesellschaftsschichten haben für ihren Glauben gelitten, indem sie ihr Festhalten an Christus und der Kirche mit dem Leben bezahlten oder mutig endlose Jahre der Gefangenschaft und Entbehrungen aller Art auf sich nahmen, um nicht vor einer Ideologie zurückzuweichen, die sich in das Regime einer grausamen Diktatur verwandelt hatte. Vom psychologischen Gesichtspunkt her ist das Martyrium der eindrucksvollste Beweis für die Wahrheit des Glaubens, die selbst dem gewaltsamsten Tod ein menschliches Gesicht zu geben vermag und ihre Schönheit auch in den grausamsten Verfolgungen zum Ausdruck bringt.

Erfüllt von der Gnade des kommenden Jubeljahres werden wir mit größerer Kraft den Dankhymnus zum Vater erheben und singen können: Te martyrum candidatus laudat exercitus. Ja, das ist das Heer derer, die »ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht [haben]« (Offb 7, 14). Darum wird die Kirche überall auf der Erde im Zeugnis der Märtyrer verankert bleiben und ihr Gedächtnis sorgsam verteidigen müssen. Möge das Volk Gottes, das durch das Beispiel dieser glaubwürdigen Kämpfer jeden Alters, jeder Sprache und Nationalität im Glauben gestärkt ist, mit Zuversicht die Schwelle des dritten Jahrtausends überschreiten. Die Bewunderung für ihr Martyrium verbinde sich im Herzen der Gläubigen mit dem Wunsch, mit Gottes Gnade ihrem Beispiel folgen zu können, falls es die Umstände erfordern würden.

14. Die Freude über das Jubiläum wäre nicht vollkommen, wenn sich der Blick nicht derjenigen zuwendete, die in vollem Gehorsam gegenüber dem Vater für uns den Sohn Gottes leibhaftig hervorgebracht hat. In Betlehem kam für Maria »die Zeit ihrer Niederkunft« (Lk 2, 6); vom Geist erfüllt, brachte sie den Erstgeborenen der neuen Schöpfung zur Welt. Nach ihrer Berufung, die Mutter Gottes zu sein, hat Maria vom Tag der jungfräulichen Empfängnis an ihre Mutterschaft voll gelebt und sie auf Golgota zu Füßen des Kreuzes gekrönt. Hier ist sie durch das wunderbare Geschenk Christi auch zur Mutter der Kirche geworden, die allen den Weg zeigt, der zum Sohn führt.

Die Jungfrau Maria war eine Frau, die sich der Stille aussetzte, die zuhören konnte und sich in die Hände des Vaters gab. Deshalb wird sie von allen Generationen als »selig« angerufen, weil sie die vom Heiligen Geist an ihr vollbrachten Wunder zu erkennen vermochte. Niemals werden die Völker aufhören, die Mutter des Erbarmens anzurufen, und immer werden sie unter ihrem Schutz Zuflucht finden. Sie, die mit ihrem Sohn Jesus und ihrem Mann Josef zum heiligen Tempel Gottes pilgerte, beschütze den Weg aller, die in diesem Jubiläumsjahr zu Pilgern werden. Besonders eindringlich möge in den nächsten Monaten ihre Fürbitte für das christliche Volk sein, damit es die Fülle der Gnade und Barmherzigkeit erlange, während es sich über die zweitausend Jahre freut, die seit der Geburt seines Erlösers vergangen sind.

An Gott Vater im Heiligen Geist gehe das Lob der Kirche für das Geschenk der Erlösung im Herrn Jesus Christus jetzt und in Ewigkeit.

Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 29. November,

dem ersten Adventsonntag des Jahres des Herrn 1998,
im einundzwanzigsten Jahr meines Pontifikates.

Joannes Paulus II

ANWEISUNGEN FÜR DIE ERLANGUNG DES JUBILÄUMSABLASSES

Mit vorliegendem Dekret, das in dem vom Heiligen Vater in der Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums des Jahres 2000 zum Ausdruck gebrachten Willens verfaßt ist, und kraft der ihr von demselben Papst übertragenen Vollmacht legt die Apostolische Pönitentiarie die Ordnung fest, die für die Erlangung des Jubiläumsablasses einzuhalten ist.

Alle Gläubigen können, wenn sie entsprechend vorbereitet sind, während des ganzen Jubeljahres gemäß den im folgenden ausgeführten Bestimmungen in den reichlichen Genuß des Ablassgeschenkes gelangen.

Unter der Voraussetzung, dass die sowohl in allgemeiner Form wie auf besonderes Reskript hin gewährten Ablässe während des Großen Jubiläums in Kraft bleiben, wird daran erinnert, dass der Jubiläumsablass den Seelen der Verstorbenen durch Fürbittgebet zugewendet werden kann: mit diesem Angebot wird eine hervorragende Übung übernatürlicher Liebe vollbracht, kraft des Bandes, durch das im mystischen Leib Christi die noch auf Erden pilgernden Gläubigen mit jenen vereint sind, die ihren irdischen Lebensweg schon abgeschlossen haben. Auch während des Jubeljahres bleibt überdies die Regelung in Geltung, dass ein vollkommener Ablass nur einmal am Tag gewonnen werden kann.<ref> Vgl. Enchiridion indulgentiarum, LEV 1986 norm. 21, § 1.</ref>

Der Höhepunkt des Jubiläums ist die Begegnung mit Gott Vater durch den Erlöser Jesus Christus, der in seiner Kirche besonders in ihren Sakramenten gegenwärtig ist. Deswegen hat der ganze Weg des Jubeljahres, von der Wallfahrt vorbereitet, als Ausgangs- und Endpunkt die Feier des Bußsakramentes und der Eucharistie, des Paschamysteriums Christi also, der unser Friede und unsere Versöhnung ist: das ist die verwandelnde Begegnung, die auf das Geschenk des Ablasses für sich und für andere hin öffnet.

Nach Ablegung der sakramentalen Beichte, die ordentlicherweise nach can. 960 CIC und nach can. 720 § 1 CCEO persönlich und vollständig sein muss, kann der Gläubige durch Erfüllung der verlangten Anordnungen das Geschenk des vollkommenen Ablasses während einer angemessenen Zeitfrist auch täglich empfangen oder zuwenden, ohne die Beichte wiederholen zu müssen. Es ist jedoch besser, dass die Gläubigen häufig die Gnade des Bußsakramentes empfangen, um in der Bekehrung und Reinheit des Herzens zu wachsen.<ref> Vgl. ebd., norm. 23, §§ 1-2.</ref> Die Teilnahme an der Eucharistie, die für jeden Ablass notwendig ist, soll am selben Tag erfolgen, an dem die vorgeschriebenen Werke erfüllt werden.<ref> Vgl. ebd., norm. 23, § 3.</ref>

Mit diesen zwei herausragenden Momenten müssen vor allem das Zeugnis der Gemeinschaft mit der Kirche einhergehen, das durch ein Gebet nach Meinung des Heiligen Vaters bekundet wird, sowie auch die Ausführung von Handlungen der Nächstenliebe und der Buße nach den weiter unten gegebenen Anweisungen: solche Handlungen sollen jene echte Umkehr des Herzens zum Ausdruck bringen, zu der die Gemeinschaft mit Christus in den Sakramenten hinführt. Denn Christus ist unsere Vergebung und die Sühne für unsere Sünden (vgl. 1 Joh 2, 2). Indem er den Heiligen Geist, der »die Vergebung aller Sünden ist«,<ref> »Quia ipse est remissio omnium peccatorum«: Missale Romanum, Super oblata, Sabbato post Dominicam VII Paschae.</ref> in die Herzen der Gläubigen ausgießt, bringt er jeden zu einer kindlichen und vertrauensvollen Begegnung mit dem Vater des Erbarmens. Dieser Begegnung entspringen die Bemühungen um Umkehr und Erneuerung, um kirchliche Gemeinschaft und Liebe zu den Brüdern und Schwestern.

Auch für das kommende Jubiläum wird die Regelung bestätigt, wonach die Beichtväter für diejenigen, die rechtmäßig verhindert sind, sowohl das vorgeschriebene Werk als auch die geforderten Bedingungen ändern können.<ref> Vgl. Enchiridion indulgentiarum, norm. 27.</ref> Die klausurierten Ordensmänner und Ordensfrauen, die Kranken und alle, die nicht imstande sind, ihre Wohnung zu verlassen, können statt des Besuches einer bestimmten Kirche die Kapelle ihres Hauses aufsuchen; sollte auch das nicht möglich sein, können sie den Ablass dadurch erlangen, dass sie sich geistig mit denen verbinden, die das vorgeschriebene Werk in ordentlicher Weise erfüllen, und dass sie Gott ihre Gebete, Leiden und Entbehrungen aufopfern.

Was die Erfüllung der Bedingungen betrifft, so werden die Gläubigen den Jubiläumsablass erlangen können:

1) In Rom, wenn sie eine Wallfahrt zu einer der Patriarchalbasiliken — der Basilika Sankt Peter im Vatikan oder der Erzbasilika des Heiligsten Erlösers am Lateran oder der Basilika Santa Maria Maggiore oder der Basilika Sankt Paul an der Via Ostiense — unternehmen und dort mit Andacht an der hl. Messe oder an einer anderen liturgischen Feier, wie den Laudes oder der Vesper, oder an einer Frömmigkeitsübung (z.B. Kreuzweg, Rosenkranz, Gebet des Hymnus Akathistos zu Ehren der Muttergottes) teilnehmen; außerdem, wenn sie als Gruppe oder einzeln eine der vier Patriarchalbasiliken besuchen und dort für eine angemessene Zeit in Verehrung der Eucharistie und in andächtiger Betrachtung verweilen und diese dann mit dem »Vaterunser«, mit einer anerkannten Form des Glaubensbekenntnisses und mit der Anrufung der seligen Jungfrau Maria abschließen. Zu den vier Patriarchalbasiliken kommen bei diesem besonderen Anlass des Großen Jubiläums folgende andere Stätten zu denselben Bedingungen hinzu: die Basilika Santa Croce in Gerusalemme, die Basilika San Lorenzo al Verano, das Heiligtum der Muttergottes von der Göttlichen Liebe (Madonna del Divino Amore), die christlichen Katakomben.<ref> Vgl. Enchiridion indulgentiarum, conces. 14.</ref>

2) Im Heiligen Land, wenn sie unter Beachtung derselben Bedingungen die Grabeskirche in Jerusalem oder die Geburtskirche in Betlehem oder die Verkündigungsbasilika in Nazaret besuchen.

3) In den anderen kirchlichen Jurisdiktionsbereichen, wenn sie eine Wallfahrt zur Kathedrale oder zu anderen vom Bischof bestimmten Kirchen oder Orten machen und dort andächtig an einer liturgischen Feier oder einer anderen Frömmigkeitsübung teilnehmen, wie sie oben für die Stadt Rom angegeben wurden; außerdem, wenn sie als Gruppe oder einzeln die Kathedrale oder ein vom Bischof bestimmtes Heiligtum besuchen, dort für eine angemessene Zeit in andächtiger Betrachtung verweilen und diese dann mit dem »Vaterunser«, mit einer anerkannten Form des Glaubensbekenntnisses und mit der Anrufung der seligen Jungfrau Maria abschließen.

4) An jedem Ort, wenn sie für eine angemessene Zeit Brüder und Schwestern, die sich in Not oder Schwierigkeiten befinden (Kranke, Gefangene, einsame alte Menschen, Behinderte usw.), besuchen, dabei gleichsam zu Christus pilgern, der in diesen Menschen gegenwärtig ist (vgl. Mt 25, 34-36), und die üblichen geistlichen und sakramentalen Bedingungen, einschließlich der vorgeschriebenen Gebete, erfüllen. Die Gläubigen werden sicher solche Besuche im Laufe des Heiligen Jahres wiederholen; bei jedem dieser Besuche können sie den vollkommenen Ablass erlangen, natürlich nur einmal am Tag.

Den vollkommenen Jubiläumsablass kann man auch durch Unternehmungen erlangen, welche die Bußgesinnung, die gleichsam die Seele des Jubiläums ist, konkret und hochherzig in die Tat umsetzen. Sie bestehen unter anderem darin, dass die Gläubigen sich wenigstens einen Tag lang überflüssigen Konsums enthalten (z.B. nicht rauchen, keine alkoholischen Getränke zu sich nehmen, entsprechend den allgemeinen Normen der Kirche und den Einzelbestimmungen der Bischofskonferenzen fasten oder Enthaltsamkeit üben) und eine angemessene Geldsumme den Armen zuwenden; dass sie mit einem ansehnlichen Beitrag Werke religiösen oder sozialen Charakters unterstützen (besonders zu Gunsten verwahrloster Kinder, in Schwierigkeiten geratener Jugendlicher, bedürftiger alter Menschen und Fremder in den verschiedenen Ländern auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen); dass sie einen angemessenen Teil ihrer Freizeit Tätigkeiten widmen, die der Gemeinschaft zugute kommen, oder dass sie andere ähnliche Formen persönlichen Opfers auf sich nehmen.

Rom, aus der Apostolischen Pönitentiarie,

am 29. November 1998, dem ersten Adventsonntag.
William Wakefield Kard. Baum
Großpönitentiar
Luigi De Magistris

Regens

Anmerkungen

<references />

Weblinks