Hymno dicto

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Gründonnerstagsschreiben
Hymno dicto

von Papst
Johannes Paul II.
an alle Priester der Kirche
13. April 1987

(Offizieller lateinischer Text: AAS 79 [1987] 1285-1295)

(Quelle: Sekretariat der DBK (Hg.), VAS 76; DAS 1987, S. 1343-1353)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ein Priester
Liebe Brüder im Priesteramt Christi !

I. Zwischen dem Abendmahlssaal und dem Garten Getsemani

1. "Nach dem Lobgesang gingen sie zum Ölberg hinaus" (Mk 14,26). Laßt mich, liebe Mitbrüder im Priesteramt, meinen Brief zum Gründonnerstag dieses Jahres mit diesen Worten beginnen, die uns an den Augenblick erinnern, da Jesus Christus nach dem letzten Abendmahl das Haus verließ, um zum Ölberg zu gehen. Wir alle, die wir durch das Weihesakrament in einer besonderen amtlichen Weise am Priestertum Christi Anteil haben dürfen, vertiefen uns am Gründonnerstag geistig in die Erinnerung an die Einsetzung der Eucharistie; denn dieses Ereignis kennzeichnet den Anfang und die Quelle von all dem, was wir durch die Gnade Gottes in der Kirche und in der Welt sind. Der Gründonnerstag ist der Geburtstag unseres Priestertums und darum auch unser jährlicher Festtag.

Dies ist ein bedeutender und heiliger Tag nicht nur für uns, sondern für die ganze Kirche, für alle, die Gott selbst in Christus zu "Königen" und "Priestern" gemacht hat (vgl. Offb 1,6). Für uns ist dieser Tag besonders wichtig und entscheidend, weil das gemeinsame Priestertum des Volkes Gottes an den Dienst der Ausspender der Eucharistie gebunden ist: unsere höchste Aufgabe. Indem ihr euch mit euren Bischöfen versammelt, liebe Brüder, erneuert ihr darum heute zusammen mit ihnen in euren Herzen die Gnade, die euch "durch die Auflegung der Hände" (vgl. 2 Tim 1,6) im Sakrament der Priesterweihe geschenkt worden ist. An diesem so außerordentlichen Tag möchte ich - wie jedes Jahr - mit euch allen wie auch mit euren Bischöfen verbunden sein; denn wir alle verspüren ein tiefes Verlangen, uns erneut der Gnade dieses Sakramentes bewußt zu werden, das uns zutiefst mit Christus, Priester und Opfergabe, verbindet.

Zu diesem Ziel möchte ich mit dem vorliegenden Schreiben einige Gedanken Über die Bedeutung des Gebetes in unserem Leben ausdrücken, vor allem im Blick auf unsere Berufung und Sendung.

2. Nach dem letzten Abendmahl begibt sich Jesus zusammen mit den Aposteln zum Ölberg. In der Abfolge der Hellsereignisse der Heiligen Woche bildet das Abendmahl für Christus den Beginn "seiner Stunde". Gerade während des Abendmahles beginnt alles endgültig Wirklichkeit zu werden, was zu dieser "Stunde" gehören soll.

Beim Abendmahl setzt Jesus das Sakrament ein, das Zeichen einer Wirklichkeit, die sich in der Folge der Ereignisse noch ergeben muß. Darum sagt er: "Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird"; "dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird" (Lk 22,19 f). So entsteht das Sakrament des Leibes und Blutes des Erlösers, mit dem das Priestersakrament wegen des Auftrages an die Apostel: jut dies zu meinem Gedächtnis" (Lk 22,19), eng verbunden ist.

Die Worte der Einsetzung der Eucharistie nehmen nicht nur voraus, was am folgenden Tag Wirklichkeit werden sollte, sondern betonen auch ausdrücklich, daß diese unmittelbar bevorstehende Verwirklichung den Sinn und die Tragweite eines Opfers besitzt. Denn der Leib wird hingegeben", und das Blut wird "vergossen für euch ".

Auf diese Weise legt Jesus während des letzten Abendmahles ein wahres Opfer in die Hände der Apostel und der Kirche. Was im Augenblick der Einsetzung noch eine, wenn auch endgültige, Ankündigung darstellt, aber auch bereits eine echte Vorwegnahme der Wirklichkeit des Opfers auf Kalvaria ist, wird dann durch das Amt des Priesters zur "Gedächtnisfeier", die in sakramentaler Weise dieselbe erlösende Wirklichkeit immer wieder neu gegenwärtig setzt: eine Wirklichkeit in der Mitte der gesamten göttlichen Heilsordnung.

3. Als Jesus zusammen mit den Aposteln hinausgeht und sich zum Ölberg begibt, geht er geradewegs auf die Wirklichkeit seiner "Stunde" zu, jener Zeit der österlichen Erfüllung des Planes Gottes und aller fernen und nahen Verheißungen, die hierüber in den "Schriften" enthalten sind (vgl. Lk 24,27). Diese "Stunde" bezeichnet auch die Zeit, in der das Priestertum mit einem neuen und endgültigen Inhalt als Berufung und Dienst aufgrund von Offenbarung und göttlicher Einsetzung erfüllt wird. Wir könnten eine ausführlichere Darlegung dieser Wahrheit vor allem im Hebräerbrief finden, einem grundlegenden Text für die Kenntnis des Priestertums Christi und unseres eigenen Priestertums.

Aber im Rahmen der vorliegenden Erwägungen erscheint es wesentlich, daß Jesus auf die Vollendung der Wirklichkeit, die ihren Höhepunkt in seiner Stunde" hat, im Gebet zugeht.

4. Das Gebet im Garten von Getsemani versteht man nicht nur aus seiner Verbindung mit all dem, was ihm während der Ereignisse des Karfreitags folgt, das heißt sein Leiden und Sterben am Kreuz, sondern auch und ebenso tief aus seiner Verbindung mit dem letzten Abendmahl. Während dieses Abschiedsmahles erfüllte Jesus, was der ewige Wille des Vaters für ihn und was auch sein eigener Wille, der Wille des Sohnes, war: Deshalb bin ich in diese Stunde gekommen (Joh 12,27). Die Worte, mit denen das Sakrament des neuen und ewigen Bundes, die Eucharistie, eingesetzt wird, bilden in gewisser Weise das sakramentale Siegel jenes ewigen Willens des Vaters und des Sohnes, für den nunmehr die "Stunde" der endgültigen Erfüllung gekommen ist.

Im Garten Getsemani verbindet der Name "Abba", der im Munde Jesu stets eine trinitarische Tiefe besitzt - diesen Namen benutzt er ja, um mit dem Vater und über den Vater zu sprechen, vor allem im Gebet -, die Schmerzen der Passion mit dem Sinn der Worte bei der Einsetzung der Eucharistie. Jesus kommt in der Tat nach Getsemani, um noch einen weiteren Aspekt der Wahrheit über sich selbst, den Sohn, zu offenbaren, und er tut dies eben mit dem Wort Abba. Diese Wahrheit, diese unerhörte Wahrheit über Jesus Christus, besteht darin, daß er, der dem Vater gleich ist, weil eines Wesens mit ihm, zugleich wahrer Mensch ist. Und tatsächlich nennt er sich selbst häufig "Menschensohn". Niemals so wie in Getsemani zeigt sich die Wirklichkeit des Sohnes Gottes, der "wie ein Sklave" wurde (vgl. Phil 2,7) nach der Weissagung des Jesaja (vgl. Jes 53).

Das Gebet in Getsemani offenbart mehr als jedes andere Gebet Jesu die Wahrheit über Identität, Berufung und Sendung des Sohnes, der in die Welt gekommen ist, um den Vaterwillen Gottes bis zum letzten zu erfüllen, wenn er sagen wird: "Alles ist vollbracht!" (vgl. Joh 19,30). Das ist wichtig für alle, die an der "Gebetsschule" Christi teilnehmen wollen; und besonders wichtig ist es für uns Priester.

5. Jesus Christus, der wesensgleiche Sohn, tritt also vor den Vater und spricht: Abba." Und siehe: Indem er in einer gleichsam radikalen Weise seine Situation als wahrer Mensch, als "Menschensohn", offenbart, bittet er darum, daß der bittere Kelch ihm fern bleibe: "Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber" (Mt 26,39 par.).

Jesus weiß, daß dies "nicht möglich" ist, daß "der Kelch" ihm gegeben ist, damit er ihn bis zur Neige "austrinke". Und doch spricht er genau so: "Wenn es möglich ist, gehe er an mir vorüber." Dies sagt er im selben Augenblick, da dieser "Kelch", von ihm so heiß ersehnt (vgl. Lk 22,15), bereits das sakramentale Siegel des neuen und ewigen Bundes im Blut des Lammes geworden ist; da alles, was von Ewigkeit her "festgesetzt" war, schon in sakramentaler Weise in der Zeit "eingesetzt" worden ist: eingeführt in die gesamte Zukunft der Kirche.

Jesus, der diese Einsetzung in jenem Saal vorgenommen hat, wird sicherlich die vom Sakrament des letzten Abendmahles bezeichnete Wirklichkeit nicht zurücknehmen wollen. Im Gegenteil, von ganzem Herzen wünscht er sich ihre Vollendung. Wenn er trotzdem betet, daß "dieser Kelch an ihm vorübergehe", offenbart er auf diese Weise vor Gott und vor den Menschen das ganze Gewicht der Aufgabe, die er auf sich nehmen muß: an unser aller Stelle treten in der Sühne für die Sünde. Er zeigt damit auch den unendlichen Schmerz, der sein Menschenherz erfüllt. So erweist sich der Menschensohn solidarisch mit allen seinen Brüdern und Schwestern, die vom Anfang bis zum Ende der Zeiten zur großen Menschheitsfamille gehören. Leiden ist für den Menschen das Übel - in Getsemani erfährt es Jesus Christus mit seinem ganzen Gewicht, wie es unserer gemeinsamen Erfahrung sowie unserer spontanen inneren Einstellung entspricht. Vor seinem Vater behält er die ganze Wahrheit seiner Menschennatur bei, die Wahrheit eines Menschenherzens, das von dem Leiden bedrückt ist, welches seinem dramatischen Höhepunkt zustrebt: "Meine Seele ist zu Tode betrübt" (Mk 14,34). Niemand ist jedoch in der Lage, mit nur menschlichen Kriterien das wahre Maß dieses Leidens eines Menschen auszudrücken. Der da im Garten Getsemani zum Vater betet, ist Ja ein Mensch, der zugleich Gott ist, eines Wesens mit dem Vater.

6. Die Worte des Evangellsten: "Da ergriffen ihn Angst und Traurigkeit" (Mt 26,37), wie auch der gesamte Verlauf des Gebetes in Getsemani scheinen nicht nur auf die Angst vor dem Leiden, sondern auch auf die dem Menschen eigene Furcht hinzuweisen, auf eine Art von Furcht, die mit seinem Verantwortungsbewußtsein verbunden ist. Ist der Mensch nicht jenes einzigartige Wesen, dessen Berufung es ist, fortwährend sich selbst zu übersteigen"?

Jesus Christus, der "Menschensohn", gibt im Gebet, das seine Passion einleitet, der typischen Mühseligkeit jener Verantwortung Ausdruck, wie sie der Mensch mit der Übernahme von Aufgaben verbunden ist, bei denen "sich selbst übersteigen" muß.

Die Evangelien erwähnen mehrmals die Tatsache, daß Jesus betete, ja daß er "die ganze Nacht im Gebet verbrachte" (vgl. Lk 6,12); aber keines dieser Gebete ist in so tiefer und eindringlicher Weise dargestellt worden wie jenes von Getsemani. Das ist verständlich; war doch keine andere Stunde im Leben Jesu so entscheidend. Kein anderes Gebet gehörte dermaßen zu dem, was "seine Stunde" sein sollte. Von keiner anderen Entscheidung seines Lebens wie von dieser hing die Erfüllung des Willens des Vaters ab, der "die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat" (Joh 3,16).

Als Jesus in Getsemani sagt: "Nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen" (Lk 22,42), offenbart er damit die Wahrheit vom Vater und von dessen Heilsliebe für den Menschen. "Der Wille des Vaters" ist eben diese Heilsliebe: Das Heil der Welt soll sich durch das erlösende Opfer des Sohnes verwirklichen. Es ist sehr verständlich, daß der Menschensohn bei der Übernahme dieser Aufgabe in der entscheidenden Zwiesprache mit dem Vater erkennen läßt, daß er sich der übermenschlichen Bedeutung einer solchen Aufgabe bewußt ist, in der er den Willen des Vaters in der göttlichen Tiefe der Einheit des Sohnes mit ihm erfüllen soll.

"Ich habe das Werk zu Ende geführt, das du mir aufgetragen hast" (vgl. Joh 17,4). Der Evangelist Lukas sagt hiezu: , Und in seiner Angst betete er noch inständiger" (Lk 22,44). Diese Todesangst zeigte sich auch im Schweiß, der wie Blutstropfen das Antlitz Jesu benetzte (vgl. ebenda). Das ist der äußerste Ausdruck eines Leidens, das sich im Gebet verwandelt, und eines Gebetes, das seinerseits den Schmerz kennt, indem es das Opfer begleitet, das im Abendmahlssaal sakramental vorweggenommen und im Geiste von Getsemani tief durchlebt worden ist und das nun auf Kalvaria zu Ende geführt werden soll.

Auf diese Momente im Beten Jesu als Priester und Opfer möchte ich eure Aufmerksamkeit hinlenken, liebe Brüder, weil sie zu tun haben mit unserem Gebet und mit unserem Leben.

II. Das Gebet als Mitte priesterlicher Existenz

7. Wenn wir in unserer Betrachtung zum Gründonnerstag dieses Jahres den Abendmahlssaal mit Getsemani zusammenbringen, dann darum, um zu verstehen, wie tief unser Priestertum mit dem Gebet verbunden sein muß: Es muß im Gebet verwurzelt sein. Diese Feststellung erfordert wirklich keinen Beweis, sondern muß vielmehr ständig mit Herz und Verstand bedacht werden, damit die in ihr enthaltene Wahrheit sich immer tiefer im Leben verwirklichen kann.

Es handelt sich ja um unser Leben, um unsere priesterliche Existenz selbst in all ihrem Reichtum, wie er vor allem in der Berufung zum Priestertum und dann auch im daraus erwachsenden Heilsdienst enthalten ist.

Wir wissen, daß das sakramentale und amtliche Priestertum eine besondere Teilhabe am Priestertum Christi ist. Es existiert nicht ohne ihn und außerhalb von ihm. Es blüht nicht auf und bringt keine Frucht, ohne in ihm verwurzelt zu sein. "Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen" (Joh 15,5), sagte Jesus beim letzten Abendmahl am Ende seines Gleichnisses über den Weinstock und die Rebzweige. Als Jesus später, während seines einsamen Gebetes im Garten von Getsemani, zu Petrus, Johannes und Jakobus kommt und sie schlafend findet, weckt er sie mit den Worten auf: "Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet" (Mt 26,41).

Das Gebet soll also für die Apostel die konkrete und wirksame Weise ihrer Teilnahme an der "Stunde Jesu" und ihrer Verwurzelung an ihm und in seinem österlichen Geheimnis sein. So wird es immer auch für uns Priester sein. Ohne das Gebet droht die Gefahr jener Versuchung, der die Apostel im Augenblick, da sie sich dem Ärgernis des "Kreuzes" (vgl. Gal 5,11) von Angesicht zu Angesicht gegenübersahen, leider erlegen sind.

8. In unserem priesterlichen Leben kennt das Gebet verschiedene Formen und Bedeutungen: Das gilt für das persönliche, das gemeinschaftliche wie auch das liturgische - das öffentliche und offizielle - Gebet. Diesem vielfältigen Gebet muß jedoch stets jenes tiefste Fundament zugrundeliegen, das unserer priesterlichen Existenz in Christus entspricht, insofern sie in einer besonderen Weise die christliche Existenz selbst, ja sogar - in einem allgemeineren Sinne - die menschliche Existenz verwirklicht. Das Gebet ist ja der angemessene Ausdruck unseres Bewußtseins, daß wir von Gott geschaffen sind, und darüber hinaus - wie man der Bibel deutlich entnehmen kann -, daß sich der Schöpfer dem Menschen als Gott des Bundes offenbart hat.

Das Gebet, das unserer priesterlichen Existenz entspricht, umfaßt zunächst natürlich alles, was sich aus unserem Christsein ergibt oder auch einfach aus der Tatsache, daß wir Menschen sind, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen wurden. Es schließt dann auch das Bewußtsein ein, daß wir Menschen und Christen nach Art von Priestern sind. Gerade dies scheint der Gründonnerstag tiefer aufzeigen zu können, wenn er uns nach dem letzten Abendmahl zusammen mit Christus nach Getsemani führt. Hier sind wir ja Zeugen des Gebetes Jesu selbst, das der höchsten Vollendung seines Priestertums durch sein Lebensopfer am Kreuz unmittelbar vorausgeht. Er ist als Hoherpriester der künftigen Güter gekommen; ist ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen ... mit seinem eigenen Blut" (vgl. Hebr 9,11 f.). In der Tat, wenn er auch vom Anfang seiner Existenz an Priester war, so "wurde" er doch der einzige Priester des neuen und ewigen Bundes in voller Weise erst durch das Erlösungsopfer, das in Getsemani begann. Und dieser Beginn geschah im Gebet.

9. Liebe Brüder, dies ist für uns am Gründonnerstag, den wir zu Recht als Geburtstag unseres Priesteramtes in Christus betrachten, eine Entdeckung von grundlegender Bedeutung. Zwischen die Einsetzungsworte: "Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird", "mein Blut, das für euch vergossen wird" und die tatsächliche Realisierung dieser Worte tritt das Gebet von Getsemani. Ist es nicht so, daß dieses Gebet in der Abfolge der österlichen Ereignisse zu jener auch sichtbaren Wirklichkeit hinführt, die das Sakrament bezeichnet und zugleich erneuert? Das Priestertum, das durch ein so eng mit der Eucharistie verbundenes Sakrament unser Erbe geworden ist, ist immer ein Anruf, an eben dieser erlösenden göttlich-menschlichen Wirklichkeit teilzunehmen, die durch unseren Dienst in der Heilsgeschichte immer neue Früchte hervorbringen soll: "daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt" (Joh 15,16). Der heilige Pfarrer von Ars, von dem wir im vergangenen Jahr den zweihundertsten Geburtstag gefeiert haben, erscheint uns gerade als Mann dieser Berufung, indem er auch in uns das Bewußtsein davon stärkt. In seinem heroischen Leben war das Gebet das Mittel, das es ihm gestattete, beständig in Christus zu bleiben und angesichts seiner" Stunde mit ihm zu , wachen.

Diese "Stunde" hört nicht auf, über das Heil so vieler Menschen zu entscheiden, die dem priesterlichen Dienst und der pastoralen Sorge eines jeden Priesters anvertraut sind. Im Leben des heiligen Johannes-Maria Vianney verwirklichte sich diese "Stunde" besonders durch seinen Dienst im Beichtstuhl.

10. Das Gebet in Getsemani ist wie ein Eckstein, der von Christus zur Grundlage des Dienstes für den "ihm vom Vater anvertrauten" Auftrag, zum Fundament für das Werk der Erlösung der Welt durch das Kreuzesopfer gemacht worden ist.

Da wir am Priestertum Christi teilhaben, das mit seinem Opfer untrennbar verbunden ist, müssen auch wir den Eckstein des Gebetes zum Fundament unserer priesterlichen Existenz machen. Dieses erlaubt uns, unser Leben mit dem priesterlichen Dienst in Einklang zu bringen, indem wir die Identität und Echtheit dieser Berufung unversehrt bewahren, die in der Kirche als Gemeinschaft des Volkes Gottes unser besonderes Erbe geworden ist.

Das priesterliche Gebet, besonders das Breviergebet und die eucharistische Anbetung, wird uns vor allem helfen, daß wir uns bewußt bleiben, als "Diener Christi" in einer besonderen und außerordentlichen Weise "Verwalter von Geheimnissen Gottes" zu sein (1 Kor 4,1). Wie auch immer unsere konkrete Aufgabe und die Art unseres seelsorglichen Dienstes ist, das Gebet wird uns das Bewußtsein von jenen Geheimnissen Gottes erhalten, dessen "Verwalter" wir sind, und wird uns helfen, dies in allen unseren Werken zum Ausdruck zu bringen.

Auch auf diese Weise werden wir für die Menschen ein verständliches Zeichen für Christus und sein Evangelium.

Liebe Mitbrüder! Wir brauchen das Gebet, das tiefe und gewissermaßen alles verbindende Gebet, um ein solches Zeichen sein zu können. "Daran werden alle erkennen, daß ihr meine jünger seid: wenn ihr einander liebt" (Joh 13,35). Ja, das ist wirklich eine Frage der Liebe, der Liebe "für die anderen; als Priester "Verwalter von Geheimnissen Gottes" zusein, bedeutet ja, sich den anderen zur Verfügung zu stellen und auf diese Weise Zeugnis zu geben von jener höchsten Liebe, die in Christus ist, von jener Liebe, die Gott selber ist.

11. Wenn das priesterliche Gebet ein solches Bewußtsein und eine solche Haltung im Leben eines jeden von uns stärkt, so muß es sich zugleich nach der inneren "Logik" der Berufung eines Verwalters von Geheimnissen Gottes ausweiten und auf alle jene erstrecken, die der Vater uns gegeben hat (vgl. Joh 17,6).

Dies ergibt sich deutlich aus dem priesterlichen Gebet Jesu im Abendmahlssaal: "Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie gehörten dir, und du hast sie mir gegeben, und sie haben an deinem Wort festgehalten" (Joh 17,6).

Nach dem Vorbild Jesu ist der Priester als Verwalter von Geheimnissen Gottes ganz er selbst, wenn er für die anderen " da ist. Das Gebet gibt ihm ein besonderes Gespür für diese anderen", macht ihn empfänglich für ihre Nöte, für ihr Leben und ihr Schicksal. Das Gebet gestattet dem Priester auch, diejenigen zu erkennen, "die der Vater ihm gegeben hat". Dies sind vor allem jene, die ihm vom Guten Hirten sozusagen auf den Weg seines priesterlichen Dienstes, seiner Seelsorge, geschickt werden. Es sind die Kinder, die Erwachsenen, die alten Leute. Es sind die jugendlichen, die Eheleute, die Familien, aber auch die Alleinstehenden. Ferner die Kranken, die Leidenden, die Sterbenden; es sind jene, die uns geistig nahestehen, die zur Mitarbeit im Apostolat bereit sind, aber auch die Fernstehenden, die Abwesenden, die Gleichgültigen, von denen viele sich doch in der Phase der Besinnung und Suche befinden können. Schließlich jene, die aus verschiedenen Gründen schlecht disponiert sind, jene, die sich in Schwierigkeiten verschiedener Art befinden, jene, die gegen Laster und Sünde ankämpfen, jene, die für Glauben und Hoffnung kämpfen. jene, die die Hilfe des Priesters suchen und auch jene, die sie ablehnen.

Wie aber kann man "für" diese alle - und "für" jeden von ihnen - dasein nach dem Vorbild Christi? Wir "für" jene, die , der Vater uns gibt", uns als Aufgabe anvertraut? Dies wird für uns immer eine Probe der Liebe sein -eine Probe, die wir vor allem auf der Ebene des Gebetes annehmen müssen.

12. Wir wissen alle, liebe Brüder, daß diese Probe uns etwas "kostet". Was kosten mitunter die scheinbar gewöhnlichen Gespräche mit den verschiedenen Personen! Was kostet der Dienst, mit dem wir den Gewissen im Beichtstuhl beistehen! Was kostet die Sorge "für alle Gemeinden" (vgl. 2 Kor 11,28: sollicitudo omnium ecclesiarum)! Hierbei handelt es sich um die "Hauskirchen" (vgl. Lumen gentium, 11), d. h. die Familien, besonders in ihren gegenwärtigen Schwierigkeiten und Krisen; es handelt sich um jeden einzelnen Tempel des Heiligen Geistes (1 Kor 6,19): um jeden Mann oder jede Frau in ihrer menschlichen und christlichen Würde. Es geht schließlich um eine kirchliche Gemeinschaft wie die Pfarrei, die immer die grundlegende Gemeinschaft bleibt, oder um jene Gruppen, Bewegungen und Vereinigungen, die der Erneuerung des Menschen und der Gesellschaft im Geist des Evangeliums dienen, welche heute im Bereich der Kirche aufblühen und für die wir dem Heiligen Geist dankbar sein müssen, der so zahlreiche gute Initiativen ins Leben ruft. Ein solcher Einsatz hat "seine Kosten", die wir mit der Hilfe des Gebetes tragen müssen.

Das Gebet ist unerläßlich, um das pastorale Gespür für all das zu bewahren, was vom "Geist" kommt, um jene Charismen richtig zu unterscheiden und einzusetzen, die zur Einheit beitragen und mit dem priesterlichen Dienst in der Kirche verbunden sind. Denn es ist die Aufgabe der Priester," das Volk Gottes zu vereinen", nicht zu spalten. Und sie tun dies vor allem als Ausspender der heiligen Eucharistie.

Das Gebet wird uns also erlauben, wenn auch inmitten vieler Hindernisse, .jene Probe der Liebe zu geben, die das Leben jedes Menschen bieten muß -und das des Priesters in einer besonderen Weise. Wenn diese Probe unsere Kräfte zu übersteigen scheint, erinnern wir uns an das, was der Evangelist von Jesus in Getsemani sagt. . Und er betete in seiner Angst noch inständiger" (Lk 22,44).

13. Das II. Vatikanische Konzil stellt das Leben der Kirche als eine Pilgerschaft im Glauben dar (vgl. Lumen gentium, 48 ff.). Jeder von uns, liebe Brüder, hat aufgrund seiner priesterlichen Berufung und Weihe an dieser Pilgerschaft einen besonderen Anteil. Wir sind berufen, voranzugehen und die anderen zu führen, ihnen auf ihrem Weg als Diener des Guten Hirten zu helfen. Als Verwalter von Geheimnissen Gottes müssen wir daher eine Glaubensreife besitzen, die unserer Berufung und unseren Aufgaben entspricht. Denn "von Verwaltern verlangt man, daß sie sich treu erweisen" (1 Kor 4,2) vom Augenblick an, da der Herr ihnen sein Erbe anvertraut.

Deshalb ist es gut, daß auf dieser Pilgerschaft des Glaubens jeder von uns seinen inneren Blick auf die Jungfrau Maria, die Mutter Jesu Christi, des Sohnes Gottes, richtet. Sie nämlich geht uns - wie das Konzil im Anschluß an die Väter lehrt - voraus auf dieser Pilgerschaft (vgl. Lumen gentium, 58) und gibt uns ein erhabenes Beispiel, das ich auch in meiner kürzlichen Enzyklika herausgestellt habe, die ich für das Marianische Jahr, auf das wir uns vorbereiten, veröffentlicht habe.

In ihr, der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau, entdeckten wir auch das Geheimnis jener übernatürlichen Fruchtbarkeit durch das Wirken des Heiligen Geistes, durch die sie "Typus" der Kirche ist. Denn die Kirche wird "auch selbst Mutter- Durch Predigt und Taufe nämlich gebiert sie die vom Heiligen Geist empfangenen und aus Gott geborenen Kinder zu neuem und unsterblichem Leben" (Lumen gentium, 64). Der Apostel Paulus bezeugt: "Meine Kinder, für die ich von neuem Geburtswehen erleide" (Gal 4,19). Die Kirche wird Mutter, indem sie wie eine Mutter leidet, die "bekümmert ist, weil ihre Stunde da ist; aber wenn sie das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an ihre Not über die Freude, daß ein Mensch zur Welt gekommen ist (Joh 16,21).

Berührt dieses Zeugnis nicht vielleicht auch das Wesen unserer besonderen Berufung in der Kirche? Auf jeden Fall - so möchte ich zum Abschluß sagen - müssen wir, damit das Zeugnis des Apostels auch unser eigenes werden kann, ständig zum Abendmahlssaal und nach Getsemani zurückkehren und im Gebet und durch das Gebet in die Herzmitte unseres Priestertums gelangen. Wenn wir zusammen mit Jesus rufen: "Abba, Vater!", dann "bezeugt der Geist selber unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind" (Röm 8,15 f.). So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt für uns ein mit Seufzen das wir nicht in Worte fassen können. Und Gott, der die Herzen erforscht, weiß auch, was die Absicht des Geistes ist" (Röm 8,26 f.).

Empfangt, liebe Brüder, meinen österlichen Gruß und den Friedenskuß in Jesus Christus, unserem Herrn.

Aus dem Vatikan, am 13. April des Jahres 1987.
Johannes Paul II. PP.