Ecclesia in Asia (Wortlaut)

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Nachsynodales Apostolisches Schreiben
Ecclesia in Asia

von Papst Johannes Paul II.
An die Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und alle Laiengläubigen
über „Jesus Christus, der Erlöser, und seine Sendung der Liebe und des Dienstes in Asien: ,... damit sie das Leben haben und es in Fülle haben‘" ({{#ifeq: Evangelium nach Johannes | Ecclesia in Asia (Wortlaut) |{{#if: Joh|Joh|Evangelium nach Johannes}}|{{#if: Joh |Joh|Evangelium nach Johannes}}}} 10{{#if:10|,10}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }})
Die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien fand am 19. April bis 14. Mai 1998 statt.
6. November 1999
(Offizieller englischer Text: AAS 92 [2000] 449-528)

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite; auch in: VAS 146)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG

Die Wunder des göttlichen Planes in Asien

1. Die Kirche in Asien preist »Gott, der uns Rettung bringt« (Ps 68,21), denn er hat asiatischen Boden gewählt, um durch Männer und Frauen dieses Kontinents die Verwirklichung seines Heilsplans einzuleiten. In Asien nämlich nahm die Offenbarung und Erfüllung des göttlichen Erlösungsplanes ihren Anfang. Gott führte die Patriarchen (vgl. Gen 12) und berief Mose, sein Volk aus der Sklaverei zu befreien (vgl. Ex 3,10). Durch zahlreiche Propheten, Richter, Könige und unerschrockene Frauen des Glaubens sprach er zu seinem auserwählten Volk. »Als aber die Zeit erfüllt war« (Gal 4,4), sandte er seinen eingeborenen Sohn, Jesus Christus, den Erlöser, der als Asiate zur Welt kam! Voll Freude über die Hochherzigkeit der Menschen des Kontinents, ihre Kulturen und religiöse Vitalität und gleichzeitig im Bewusstsein der Einzigartigkeit des für das Wohl aller empfangenen Geschenks des Glaubens, verkündet die Kirche in Asien ohne Unterlass: »Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig« (Ps 118,1).

Weil nun Jesus im Heiligen Land zur Welt kam, dort lebte, starb und auferstand, wurde dieser kleine Teil Westasiens Boden der Verheißung und Hoffnung für die gesamte Menschheit. Jesus kannte und liebte dieses Land, machte sich die Geschichte, die Nöte und Hoffnungen jenes Volkes zu eigen; er liebte die Menschen, übernahm die Traditionen und das jüdische Erbe. In frühester Zeit hat Gott bereits dieses Volk auserwählt und sich ihm zur Vorbereitung auf das Kommen des Erlösers offenbart. Als Verkünderin des Evangeliums und gestärkt durch die Macht des Heiligen Geistes zog die Kirche von diesem Land hinaus in alle Welt: »um alle Völker zu meinen Jüngern zu machen« (vgl. Mt 28,19). Zusammen mit der überall verbreiteten kirchlichen Gemeinschaft wird die Kirche in Asien die Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends überschreiten und voll Staunen auf das schauen, was Gott von Anfang an bis heute geschaffen hat, gestärkt durch das Bewusstsein, dass, »wie im ersten Jahrtausend das Kreuz auf dem Boden Europas gepflanzt wurde und im zweiten Jahrtausend auf dem Amerikas und Afrikas, wir beten [können], dass im dritten Jahrtausend eine große Glaubensernte auf diesem ausgedehnten und so lebendigen Kontinent reifen möge«.<ref> Johannes Paul II., Ansprache an die sechste Vollversammlung der Föderation Asiatischer Bischofskonferenzen (FABC), Manila (15. Januar 1995), 11: Insegnamenti XVII I, 1 (1995), 159; OR dt., Nr. 6, 10. Februar 1995, S. 7 ff.; hier S. 8. </ref>

Die Vorbereitung der Sonderversammlung

2. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich im Hinblick auf das dritte christliche Jahrtausend ein auf die Herausforderungen der Neuevangelisierung konzentriertes Programm für die Kirche umrissen. Ein wesentliches Element dieses Plans war die Einberufung von Kontinentalsynoden, die den Bischöfen Gelegenheit geben sollten, die Frage der Evangelisierung entsprechend den jeweiligen lokalen Situationen und den Anforderungen jedes Erdteils zu erörtern. Diese durch das gemeinsame Thema der Evangelisierung verbundene Reihe von Synoden erwies sich als wichtiger Beitrag zur Vorbereitung der Kirche auf das Große Jubiläum des Jahres 2000.

Im Hinblick auf die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien betonte ich in dem gleichen Schreiben, dass in jenem Teil der Welt »die Frage der Begegnung des Christentums mit den ältesten Kulturen und Lokalreligionen am ausgeprägtesten ist. Das ist eine große Herausforderung für die Evangelisierung, dass religiöse Systeme wie der Buddhismus oder der Hinduismus mit einem klaren Erlösungscharakter auftreten«.<ref>Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), 38: AAS 87 (1995), 30. </ref> Es ist wirklich merkwürdig, dass der in Asien geborene Erlöser der Welt bis heute den Menschen eben dieses Kontinents weitgehend unbekannt geblieben ist. Die Synode war eine willkommene Gelegenheit für die Kirche in Asien, um über dieses Rätsel nachzudenken und den Einsatz für ihre Sendung, Jesus Christus allen näherzubringen, erneut zu bekräftigen. Zwei Monate nach der Veröffentlichung von Tertio millennio adveniente erinnerte ich in meiner Ansprache an die sechste Vollversammlung der Föderation katholischer Bischofskonferenzen Asiens in Manila, auf den Philippinen, anläßlich des unvergeßlichen zehnten Weltjugendtags die Bischöfe daran: »Wenn die Kirche in Asien die ihr von der Vorsehung zugedachte Aufgabe er füllen soll, dann muss die Evangelisierung als freudige, geduldige und fortgesetzte Verkündigung des Erlösungswerks des Todes und der Auferstehung Jesu Christi eure absolute Priorität sein.«<ref>Nr. 11: Insegnamenti XVIII, 1 (1995), 159; OR dt., Nr. 6, 10. Februar 1995, S. 7 ff. </ref>

Während der Vorbereitungsphase zeigte sich die positive Einstellung der Bischöfe und Teilkirchen zum Vorschlag der Einberufung einer Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien. In jeder Phase brachten sie in aller Offenheit und eingehender Kenntnis ihres Kontinents Wünsche und Ansichten zum Ausdruck im vollen Bewusstsein jener Bande der Einheit, die sie mit der Weltkirche verbinden. Dem anfänglichen Konzept der Tertio millennio adveniente und den Vorschlägen des vorsynodalen Rates entsprechend, der die Meinungen der Bischöfe und Teilkirchen des asiatischen Kontinents erwogen hatte, habe ich folgendes Thema für die Synode gewählt: Jesus Christus, der Erlöser, und seine Sendung der Liebe und des Dienstes in Asien: »damit sie das Leben haben und es in Fülle haben« (Joh 10,10). Es war meine Hoffnung, dass durch diese besondere Formulierung des Themas die Synode »die Wahrheit über Christus als einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen und einzigen Erlöser der Welt erläutern und vertiefen würde, indem sie ihn klar von den Stiftern anderer großer Religionen unterscheidet«.<ref>Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), 38: AAS 87 (1995), 30. </ref> Während wir uns dem Großen Jubiläum nähern, muss die Kirche in Asien fähig sein, mit neuem Eifer zu sagen: Ecce natus est nobis Salvator mundi – »Der Erlöser der Welt wurde für uns – in Asien – geboren.«

Die Durchführung der Sonderversammlung

3. Mit Gottes Gnade tagte die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien vom 18.April bis zum 14. Mai 1998 im Vatikan, nach der Afrikasynode von 1994 und der Amerikasynode von 1997, aber vor der Sonderversammlung für Ozeanien, die Ende 1998 stattfand. Fast einen Monat lang waren die um den Nachfolger Petri versammelten und das Geschenk der hierarchischen Gemeinschaft teilenden Synodenväter und die anderen Synodenteilnehmer Stimme und Antlitz der Kirche in Asien. Wohl kaum kann bezweifelt werden, dass es eine Zeit der Gnade war!<ref>Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Abschlussbotschaft, 2. </ref> Frühere Versammlungen der asiatischen Bischöfe hatten zur Vorbereitung der Synode beigetragen und ein Klima intensiver kirchlicher und brüderlicher Gemeinschaft geschaf fen. Diesem Zweck dienten vor allem frühere Vollversammlungen und die von der Föderation asiatischer katholischer Bischofskonferenzen und ihren Dienststellen geförderten Seminar veranstaltungen, die in regelmäßigen Abständen zahlreiche Bischöfe Asiens zur Festigung ihrer Bande und Beziehungen des Dienstes zusammenkommen ließen. Mit Freude habe ich an einigen dieser Treffen teilnehmen und gelegentlich auch bei den jeweiligen feierlichen Eröffnungs- und Abschlussmessen als Hauptzelebrant fungieren können. Bei diesen Gelegenheiten konnte ich die Begegnungen im Dialog zwischen den Hirten der verschiedenen Teilkirchen, einschließlich der orientalischen, miterleben. Diese und andere regionale Versammlungen der asiatischen Bischöfe waren ein willkommener Beitrag für die zukünftige Vorbereitung der Synodenversammlung.

Der eigentliche Synodenprozeß bestätigte die Bedeutung des Dialogs als kennzeichnende Eigenschaft des kirchlichen Lebens in Asien. Ein aufrichtiges und ehrliches Teilen von Erfahrungen, Ideen und Vorschlägen erwies sich als ein Weg echter geistlicher Begegnung, als Weg zu jener Gemeinschaft des Geistes und des Herzens, die in der Liebe die Verschiedenheiten achtet und sie überwindet. Ganz besonders bewegend war die Begegnung zwischen den neuen und den alten Kirchen, deren Ursprung auf die Apostel zurückgeht. Mit unermeßlicher Freude sahen wir die Hirten der Teilkirchen in Myanmar, Vietnam, Laos, Kambodscha, in der Mongolei, in Sibirien und den neuen zentralasiatischen Republiken an der Seite ihrer Brüder, die seit langem die Begegnung und den Dialog mit ihnen suchten. Bedauerlich war jedoch die Tatsache, dass die Bischöfe der Volksrepublik China nicht anwesend sein konnten. Ihr Fehlen wurde zu einer ständigen Erinnerung an die heroischen Opfer und Leiden, welche die Kirche in vielen Teilen Asiens weiterhin auf sich nimmt.

Die Begegnung im Dialog zwischen den Bischöfen und dem Nachfolger Petri, dem die Aufgabe anvertraut ist, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), dient dazu, sie im Glauben und in der Sendung zu festigen. Tag für Tag waren die Synodenaula und die Versammlungsräume erfüllt vom Zeugnis tiefen Glaubens, aufopfernder Liebe, unerschütterlicher Hoffnung, lang erprobter Einsatzbereitschaft, beharrlichen Mutes, barmherziger Vergebung. In den verschiedenen Beiträgen kam die Wahrheit der Worte Jesu deutlich zum Ausdruck: »Ich bin bei euch alle Tage« (Mt 28,20). Die Synode war eine Zeit der Gnade, eine Begegnung mit dem Erlöser, der immer gegenwärtig ist in seiner Kirche durch die Kraft des Heiligen Geistes, die wir im brüderlichen Dialog des Lebens, der Gemeinschaft und der Sendung erfahren.

Die Früchte der Sonderversammlung teilen

4. Durch dieses nachsynodale Schreiben möchte ich mit der in Asien und in der ganzen Welt gegenwärtigen Kirche die Früchte der Sonderversammlung teilen. Das Dokument will eine Darlegung der reichen Früchte der Synode sein, jenes großen geistlichen Ereignisses bischöflicher Gemeinschaft und Kollegialität zur Erinnerung an die Entstehung des Christentums in Asien. Die Synodenväter sprachen von der ersten christlichen Gemeinde, der Urkirche, der kleinen Herde Jesu auf diesem enormen Kontinent (vgl. Lk 12,32). Sie erinnerten an das, was die Kirche von Anfang an empfangen und gehört hatte (vgl. Offb 3,3) und priesen die nie versiegende »große Güte« Gottes (Ps 145,7). Die Synode war auch eine Gelegenheit zur Anerkennung alter religiöser Traditionen und Kulturen, der tiefgründigen Philosophien und Weisheiten, die das heutige Asien geformt haben. Vor allem wurde von den asiatischen Völkern selbst, dem wahren Reichtum des Kontinents und der Hoffnung für die Zukunft, gesprochen. Diejenigen unter uns, die an der Synode teilgenommen haben, waren Zeugen einer ausgesprochen fruchtbaren Begegnung zwischen alten und neuen Kulturen und Zivilisationen Asiens, wundervoll anzusehen in ihren Verschiedenheiten und Übereinstimmungen, insbesondere wenn Symbole, Gesang, Tanz und Farben in harmonischer Eintracht an der einen Mensa des Herrn bei der eucharistischen Eröffnungs- und Abschlussfeier zusammentrafen.

Die Synode war keineswegs ein von Stolz über erzielte menschlichen Erfolge motivierter Anlass, sondern vielmehr ein Ereignis im Bewusstsein dessen, was der Allmächtige für die Kirche in Asien getan hat (vgl. Lk 1,49). Die Erinnerung an die bescheidenen Umstände der katholischen Gemeinschaft und die Schwachheit ihrer Mitglieder ließ die Synode auch zu einem Ruf nach Erneuerung werden, damit die Kirche in Asien jener Gnaden stets würdiger werde, die Gott ihr immerfort schenkt.

Die Synode war nicht nur feierliches Ereignis und Erinnerung, sondern auch tiefe Zustimmung zum Glauben an Jesus Christus, den Erlöser. Als Ausdruck ihrer Dankbarkeit für das Geschenk des Glaubens gaben die Synodenväter diesem ihre unverkürzte Zustimmung und dachten über den Kontext nach, in dem er im heutigen Asien verkündet und bezeugt werden muss. Häufig betonten sie, dass trotz großer Schwierigkeiten der Glaube vielfach schon heute voll Zuversicht und Mut auf dem asiatischen Kontinent verkündet wird. Im Namen vieler Millionen Menschen in Asien, die nur ihm, dem Herrn, vertrauen, bekannten die Synodenväter: »Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes« ( Joh 6,69). Angesichts zahlreicher schmerzlicher, mit Leiden, Gewalt, Diskriminierung und Armut verbundener Situationen, von denen die Bevölkerung Asiens weitgehend betroffen ist, haben sie gebetet: »Ich glaube, hilf meinem Unglauben!« (Mk 9,24).

Im Jahre 1995 forderte ich die in Manila versammelten asiatischen Bischöfe auf, »die Türen und Tore Asiens weit für Christus zu öffnen«.<ref>Ansprache an die sechste Vollversammlung der Föderation Asiatischer Bischofskonferenzen (FABC), Manila (15. Januar 1995), 10: Insegnamenti XVIII, 1 (1995), 159; OR dt., Nr. 6, 10. Februar 1995, S. 7 ff. </ref> Im Vertrauen auf das Geheimnis der Gemeinschaft mit unzähligen, oft unbekannten Märtyrern des Glaubens in Asien und durch die immerwährende Präsenz des Heiligen Geistes in der Hoffnung bestärkt, richteten die Synodenväter einen mutigen Aufruf an die Jünger Christi in Asien und forderten sie zu neuem missionarischen Einsatz auf. Während der Synodenversammlung legten die Bischöfe ebenso wie andere Teilnehmer Zeugnis ab von jener prägenden Kraft, jenem geistlichen Feuer und Eifer, die Asien im kommenden Jahr tausend sicher zu einem Kontinent der überreichen Ernte machen werden.

KAPITEL I: DER ASIATISCHE KONTEXT

Asien, Geburtsort Christi und der Kirche

5. Die Menschwerdung des Gottessohnes, deren Gedächtnis die gesamte Kirche mit dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 feiern wird, ereignete sich in einem bestimmten historischen und geographischen Kontext, der das Leben und die Sendung des menschgewordenen Erlösers wesentlich beeinflußt hat. »Gott hat in Jesus Christus die der menschlichen Natur eigenen Wesensmerkmale angenommen, die notwendige Zugehörigkeit des Menschen zu einem bestimmten Volk und einem bestimmten Land eingeschlossen. … Die physische Konkretheit des Landes und seine geographischen Koordinaten werden eins mit der Wahrheit des menschlichen Fleisches, das vom Wort angenommen wurde.«<ref>Johannes Paul II., Brief über die Pilgerfahrt zu den Stätten, die mit der Heilsgeschichte verbunden sind (29. Juni 1999), 3: L’Osservatore Romano, 30. Juni – 1. Juli 1999, S. 8; OR dt., Nr. 28, 9. Juli 1999, S. 7 ff.</ref> Folglich ist die Kenntnis der Welt, in der der Erlöser »unter uns gewohnt hat« (vgl . Joh 1,14), ein wichtiger Schlüssel für ein genaueres Verständnis des vom ewigen Vater entworfenen Planes und seiner grenzenlosen Liebe zu jedem seiner Geschöpfe: »Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat« (Joh 3,16).

Auf gleiche Art und Weise lebt und erfüllt die Kirche ihre Sendung in konkreten zeitlichen und räumlichen Situationen. Wenn das Volk Gottes in Asien durch die Neuevangelisierung dem göttlichen Willen ihm gegenüber entsprechen will, muss es sich der komplexen Wirklichkeit dieses Kontinents zutiefst bewusst sein. Die Synodenväter haben hervorgehoben, dass die Sendung der Liebe und des Dienstes der Kirche in Asien von zwei Faktoren bestimmt wird: einerseits das Bewusstsein ihrer Rolle als eine um die Hirten versammelte Gemeinschaft der Jünger Jesu Christi; andererseits die auf dem riesigen asiatischen Kontinent extrem unterschiedlichen gesellschaftlichen, politischen, religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Realitäten,<ref>Vgl. Propositio 3. </ref> die im Verlauf der Synode eingehend von denen untersucht wurden, die täglich damit in Berührung kommen. Folgendes ist eine synthetische Darlegung der während der Synode herangereiften Ergebnisse.

Religiöse und kulturelle Realitäten

6. Asien ist der größte Kontinent der Erde, auf dem etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung leben, während sich auf China und Indien allein fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung konzentriert. Auffallend ist in Asien vor allem die Verschiedenartigkeit seiner Völker, »Erben alter Kulturen, Religionen und Traditionen«.<ref> Propositio 1. </ref> Aber auch die enorme zahlenmäßige Größe der Bevölkerung Asiens ist unweigerlich beeindruckend, ebenso das bunte Mosaik seiner vielen Kulturen, Sprachen, Überzeugungen und Traditionen – zweifellos ein wesentlicher Teil der Geschichte und des Erbgutes der menschlichen Familie.

Asien ist auch die Wiege der großen Weltreligionen wie Judentum, Christentum, Islam und Hinduismus. Hier entstanden viele weitere spirituelle Traditionen, wie Buddhismus, Taoismus, Konfuzianismus, Parsismus, Jainismus, Sikh und Shintoismus. Außerdem sind Millionen von Menschen Anhänger traditioneller oder Stammesreligionen auf unterschiedlicher Stufe, was Riten, Strukturen und formelle religiöse Unterweisung angeht. Die Kirche begegnet diesen Traditionen mit größter Hochachtung und bemüht sich um einen aufrichtigen Dialog mit deren Anhängern. Die von ihnen gelehrten religiösen Werte erwarten ihre Erfüllung in Jesus Christus.

Die Bevölkerung Asiens ist stolz auf ihre religiösen und charakteristischen kulturellen Werte, wie beispielsweise die Liebe zur Stille und Kontemplation, Einfachheit, Harmonie, Loslösung, Gewaltlosigkeit, der Sinn für harte Arbeit, Disziplin, Genügsamkeit, der Drang nach Wissen und philosophischer Erkenntnis.<ref> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Lineamenta, 3. </ref> Hochgeachtet sind Werte wie Achtung vor dem Leben, Mitgefühl für alle Lebewesen, Naturverbundenheit, respektvolle Haltung der Kinder gegenüber den Eltern, alten Menschen, den Vorfahren sowie ein ausgeprägter Gemeinschaftsgeist.<ref>Vgl. ebd. </ref> Insbesondere betrachtet man die Familie als unerlässliche Quelle der Kraft, als engverbundene, von starkem Solidaritätsgeist gekennzeichnete Gemeinschaft.<ref>Vgl. Propositio 32. </ref> Die Völker Asiens sind bekannt für die religiöse Toleranz und den Geist friedlicher Koexistenz. Ohne Spannungen und harte Konflikte leugnen zu wollen, kann dennoch gesagt werden, dass Asien oft eine große Anpassungsfähigkeit und eine natürliche Offenheit für die gegenseitige Bereicherung der Völker in einer Vielfalt von Religionen und Kulturen bewiesen hat. Darüber hinaus zeigen die Religionen Asiens trotz der Beeinflussung durch Modernisierung und Verweltlichung eine große Vitalität und Erneuerungsfähigkeit, wie die Reformbewegungen innerhalb der verschiedenen Religionsgruppen beweisen. Viele, insbesondere unter den Jugendlichen, zeigen ein tiefes Verlangen nach spirituellen Werten, was das Aufkommen neuer religiöser Bewegungen deutlich macht.

All das ist Ausdruck einer das asiatische Wesen kennzeichnenden natürlichen spirituellen Eingebung und moralischen Weisheit, jener Kern, um den sich das wachsende Bewusstsein bildet, »Asiaten» zu sein. Dieses Bewusstsein lässt sich weniger durch Gegensätzlichkeit oder Opposition finden und festigen als vielmehr durch Komplimentarität und Harmonie. In einem solchen Rahmen der Komplimentarität und Harmonie kann die Kirche das Evangelium auf eine Art und Weise verkünden, die sowohl der ihr eigenen Tradition als auch dem asiatischen Wesen entspricht.

Wirtschaftliche und soziale Realitäten

7. Im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung sind die jeweiligen Bedingungen auf dem asiatischen Kontinent sehr unterschiedlich und entgehen jeder vereinfachenden Klassifizierung. Einige Länder sind hochentwickelt, andere fördern ihre Entwicklung durch angemessene wirtschaftspolitische Strategien, während wiederum andere noch immer in tiefster Armut leben und zweifellos zu den weltweit ärmsten Nationen gehören. Dieser Entwicklungsprozeß führt insbesondere in städtischen Gebieten zu Materialismus und Säkularisierung. Diese die traditionellen, gesellschaftlichen und religiösen Werte bedrohenden Ideologien können den asiatischen Kulturen unermeßlichen Schaden zufügen. Die Synodenväter haben von dem raschen Wandel der asiatischen Gesellschaften und seinen positiven und negativen Aspekten gesprochen, wie beispielsweise über das Phänomen der Landflucht und das Heranwachsen riesiger Städte, oft mit ausgedehnten rückständigen Gebieten, wo organisiertes Bandentum, Terrorismus, Prostitution und die Ausbeutung der schwächsten gesellschaftlichen Gruppierungen dominieren. Auffallend ist auch ein weiteres soziales Phänomen, die Emigration, welche Millionen von Menschen in wirtschaftliche, kulturelle und moralische Schwierigkeiten bringt. Verantwortlich für die interne oder auch externe Emigration sind unter anderem Armut, Krieg, ethnische Konflikte, Verweigerung von Menschenrechten und Grundfreiheiten. Das Entstehen riesiger Industriekomplexe ist eine weitere Ursache der Migration, sowohl der Binnen- als auch der Auslandsmigration, mit verheerenden Auswirkungen auf das Familienleben und dessen grundlegende Werte. Erwähnt wurde auch der Bau von Atomkraftwerken, die insbesondere unter dem Aspekt von Kosten und Leistungsfähigkeit gesehen werden, denen aber im Hinblick auf Sicherheit und Umweltschutz nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird.

Tourismus ist ein weiterer Bereich, der ganz besondere Beachtung erfordert. Obwohl es sich um einen durchaus legitimen Gewerbezweig mit eigenen kulturellen und bildungsmäßigen Werten handelt, hat der Tourismus in manchen Fällen einen in moralischer und physischer Hinsicht verheerenden Einfluss auf die Physiognomie zahlreicher asiatischer Länder, wie die Entwürdigung von jungen Frauen und auch von Kindern durch Prostitution beweist.<ref>Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Instrumentum laboris, 9. </ref> Die Seelsorge für Emigranten und Touristen ist eine schwierige und komplexe Aufgabe vor allem in Asien, wo es an geeigneten Strukturen für diesen Zweck fehlt. Auf allen Ebenen muss die pastorale Arbeit diese Realitäten berücksichtigen. Keineswegs dürfen wir die Emigranten der orientalischen katholischen Kirchen vergessen, die eine ihren eigenen Traditionen entsprechende Seelsorge benötigen.<ref>Vgl. Propositiones 36 und 50. </ref>

Verschiedene Länder Asiens haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die mit dem raschen Bevölkerungswachstum verbunden sind, was »nicht lediglich ein demographisches oder wirtschaftliches, sondern vielmehr ein moralisches Problem ist«.<ref>Propositio 44. </ref> Zweifellos steht die Bevölkerungsfrage in unmittelbarem Zusammenhang mit der menschlichen Entwicklung, aber viele irrige Lösungen bedrohen die Würde und Unantastbarkeit des Lebens und sind somit eine ganz besondere Herausforderung für die Kirche in Asien. Erwähnenswert ist an dieser Stelle vielleicht der Beitrag der Kirche zur Verteidigung und Förderung des Lebens durch den Einsatz im Bereich des Gesundheitswesens, auf dem Sektor der sozialen Entwicklung, der Erziehung und Bildung, und ihre besondere Hinwendung zu den Armen. Wie angemessen war doch die hohe Wertschätzung für Mutter Therese von Kalkutta, »deren Namen und selbstloser Einsatz für die Ärmsten der Armen in der ganzen Welt berühmt war«.<ref>Propositio 27. </ref> Sie war und ist ein Vorbild für den Dienst am Leben, den die Kirche dem asiatischen Kontinent anbietet, in mutigem Gegensatz zu den zahlreichen zwielichtigen in der Gesellschaft wirkenden Kräften.

Verschiedene Synodenväter haben die von außen auf die asiatischen Kulturen einwirkenden Einflüsse hervorgehoben. Neue Verhaltensformen kommen auf, die auf den übertriebenen Gebrauch von Kommunikationsmitteln und ganz allgemein von Literatur, Musik und Film zurückzuführen sind, die sich überall auf dem Kontinent ausbreiten. Ohne die zweifellos positiven Aspekte der Massenkommunikationsmittel bestreiten zu wollen,<ref>Vgl. Propositio 45. </ref> kann jedoch ihr oft negativer Einfluss nicht übersehen werden. Die positiven Auswirkungen werden zuweilen zunichte gemacht, wenn diese Mittel von denjenigen kontrolliert und eingesetzt werden, die zweifelhafte politische, wirtschaftliche und ideologische Interessen vertreten. In direkter Folge sind die negativen Aspekte der Medien- und Unterhaltungsindustrie eine Gefahr für die traditionellen Werte, insbesondere die Heiligkeit der Ehe und die Stabilität der Familie. Die Wirkung, die durch die Darstellung von Gewalt, Hedonismus, zügellosem Individualismus und Materialismus erzielt wird, »treffen das Herz der asiatischen Kulturen, den religiösen Charakter von Personen, Familien und ganzen Gesellschaften«.<ref>Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Instrumentum laboris, 9. </ref> Diese Situation ist eine große Herausforderung für die Kirche und die Verkündigung ihrer Botschaft.

Die anhaltende Realität der Armut und der Ausbeutung der Menschen ist ein drängendes und besorgniserregendes Problem. In Asien leben Millionen von Menschen in einem Zustand ständiger Unterdrückung; seit Jahrhunderten führen sie in wirtschaftlicher, kultureller und politischer Hinsicht ein Dasein am Rande der Gesellschaft.<ref>Vgl. Propositio 39. </ref> Im Hinblick auf die Stellung der Frau in den asiatischen Gesellschaften stellten die Synodenväter fest, dass, »obwohl das zunehmende Bewusstsein der Frauen bezüglich ihrer Würde und Rechte eines der bedeutendsten Zeichen unserer Zeit ist, ihre Armut und ihre Ausnutzung in ganz Asien ein ernstes Problem bleibt«.<ref>Propositio 35. </ref> Analphabetentum ist unter Frauen wesentlich weiter verbreitet als unter Männern; Mädchen werden weitaus häufiger abgetrieben oder sofort nach der Geburt getötet. Ferner leben Millionen von Indigenen und Stammesvölkern in vollkommener gesellschaftlicher, kultureller und politischer Isolation gegenüber der dominierenden Bevölkerung.<ref>Vgl. Propositio 38. </ref> Trostspendend war die Versicherung der bei der Synode anwesenden Bischöfe, dass in verschiedenen Fällen diesen Problemen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene wachsende Aufmerksamkeit geschenkt wird und die Kirche aktiv versucht, dieser ernsten Situation entgegenzuwirken.

Die Synodenväter betonten, dass die notwendigerweise knappe Reflexion über die Aspekte der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realitäten Asiens ohne die Berücksichtigung des starken Wirtschaftswachstums zahlreicher asiatischer Gesellschaften in den vergangenen Jahrzehnten nicht vollständig sein könne: Tag für Tag wächst eine neue Generation von Facharbeitern, Wissenschaftlern und Technikern heran, deren große Anzahl vielversprechend ist für die Entwicklung Asiens. Dennoch ist nicht alles sicher und beständig in diesem Prozess, was die jüngsten, umfangreichen Finanzkrisen deutlich gezeigt haben, von denen viele Länder des Kontinents betroffen waren. Die Zukunft Asiens liegt in der Kooperation, sowohl inner halb des Kontinents wie auch mit außerasiatischen Nationen, die jedoch stets auf dem aufbauen muss, was die Völker Asiens selbst für ihre eigene Entwicklung leisten.

Politische Realitäten

8. Stets braucht die Kirche eine genaue Vorstellung von der politischen Situation der verschiedenen Länder, in denen sie ihre Sendung versieht. Heute ist das politische Panorama in Asien von überaus komplexer Natur mit zahlreichen verschiedenen Ideologien, die Regierungsformen von der Demokratie bis zur Theokratie inspirieren. Bedauerlicherweise sind auch Militärdiktaturen und atheistische Ideologien vertreten. Einige Länder haben eine offizielle Staatsreligion, die Minderheiten und Anhängern anderer Religionen wenig oder überhaupt keine Religionsfreiheit einräumt. Andere, zwar nicht ausgesprochen theokratische Staaten, degradieren Minderheiten zu Bürgern zweiter Klasse in offener Mißachtung der Grundrechte des Menschen. Mancherorts werden Christen als Verräter des eigenen Landes angesehen,<ref>Vgl. Propositio 22. </ref> werden verfolgt und haben keinen Anspruch auf ihren rechtmäßigen Platz in der Gesellschaft. Insbesondere erwähnten die Synodenväter das chinesische Volk und gaben dem innigen Wunsch Ausdruck, dass eines Tages alle Katholiken Chinas ihre Religion frei ausüben und offen ihre volle Gemeinschaft mit dem Hl. Stuhl bekennen können.<ref>Vgl. Propositio 52. </ref>

Den Fortschritt vieler Länder Asiens verschiedener Regierungsformen durchaus anerkennend, machten die Synodenväter dennoch auch auf das verbreitete Phänomen der Korruption aufmerksam, das auf unterschiedlichen Ebenen sowohl in Regierungskreisen als auch in der Gesellschaft existiert.<ref>Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Lineamenta, 6. </ref> Allzu oft scheinen die Menschen nicht in der Lage zu sein, sich gegen korrupte Politiker, Gerichts- oder Verwaltungsbeamte sowie Bürokraten zu verteidigen. Doch ist das wachsende Bewusstsein der asiatischen Bevölkerung hinsichtlich ihrer Fähigkeit, ungerechte Strukturen zu ändern, nicht zu übersehen. Erneut fordert man größere soziale Gerechtigkeit, größere Beteiligung an der Regierung und am Wirtschaftsleben, gleiche Ausbildungschancen und eine gerechtere Verteilung der Ressourcen des Landes. Die Bürger werden sich ihrer Würde und ihrer Rechte als Menschen in zunehmendem Maße bewusst und zeigen eine immer größere Entschlossenheit, sie zu verteidigen. Ethnische, soziale und kulturelle Minderheiten, die lange Zeit kein Lebenszeichen von sich gegeben hatten, suchen nun nach Wegen, um die eigene soziale Entwicklung zu fördern. Der Geist Gottes unterstützt und fördert die Bemühungen derer, die sich für die Erneuerung der Gesellschaft einsetzen, damit sich das Streben des Menschen nach dem Leben, dem Leben in Fülle, nach dem Willen Gottes verwirkliche (vgl. Joh 10,10).

Die Kirche in Asien: Vergangenheit und Gegenwart

9. Die Geschichte der Kirche in Asien ist so alt wie die Kirche selbst, denn in Asien hauchte Jesus seinen Jüngern den Heiligen Geist ein und sandte sie in alle Welt, um die Frohbotschaft zu verkünden und christliche Glaubensgemeinschaften zu gründen. »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch« (Joh 20,21, vgl. Mt 28,18–20; Mk 16,15–18; Lk 24,47; Apg 1,8). Dem Auftrag des Herrn folgend, verkündeten sie das Evangelium und gründeten Kirchen. Es ist sicherlich nützlich, einige Elemente dieser faszinierenden und komplexen Geschichte auf asiatischem Boden in Erinnerung zu rufen.

Von Jerusalem aus verbreitete sich die Kirche in Antiochien, in Rom und darüber hinaus bis nach Äthiopien im Süden, nach Skytien im Norden und nach Indien im Osten, wo nach der Tradition der Apostel Thomas 52 n. Chr. im Süden des Landes Kirchen gründete. Ein außerordentlicher missionarischer Geist kennzeichnete im dritten und vierten Jahrhundert die ostsyrische Gemeinde mit ihrem Zentrum Edessa. Vom dritten Jahrhundert an waren die asketischen Gemeinden Syriens von grundlegender Bedeutung für die Evangelisierung Asiens und vermittelten besonders in Zeiten der Verfolgung die geistliche Kraft der Kirche. Armenien war zu Ende des dritten Jahrhunderts die erste Nation, die das Christentum annahm: Heute bereitet es sich auf den 1700. Jahrestag seiner Taufe vor. Gegen Ende des fünften Jahrhunderts war die christliche Botschaft bis zu den arabischen Reichen vorgedrungen, wo sie jedoch aus verschiedenen Gründen, einschließlich der Spaltungen unter den Christen, keine Wurzeln schlagen konnte.

Im fünften Jahrhundert brachten persische Händler die Frohbotschaft nach China, wo Anfang des siebten Jahrhunderts die erste christliche Kirchengemeinde errichtet wurde. Während der T’ang-Dynastie (618–907) erlebte die Kirche eine zweihundertjährige Blüte. Der Niedergang der lebendigen Kirche in China gegen Ende des ersten Jahrtausends gehört zu den traurigsten Kapiteln der Geschichte des Gottesvolkes auf dem asiatischen Kontinent. Im dreizehnten Jahrhundert gab es Versuche, die Frohbotschaft den Mongolen, den Türken und auch wieder den Chinesen zu verkünden, aber aus vielerlei Gründen ging das Christentum fast völlig unter in diesen Gebieten: unter anderem durch das Aufkommen des Islam, die geographische Isolierung, das Fehlen einer entsprechenden Anpassung an die lokalen Kulturen und wohl vor allem aufgrund der mangelhaften Vorbereitung auf die Begegnung mit den großen Religionen Asiens. Gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts kam es zu einem dramatischen Rückgang der kirchlichen Präsenz in Asien, von der lediglich die isolierte Gemeinschaft in Südindien ausgenommen war. Die Kirche in Asien musste auf eine neue Ära missionarischer Tätigkeit warten.

Das apostolische Bemühen des hl. Franz Xaver, die Gründung der Kongregation »Propaganda Fide« durch Papst Gregor XV. und die Weisungen an die Missionare, lokale Kulturen zu achten und zu schätzen, trugen im Lauf des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts dazu bei, positivere Resultate zu erzielen. Das neunzehnte Jahrhundert erlebte ein neues Erwachen der missionarischen Tätigkeit, und verschiedene Ordensgemeinschaften widmeten sich ausschließlich dieser Aufgabe. Die »Propaganda Fide« wurde neu organisiert; der Aufbau von Ortskirchen erhielt größere Bedeutung; erzieherische und karitative Initiativen kamen zusammen mit der Verkündigung des Evangeliums. Die Frohbotschaft erreichte somit eine stets größere Anzahl von Menschen, insbesondere unter den Armen und Benachteiligten, aber hier und da auch unter der gesellschaftlichen und intellektuellen Elite. Man unternahm neue Versuche zur Inkulturation der Frohbotschaft, die sich jedoch als vollkommen unzulänglich erwiesen. Trotz ihrer jahrhundertelangen Präsenz und ihres apostolischen Einsatzes war die Kirche in vielen Teilen Asiens noch immer fremd, und in der Mentalität des Volkes wurde sie tatsächlich oft mit den Kolonialmächten gleichgestellt. Das war die Situation zu Beginn des II. Vatikanischen Konzils. Doch durch seine Impulse reifte in der Kirche ein neues Verständnis ihrer Sendung heran; es kam wieder Hoffnung auf. Die Universalität des göttlichen Heilsplanes, die missionarische Natur der Kirche und – in ihrem Inneren – die Verantwortung jedes einzelnen gegenüber den Aufgaben, die das Konzilsdekret über die Missionstätigkeit Ad gentes nachdrücklich bekräftigt, sind maßgebliche Anhaltspunkte zur Erneuerung unseres Einsatzes. Während der Synodenversammlung haben die Väter von dem erneuten Anwachsen der Kirchengemeinden unter vielen verschiedenen Völkern in mehreren Teilen des Kontinents berichtet und gleichzeitig zu neuen missionarischen Initiativen für die kommenden Jahre aufgerufen, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass sich in den Regionen Zentralasiens, wie beispielsweise in Sibirien oder in Ländern wie Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan, die erst vor kurzem unabhängig geworden sind, neue Wege der Verkündigung des Evangeliums auftun.<ref>Vgl. Propositio, 56. </ref>

Ein Überblick über die katholischen Gemeinden Asiens zeigt eine wunderbare Vielfalt bei der Betrachtung der Entstehung, der geschichtlichen Entwicklung wie auch der verschiedenen spirituellen und liturgischen Traditionen der jeweiligen Riten. Jedoch alle gemeinsam verkünden sie die Frohbotschaft Jesu Christi durch das christliche Zeugnis und Werke der Barmherzigkeit und menschlicher Solidarität. Während einige Teilkirchen ihren Auftrag in einem Klima des Friedens und der Freiheit erfüllen können, sind andere mit Gewalttätigkeit und Konflikten konfrontiert oder fühlen sich aus religiösen oder anderen Gründen von verschiedenen Gruppen bedroht. In der so unterschiedlichen kulturellen Welt Asiens steht die Kirche vor speziellen philosophischen, theologischen und pastoralen Problemen, und ihre Aufgabe wird durch ihre Stellung als Minderheit zusätzlich erschwert; einzige Ausnahme sind die Philippinen, wo die Katholiken die Mehrheit bilden.

Welche Umstände auch immer vorherrschen, ist die Kirche in Asien unter Menschen mit einem starken Verlangen nach Gott, und sie weiß, dass Jesus Christus, die Frohbotschaft Gottes für alle Nationen, diesem Verlangen voll und ganz entsprechen kann. Es ist ein ausdrückliches Anliegen der Synodenväter, dass das vorliegende Nachsynodale Apostolische Schreiben auf diesen Wunsch eingeht und die Kirche in Asien ermutigt möge, mit kraftvollen Worten und Taten Jesus Christus, den Erlöser, zu verkünden.

Der Geist Gottes, stets wirksam in der Geschichte der Kirche in Asien, wird diese auch weiterhin führen. Und zahlreiche positive, in den Ortskirchen vorhandene Elemente, die die Synode oft hervorgehoben hat, stärken die Hoffnung auf einen »neuen Frühling christlichen Lebens«.<ref>Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), 18: AAS 87 (1995), 16. </ref> Grund zur Hoffnung gibt die wachsende Zahl gut ausgebildeter, begeisterter und vom Heiligen Geist erfüllter Laien, die sich ihrer besonderen Berufung innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft in zunehmendem Maße bewusst sind. Hier muss vor allem den Katechisten ein dankbares Lob ausgesprochen werden.<ref>Vgl. Propositio 29. </ref> Auch die apostolischen und charismatischen Bewegungen sind eine Gabe des Heiligen Geistes, denn durch sie erhält die Bildung der Laien, der Familien und Jugendlichen neues Leben und Kraft.<ref>Vgl. Propositiones 29 und 31. </ref> Durch die kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen, die sich für die Förderung der Menschenwürde und der Gerechtigkeit einsetzen, wird der universale Charakter der Botschaft des Evangeliums von unserer Gotteskindschaft schließlich verständlich und fassbar (vgl. Röm 8,15–16).

Gleichzeitig gibt es Kirchen, die unter schwierigsten Bedingungen leben und »deren Glaubenspraxis schweren Prüfungen unterliegt«.<ref>Propositio 51. </ref> Tiefbewegt waren die Synodenväter von den Berichten über das heroische Zeugnis, die unbeugsame Standhaftigkeit und das kontinuierliche Wachstum der katholischen Kirche in China, die Bemühungen der Kirche in Südkorea zur Unterstützung der nordkoreanischen Bevölkerung, die geduldige Beharrlichkeit der katholischen Gemeinde Vietnams, die Isolation der Christen in Laos und Myanmar, die problematische Koexistenz mit der Mehrheit in verschiedenen überwiegend islamischen Staaten.<ref>Vgl. Propositiones 51, 52, 53. </ref> Ganz besondere Aufmerksamkeit widmete die Synode der Kirche im Heiligen Land und in der Heiligen Stadt Jerusalem, »dem Herzen des Christentums«,<ref>Propositio 57. </ref> dieser allen Kindern Abrahams teuren Stadt. Die Synodenväter äußerten die Meinung, der Friede in der Region und selbst in der ganzen Welt hänge weitgehend von der Wiederversöhnung und dem Frieden ab, die Jerusalem seit langem fehlen.<ref>Vgl. ebd. </ref>

Dieser notwendigerweise unvollständige Überblick über die Situation der Kirche in Asien kann nicht abgeschlossen werden, ohne die Heiligen und Märtyrer Asiens zu erwähnen: die offiziell heiliggesprochenen und diejenigen, die allein Gott kennt. Ihr Beispiel ist eine Quelle »spirituellen Reichtums und ein wertvolles Instrument der Evangelisierung«.<ref>Propositio 54. </ref> Durch ihr Schweigen sprechen sie auf wirksame Art und Weise von der Heiligkeit des Lebens und von der Bereitschaft, das eigene Leben für das Evangelium hinzugeben. Sie sind die Lehrmeister und Beschützer, der Ruhm der Kirche Asiens und des Werkes ihrer Evangelisierung. Gemeinsam mit der ganzen Kirche bitte ich den Herrn, noch weiterhin Arbeiter für die schon große Ernte der Seelen auszusenden (vgl. Mt 9,37–38). In dieser Hinsicht möchte ich daran erinnern, was ich schon in meiner Enzyklika Redemptoris missio betonte: »Gott öffnet der Kirche die Horizonte einer Menschheit, die für den Samen des Wortes der Frohbotschaft leichter empfänglich ist.«<ref>Nr. 3: AAS 83 (1991), 252. </ref> Neue und vielversprechende Horizonte öffnen sich in Asien, wo Jesus zur Welt kam und das Christentum seinen Anfang nahm.

KAPITEL II: JESUS, DER ERLÖSER. EIN GESCHENK FÜR ASIEN 

Das Geschenk des Glaubens

10. Im Lauf der Synodendebatte über die komplexe asiatische Wirklichkeit wurde allen zunehmend einsichtiger, dass die Verkündigung Jesu Christi, wahrer Gott und wahrer Mensch, einziger und alleiniger Erlöser der Menschheit, der besondere Beitrag der Kirche für die Völker dieses Kontinents ist.<ref>Vgl. Propositio 5. </ref> Durch den Glauben an Jesus Christus unterscheidet sich die Kirche von anderen Religionsgemeinschaften; und sie kann dieses kostbare Licht des Glaubens nicht für sich behalten und ein Gefäß darüber stellen (vgl. Mt 5,15), denn ihrem Auftrag gemäß muss sie den Glauben mit allen teilen. »Sie möchte allen Völkern Asiens, die auf der Suche nach der Fülle des Lebens sind, das neue Leben bieten, das sie in Jesus Christus gefunden hat, damit sie in der Kraft des Heiligen Geistes dieselbe Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus haben können.«<ref>Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio ante disceptationem: L’Osservatore Romano, 22. April 1998, Seite 5; OR dt., Nr. 21, 22. Mai 1998, S. 11. </ref> Dieser Glaube an Jesus Christus ist es, der die oft unter schwierigen, wenn nicht gar gefährlichen Bedingungen geleistete Evangelisierungsarbeit der Kirche in Asien inspiriert. Die Synodenväter betonten, dass die Verkündigung Jesu als einziger Erlöser in ihren Kulturen zu besonderen Schwierigkeiten führen könnte, denn viele Religionen Asiens lehren, göttliche Selbstoffenbarungen zu sein, die das Heil vermitteln. Die Herausforderungen, die sich ihrer Tätigkeit der Evangelisierung stellten, haben die Synodenväter nicht entmutigt. Vielmehr wurden sie dadurch bestärkt in der Vermittlung »des Glaubens, den die Kirche in Asien von den Aposteln übernommen hatte und den sie mit der allzeit und allerorts gegenwärtigen Kirche bewahrt«<ref>Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio post disceptationem, 3. </ref> in der Überzeugung, dass »das Herz der Kirche in Asien von Sorge erfüllt sein wird, solange ganz Asien nicht im Frieden Christi, des auferstandenen Herrn, Ruhe findet«.<ref>Propositio 8. </ref>

Der Glaube an Jesus ist ein Geschenk, das der Kirche zuteil wurde, das sie aber auch mit anderen teilen muss; er ist ihr kostbarstes Geschenk für Asien. Die Wahrheit Jesu Christi mit anderen teilen ist die heilige Pflicht derer, die das Geschenk des Glaubens empfangen haben. In der Enzyklika Redemptoris missio betonte ich, dass »die Kirche, und in ihr jeder Christ, dieses neue Leben und dessen Reichtum weder verbergen noch für sich allein zurückhalten kann, da dies alles von der göttlichen Güte gegeben wurde, um allen Menschen mitgeteilt zu werden«.<ref>Vgl. Nr. 11: AAS 83 (1991), 260. </ref> Weiter schrieb ich: »Jene, die in die katholische Kirche eingegliedert sind, können sich als bevorzugt empfinden, sind deswegen aber gleichzeitig um so mehr verpflichtet, den Glauben und das christliche Leben zu bezeugen als Dienst an den Brüdern und schuldige Antwort an Gott.«<ref>Ebd. </ref>

In diesem tiefen Bewusstsein bekräftigten die Synodenväter aber auch ihre persönliche Verantwortung, sich die ewige Wahrheit Jesu durch Studium, Gebet und Reflexion zu eigen zu machen, um durch deren Kraft und Lebendigkeit den gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen der Evangelisierung in Asien zu begegnen.

Jesus Christus, Gott-Mensch der Erlösung

11. Die Heilige Schrift bezeugt, dass Jesus ein wirklich menschliches Leben führte. Jesus, den wir als einzigen Erlöser verkünden, kam in diese Welt als Gott-Mensch mit einer vollkommenen Menschennatur. Als Sohn einer jungfräulichen Mutter wurde er in einem bescheidenen Stall in der Umgebung Betlehems geboren. Er brauchte die gleiche Fürsorge wie andere Kinder, und er erfuhr das harte Schicksal der Flüchtlinge, um dem Zorn eines grausamen Herrschers zu entkommen (vgl. Mt 2,13–15). Seine menschlichen Eltern waren nicht immer in der Lage, sein Verhalten zu verstehen, er aber vertraute und gehorchte ihnen (vgl. Lk 2,41–52). Stets ins Gebet vertieft, stand er in enger Verbindung mit Gott, den er zum Erstaunen seiner Zuhörer »Abba«, »Vater«, nannte (vgl. Joh 8,34–59).

Er stand den Armen, den Vergessenen und Demütigen nahe. Sie nannte er wahrhaft selig, denn Gott war mit ihnen. Er teilte sein Mahl mit den Sündern, versicherte ihnen, dass an der Tafel des Vaters auch für sie Platz sei, wenn sie von ihrer Sündhaftigkeit Abstand nehmen und zu ihm zurückkehren würden. Weil er die Unreinen berührte und sich von ihnen berühren ließ, erkannten sie die Nähe Gottes. Er trauerte um einen verstorbenen Freund, gab der verwitweten Mutter den toten Sohn lebendig zurück, nahm die Kinder mit Wohlwollen auf und wusch seinen Jüngern die Füße. Nie zuvor war die Barmherzigkeit Gottes in solch greifbarer Nähe.

Kranke, Lahme, Blinde, Taube und Stumme, allen wurde durch seine Berührung Heilung und Vergebung zuteil. Als seine engsten Begleiter und Mitarbeiter wählte er eine ungewöhnliche Gruppe von Fischern und Steuereintreibern, Zeloten und des Gesetzes unkundigen Menschen; selbst einige Frauen waren darunter. Kraft der trostspendenden, außerordentlichen Liebe des Vaters bildete sich so eine neue Familie. Jesus predigte mit einfachen Worten, er wählte Beispiele aus dem täglichen Leben, um von der Liebe Gottes und seinem Reich zu sprechen; und die Massen erkannten die Macht seiner Worte.

Dennoch wurde er der Gotteslästerung beschuldigt, man warf ihm vor, gegen das Gesetz zu verstoßen, ein Aufwiegler zu sein, der ausgeschaltet werden musste. Nach einem auf falsche Aussagen gestützten Prozess (vgl. Mk 14,56) wurde er wie ein Verbrecher zum Tod durch Kreuzigung verurteilt; verlassen und gedemütigt, schien er ein Besiegter. Eilig bestattete man ihn in einem noch ungenutzten Grab. Aber am dritten Tag nach seinem Tod wurde das ständig bewachte Grab leer aufgefunden! Von den Toten auferstanden, erschien Jesus seinen Jüngern, bevor er zum Vater zurückkehrte, von dem er gekommen war.

Gemeinsam mit allen Christen glauben wir, dass dieses einzigartige Leben, einerseits so normal und einfach und andererseits so außerordentlich und geheimnisvoll, das Reich Gottes in die Geschichte der Menschheit gebracht und »mit seiner Macht jeden Aspekt des menschlichen Lebens und der von Sünde und Tod bedrängten Gesellschaft durchtränkt hat«.<ref>Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio post disceptationem, 3. </ref> Durch seine Worte und Taten und besonders durch sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung erfüllte Jesus den Willen des Vaters, die Menschheit mit sich zu versöhnen, nachdem die Erbsünde die Beziehung zwischen dem Schöpfer und der Schöpfung zerbrochen hatte. Am Kreuz nahm er die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Sünden der Welt auf sich. Der hl. Paulus erinnert daran, dass wir infolge unserer Sünden tot waren und durch das Kreuzesopfer Christi das Leben wiedererlangt haben: »Gott aber hat euch mit Christus zusammen lebendig gemacht und uns alle Sünden vergeben. Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen« (Kol 2,13–14). So wurde unsere Rettung ein für allemal besiegelt. Jesus ist unser Erlöser im wahrsten Sinn des Wortes, denn seine Worte und Werke, besonders seine Auferstehung von den Toten, offenbarten ihn als Sohn Gottes, als ewiges Wort vor aller Zeit, als der, der in alle Ewigkeit als Herr und Messias herrscht.

Person und Sendung des Gottessohnes

12. Das Anstoß erregende Element im Christentum ist die Überzeugung, dass der heiligste, allmächtige und allwissende Gott unsere Menschennatur angenommen und zur Erlösung aller Menschen Leiden und Tod auf sich genommen hat (vgl. 1 Kor 1,23). Der Glaube, den wir empfangen haben, bekräftigt, dass Jesus Christus den Plan des Vaters zur Erlösung der Welt und der gesamten Menschheit im Sinne von »wer er ist« und von »was er vollbringt« offenbart und zur Erfüllung gebracht hat. »Wer er ist« und »was er vollbringt« erhalten ihre volle Bedeutung erst im Mysterium des dreifaltigen Gottes. Während meines Pontifikats habe ich die Gläubigen stets an die Lebensgemeinschaft der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und an die Einheit der drei Personen im Schöpfungs- und Erlösungsplan erinnert. Die Enzykliken Redemptor hominis, Dives in misericordia und Dominum et vivificantem befassen sich jeweils mit dem Sohn, dem Vater und dem Heiligen Geist wie auch mit ihrer jeweiligen Rolle im göttlichen Heilsplan. Man kann jedoch nicht eine Person von den anderen trennen, denn jede einzelne offenbart sich nur innerhalb des gemeinsamen trinitarischen Lebens und Wirkens. Das Erlösungswerk Jesu gründet auf der Teilhabe an der göttlichen Natur, und allen, die an ihn glauben, ebnet er den Weg zu inniger Gemeinschaft mit der Dreifaltigkeit und zur Gemeinschaft untereinander in der Dreifaltigkeit.

»Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen«, sagt Jesus (Joh 14,9). In Jesus Christus allein wohnt wirklich die ganze Fülle des Göttlichen (vgl. Kol 2,9), und das macht ihn zum einzigen und vollkommenen Heilswort Gottes (vgl. Hebr 1,1–4). Als endgültiges Wort des Vaters will Jesus Gott und seinen Heilsplan auf vollkommenste Art und Weise mitteilen. »Niemand kommt zum Vater außer durch mich«, sagt Jesus (Joh 14,6). Er ist »der Weg und die Wahrheit und das Leben« (Joh 14,6), denn – wie er selbst erklärt –: »Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke« (Joh 14,10). Nur die Person Jesu verkörpert die Fülle der göttlichen Verheißung und leitet die Endzeit ein (vgl. Hebr 1,1–2). Schon in den Anfängen der Kirche konnte Petrus verkünden: »In keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen« (Apg 4,12).

Im Ostergeheimnis erreichte die Sendung des Erlösers ihren Höhepunkt. Am Kreuz, die Arme zum Ausdruck immerwährender Einheit zwischen Himmel und Erde erhoben,<ref>Vgl. Römisches Messbuch, Eucharistisches Hochgebet I. </ref> richtete Jesus die letzten Worte an den Vater, damit er die Sünden der Menschheit vergebe: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun« (Lk 23,34). Er besiegte die Sünde durch die Macht seiner Liebe zum Vater und zur Menschheit. Er nahm die Wunden auf sich, die die Sünde den Menschen zugefügt hatte, und bot an, sie durch jene Umkehr davon zu befreien, deren erste Früchte in dem reuigen Verbrecher am Kreuz neben ihm erkennbar sind: »Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist« (Lk 23,46). Mit diesem größten Beweis der Liebe vertraute er sein ganzes Leben und seine Sendung dem Vater an, der ihn gesandt hatte. So gab er ihm die gesamte Schöpfung und die ganze Menschheit zurück, damit er sie mit barmherziger Liebe wieder aufnehme.

Alles, was der Sohn ist und vollbracht hat, wird vom Vater angenommen, der es somit in dem Augenblick der Welt schenken kann, da er Jesus von den Toten auferweckt und ihn zu seiner Rechten sitzen lässt, da Sünde und Tod keine Macht mehr haben. Das österliche Opfer Jesu ist das unwiderrufliche Geschenk des Vaters an die Welt. Dieses außerordentliche Geschenk der Versöhnung und der Fülle des Lebens konnte allein durch den geliebten Sohn verwirklicht werden, denn nur er war fähig, der Liebe des Vaters, der durch die Sünde zurückgewiesenen Liebe, voll zu entsprechen. Durch die Macht des Heiligen Geistes erkennen wir in Jesus Christus, dass Gott nicht fern ist, nicht über und außerhalb des Menschen, sondern vielmehr in dessen nächster Nähe, eins mit jeder Person und der ganzen Menschheit in allen Situationen des Lebens. Das ist die Botschaft, die das Christentum der Welt anbietet, eine Botschaft unvergleichlichen Trostes und tiefer Hoffnung für alle Gläubigen.

Jesus Christus: die Wahrheit vom Menschen

13. Wie kann die Menschheit Jesu und das einzigartige Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes unser Menschsein erleuchten? Der menschgewordene Gottessohn offenbart nicht nur vollkommen den Vater und dessen Heilsplan, sondern macht auch »dem Menschen den Menschen selbst voll kund«.<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis (4. März 1979), 10: AAS 71 (1979), 274.</ref> Seine Worte und Werke, vor allem sein Tod und seine Auferstehung, sind ein tiefer Einblick in das, was Menschsein bedeutet. In Jesus erkennt der Mensch schließlich die Wahrheit über sich selbst. Das so vollkommen menschliche Leben Jesu, ganz der Liebe und dem Dienst am Vater und an der Menschheit gewidmet, offenbart die Berufung jedes Menschen, Liebe zu empfangen und zu geben. In Jesus erstaunt uns die unendliche Fähigkeit des menschlichen Herzens, Gott und die Menschen zu lieben, auch wenn das mit tiefstem Leid verbunden sein kann. Vor allem am Kreuz bricht Jesus die Macht der selbstzerstörerischen Ablehnung der Liebe, zu der die Sünde uns verleitet. Seinerseits antwortet der Vater, indem er Jesus zum Erstgeborenen derer erhebt, die er bestimmt hat, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzunehmen (vgl. Röm 8,29). Von jenem Augenblick an wurde Jesus ein für allemal zur Offenbarung und Erfüllung einer – nach dem Plan Gottes – wiederbelebten und erneuerten Menschheit. Daher erkennen wir in Jesus die Größe und Würde jeder Person vor Gott, der den Menschen nach seinem Abbild erschaffen hat (vgl. Gen 1,26), und den Ursprung der neuen Schöpfung, der wir kraft seiner Gnade teilhaftig geworden sind.

Das II. Ökumenische Konzil lehrt, dass »er, der Sohn Gottes, sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt hat«.<ref>Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Weltvon heute, Gaudium et spes, 22. </ref> In dieser tiefgreifenden Erkenntnis sahen die Synodenväter die höchste Quelle der Hoffnung und der Kraft für die von Mühsal und Ungewißheit bedrängte Bevölkerung Asiens. Wenn Männer und Frauen mit tiefem Glauben auf das Geschenk der Liebe Gottes antworten, dann bringt seine Gegenwart Liebe und Frieden in jedes Menschenherz und wandelt es von innen heraus. In Redemptor hominis schrieb ich: »Die Erlösung der Welt – dieses ehrfurchtgebietende Geheimnis der Liebe, in dem die Schöpfung erneuert wird – ist in ihrer tiefsten Wurzel die Fülle der Gerechtigkeit in einem menschlichen Herzen: im Herzen des Erstgeborenen Sohnes, damit sie Gerechtigkeit der Herzen vieler Menschen werden kann, die ja im Erstgeborenen Sohn von Ewigkeit vorherbestimmt sind, Kinder Gottes zu werden, berufen zur Gnade und zur Liebe.«<ref>Nr. 9: AAS 71 (1979), 272–273. </ref>

Die Sendung Jesu hat nicht nur die Gemeinschaft zwischen Gott und der Menschheit wiederhergestellt, sondern eine neue Gemeinschaft von den durch die Sünde einander entfremdeten Menschen gestiftet. Über alle Spaltungen hinaus ermöglicht Jesus jedem ein brüderliches Leben durch die Anerkennung des einen Vaters im Himmel (vgl. Mt 23,9). In ihm ist eine neue Harmonie begründet, in der »es nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau gibt; denn ihr alle seid ›einer‹ in Christus Jesus« (vgl. Gal 3,28). »Denn er ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile [Juden und Heiden] und riß durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder« (Eph 2,14). In allem, was Jesus gesagt und getan hat, war er die Stimme, die Hand und der Arm des Vaters, der alle Kinder Gottes in einer einzigen Gemeinschaft der Liebe versammelte; er betete, damit seine Jünger eins seien wie er und der Vater (vgl. Joh 17,11), und einige seiner letzten Worte waren: »Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! … Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe« (Joh 15,9,12). Vom Gott der Gemeinschaft ausgesandt, begründete Jesus in seiner Person die Gemeinschaft zwischen Himmel und Erde, denn er ist wahrer Gott und wahrer Mensch. Wir glauben, dass »Gott mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen wollte, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut« (vgl . Kol 1,19–20). In der Person des menschgewordenen Gottessohnes und in der allein ihm als Sohn anvertrauten Sendung des Dienstes und der Liebe für das Leben aller kann Rettung gefunden werden. Zusammen mit der Kirche in aller Welt verkündet die Kirche Asiens die Wahrheit des Glaubens: »Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle« (1 Tim 2,5–6).

Einzigartigkeit und Universalität der Erlösung in Jesus

14. Die Synodenväter erinnerten daran, dass das vor aller Zeit existierende Wort, der eingeborene und ewige Sohn Gottes, »immer schon in der Schöpfung, in der Geschichte und in jedem nach Gutem strebenden Menschen gegenwärtig war«.<ref>Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio post disceptationem, 3.</ref> Durch das Wort, das bereits vor der Menschwerdung in der Welt zugegen war, ist alles geschaffen worden (vgl. Joh 1,1–4.10; Kol 1,15–20). Aber als menschgewordenes Wort, das gelebt hat, gestorben und von den Toten auferstanden ist, verkünden wir Jesus Christus nun als Vollendung der gesamten Schöpfung, der ganzen Geschichte und des menschlichen Verlangens nach der Fülle des Lebens.<ref>Vgl. ebd.</ref> Von den Toten auferstanden, »ist er auf neue und geheimnisvolle Art und Weise in allen und in der ganzen Schöpfung gegenwärtig«.<ref>Ebd.</ref> In ihm »erfüllen und verwirklichen sich die wahren Werte jeder religiösen und kulturellen Tradition, Werte wie Barmherzigkeit, demütiges Befolgen des göttlichen Willens, Anteilnahme und Rechtschaffenheit, Gewaltlosigkeit und Gerechtigkeit, Hingabe und harmonische Eintracht mit der Schöpfung«.<ref>Propositio 5. </ref> Vom Anfang bis zum Ende aller Zeiten ist Jesus der einzige universale Mittler. Auch jenen, die nicht ausdrücklich an ihn als Retter glauben, wird die Erlösung durch die vom Heiligen Geist vermittelte Gnade zuteil.

Wir glauben, dass Jesus Christus, wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch, der einzige Erlöser ist, denn er allein – der Sohn – brachte den universalen Heilsplan zur Vollendung. Als endgültiger Ausdruck der geheimnisvollen Liebe des Vaters zu allen Menschen ist Jesus wirklich einzigartig, und »gerade diese Einzigartigkeit Christi ist es, die ihm eine absolute und universale Bedeutung verleiht, durch die er, obwohl selbst Teil der Geschichte, Mitte und Ziel der Geschichte selbst ist«.<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 6: AAS 83 (1991), 255. </ref>

Kein Mensch, keine Nation, keine Kultur kann sich dem Aufruf Jesu Christi verschließen, der selbst den Menschen aus dem Herzen spricht. »Er…spricht zu den Menschen auch als Mensch: es ist seine Treue zur Wahrheit, seine Liebe, die alle umfaßt. Es spricht ferner sein Tod am Kreuz, das heißt die unergründliche Tiefe seines Leidens und der Verlassenheit.«<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis (4. März 1979), 7: AAS 71 (1979), 269. </ref> Seine menschliche Natur berücksichtigend, finden die Völker Asiens die Antworten auf ihre tiefgreifendsten Fragen und die Erfüllung ihrer Hoffnungen; die Festigung ihrer Würde und die Überwindung ihrer Verzweiflung. Jesus ist die Frohbotschaft, die zu jeder Zeit und überall an jene Menschen gerichtet ist, die nach der Bedeutung ihrer Existenz und der Wahrheit ihres Menschseins suchen.

KAPITEL III: DER HEILIGE GEIST: HERR UND SPENDER DES LEBENS

Der Geist Gottes in der Schöpfungs- und Heilsgeschichte

15. Wenn die Heilsbedeutung Jesu wirklich nur im Kontext seiner Offenbarung des trinitarischen Heilsplans verstanden werden kann, folgt daraus, dass der Heilige Geist zutiefst mit dem Mysterium Jesu und der durch ihn ermöglichten Erlösung verbunden ist. Oft erwähnten die Synodenväter die Rolle des Heiligen Geistes in der Heilsgeschichte und betonten, dass die irrige Trennung zwischen dem Erlöser und dem Heiligen Geist die Wahrheit über Christus als alleinigem Retter aller Menschen gefährden könnte.

In der christlichen Tradition wurde der Heilige Geist stets mit dem Leben und dessen Vermittlung in Verbindung gebracht. Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel bezeichnet den Heiligen Geist als den, der »Herr ist und lebendig macht«. Daher ist es durchaus nicht überraschend, dass viele Interpretationen der Schöpfungsgeschichte der Genesis den Heiligen Geist in jenem starken Wind erkennen, der über dem Wasser schwebte (vgl. Gen 1,2). Vom ersten Augenblick an ist er im Schöpfungsbericht gegenwärtig; seit dem ersten Zeichen der Liebe des dreieinigen Gottes.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivificantem (18. Mai 1986), 54: AAS 78 (1986), 875. </ref> Da die Schöpfung die Geschichte einleitet, ist der Geist gewissermaßen eine in ihr wirksame unsichtbare Kraft, die sie auf dem Weg der Wahrheit und des Guten führt.

Die Offenbarung der Person des Heiligen Geistes, der gegenseitigen Liebe des Vaters und des Sohnes, ist ein bezeichnendes Element des Neuen Testaments. Aus christlicher Sicht ist Er Ursprung allen Lebens. Die Schöpfung ist die freie Mitteilung der Liebe Gottes, die aus dem Nichts alles zum Leben erweckt. Die gesamte Schöpfung ist erfüllt von jenem immerwährenden Austausch der Liebe, der das innere Leben der Dreifaltigkeit kennzeichnet, das heißt: erfüllt vom Heiligen Geist: » Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis« (Weish 1,7). Der in der Schöpfung gegenwärtige Geist bewirkt Ordnung, Harmonie und die gegenseitige Abhängigkeit alles Existierenden. Nach Gottes Ebenbild geschaffen, werden die Menschen auf neue Art und Weise Wohnung des Geistes, wenn sie die Würde der Gotteskindschaft erlangt haben (vgl. Gal 4,5). In der Taufe wiedergeboren, erfahren sie die Gegenwart und Kraft des Geistes, nicht nur weil sie lebendig macht, sondern auch weil sie reinigt und heilt, denn die Frucht des Geistes ist »Liebe, Freude, Frieden, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung« (Gal 5,22). Diese Früchte sind ein Zeichen dafür, dass »die Liebe Gottes ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist« (vgl. Röm 5,5). Wenn sie in Freiheit angenommen wird, dann macht diese Liebe die Menschen zu sichtbaren Werkzeugen des unablässigen Wirkens des unsichtbaren Geistes in der Schöpfungs- und Heilsgeschichte. Es ist vor allem diese neue Fähigkeit, Liebe zu geben und zu empfangen, die die innere Gegenwart und Kraft des Heiligen Geistes bezeugt. Durch die in Herz und Geist des einzelnen Menschen erwirkte Wandlung und Erneuerung berührt der Geist auch die menschlichen Gesellschaften und Kulturen.<ref>Vgl. ebd. , 59, a.a.O., 885. </ref> »Der Geist steht ebenso am Ursprung edler Ideale und guter Initiativen der Mensch-heit auf deren Wege: ›In wunderbarer Vorsehung lenkt er den Weg der Zeiten und erneuert er das Gesicht der Erde.‹«<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 28: AAS 83 (1991), 274; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Weltvon heute, Gaudium et spes, 26.</ref>

Dem Weg des II. Vatikanischen Konzils folgend, schenkten die Synodenväter ihre Aufmerksamkeit der vielfachen und unterschiedlichen Wirkung des Heiligen Geistes, der immerfort Samen der Wahrheit unter allen Völkern und in ihren Religionen, Kulturen und Philosophien aussät.<ref>Vgl. Propositio 11; II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, 4, 15: Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, 17; Pastoralkonstitution über die Kirche in der Weltvon heute, Gaudium et spes, 11,22,38; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 28: AAS 83 (1991), 273–274. </ref> Das bedeutet, dass diese den Menschen auf individueller wie auch auf kollektiver Ebene helfen können, gegen das Böse anzugehen und dem Leben und allem, was gut ist, zu dienen. Die Kräfte des Todes isolieren Völker, Gesellschaften und Religionsgemeinschaften gegenseitig, schüren Mißtrauen und Rivalitäten, die schließlich zu Konflikten führen. Der Heilige Geist hingegen unterstützt das Verständnis füreinander und die gegenseitige Annahme unter den Menschen. Mit Recht sieht die Synode daher den Geist Gottes als ersten Förderer des Dialogs zwischen der Kirche und allen Völkern, Kulturen und Religionen.

Der Heilige Geist und die Inkarnation des Wortes

16. Dem ewigen Plan des Vaters entsprechend, entfaltet sich unter der Führung des Geistes die Heilsgeschichte im irdischen, ja selbst im kosmischen Geschehen. Dieser zu Beginn der Schöpfung vom Geist eingeleitete Plan wird im Alten Testament offenbart, durch die Gnade Jesu Christi zur Vollendung geführt und in der neuen Schöpfung von demselben Geist verwirklicht, bis der Herr am Ende der Zeiten in Herrlichkeit wiederkommt.<ref>Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio ante disceptationem: L’Osservatore Romano, 22. April 1998, S. 5; OR dt., Nr. 21, 22. Mai 1998, S. 8 ff. </ref> Die Menschwerdung des Gottessohnes ist das Hauptwerk des Heiligen Geistes: »Empfängnis und Geburt Jesu Christi sind das größte vom Heiligen Geist in der Schöpfungs- und Heilsgeschichte vollbrachte Werk: die höchste Gnade – die ›Gnade der Einigung‹ als Quelle jeder anderen Gnade.«<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivificantem (18. Mai 1986), 50: AAS 78 (1986), 870; vgl. hl. Thomas von Aquin, Summa Theologica II I, 2, 10–12; 6,6; 7,13. </ref> Die Menschwerdung ist das Ereignis, in dem Gott zu einer neuen und endgültigen Einheit mit sich selbst nicht nur den Menschen, sondern die ganze Schöpfungs- und Heilsgeschichte führt.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivificantem (18. Mai 1986), 50: AAS 78 (1986), 870. </ref>

Im Schoß der Jungfrau Maria durch die Kraft des Geistes empfangen (vgl. Lk 1,35; Mt 1,20), war Jesus von Nazaret, Messias und alleiniger Erlöser, erfüllt vom Heiligen Geist, der bei der Taufe auf ihn herabkam (vgl. Mk 1,10) und ihn in die Wüste führte, um ihn für sein öffentliches Leben zu stärken (vgl. Mk 1,12; Lk 4,1; Mt 4,1). In der Synagoge von Nazaret leitet Jesus sein prophetisches Wirken ein, wobei er die Prophezeiung Jesajas von der Salbung des Geistes auf sich bezieht, um den Armen die gute Nachricht zu bringen, den Gefangenen die Entlassung zu verkünden und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen (vgl. Lk 4,18–19). Durch die Kraft des Geistes heilt Jesus die Kranken und treibt die Dämonen aus als Zeichen dafür, dass das Reich Gottes gekommen ist (vgl. Mt 12,28). Nach seiner Auferstehung von den Toten schenkte er seinen Jüngern den Heiligen Geist. Er hatte ihnen verheißen, nach seiner Rückkehr zum Vater den Geist über die Kirche auszugießen (vgl. Joh 20,22–23).

All das zeigt, dass die Heilssendung Jesu das unverkennbare Zeichen der Gegenwart des Geistes trägt: Leben, neues Leben. Zwischen der Sendung des Sohnes durch den Vater und dem Senden des Geistes durch den Vater und den Sohn besteht ein enges und lebendiges Band.<ref>Vgl. ebd. , 24, a.a.O., 832.</ref> Das Wirken des Geistes in der Schöpfung und der Geschichte des Menschen erhält eine vollkommen neue Bedeutung, wenn es sich um das Wirken im Leben und in der Sendung Jesu handelt. Die vom Geist ausgesäten »Samen des Wortes« bereiten die gesamte Schöpfung, die Geschichte und den Menschen auf die volle Wahrheit in Christus vor.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 28: AAS 83 (1991), 274. </ref> Besorgt zeigten sich die Synodenväter hinsichtlich der Tendenz, das Wirken des Heiligen Geistes von dem Jesu Christi zu trennen; ihre Besorgnis teilend, wiederhole ich das von mir bereits in Redemptoris missio Geschriebene: »Er [der Geist] ist nicht eine Alternative zu Christus, er füllt nicht eine Lücke aus zwischen Christus und dem Logos, wie manchmal angenommen wird. Was immer der Geist im Herzen der Menschen und in der Geschichte der Völker, in den Kulturen und Religionen bewirkt, hat die Vorbereitung der Verkündigung zum Ziel und geschieht in bezug auf Christus, das durch das Wirken des Geistes fleischgewordene Wort, ›um Ihn zu erwirken, den vollkommenen Menschen, das Heil aller und die Zusammenführung des Universums.‹«<ref>Nr. 29: AAS 83 (1991), 275; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Weltvon heute, Gaudium et spes, 45. </ref>

Die universale Gegenwart des Geistes kann daher keine Entschuldigung dafür sein, Jesus Christus nicht mehr als den einzigen und alleinigen Erlöser zu verkünden. Im Gegenteil, die universale Gegenwart des Heiligen Geistes ist untrennbar von der universalen Erlösung in Jesus. Die Gegenwart des Geistes in der Schöpfungs- und Heilsgeschichte führt zu Jesus Christus, in dem diese ihre Erlösung und Vollendung finden. Gegenwart und Handeln des Geistes sind sowohl bei der Menschwerdung als auf dem Höhepunkt des Pfingstereignisses stets auf Jesus und die durch ihn erlangte Erlösung ausgerichtet. Aus diesem Grund darf die universale Gegenwart des Geistes nie von seinem Wirken am Leib Christi, der die Kirche ist, getrennt werden.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 29: AAS 83 (1991), 275. </ref>

Der Heilige Geist und der Leib Christi

17. Der Heilige Geist bewahrt die Bande der Einheit zwischen Jesus und seiner Kirche, in der er wohnt wie im Tempel Gottes (vgl. 1 Kor 3,16) und die er vor allem zur Fülle der Wahrheit über Jesus führt. Er ist es, der der Kirche die Fortsetzung der Sendung Christi ermöglicht, indem er vor allem Jesus selbst bezeugt und so das zur Vollendung bringt, was er vor seinem Tod und seiner Auferstehung verheißen hat, nämlich die Aussendung des Geistes an die Jünger, damit sie Zeugnis für ihn ablegen (vgl. Joh 15,26–27). In der Kirche ist es demnach Aufgabe des Geistes, zu bezeugen, dass die Gläubigen Adoptivkinder Gottes sind, die als seine Erben für das Heil bestimmt sind, die verheißene volle Einheit mit dem Vater (vgl. Röm 8,15–17). Indem er die Kirche mit verschiedenen Gnadengaben und Charismen schmückt, wächst sie in der Einheit der Glaubenden als ein einziger Leib, der aus vielen verschiedenen Gliedern besteht (vgl. 1 Kor 12,4; Eph 4,11–16). Der Geist versammelt alle Menschen mit ihren jeweiligen Bräuchen, Ressourcen und Begabungen zur Einheit und macht die Kirche zum Zeichen der ganzen menschlichen Gemeinschaft unter Christus, dem einen Haupt.<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 13.</ref> Der Geist verleiht der Kirche die Form einer Gemeinschaft von Zeugen, die durch seine Kraft den Erlöser bezeugt (vgl. Apg 1,8). In dieser Hinsicht ist er die Hauptgestalt der Evangelisierung. All das ließ die Synodenväter erkennen, dass sich die irdische Sendung Jesu in der Kraft des Heiligen Geistes vollzogen hatte, und somit haben »Vater und Sohn diesen Geist der Kirche zu Pfingsten gegeben, zur Vollendung der Sendung Christi in Asien«.<ref>Propositio 12. </ref>

Der Plan des Vaters für die Erlösung der Menschheit ist mit dem Tod und der Auferstehung Christi nicht vollendet. Durch das Geschenk des Geistes Christi bietet die Kirche die Früchte der Heilssendung allen Völkern aller Epochen an, indem sie das Evangelium verkündet und dem Menschengeschlecht dient und es fördert. Wie das II. Vatikanische Konzil betont, »wird sie [die Kirche] nämlich vom Heiligen Geiste angetrieben, mitzuwirken, dass der Ratschluss Gottes, der Christus zum Ursprung des Heils für die ganze Welt bestellt hat, tatsächlich ausgeführt werde«.<ref>Vgl. Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 17. </ref> Durch die vom Geist erhaltene Macht, die Erlösung Christi auf Erden zu vollenden, ist die Kirche der Samen des Gottesreiches, dessen endgültiges Kommen sie mit Ungeduld erwartet. Ihre Identität und Sendung sind untrennbar mit dem Reich Gottes verbunden, das Jesus durch alles, was er getan und gesagt hat, insbesondere durch seinen Tod und seine Auferstehung, verkündet und eingeleitet hat. Der Geist erinnert die Kirche daran, dass sie nicht um ihrer selbst willen besteht, sondern um Christus und dem Heil der Welt durch all das zu dienen, was sie ist und tut. In der gegenwärtigen Heilsökonomie ist das Wirken des Heiligen Geistes in der Schöpfung, in der Geschichte und in der Kirche Teil des für die ganze Schöpfung bestimmten ewigen Planes der Dreifaltigkeit.

Der Heilige Geist und die Sendung der Kirche in Asien

18. Der Geist, der zur Zeit der Patriarchen und Propheten und in noch stärkerem Maße zur Zeit Jesu und der Urkirche über dem asiatischen Kontinent schwebte, ist auch heute über den Christen Asiens und festigt ihr Glaubenszeugnis unter den Völkern, Kulturen und Religionen des Erdteils. Wie der große Dialog der Liebe zwischen Gott und den Menschen vom Heiligen Geist eingeleitet und durch das Mysterium Christi auf asiatischem Boden vollendet wurde, so setzt sich der Dialog zwischen dem Erlöser und den Völkern des Kontinents heute in der Kraft desselben Geistes fort, der in der Kirche wirkt. In diesem Prozess haben alle – Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien, Männer und Frauen – eine wesentliche Aufgabe zu erfüllen eingedenk jener Worte Jesu, die zugleich Verheißung und Auftrag sind: »…ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde« (Apg 1,8).

Die Kirche ist überzeugt, dass es tief im Herzen der Menschen, der Kulturen und Religionen Asiens Durst nach »lebendigem Wasser« (vgl. Joh 4,10–15) gibt, einen Durst, den der Heilige Geist selbst hervorruft und den allein Jesus, der Retter, vollends stillen kann. Sie bittet den Heiligen Geist, auch weiterhin die Völker Asiens auf den heilbringenden Dialog mit dem Erlöser aller Menschen vorzubereiten. In der Kraft des Geistes, der sie in ihrem Dienst- und Liebesauftrag lenkt, bietet die Kirche eine Begegnung zwischen Jesus Christus und den Völkern Asiens auf der Suche nach der Fülle des Lebens. Nur in einer solchen Begegnung kann das lebendige Wasser gefunden werden, das ewiges Leben schenkt, die Erkenntnis des einzigen wahren Gottes und seines Sohnes Jesus Christus, den er gesandt hat (vgl. Joh 17,3).

Die Kirche weiß sehr wohl, dass sie ihren Auftrag nur dann erfüllen kann, wenn sie die Eingebungen des Heiligen Geistes aufgreift. Im Bestreben, wahrhaft Zeichen und Werkzeug der Einwirkung des Geistes in der vielschichtigen Wirklichkeit Asiens zu sein, muss sie, den verschiedenen Gegebenheiten des Kontinents entsprechend, die Aufforderung des Geistes zu einem neuen und wirksamen Zeugnis für Jesus, den Erlöser, zu erkennen wissen. Die volle Wahrheit Jesu und des von ihm für uns erlangten Heils ist stets ein Geschenk und nie das Resultat menschlicher Bemühungen. »So bezeugt der Geist selber unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi« (Röm 8,16–17). Daher ruft die Kirche immerfort: »Komm, Heiliger Geist! Erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entfache in ihnen das Feuer deiner Liebe!« Das ist das Feuer, das Jesus auf die Erde geworfen hat, und die Kirche in Asien teilt mit ihm den innigen Wunsch, dass dieses Feuer bald brennen möge (vgl. Lk 12,49). Von dieser Hoffnung erfüllt, versuchten die Synodenväter, die wesentlichen Bereiche der Sendung festzulegen, die zu den Aufgaben der Kirche in Asien gehören, da sie sich auf den Übergang in das dritte Jahrtausend vorbereitet.

KAPITEL IV: JESUS, DER RETTER: DAS GESCHENK VERKÜNDIGEN

Der Primat der Verkündigung

19. An der Schwelle des Dritten Jahrtausends ertönt die Stimme des auferstandenen Christus erneut im Herzen eines jeden Christen: »Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,18–20). Gleich nach Pfingsten machten sich die Apostel auf, nunmehr der unausbleiblichen Unterstützung Jesu und der mächtigen Gegenwart des Geistes sicher, um dieses Gebot zu er füllen: »Sie aber zogen aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch die Zeichen, die er geschehen ließ« (Mk 16,20). Was sie nun aber verkündeten, das kann mit den Worten des hl. Paulus zusammengefaßt werden: »Wir verkündigen nämlich nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns aber als eure Knechte um Jesu willen« (2 Kor 4,5). Die mit dem Glauben gesegnete Kirche geht auch nach zweitausend Jahren noch in alle Welt, um überall den Völkern zu begegnen und mit ihnen die Frohbotschaft Christi zu teilen. Dies tut sie mit großem missionarischen Eifer, damit die Menschen Jesus kennenlernen, ihn lieben und ihm nachfolgen.

Es kann keine wahre Evangelisierung geben ohne eindeutige Verkündigung, dass Jesus der Herr ist. Das II. Vatikanische Konzil, und seither auch das kirchliche Lehramt, haben bei ihren Antworten auf gewisse Verwirrungen hinsichtlich der wahren Natur der kirchlichen Sendung wiederholt den Primat der Verkündigung Jesu Christi unterstrichen, wie auch immer die Evangelisierung geschehen mag. Diesbezüglich hat Papst Paul VI. ausdrücklich geschrieben: »Es gibt keine wirkliche Evangelisierung, wenn nicht der Name, die Lehre, das Leben, die Verheißungen, das Reich, das Geheimnis von Jesus von Nazaret, des Sohnes Gottes, verkündet wird.«<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 22: AAS 68 (1976), 20.</ref> Das entspricht dem, was die Christen Jahrhunderte lang getan haben. Verständlicherweise erinnerten daher die Synodenväter mit Stolz daran, dass »zahlreiche christliche Gemeinschaften Asiens den Glauben trotz großer Anfechtungen durch die Jahrhunderte hindurch bewahrt haben und ihrem geistigen Erbe mit heldenhafter Beharrlichkeit verbunden geblieben sind«.<ref>Propositio 8.</ref>

Gleichzeitig haben die Teilnehmer an der Sonderversammlung mehrmals die Notwendigkeit eines erneuerten Eifers bei der Verkündigung Jesu Christi gerade auf jenem Kontinent bezeugt, der vor zweitausend Jahren den Anfang dieser Verkündigung gesehen hat. Die Worte des Apostels Paulus werden noch eindringlicher, wenn man bedenkt, dass viele Menschen auf diesem Kontinent der Person Jesu noch nie wirklich bewusst begegnet sind: »Denn jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden. Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?« (Röm 10,13–14). Die große Frage, vor der nun die Kirche in Asien steht, ist, wie sie mit ihren asiatischen Brüdern und Schwestern das teilen soll, was wir als Geschenk hüten, welches jegliches Geschenk in sich birgt, nämlich die Frohbotschaft von Jesus Christus.

Jesus Christus in Asien verkünden

20. Die Kirche in Asien ist durchaus bereit, ihre Pflicht zur Verkündigung auszuüben, denn sie weiß, »dass sowohl bei den einzelnen als auch bei den Völkern durch das Wirken des Geistes schon eine – wenn auch unbewusste – Erwartung da ist, die Wahrheit über Gott, über den Menschen, über den Weg zur Befreiung von Sünde und Tod zu erfahren«.<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 45: AAS 83 (1991), 292.</ref> Dieses Beharren auf der Verkündigung rührt weder von einem sektiererischen Impuls noch von einem proselytistischen Geist noch von irgend einer Haltung der Überlegenheit her. Die Kirche verkündet das Evangelium allein aus Gehorsam dem Gebot Christi gegenüber im Bewusstsein, dass jeder das Recht hat, die Frohbotschaft Gottes zu hören, der sich in Jesus Christus offenbart und schenkt.<ref>Vgl. ebd., 46: a.a.O., 292–293. </ref> Den höchsten Dienst, den die Kirche den asiatischen Völkern leisten kann, ist, Zeugnis von Christus abzulegen, weil sie so auf deren Suche nach dem Absoluten eine Antwort gibt und die Wahrheit sowie jene Werte enthüllt, die ihnen eine ganzheitliche menschliche Entwicklung garantieren. Die Kirche ist sich der ganzen Bandbreite der verschiedenen Situationen in Asien zutiefst bewusst und will sich, »von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten« (Eph 4,15). In diesem Sinne verkündet sie die Frohbotschaft in Achtung und freundlicher Wertschätzung all denen gegenüber, die ihr zuhören. Es ist eine Verkündigung, die das Recht des Gewissens respektiert und die Freiheit nicht verletzt, da nämlich der Glaube stets eine freie Antwort des Individuums erfordert.<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit, Dignitatis humanae, 3–4; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 39: AAS 83 (1991), 287; Propositio 40. </ref> Doch hebt die Achtung nicht die Notwendigkeit einer expliziten Verkündigung des Evangeliums in seinem ganzen Umfang auf. Besonders im Zusammenhang mit dem Reichtum an Kultur und der Vielfalt der Religionen in Asien muss hervorgehoben werden, dass »weder die Achtung und Wertschätzung noch die Vielschichtigkeit der aufgeworfenen Fragen für die Kirche eine Aufforderung darstellen können, eher zu schweigen, als Jesus Christus vor den Nichtchristen zu verkünden«.<ref>Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 53: AAS 68 (1976), 41–42. </ref> Während meiner Indienreise im Jahre 1986 habe ich auch klar zum Ausdruck gebracht: »Die Annäherung der Kirche an andere Religionen geschieht mit aufrichtiger Achtung […] Diese Achtung ist zweifach: Achtung vor dem Menschen auf seiner Suche nach Antworten auf die tiefsten Fragen seines Lebens und Achtung vor dem Wirken des Geistes im Menschen.«<ref>Ansprache an die Vertreter der nichtchristlichen Religionen (5. Februar 1986), 2: AAS 78 (1986), 767. </ref> Durchaus haben auch die Synodenväter das Wirken des Heiligen Geistes innerhalb der asiatischen Gesellschaft, der asiatischen Kulturen und Religionen erkannt, wodurch der Vater das Herz der Völker Asiens auf die Fülle des Lebens in Christus vorbereitet.<ref>Vgl. Propositiones 11, 12; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 28: AAS 83 (1991), 273–274. </ref>

Trotzdem haben auch vor den zuerst stattfindenden Konsultationen zur Synode viele Bischöfe auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die bei der Verkündigung Jesu als einzigem Retter entstehen. Während der Synode wurde die Situation wie folgt beschrieben: »Manche Anhänger der großen Religionen Asiens haben keine Schwierigkeiten damit, Jesus als eine Ausdrucksform des Göttlichen oder Absoluten oder als einen ›Erleuchteten‹ zu akzeptieren. Es ist für sie jedoch schwierig, ihn als die einzige Offenbarung des Göttlichen anzusehen.«<ref>Relatio ante disceptationem: L’Osservatore Romano, 22. April 1998, S. 5 , ORdt., 21, 22.5.1998, S. 8 ff. </ref> Und tatsächlich steckt ja auch der angestrengte Versuch, das Geschenk des Glaubens an Jesus als den einzigen Retter zu teilen, voller philosophischer, kultureller und theologischer Schwierigkeiten, und zwar ganz besonders im Lichte der Glaubenswahrheiten der großen asiatischen Religionen, die so eng mit den kulturellen Werten und spezifischen Weltanschauungen verknüpft sind.

Die Konzilsväter sind der Meinung, dass die Schwierigkeiten noch dadurch erschwert werden, dass Jesus oft als ein Nichtasiate betrachtet wird. Es ist paradox, dass viele Menschen dieses Kontinents dazu neigen, Jesus, der auf asiatischem Boden geboren wurde, eher als einen Abendländer als einen Asiaten zu betrachten. Im Grunde war es unvermeidlich, dass die Botschaft des von den abendländischen Missionaren verkündeten Evangeliums auch durch die Kulturen der Herkunftsländer beeinflußt wurde. Und das haben die Synodenväter auch als eine Tatsache zur Kenntnis genommen, die man sich im Zusammenhang mit der Geschichte der Evangelisierung vergegenwärtigen muss. Gleichzeitig ergriffen sie diesbezüglich aber auch die Gelegenheit, um »in besonderer Weise der eigenen Dankbarkeit allen Missionaren und Missionarinnen gegenüber Ausdruck zu verleihen – ob Laien oder Kleriker, Ausländer oder Einheimische –, welche die Botschaft Jesu Christi und das Geschenk des Glaubens mitgebracht hatten. Ein besonderer Dank gilt auch allen Schwesterkirchen, die Missionare nach Asien entsandt haben und das auch weiterhin tun«.<ref>Propositio 58. </ref>

Für diejenigen, die das Evangelium verkünden, kann die Erfahrung des hl. Paulus eine Orientierungshilfe sein, der einen Dialog mit den philosophischen, kulturellen und religiösen Werten seiner Zuhörer aufnahm (vgl. Apg 14,13–17;17,22–31). Auch die ökumenischen Konzilien mussten bei der Formulierung der für die Kirche verpflichtenden Lehren auf den ihnen zur Verfügung stehenden sprachlichen, philosophischen und kulturellen Grundstock zurückgreifen, aber dieser Grundstock wurde dann ein Teil des Erbes der Universalkirche, da er sich als fähig erwies, die Christologie in geeigneter und allgemein verbindlicher Weise zum Ausdruck zu bringen. Es ist ein Teil des Glaubenserbes, das bei der Begegnung mit den verschiedenen Kulturen angepaßt und stets gemeinsam vertreten werden muss.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio (14. September 1998), 72: AAS 91 (1999), 61. </ref> Daher stellt die Aufgabe, Jesus so zu verkündigen, dass die asiatischen Völker sich mit ihm identifizieren können, und gleichzeitig der theologischen Lehre der Kirche und den eigenen asiatischen Wurzeln treu zu bleiben, eine enorme Herausforderung dar.

Die Darstellung Jesu Christi als dem einzigen Retter erfordert eine Pädagogik, welche die Menschen Schritt für Schritt zur vollen Aneignung des Mysteriums hinführt. Selbstverständlich wird man, je nach dem, ob es sich um die Erstevangelisierung von Nichtchristen oder um die Verkündigung an gläubige Menschen handelt, in der Art und Weise, wie man auf diese Menschen zugeht, unterscheiden müssen. Bei der Erstverkündigung zum Beispiel müsste »die Darstellung Jesu Christi so erfolgen, dass er als die Erfüllung jener Sehnsucht verkündigt wird, die in den Mythen und im Volksglauben der Ureinwohner Asiens zum Ausdruck kommt«.<ref>Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio post disceptationem, 15. </ref> Im allgemeinen ist die den asiatischen Kulturformen verwandte Erzählform als Methode vorzuziehen. In der Tat kann die Verkündigung Jesu Christi durch die Erzählung seiner Lebensgeschichte wirkungsvoll und aktuell gestaltet werden, wie dies ja auch das Evangelium tut. Die ontologischen Begriffe, die bei der Darstellung Jesu stets vorausgesetzt und zum Ausdruck gebracht werden müssen, können durch Einbeziehung historischer oder auch kosmischer Perspektiven eine Bereicherung erfahren, weil dadurch ein Bezug hergestellt wir d. Die Kirche, so haben es die Synodenväter hervorgehoben, muss für die neuen und überraschenden Wege offen sein, durch die das Antlitz Jesu heutzutage in Asien dargestellt werden kann.<ref>Vgl. ebd. </ref>

Die Synode hat empfohlen, dass die zukünftige Katechese »eine evokative Pädagogik anwendet, die sich der für die asiatische Lehrmethodik so charakteristischen Geschichten, Gleichnisse und Symbole bedient«.<ref>Ebd. </ref> Der Dienst Jesu selbst ist eindeutig durch den persönlichen Kontakt gekennzeichnet. Das wiederum verlangt von jemandem, der in der Evangelisierung tätig ist, sich in die Situation des Zuhörers zu versetzen und seine Verkündigung durch geeignete Formen und Redeweisen dessen Reifegrad anzupassen. Diesbezüglich haben die Synodenväter mehrmals die Notwendigkeit unterstrichen, das Evangelium so zu verkünden, dass dabei die Sensibilität der Völker Asiens berücksichtigt wird, was bedeutet, dass man ein der asiatischen Mentalität und den asiatischen Kulturen verständliches Bild von Jesus entwirft, welches aber auch gleichzeitig der Heiligen Schrift und der Tradition treu bleibt. Ein solches Bild ist zum Beispiel: »Jesus Christus, der Meister der Weisheit, der Heilende, der Befreier, der Seelenführer, der Erleuchtete, der mit den Armen Mitfühlende, der barmherzige Samariter, der gute Hirt, der Gehorsame.«<ref>Propositio 6. </ref> Jesus könnte als die menschgewordene Weisheit Gottes dargestellt werden, dessen Gnade die »Saat« der göttlichen Weisheit zur Reife bringt, die bereits im Leben und in den Religionen der Völker Asiens enthalten ist.<ref>Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio post disceptationem, 6. </ref> Bei all dem Leid, von dem die Völker Asiens heimgesucht sind, könnte Jesus am besten als der Retter verkündet werden, »der das Dasein all jener mit Sinn erfüllt, die unsäglichen Schmerz und Leid erdulden«.<ref>Ebd. </ref>

Der Glaube, den die Kirche ihren Söhnen und Töchtern in Asien als Geschenk überlässt, kann nicht in die Schranken des menschlichen Verstandes und der Ausdrucksweise irgendeiner menschlichen Kultur gezwängt werden, da er dieselbe übersteigt und in Wahrheit jede Kultur dazu herausfordert, sich zu neuen Höhen des Verstehens und des Ausdrucks aufzuschwingen. Gleichzeitig waren sich die Synodenväter jedoch auch der dringenden Notwendigkeit der Kirchen in Asien bewusst, das Mysterium Christi ihren Völkern gemäß deren kulturellen Kriterien und Denkweisen nahezubringen, wobei sie auch unterstrichen, dass eine solche Inkulturation des Glaubens auf diesem Kontinent eine Wiederentdeckung des asiatischen Antlitzes Jesu mit sich bringt, wobei man einen Modus finden muss, durch den die asiatischen Völker die universale Heilsbedeutung des Mysteriums Christi und seiner Kirche begreifen können.<ref>Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio ante disceptationem: L’Osservatore Romano, 22. April 1998, S. 5. OR dt., 21, 22.5.1998, S. 8 ff.</ref> Man sollte in unserer heutigen Zeit jenem hohen Verständnisgrad für die Völker und Kulturen nachstreben, für den Männer wie Giovanni da Montecorvino, Matteo Ricci und Roberto de Nobili ein Beispiel sind, um nur einige zu nennen.

Die Herausforderung der Inkulturation

21. Die Kultur ist der Lebensbereich, in dem der Mensch unmittelbar mit dem Evangelium konfrontiert wird. Da Kultur das Resultat des Lebens und Wirkens einer Gruppe von Menschen ist, werden auch die Personen, die dieser Gruppe angehören, in hohem Maße von der Kultur geformt, in der sie leben. Und da sowohl die Menschen als auch die Gesellschaft sich verändern, verändert sich mit ihnen auch die Kultur. Indem sich die Kultur wandelt, wandelt sie auch die Menschen und die Gesellschaft. Angesichts dieser Tatsache wird deutlich, inwieweit auch Evangelisierung und Inkulturation in natürlicher und enger Beziehung zueinander stehen. Das Evangelium und die Evangelisierung lassen sich selbstverständlich nicht mit Kultur identifizieren; sie sind vielmehr von ihr unabhängig. Aber doch erreicht das Reich Gottes Menschen, die zutiefst an eine Kultur gebunden sind; noch kann die Errichtung des Reiches Gottes darauf verzichten, Elemente aus der menschlichen Kultur zu entleihen. Daher hat Paul VI. die Kluft zwischen Evangelium und Kultur das Drama unserer heutigen Zeit genannt, das tiefe Auswirkungen sowohl auf die Evangelisierung als auch auf die Kulturen hat.<ref>Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 20: AAS 68 (1976), 18–19. </ref>

Bei dem Prozess der Begegnung mit den verschiedenen Kulturen der Welt vermittelt die Kirche, die Kulturen von innen her erneuernd, nicht nur ihre Wahrheit und ihre Werte, sondern sie schöpft auch aus deren schon existierenden positiven Elementen. Das ist der verpflichtende Weg für die, die in der Evangelisierung tätig sind, das heißt, die den christlichen Glauben weitergeben und ihn zu einem Teil des Kulturguts eines Volkes machen. Andererseits können auch die verschiedenen Kulturen, wenn sie einmal geläutert und im Lichte des Evangeliums erneuert sind, zum wahren Ausdruck des einen christlichen Glaubens werden. »Ihrerseits wird die Kirche durch die Inkulturation immer verständlicheres Zeichen von dem, was geeigneteres Mittel der Mission ist.«<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 52: AAS 83 (1991), 300.</ref> Dieses Einbeziehen in die Kulturen gehörte stets zur Pilgerschaft der Kirche innerhalb der Geschichte, sie ist jedoch gerade heutzutage von besonderer Dringlichkeit angesichts der Vielfalt der Völker, Religionen und Kulturen in Asien, wo das Christentum allzuoft als eine fremde Religion betrachtet wird.

In Anbetracht dieser Tatsache sollte man sich in Erinnerung rufen, was auch wiederholt auf der Synode zur Sprache kam, nämlich, dass der erste Handelnde bei der Inkulturation des Glaubens in Asien der Heilige Geist ist.<ref>Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio post disceptationem, 9.</ref> Derselbe Geist, der uns zur ganzen Wahrheit hinführt, macht auch einen fruchtbaren Dialog mit den kulturellen und religiösen Werten unterschiedlicher Völker möglich, unter denen er in gewisser Weise gegenwärtig ist, insofern er den Männern und Frauen aufrichtigen Herzens die Kraft verleiht, Übel und Nachstellung des Bösen zu überwinden, und jedem die Möglichkeit bietet, am Ostergeheimnis teilzuhaben in einer Weise, die nur Gott kennt.<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Weltvon heute, Gaudium et spes, 22; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 28: AAS 83 (1991), 273–274.</ref> Die Gegenwart des Heiligen Geistes bewirkt, dass sich dieser Dialog in Wahrheit, Aufrichtigkeit, Demut und Achtung vollzieht.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 56: AAS 83 (1991), 304. </ref> »Indem sie anderen die Frohbotschaft von der Erlösung anbietet, bemüht sich die Kirche, deren Kulturen zu verstehen. Sie bemüht sich, die Gedanken und Herzen ihrer Zuhörer, ihre Werte und Gebräuche, ihre Probleme und Schwierigkeiten, ihre Hoffnungen und Erwartungen zu erfahren. Hat sie die verschiedenen Aspekte der Kultur einmal kennengelernt und verstanden, dann kann sie den Heilsdialog beginnen; sie kann voll Achtung, aber klar und mit Überzeugung die Frohbotschaft von der Erlösung all jenen anbieten, die aus freien Stücken zuhören und Antwort geben wollen.«<ref>Johannes Paul II., Predigt bei der Messe mit den Katholiken aus West-Bengal (Kalkutta, 4. Februar 1986), 3: Insegnamenti IXI (1986), 314. </ref> Daher dürfen die Völker Asiens, die den christlichen Glauben zu ihrem machen wollen, nicht nur versichert sein, dass ihre Hoffnungen und Erwartungen, ihre Ängste und Leiden von Jesus angenommen sind, sondern auch, dass genau an diesem Punkt das Geschenk des Glaubens und die Kraft des Geistes in das tiefste Innere ihres Lebens eindringen.

Es ist Aufgabe der Hirten, mit dem ihnen eigenen Charisma diesen Dialog mit Vernunft einzuleiten. Gleichzeitig spielen auch die Experten in religiösen oder weltlichen Disziplinen innerhalb des Inkulturationsprozesses eine wichtige Rolle. Aber es muss auch der Prozess selbst das ganze Gottesvolk mit einbeziehen, da nämlich das Leben der Kirche als solches den verkündigten und angenommenen Glauben sichtbar werden lassen muss. Um sicher zu gehen, dass es in angemessener Weise geschieht, haben die Synodenväter einige Bereiche wie theologische Reflexion, Liturgie, Ausbildung der Priester und Ordensleute, Katechese und Spiritualität herausgearbeitet, welche besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.<ref>Vgl. Propositio 43. </ref>

Schlüsselbereiche der Inkulturation

22. Die Synode hat den Theologen Mut zugesprochen, die mit der anspruchsvollen Aufgabe betraut sind, eine inkulturierte Theologie speziell im Bereich der Christologie zu entwickeln.<ref>Vgl. Propositio 7. </ref> Sie hob hervor, dass »diese Art, Theologie zu treiben, zwar mutig angegangen werden muss, man aber der Heiligen Schrift und der Tradition der Kirche treu zu bleiben hat, indem man aufrichtig hinter dem Lehramt der Kirche steht und sich in der seelsorglichen Situation auskennt«.<ref>Ebd.</ref> Auch ich möchte die Theologen dazu einladen, im Geist der Einheit mit den Hirten und den Gliedern des Gottesvolkes vorzugehen, das »über den ursprünglichen Glaubenssinn nachdenkt, was nie aus dem Blick verlorengehen soll«,<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 54: AAS 83 (1991), 302. </ref> also in Einheit und nie getrennt voneinander. Die theologische Arbeit muss stets von der Achtung vor der Sensibilität der Christen bestimmt sein, so dass die Menschen durch ein schrittweises Hineinwachsen in die durch die Inkulturation aufgenommenen Formen des Glaubensausdrucks weder verwirrt noch verstimmt werden. Auf alle Fälle muss die Inkulturation von der Kompatibilität mit dem Evangelium und der Gemeinschaft mit dem Glauben der Universalkirche bestimmt sein.<ref>Vgl. ebd., a.a.O., 301. </ref> Sie muss in voller Übereinstimmung mit der Tradition der Kirche ausgeführt werden, wobei man die Glaubensstärkung des Volkes im Blick haben muss. Der Beweis für eine wahre Inkulturation ist, wenn sich die Gläubigen deshalb mehr im christlichen Glauben engagieren, weil sie denselben deutlicher mit den Augen der eigenen Kultur wahrnehmen. Die Liturgie ist die Quelle und der Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens und der christlichen Sendung. <ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie, Sacrosanctum concilium, 2; Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien, Relatio post disceptationem, 14.</ref> Sie ist ein grundlegendes Mittel der Evangelisierung besonders in Asien, wo die Angehörigen der verschiedenen Religionen so sehr vom Kult, von den religiösen Festen und der Volksfrömmigkeit angezogen sind.<ref> Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio post disceptationem, 14; Propositio 43. </ref>

Die Liturgie der Orientalischen Kirchen wurde mit Erfolg im Lauf jahrhundertelanger wechselseitiger Beziehungen zu der sie umgebenden Kultur größtenteils inkulturiert, während sie für die jungen Kirchen noch zur einer stärkeren Nahrungsquelle für die Gläubigen werden muss, indem man den örtlichen Kulturen Elemente entlehnt und diese auf kluge und wirksame Weise in das liturgische Brauchtum übernimmt. Aber dennoch verlangt die Inkulturation der Liturgie wesentlich mehr als eine Konzentration auf traditionelle Kulturwerte, Symbole und Riten. Man muss sich dabei auch die Veränderungen im Bewusstsein und Verhalten vergegenwärtigen, die vom Aufkommen einer säkularisierten Konsumkultur herrühren, die den asiatischen Kult- und Gebetssinn beeinflußt. Auch darf man zu Gunsten einer genuinen liturgischen Inkulturation in Asien die spezifischen Bedürfnisse der Armen, der Migranten, der Flüchtlinge, der Jugendlichen und der Frauen nicht vergessen.

Die nationalen und regionalen Bischofskonferenzen müssen enger mit der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung zusammenarbeiten, um nach wirksamen Wegen zur Förderung geeigneter Gottesdienstformen im Kontext Asiens zu suchen.<ref>Vgl. Propositio 43. </ref> Eine solche Zusammenarbeit ist von wesentlicher Bedeutung, weil die Liturgie durch ihre Feier den einzigen, von allen bekannten Glauben zum Ausdruck bringt, und da sie Erbe der ganzen Kirche ist, kann sie nicht durch von der Gesamtkirche isolierte Ortskirchen bestimmt werden.

Die Synodenväter bestanden vor allem auf der Bedeutung des Wortes der Bibel für die Weitergabe der Heilsbotschaft an die Völker jenes Kontinentes, wo das mitgeteilte Wort so wichtig ist für die Erhaltung und Weitergabe religiöser Erfahrung.<ref>Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio post disceptationem, 13.</ref> Daraus folgt aber, dass ein wirksames Bibelapostolat der Entfaltung bedarf, um sicherzustellen, dass die heiligen Worte weiter verbreitet und in einem Gebetsgeist der Glieder der Kirche in Asien intensiver genutzt werden. Die Synodenväter hoben auch die Dringlichkeit hervor, dass die Bibel die Grundlage jeglicher missionarischer Verkündigung, jeglicher Katechese und Predigttätigkeit sowie jeder Art von Spiritualität sei.<ref>Vgl. ebd. </ref> Auch sollen die Anstrengungen, die Bibel in die einzelnen Volkssprachen zu übersetzen, ermutigt und unterstützt werden, während die biblische Unterweisung als ein wichtiges Mittel zur Glaubenserziehung der Menschen betrachtet werden sollte, wodurch diese zur Aufgabe der Verkündigung befähigt werden. Man wird dabei an der Seelsorge orientierte Bibelkurse miteinbeziehen müssen, wobei der Akzent auf der Anwendung der biblischen Lehre innerhalb der komplexen Realität Asiens im Blick auf die Bildungsprogramme für den Klerus, die Ordensleute und den Laienstand liegen muss.<ref>Vgl. Propositio 18. </ref> Die Heilige Schrift sollte auch unter den Anhängern anderer Religionen bekannt gemacht werden, da dem Wort Gottes eine Kraft innewohnt, das Herz der Menschen anzurühren, denn dadurch offenbart der Geist Gottes den göttlichen Heilsplan für die Welt. Außerdem haben die Erzählstile, die in vielen biblischen Büchern auffallend sind, eine Affinität zu den für Asien typischen religiösen Texten.<ref>Vgl. Propositio 17. </ref>

Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Inkulturation ist die Ausbildung derer, die das Evangelium verkünden. Von ihnen hängt zum großen Teil auch deren Zukunft ab. In der Vergangenheit hat man bei der Ausbildung häufig die im Abendland entstandenen Stile, Methoden und Programme befolgt. Zwar kommt dem Dienst, der durch diese Art der Ausbildung geleistet wurde, Anerkennung zu, aber die Synodenväter haben auch die Mühen jüngster Zeit hinsichtlich einer Anpassung der Ausbildung für die Evangelisierung an den kulturellen Kontext Asiens als positive Entwicklung anerkannt. Außer einer soliden biblischen und patristischen Ausbildung müssen die Seminaristen eine artikulierte und sichere Kenntnis des theologischen und philosophischen Erbes der Kirche erwerben, wie es die Enzyklika Fides et ratio hervorhebt.<ref>Vgl. Nr. 60, 62, 105: AAS 91 (1999), 52–53; 54; 85–86. </ref> Von der Grundlage dieser Vorbereitung werden sie dann profitieren können, wenn sie daran gehen, sich mit den philosophischen und religiösen Traditionen Asiens zu beschäftigen.<ref>Vgl. Propositio 24. </ref> Außerdem haben die Synodenväter auch die Professoren und Mitarbeiter in den Seminaren ermutigt, doch zu versuchen, die dem asiatischen Geist nahestehenden Elemente der Spiritualität und des Gebetes zu verstehen und sich bei der Suche der asiatischen Völkern nach einem Leben in Fülle immer tiefer einbinden zu lassen.<ref>Vgl. Propositio 25.</ref> Zu diesem Zweck betonte man besonders die Notwendigkeit, dem Lehrkörper in den Seminaren eine angemessene Ausbildung zuzusichern.<ref>Vgl. ebd. </ref> Auch gab die Synode ihrer Sorge für die Ausbildung der Männer und Frauen für das geweihte Leben Ausdruck, wobei man besonders deutlich hervorhob, dass ihre Spiritualität und ihr Lebensstil eine Sensibilität für das religiöse und kulturelle Erbe der Menschen aufweisen muss, unter denen sie leben und denen sie dienen unter der Voraussetzung der notwendigen Unterscheidung zwischen dem, was mit dem Evangelium im Einklang steht und was ihm entgegensteht.<ref>Vgl. Propositio 27. </ref> Außerdem ist aufgrund der Tatsache, dass die Inkulturation das ganze Gottesvolk mit einbezieht, die Rolle des Laienstandes von wesentlicher Bedeutung, denn die Laien sind vor allen anderen zur Umwandlung der Gesellschaft berufen, und zwar indem sie in Zusammenarbeit mit den Bischöfen, dem Klerus und den Ordensleuten der Mentalität, den Sitten, Gesetzen und Strukturen der nichtchristlichen Welt, in der sie leben, den »Gedanken Christi« eingießen.<ref>Vgl. Propositio 29 </ref> Eine größer angelegte Inkulturation des Evangeliums in allen Gesellschaftsschichten Asiens wird in bemerkenswerter Weise von einer geeigneten Ausbildung abhängen, welche die Ortskirche dem Laienstand zu vermitteln weiß.

Christliches Leben als Verkündigung

23. Je mehr die christliche Gemeinschaft auf der Gotteserfahrung aus gelebtem Glauben gründet, desto mehr wird sie im Stande sein, anderen in glaubwürdiger Weise die Erfüllung des Reiches Gottes in Jesus Christus zu verkünden. Das hängt auch von der treuen Annahme des Wortes Gottes sowie von Gebet und Betrachtung ab, von der Feier des Mysteriums Jesu in den Sakramenten – allen voran im Sakrament der Eucharistie – und vom Vorbild wahrer Lebensgemeinschaft und Unversehrtheit der Liebe. Der Mittelpunkt in den Teilkirchen muss die Betrachtung Jesu Christi sein, der Gott ist und Mensch wurde: Die Kirche muss ständig auf eine noch tiefere Einheit mit Ihm bedacht sein, dessen Sendung sie weiterführt. Mission ist kontemplative Aktivität und aktive Kontemplation. Daher wird ein Missionar, der Gott nicht zutiefst im Gebet und in der Betrachtung erfahren hat, wenig spirituellen Einfluss oder Erfolg in seinem Dienst haben. Es handelt sich hierbei um einen Gedanken, den ich aus meiner persönlichen Erfahrung als Priester und – wie ich auch anderswo geschrieben habe – aus den Kontakten mit Vertretern nichtchristlicher geistlicher Traditionen, besonders jener asiatischen, geschöpft habe. Dadurch wurde ich in meiner Überzeugung bestätigt, dass die Zukunft der Mission in erheblichem Maße von der kontemplativen Betrachtung abhängt.<ref>Vgl. Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 91: AAS 83 (1991), 338. </ref>

Ein wirklich religiöser Mensch wird in Asien ohne weiteres geachtet, und mit Leichtigkeit folgen ihm die Menschen nach. Gebet, Fasten und verschiedene Formen der Askese stehen in hohem Ansehen. Entsagung, Zurückgezogenheit, Demut, Einfalt und Schweigen werden dort von den Mitgliedern aller Religionen als große Werte betrachtet. Und damit das Gebet nicht von der humanen Entfaltung der Menschen losgelöst wird, hoben die Synodenväter hervor, dass »die Werke der Gerechtigkeit, der Nächstenliebe und des Mitleids eng an ein wirkliches Leben in Gebet und Kontemplation gebunden sind« und weiter, dass »eben diese Spiritualität die Quelle sein wird für unser Werk der Evangelisierung«.<ref>Propositio 19. </ref> In voller Überzeugung von der Bedeutung eines echten Zeugnisses bei der Evangelisierung Asiens haben die Synodenväter gesagt: »Die Frohbotschaft von Jesus Christus kann nur von solchen Menschen verkündet werden, die auch von der in der Person Jesu Christi offenbar gewordenen Liebe des Vaters zu seinen Kindern ergriffen und inspiriert sind. Eine solche Verkündigung ist eine Mission, die heiligmäßige Männer und Frauen braucht, die durch ihr eigenes Leben die Menschen dazu bringen, Jesus Christus kennen und lieben zu lernen. Ein Feuer kann durch nichts angezündet werden, das nicht selbst entbrannt ist. Und so kann auch die Verkündigung der Frohbotschaft in Asien nur dann Fuß fassen, wenn Bischöfe und Priester, Ordensleute und Laien selbst von der Liebe zu Christus entbrannt sind und mit brennendem Eifer daran gehen, ihn bestmöglich bekannt zu machen, damit die Menschen ihn noch inniger lieben und ihm noch konsequenter nachfolgen.«<ref>Propositio 8. </ref> Die Christen, die von Christus sprechen, müssen auch die Botschaft, die sie verkünden, in ihrem Leben lebendig werden lassen.

Hier gilt es aber doch noch einen besonderen Umstand zu beachten, besonders im Hinblick auf Asien. Die Kirche weiß, dass das schweigende Lebenszeugnis auch heute noch in vielen Gegenden Asiens die einzige Art und Weise ist, das Reich Gottes zu verkünden, weil dort die offene Verkündigung verboten und die Religionsfreiheit nicht gegeben ist bzw. systematisch eingeschränkt wird. Die Kirche lebt diese Art von Zeugnis ganz bewusst und betrachtet dies als das, was »täglich sein Kreuz auf sich nehmen« (vgl. Lk 9,23) heißt. Dabei richtet sie dennoch unermüdlich und immer wieder den dringenden Aufruf an die Regierungen, die Religionsfreiheit als ein fundamentales Menschenrecht anzuerkennen. Und so lassen sich in Anbetracht dieses Umstandes bezeichnenderweise die Worte des II. Vatikanischen Konzils wiederholen, »dass die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat. Diese Freiheit besteht darin, dass alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von seiten einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so dass in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen – innerhalb der gebührenden Grenzen – nach seinem Gewissen zu handeln«.<ref>Erklärung über die Religionsfreiheit, Dignitatis humanae, 2. </ref> In einigen asiatischen Ländern muss dieses Prinzip erst noch anerkannt und in die Tat umgesetzt werden.

Natürlich stellt die Verkündigung Jesu Christi viele komplexe Aspekte dar sowohl, was den Inhalt als auch was die Methode betrifft. Und die Synodenväter waren sich der legitimen Vielfalt des Zugangs zur Verkündigung Jesu sehr wohl bewusst. Dabei galt jedoch immer die Bedingung, dass der Glaube in seiner Reinheit im Prozess des Aneignens und im gemeinsamen Glaubensleben respektiert wird. Die Synode hat hervorgehoben, dass »heute die Evangelisierung unter verschiedenen Aspekten wie Zeugnis, Dialog, Verkündigung, Katechese, Konversion, Taufe, Eingliederung in die kirchliche Gemeinschaft, Festigung der Kirche, Inkulturation und ganzheitliche Entwicklung des Menschen eine reiche und dynamische Realität darstellt. Einige dieser Elemente gehen gemeinsam vonstatten, während andere Stationen bzw. aufeinanderfolgende Phasen des gesamten Prozesses der Evangelisierung darstellen«.<ref>Propositio 6. </ref> Bei all diesen Werken der Evangelisierung muss jedoch immer die ganze Wahrheit von Jesus Christus verkündet werden. Es ist zwar legitim, einige Aspekte des unergründlichen Geheimnisses Jesu hervorzuheben, besonders dann, wenn man jemanden schrittweise zu Christus hinführen will, es darf aber kein Kompromiss zugelassen werden, wenn es um die Integrität des Glaubens geht. Und schließlich muss auch die Annahme des Glaubens seitens einzelner auf dem sicheren Verständnis der Person Jesu Christi gründen, denn er ist der Herr aller, und er ist »derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit« (Hebr 13,8), so, wie es die Kirche immer und überall gelehrt hat.

KAPITEL V: GEMEINSCHAFT UND DIALOG FÜR DIE MISSION

Gemeinschaft und Mission gehen Hand in Hand

24. Dem ewigen Plan des Vaters gehorsam, wurde die Kirche, die von Anbeginn der Welt gewollt war, durch das Alte Testament vorbereitet und von Jesus Christus eingesetzt wurde, am Pfingsttag durch den Heiligen Geist in der Welt vergegenwärtigt. »So wandert die Kirche auf ihrer Pilgerreise […] zwischen Verfolgungen der Welt und Tröstungen Gottes dahin«,<ref>Hl. Augustinus, De civitate Dei, XVIII, 51,2: PL 41,614; vgl. II. Vatikanisches Konzil, vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, 8. </ref> während sie sich zur Vollkommenheit in der himmlischen Glorie hin bewegt. Und da Gott will, dass »das ganze Menschengeschlecht ein Volk Gottes bilde, in den einen Leib Christi zusammenwachse und zu dem einen Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut werde«,<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, 7; vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, 17. </ref> daher ist die Kirche in der Welt »das sichtbare Zeichen der Liebe Gottes zur Menschheit« […], »das Sakrament des Heils«.<ref> Paul VI., Ansprache an die Kardinäle zu ihrem Namensfest (22. Juni 1973): AAS 65 (1973), 391. </ref> Daher kann man sie nicht einfach als eine Sozialorganisation oder als ein Wohltätigkeitsverein betrachten. Auch wenn sich unter ihren Gliedern sündhafte Menschen befinden, muss sie als der privilegierte Ort der Begegnung zwischen Gott und dem Menschen gesehen werden, an dem Gott das Geheimnis seines innersten Lebens offenbaren und seinen Heilsplan für die Welt verwirklichen wollte.

Das Geheimnis der göttlichen Liebe wird sichtbar und aktiv in der Gemeinschaft der Menschen, die mit Christus durch die Taufe auf den Tod hin begraben wurden, und wie auch Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so können auch sie als neue Menschen leben (vgl. Röm 6,4). Im Mittelpunkt des Mysteriums der Kirche ist das Band der Gemeinschaft, das Christus, den Bräutigam, mit allen Getauften vereint. Durch diese lebendige und lebenspendende Gemeinschaft, »aufgrund derer die Christen nicht sich selbst gehören, sondern […] Christi Eigentum sind«,<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), 18: AAS 81 (1989), 421. </ref> vereint mit dem Sohn durch das Liebesband des Geistes, sind sie auch mit dem Vater vereint, und aus dieser Gemeinschaft geht auch die Gemeinschaft hervor, welche sie untereinander durch Christus im Heiligen Geist verbindet.<ref> Vgl. ebd.; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, 4. </ref> Erstrangiges Ziel der Kirche ist es daher, das Sakrament der innigen Vereinigung des Menschen mit Gott zu sein und, da die Gemeinschaft der Menschen untereinander in dieser Vereinigung mit Gott wurzelt, ist die Kirche auch das Sakrament der Einheit des Menschengeschlechts,<ref> Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 775. </ref> die in ihr bereits begonnen hat. Gleichzeitig ist sie auch »Zeichen und Werkzeug« der vollen Verwirklichung dieser noch zu vollbringenden Einheit.<ref> Vgl. ebd.</ref>

Dies ist eine wesentliche Voraussetzung des Lebens in Christus, dass der, der in die Gemeinschaft mit dem Herrn eintritt, Frucht bringen soll: »Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht« (Joh 15,5). Das ist so wahr, dass derjenige, der keine Frucht bringt, auch nicht in der Gemeinschaft verbleibt: »Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er [der Vater] ab« (Joh 15,2). Die Gemeinschaft mit Jesus, die der Beginn der Gemeinschaft der Christen untereinander ist, ist die unerlässliche Bedingung, um Frucht zu bringen, und die Gemeinschaft mit den anderen, ein Geschenk Christi und seines Geistes, ist die schönste Frucht, welche die Reben bringen können. In diesem Sinne sind Gemeinschaft und Mission unzertrennlich miteinander verbunden und durchdringen einander, sie bedingen sich gegenseitig, so dass »die ›communio‹ zugleich Quelle und Frucht der Sendung ist: die ›communio‹ ist missionarisch, und die Sendung gilt der ›communio.‹«<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), 32: AAS 81 (1989), 451–452. </ref>

Indem sich das II. Vatikanische Konzil der Theologie der Gemeinschaft bediente, konnte es die Kirche als das Volk Gottes auf der Pilgerschaft beschreiben, mit dem gewisserweise alle Völker verbunden sind.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, 16. </ref> Auf dieser Grundlage haben die Synodenväter den Akzent auf die geheimnisvolle Verbindung zwischen der Kirche und den Anhängern anderer asiatischer Religionen gelegt, wobei sie bemerkten, dass diese »in verschiedener Weise und in unterschiedlichem Grad mit der Kirche im Verhältnis stehen«.<ref>Propositio 13. </ref> Bei so unterschiedlichen Völkern, Kulturen und Religionen »ist das Leben der Kirche als Gemeinschaft von allergrößter Bedeutung«.<ref>Ebd.</ref> In der Tat hat der Dienst der Einheit der Kirche eine spezifische Relevanz in Asien, wo es so viele Spannungen, Trennungen und Konflikte gibt, deren Ursprung in ethnischen, sozialen, kulturellen, sprachlichen, wirtschaftlichen und religiösen Unterschieden liegt. In eben diesem Kontext müssen die Ortskirchen in Asien, die in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri stehen, untereinander eine tiefere Zusammengehörigkeit des Geistes und des Herzens fördern, indem sie enger miteinander zusammenarbeiten. Außerdem sind die Beziehungen zu anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sowie zu Zugehörigen anderer Religionen für die Sendung zur Evangelisierung von vitaler Bedeutung.<ref>Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio ante disceptationem: L’Osservatore Romano, 22. April 1998, S. 6. OR dt., 21, 22.5.1998, S. 8 ff. </ref> Daher hat die Synode die Erfüllung der Aufgabe erneuert, sowohl die ökumenischen Beziehungen als auch den inter religiösen Dialog zu fördern, denn sie hat zur Kenntnis genommen, dass es für den kirchlichen Auftrag der Evangelisierung auf diesem Kontinent wesentlich ist, Einheit zu schaffen, sich für die Versöhnung einzusetzen, Bande der Solidarität zu knüpfen, den Dialog der Religionen und Kulturen zu fördern, Vorurteile auszuräumen und Vertrauen unter den Völkern zu schaffen. All das verlangt von der katholischen Gemeinschaft eine aufrichtige Erforschung des Gewissens, den Mut zur Versöhnung und ein erneuertes Engagement für den Dialog. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend wird klar, dass die Fähigkeit der Kirche zur Evangelisierung erfordert, sich inständig darum zu bemühen, dem Anliegen der Einheit in allen Dimensionen zu dienen, da nämlich Gemeinschaft und Mission Hand in Hand gehen.

Gemeinschaft innerhalb der Kirche

25. Vereint um den Nachfolger Petri, beten die Bischöfe der Sonderversammlung für Asien gemeinsam und arbeiten zusammen. So geben sie ein konkretes Bild von dem ab, was die kirchliche Gemeinschaft in ihrer so reichen Verschiedenheit ist, die aus den Teilkirchen kommt, denen sie in Liebe vorstehen. Meine Anwesenheit bei den Generalkongregationen der Synode war einerseits eine großartige Gelegenheit, um Schwierigkeiten, Freude und Hoffnungen der Bischöfe zu teilen, andererseits war es eine intensive und zutiefst empfundene Ausübung meines Amtes. Denn gerade in dieser Perspektive der kirchlichen Gemeinschaft kommt die universale Autorität des Nachfolgers Petri am deutlichsten zum Vorschein, und zwar nicht in erster Linie als jurisdiktionelle Vollmacht über die Ortskirchen, sondern vor allem als Pastoralprimat im Dienste der Einheit des Glaubens und Lebens des gesamten Gottesvolkes. Die Synodenväter waren sich zutiefst bewusst, »dass das Petrusamt die spezifische Funktion hat, die Einheit der Kirche zu garantieren und zu fördern«,<ref>Propositio 13; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, 22. </ref> und in diesem Sinne haben sie auch den Dienst anerkannt und geschätzt, den die Dikasterien der Römischen Kurie und der diplomatische Dienst des Hl. Stuhls den Ortskirchen gegenüber im Geiste der Gemeinschaft und Kollegialität leisten.<ref>Vgl. ebd. </ref> Eine wesentliche Dimension dieses Dienstes ist die Achtung und Sensibilität, den diese engen Mitarbeiter des Nachfolgers Petri der legitimen Unterschiedlichkeit der Ortskirchen und der kulturellen Vielfalt der Völker, mit denen sie in Kontakt kommen, entgegenbringen.

Jede Teilkirche muss auf dem Zeugnis der kirchlichen Gemeinschaft gegründet sein, welches das Seinsprinzip der Kirche selbst darstellt. Die Synodenväter haben für die Beschreibung der Diözese die Definition einer Gemeinschaft der von den Hirten versammelten Gemeinden gewählt, wo der Klerus, die Ordensleute und die Laien sich um einen »Dialog des Lebens und des Herzens«<ref>Vgl. Propositio 15; Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als Gemeinschaft, Communionis notio (28. Mai 1992), 3–10: AAS 85 (1993), 839–844.</ref> bemühen, bei dem sie von der Gnade des Heiligen Geistes unterstützt werden. In erster Linie kann sich nämlich in der Diözese die Vision der Gemeinschaft einer Gemeinde inmitten jener komplexen sozialen, politischen, religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Realität Asiens bewahrheiten. Kirchliche Gemeinschaft beinhaltet, dass jede Ortskirche zu dem werden muss, was die Synodenväter eine »teilnehmende Kirche« genannt haben, das heißt eine Kirche, in der jeder seine eigene Berufung lebt und sie in seine Rolle einfügt, damit die »Gemeinschaft für die Mission« und die »Mission der Gemeinschaft« errichtet werden kann. Das Charisma des einzelnen Mitglieds muss anerkannt, entfaltet und in wirksamer Weise eingesetzt werden.<ref>Vgl. Propositio 15.</ref> Genauer gesagt, heißt das, es besteht eine Notwendigkeit, eine größere Einbeziehung der Laien und Ordensleute in das Seelsorgeprogramm und in den Entscheidungsprozeß zu fördern, und zwar mit Hilfe von Strukturen, die diese Teilnahme ermöglichen, wie zum Beispiel Seelsorgeräte oder Pfarrgemeindeversammlungen.<ref>Vgl. ebd. </ref>

In jeder Diözese ist die Pfarrei der normale Ort, an dem die Gläubigen sich versammeln, um im Glauben zu wachsen, um das Geheimnis der kirchlichen Gemeinschaft zu erleben und um an der Mission der Kirche teilzunehmen. Daher haben die Synodenväter die Pfarrer eindringlich dazu eingeladen, neue und wirksame Arten für die seelsorgliche Leitung der Gläubigen bereitzustellen, so dass alle, besonders aber die Armen, sich wirklich als zur Pfarrei und zum ganzen Gottesvolk zugehörig fühlen. Es sollte eine normale Praxis jeder Pfarrgemeinde sein, die Seelsorge zusammen mit den Laien zu gestalten.<ref>Vgl. Propositio 16. </ref> Außerdem hat die Synode besonders die Jugendlichen als diejenigen bestimmt, für welche »die Pfarrei größere Möglichkeiten zur Freundschaft und Gemeinschaft durch Aktivitäten im Bereich eines organisierten Jugendapostolates oder durch Jugendverbände anbieten müsste«.<ref>Propositio 34. </ref> Keiner dürfte von vornherein davon ausgeschlossen sein, voll und ganz am Leben und an der Sendung der Pfarrei im Rahmen der sozialen, wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und pädagogischen Gegebenheiten teilzunehmen, und da jeder, der Christus nachfolgt, der Gemeinschaft eine Gabe zu bieten hat, sollte sich auch die Gemeinschaft bereit zeigen, die Gabe eines jeden anzunehmen und aus ihr Nutzen zu ziehen.

In einem solchen Kontext und im Hinblick auf die eigene Seelsorgeerfahrung haben die Synodenväter den Wert der kirchlichen Basisgemeinden als eine wirksame Art der Gemeinschaftsförderung und Teilnahme an der Pfarrei und der Diözese hervorgehoben und sie als eine genuine Kraft der Evangelisierung qualifiziert.<ref>Vgl. Propositio 30; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 51: AAS 83 (1991), 298. </ref> Diese kleine Gruppen helfen den Gemeinden, zu leben, zu beten und sich gegenseitig zu lieben wie die Urchristen (vgl. Apg 2,44–47;4,32–35). Denn sie neigen dazu, den eigenen Mitgliedern zu helfen, das Evangelium in einem Geist der brüderlichen Liebe und des Dienstes zu leben, und sind daher ein solider Ausgangspunkt, um eine neue Gesellschaft zu gründen, die ein Ausdruck der Zivilisation der Liebe ist. Zusammen mit der Synode ermutige ich die Kirche in Asien, diese Basisgemeinden dort, wo es möglich ist, als ein brauchbares Werkzeug für das kirchliche Werk der Evangelisierung zu betrachten. Gleichzeitig werden sie auch Nutzen bringen, wenn sie, so schrieb Paul VI., in Einheit mit der Ortskirche und der Gesamtkirche leben, in aufrichtiger Gemeinschaft mit den Hirten und dem Lehramt stehen und sich in der Mission engagieren, ohne irgendwelchen Isolationsstrukturen oder ideologischen Ausnutzungsschemen Raum zu gewähren.<ref>Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 58: AAS 68 (1976), 46–49; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 51: AAS 83 (1991), 299. </ref> Die Anwesenheit dieser kleinen Gemeinschaften steht den Institutionen und fest gefügten Strukturen nicht entgegen, welche für die Kirche notwendig bleiben, um die eigene Mission zu erfüllen.

Auch hat die Synode die Rolle der Erneuerungsbewegungen für die Errichtung der Gemeinschaft anerkannt, vor allem dann, wenn sie die Möglichkeit bieten, durch den Glauben und die Sakramente sowie durch die Förderung einer Umkehr im Lebenswandel eine noch tiefere Gotteserfahrung zu erleben.<ref>Vgl. Propositio 31. </ref> Es obliegt der Verantwortung der Hirten, solche Gruppen zu leiten, zu begleiten und zu ermutigen, damit sie sich gut in das Leben und die Mission der Pfarrei und der Diözese integrieren können. Alle, die irgendwelchen Verbänden oder Bewegungen angehören, sollten der Ortskirche Unterstützung leisten und sich nicht selbst als eine Alternative zu den diözesanen Strukturen und dem Leben in der Pfarrei präsentieren. Die Gemeinschaft wird dann gestärkt, wenn die jeweiligen Verantwortlichen dieser Bewegungen mit den Hirten im Geist der Nächstenliebe zum Wohle aller zusammenarbeiten (vgl. 1 Kor 1,13).

Solidarität unter den Kirchen

26. Diese Gemeinschaft »ad intra« trägt auch zur Solidarität unter den verschiedenen Ortskirchen bei. Es ist legitim und unerlässlich, den Bedürfnissen der Ortskirchen nachzukommen, doch verlangt Gemeinschaft, dass diese Ortskirchen offen zueinander stehen und zusammenarbeiten, so dass sie durch ihre Verschiedenheit klar und deutlich das Band der Gemeinschaft mit der Universalkirche bewahren und zum Ausdruck bringen. Gemeinschaft verlangt auch gegenseitiges Verständnis und eine koordinierte Annäherung an die Mission, und zwar ohne Vorurteile gegenüber der Autonomie und den Rechten jener Kirchen gemäß ihrer jeweiligen theologischen, liturgischen und spirituellen Traditionen. Beweist doch die Geschichte, wie oft Trennungen die Gemeinschaft der Kirchen in Asien verletzt haben. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Beziehungen zwischen den Teilkirchen unterschiedlicher kirchlicher Jurisdiktionen oder verschiedener liturgischer Traditionen und missionarischer Methoden als voller Spannungen und Schwierigkeiten herausgestellt. Die auf der Synode anwesenden Bischöfe räumten ein, dass leider auch heutzutage sowohl zwischen den Teilkirchen in Asien als auch innerhalb derselben mitunter immer noch Trennungen vorkommen, die oft im Zusammenhang stehen mit der rituellen, liturgischen, ethnischen, ideologischen Verschiedenheit sowie den unterschiedlichen gesellschaftlichen Kasten. Einige Wunden sind zwar zum Teil verheilt, jedoch immer noch nicht völlig ausgeheilt.

Die Synodenväter waren sich bewusst, dass dort, wo die Gemeinschaft geschwächt ist, das Zeugnis der Kirche und ihr missionarisches Werk darunter zu leiden hat. Deshalb haben sie konkrete Initiativen zur Stärkung der gegenseitigen Beziehung der asiatischen Teilkirchen vorgeschlagen. Außer den notwendigen spirituellen Ausdrucksformen zur Unterstützung und Ermutigung wurde eine gleichmäßigere Verteilung der Priester, eine wirksamere wirtschaftliche Solidarität, kultureller und theologischer Austausch sowie ein größeres Angebot von Partnerschaften mit anderen Diözesen vorgeschlagen.<ref>Vgl. Propositio 14. </ref>

Regionale und kontinentale Verbände der Bischöfe, insbesondere der Rat der katholischen Patriarchen des Mittleren Ostens und die Föderation der asiatischen Bischofskonferenzen, haben dazu beigetragen, die Einheit unter den Ortskirchen zu fördern. Man hat einen Begegnungsort der Zusammenarbeit zur Lösung von pastoralen Problemen geschaffen. Ebenso gibt es in Asien etliche theologische, spirituelle und pastorale Zentren, welche die Gemeinschaft und praktische Zusammenarbeit fördern.<ref>Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio ante disceptationem: L’Osservatore Romano, 22. April 1998, S. 6. OR dt., 21, 22.5.1998, S. 8 ff. </ref> Es muss das Anliegen aller sein, dafür zu sorgen, dass diese vielversprechenden Initiativen zum Wohle der Kirche und der Gesellschaft in Asien weiterentwickelt werden.

Die katholischen Ostkirchen

27. Die Situation der katholischen Ostkirchen, vornehmlich jener des Mittleren Ostens und Indiens, verdient besondere Aufmerksamkeit. Sie waren seit der apostolischen Zeit die Hüter eines wertvollen spirituellen, liturgischen und theologischen Erbes. Ihre Riten und Traditionen, die aus einer tiefgreifenden Inkulturation des Glaubens in vielen asiatischen Ländern hervorgehen, haben ein Anrecht auf allerhöchsten Respekt. Zusammen mit den Synodenvätern möchte ich, dass alle legitimen Bräuche und die Freiheit dieser Kirchen in disziplinären und liturgischen Angelegenheiten anerkannt werden, so wie sie das Orientalische Kirchenr echt festgesetzt hat.<ref>Vgl. Propositio 50. </ref> Im Lichte der Lehre des II. Vatikanischen Konzils besteht eine dringende Notwendigkeit, die Ängste und die Verständnislosigkeit zu überwinden, die mitunter zwischen den Katholischen Ostkirchen und der lateinischen Kirche aufzukommen scheinen und offenbar auch innerhalb jener Kirchen selbst, besonders im Hinblick auf die Seelsorge, auch außerhalb des eigenen Territoriums existieren.<ref>Vgl. Propositiones 36; 50. </ref> Als Kinder der einen Kirche und in neuem Leben in Christus wiedergeboren, sind die Gläubigen dazu berufen, alles in einem Geist der Gemeinschaft, in guter Absicht, mit Vertrauen und in unerschütterlicher Liebe anzugehen. Man darf nicht zulassen, dass die Konflikte Ursache von Trennung sind, sondern sie müssen im Geist der Wahrheit und Achtung angegangen werden, denn nur aus der Liebe heraus kann Gutes entstehen.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Bischofssynode der syromalabarischen Kirche (8. Januar 1996), 6: AAS 88 (1996), 41. </ref>

Diese ehrwürdigen Kirchen sind direkt in den ökumenischen Dialog mit den orthodoxen Schwesterkirchen einbezogen, und die Synodenväter haben sie ermutigt, auf diesem Wege weiterzugehen.<ref>Vgl. Propositio 50. </ref> Auch haben sie sehr wertvolle Erfahrungen im Rahmen des interreligiösen Dialogs gemacht – und dies ganz besonders mit dem Islam, was auch für andere Kirchen in Asien und anderswo hilfreich sein kann. Selbstverständlich sind die katholischen Ostkirchen sehr reich an Traditionen und Erfahrungen, die sie in großartiger Weise zum Wohl der ganzen Kirche einsetzen können.

Geteilte Hoffnung, geteiltes Leid

28. Auch waren sich die Synodenväter bewusst, dass es einer wirkungsvollen Gemeinschaft und Zusammenarbeit mit den auf asiatischem Boden ansässigen Ortskirchen der ehemaligen Sowjetunion bedarf, welche unter schwierigen, aus einer geschichtlichen Zeit des Leids herrührenden Umständen im Wiederaufbau begriffen sind. Die Kirche begleitet sie im Gebet und teilt mit ihnen das Leid und die wiedergefundenen Hoffnungen. Daher ermutige ich die ganze Kirche, diese Ortskirchen moralisch, spirituell und materiell zu unterstützen, vielleicht auch, indem man ihnen Geistliche und Laien zur Verfügung stellt, denn diese sind wirklich notwendig, damit diesen Gemeinschaften dabei geholfen werden kann, Gottes Liebe, die in Christus geoffenbart wurde, mit den Völkern dieser Länder zu teilen.<ref>Vgl. Propositio 56. </ref>

In vielen Teilen Asiens leben unsere Brüder und Schwestern ihren Glauben weiterhin unter einschränkenden Bedingungen oder gar in totaler Aberkennung der Freiheit. Diesen leidenden Gliedern der Kirche gegenüber haben die Synodenväter ihre ganz besondere Besorgnis zum Ausdruck gebracht. Zusammen mit den Bischöfen Asiens appelliere ich an die Brüder und Schwestern jener Kirchen, die unter solch leidgeprüften Bedingungen zu leben haben, ihr Leid mit den Leiden des gekreuzigten Herrn zu vereinen, denn wir wissen ebensogut, wie sie, dass nur das Kreuz, wenn man es in Glauben und Liebe auf sich nimmt, der Weg zur Auferstehung und zum neuen Leben der Menschheit ist. Ich ermutige die verschiedenen Bischofskonferenzen Asiens, eine Anlaufstelle zur Hilfe dieser Kirchen einzurichten; was mich anbelangt, so garantiere ich dafür, dass der Hl. Stuhl all jenen, die Verfolgung um des Glaubens an Christus willen leiden, fortwährend nahe steht und um sie bemüht ist.<ref>Vgl. Propositio 51. </ref> Auch appelliere ich an die Regierungen und die Verantwortlichen der Nationen, eine Politik zu betreiben bzw. in die Tat umzusetzen, die allen Bürgern die Religionsfreiheit garantiert.

Bei verschiedenen Gelegenheiten haben die Synodenväter ihren Blick auf die katholische Kirche in China gerichtet und darum gebetet, dass der Tag bald kommen möge, an dem unsere geliebten Brüder und Schwestern Chinas ihren Glauben frei und in voller Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri und der Universalkirche ausüben dürfen. An euch, liebe Brüder und Schwestern in China, richte ich meinen eindringlichen Aufruf: Laßt niemals zu, dass die Schwierigkeiten und Tränen eure Hingabe an Christus und euren Einsatz für euer großes Land verringern.<ref>Vgl. Propositio 52. </ref> Die Synode hat auch ihrer innigen Solidarität mit der Katholischen Kirche in Korea Ausdruck verliehen und hat ihren Beistand zugesagt für »die Anstrengungen [der Katholiken], dem Volk von Nordkorea, das selbst der geringsten Mittel zum Überleben beraubt ist, Hilfe zu leisten und Versöhnung zu stiften unter zwei Ländern, die aus einem einzigen Volk bestehen, eine einzige Sprache sprechen und ein kulturelle Erbe gemeinsam haben«.<ref>Propositio 53. </ref>

In gleicher Weise galten die Gedanken der Synode mehrfach auch der Kirche in Jerusalem, die im Herzen der Christen einen besonderen Platz einnimmt. Die Worte des Propheten Jesaja finden zweifelsohne im Herzen von Millionen von Gläubigen in der ganzen Welt, für welche Jerusalem einen einzigartigen und vielgeliebten Platz einnimmt, ihr Echo: »Freut euch mit Jerusalem! Jubelt  in der Stadt, alle, die ihr sie liebt. […] Saugt euch satt an ihrer tröstenden Brust« (66,10–11). Jerusalem, die Stadt der Versöhnung zwischen Gott und den Menschen sowie der Menschen untereinander, war so oft Ort von Konflikten und Trennungen. Die Synodenväter haben die Teilkirchen aufgerufen, sich mit der Kirche in Jerusalem solidarisch zu erklären, indem sie ihr Leid teilen, für sie und mit ihr beten, mit ihr zusammenarbeiten, um dem Frieden, der Gerechtigkeit und der Versöhnung der zwei Völker und drei Religionen dieser Stadt zu dienen.<ref>Vgl. Propositio 57. </ref> Nun erneuere ich den schon oft an die politischen und religiösen Führer und an alle Menschen guten Willens gerichteten Appell, Wege zu suchen, um den Frieden und die Integrität Jerusalems zu sichern. Wie ich bereits bei anderer Gelegenheit geschrieben habe, ist es mein innigster Wunsch, als Pilger ins Heilige Land zu reisen, wie es auch mein Vorgänger Paul VI. getan hat, um in der Heiligen Stadt zu beten, wo Jesus Christus gelebt hat und wo er gestorben und auferstanden ist, und um den Ort zu besuchen, von dem aus die Apostel durch die Kraft des Heiligen Geistes sich aufmachten, um das Evangelium Jesu Christi der Welt zu verkünden.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Brief über die Pilgerfahrt zu den Heiligen Stätten, die mit der Heilsgeschichte verbunden sind (29. Juni 1999), 7: L’Osservatore Romano, 30. Juni – 1. Juli 1999, S. 9. </ref>

Eine Mission des Dialogs

29. Das gemeinsame Thema der verschiedenen »Kontinental«-synoden, die zur Vorbereitung der Kirche auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 beigetragen haben, ist die Neuevangelisierung. Eine neue Epoche der Verkündigung des Evangeliums ist nicht nur deshalb von wesentlicher Bedeutung, weil nach zweitausend Jahren ein Großteil der Menschenfamilie Christus immer noch nicht anerkennt, sondern auch, weil die Situation, in der sich die Kirche und die Welt an der Schwelle des neuen Jahrtausends befinden, besondere Herausforderungen an den religiösen Glauben und an die aus ihm resultierende moralische Wahrheit stellt. Es besteht nahezu überall die Tendenz, Fortschritt und Wohlstand ohne Bezug auf Gott zu schaffen und die religiöse Dimension des Menschen auf die Privatsphäre zu reduzieren. Die von den grundlegendsten, den Menschen betreffenden Glaubenswahrheiten getrennte Gesellschaft – und hier ist speziell die Beziehung zum Schöpfer und zur Erlösung durch Christus im Heiligen Geist zu nennen – kann so nur noch mehr die wahren Quellen des Lebens, der Liebe und des Glücks verlieren. Dieses von Gewalt gezeichnete Jahrhundert, das nun bald seinem Ende zugeht, legt ein erschreckendes Zeugnis davon ab, was passiert, wenn die Wahrheit und das Gute aufgegeben werden, weil der Mensch nach Macht dürstet und jeder sich selbst zum Nachteil der anderen überbetont. Die Neuevangelisierung ist eine Einladung zur Umkehr, zur Gnade und zur Hoffnung, und als solche ist sie die einzige wirkliche Hoffnung auf bessere Zeiten und eine lichtvollere Zukunft. Die Frage ist nicht, ob die Kirche den Menschen unserer Zeit noch etwas Wesentliches zu sagen hat, sondern vielmehr, ob sie dies in klarer und überzeugender Weise zu tun vermag. Zur Zeit des II. Vatikanischen Konzils hat mein Vorgänger Papst Paul VI. in seiner Enzyklika Ecclesiam suam erklärt, dass die Frage der Beziehungen zwischen Kirche und moderner Welt eine der größten Sorgen unserer Zeit sei. Er schrieb: »Die Tatsache und Dringlichkeit dieses Problems ist derart, dass es eine Last für Unsere Seele bedeutet, einen Stachel, gleichsam einen Beruf.«<ref>AAS 56 (1964), 613. </ref> Die Kirche hat seit dem Konzil bis heute konsequent bewiesen, dass sie diese Beziehungen im Geiste des Dialogs weiter führen will. Aber dieser Wille zum Dialog ist nicht einfach nur eine Strategie zur friedvollen Koexistenz zwischen den Völkern, sondern sie ist vielmehr ein wesentlicher Bestandteil der kirchlichen Sendung, da die Kirche selbst ihre Ursprünge im liebevollen Heilsdialog hat, den der Vater mit der Menschheit durch den Sohn und in der Kraft des Heiligen Geistes führt. Die Kirche kann ihre Mission nur in einer Weise erfüllen, die jener entspricht, in der Gott in Jesus Christus gehandelt hat, welcher Mensch geworden ist, als Mensch mit den Menschen gelebt hat und die Sprache der Menschen gesprochen hat, um seine Heilsbotschaft mitzuteilen. Dieser Dialog, den die Kirche vorschlägt, erhält seine Grundlage in der Logik der Menschwerdung. Daher kann lediglich eine innige und selbstlose Solidarität dem Dialog der Kirche mit den Menschen Asiens einen Aufwind geben, die auf der Suche nach der Wahrheit in der Liebe sind.

Die Kirche kommt als Sakrament der Einheit des Menschengeschlechtes nicht umhin, mit den Völkern aller Zeiten und aller Orte den Dialog aufzunehmen. Aufgrund der ihr übertragenen Sendung geht sie den Völkern der Welt im Bewusstsein entgegen, »eine kleine Herde« inmitten der riesigen Masse der Menschheit zu sein (vgl. Lk 12,32). Aber sie ist sich auch bewusst, dass sie der Sauerteig ist, der die Welt durchwirkt (vgl. Mt 13,33). Die Anstrengungen im Dialog gelten vor allem jenen, die denselben Glauben an Jesus Christus, den Herrn und Heiland, teilen. Von dort muss er sich über die christliche Welt hinaus ausweiten und die Mitglieder anderer religiöser Traditionen auf der Basis jenes religiösen Drangs erreichen, der jedem menschlichen Herzen innewohnt. Der ökumenische Dialog und der interreligiöse Dialog stellen also für die Kirche eine wahre Berufung dar.

Ökumenischer Dialog

30. Der ökumenische Dialog ist eine Herausforderung und ein Ruf zur Umkehr für die ganze Kirche, besonders für die Kirche in Asien, wo die Menschen von den Christen ein deutlicheres Zeichen der Einheit erwarten. Die Gemeinschaft derer, die im Glauben Jesus Christus als den Herrn angenommen haben, muss wieder hergestellt werden, damit sich alle Völker in der Gnade Gottes versammeln können. Jesus selbst hat um die sichtbare Einheit seiner Jünger gebetet, und er hört nicht auf, sie zu dieser Einheit anzuregen, so dass die Welt glaubt, dass der Vater ihn gesandt hat (vgl. Joh 17,21).<ref>Vgl. Propositio 42. </ref> Aber der Wille des Herrn, dass seine Kirche eins sei, will vollständig und in mutiger Weise von seinen Jüngern beantwortet sein.

Gerade in Asien, wo die Christen zahlenmäßig geringer vertreten sind, machen Trennungen die missionarische Aktivität noch schwieriger. Die Synodenväter haben zur Kenntnis genommen, dass »der Skandal einer gespaltenen Christenheit ein großes Hindernis für die Evangelisierung in Asien bedeutet«.<ref>Ebd. </ref> In der Tat wird die Spaltung der Christen von all jenen als ein Zeugnis gegen Jesus Christus betrachtet, die in Asien durch ihre Religionen und Kulturen auf der Suche nach Harmonie und Einheit sind. Daher fühlt sich die Katholische Kirche in Asien so sehr veranlaßt, mit den Christen anderer Konfessionen für die Einheit zu wirken, und sie ist sich bewusst, dass die Suche nach der vollen Einheit von jedem einzelnen Nächstenliebe, Unterscheidungsgabe, Mut und Hoffnung erfordert. »Um wahr und fruchtbringend zu sein, erfordert die ökumenische Bewegung auch von seiten der katholischen Gläubigen einige Grundhaltungen. Vor allem die Liebe, gepaart mit der Zuneigung und dem lebhaften Wunsch, dort, wo es möglich ist, mit den Brüdern der anderen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften zusammenzuarbeiten. An zweiter Stelle die Treue zur katholischen Kirche, ohne die Fehler zu verkennen oder zu leugnen, die durch das Verhalten mancher ihrer Glieder begangen wurden. An dritter Stelle den Geist der Unterscheidung, um das, was gut und lobenswert ist, hochzuschätzen. Schließlich ist ein ehrlicher Wille zur Läuterung und Erneuerung erforderlich.« <ref>Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz vom 26. Juli 1995, 4: Insegnamenti XVII I, 2 (1995), 138. OR dt., 32/33, 11.8.95, S. 6. </ref>

Wenn auch die Synodenväter die Schwierigkeiten anerkannt haben, die es in den Beziehungen der Christen untereinander immer noch gibt und die nicht nur auf Vorurteilen beruhen, die ein Erbe der Vergangenheit sind, sondern auch auf Überzeugungen, die den Gewissensbegriff miteinbeziehen, <ref>Vgl. Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz vom 20. Januar 1982, 2: Insegnamenti V, 1 (1982), 162. OR dt., 5, 29.1.82, S. 2. </ref> so haben sie doch Anzeichen von verbesserten Beziehungen zwischen einigen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in Asien aufgezeigt. Zum Beispiel anerkennen Orthodoxe und Katholiken oft ihre kulturelle Einheit untereinander, und sie haben einen Sinn dafür, einige wichtige Elemente einer gemeinsamen kirchlichen Tradition zu teilen. Das ist eine solide Basis für einen fruchtbaren ökumenischen Dialog, der auch im nächsten Jahrtausend fortgesetzt werden kann und der – so hoffen und hierfür beten wir zumindest – schließlich den Spaltungen dieses ausgehenden Jahrtausends ein Ende setzt.

Die Synode hat auch für die Praxis vorgeschlagen, dass die asiatischen Bischofskonferenzen die anderen christlichen Kirchen einladen, sich gemeinsam im Gebet aufzumachen und sich gegenseitig zu beraten, um die Möglichkeiten neuer Strukturen und ökumenischer Vereinigungen zur Förderung der Einheit der Christen auszuschöpfen. Der Vorschlag, den die Synode gemacht hat, wird auch dabei hilfreich sein, die Gebetswoche für die Einheit der Christen fruchtbarer zu begehen. Die Bischöfe wurden ermutigt, ökumenische Gebets- und Dialogszentren einzurichten und ihnen vorzustehen; auch sollte man in die Ausbildungsprogramme der Seminare, Bildungshäuser und Erziehungsanstalten eine angemessene Unterweisung hinsichtlich des ökumenischen Dialogs mit einbeziehen.

Interreligiöser Dialog

31. Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich darauf hingewiesen, dass das Herannahen eines neuen Jahrtausends auch eine große Gelegenheit zum interreligiösen Dialog und zur Begegnung mit den Führern der großen Weltreligionen bietet.<ref>Vgl. Nr. 53: AAS 87 (1995), 37. </ref> Kontakte zu knüpfen, Dialog zu führen und zusammenzuarbeiten sind Aufgaben, die das II. Vatikanische Konzil der ganzen Kirche als Pflicht und Herausforderung übertragen hat. Die Prinzipien für die Suche nach positiven Beziehungen mit anderen religiösen Traditionen wurden in der am 28. Oktober 1965 promulgierten Konzilserklärung Nostra aetate bekanntgegeben. Sie ist die »magna charta« für den interreligiösen Dialog in unserer Zeit. Von christlicher Warte aus gesehen, ist der interreligiöse Dialog wesentlich mehr als nur eine Methode, um die gegenseitige Kenntnis zu fördern und sich gegenseitig zu stärken. Er gehört zum Auftrag der Kirche zur Evangelisierung und ist somit ein Ausdruck der Sendung »ad gentes«.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 55: AAS 83 (1991), 302. </ref> Das, was die Christen zu diesem Dialog beitragen, ist die feste Überzeugung, dass die Heilsfülle nur von Christus kommt und dass die Gemeinschaft der Kirche, aus der sie stammen, das ordentliche Mittel zu diesem Heil ist.<ref>Vgl. ebd., a.a.O., 304. </ref> Und ich wiederhole hier, was ich bereits an die Fünfte Vollversammlung der Föderation der asiatischen Bischofskonferenzen geschrieben habe: »Obwohl die Kirche gerne all das anerkennt, was in den religiösen Traditionen des Buddhismus, des Hinduismus und des Islam wahr und heilig, ja gleichsam ein Widerschein jener Wahrheit ist, die alle Menschen erleuchtet, so mindert dies dennoch nicht ihre Aufgabe, unaufhörlich Jesus Christus zu verkünden, der »der Weg, die Wahrheit und das Leben« ist (Joh 14,6). Die Tatsache, dass auch die Anhänger anderer Religionen die Gnade Gottes empfangen und von Christus gerettet werden können, wenn auch nicht durch die Mittel, die er eingesetzt hat, hebt den Ruf zum Glauben und zur Taufe nicht auf, die Gott allen Menschen zugedacht hat«.<ref>Nr. 4: AAS 83 (1991), 101–102. </ref>

Hinsichtlich des Dialogsprozesses habe ich in der Enzyklika Redemptoris missio folgendes geschrieben: »Dabei darf es keine Verzichtserklärung und keine falsche Friedfertigkeit geben. Es braucht das gegenseitige Zeugnis für einen gemeinsamen Fortschritt auf dem Weg der religiösen Suche und Erfahrung. Dies dient zugleich der Überwindung von Vorurteilen, Mißverständnissen und Intoleranz.«<ref>Nr. 56: AAS 83 (1991), 304. </ref> Nur wer einen gereiften und von Überzeugung getragenen christlichen Glauben hat, ist für die Einbeziehung in einen genuinen interreligiösen Dialog geeignet. »Nur jene Christen, die tief in das Mysterium Christi eingetaucht und in der eigenen Glaubensgemeinschaft glücklich sind, können ohne unnützes Risiko und in der Hoffnung auf positive Früchte in den interreligiösen Dialog eintreten.«<ref>Propositio 41. </ref> Es ist daher für die Kirche in Asien wichtig, dass geeignete Modelle für den interreligiösen Dialog zur Verfügung gestellt werden (Evangelisierung durch den Dialog und Dialog für die Evangelisierung) und dass diejenigen, die daran beteiligt sind, auch adäquat dafür vorbereitet werden.

Nachdem die Synodenväter die Notwendigkeit eines festen Glaubens an Christus für den interreligiösen Dialog unterstrichen haben, sprachen sie auch über das Bedürfnis eines Dialoges des Lebens und des Herzens. Diejenigen, die Christus nachfolgen, müssen, wie ihr Meister, ein demütiges und reines Herz besitzen, sie dürfen niemals stolz, aber auch nicht nachgiebig sein, wenn sie ihren Dialogspartnern gegenübertreten (vgl. Mt 11,29). »Die interreligiösen Beziehungen entwickeln sich am besten in einem Kontext der Öffnung Andersgläubigen gegenüber, in einem Kontext, der die Bereitschaft zum Zuhören und den Wunsch, den anderen in seinen Unterschieden zu achten und zu verstehen, zum Ausdruck bringt. Für all das ist die Nächstenliebe unverzichtbar, und sie sollte zur Zusammenarbeit, zur Harmonie und zur gegenseitigen Bereicherung führen«.<ref>Ebd. </ref>

Um jene zu anzuleiten, die in diesem Prozess einbezogen sind, hat die Synode empfohlen, einige Richtlinien für den interreligiösen Dialog auszuarbeiten.<ref>Vgl. ebd. </ref> Da nun die Kirche neue Wege der Begegnung mit anderen Religionen erkundet, möchte ich gerne einige Formen des Dialogs in Erinnerung rufen, die bereits erfolgreich angewandt werden. Dazu gehört der akademische Austausch von Experten oder Repräsentanten der verschiedenen religiösen Traditionen, gemeinsame Aktionen zur Förderung der Entwicklung des Menschen in seiner Ganzheit und die Verteidigung menschlicher und religiöser Werte.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 57: AAS 83 (1991), 305.</ref> Auch möchte ich nochmals betonen, wie wichtig innerhalb dieses Vorgehens im Dialog die Wiederbelebung des Gebets und der Kontemplation ist. Die Personen des geweihten Lebens können hier in bedeutender Weise zum interreligiösen Dialog beitragen, indem sie Zeugnis geben von der Lebendigkeit großer asketischer und mystischer Traditionen des Christentums.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben [[Vita consecrata]] (25. März 1996), 8: AAS (1996), 383. </ref>

Das denkwürdige Gebetstreffen von Assisi, der Stadt des hl. Franziskus, am 27. Oktober 1986, bei dem die katholische Kirche mit Vertretern der anderen Weltreligionen zusammengetroffen ist, beweist, dass religiöse Menschen, ohne ihre jeweilige Tradition aufzugeben, sich dennoch im Gebet engagieren und gemeinsam für den Frieden und das Wohl der Menschheit arbeiten können.<ref>Vgl. Johannes Paul II. Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 47: AAS 80 (1988), 582. </ref> Die Kirche muss sich auch weiterhin dafür einsetzen, um diesen Geist der Begegnung und Zusammenarbeit mit den anderen Religionen auf allen Ebenen zu bewahren und zu fördern.

Gemeinschaft und Dialog sind zwei wesentliche Aspekte der kirchlichen Sendung, und ihr unendlich transzendentes Vorbild besteht im Mysterium der Dreifaltigkeit, aus der jegliche Mission hervorgeht und zu der sie auch zurückkehren muss. Ein wirklich großes »Geburtstagsgeschenk«, das die Glieder der Kirche, besonders die Hirten, dem Herrn der Geschichte am zweitausendsten Jahrestag seiner Menschwerdung machen können, ist die Stärkung des Geistes der Einheit und Gemeinschaft auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens, »heiliger Stolz« in der fortwährenden Treue der Kirche hinsichtlich all dessen, was ihr gegeben wurde, neues Vertrauen auf die immerwährende Gnade und Sendung, wodurch die Kirche als Zeugin der erlösenden Liebe und Barmherzigkeit Gottes zu den Völkern der Welt gesandt wird. Nur wenn das Gottesvolk das Geschenk erkennt, das ihm in Christus eigen ist, wird es im Stande sein, dies auch durch Verkündigung und Dialog anderen Menschen mitzuteilen.

KAPITEL VI: DER ENTFALTUNG DES MENSCHEN DIENEN

Die Soziallehre der Kirche

32. Im Dienst an der Menschheitsfamilie richtet sich die Kirche unterschiedslos an alle Männer und Frauen in dem Bestreben, gemeinsam mit ihnen eine Zivilisation der Liebe aufzubauen, deren Grundlage jene universalen Werte des Friedens, der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Freiheit sind, die in Christus ihre volle Erfüllung finden. Mit denkwürdigen Worten betonte das II. Vatikanische Konzil: »Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.«<ref>Pastorale Konstitution über die Kirche in der Weltvon heute, Gaudium et spes, 1. </ref> Angesichts der zahlreichen armen und unterdrückten Menschen Asiens ist die Kirche dieses Kontinents zu einer Lebensgemeinschaft aufgerufen, die insbesondere in ihrem liebevollen Dienst an den Armen und Schutzlosen zum Ausdruck kommt.

Wenn das kirchliche Lehramt in letzter Zeit in zunehmendem Maße die Notwendigkeit hervorgehoben hat, die wahre und ganzheitliche Entwicklung der menschlichen Person zu fördern,<ref>Ausgangspunkt war unter vielen Gesichtspunkten die Enzyklika Rerum novarum von Papst Leo XIII. (15. Mai 1891), die eine Reihe von Stellungnahmen über verschiedene Aspekte der sozialen Frage einleitete. Dazu gehörten die Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967), die Papst Paul VI. als Antwort auf die Lehre des II. Vatikanischen Konzils und die veränderten Bedingungen in der Welt veröffentlichte. Zum 20. Jahrestag dieses Dokuments schrieb ich die Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), in der ich, den vorherigen Lehraussagen folgend, alle Gläubigen aufgefordert habe, sich zu einer Mission des Dienstes berufen zu fühlen, die notwendigerweise auch die Förderung der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung einschließt.</ref> dann geschah das als Antwort auf die reelle Situation der Menschen in aller Welt und das wachsende Bewusstsein, dass nicht nur die Taten einzelner, sondern auch Strukturen des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens oft das Wohl der Menschheit bedrohen. Das durch den stets größeren Unterschied zwischen jenen, denen die erhöhte Produktivität und der größere Reichtum der Welt zugute kommt, und jenen, die am Rande des Fortschritts stehen, entstandene Mißver hältnis erfordert einen radikalen Wandel von Gesinnungen und Strukturen zum Wohl des Menschen. Die große moralische Herausforderung, die die Entwicklung an alle Nationen und die internationale Gemeinschaft stellt, besteht darin, Mut zu jener neuen Solidarität zu haben, die zu kreativen und wirksamen Schritten fähig ist, um sowohl die entmenschlichende Unterentwicklung wie auch jene »Überentwicklung« zu bekämpfen, die die menschliche Person zu einem Teil der Wirtschaft in einem stets aggressiveren Konsumnetz erniedrigt. Während sie versucht, diese Wandlung zu fördern, »hat die Kirche keine technischen Lösungen anzubieten«, sondern sie »leistet ihren Hauptbeitrag zur Lösung des drängenden Problems der Entwicklung, wenn sie die Wahrheit über Christus, über sich selbst und über den Menschen verkündet und auf eine konkrete Situation anwendet«.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 41: AAS 80 (1988), 570–571.</ref> Die menschliche Entwicklung darf nie auf ein rein technisches oder wirtschaftliches Problem reduziert werden. Vielmehr handelt es sich um eine menschliche und moralische Frage.

Die Soziallehre der Kirche ist eine in erster Linie an ihre Mitglieder gerichtete Zusammenfassung von Reflexionsprinzipien, Urteilskriterien sowie Richtlinien für das konkrete Handeln.<ref>Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über christliche Freiheit und Befreiung, Libertatis conscientia (22. März 1986), 72: AAS 79 (1987), 586. </ref> Es ist wichtig, dass die für die Entwicklung des Menschen arbeitenden Gläubigen eingehende Kenntnisse dieses wertvollen »Lehrgebäudes« haben und es als Bestandteil ihres Auftrags zur Evangelisierung betrachten. Daher betonten die Synodenväter, dass die Vorbereitung der Gläubigen in der Soziallehre der Kirche für jede Erziehungs- oder Bildungsarbeit und vor allem in den Seminaren und Ausbildungsstätten wichtig sei.<ref>Vgl. Propositio 22. </ref> Christliche Leiter im kirchlichen wie im gesellschaftlichen Bereich, insbesondere die für das öffentliche Leben verantwortlichen Laien, müssen mit dieser Lehre fest vertraut sein, um die bürgerliche Gesellschaft und ihre Strukturen mit dem Sauerteig des Evangeliums zu inspirieren und zu beleben.<ref>Vgl. Propositio 21.</ref> Die Soziallehre der Kirche erinnert diese verantwortlichen Christen nicht nur an ihre Pflichten, sondern bietet ihnen auch Richtlinien zur Förderung des Menschen, die sie von irrigen Meinungen über den Menschen und sein Handeln befreien.

Die Würde der menschlichen Person

33. Die Menschen, nicht Reichtum oder Technologie, sind Ausgangspunkt und Empfänger der Entwicklung. Daher geht die von der Kirche geförderte Art der Entwicklung weit über wirtschaftliche und technologische Fragen hinaus: Sie beginnt und endet mit der nach dem Abbild Gottes geschaffenen ganzheitlichen menschlichen Person, der Gott Würde und unveräußerliche menschliche Rechte verliehen hat. Verschiedene internationale Menschenrechtserklärungen und zahlreiche durch sie angeregte Initiativen verdeutlichen die wachsende weltweite Sensibilität für die Würde der menschlichen Person. Bedauerlicherweise wird in der Praxis jedoch oft gegen diese Erklärungen verstoßen. Fünfzig Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sind noch immer zahlreiche Personen entwürdigenden Formen der Ausbeutung und Manipulierung ausgeliefert, die sie regelrecht zu Sklaven der Stärkeren machen, der Ideologien, wirtschaftlicher Macht, unmenschlicher politischer Systeme, wissenschaftlicher Technokratie und der Überflutung durch die Medien.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), 5: AAS 81 (1989), 400–402; Enzyklika Evangelium vitae (25. März 1995), 18: AAS 87 (1995), 419 ff. </ref>

Die Synodenväter waren sich der anhaltenden Verletzungen der Menschenrechte in vielen Teilen der Welt durchaus bewusst, was insbesondere in Asien zutrifft, wo »Millionen von Menschen unter Diskriminierung, Ausbeutung, Armut und Ausgrenzung leiden«;<ref>Propositio 22; vgl. Propositio 39. </ref> sie wiesen auf die Notwendigkeit hin, dass sich das gesamte Volk Gottes in Asien der unausweichlichen und unverzichtbaren, mit der Verteidigung der Menschenrechte und der Förderung von Gerechtigkeit und Frieden verbundenen Herausforderung zutiefst bewusst werden müsse.

Die vorrangige Liebe für die Armen

34. Durch ihren Einsatz zur Förderung der menschlichen Würde zeigt die Kirche ihre vorrangige Liebe für die Armen und die, die keine Stimme haben, denn der Herr identifizierte sich mit ihnen auf ganz besondere Art und Weise (vgl. Mt 25,40). Diese Liebe will niemanden ausschließen, sondern verkörpert lediglich einen herausragenden Dienst, den die gesamte christliche Tradition bezeugt. »Diese vorrangige Liebe mit den von ihr inspirierten Entscheidungen muss die unzähligen Scharen von Hungernden, Bettlern, Obdachlosen, Menschen ohne medizinische Hilfe und vor allem ohne Hoffnung auf eine bessere Zukunft umfassen: Es ist unmöglich, die Existenz dieser Menschengruppen nicht zur Kenntnis zu nehmen. An ihnen vorbeizusehen würde bedeuten, dass wir dem ›reichen Prasser‹ gleichen, der so tat, als kenne er den Bettler Lazarus nicht, ›der vor seiner Tür lag‹ (vgl. Lk 16,19–31).«<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 42: AAS 80 (1988), 573; vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über christliche Freiheit und Befreiung Libertatis conscientia (22. März 1986), 68: AAS 79 (1987), 583.</ref> Das gilt vor allem für Asien, den Kontinent großer Ressourcen und bedeutender Kulturen, wo aber auch einige der ärmsten Länder der Welt zu finden sind und mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter Entbehrungen, Armut und Ausbeutung leidet.<ref>Vgl. Propositio 44. </ref> Die Armen in Asien und in aller Welt werden im Gebot Christi, einander zu lieben, wie er uns geliebt hat (vgl. Joh 13,34), stets den besten Grund zur Hoffnung finden, und die Kirche Asiens muss intensiv bemüht sein, mit Wort und Tat dieses Gebot gegenüber den Armen zu erfüllen. Ihre Solidarität mit den Armen wird um so überzeugender sein, wenn die Christen selbst, dem Beispiel Jesu entsprechend, in Einfachheit leben. Ein einfaches Leben, tiefer Glaube und aufrichtige Liebe für alle, insbesondere für die Armen und Ausgestoßenen, sind leuchtende Beispiele des in die Tat umgesetzten Evangeliums. Die Synodenväter forderten die Katholiken Asiens zu einem der Lehre des Evangeliums entsprechenden Lebensstil auf, um der kirchlichen Sendung besser dienen zu können und damit die Kirche selbst eine Kirche der Armen und für die Armen werden möge.<ref>Vgl. ebd. </ref>

In ihrer Liebe für die Armen Asiens wendet sich die Kirche vor allem an die Emigranten, die Eingeborenen und die Naturvölker, an Frauen und Kinder, die oft Opfer schlimmster Ausbeutungsformen sind. Ferner werden unzählige Personen aufgrund ihrer Kultur, Hautfarbe, Rasse, Kaste, wirtschaftlichen Verhältnisse oder Denkweise diskriminiert. Zu ihnen gehören auch jene, die anläßlich ihrer Bekehrung zum Christentum unterdrückt werden.<ref>Vgl. Propositio 39. </ref> Gemeinsam mit den Synodenvätern rufe ich alle Nationen auf, das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit wie auch die anderen Grundrechte des Menschen anzuerkennen.<ref>Vgl. Propositio 22. </ref>

Zur Zeit erlebt Asien einen noch nie zuvor dagewesenen Strom von Flüchtlingen, Asylbewerbern, Emigranten und nach Übersee ausreisenden Arbeitskräften. In den jeweiligen Zielländern sind diese Menschen häufig ohne Freunde, kulturell entfremdet, sprachlich benachteiligt und wirtschaftlich geschwächt. Sie brauchen Unterstützung und Aufmerksamkeit, um ihre menschliche Würde und ihr kulturelles und religiöses Erbe zu wahren.<ref>Vgl. Propositio 36. </ref> Trotz ihrer begrenzten Mittel ist die Kirche in Asien hochherzig bemüht, die Ermatteten und Kraftlosen aufzunehmen in dem Bewusstsein, dass im Herzen Jesu, wo niemand fremd ist, jeder Ruhe finden wird (vgl. Mt 11,28–29).

In fast allen Nationen Asiens besteht ein wesentlicher Bevölkerungsanteil aus Ureinwohnern, in wirtschaftlicher Hinsicht teilweise auf unterster Stufe. Mehrmals wies die Synode darauf hin, dass die Person Jesu Christi und die Kirche als Liebes- und Dienstgemeinschaft oft eine gewisse Anziehungskraft auf Einheimische und Naturvölker ausübt.<ref>Vgl. Propositio 38.</ref> Hier stehen wir vor einem enormen Aktionsfeld im Bereich der Erziehung und Ausbildung, des Gesundheitswesens und der Förderung der sozialen Integration. Die katholische Gemeinschaft muss die pastorale Arbeit unter diesen Menschen intensivieren, ihren Sorgen und der Frage nach Gerechtigkeit Beachtung schenken, die ihr Leben berühren. Voraussetzung hierfür ist eine achtungsvolle Haltung gegenüber ihren traditionellen Religionen und deren Werten wie auch die Notwendigkeit, ihnen dabei zu helfen, sich selbst zu helfen, damit sie für die Verbesserung ihrer Lage arbeiten und die Verkünder ihrer eigenen Kultur und Gesellschaft werden können.<ref>Vgl. ebd. </ref>

Niemand kann gleichgültig sein angesichts der Not unzähliger asiatischer Kinder, die oft unerträglicher Ausbeutung und Gewalttätigkeit zum Opfer fallen, wofür nicht nur die Schlechtigkeit einzelner Menschen, sondern häufig die unmittelbaren Auswirkungen korrupter Gesellschaftsstrukturen verantwortlich sind. Die Synodenväter identifizierten Kinderarbeit, Pädophilie und Drogenkonsum als Kinder unmittelbar betreffende soziale Übel, die wiederum mit anderen krankhaften Erscheinungen der Gesellschaft wie Armut und schlecht konzipierte nationale Entwicklungsprogramme verbunden sind.<ref>Vgl. Propositio 33. </ref> Die Kirche muss sich nach Kräften bemühen, die Macht dieser Übel zu brechen; sie muss sich für jene einsetzen, die am meisten ausgebeutet werden, und versuchen, diese Kleinen zur Liebe Christi zu führen, denn ihnen gehört das Reich Gottes (vgl. Lk 18,16).<ref>Vgl. ebd. </ref>

Mit besonderer Aufmerksamkeit widmete sich die Synode den Frauen, deren Situation nach wie vor ein ernstes Problem in Asien ist, wo Diskriminierung und Gewalttätigkeit ihnen gegenüber häufig im häuslichen Bereich, am Arbeitsplatz und sogar innerhalb des Rechtssystems zu finden sind. Analphabetentum ist vor allem unter Frauen besonders verbreitet, und viele werden lediglich als Objekte im Bereich der Prostitution, des Tourismus und der Vergnügungsindustrie betrachtet.<ref>Vgl. Propositio 35. </ref> Im Kampf gegen jede Form von Ungerechtigkeit und Diskriminierung sollten Frauen in der christlichen Gemeinschaft einen Verbündeten sehen. Aus diesem Grund schlug die Synode vor, die Ortskirchen in Asien sollten, falls möglich, Initiativen zum Schutz der Menschenrechte im Interesse der Frauen fördern mit dem Ziel, durch ein entsprechendes Verständnis der Rolle von Mann und Frau in der Familie, in der Gesellschaft und in der Kirche, durch ein tieferes Bewusstsein der ursprünglichen Komplementarität zwischen Männern und Frauen und größere Anerkennung der weiblichen Dimension in jeder menschlichen Tätigkeit die Haltung den Frauen gegenüber zu verändern. Der Beitrag der Frauen ist oft unterbewertet oder ignoriert worden, was zu geistiger und menschlicher Verarmung geführt hat. Die Kirche in Asien könnte die Würde und die Freiheit der Frauen durch die Förderung ihrer Rolle im kirchlichen Leben, einschließlich des intellektuellen Lebens, und größere Möglichkeiten ihrer aktiven Teilnahme an der kirchlichen Sendung der Liebe und des Dienstes sichtbarer und wirksamer verteidigen.<ref>Vgl. ebd. </ref>

Das Evangelium vom Leben

35. Der Einsatz für die menschliche Entwicklung beginnt mit dem Dienst am Leben selbst, jenem großen Geschenk Gottes, das er uns anvertraut als Plan und als Verantwortung. Somit sind wir nur die Verwalter des Lebens, nicht seine Eigentümer. Wir haben das Geschenk in Freiheit erhalten und, es dankbar entgegennehmend, verpflichten wir uns, es zu achten und zu verteidigen, vom Anfang bis zu seinem natürlichen Ende. Vom Augenblick der Zeugung an bedarf das menschliche Leben der Schöpfermacht Gottes und steht für immer in einer besonderen Beziehung zu seinem Schöpfer, Ursprung des Lebens und sein einziges Ziel. Ohne Achtung für das menschliche Leben, insbesondere das Leben derer, die keine Stimme haben, um sich zu verteidigen, ist weder wahrer Fortschritt noch eine wirklich zivile Gesellschaft oder menschliche Entwicklung möglich. Das Leben jeder Person, sowohl das des Kindes im Mutterleib oder das des kranken, des behinderten oder alten Menschen, ist ein Geschenk für alle.

Bezüglich der Heiligkeit des Lebens bestätigten die Synodenväter ohne Vorbehalt die Lehre des II. Vatikanischen Konzils und der nachfolgenden lehramtlichen Dokumente, einschließlich meiner Enzyklika Evangelium vitae. Gemeinsam mit ihnen wende ich mich an die Gläubigen ihrer Länder, wo das Bevölkerungsproblem oft als Argument gebraucht wird, um Abtreibung und Programme künstlicher Geburtenkontrolle einzuführen, und fordere sie auf, sich der »Kultur des Todes« zu widersetzen.<ref>Vgl. Propositio 32. </ref> Durch ihre Unterstützung und Teilnahme an Initiativen, die das Leben jener verteidigen, die nicht in der Lage sind, es selbst zu schützen, beweisen sie ihre Treue zu Gott und ihren Einsatz für die wirkliche Entfaltung des Menschen.

Gesundheitswesen

36. Dem Beispiel Jesu Christi folgend, der sich aller erbarmt und »alle Krankheiten und Leiden« (Mt 9,35) geheilt hat, ist die Kirche in Asien bemüht, ihren Einsatz für die Betreuung der Kranken zu intensivieren, denn dieser wesentliche Aspekt ihrer Sendung will die heilende Gnade Christi der ganzen menschlichen Person vermitteln. Wie in dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl. Lk 10,29–37) möchte sich auch die Kirche auf konkrete Art und Weise der Kranken und Behinderten annehmen,<ref>Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Salvifici doloris (11. Februar 1984), 28–29: AAS 76 (1984), 242–244. </ref> vor allem dort, wo in Situationen der Armut und Ausgrenzung auch elementarste medizinische Strukturen fehlen.

Während meiner Pastoralbesuche in allen Teilen der Welt war ich oft tief bewegt von dem außergewöhnlichen christlichen Zeugnis der Ordensleute und Gottgeweihten, der Ärzte, des Pflegepersonals und anderer im Gesundheitswesen tätiger Personen, vor allem jener, die für die Betreuung von behinderten und unheilbar kranken Menschen zuständig sind oder gegen die Verbreitung neuer Krankheiten wie AIDS kämpfen. Mehr und mehr ist das im Krankendienst tätige christliche Personal zum hochherzigen und uneigennützigen Dienst an den oft von der Gesellschaft verachteten und verlassenen Drogen- und Aids-Opfern aufgerufen.<ref>Vgl. Propositio 20. </ref> Zahlreiche katholische medizinische Einrichtungen Asiens werden mit staatlichen gesundheitspolitischen Strategien konfrontiert, die nicht von christlichen Grundsätzen ausgehen, und manchen von ihnen wird die Arbeit durch stets größere wirtschaftliche Schwierigkeiten erschwert. Trotz dieser Probleme machen die selbstlose Liebe und die fürsorgliche kompetente Arbeit des Personals diese Institutionen zu einem bewundernswerten und geschätzten Dienst an der Gemeinschaft wie auch zu einem sichtbaren und wirksamen Zeichen der unerschöpflichen Liebe Gottes. Ärzte und Pflegepersonal brauchen Ermunterung und Unterstützung in ihrem Dienst für das Wohl aller. Ihre unermüdliche Hingabe und Effizienz sind die beste Art und Weise, um christliche und ethische Werte tief in das asiatische Gesundheitswesen eindringen zu lassen und es von innen zu wandeln.<ref>Vgl. ebd. </ref>

Erziehung und Bildung

37. In ganz Asien ist der umfangreiche Einsatz der Kirche auf dem Erziehungs- und Bildungssektor überall deutlich sichtbar und somit ein wesentliches Element ihrer Gegenwart unter den Völkern des Kontinents. In vielen Ländern haben die katholischen Schulen eine wichtige Rolle im Bereich der Evangelisierung; ihre Aufgabe ist die Inkulturation des Glaubens, die Vermittlung einer von Offenheit und Achtung geprägten Haltung und die Förderung interreligiöser Verständigung. Kirchliche Schulen bieten oft die einzigen Ausbildungsmöglichkeiten für Mädchen, ethnische Minderheiten, die arme Landbevölkerung und unterprivilegierte Kinder. Die Synodenväter sind von der Notwendigkeit der Ausdehnung und Weiterentwicklung des Bildungsapostolats in Asien überzeugt, vor allem im Hinblick auf die Benachteiligten, denen geholfen werden muss, jenen Platz in der Gesellschaft einzunehmen, der ihnen als vollberechtigte Bürger zusteht.<ref>Vgl. Propositio 21. </ref> Das bedeutet, wie die Synodenväter betonten, dass das katholische Erziehungs- und Bildungssystem noch eindeutiger auf die Entfaltung des Menschen ausgerichtet und eine Umgebung sein muss, wo den Schülern nicht nur formale Elemente der Bildung erteilt werden, sondern eine eher allgemeine, auf der Lehre Christi begründete ganzheitliche menschliche Bildung.<ref>Vgl. ebd. </ref> Die katholische Schule sollte auch weiterhin ein Ort sein, wo der Glaube frei vermittelt und empfangen werden kann. Ebenso sollten auch die katholischen Universitäten nicht nur ihr bereits wohlbekanntes hervorragendes akademisches Niveau aufrechterhalten, sondern auch eine klare christliche Identität bewahren, um in den asiatischen Gesellschaften christlicher Sauerteig zu sein.<ref>Vgl. ebd. </ref>

Frieden aufbauen

38. Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ist die Welt noch immer von Kräften bedroht, die Konflikte und Kriege auslösen, und Asien ist da sicher nicht ausgeschlossen. Zu diesen Kräften gehört jede Art von gesellschaftlicher, kultureller, politischer und auch religiöser Intoleranz und Ausgrenzung. Tag für Tag sind einzelne Menschen und ganze Völker neuen Gewalttätigkeiten ausgesetzt, und zur Lösung von Spannungen bedient sich die Kultur des Todes unentschuldbarer Gewaltanwendung. Angesichts der in zu vielen Teilen der Welt existierenden tragischen Konfliktsituationen ist die Kirche aufgerufen, intensiv an internationalen und interreligiösen Bemühungen im Interesse von Frieden, Gerechtigkeit und Wiederversöhnung teilzunehmen. Unermüdlich rät sie zu Verhandlungen und zur nichtmilitärischen Lösung von Konflikten in der Hoffnung, dass eines Tages Krieg nicht mehr als Mittel eingesetzt wird, um Forderungen geltend zu machen oder um Streitigkeiten zu lösen. Die Kirche ist überzeugt, dass Krieg mehr Probleme schafft als beseitigt, dass der Dialog der einzig richtige und edle Weg ist, der zu Einigung und Wiederversöhnung führt, und dass der geduldigen und weisen Kunst des Friedensaufbaus der ganz besondere Segen Gottes gilt.

Anlass zu ganz besonderer Sorge gibt im asiatischen Kontext die ständige Zunahme von Massenvernichtungswaffen, zweifellos unmoralische und verderbenbringende Aufwendungen im Haushaltsplan der einzelnen Länder, die in manchen Fällen nicht einmal in der Lage sind, den Grundbedürfnissen der Bevölkerung zu ent-sprechen. Die Synodenväter erwähnten auch die zahllosen Anti-Personen-Minen in Asien, die Hunderttausende von unschuldigen Menschen verstümmelt oder getötet und gleichzeitig fruchtbaren Boden unbrauchbar gemacht haben, der zur Erzeugung von Nahrungsmitteln hätte genutzt werden können.<ref>Vgl. Propositio 23. </ref> Es ist die Pflicht aller, insbesondere aber der für die Leitung der Nationen verantwortlichen Personen, sich auf intensivere Art und Weise für Abrüstungsmaßnahmen einzusetzen. Die Synode forderte die Einstellung der Produktion, des Verkaufs und des Einsatzes atomarer, chemischer und biologischer Waffen und rief die an der Verlegung von Minen Beteiligten auf, bei den Räumungs- und Wiederaufbauarbeiten behilflich zu sein.<ref>Vgl. ebd. </ref> Vor allem aber wendeten sich die Synodenväter an Gott, der die Tiefe jedes menschlichen Gewissens kennt, dass er die Herzen jener mit dem Wunsch nach Frieden erfüllen möge, die versucht sind, Wege der Gewalt zu gehen, damit sich die Worte der Bibel bewahrheiten: »Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg« (Jes 2,4).

Während der Synode wurde vielfach vom Leid der irakischen Bevölkerung berichtet und davon, dass viele Iraker, vor allem Kinder, sterben mussten aufgrund des durch das anhaltende Embargo verursachten Mangels an Medikamenten und anderen Bedarfsartikeln. Gemeinsam mit den Synodenvätern bringe ich erneut meine Solidarität mit dem irakischen Volk zum Ausdruck und versichere insbesondere die Söhne und Töchter der Kirche dieses Lan-des meiner Nähe im Gebet und in der Hoffnung. Die Synode wendete sich mit der inständigen Bitte an den Herrn, das Gewissen jener zu erleuchten, die für eine gerechte Lösung der Krise die Verantwortung tragen, damit einem bereits schwer geprüften Volk weiteres Leid erspart bleibe.<ref>Vgl. Propositio 55. </ref>

Globalisierung

39. Im Hinblick auf die Frage der menschlichen Entwicklung in Asien bekräftigten die Synodenväter die Bedeutung des wirtschaftlichen Globalisierungsprozesses. Obwohl sie die zahlreichen positiven Aspekte der Globalisierung berücksichtigten, konnten die Synodenväter jedoch nicht die Tatsache ignorieren, dass sie sich aufgrund der ihr eigenen Tendenz, ärmere Nationen an den Rand internationaler wirtschaftlicher und politischer Beziehungen zu drängen, als nachteilig erwiesen hat für die Armen.<ref>Vgl. Propositio 49. </ref> Zahlreiche asiatische Länder sind nicht in der Lage, sich einer globalen Marktwirtschaft anzuschließen. Noch bedeutsamer ist vielleicht der Aspekt einer durch moderne Kommunikationsmittel ermöglichten kulturellen Globalisierung: in kürzester Zeit verwandelt sie die asiatischen Gesellschaften in konsumorientierte Kulturen globaler, verweltlichter, materialistischer Prägung, die für die Zerstörung jener traditionellen Familien und gesellschaftlichen Werte verantwortlich ist, die bis heute Völker und Gesellschaften gestützt haben. All das zeigt deutlich, dass die ethischen und moralischen Aspekte der Globalisierung eine direkte Herausforderung für die Verantwortlichen der Nationen und die für die menschliche Entwicklung arbeitenden Organisationen sind.

Die Kirche unterstreicht die Notwendigkeit einer »Globalisierung ohne Ausgrenzung«.<ref>Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag vom 1. Januar 1998, 3: AAS 90 (1998), 50. </ref> Zusammen mit den Synodenvätern rufe ich die Teilkirchen in aller Welt, insbesondere die der westlichen Regionen, auf, sich dafür einzusetzen, dass die Soziallehre der Kirche gebührenden Einfluss habe auf die Formulierung ethischer und rechtlicher Normen für die weltweite Regelung der freien Marktwirtschaft und der sozialen Kommunikationsmittel. Katholische Verantwortliche und Experten sollten Finanz- und Handelseinrichtungen auf nationaler und internationaler Ebene darin bestärken, diese Normen anzuerkennen und zu achten.<ref>Vgl. Propositio 49. </ref>

Auslandsverschuldung

40. Im Bemühen um Gerechtigkeit in einer von sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit gekennzeichneten Welt kann die Kirche die schwere Last der Verschuldung vieler asiatischer Entwicklungsländer und die sich daraus ergebenden gegenwärtigen und zukünftigen Konsequenzen nicht ignorieren. In vielen Fällen sind diese Länder gezwungen, die Ausgaben für lebensnotwendige Anforderungen wie Nahrung, Gesundheitsfürsorge, Wohnungs- und Siedlungswesen oder Bildung zu kürzen, um ihre Schulden bei internationalen Währungsfonds und Banken abzutragen. Das bedeutet, dass zahlreiche Personen zu Lebensbedingungen verurteilt sind, die die Würde des Menschen verletzen. Im vollen Bewusstsein der überaus komplexen Natur dieser Materie betonte die Synode jedoch, dass diese Problematik die Fähigkeit der Völker, der Gesellschaften und Regierungen prüft, die menschliche Person und Millionen von Menschenleben unabhängig von wirtschaftlichen und materiellen Vorteilen zu beurteilen.<ref>Vgl. Propositio 48. </ref>

Das nun unmittelbar bevorstehende Große Jubiläum des Jahres 2000 ist eine günstige Gelegenheit für die Bischofskonferenzen in aller Welt, insbesondere die der reicheren Nationen, internationale Währungsfonds und Banken zu bestärken, nach Möglichkeiten zur Einschränkung der internationalen Verschuldung zu suchen. Naheliegend wäre eine neue Einstufung der Schulden in Verbindung mit einer wesentlichen Verringerung oder sogar völligen Tilgung wie auch Handelsinitiativen und Investitionen zur wirtschaftlichen Unterstützung der ärmsten Länder.<ref>Vgl. ebd.; Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), 51: AAS 80 (1995), 36. </ref> Sich an die Schuldnernationen wendend, betonten die Synodenväter die Notwendigkeit eines nationalen Verantwortungsbewusstseins, erinnerten an die Bedeutung weiser Wirtschaftsplanung von Transparenz und guter Regierungsweise und forderten die entschlossene Bekämpfung von Korruption.<ref>Vgl. Propositio 48. </ref> Sie riefen die Christen Asiens auf , jede Form von Korruption und widerrechtlicher Aneignung staatlicher Mittel durch die Vertreter der politischen Gewalt zu verurteilen.<ref>Vgl. Propositio 22; Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 44: AAS 80 (1988), 576 ff. </ref> Vielfach war die Bevölkerung der Schuldnerstaaten der Verschwendung und Ineffizienz im Landesinneren ausgeliefert, bevor sie zum Opfer internationaler Verschuldung wurde.

Umwelt

41. Wenn die Sorge um den wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt nicht Hand in Hand geht mit der Sorge für das Gleichgewicht unseres Ökosystems, dann ist unsere Erde unweigerlich der Gefahr ernsthafter ökologischer Schäden ausgesetzt mit schwerwiegenden Folgen für das Wohl der Menschheit. Die offensichtliche Nichtbeachtung und Geringschätzung der natürlichen Umwelt wird kein Ende finden, solange die Erde und ihr Potential lediglich als Objekt zum unmittelbaren Gebrauch und Verbrauch angesehen wird, als etwas, was aufgrund grenzenloser Profitsucht manipuliert werden kann.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis (4. März 1979), 15: AAS 71 (1979), 287. </ref> Es ist Aufgabe der Christen und derjenigen, die Gott als Schöpfer betrachten, für den Schutz der Umwelt zu sorgen und die Achtung für alle Geschöpfe Gottes wieder herzustellen. Dem Willen Gottes entsprechend, soll der Mensch der Natur nicht als erbarmungsloser Ausbeuter, sondern als weiser und verantwortungsvoller Hüter gegenübertreten.<ref>Vgl. ebd. </ref> Insbesondere hofften die Synodenväter auf ein verantwortungsvolleres Vorgehen der führenden Persönlichkeiten des Staates, der Gesetzgeber, der Vertreter der Handels- und Wirtschaftswelt und aller, die unmittelbar für die Verwaltung der Ressourcen der Erde zuständig sind.<ref>Vgl. Propositio 47. </ref> Ferner betonten sie die Notwendigkeit, die Menschen, vor allem die Jugend, zu umweltbewusstem Verhalten zu erziehen, damit sie jene Kunst lernen, die Gott der Menschheit anvertraut hat: die Verwaltung der Schöpfung. Umweltschutz ist nicht nur ein technisches Problem, sondern auch und vor allem eine Frage der Ethik. Alle sind moralisch verpflichtet, sich der Umwelt anzunehmen, und zwar nicht nur um des eigenen Wohles willen, sondern auch für das der zukünftigen Generationen.

Abschließend sollte vielleicht daran erinnert werden, dass die Synodenväter im Hinblick auf die Grundwerte der biblischen und kirchlichen Tradition alle Christen aufgerufen haben, sich für die menschliche Entfaltung einzusetzen und aufzuopfern. Das alte Israel bekräftigte nachdrücklich die untrennbare Verbindung zwischen der Verehrung Gottes und der Sorge für die Schwachen, die in der Heiligen Schrift als »Witwen, Fremde und Waisen« erscheinen (vgl. Ex 22,21–22; Dt 10,18; 27,19) und in der damaligen Gesellschaft mehr als andere von Ungerechtigkeit bedroht waren. Oft erkennen wir in den Worten der Propheten den Ruf nach Gerechtigkeit, nach einer ger echten Ordnung der menschlichen Gesellschaft, ohne die wahre Gottesverehrung nicht möglich ist (vgl. Jes 1,10–17; Am 5,21–24). Die Ermahnungen der Synodenväter sind somit das Echo der Propheten, die vom Geist Gottes erfüllt waren, der »Liebe will, nicht Schlachtopfer« (vgl. Hos 6,6). Jesus machte sich diese Worte zu eigen (vgl. Mt 9,13), und gleiches gilt für alle Heiligen. Erinnern wir uns an die Worte des hl. Johannes Chrysostomus: »Willst du den Leib Christi ehren? Wende dich nicht ab von ihm, wenn er nackt ist. Schmücke ihn nicht mit Seide im Tempel, um ihn dann zu vergessen, wenn du ihn draußen frieren und nackt siehst. Der, der sagte: ›Das ist mein Leib‹, ist derselbe, der sagte: ›Du hast mich hungrig gesehen und mir nichts zu essen gegeben‹ …. Was nützt es, wenn sich der Altar unter dem Gewicht goldener Kelche biegt, während Christus vor Hunger stirbt? Stille zunächst seinen Hunger, und schmücke dann den Altar mit dem, was übrig bleibt.«<ref>Hom. in Mt, 50, 3–4: PG 58, 508–509. </ref> In dem Aufruf der Synode für die menschliche Entwicklung und Gerechtigkeit in den Beziehungen der Menschen zueinander hören wir eine zugleich alte und neue Stimme. Alt, weil sie der Tiefe unserer christlichen Tradition entspringt, die auf die feste, dem Willen Gottes entsprechende Harmonie ausgerichtet ist; neu, weil sie unmittelbar von der Situation zahlreicher Personen des heutigen Asien spricht.    ==KAPITEL VII: ZEUGEN DES EVANGELIUMS==

Die Kirche als Zeugin

42. Das II. Vatikanische Konzil hat das missionarische Wesen der ganzen Kirche deutlich hervorgehoben und darauf hingewiesen, dass das Werk der Evangelisation Aufgabe des gesamten Gottesvolkes ist.<ref>Vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, 2 und 35. </ref> Da das Volk Gottes als solches ausgesandt ist, das Evangelium zu verkünden, kann die Evangelisierung nie das Werk eines einzelnen sein; sie ist vielmehr eine gesamtkirchliche Aufgabe, die von der ganzen Glaubensgemeinschaft erfüllt werden muss. Es ist ein- und dieselbe Mission mit demselben Ursprung und demselben Ziel. Aber innerhalb von ihr gibt es verschiedene Aufgaben und Tätigkeiten.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 31: AAS 83 (1991), 277. </ref> Jedenfalls kann von einer wirklichen Verkündigung des Evangeliums erst dann die Rede sein, wenn die Christen gleichzeitig Zeugen eines Lebens sind, das mit der von ihnen vermittelten Botschaft übereinstimmt: »Die erste Form des Zeugnisses ist das Leben des Missionars, der christlichen Familie und der kirchlichen Gemeinschaft; diese Form lässt eine neue Verhaltensweise erkennen. … Dieses Zeugnis können und müssen jedoch alle in der Kirche geben, indem sie sich bemühen, den göttlichen Meister nachzuahmen; ein Zeugnis, das in vielen Fällen die einzig mögliche Form ist, Missionar zu sein.«<ref>Ebd., 42; a.a.O., 289.</ref> Heute brauchen wir vor allem ein wahrhaft christliches Zeugnis, denn »der Mensch unserer Zeit glaubt mehr den Zeugen als den Lehrern, mehr der Erfahrung als der Lehre, mehr dem Leben und den Taten als den Theorien«.<ref>Ebd.</ref> Das gilt ganz besonders für Asien, wo ein Leben in Heiligkeit überzeugender ist als intellektuelle Argumente. Die Erfahrung des Glaubens und der Gaben des Heiligen Geistes werden somit Ausgangspunkt jeder missionarischen Tätigkeit in Dörfern und Städten, in Schulen und Krankenhäusern, unter Behinderten, Emigranten und Naturvölkern oder bei der Wahrung von Gerechtigkeit und Menschenrechten. Jede Situation gibt den Christen Gelegenheit, zu beweisen, welch bedeutenden Einfluss die Wahrheit Christi auf ihr Leben hat. Von zahlreichen Missionaren inspiriert, die in der Vergangenheit auf heroische Art und Weise die Liebe Gottes unter den Völkern des Kontinents bezeugt haben, bemüht sich die Kirche in Asien heute um ein ebenso eifriges Zeugnis für Jesus Christus und sein Evangelium, denn nichts Geringeres als dies verlangt der christliche Auftrag.

Im Bewusstsein des missionarischen Wesens der Kirche und in Erwartung eines neuen Ausgießens der Kraft des Heiligen Geistes zu Beginn des kommenden Jahrtausends betonten die Synodenväter, dieses Nachsynodale Apostolische Schreiben müsse der Orientierung all jener dienen, die auf dem breiten Sektor der Evangelisierung in Asien tätig sind.

Die Hirten

43. Der Heilige Geist ermöglicht der Kirche die Erfüllung jenes Auftrags, den Christus ihr anvertraut hat. Bevor er die Jünger als seine Zeugen aussandte, hauchte er ihnen den Heiligen Geist ein (vgl. Joh 20,22), der durch sie wirkte und jene ins Herz traf, die ihnen zuhörten (vgl. Apg 2,37). Gleiches widerfährt denjenigen, die er heute aussendet. Einerseits sind alle Getauften kraft der Gnade des Taufsakraments beauftragt, an der Fortsetzung der Heilssendung Christi teilzunehmen, eine Aufgabe, zu der sie fähig sind, weil die Liebe Gottes durch den Heiligen Geist, der ihnen gegeben ist (vgl. Röm 5,5), in ihre Herzen ausgegossen wurde; andererseits vollzieht sich dieser gemeinschaftliche Auftrag durch eine Vielfalt von Funktionen und besonderen Charismen. Die Hauptverantwortung für die kirchliche Mission übertrug Christus den Aposteln und ihren Nachfolgern. Durch ihre Weihe und die hierarchische Gemeinschaft mit dem Haupt des Bischofskollegiums sind die Bischöfe beauftragt und bevollmächtigt, das Volk Gottes zu lehren, zu leiten und zu heiligen. Innerhalb des Bischofskollegiums übt der Nachfolger Petri – der Fels, auf dem die Kirche gebaut ist (vgl. Mt 16,18) – dem Willen Christi entsprechend ein besonderes Amt der Einheit aus. Somit erfüllen die Bischöfe ihr Amt nur in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, Garant der Wahrheit ihrer Lehre und ihrer vollen Gemeinschaft in der Kirche.

Als Mitarbeiter der Bischöfe beim Auftrag der Verkündigung des Evangeliums sind die Priester durch ihre Weihe berufen, Hirten ihrer Herde, Verkünder der Frohbotschaft des Heils und Spender der Sakramente zu sein. Um dem Willen Christi entsprechend der Kirche zu dienen, brauchen Bischöfe und Priester eine eingehende und permanente Weiterbildung, die ihnen Gelegenheit zu menschlicher, spiritueller und pastoraler Erneuerung gibt; unerlässlich ist daher eine theologische, spirituelle und humanwissenschaftliche Unterweisung.<ref>Vgl. Propositio 25.</ref> Die asiatische Bevölkerung sollte die Mitglieder des Klerus nicht lediglich als Vermittler von Nächstenliebe oder als institutionalisierte Verwalter sehen, sondern als Personen, die in Geist und Herz auf die Tiefen des Geistes hingeordnet sind (vgl. Röm 8,5). Der Achtung, die man in Asien der Obrigkeit entgegenbringt, muss die klare moralische Rechtschaffenheit derjenigen entsprechen, die amtliche Verantwortungen in der Kirche tragen. Durch ihr Leben im Gebet, ihren eifrigen Dienst und ihre beispielhafte Lebensweise sind die Mitglieder des Klerus wirksame Zeugen des Evangeliums in jenen Gemeinden, die sie im Namen Christi »weiden«. Mögen die geweihten Diener Gottes der Kirche Asiens im Geist der Gemeinschaft und der Zusammenarbeit mit den Bischöfen und allen Gliedern der Kirche leben und arbeiten und Zeugnis geben für jene Liebe, die Jesus das wahre Kennzeichen seiner Jünger nannte (vgl. Joh 13,35).

Insbesondere möchte ich die Sorge der Synode für die Ausbildung jener hervorheben, die als Erzieher und Lehrer in den Seminaren und theologischen Fakultäten tätig sind.<ref>Vgl. ebd. </ref> Nach eingehender Unterweisung in den kirchlichen Wissenschaften und den mit ihnen verbundenen Gebieten sollten sie eine spezielle Ausbildung erhalten, die auf die priesterliche Spiritualität, die Kunst der spirituellen Führung und andere Aspekte der anspruchsvollen und schwierigen Aufgabe ausgerichtet ist, die sie bei der Ausbildung der zukünftigen Priester erwartet. Kein Apostolat ist für das Wohl und die Lebenskraft der Kirche so wichtig wie dieses.

Das geweihte Leben und die Gesellschaften apostolischen Lebens

44. Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Vita consecrata betonte ich die enge Verbindung zwischen geweihtem Leben und Mission. In den drei Aspekten – »confessio Trinitatis«, »signum fraternitatis« und »servitium caritatis« – verdeutlicht das geweihte Leben die Liebe Gottes in der Welt und bezeugt insbesondere jenen Erlösungsauftrag, den Christus durch seine Ganzhingabe an den Vater erfüllt hat. Im Bewusstsein, dass jede kirchliche Tätigkeit im Gebet und in der Gemeinschaft mit Gott Unterstützung findet, blickt die Kirche Asiens in tiefer Achtung und Anerkennung auf die kontemplativen Ordensgemeinschaften als besondere Quelle der Kraft und Inspiration. Den Empfehlungen der Synodenväter beipflichtend, möchte ich intensiv die Gründung kontemplativer Ordensgemeinschaften überall dort befürworten, wo die Umstände es erlauben. Wie das II. Vatikanische Konzil erinnert, wird so der Bau der irdischen Gesellschaft immer in Gott gründen und auf ihn ausgerichtet sein, und seine Erbauer werden nicht vergeblich arbeiten.<ref>Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, 46. </ref>

Die Suche nach Gott, ein Leben in der Gemeinschaft und der Dienst am Nächsten sind die drei wesentlichen Merkmale des geweihten Lebens, die der heutigen Bevölkerung Asiens ein attraktives christliches Zeugnis bieten können. Die Sonderversammlung der Bischofskonferenz für Asien wies mit Nachdruck darauf hin, dass das geweihte Leben vor Christen und Nichtchristen Zeugnis des allumfassenden Rufs zur Heiligkeit sei und sowohl für den einen als auch den anderen ein überzeugendes Beispiel hochherziger Liebe für alle werde, insbesondere aber für die Geringsten unter den Brüdern und Schwestern. In einer Welt, in der das Bewusstsein der Gegenwart Gottes oft getrübt ist, müssen Ordensleute den Primat Gottes und des ewigen Lebens auf überzeugende und prophetische Art und Weise bezeugen. Durch ihr Leben in der Gemeinschaft sind sie Zeugen der Werte christlicher Brüderlichkeit und der erneuernden Kraft der Frohbotschaft.<ref>Vgl. Propositio 27. </ref> Alle, die das geweihte Leben gewählt haben, sind berufen, andere auf der Suche nach Gott zu führen, jener Suche, die seit jeher das Herz des Menschen bewegt und die vor allem in den verschiedenen Formen der Spiritualität und der Askese Asiens sichtbar ist.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata (25. März 1996), 103: AAS 88 (1996), 479. </ref> In zahlreichen Religionen dieses Kontinents genießen die dem kontemplativen und asketischen Leben geweihten Männer und Frauen große Achtung, und ihr Zeugnis ist von besonderer Überzeugungskraft. Durch ihr Leben in der Gemeinschaft, ihr friedliches und stilles Zeugnis, ihre Existenz inspirieren sie die Menschen, sich für größere Eintracht in der Gesellschaft einzusetzen. Gleiches wird auch von den geweihten Männern und Frauen der christlichen Tradition erwartet. Das Beispiel der Armut und Entäußerung, der Reinheit und Aufrichtigkeit, der Opferbereitschaft im Gehorsam kann ein ausdrucksvolles Zeugnis sein, dazu geeignet, Menschen guten Willens zu bewegen und einen fruchtbaren Dialog mit benachbarten Kulturen und Religionen, mit den Armen und Schutzlosen anzuregen. Das macht das geweihte Leben zu einem besonderen  Mittel wirksamer Evangelisierung.<ref>Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 69: AAS 68 (1976), 59. </ref>

Die Synodenväter bestätigten die grundlegende Rolle von Ordensgemeinschaften und Kongregationen, Missionsinstituten und Gesellschaften des apostolischen Lebens für die Evangelisierung Asiens in den vergangenen Jahrhunderten. Die Synode dankte ihnen im Namen der Kirche für diesen außerordentlichen Beitrag und ermutigte sie, nicht von ihrer missionarischen Arbeit abzulassen.<ref>Vgl. Propositio 27. </ref> Gemeinsam mit den Synodenvätern lade ich alle Ordensleute ein, die heilbringende Wahrheit Christi mit neuem Eifer zu verkünden. Allen muss eine angemessene, auf Christus ausgerichtete Ausbildung und Vorbereitung gewährt werden in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Gründungscharisma, mit besonderer Betonung der persönlichen Heiligkeit und des Zeugnisses; ihre Spiritualität und Lebensweise sollte dem religiösen Erbe jener Personen entsprechen, unter denen sie leben und denen sie dienen.<ref>Vgl. ebd. </ref> Unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Charismas sollten sie in den Pastoralplan ihrer Heimatdiözese integriert werden; ihrerseits sind die Ortskirchen aufgerufen, den Sinn für das Ideal des Ordens- und Weihestandes neu zu entfachen und diese Berufungen zu fördern. Das setzt voraus, dass jede Diözese einen Pastoralplan zur Förderung von Berufungen ausarbeitet und auch Priester oder Ordensleute beauftragt, hauptamtlich mit den Jugendlichen zu arbeiten und ihnen zu helfen, den Ruf Gottes zu hören und zu erkennen.<ref>Vgl. ebd.</ref>

Im Kontext der weltkirchlichen Gemeinschaft muss ich auch die Kirche in Asien auffordern, Missionare auszusenden, obwohl sie selbst Arbeiter in ihrem Weinberg braucht. Mit Freude habe ich feststellen können, dass unlängst in verschiedenen asiatischen Ländern Missionsinstitute des apostolischen Lebens gegründet worden sind, die den missionarischen Charakter der Kirche und die Verantwortung der Teilkirchen Asiens für die Verkündigung des Evangeliums in aller Welt beweisen.<ref>Vgl. Propositio 28. </ref> Den Empfehlungen der Synodenväter entsprechend, sollten »in jeder Ortskirche Asiens Missionsgesellschaften des apostolischen Lebens gegründet werden, die sich durch einen besonderen Geist für die Mission ›ad gentes‹, ›ad exteros‹ und ›ad vitam‹ auszeichnen«.<ref>Ebd. </ref> Eine derartige Initiative wird nicht nur jenen Kirchen reiche Früchte bringen, die Missionare empfangen, sondern auch jenen, die Missionare entsenden.

Die Laien

45. Wie das II. Vatikanische Konzil ausdrücklich betont, sind die Laien durch die ihnen eigene Berufung eng mit allen zeitlichen Dingen verbunden, um die verschiedensten Aufgaben auszuüben, denn Gott hat sie berufen, das Evangelium Christi in der Welt zu verkünden.<ref>Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, 31.</ref> Durch die bei Taufe und Firmung empfangenen Gnaden und die Berufung sind alle Laien Missionare, und der Bereich ihrer missionarischen Tätigkeit ist die breite und komplexe Welt der Politik, der Wirtschaft, der Industrie, der Erziehung und Ausbildung, der Kommunikationsmittel, der Wissenschaft, der Technologie, der Künste und des Sports. In vielen Ländern des Kontinents sind Laien bereits auf wahrhaft missionarische Art und Weise tätig, indem sie jene Landsleute aufsuchen, die sonst nicht mit dem Klerus oder mit Ordensleuten in Berührung gekommen wären.<ref>Vgl. Propositio 29. </ref> Ihnen möchte ich im Namen der ganzen Kirche danken, und ich möchte alle Laien ermutigen, wo immer sie auch sein mögen, die ihnen eigene Rolle als Zeugen Christi im Leben und in der Sendung des Gottesvolkes zu übernehmen.

Es ist Aufgabe der Hirten, die Laien zu Verkündern des Evangeliums auszubilden, damit sie den Herausforderungen der heutigen Welt nicht nur durch weltliche Weisheit und Effizienz begegnen können, sondern mit einem durch die Wahrheit Christi erneuerten und gestärkten Herzen.<ref>Vgl. ebd. </ref> Als Zeugen des Evangeliums in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens können Laien auf einzigartige Weise zur Ausrottung von Ungerechtigkeit und Unterdrückung beitragen, eine weitere Aufgabe, die eine angemessene Vorbereitung er fordert. Zu diesem Zweck möchte ich in Übereinstimmung mit den Synodenvätern die Einrichtung von Ausbildungszentren für Laien auf diözesaner oder nationaler Ebene anregen, um sie als Zeugen Christi für die missionarische Tätigkeit im heutigen Asien vorzubereiten.<ref>Vgl. ebd. </ref>

Ein ganz besonderes Anliegen der Synodenväter war das Anteilnehmen der Kirche, damit sich niemand in ihr ausgeschlossen fühle; ferner waren sie der Ansicht, dass eine größere Beteiligung der Frauen im Leben und Auftrag der Kirche eine wirklich dringende Notwendigkeit sei. »Die Frau hat eine ganz besondere Begabung zur Weitergabe des Glaubens, so dass Jesus selbst sie zur Evangelisierung ruft. So geschieht es mit der Samariterin, der Jesus beim ›Jakobsbrunnen‹ begegnet und die er als erste zur Verbreitung des neuen Glaubens im nichtjüdischen Bereich erwählt.«<ref>Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz vom 13. Juli 1994, 4: Insegnamenti XVII, 2 (1994), 40. OR dt., 29, 22.7.94, S. 1. </ref> Um ihren Dienst in der Kirche hervorzuheben, muss Frauen mehr Gelegenheit geboten werden, Theologie- und andere Studienkurse zu besuchen; die Männer in den Seminaren und Bildungshäusern müssen hingegen lernen, Frauen als Mitarbeiterinnen im Apostolat zu betrachten.<ref>Vgl. Propositio 35. </ref> Sie sollten auf wirksamere Art und Weise an Pastoralprogrammen, Pastoralräten auf Diözesan- und Pfarrgemeinde-ebene und an Diözesansynoden beteiligt werden. Ihre Fähigkeit zu dienen sollte im Bereich des Gesundheitswesens, der Erziehung, zur Vorbereitung der Gläubigen auf die Sakramente, beim Aufbau der Gemeinde und zur Förderung des Friedens hoch bewertet werden. Wie die Synodenväter betonten, trägt die Präsenz der Frauen in der kirchlichen Sendung der Liebe und des Dienens weitgehend dazu bei, der asiatischen Bevölkerung, insbesondere den Armen und Ausgeschlossenen, Jesus in seiner unendlichen Barmherzigkeit, seiner heilenden und versöhnenden Kraft näherzubringen.<ref>Vgl. ebd. </ref>

Die Familie

46. Die Familie ist jene natürliche Umgebung, die den jungen Generationen ermöglicht, die personale und soziale Reife zu erlangen. Die Familie trägt das Erbe der Menschheit selbst in sich, denn durch sie wird das Leben von Generation zu Generation weitergegeben. In den asiatischen Kulturen nimmt die Familiengemeinschaft eine wichtige Stellung ein, und familiäre Werte wie die respektvolle Haltung der Kinder den Eltern gegenüber, liebevolle Fürsorge für die Alten und Kranken, die Liebe für die Kleinen und die Eintracht untereinander sind, wie die Synodenväter hervorheben, in allen Kulturen und Religionen Asiens hochgeschätzt.

Aus christlicher Sicht ist die Familie »die Hauskirche (›ecclesia domestica‹)«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, 11. </ref> Wie die gesamte Kirche sollte auch die christliche Familie jener Ort sein, an dem die Wahrheit des Evangeliums Lebensregel und Geschenk ist, die die Mitglieder der Familie an die größere Gemeinschaft weitergeben. Sie ist nicht lediglich Objekt kirchlicher Seelsorge, sondern auch einer der wirksamsten Träger der Evangelisierung. Heute sind christliche Familien aufgerufen, in kritischen Zeiten und unter schwierigen Umständen Zeugen des Evangeliums zu sein, obwohl sie selbst von vielen Seiten bedroht sind.<ref>Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Asien, Relatio ante disceptationem: L’Osservatore Romano, 22. April 1998, S. 6. OR dt., 21, 22.5.1998, S. 8 ff.</ref> Nur als wahre »Hauskirche« und durch die in Demut und Liebe gelebte christliche Berufung kann die christliche Familie unter solchen Voraussetzungen wirkungsvoll zur Evangelisierung beitragen.

Das bedeutet, wie die Synodenväter betonten, dass die Familie eine aktive Rolle im Leben der Pfarrgemeinde übernehmen, an den Sakramenten teilnehmen, insbesondere an denen der Eucharistie und der Buße, und sich dem Dienst am Nächsten widmen sollte. Das bedeutet auch, dass Eltern bemüht sein müssen, jene Zeiten, in denen die Familie sich normalerweise versammelt, sowohl zum Gebet, zum Lesen und Vertiefen der Bibel, zu angemessenen Feiern unter der Leitung der Eltern wie auch zu gesunder Freizeitgestaltung zu nutzen. Das wird der christlichen Familie helfen, eine Gemeinschaft für die Evangelisierung zu werden, in der jedes Mitglied die Liebe Gottes erfährt und an andere weitergibt.<ref>Vgl. Propositio 32.</ref> Ferner haben die Synodenväter anerkannt, dass Kinder sowohl innerhalb ihrer Familie wie auch im größeren gesellschaftlichen Bereich zur Evangelisierung beitragen.<ref> Vgl. Propositio 33. </ref> In der Überzeugung, dass »die Zukunft der Welt und der Kirche von der Familie abhängt«,<ref> Ansprache an den Vereinigung christlicher Konsultoren (29. November 1980), 4: Insegnamenti III, 2 (1980), 1454. </ref> möchte ich erneut vorschlagen, das zu vertiefen und zu verwirklichen, was ich zum Thema Familie in meinem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio im Anschluss an die fünfte ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode von 1980 dargelegt habe.

Die Jugend

47. Ganz besondere Aufmerksamkeit schenkten die Synodenväter dem Thema der Jugend in der Kirche. Die zahlreichen, komplexen Probleme, denen die Jugend heute in der sich wandelnden asiatischen Welt gegenübersteht, veranlassen die Kirche, sie auf ihre Verantwortung für die Zukunft der Gesellschaft und der Kirche hinzuweisen; sie ermutigt und unterstützt sie bei jedem Schritt, um sicher zu sein, dass sie in der Lage ist, diese Verantwortung zu übernehmen. Ihr bietet die Kirche die Wahrheit des Evangeliums als freudiges und befreiendes Geheimnis, das ergründet, gelebt und überzeugend und mutig mit anderen geteilt werden muss.

Damit die Jugend wirksames Instrument der Sendung sein kann, muss die Kirche ihr eine angemessene Seelsorge widmen.<ref>Vgl. Propositio 34.</ref> In Übereinstimmung mit den Synodenvätern bestärke ich euch, in möglichst vielen Diözesen Asiens Jugendkapläne und -leiter zur Förderung der spirituellen Ausbildung und des Jugendapostolats zu ernennen. Die katholischen Schulen sind ebenso wie die Pfarrgemeinden von wesentlicher Bedeutung für die ganzheitliche Bildung der Jugendlichen; ihre Aufgabe ist es, sie auf dem Weg aufrichtiger Nachfolge zu führen und in ihnen jene menschlichen Eigenschaften zu entwickeln, die die Sendung er fordert. Apostolische Jugendwerke oder spezielle Jugendklubs bieten ihnen die für sie so wichtige Erfahrung christlicher Freundschaft. Pfarrgemeinden, Vereinigungen und Bewegungen können ihnen helfen, dem Druck der Gesellschaft besser standzuhalten, indem sie ihnen nicht nur zu größerer Reife im christlichen Leben verhelfen, sondern sie auch durch Beratungen zur beruflichen Orientierung, zur Förderung ihrer Berufung und bei Jugendproblemen unterstützen.

Die christliche Erziehung der Jugendlichen Asiens muss bei der Erkenntnis beginnen, dass sie nicht nur Gegenstand kirchlicher Seelsorge, sondern auch »Förderer und Mitarbeiter der kirchlichen Sendung für die verschiedenen apostolischen Aufgaben der Liebe und des Dienstes«<ref>Ebd. </ref> sind. Daher sollte man die Jugendlichen in den Pfarrgemeinden und Diözesen auffordern, an der Organisation von Aktivitäten teilzunehmen, die sie betreffen und interessieren. Jugendliche Frische und Begeisterung, Solidaritätsgeist und Zuversicht machen sie in einer gespaltenen Welt zu Förderern des Friedens. In dieser Hinsicht geben uns jene junge Menschen neuen Mut, die zur Förderung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs an Austauschprogrammen zwischen Teilkirchen und asia-tischen wie auch außerasiatischen Ländern teilnehmen.

Die soziale Kommunikation

48. In einer Zeit der Globalisierung spielen die »Mittel der sozialen Kommunikation eine derart wichtige Rolle, dass sie für viele zum Hauptinstrument der Information und Bildung, der Führung und Beratung für individuelles, familiäres und soziales Verhalten geworden sind. Vor allem die neuen Generationen wachsen in einer davon geprägten Welt auf«.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 37: AAS 83 (1991), 285. </ref> Die Welt beobachtet das Aufkommen einer neuen Kultur, die »noch vor ihren Inhalten aus der Tatsache selbst entsteht, dass es neue Arten der Mitteilung in Verbindung mit einer neuen Sprache, mit neuen Techniken und mit neuen psychologischen Haltungen gibt«.<ref>Vgl. ebd. </ref> Die außergewöhnliche Rolle der sozialen Kommunikationsmittel für die Prägung der Welt, der Kulturen und Denkweisen bewirkte in den asiatischen Gesellschaften umfangreiche und rasche Veränderungen.

Auch der Evangelisierungsauftrag der Kirche steht unweigerlich unter der tiefen Einwirkung der Massenmedien, die in Anbetracht ihrer wachsenden Einflussnahme selbst in den abgelegensten Gebieten Asiens für die Verkündigung des Evangeliums in jedem Winkel des Kontinents eine große Hilfe sein können. »Doch genügt es nicht, sie nur zur Verbreitung der christlichen Botschaft und der Lehre der Kirche zu benutzen; sondern die Botschaft selbst muss in diese von der modernen Kommunikation geschaffene ›neue Kultur‹ integriert werden.«<ref>Vgl. ebd. </ref> Zu diesem Zweck muss die Kirche neue Methoden erforschen, um die Massenmedien sorgfältig in die pastorale Planung und Tätigkeit einzubeziehen, damit durch ihren wirksamen Einsatz die Kraft des Evangeliums mehr und mehr Menschen und ganze Völker erreichen möge und die asiatische Kultur mit den Werten des Gottesreiches durchtränkt werde.

Ich schließe mich dem Lob der Synodenväter für »Radio Veritas Asia« an, die einzige Rundfunkstation der Kirche in Asien, und ihre fast dreißigjährige über Rundfunk geleistete Arbeit für die Evangelisierung. Wir müssen uns bemühen, dieses hervorragende Missionsinstrument durch eine geeignete sprachliche Programmgestaltung, die Entsendung von Mitarbeitern und finanzielle Unterstützung seitens der asiatischen Bischofskonferenzen und Diözesen zu stärken.<ref>Vgl. Propositio 45. </ref> Neben dem Rundfunk können auch katholische Veröffentlichungen und Presseagenturen zur Verbreitung von Informationen beitragen und für fortlaufende religiöse Erziehung und Bildung auf dem ganzen Kontinent sorgen. Überall dort, wo Christen eine Minderheit bilden, können sie wichtige Hilfsmittel zur Unterstützung und Festigung der katholischen Identität sein und den Geist katholischer Moralprinzipien verbreiten.<ref>Vgl. ebd. </ref>

Im Hinblick auf die Evangelisierung durch die sozialen Kommunikationsmittel, »den modernen Aeropag«, schließe ich mich den Empfehlungen der Synodenväter an in der Hoffnung, auf diese Weise der Entfaltung des Menschen, der Verbreitung der Wahrheit Christi und der kirchlichen Lehre zu dienen.<ref>Vgl. ebd.</ref> Es wäre von Nutzen, wenn jede Diözese im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein Kommunikations- und Medienbüro einrichten würde. Medienerziehung, einschließlich der kritischen Bewertung der Medienproduktion, sollte in zunehmendem Maße zur Ausbildung von Priestern, Seminaristen, Ordensleuten, Katechisten, Laien, Studenten katholischer Schulen und Pfarrgemeinden gehören. Die starke Einflussnahme und außerordentliche Wirkung der Massenmedien erfordern die Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Mitgliedern anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften wie auch Anhängern anderer Religionen, um spirituellen und moralischen Werten einen Platz in der Medienwelt zu sichern. Gemeinsam mit den Synodenvätern unterstütze ich die Entwicklung von Pastoralplänen für den Kommunikations- und Medienbereich sowohl auf nationaler wie auch auf diözesaner Ebene unter Berücksichtigung der Weisungen der Pastoralinstruktion Aetatis novae und der in Asien vorherrschenden Verhältnisse.

Die Märtyrer

49. So wichtig Bildungsprogramme und Strategien auch sein mögen, am Ende ist es das Martyrium, das die wahre Natur der christlichen Botschaft offenbart. Das Wort »Märtyrer« selbst bedeutet Zeuge, und jene, die ihr Blut für Christus vergossen haben, bezeugten den wahren Wert des Evangeliums bis zum Äußersten. In der Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums des Jahres 2000, Incarnationis mysterium, habe ich darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, das Andenken der Märtyrer zu pflegen: »Vom psychologischen Gesichtspunkt her ist das Martyrium der eindrucksvollste Beweis für die Wahrheit des Glaubens, die selbst dem gewaltsamsten Tod ein menschliches Gesicht zu geben vermag und ihre Schönheit auch in den grausamsten Verfolgungen zum Ausdruck bringt.«<ref>Nr. 13: AAS 91 (1999), 142. 240 Vgl. Lineamenta 59.</ref>) Im Laufe der Jahrhunderte hat der asiatische Kontinent der Kirche und der Welt eine Vielzahl dieser Helden des Glaubens geschenkt, und im Herzen Asiens erklingt der große Lobgesang: »Te martyrum candidatus laudat exercitus« [Dich preist der Martyrer leuchtendes Heer].« Das ist die Hymne jener, die in den ersten Jahrhunderten der Kirche für Christus auf asiatischem Boden gestorben sind, und auch der freudige Ruf von Männern und Frauen einer weniger entfernten Vergangenheit, Heilige wie Paulus Miki, Lorenzo Ruiz, Andrea Dung Lac, Andrea Kim Taegon und ihre jeweilige Gefährten. Mögen die zahlreichen alten und neuen Märtyrer Asiens der Kirche ihres Kontinents stets vor Augen halten, was es bedeutet, Zeugnis zu geben für das Lamm, in dessen Blut sie ihre Gewänder gewaschen und weiß gemacht haben (vgl. Offb 7,14)! Mögen sie stets unbeugsame Zeugen jener Tatsache sein, dass die Christen immer und überall berufen sind, nichts anderes als das Kreuz des Herrn zu verkünden! Möge durch das Blut der Märtyrer Asiens heute und immerfort in jedem Winkel des Kontinents neues Leben für die Kirche entstehen.

SCHLUSS

Dank und Ermutigung

50. Um das zu erkennen, was der Heilige Geist den Kirchen in Asien sagt (vgl. Offb 1,11), hat dieses Nachsynodale Apostolische Schreiben versucht, die Ergebnisse der Sonderversammlung der Bischofskonferenz für Asien zusammenfassend darzustellen. Abschließend möchte ich euch allen, liebe Brüder und Schwestern in Asien, die ihr auf vielfache Weise zum Erfolg dieses wichtigen kirchlichen Ereignisses beigetragen habt, im Namen der Kirche danken. Vor allem wollen wir Gott preisen für die Vielfalt der Kulturen, Sprachen, Traditionen und die religiöse Empfänglichkeit dieses großen Kontinents. Gelobt sei Gott für die Völker Asiens, so verschieden untereinander und doch so vereint in ihrem Bemühen um Frieden und auf der Suche nach der Fülle des Lebens. Vor allem heute, in unmittelbarer Nähe des zweitausendsten Jahrestages der Geburt Christi, wollen wir Gott danken, Asien als irdische Wohnstatt seines fleischgewordenen Sohnes, des Erlösers der Welt, gewählt zu haben.

Meine besondere Hochachtung gilt den Bischöfen Asiens für ihre tiefe Liebe zu Jesus Christus, für die Kirche, die asiatische Bevölkerung, für ihr Zeugnis der Gemeinschaft und ihre hochherzige Hingabe für den Evangelisierungsauftrag. Ich danke allen Mitgliedern der großen kirchlichen Familie dieses Kontinents: Priestern, Ordensleuten, Missionaren, Laien, Jugendlichen, Einheimischen, Arbeitern, Armen und Notleidenden. Tief in meinem Herzen ist ein besonderer Platz für diejenigen in Asien, die aufgrund ihres Glaubens an Christus verfolgt werden: Sie sind die verborgenen Stützpfeiler der Kirche, an die Jesus seine trostspendenden Worte richtet: »Denn ihnen gehört das Himmelreich« (vgl. Mt 5,10).

Die Worte Jesu geben der Kirche in Asien neuen Mut: »Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben« (Lk 12,32). Die Anhänger Christi sind noch eine kleine Minderheit auf diesem weiten und stark bevölkerten Kontinent. Dennoch sind sie durchaus keine zurückhaltende Minderheit, sondern von lebendigem Glauben beseelt und von jener Hoffnung und Lebenskraft erfüllt, die allein der Glaube geben kann. Auf ihre bescheidene, aber mutige Art haben sie die Kulturen und Gesellschaften Asiens, insbesondere das Leben der Armen und Schutzlosen, beeinflußt, von denen viele den katholischen Glauben nicht teilen. Somit sind sie ein Beispiel für die Christen in aller Welt, damit auch sie bereit sein mögen, den Reichtum der Frohbotschaft zu teilen, »ob sie es hören wollen oder nicht« (vgl. 2 Tim 4,2). Sie stärkt die außerordentliche Macht des Heiligen Geistes, der dafür sorgt, dass die Kirche Asiens trotz ihrer allgemein begrenzten Verbreitung wie der Sauerteig sein möge, der den ganzen Teig still und verborgen durchsäuert (vgl. Mt 13,33).

Die asiatische Bevölkerung braucht Jesus Christus und sein Evangelium, denn der Kontinent dürstet nach jenem lebendigen Wasser, das allein er ihnen geben kann (vgl. Joh 4,10–15). Die Jünger Christi in Asien müssen sich daher hochherzig um die Erfüllung jener Mission bemühen, die der Herr ihnen anvertraut hat, denn er hat versprochen, »ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20). Im Vertrauen auf den Herrn, der keinen verlässt, den er gerufen hat, setzt die Kirche Asiens voll Freude ihre Pilgerschaft ins dritte Jahr tausend fort. Ihre einzige Freude ist es, mit der Vielzahl der Völker Asiens jenes unermeßlich große Geschenk zu teilen, das auch sie einst empfangen hat, die erlösende Liebe Jesu. Ihr einziges Ziel ist es, die Mission des Dienstes und der Liebe fortzusetzen, damit alle Menschen des Kontinents »das Leben haben und es in Fülle haben« (Joh 10,10).

Gebet an die Mutter Christi

51. Angesichts dieses außerordentlichen Auftrags wenden wir uns an Maria, die Mutter des Erlösers. Ihr sind, wie die Synodenväter versichern, die Christen Asiens in tiefer Liebe treu ergeben und verehren sie als ihre Mutter und als Mutter Christi.(240) In ganz Asien gibt es Hunderte von Marienkirchen und -heiligtümern, in denen sich nicht nur Katholiken, sondern auch Anhänger anderer Religionen versammeln.

Maria, dem Vorbild aller Jünger und dem leuchtenden Stern der Evangelisierung, vertraue ich auf der Schwelle des dritten Jahrtau-sends des christlichen Zeitalters die Kirche in Asien an in der Gewißheit, dass ihr Ohr stets zuhört, ihr Herz stets aufnimmt und ihre Fürsprache nie versagt:

Heilige Mutter, Tochter des Allerhöchsten,

Jungfräuliche Mutter des Erlösers und aller Menschen,

richte deinen liebevollen Blick auf die Kirche,

die dein Sohn auf asiatischem Boden gegründet hat.

Führe sie durch dein Vorbild,

während sie die von deinem Sohn begonnene Sendung

der Liebe und des Dienstes in Asien fortsetzt.

Du hast dem Ruf des Vater, Mutter Gottes zu sein,

bedingungslos und frei zugestimmt,

lehre uns, das Herz von all dem zu befreien, was nicht Gottes ist,

damit der Heilige Geist auch auf uns herabkomme.

In der Stille deines Herzens hast du

die Geheimnisse des göttlichen Willens erkannt;

hilf uns, damit wir auf unserem Weg

die Zeichen der mächtigen Hand Gottes erkennen mögen.

Du bist sofort zu Elisabet geeilt,

um ihr in der Zeit vor der Niederkunft behilflich zu sein;

erwirke auch für uns und unseren Evangelisierungsauftrag

diesen Geist eifriger Dienstbereitschaft.

Zum Lobpreis des Herrn hast du deine Stimme erhoben;

führe uns bei der freudigen Verkündigung

des Glaubens an Christus, den Erlöser.

Du hast dich der Notleidenden erbarmt

und als ihre Fürsprecherin an deinen Sohn gewandt;

lehre uns, zu Jesus von der Welt zu sprechen und zur Welt von Jesus.

Du hast am Fuß des Kreuzes gestanden,

als dein Sohn seinen Geist aushauchte;

stehe uns zur Seite, wenn wir versuchen,

mit den Leidtragenden in Geist und Dienst vereint zu sein.

Im Abendmahlssaal hast du mit den Jüngern gebetet;

hilf uns, die Gaben des Geistes zu empfangen,

um dort hinzugehen, wohin er uns hinführt.

Bewahre die Kirche vor allen Gefahren.

Hilf ihr, das wahre Abbild der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zu sein.

Möge deine Fürsprache erwirken,

dass durch den liebevollen Dienst der Kirche

alle Völker Asiens deinen Sohn Jesus Christus,

den einzigen Erlöser der Welt, erkennen

und so der Freude des Lebens in Fülle teilhaftig werden.

Maria, Mutter der neuen Schöpfung

und Mutter Asiens,

bitte für uns, deine Kinder, heute und in Ewigkeit!

Gegeben zu Neu-Delhi, Indien, am 6. November des Jahres 1999,
im zweiundzwanzigsten meines Pontifikats.

Joannes Paulus II.

Anmerkungen

<references />

Weblinks