Exsurge Domine

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Bulle
Exsurge Domine
(Erhebe Dich, Herr)

von Papst
Leo X.
über falsche Thesen Martin Luthers
15. Juni 1520

(Quelle: Denzinger-Hünermann, Nrn. 1451–1492)

Hintergrund: Martin Luther, der mit seinen 95 Thesen viel Widerhall fand, wurde schon im November 1517 in Rom angeklagt und vorgeladen. Kurz darauf betraute Leo X. Kardinal Cajetan de Vio mit der Aufgabe, Luther zum Widerruf zu bewegen. Weder ihre Zusammenkunft im Oktober 1518 in Augsburg noch die im Juni-Juli 1519 in Leipzig abgehaltene Disputation zwischen Johannes Eck, dem bedeutendsten Verteidiger des Katholizismus, und den Reformatoren Luther und Karlstadt erbrachten eine Einigung. Nach der Rückberufung Johannes Ecks nach Rom wurde der Prozess gegen Luther eröffnet (Jan.–April 1520). Es lagen u.a. die Voten der Universitäten Köln und Löwen vor (DuPlA 1/II [1728] 358–361; vgl. die Responsio Lutheriana d. J. 1520, Weimarer Ausg. 6 [1888] 170–195). Da Luther von seinen Lehren nicht abrückte und die Bulle »Exsurge Domine« am 10. Dezember 1520 öffentlich verbrannte, wurde er am 3. Januar 1521 durch die Bulle »Decet romanum pontificem« exkommuniziert

Der Einfachheit halber werden die Quellen der einzelnen Sätze mit Siglen bezeichnet; es folgen (in Klammern) die Stellen in der kritischen Ausgabe D. Martin Luthers Werke (Weimar 1883ff). Die Siglen bedeuten im einzelnen:

A’ = Resolutiones disputationum de indulgentiarum virtute (1518) [zu Satz 1 3 10 18 20–22 26 28 32–35 39].

B’ = Disputatio et excusatio F. Martini Luther adversus criminationes D. Johannis Eccii (1519) [2].

C’ = Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum (1517) [4 17 38].

D’ = Ein Sermon von Ablass und Gnade (1517/1518) [5 18].

E’ = Sermo de poenitentia (1518) [6–9 11f 14].

F’ = Ein Sermon von dem Sakrament der Busse (1519) [13].

G’ = Instructio pro confessione peccatorum (1519) [15].

H’ = Ein Sermon vom Sakrament des Leichnams Christi und von den Bruderschaften (1519) [16].

I’ = Verklärung etlicher Artikel in dem Sermon von dem heiligen Sakrament (1520) [16].

K’ = Disputatio I. Eccii et M. Lutheri Lipsiae habita (1519) [18 30 37 40].

L’ = Resolutiones Lutherianae super propositionibus suis Lipsiae disputatis (1519) [19 27 29 31].

M’ = Sermo de virtute excommunicationis (1518) [23].

N’ = Ein Sermo von dem Bann (1520) [24].

O’ = Disputatio Heidelbergae habita (1518) [36].

P’ = (Grosser) Sermon von dem Wucher (1520) [41].

Q’ = Contra malignum J. Eccii iudicium (1519) [25].

R’ = Resolutio super Propositiones XIII de potestate papae (1519) [25].

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


1453: 1. Häretisch, aber gebräuchlich ist die Auffassung, die Sakramente des Neuen Bundes verliehen jenen die Rechtfertigungsgnade, die keinen Riegel vorschieben (A’, Conclusio VII (1,544 35–38).

1454: 2. Im Kind nach der Taufe die verbleibende Sünde zu leugnen, heißt Paulus und Christus zugleich mit Füßen treten (B’ (2,16034f).

1453: 3. Auch wenn keine aktuelle Sünde da ist, hindert der Zunder der Sünde die aus dem Leib heraustretende Seele am Betreten des Himmels (A’, Conclusio XXIV (1,57210–14).

1454: 4. Die unvollkommene Liebe des Sterbenden bringt notwendig eine große Furcht mit sich, die durch sich allein genügt, die Strafe des Reinigungsortes zu bewirken, und das Betreten des (Himmel)reiches verhindert (C’ und A’, Conclusio XXIV (1,2343–6 und 1,57215).

1455: 5. Dass es drei Teile der Buße gebe, (nämlich) Reue, Beichte und Genugtuung, ist weder in der Heiligen Schrift noch bei den alten heiligen christlichen Lehrern begründet (D’ (1,2434–11).

1456: 6. Reue, die durch Erforschung, Zusammenstellung und Verabscheuung der Sünden gewonnen wird, in der man seine Jahre in der Bitterkeit seiner Seele überdenkt [vgl. Jes 38,15], indem man die Schwere, Vielzahl und Häßlichkeit seiner Sünden, den Verlust der ewigen Seligkeit und den Erwerb der ewigen Verdammnis erwägt, diese Reue macht (den Menschen) zum Heuchler, ja noch mehr, zum Sünder (E’ (1,31910–17).

1457 7. Ganz wahr und vortrefflicher als die bisher über die Reue gegebene Lehre aller ist das Sprichwort: ›(Es) künftig nicht tun, (ist) die höchste Buße: Die beste Buße (ist) ein neues Leben‹ (E’ (1,3212– 4).

1458 8. Unterstehe dich keinesfalls, verzeihliche Sünden zu beichten, ja, nicht einmal alle Todsünden; denn es ist unmöglich, dass du alle Todsünden erkennst. Daher wurden in der Urkirche nur die offenkundigen Todsünden gebeichtet (E’ (1,32222–25).

1459 9. Solange wir schlechthin alles beichten wollen, tun wir nichts anderes, als dass wir der Barmherzigkeit Gottes nichts zum Verzeihen übriglassen wollen (E’ (1,3234–6).

1460 10. Keinem sind die Sünden vergeben, wenn er nicht bei der Vergebung durch den Priester glaubt, dass ihm vergeben werde; vielmehr bliebe die Sünde, wenn er nicht glaubte, dass sie vergeben sei: Es genügt nämlich nicht die Vergebung der Sünde und die Schenkung der Gnade, sondern man muss auch glauben, dass sie vergeben sei (A’, Conclusio VII (1,54314f 22–24).

1461 11. Vertraue keinesfalls darauf, wegen deiner Reue losgesprochen zu werden, sondern wegen des Wortes Christi: »Alles, was du gelöst hast« usw. [Mt 16,19]. Deshalb, sage ich, vertraue, wenn du die Lossprechung des Priesters erlangt hast, und glaube fest, dass du losgesprochen seiest, und du wirst wahrhaft losgesprochen sein, was immer auch mit der Reue sein mag (E’ (1,32323–28).

1462 12. Wenn – den unmöglichen Fall angenommen – der Beichtende nicht reuig wäre oder der Priester nicht ernsthaft, sondern im Scherz losspräche, dann ist er, wenn er dennoch glaubt, dass er losgesprochen sei, ganz wahrhaftig losgesprochen (E’ (1,32332–34).

1463 13. Im Sakrament der Buße und der Vergebung der Schuld tut ein Papst oder Bischof nicht mehr als der geringste Priester: Ja, wo es keinen Priester gibt, (tut) ein jeglicher Christ ebensoviel, auch wenn er eine Frau oder ein Kind wäre (F’ (2,71625–28).

1464 14. Niemand ist verpflichtet, dem Priester zu antworten, er sei reuig, noch darf der Priester (danach) fragen (E’ (1,32216f).

1465 15. Groß ist der Irrtum derer, die zu den Sakramenten der Eucharistie hinzutreten im Vertrauen darauf, dass sie gebeichtet hätten, dass sie sich keiner Todsünde bewusst seien, dass sie ihre Gebete und Vorbereitungen vorausgeschickt hätten: all jene essen und trinken sich das Gericht. Aber wenn sie glauben und vertrauen, sie würden dort Gnade erlangen, dann macht allein dieser Glaube sie rein und würdig (G’ (1,2649–15).

1466 16. Es scheint ratsam, dass die Kirche in einem gemeinsamen Konzil verordnete, den Laien unter beiden Gestalten die Kommunion zu reichen; und die Böhmen, die unter beiden Gestalten kommunizieren, sind keine Häretiker, sondern Schismatiker (H’ und I’ (2,74224–26 und 6,8036f).

1467 17. Die Schätze der Kirche, aus denen der Papst die Ablässe erteilt, sind nicht die Verdienste Christi und der Heiligen (C’ (1,23610f 14f).

1468 18. Die Ablässe sind fromme Täuschungen der Gläubigen und Nachlässe der guten Werke; und sie gehören zur Anzahl der Dinge, die erlaubt sind, und nicht zur Anzahl der Dinge, die nützen [vgl. 1 Kor 6,12; 10,23] (K’ (2,35313; vgl. 34916f 35638) und A’, Conclusio XX (1,5702f) und D’ (1,24615–19).

1469 19. Ablässe wirken sich für diejenigen, die sie wahrhaft erlangen, nicht auf den Nachlass der bei der göttlichen Gerechtigkeit für die aktuellen Sünden geschuldeten Strafe aus (L’ (2,4295–7).

1470 20. Betrogen werden, die glauben, die Ablässe seien heilsam und zum Vorteil des Geistes nützlich (A’, Conclusio XXXII (1,58724–26).

1471 21. Ablässe sind nur für öffentliche Vergehen notwendig und werden eigentlich nur Hartherzigen und Unduldsamen gewährt (A’, Conclusio XIII (1,55224f 55330f).

1472 22. Für sechs Arten von Menschen sind Ablässe weder notwendig noch nützlich: nämlich für Tote bzw. Sterbende, für Kranke, für rechtmäßig Verhinderte, für diejenigen, die keine Vergehen begangen haben, für diejenigen, die Vergehen begangen haben, aber keine öffentlichen, für diejenigen, die Besseres tun (A’, Conclusio XIII (1,55219–22).

1473 23. Exkommunikationen sind nur äußere Strafen und berauben den Menschen nicht der gemeinsamen geistlichen Gebete der Kirche (M’ (1,63919f 33f).

1474 24. Die Christen sind zu lehren, die Exkommunikation mehr zu lieben als zu fürchten (N’ (6,7029f).

1475 25. Der Römische Bischof, der Nachfolger Petri, ist nicht der von Christus selbst im seligen Petrus eingesetzte Statthalter Christi über alle Kirchen der ganzen Welt (Vgl. ungefähr Q’ (2,6285) und R’ (2,22535f).

1476 26. Das Wort Christi zu Petrus: »Alles, was du auf der Erde gelöst hast« usw. [Mt 16,19], erstreckt sich lediglich auf das von Petrus selbst Gebundene (A’, Conclusio V (1,53620–22).

1477 27. Es ist sicher, dass es überhaupt nicht in der Hand der Kirche oder des Papstes liegt, Glaubensartikel aufzustellen, ja, nicht einmal Gesetze für die Sitten bzw. guten Werke (L’ (2,4278–10).

1478 28. (Auch) wenn der Papst mit einem großen Teil der Kirche so oder so dächte und auch nicht irrte, ist es solange keine Sünde oder Häresie, das Gegenteil zu denken – vor allem in einer Sache, die nicht heilsnotwendig ist –, bis durch ein allgemeines Konzil das eine verworfen und das andere anerkannt wurde (A’, Conclusio XXVI (1,5835–8).

1479 29. Uns ist der Weg (frei) gemacht, die Autorität der Konzilien zu entkräften, ihren Ausführungen frei zu widersprechen, ihre Dekrete zu beurteilen und zuversichtlich alles zu bekennen, was wahr scheint, ob es nun von was für einem Konzil auch immer gebilligt oder verworfen wurde (L’ (2,4061f 40415–17).

1480 30. Einige Artikel Jan Hus’, die auf dem Konstanzer Konzil verurteilt wurden, sind ganz christlich, höchst wahr und evangelisch; nicht einmal die gesamte Kirche könnte sie verurteilen (K’ (2,27911–13).

1481 31. Der Gerechte sündigt in jedem guten Werke (L’ (2,41635f).

1482 32. Das bestens getane gute Werk ist eine verzeihliche Sünde (A’, Conclusio LVIII (1,60810f).

1483 33. Dass Häretiker verbrannt werden, ist gegen den Willen des Geistes (A’, Conclusio LXXX (1,6254 62435–38).

1484 34. Gegen die Türken zu kämpfen heißt, sich Gott zu widersetzen, der durch jene unsere Missetaten heimsucht (A’, Conclusio V (1,53535–39).

1485 35. Niemand ist sicher, dass er nicht stets tödlich sündigt wegen des tief verborgenen Lasters des Stolzes (A’, Conclusio XIII (1,55313f).

1486 36. Der freie Wille nach der Sünde ist nur dem Namen nach etwas; und solange er tut, was in ihm ist, sündigt er tödlich (O’ (1,3545f).

1487 37. Der Reinigungsort kann aus der Heiligen Schrift, die im Kanon ist, nicht bewiesen werden (K’ (2,32410–12).

1488 38. Die Seelen am Reinigungsort sind ihres Heiles nicht sicher, wenigstens (nicht) alle: auch ist weder durch Vernunftgründe noch durch die Schriften bewiesen, dass sie außerstande seien, sich Verdienste zu erwerben oder die Liebe zu vermehren C’ (1,23413f 11f).

1489 39. Die Seelen am Reinigungsort sündigen ohne Unterlass, solange sie Ruhe suchen und vor den Strafen schaudern (A’, Conclusio XVIII (1,56215f).

1490 40. Die aus dem Reinigungsort befreiten Seelen werden durch die Fürbitten der Lebenden weniger selig, als wenn sie durch sich Genugtuung geleistet hätten (K’ (2,34039 –3411).

1491 41. Die kirchlichen Vorsteher und weltlichen Fürsten würden nicht schlecht handeln, wenn sie alle Bettelsäcke vernichteten (P’ (6,4212f).

1492 [Zensur:] Die vorgenannten Artikel bzw. Irrtümer verurteilen, missbilligen und verwerfen Wir samt und sonders ganz und gar als, wie vorausgeschickt wird, – je nachdem – häretisch oder anstößig oder falsch oder fromme Ohren verletzend oder einfache Gemüter verführend und der katholischen Wahrheit widerstrebend.