Divini cultus sanctitatem (Wortlaut)

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Apostolische Konstitution
Divini cultus sanctitatem

von Papst
Pius XI.
über die Kirchenmusik
20. Dezember 1928

(Offizieller lateinischer Text: AAS XX [1928] 384-387)

(Quelle: Kirchenmusikalische Gesetzgebung, Die Erlasse Pius X. Pius XI. und Pius XII. über Liturgie und Kirchenmusik, S. 19-29, Friedrich Pustet Verlag Regensburg 1956, 5. Auflage, S. 7-18; Imprimatur Regensburg, 12. November 1956 Joh. Bapt. Baldauf Generalvikar)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Die Liturgie,
sollen täglich mehr gefördert werden.


Pius, Bischof, Diener der Diener Gottes
zu immerwährendem Gedenken.

Einleitung

1 Die Kirche hat von ihrem Stifter Christus die Aufgabe erhalten, die Heiligkeit des Gottesdienstes zu wahren. Daher ist es offenbar ihre Aufgabe, unbeschadet des Wesens des hl. Opfers und der Sakramente, geeignete Vorschriften betreffs der Zeremonien, Gebräuche, Formularien, Gebete und des Gesanges zu erlassen, die aufs beste den erhabenen öffentlichen Kult ordnen. Sein besonderer Name ist ”Liturgie”, sozusagen die heilige Aktion in hervorragendem Sinne. Fürwahr, etwas Heiliges ist die Liturgie, denn durch sie werden wir zu Gott erhoben und mit ihm vereinigt, in ihr legen wir Zeugnis ab für unsern Glauben; zu ihr sind wir auch strengstens verpflichtet aus Dankbarkeit für die Wohltaten und Gnaden, die wir empfangen haben und deren wir stets bedürfen. Daher besteht ein notwendiger Zusammenhang zwischen Dogma und heiliger Liturgie und ebenso zwischen dem christlichen Gottesdienst und der Heiligung des Volkes. Deshalb fand Cölestin I. in den ehrwürdigen Texten der Liturgie die Glaubensregel ausgedrückt. Er sagt nämlich: „Die Norm des Betens soll maßgebend sein für die Norm des Glaubens. Denn wenn die Bischöfe der christlichen Völker des ihnen aufgetragenen Amtes walten, vertreten sie vor Gottes Güte die Sache des ganzen Menschengeschlechtes, und wenn sie bitten und flehen, betet die ganze Kirche mit ihnen“.<ref>Brief an die Bischöfe Frankreichs. Patrologia Latina I., 585.</ref>

2 Diese gemeinsamen Gebete, zuerst „opus Dei” (Werk Gottes) später „officium divinum” (Gottesdienst) genannt, wurden als ein Gott täglich geschuldetes Werk betrachtet und einst Tag und Nacht unter reger Teilnahme des christlichen Volkes verrichtet. Und es ist wunderbar, wie sehr bereits von den ältesten Zeiten an jene edlen Gesänge, welche die heiligen Gebete und den liturgischen Kult verschönerten, zur Förderung der Frömmigkeit im Volke beigetragen haben. Denn vor allem in den alten Basiliken, wo einst Bischof, Klerus und Volk abwechselnd das Gotteslob sangen, war es nicht zuletzt die Wirkung der liturgischen Gesänge, dass Barbaren in großer Zahl für das Christentum und die Kultur gewonnen wurden, wie die Geschichte bezeugt. In den Gotteshäusern drangen die Widersacher der katholischen Lehre tiefer in den Glaubenssatz von der Gemeinschaft der Heiligen ein. So wurde der arianische Kaiser Valens angesichts der erhabenen Pracht der von einem heiligen Basilius gefeierten göttlichen Geheimnisse von ungewöhnlichem Staunen ergriffen und gab sich besiegt. Ja, in Mailand beschuldigten die Irrlehrer den heiligen Ambrosius, er bezaubere die Menge durch die liturgischen Lieder. Von ihnen wurde auch Augustinus so erschüttert, dass er sich zur Annahme des christlichen Glaubens entschloss. In den Kirchen, wo fast die ganze Bürgerschaft einen gewaltigen Chor bildete, nahmen die Künstler, die Baumeister, Maler und Bildhauer und auch die Gelehrten durch die Liturgie jene Kenntnis der theologischen Wahrheiten in sich auf, die uns noch heute aus den Kunstwerken des Mittelalters so hell entgegenleuchtet.

3 So verstehen wir, warum sich die römischen Päpste so große Mühe gaben, die Liturgie zu schützen und zu erhalten. Wie es ihnen so sehr am Herzen lag, die Glaubenslehre in treffenden Ausdrücken zu formulieren, so bemühten sie sich auch, die Normen der heiligen Liturgie festzusetzen, zu sichern und vor jeglicher Verfälschung zu bewahren. Ebenso ist es klar, warum die heiligen Väter die kirchliche Liturgie (oder die Norm des Betens) in Wort Schrift erklärten, und warum das Konzil zu Trient vorschrieb, sie dem christlichen Volke darzulegen und zu erläutern.

4 Für unsere heutige Zeit aber hat Pius X. vor nunmehr 25 Jahren in einem „Motu proprio” seine bekannten Vorschriften über den Gregorianischen Choral und die Kirchenmusik veröffentlicht. Dabei verfolgte er hauptsächlich das Ziel, den christlichen Geist unter den Völkern zu wecken und zu nähren durch weise Beseitigung alles dessen, was sich für die Heiligkeit und Würde der Kirche nicht ziemt. Denn die Gläubigen kommen ja in der Absicht ins Gotteshaus, um dort die Frömmigkeit gleichsam aus erster Quelle zu schöpfen durch aktive Teilnahme an den verehrungswürdigen Mysterien der Kirche und dem öffentlichen, feierlichen Gebet. Es ist also von weittragender Bedeutung, dass alles, was zum Schmuck der Liturgie dient, durch bestimmte Gesetze und Vorschriften der Kirche geregelt werde. Denn die Künste sollen, wie es angemessen ist, wirklich als vornehmste Dienerinnen dem Gottesdienst sich unterordnen. Das gereicht sicherlich den Künsten, die an heiliger Stätte Verwendung finden, nicht zum Schaden, vielmehr zur Erhöhung ihrer Würde und ihres Glanzes. Auf geradezu staunenswerte Weise ist das bei der Kirchenmusik zur Tatsache geworden. Denn überall, wo man jene Vorschriften sorgfältig zur Ausführung gebracht hat, da begann diese auserlesene Kunst in ihrer anziehenden Schönheit wieder aufzuleben, da begann auch religiöse Gesinnung weithin zu erblühen. Gewöhnte sich doch das christliche Volk, das so in den liturgischen Geist tiefer eindrang, mehr und mehr daran, am eucharistischen Kult, am heiligen Psalmengesang und an den öffentlichen Gebeten teilzunehmen. Das haben Wir selbst zu Unserer großen Freude erlebt, als im ersten Jahre Unseres Pontifikates ein gewaltiger Chor von Klerikern aus allen Nationen den feierlichen Gottesdienst, den Wir in der Vatikanischen Basilika abhielten, durch Gregorianischen Gesang verschönte.

5 Doch müssen Wir hier Unser Bedauern darüber aussprechen, dass mancherorts diese weisen Gesetze nicht voll zur Durchführung gelangt und deshalb die gewünschten Früchte nicht gewonnen wurden. Denn es ist Uns wohlbekannt, dass manche erklärt haben, sie seien an diese Gesetze nicht gebunden, die doch in so feierlicher Form erlassen worden waren. Andere haben sich wohl anfangs daran gehalten, aber allmählich wieder jener Art von Musik Eingang gewährt, die durchaus von den Kirchen fernzuhalten ist. Endlich hat man mancherorts, besonders wenn Jahrhundertfeiern zum Gedächtnis berühmter Musiker begangen wurden, das zum Anlass genommen, gewisse Werke in der Kirche aufzuführen, die, mögen sie auch noch so vortrefflich sein, doch zur Heiligkeit der geweihten Stätte und der Liturgie nicht passten und daher unter keinen Umständen in den Gotteshäusern hatten aufgeführt werden dürfen.

6 Damit aber Klerus und Volk diese Gesetze und Vorschriften, die in der ganzen Kirche heilig zu halten und unverbrüchlich zu beachten sind, gewissenhaft befolgen, wollen Wir hier noch einiges beifügen, was Uns die Erfahrung in diesen 25 Jahren gelehrt hat. Wir tun dies um so lieber, als in diesem Jahr nicht nur das Gedächtnis der genannten Erneuerung der Kirchenmusik, sondern auch das Andenken an den berühmten Mönch Guido von Arezzo gefeiert wurde. Dieser kam etwa vor 900 Jahren auf Geheiß des Papstes nach Rom und legte seine geniale Erfindung vor. Durch sie war es möglich, die von alters her überlieferten liturgischen Sangesweisen leichter zu verbreiten und zu Nutz und Frommen der Kirche und auch der Kunst unverändert der Nachwelt zu erhalten. Im Lateranpalast hatte einst Sankt Gregor der Große den Schatz der heiligen einstimmigen Gesänge, das Erbe und Denkmal der Väter, gesammelt, geordnet und vermehrt. Dort hatte er voll Weisheit jene hochberühmte Sängerschule gegründet, die in alle Zukunft die richtige Ausführung der liturgischen Gesänge pflegen sollte. Ebenda machte der Mönch Guido vor dem römischen Klerus und dem Papste selbst einen Versuch mit seiner staunenswerten Erfindung. Der Papst billigte sie vollkommen, lobte sie nach Verdienst und bewirkte, dass diese Neuerung allmählich weiteste Verbreitung fand und jede Art von Musik reiche Förderung dadurch erfuhr.

7 Wir wollen nun allen Bischöfen und Ordinarien, die ja Hüter der Liturgie für die heilige Kunst in ihren Kirchen Sorge tragen müssen, einige Dinge ans Herz legen. Das soll auch gewissermaßen eine Antwort auf die Wünsche die auf so vielen Musikkongressen, besonders auf dem jüngst in Rom stattgehabten, von nicht wenigen Seelenhirten und eifrigen Vorkämpfern dieser Sache Uns vorgetragen wurden. Ihnen sei hier das gebührende Lob ausgesprochen. Wir verordnen, dass Unsere Weisungen, für die Wir hier noch wirksamere Mittel und Wege angeben, zur Durchführung gebracht werden.

I. Musikunterweisung der Theologiestudierenden von Jugend an

8 Alle, die Priester werden wollen, sollen nicht bloß in den Seminarien, sondern auch in den Ordenshäusern bereits von frühester Jugend an im Gregorianischen Gesang und in der Kirchenmusik unterwiesen werden. Denn in diesem Alter lernen sie leichter, was Singen und Stimmbildung betrifft. Etwa vorhandene Stimmfehler können da ganz behoben oder doch gebessert werden, während sie später bei fortgeschrittenem Alter gar nicht mehr zu beseitigen sind. Die Unterweisung in Gesang und Musik soll schon in den Elementarschulen begonnen, im Gymnasium und Lyzeum<ref>Das italienische Gymnasium entspricht den unteren und mittleren Klassen unseres Gymnasiums, das Lyzeum dem Obergymnasium und dem beginnenden Hochschulstudium. (D. Übersetzer).</ref> fortgesetzt werden. Auf diese Weise können die Kandidaten der heiligen Weihen, wenn sie so ganz allmählich mit dem Gesang vertraut geworden sind, im Verlauf des Theologiestudiums ohne jede Mühe und Schwierigkeit in jener höheren Lehrstufe unterrichtet werden, die man am treffendsten „Ästhetik” nennt, und zwar die des Gregorianischen Chorals und der Musik, der Polyphonie und der Orgelkunst. In diesem Fach gründlich bewandert zu sein, ist für den Klerus durchaus geziemend.

II. Gründlichere Durchbildung des Klerus in der Kirchenmusik

9 Es finde also in den Seminarien und übrigen Studienhäusern zur rechten Ausbildung des Welt- und Ordensklerus eine kurze, aber häufige, fast tägliche Unterweisung oder Übung im Gregorianischen Gesang und in der Kirchenmusik statt. Wenn das im liturgischen Geiste geschieht, wird es nach dem Studium der ernsteren Fächer für die Alumnen eher eine Erholung als eine Last sein. Eine solche umfangreichere und gründlichere Durchbildung des Welt- und Ordensklerus in der liturgischen Musik wird sicher dahin führen, dass der Chordienst, der einen Hauptteil des Gottesdienstes bildet, seine frühere Würde und seines früheren Glanz zurückerhält und ferner, dass die sogenannten Sängerschulen und Chöre ihren alten Ruhm wiedererlangen.

III. Erneuerung des Chordienstes

10 Alle, die in den Basiliken und Kathedralen, den Kapitel- und Klosterkirchen den Gottesdienst anordnen und ausüben, sollen mit allen Kräften darnach streben, dass der Chordienst in der rechten Weise, das heißt nach den Vorschriften der Kirche, erneuert werde, nicht nur entsprechend der allgemeinen Vorschrift, das göttliche Officium immer würdig, aufmerksam und andächtig zu verrichten, sondern auch, was den Gesang angeht. Beim Psallieren ist auf die rechte Tonart mit der ihr entsprechenden Mittel- und Schlusskadenz zu achten, auf Einhalten der Pause beim Asteriskus<ref>Das Sternchen bei der Versmitte (D. Übersetzer).</ref> und auf genaue Übereinstimmung beim gemeinsamen Singen von Psalmversen und Hymnusstrophen. Wenn diese Vorschriften vortrefflich zur Ausführung gelangen, legen alle, die gut psallieren, in bewundernswerter Weise ihre Einmütigkeit bei der Anbetung Gottes an den Tag; ja, man gewinnt den Eindruck, als ahmten sie in der harmonischen Abwechslung beider Chorseiten jenes ewige Lob der Seraphim nach, die einander zurufen: „Heilig, Heilig, Heilig!”

IV. Bestellung von Kantoren für die Kanoniker und Ordensgemeinschaften

11 Damit aber fürderhin niemand billige, Entschuldigungen vorbringe und meine, er sei frei von der Pflicht, den Gesetzen der Kirche zu gehorchen, so sollen alle Kanoniker der verschiedenen Arten und ebenso die Ordensgemeinschaften in ihren festgesetzten Konferenzen sich mit diesen Gegenständen befassen. Wie man einst einen Kantor oder Chorleiter hatte, so werde in Zukunft für die Chöre der Kanoniker und Ordensleute ein Musikkundiger bestimmt. Er hat dafür zu sorgen, dass die Normen der Liturgie und des Choralgesanges in die Praxis umgesetzt werden, und soll die Fehler der einzelnen wie des ganzen Chores beseitigen. Es bleibe dabei nicht unerwähnt, dass auf Grund alten, ständigen Brauches der Kirche und der noch geltenden Kapitelstatuten alle, die zum Chordienst verpflichtet sind, sich wenigstens im Gregorianischen Choral gründlich auskennen müssen. Der Gregorianische Choral aber, der in allen Kirchen jeden Ranges verwendet werden soll, ist jener, der nach der Vorlage der alten Handschriften wiederhergestellt und von der Kirche in der authentischen Ausgabe der Vatikanischen Druckerei seinerzeit veröffentlicht worden ist.

V. Kirchenchöre

12 Auch die Kirchenchöre wollen Wir allen denen, die es angeht, hier empfehlen. Sie sind im Laufe der Zeit an die Stelle der alten Sängerschulen getreten. An den Basiliken und größeren Kirchen wurden sie eingerichtet, um dort vor allem polyphone Musik aufzuführen. Hier sei bemerkt, dass die kirchliche Polyphonie mit Recht nach dem Choral die zweite Stelle einzunehmen pflegt. Daher wünschen Wir dringend, dass diese Chöre, wie sie vom 14.-16. Jahrhundert in Blüte standen, heute besonders dort sich erneuern und wieder aufblühen, wo der zahlreiche Besuch und die Pracht des Gottesdienstes eine größere Zahl von Sängern und deren sorgfältigere Auswahl erfordern.

VI. Knabenchöre

13 Knabenchöre mögen nicht nur an den Kathedralen und größeren Kirchen, sondern auch an kleineren Gotteshäusern und Pfarrkirchen ins Leben gerufen werden. Die Knaben aber sollen von den Chorleitern im richtigen Singen unterwiesen werden, damit nach altem Brauch der Kirche ihre Stimmen sich mit dem Chor der Männer vereinen. Hauptsächlich beim polyphonen Gesang verwende man sie, wie ehedem, für die oberste Stimme, den sogenannten Cantus. Aus den Reihen dieser Knabenchöre gingen bekanntlich, vor allem im 18. Jahrhundert, die tüchtigsten Schöpfer polyphoner Werke hervor, unter ihnen Giovanni Pierluigi von Palestrina, unbestritten der größte von allen.

Vll. Die menschliche Stimme

14 Wir haben nun aber erfahren, dass mancherorts versucht wurde, eine gewisse Art von Musik wieder einzuführen, die zu den heiligen Funktionen nicht in allweg passt, besonders wegen des maßlosen Gebrauches von Instrumenten. Daher sprechen Wir es hier feierlich aus, dass die Kirche den Gesang mit Orchesterbegleitung keineswegs als eine vollkommenere und für den Gottesdienst geeignetere Musikart betrachtet. Denn es geziemt sich, dass im Heiligtum mehr als die Instrumente die menschliche Stimme erschalle: die Stimme des Klerus, der Sänger und des Volkes. Doch darf man nicht glauben, die Kirche stehe, weil sie die menschliche Stimme jedem Instrument vorzieht, dem Fortschritt der Musik entgegen. Denn kein Instrument, so vortrefflich und vollkommen es auch sei, vermag die menschliche Stimme im Ausdruck seelischer Empfindungen zu übertreffen. Das gilt am allermeisten, wenn sich die Seele der Stimme bedient, um Gebete und Loblieder zum allmächtigen Gott empor zu senden.

VIII. Die Orgel

15 Nun hat die Kirche aus alter Zeit ein eigenes Instrument überkommen: die Orgel. Sie wurde wegen ihrer geradezu wunderbaren Klangfülle and Erhabenheit für würdig erachtet, bei den liturgischen Handlungen mitzuwirken, sei es zur Begleitung des Gesanges, sei es, um beim Schweigen des Chores nach den gegebenen Vorschriften anmutige Klänge ertönen zu lassen. Aber auch hier ist die Vermischung von Heiligem und Profanem zu vermeiden. Eine solche müsste durch die Schuld sowohl ihrer Orgelbauer als auch gewisser Orgelspieler, die den Überschwänglichkeiten der modernsten Musik zugetan sind, nur das eine bewirken, dass dieses herrliche Instrument seinem Zweck, zu dem es bestimmt ist, entfremdet würde. Auch Wir wünschen zwar, dass die Orgel, soweit es den Normen der Liturgie entspricht, in jeder Hinsicht stets Verbesserungen erfahre. Aber Wir können nicht umhin, Klage zu erheben. Wie einst durch andere Musikformen, welche die Kirche mit Recht verboten hat, so versucht man heute mit den modernsten Formen, dem weltlichen Geist in die Kirche Eingang zu verschaffen. Sollte es dazu kommen, dass diese Formen weiter um sich greifen, dann müsste sie die Kirche unbedingt verurteilen. In den Kirchen soll die Orgel nur solche Harmonien erklingen lassen, welche die Majestät des Ortes zum Ausdruck bringen und uns die Weihe der heiligen Handlungen empfinden lassen. Auf diese Weise wird die Kunst sowohl der Orgelbauer als auch der Organisten wieder zu einer amen Stütze der heiligen Liturgie werden.

IX. Volk und Gregorianischer Choral

16 Damit aber die Gläubigen aktiver am Gottesdienst teilnehmen, soll der Gregorianische Choral beim Volke wieder eingeführt werden, soweit er für das Volk in Betracht kommt. Es ist in der Tat durchaus notwendig, dass die Gläubigen nicht wie Fremde und stumme Zuschauer, sondern, von der Schönheit der Liturgie ganz ergriffen, an den heiligen Zeremonien so teilnehmen, dass sie mit dem Priester und dem Sängerchor nach den gegebenen Vorschriften im Gesange abwechseln. Das gilt auch, wenn bei feierlichen Umzügen, Prozessionen genannt, Klerus und fromme Vereine in geordnetem Zuge mitgehen. Wenn das gut gelingt, dann wird es nicht mehr vorkommen, dass das Volk entweder gar nicht, oder kaum mit einem leisen, unverständlichen Gemurmel auf die gemeinsamen Gebete antwortet, die in der liturgischen oder der Volkssprache vorgebetet werden.

X. Unterweisung des Volkes in Liturgie und Kirchenmusik

17 Welt- und Ordensklerus sollen unter Führung der Bischöfe und Ortsordinarien allen Fleiß anwenden, um persönlich oder durch andere, Sachkundige dem Volk Unterweisung in Liturgie und Kirchenmusik zu bieten. Solche Unterweisung ist ja ein Stück des Religionsunterrichtes. Das wird sich umso leichter machen lassen, wenn vor allem die Schulen, Bruderschaften und anderen religiösen Vereine im liturgischen Gesang unterrichtet werden. Die Kommunitäten der Ordensleute, Schwestern und frommen Frauen sollen dieses Ziel mit allem Eifer zu erreichen suchen in den verschiedenen Anstalten, in denen ihnen Erziehung und Unterricht anvertraut sind. Auch hegen Wir die Zuversicht, dass zu diesem Werke jene Vereine beitragen werden, die in einigen Ländern in Unterordnung unter die kirchliche Autorität die Kirchenmusik nach den Vorschriften der Kirche zu erneuern streben.

XI. Heranbildung von Lehrern der Kirchenmusik

18 Sollen alle diese Hoffnungen in Erfüllung gehen, so bedarf es dazu notwendig kundiger Lehrer, und zwar sehr vieler. Diesbezüglich erteilen Wir allen derartigen Schulen und Anstalten, die allenthalben in der katholischen Welt errichtet worden sind, das gebührende Lob. Denn durch sorgfältigen Unterricht in den entsprechenden Fächern bilden sie treffliche, geeignete Lehrer heran. Ganz besonders muss in diesem Zusammenhang erwähnt und belobt werden die Päpstliche Hochschule für Kirchenmusik, die in Rom im Jahre 1910 von Pius X. gegründet wurde. Diese Schule hat Unser unmittelbarer Vorgänger, Benedikt XV., eifrig gefördert und ihr ein neues Heim geschenkt. Auch Wir hegen für diese Schule besonderes Wohlwollen. Wir sehen sie an als kostbares Erbe, das Uns zwei Päpste hinterlassen haben, und wollen sie deshalb allen kirchlichen Oberen aufs wärmste in Empfehlung bringen. Nun sind Wir Uns wohl bewusst, wie viel Mühe und Arbeit all das erfordert, das Wir hier angeordnet haben. Aber wer wüsste nicht, wie überaus viele kunstvolle Werke unsere Vorfahren der Nahwelt überliefert haben, ohne sich durch irgendwelche Schwierigkeiten abschrecken zu lassen? Sie waren eben vom frommen Eifer und vom Geiste der Liturgie ganz erfüllt. Kein Wunder! Was von dem innerem Leben, das die Kirche lebt, herrührt, übertrifft die vollkommensten Werke dieser Welt. Die Schwierigkeiten dieses hochheiligen Unternehmens mögen die Hirten der Kirche aneifern und ermutigen und nicht lähmen. Indem sie alle Unserem Willen einmütig und beharrlich nachkommen, leisten sie dem obersten Hirten einen Dienst, der ihrem Hirtenamt durchaus entspricht.

Schluss

Dies verkünden, erklären und verordnen Wir und bestimmen, dass diese Apostolische Konstitution immer in Kraft, Gültigkeit und Wirksamkeit sein und bleiben und vollen und uneingeschränkten Wirkungen erlangen und behalten soll. Keine gegenteiligen Bestimmungen dürfen ihr im Wege stehen. Niemandem ist es also erlaubt, diese von Uns veröffentlichte Konstitution abzuschwächen oder ihr in vermessenem Beginnen entgegen zu handeln.

Gegeben zu Rom bei Sankt Peter zu Beginn des 50. Jahres Unseres Priestertums,
am 20. Dezember 1928, im 7. Jahre unseres Pontifikates.
Fr. Andreas Kard. Frühwirth
Kanzler der heiligen römischen Kirche.
Kamillus Kard. Laurenti
Propräfekt der heiligen Ritenkongregation
Josef Wilpert
Dekan des Kollegiums der Apostolischen Protonotare
Dominikus Spolverini
Apostolischer Protonotar

Anmerkungen

<references />

Weblinks