Dienst am Frieden

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Stellungnahmen
Dienst am Frieden

der Päpste, des II. Vatikanischen Konzils und der Bischofssynode von 1963 bis 1980
1980

(Quelle: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 23 - S. 1-243 ohne Register [insgesamt 267 Seiten])
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Inhaltsverzeichnis

Zum Geleit

Die Frohe Botschaft, die Jesus Christus den Menschen brachte, ist eine Botschaft der Befreiung und Umkehr der Menschen von der Sünde, von Egoismus und Hass, eine Botschaft der Liebe und der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens. Die Kirche hat die Aufgabe, das Evangelium den Menschen heute zu verkünden. Sie würde ihrer Sendung untreu, wenn sie nicht mit allen Kräften darauf hinwirken würde, die Grundlagen des Friedens zu erhalten und fortzuentwickeln, die Bereitschaft zum Frieden in den Menschen, in den Völkern zu stärken und die Regierenden an ihre Verantwortung zu erinnern, dem Frieden zu dienen und Gewalt und Krieg zu verhüten.

Wie häufig wurde in der Vergangenheit, wie häufig wird in der Gegenwart auf elementare Weise gegen die Botschaft des Friedens verstoßen! Infolge der Weltkriege wurde Europa in diesem Jahrhundert zum Schauplatz unermeßlicher materieller und sittlicher Zerstörungen, geistiger Katastrophen und menschlichen Leids. Dank des verantwortlichen Handeins seiner Staatsmänner und des Aufbauwillens seiner Bevölkerung ist Europa aus den Trümmern wiedererstanden. Es ist gelungen, den Frieden in diesem Teil der Welt seit nunmehr 35 Jahren zu sichern und zu bewahren. Von einer Nach-Kriegszeit kann freilich nur in einem begrenzten Sinn gesprochen werden. Seit 1945 hat es neue Spannungen, neue Formen der Gewalttätigkeiten und, zumal in Asien und Afrika, neue Kriege gegeben. Der Rüstungswettlauf führte dazu, dass allein in diesem Jahr die ungeheure Summe von etwa 900 Milliarden DM weltweit für Rüstung und Verteidigung ausgegeben wird. Die Konzeption und Herstellung vor allem nuklearer Waffen führte zur Anhäufung einer unvorstellbaren, lebensvernichtenden Zerstörungskraft. Die Frage nach dem Frieden stellt sich deshalb dringender denn je. Sie ist nicht isoliert, sondern im Zusammenhang einer weltweiten Entwicklung zu sehen. Um so größer ist die Verantwortung all derer, die das geistige, gesellschaftliche und politische Zusammenleben der Menschen gestalten und beeinflussen. Sie alle sind aufgerufen, die nationale und die internationale Ordnung auf das Fundament der unbedingten Achtung der Würde und der Rechte jedes Menschen, auf die Selbstbestimmung und freie Entfaltung der Völker zu gründen. Alle sind zur Verständigung, zum friedlichen Ausgleich und zur Zusammenarbeit verpflichtet. Das beschwörende Wort, das Papst Pius XII. am Vorabend des Zweiten Weltkriegs an die Regierenden und Völker richtete: "Nichts ist mit dem Frieden verloren. Aber alles kann mit dem Krieg verloren sein", hat nichts von seiner grundsätzlichen Bedeutung und Aktualität eingebüßt.

Auch für die Katholiken unseres Landes ist der Friede ein erstrangiger, unverzichtbarer Wert im innen- und außenpolitischen Bereich, und sie erwarten mit Recht, dass die Kirche alles in ihrer Macht Stehende unternimmt, um den Frieden zu erhalten. Immer wieder wird die Frage aufgeworfen, was die Kirche für den Frieden getan habe und tue. Bisweilen wird die Meinung vertreten, die Kirche habe hier versagt; sie sorge sich zwar· um das Leben der ungeborenen Kinder, aber nicht ebenso entschieden um den Frieden und die Verhinderung von Gewalt und Krieg. In der Tat, auch die Kirche und wrr..aue, die Zeugen der Frohen Botschaft sein wollen, können niemals genug für die Verwirklichung der Rechte des Menschen tun. Unser Gewissen gebietet uns, uns entschlossen und mit ganzer Kraft für den Frieden einzusetzen. Dabei dürfen wir anerkennen, dass die Kirche in den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten diese ihre Verpflichtung immer klarer erkannt hat. Seitdem Papst Benedikt XV. während des Ersten Weltkriegs sich - leider vergeblich - bemühte, den Frieden zu vermitteln, haben die Päpste in den großen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Staaten ihr ganzes moralisches Gewicht in die Waagschale geworfen, um auf die Gesinnung der Menschen, auf die öffentliche Meinung und auf das Gewissen der Staatsmänner einzuwirken, um Hass und falschem Machtstreben Einhalt zu gebieten, die Versöhnung anzubahnen und einen Frieden in Gerechtigkeit und Freiheit herbeizuführen. Die Kirche kann sich nur auf ihren religiös-sittlichen Auftrag berufen, um die Menschen, Völker und Staatsmänner wachzurütteln. Dass der Friede, ein Grundwert des Gemeinwohls, auch heute bedroht ist, hat seine Ursache darin, dass Egoismus, Hass und Machtbesessenheit nicht überwunden sind. Die Kirche weiß um die zerstörerische Macht der Sünde, sie ruft uns und die Völker deshalb nicht nur zur Erkenntnis der Brüderlichkeit der Menschen, sondern auch zur Umkehr auf. Ohne die ständige Umkehr des Herzens und des Willens wird die Sicherung des Friedens und seiner Voraussetzungen auf Dauer nicht gelingen.

Der vorliegende Band wurde von der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle, Mönchengladbach, vorbereitet. Möge das Studium der hier vereinigten Texte dazu beitragen, die Vielfalt der mit der Bewahrung und dem Aufbau einer friedlichen Ordnung verbundenen Probleme zu überdenken; möge dadurch die Einsicht in die sittlichen Grundlagen des Friedens vertieft, das Gewissen geschärft und dazu ermutigt werden, das schwierige Werk der Friedensarbeit zu tun.

Köln, den 15. Oktober 1980

Joseph Kardinal Höffner

Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Einführung

Der vorliegende Band enthält Stellungnahmen der Päpste, des II. Vatikaninischen Konzils und der Bischofssynode aus den Jahren 1963 bis 1980. Es handelt sich um eine auf das Wichtigste konzentrierte Auswahl von 45 zentralen Äußerungen aus einer Fülle von veröffentlichten, das Thema des Friedens betreffenden Dokumenten. Die Sammlung erstreckt sich auf einen Zeitraum, indem weltgeschichtliche und kirchlich-theologische Entwicklungen von außerordentlicher Tragweite vor sich gegangen sind. Es ist ein Ziel dieses Quellenbandes, die ideellen Grundlagen und die positiv-normativen Elemente der kirchlichen Friedensauffassung vorzustellen, die einerseits naturrechtlich, andererseits theologisch-christologisch begründet sind.

Gegenüber dem hier betonten lehrmäßigen Aspekt tritt der Bezug auf die Außenpolitik des Hl. Stuhls im engeren Sinn zurück. Der wichtige Bereich der vatikanischen Friedensdiplomatie dieser Jahre wird erst dann, wenn die Akten einmal zugänglich sein werden, adäquat gewürdigt werden können. Weiterhin wurde aus sachlichen Erwägungen - bis auf einige begründete Ausnahmen - auf die Wiedergabe von Texten verzichtet, die sich auf die mehr innerstaatlich-sozialen Handlungs- und Konfliktfelder beziehen, welche mit den Stichworten: Staatsgewalt, passives und aktives Widerstandsrecht, Klassenkampf, revolutionäre Gewaltanwendung, Terrorismus angedeutet werden können. Eine ihrer Bedeutung angemessene Berücksichtigung dieser Problemkreise hätte zudem den Umfang der Publikation gesprengt.

Der Band beginnt mit dem auszugsweisen Abdruck der vom 11. April 1963 datierten Enzyklika Pacem in terris (Nr. 1) von Papst Johannes XXIII. Dieses Dokument ist im vorliegenden Zusammenhang wegweisend, da es eine differenzierte Lehre vom Frieden im Sinne des auf der Schöpfungsordnung basierenden menschlichen Zusammenlebens enthält. Johannes XXIII. ruft "alle Menschen guten Willens" dazu auf, das Gefüge der staatlich-gesellschaftlichen Ordnung an den Prinzipien der Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit zu orientieren.

Als letztes Dokument des Bandes (Nr. 45) ist der Schlussteil der Ansprache wiedergegeben, die Papst Johannes Paul II. während seines Frankreichbesuchs am 2. Juni 1980 vor dem Exekutivrat der UNESCO hielt. In dieser Ansprache erinnerte der Papst an den Wert "der zweckfreien Erkenntnis der Wahrheit" als Voraussetzung einer schöpferischen Kultur. Er warnte zugleich vor einer ethischen Desorientierung der Wissenschaften und wandte sich - vor allem in Anbetracht der zerstörerischen Gewalt der Nuklearwaffen - mit einem eindringlichen Appell an die Vernunft und das Gewissen der versammelten Wissenschaftler, ihre Arbeit "in den Dienst des menschlichen Lebens zu stellen".

Wenn in der vorliegenden Auswahl die Äußerungen von Papst Paul VI. einen Schwerpunkt bilden, so ist zu bedenken, dass der Pontifikat dieses Papstes fast den gesamten von diesem Band erfassten Zeitraum währte. Doch abgesehen davon, hat Paul VI. von Anfang an die Sorge um den Frieden in den Mittelpunkt seines Denkens und Handelns gestellt. Beispielhaft geschah dies etwa in seinen Weihnachtsbotschaften von 1963 (Nr. 2) und 1964 (Nr. 7) sowie in seiner Antrittsenzyklika Ecclesiam suam (Nr. 3), die der Bedeutung des "Dialogs" als eines grundlegenden Beitrags für das Gestaltungsverhältnis von Kirche und Welt gewidmet ist. In der Enzyklika Populorum progressio (N r. 12) vom 26. März 1967 entfaltete Paul VI. in der Konsequenz seines christozentrischen Denkens die Forderung nach einer umfassenden, weltweiten "Entwicklung". Wie zuvor Pacem in terris, so verlieh auch diese Enzyklika der Sache des Friedens über den Raum der Kirche hinaus neue Impulse.

In seiner Botschaft vom 8. Dezember 1967 (Nr. 14) rief Paul VI. alle Menschen dazu auf, künftig den 1. Januar als "Tag des Friedens" zu begehen. Die seitdem jährlich veröffentlichten Botschaften zum Weltfriedenstag Papst Johannes Paul II.hat diese Tradition aufgenommen und fortgeführt - dienen nicht nur dem Anliegen, den Frieden als vorrangige Aufgabe darzustellen, sondern auch dazu, die religiöse und geistig-sittliche Substanz der Friedensethik der Päpste sichtbar und publik zu machen.

Das unermüdliche Eintreten Pauls VI. für den Frieden ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund seiner persönlichen geschichtlichen Erfahrungen zu sehen. In seiner Ansprache zum Gedenken an den Ausbruch der beiden Weltkriege (Nr. 5) vom 26. August 1964 zeigte sich Paul VI. außerordentlich besorgt über das Phänomen des Zusammenbruchs einiger Grundprinzipien der internationalen Moral, "von denen man glaubte, sie seien nach den tragischen Erfahrungen zweier Weltkriege ein fest erworbener Besitz geworden". Paul VI. sah sich der immer wieder aufbrechenden Friedlosigkeit (vgl. bes. Nr. 13,17 und 21) konfrontiert, vor allem dem seit Mitte der sechzig er Jahre eskalierenden Vietnamkrieg. Das Kriegsgeschehen in Südostasien hat den Papst tief getroffen. Er ist bei unzähligen Gelegenheiten, hauptsächlich bei seinen Audienzen, darauf zurückgekommen. Hier kann es nur darum gehen, sich auf einige exemplarische Äußerungen zu beschränken (N r. 11, 15, 16, 26, 27, 31). Die Hoffnungen des Papstes auf einen Frieden, "der auf der Gerechtigkeit und Freiheit der Menschen gegründet ist", sowie auf einen Frieden ohne Vergeltung haben sich nicht erfüllt. Wie sehr sich Paul VI. bis zuletzt um den Frieden mühte, bezeugt seine Botschaft an die Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen (Nr. 37) vom 24. Mai 1978.

Während der Beratungen des II. Vatikanischen Konzils haben die Fragen der "Förderung des Friedens" und der "Vermeidung des Krieges" eine bedeutende Rolle gespielt. Die Konzilsväter haben mit diesen Problemen schwer gerungen. Das Ergebnis ihrer Überlegungen und Debatten findet sich im V. Kapitel der Pastoralkonstitution Gaudium et spes, dessen grundsätzliche Passagen in diesen Band aufgenommen worden sind (vgl. Nr. 9). Angesichts der ungeheuren Zerstörungskapazität der "wissenschaftlichen Waffen" sah sich das Konzil gezwungen, "die Frage des Krieges mit einer ganz neuen inneren Einstellung zu prüfen". Der von den Konzilsvätern erarbeitete Text sucht den gegebenen Schwierigkeiten gerecht zu werden: Demnach kann einer Regierung "das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung" nicht abgesprochen werden, "solange die Gefahr von Krieg besteht und solange es noch keine zuständige internationale Autorität gibt, die mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet ist", und "wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung erschöpft sind". Daneben hat sich das Konzil die schon von den letzten Päpsten ausgesprochene Verurteilung des "totalen Krieges" zu eigen gemacht. Es war zudem davon überzeugt, dass der Rüstungswettlauf"kein sicherer Weg" sei, "den Frieden zu sichern", da er nicht die Ursachen des Krieges beseitige. Der Rüstungswettlauf, erklärte das Konzil, sei "eine der schrecklichsten Wunden der Menschheit": "Er schädigt unerträglich die Armen". Die Konzilsväter traten schließlich dafür ein, mit allen Kräften eine Epoche vorzubereiten, "in der auf der Basis einer Übereinkunft zwischen allen Nationen jeglicher Krieg absolut geächtet werden kann". Bis dahin sollte man "wirklich mit der Abrüstung beginnen, nicht einseitig, sondern in vertraglich festgelegten gleichen Schritten und mit echten wirksamen Sicherungen". Der Friede sollte nicht "durch den Schrecken der Waffen auferlegt" werden, sondern "aus dem gegenseitigen Vertrauen der Völker erwachsen".

Die Bischofssynode, das von Paul VI. neu geschaffene weltkirchlich-synodale Gremium, hat bei ihrer Zusammenkunft 1971 in Rom ein Dokument (Nr. 22) verabschiedet, das - der Titel De iustitia in mundo weist darauf hin - die Frage nach den Ursachen der Ungerechtigkeit einerseits und die Frage nach der Verwirklichung der Gerechtigkeit andererseits sowie deren theologische Begründung in das Zentrum der Überlegungen rückt. Ebenso wird in dem von Papst Paul VI. und der Bischofssynode 1974 gemeinsam erlassenen "Aufruf über Menschenrechte und Versöhnung" (Nr. 29) die Frage des Friedens unmittelbar berührt.

Papst Johannes Paul I., dem nur ein Pontifikat von 33 Tagen beschiede war, ist hier mit seiner Ansprache an das Diplomatische Korps (Nr. 38) vom 31. August 1978 vertreten, in der er an das primär pastorale Wirken des HI. Stuhls erinnert, wozu als genuines Arbeitsfeld auch die "so delikate Aufgabe, den Frieden zu errichten", gehört.

In seiner Enzyklika Redemptor hominis (Nr. 40) vom 4. März 1979 hat Papst Johannes Paul II.die Grundzüge eines vom Glauben an Christus getragenen Humanismus entworfen. Wie er schreibt, ist jeder Mensch von Christus betroffen. Christus hat sich jedem Menschen verbunden. In diesem Geheimnis gründet die Achtung, die Freiheit und die Würde jedes "einzelnen", "konkreten", "geschichtlichen" Menschen. Darin besteht die "menschliche Dimension" der Erlösung. Derselbe Papst hat am 2. Oktober 1979 in seiner Ansprache (Nr. 43) vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York ein leidenschaftliches Bekenntnis für die Achtung der Menschenwürde und die Verwirklichung der Menschenrechte abgelegt und darauf eine "neue Sicht" des Friedens gegründet. Gleichzeitig h er, wie schon seine Vorgänger Johannes XXIII. (vgl. Nr. 1) und Paul , (vgl. Nr. 8, 10, 18), die ideelle Begründung und die Zielsetzung der UNO; bejaht und anerkannt. In der Erinnerung an das Unrecht des Zweiten Weltkriegs, das der Mensch und polnische Staatsbürger Karol Wojtyla existentiell erfahren hat, und in der Erinnerung an die Massenmorde in Auschwitz (vgl. Nr. 41) zieht Papst Johannes Paul II. die Konsequenz, indem er da aufruft, sowohl "die Rechte der Nationen zu sichern: ihre Rechte auf Existenz, auf Freiheit, auf Unabhängigkeit, auf eine eigene Kultur und a eine echte Entwicklung", als auch der Verachtung des Menschen und seiner Grundrechte, der Erniedrigung des Menschen durch den Menschen gleich von welchem politischen System verübt und von welchem Land begangen", ein Ende zu setzen.

Was die Frage der Übersetzungen betrifft, so wird die auszugsweise Wiedergabe der Enzyklika Pacem in terris (Nr. 1), der Pastoralkonstitution Gaudium et spes (Nr. 9), der Enzyklika Populorum progressio (Nr. 12), des Dokuments der Bischofssynode 1971 De iustitia in mundo (Nr. 22) und der Enzklika Redemptor hominis (Nr. 40) in der auf Anregung der deutschen Bischöfe hergestellten bzw. von ihnen genehmigten Fassung abgedruckt. Die teilweisen Abdrucke der Weihnachtsbotschaften des Jahres 1963 (Nr. 2) und 1964 (Nr. 7), der Enzyklika Ecclesiam suam (Nr. 3) und der Botschaft zum Weltfriedenstag 1970 (Nr. 20) sind mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der "Herder-Korrespondenz" entnommen. Als Fundort für die Dokumente Nr. 5, 6, 8, 11, 13-16 diente der IV. Band des von Arthur Utz und Brigitta v. Galen herausgegebenen Sammelwerks "Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung" (Aachen 1976). Die Dokumente Nr. 10, 17-19,21 werden in der Form wiedergegeben, wie sie in dem von Konrad W. Kraemer herausgegebenen Band "Papst Paul VI. an die Welt. Ansprachen und Botschaften 1963-1969" (Osnabrück 1970) enthalten sind bzw. wie sie die Katholische Nachrichten-Agentur zur Verfügung stellte. Das Dokument Nr. 4 wurde für diesen Band eigens übersetzt, wie überhaupt von Fall zu Fall, wo dies erforderlich war, Verbesserungen nach dem Original vorgenommen worden sind. Da seit dem Oktober 1971 eine deutsche Ausgabe des "Osservatore Romano" erscheint, wurden die hier gebotenen Übersetzungen (Nr. 23 ff.) benutzt, wobei zum Teil ihr Abdruck in "Wort und Weisung" (Dokumente Nr.29-39) und in den vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz herausgegebenen "Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls" (Dokumente Nr. 40-43, 45) zugrundegelegt worden ist.

Die Dokumente wurden in chronologischer Reihenfolge angeordnet und durchnumeriert. Der Dokumentenkopf enthält in der Regel den Autor, die Bezeichnung des literarischen Genus, den Ort und das Erscheinungsdatum. Gelegentlich wird auch der besondere Anlass erwähnt. Um dem Leser den Zugang zu den Originaltexten in den "Acta Apostolicae Sedis" bzw. im "Osservatore Romano" zu erleichtern, wurden die diesbezüglichen Angaben hinzugefügt.

Die Wiedergabe der Dokumente ist dahingehend vereinheitlicht worden, dass sämtliche Anmerkungen in den Text eingearbeitet wurden. Die Anreden in den Enzykliken, Botschaften und Ansprachen entfallen generell, wie in der Regel auch die Begrüßungs- und Schlussformeln. Auslassungen sind mit ( ... ) gekennzeichnet.

Die den Texten hinzugefügten Randstichworte haben den Zweck, die Hauptgesichtspunkte der jeweiligen Sinnabschnitte fortlaufend festzuhalten. Die Randstichworte der Enzyklika Pacem in terris entsprechen weitgehend den vom deutschen Übersetzer stammenden Zwischenüberschriften. Die Randstichworte von Gaudium et spes sind praktisch mit den auch im Original vorhandenen abschnittseinleitenden Stichworten identisch. Da die deutsche Übersetzung der Enzyklika Populorum progressio (Paulinus Verlag, Trier 1967) bereits mit Marginalien versehen war, wurden diese - außer zweien - übernommen.

Dem Band ist ein ausführliches Register beigegeben. Auf diese Weise sollen die tragenden Elemente und Prinzipien der hier dokumentierten Lehre vom Frieden besser erschlossen werden können, d. h. Begriffe Achtung vor dem Leben, Menschenwürde, Menschenrechte, Entwicklung, Abrüstung, Gerechtigkeit, Freiheit, Brüderlichkeit u. dgl. Damit wird zugleich deutlich, wie grundlegend die differenzierte und wertorientierte kirchliche Friedenskonzeption sich von einem Friedensbegriff unterscheidet, der einem eindimensionalen Denken gleich welcher Richtung oder einer machiavellistischen Auffassung der Politik verhaftet ist.

Mönchengladbach, den 6. Oktober 1980

Günter Baadte

Wissenschaftlicher Referent der Katholischen
Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle

Abkürzungen

AAS Acta Apostolicae Sedis

AL Leonis XIII Maximi Pontificis Acta

OR Osservatore Romano

PL Patrologia Latina

1. Papst Johannes XXIII.: Enzyklika Pacem in terris vom 11. April 1963

AAS 55 (1963) 257-304

1. Der Friede auf Erden, nach dem alle Menschen zu allen Zeiten sehnlichst verlangten, kann nur dann begründet und gesichert werden, wenn die von Gott gesetzte Ordnung gewissenhaft beobachtet wird.

2. Aus den Fortschritten der Wissenschaften und den Erfindungen der Technik ersehen wir deutlich, dass in den Lebewesen und in den Naturkräften eine wunderbare Ordnung herrscht, und auch, dass der Mensch gewürdigt wird, die Ordnung zu entdecken und geeignete Werkzeuge anzufertigen, um sich dieser Kräfte zu bemächtigen und sie zu seinem Nutzen zu gebrauchen.

3. Aber der Fortschritt der Wissenschaften und die Erfindungen der Technik offenbaren vor allem die unendliche Größe Gottes, der die Gesamtheit der Dinge und den Menschen selbst erschuf. Er schuf, so sagen Wir, aus dem Nichts die Gesamtheit der Dinge und verschwendete auf sie die Fülle seiner Weisheit und Güte. Daher lobt der Psalmist Gott mit den Worten: "Herr, Herr, wie wunderbar ist dein Name auf dem ganzen Erdenrund" (Ps 8,2); und an einer anderen Stelle: "Wie zahlreich sind deine Werke, Herr! Alles hast du mit Weisheit gemacht" (Ps 103, 24). Den Menschen aber schuf Gott "nach seinem Bild und Gleichnis" (vgl. Gen 1,26), ausgestattet mit Verstand und Freiheit, und bestellte ihn zum Herrn aller Dinge, wie der Psalmist es bekennt: "Du hast ihn nur wenig unter die Engel gestellt, mit Ruhm und Ehre ihn gekrönt; du hast ihm Macht verliehen über deiner Hände Werk, alles hast du ihm zu Füßen gelegt" (Ps 8,60.

4. Zu der vorzüglichen Ordnung des Universums steht nun aber die Unordnung unter den einzelnen wie unter den Völkern in krassem Widerspruch, wie wenn die Beziehungen, die sie untereinander verbinden, nur mit Gewalt geregelt werden könnten.

5. Jedoch hat der Schöpfer der Welt die Ordnung ins Innere des Menschen eingeprägt; sein Gewissen tut sie ihm kund und befiehlt ihm unbedingt, sie einzuhalten: "Sie lassen erkennen, dass der Inhalt des Gesetzes ihren Herzen eingeschrieben ist, indem ihnen ihr Gewissen Zeugnis gibt" (Röm 2, 15). Wie könnte es auch anders sein? Denn was Gott auch immer gemacht hat, das offenbart seine unendliche Weisheit, und zwar um so klarer, je größer die Vollkommenheit ist, deren es sich erfreut (vgl. Ps 18, 8-11).

6. Eine falsche Ansicht gibt jedoch häufig Anlass zu einem Irrtum. Viele meinen, die Beziehungen, die zwischen den einzelnen Menschen und dem Staat bestehen, könnten durch dieselben Gesetze geregelt werden, durch welche die vernunftlosen Kräfte und Elemente des Universums gelenkt werden. Diese Gesetze aber, die von ganz anderer Art sind, können selbst verständlich nur dort entnommen werden, wo sie der Schöpfer aller Dinge eingeschrieben hat, nämlich aus der Natur der Menschen.

7. Durch diese Gesetze werden die Menschen deutlich belehrt, wie sie ihn gegenseitigen Beziehungen im Zusammenleben mit anderen Menschel gestalten sollen; wie die Beziehungen zu regeln sind, die zwischen den Staatsbürgern und den staatlichen Behörden bestehen; ferner, wie die Staaten einander begegnen sollen; schließlich, in welcher Weise die einzelnen Menschen und Staaten und anderseits die Gemeinschaft aller Völker sich gegeneinander zu verhalten haben. Dass diese Gemeinschaft endlich gegründet werde, ist heute ein dringendes Erfordernis des allgemeinen Wohls.

I. DIE ORDNUNG UNTER DEN MENSCHEN

8. An erster Stelle ist die Ordnung darzustellen, die unter Menschen herrschen muss.

9. Jedem menschlichen Zusammenleben, das gut geordnet und fruchtbar sein soll, muss das Prinzip zugrunde liegen, dass jeder Mensch seinem Wesen nach Person ist. Er hat eine Natur, die mit Vernunft und Willensfreiheit ausgestattet ist; er hat daher aus sich Rechte und Pflichten, die unmittelbar und gleichzeitig aus seiner Natur hervorgehen. Wie sie allgemein gültig und unverletzlich sind, können sie auch in keiner Weise veräußert werden (vgl. Pius XII., Weihnachtsbotschaft 1942: AAS 35 [194: 9-24; Johannes XXIII., Ansprache, 4.1. 1963: AAS 55 [1963] 89-91).

10. Wenn wir die Würde der menschlichen Person nach den Offenbarungswahrheiten betrachten, müssen wir sie noch viel höher einschätzen. Den die Menschen sind ja durch das Blut Jesu Christi erlöst, durch die himmlische Gnade Kinder und Freunde Gottes geworden und zu Erben der ewigen Herrlichkeit eingesetzt.

11. Bezüglich der Menschenrechte, die Wir ins Auge fassen wollen, stellen Wir gleich zu Beginn fest, dass der Mensch das Recht auf Leben hat, auf die Unversehrtheit des Leibes sowie auf die geeigneten Mittel zu angemessener Lebensführung. Dazu gehören Nahrung, Kleidung, Wohnung, Erholung, ärztliche Behandlung und die notwendigen Dienste, um die sich der Staat gegenüber den einzelnen kümmern muss. Daraus folgt auch, dass der Mensch ein Recht auf Beistand hat im Falle von Krankheit, Invalidität Verwitwung, Alter, Arbeitslosigkeit oder wenn er ohne sein Verschulden sonst der zum Leben notwendigen Dinge entbehren muss (vgl. Pius Xl Divini redemptoris: AAS 29 [1937] 78; Pius XII., Pfingstansprache, 1. 6. 1941: AAS 33 [1941]195-205).

12. Von Natur aus hat der Mensch außerdem das Recht, dass er gebührend geehrt und sein guter Ruf gewahrt wird, dass er frei nach der Wahrheit suchen und unter Wahrung der moralischen Ordnung und des Allgemeinwohls seine Meinung äußern, verbreiten und jedweden Beruf ausüben darf; dass er schließlich der Wahrheit entsprechend über die öffentlichen Ereignisse in Kenntnis gesetzt wird.

13. Zugleich steht es dem Menschen kraft des Naturrechts zu, an der geistigen Bildung teilzuhaben, d. h. also auch das Recht, sowohl eine Allgemeinbildung als auch eine Fach- und Berufsausbildung zu empfangen, wie es der Entwicklungsstufe des betreffenden Staatswesens entspricht. Man muss eifrig darauf hinarbeiten, dass Menschen mit entsprechenden geistigen Fähigkeiten zu höheren Studien aufsteigen können, und zwar so, dass sie, wenn möglich, in der menschlichen Gesellschaft zu Aufgaben und Ämtern gelangen, die sowohl ihrer Begabung als auch der Kenntnis entsprechen, die sie sich erworben haben (vgl. Pius XII., Weihnachtsbotschaft 1942: AAS 35 [1943] 9-24).

14. Zu den Menschenrechten gehört auch das Recht, Gott der rechten Norm des Gewissens entsprechend zu verehren und seine Religion privat und öffentlich zu bekennen. Denn wie Lactantius treffend sagt, "werden wir mit der Bestimmung geboren, Gott, unserem Schöpfer, den gerechten und schuldigen Gehorsam zu erweisen; ihn allein sollen wir anerkennen, ihm folgen. Durch dieses Band der Frömmigkeit sind wir Gott verpflichtet und verbunden; und daher hat auch die Religion ihren Namen" (Divinae Institutiones IV28,2: PL 16,535). Zur gleichen Sache stellte Unser Vorgänger unsterblichen Andenkens Leo XIII. nachdrücklich fest: "Diese wahre und der Kinder Gottes würdige Freiheit, welche die Würde der menschlichen Person in vornehmster Weise schützt, ist größer als alle Gewalt und alles Unrecht; sie ist der Kirche immer ein Anliegen und besonders teuer. Diese Art von Freiheit haben die Apostel ständig für sich in Anspruch genommen, die Apologeten in den Schriften unverbrüchlich festgelegt, die Martyrer in unermeßlicher Zahl durch ihr Blut geheiligt" (Libertas praestantissimum: AL 8 [1888] 237-238).

15. Darüber hinaus haben die Menschen das unantastbare Recht, jenen Lebensstand zu wählen, den sie für gut halten, d. h. also, entweder eine Familie zu gründen, wobei in dieser Gründung Mann und Frau gleiche Rechte und Pflichten haben, oder das Priestertum oder den Ordensstand zu ergreifen (vgl. Pius XII., Weihnachtsbotschaft 1942: AAS 35 [1943] 9-24).

16. Die Familie, die auf der Ehe ruht, die selbstverständlich frei geschlossen, eins und unauflöslich ist, muss als die erste und natürliche Keimzelle der menschlichen Gesellschaft angesehen werden. Daraus folgt, dass für sie sowohl auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet als auch in kultureller und sittlicher Hinsicht möglichst gut gesorgt werden muss. Dies alles dient dazu, die Familie zu festigen und in der Erfüllung ihrer Aufgabe zu unterstützen.

17. Pflege und Erziehung der Kinder aber sind an erster Stelle das Recht der Eltern (vgl. Pius XI., Casti connubii: AAS 22 [1930]539-592; Pius XII., Weihnachtsbotschaft 1942: AAS 35 [1943] 9-24).

18. Wenn Wir Uns nun dem Bereich der Wirtschaft zuwenden, so ergibt sich für den Menschen auf Grund des Naturrechtes nicht nur, dass ihm Arbeitsmöglichkeit gegeben werden muss, sondern auch, dass er seine Arbeit frei übernimmt (vgl. Pius XII., Pfingstbotschaft, 1. 6. 1941: AAS 33 [1941] 201).

19. Mit diesen Rechten ist ohne Zweifel auch das Recht auf solche Arbeitsbedingungen verbunden, unter denen weder die Körperkräfte geschwächt noch die guten Sitten zugrunde gerichtet werden, noch dem rechten Wachsen und Gedeihen der Jugendlichen Schaden zugefügt wird. Bezüglich der Frauen gilt, dass ihnen solche Arbeitsbedingungen zugestanden werden, die den Bedürfnissen und Pflichten der Ehefrauen und Mütter entsprechen (vgl. Leo XIII., Rerum novarum: AL 11 [1891] 128 f.).

20. Aus der Würde der menschlichen Person entspringt auch das Recht, im Bewusstsein eigener Verantwortung wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben (vgl. Johannes XXIII., Mater et magistra: AAS 53 [1961] 442). Hier muss auch erwähnt werden, dass der Arbeiter Anspruch auf gerechten Lohn hat. Er muss im Verhältnis zu den zur Verfügung stehenden Mitteln dem Arbeiter und seiner Familie eine menschenwürdige Lebenshaltung gestatten. Darüber sagt Unser Vorgänger seligen Andenkens Pius XII.: "Der naturgegebenen persönlichen Arbeitspflicht entspricht folgerichtig das naturgegebene persönliche Recht, durch Arbeit für das eigene Leben und das Leben der Seinen Vorsorge zu treffen. So ist der Befehle der Natur auf das erhabene Ziel der Erhaltung des Menschen hingeordnet" (vgl. Pfingstbotschaft, 1. 6. 1941: AAS 33 [1941] 201).

21. Ferner leitet sich aus der Natur des Menschen das Recht auf Privateigentum, auch an Produktivgütern, her. Dieses Recht, wie Wir an anderer Stelle gesagt haben, "schützt in wirksamer Weise die Würde der menschlichen Person und erleichtert die Ausübung der beruflichen Verantwortung in allen Lebensbereichen. Es fördert die Ruhe und Beständigkeit des menschlichen Zusammenlebens in der Familie und fördert den inneren Frieden und die Wohlfahrt des Landes" (Mater et magistra: AAS 53 [1961] 428).

22. Schließlich ist es angebracht, zu bemerken, dass das Recht auf Eigentum zugleich eine soziale Funktion einschließt (vgl. ebd. 430).

23. Daraus aber, dass die Menschen von Natur aus gemeinschaftsbezogen sind, entsteht das Recht der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Sie können den Gemeinschaftsgründungen die Form geben, die sie für die geeignetere halten, um das Ziel zu erreichen, das sie sich gesteckt haben, und in diesen Gemeinschaften aus eigenem Antrieb und aus eigener Verantwortung handeln und diese zum gewünschten Ziel hinlenken (vgl. Leo XIII., Rerum novarum: AL 11 [1891]134-142; Pius XI., Quadragesimo anno: AAS 23 [1931]199 f.; Pius XII., Sertum laetitiae: AAS 31 [1939] 635-644). 24. In der Enzyklika Mater et magistra haben Wir selbst sehr eindringlich darauf hingewiesen, wie sehr es nottut, dass recht viele Vereinigungen oder Körperschaften, die zwischen Familie und Staat stehen, gegründet werden, die den Zwecken genügen, die der einzelne Mensch nicht wirksam erreichen kann. Diese Vereinigungen und Körperschaften sind als überaus notwendige Instrumente zu betrachten, um die Würde und Freiheit in Hinblick auf die Wahrung ihrer Eigenverantwortlichkeit zu schützen (vgl. AAS 53 [1961] 430).

25. Jedem Menschen muss das Recht zugestanden werden, innerhalb der Grenzen seines Staates seinen Wohnsitz zu behalten oder zu ändern; ja es muss ihm auch erlaubt sein, sofern gerechte Gründe dazu raten, in andere Staaten auszuwandern und dort seinen Wohnsitz aufzuschlagen (vgl. Pius XII., Weihnachtsbotschaft 1952: AAS 45 [1953]33-46). Auch dadurch, dass jemand Bürger eines bestimmten Staates ist, hört er in keiner Weise auf, Mitglied der Menschheitsfamilie und Bürger jener universalen Gesellschaft und jener Gemeinschaft aller Menschen zu sein.

26. Dazu kommt, dass mit der Würde der menschlichen Person das Recht verknüpft ist, am öffentlichen Leben aktiv teilzunehmen und zum Gemeinwohl beizutragen. Dazu sagte Unser Vorgänger Pius XII.: "Weit entfernt, nur Gegenstand und gleichsam ein passives Element des sozialen Lebens zu sein, ist und muss er vielmehr dessen Träger, Grundlage und Ziel sein" (vgl. Weihnachtsbotschaft 1944: AAS 37 [1945] 12).

27. Zur menschlichen Person gehört auch der gesetzliche Schutz ihrer Rechte, der wirksam und unparteiisch sein muss in Übereinstimmung mit den wahren Normen der Gerechtigkeit, wie Unser Vorgänger seligen Andenkens Pius XII. mahnt: "Aus der gottgesetzten Rechtsordnung ergibt sich das unveräußerliche Recht des Menschen auf Rechtssicherheit und damit auf einen greifbaren Rechtsbereich, der gegen jeden Angriff der Willkür geschützt ist" (vgl. Weihnachtsbotschaft 1942: AAS 35 [1943] 21). 28. Die bisher von Uns erwähnten Rechte, die aus der Natur hervorgehen, sind in dem Menschen, dem sie zustehen, mit ebenso vielen Pflichten verbunden. Diese Rechte und Pflichten haben ihren Ursprung, ihre Nahrung und unzerstörbare Kraft vom Naturgesetz, durch das sie verliehen oder geboten sind.

29. Um dafür einige Beispiele anzuführen: das Recht des Menschen auf Leben hängt mit der Pflicht zusammen, sein Leben zu erhalten; das Recht auf ein menschenwürdiges Dasein mit der Pflicht, ehrenhaft zu leben; das Recht, frei nach der Wahrheit zu forschen, mit der Pflicht, immer tiefer und weiter nach der Wahrheit zu suchen.

30. Daraus folgt auch, dass in der menschlichen Gemeinschaft dem natürlichen Recht des einen eine Pflicht der anderen entspricht: die Pflicht nämlich jenes Recht anzuerkennen und zu achten. Denn jedes Grundrecht des Menschen leitet seine Kraft und Autorität aus dem natürlichen Sittengesetz her; dieses verleiht jenes Recht und legt die entsprechende Pflicht auf. Diejenigen also, die zwar ihre Rechte in Anspruch nehmen, aber ihre Pflichten ganz vergessen oder nicht entsprechend erfüllen, sind denen zu vergleichen, die ein Gebäude mit einer Hand aufbauen und es mit der anderen wieder zerstören.

31. Da die Menschen von Natur aus Gemeinschaftswesen sind, müssen sie miteinander leben und ihr gegenseitiges Wohl anstreben. Das geordnete Zusammenleben erfordert deshalb, dass sie gleicherweise Rechte und Pflichten wechselseitig anerkennen und erfüllen. Daraus ergibt sich auch, dass jeder großmütig seinen Beitrag leisten muss, um jenes soziale Milieu zu schaffen, durch das die Rechte der Bürger immer sorgfaltiger und segensreicher gewahrt und ihre Pflichten ebenso erfüllt werden.

32. Um dafür ein Beispiel anzuführen: Es genügt nicht, dem Menschen das Recht auf das Lebensnotwendige zuzugestehen, wenn man nicht auch nach Kräften dahin wirkt, dass ihm auch das, was zum Lebensunterhalt gehört, in genügendem Maße zur Verfügung steht.

33. Dazu kommt, dass die Gemeinschaft der Menschen nicht nur geordnet, sondern auch möglichst fruchtbar sein muss. Das verlangt dringend, dass sie ihre Rechte und Pflichten gegenseitig anerkennen und erfüllen, dass sie aber darüber hinaus auch alle gemeinschaftlich an den so vielfaltigen Unternehmungen teilnehmen, die der heutige Stand der Zivilisation erlaubt, nahelegt oder fordert.

34. Außerdem verlangt die Würde der menschlichen Person, dass es dem Menschen möglich gemacht wird, aus eigenem Entschluss und in Freiheit zu handeln. Im Zusammenleben hat er deshalb mit gutem Grund Rechte zu pflegen, Pflichten zu erfüllen und sich aus eigenem Antrieb und Entschluss in den so zahlreichen Werken, die durchzuführen sind, für andere in der Gemeinschaft dienend einzusetzen; und zwar so, dass jeder nach seiner Überzeugung, seinem Urteil und Pflichtbewusstsein handelt und nicht vorwiegend auf Grund von äußerem Zwang und Druck. Wenn eine Gemeinschaft von Menschen allein auf Gewalt aufgebaut ist, so ist sie nicht menschlich; die einzelnen haben dann keine Freiheit mehr, während sie doch im Gegenteil anzuspornen sind, ihr Leben selber zu entfalten und an ihrer Vervollkommnung zu arbeiten.

35. Das bürgerliche Zusammenleben ist deshalb dann als gut geordnet, fruchtbar und der menschlichen Würde entsprechend anzusehen, wenn es auf der Wahrheit gründet, wie der Apostel Paulus mahnt: "Darum leget ab die Lüge, ein jeder rede die Wahrheit mit seinem Nächsten; denn wir sind Glieder untereinander" (Eph 4,25). Das wird dann sicher der Fall sein, wenn jeder seine Rechte und besonders seine Pflichten gegenüber den anderen anerkennt. Überdies wird das Zusammenleben so sein, wie Wir es soeben gezeichnet haben, wenn die Menschen, von der Gerechtigkeit geleitet, sich bemühen, sowohl die Rechte anderer zu achten, als auch die eigenen Pflichten zu erfüllen; wenn sie in solchem Bemühen von der Liebe beseelt sind, dass sie die Nöte der anderen wie ihre eigenen empfinden und die anderen an ihren Gütern teilnehmen lassen, und somit danach streben, dass auf der Welt die höchsten geistigen Werte unter allen verbreitet werden. Aber auch das genügt noch nicht; denn die menschliche Gemeinschaft wächst durch die Freiheit zusammen, und zwar in Formen, die der Würde der Menschen angemessen sind. Da diese von Natur aus vernunftbegabt sind, tragen sie deshalb auch die Verantwortung für ihr Tun.

36. Das Zusammenleben der Menschen ist deshalb, Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, als ein vordringlich geistiges Geschehen aufzufassen. In den geistigen Bereich gehören nämlich die Forderungen, dass die Menschen im hellen Licht der Wahrheit ihre Erkenntnisse untereinander austauschen, dass sie ihre Rechte wahrzunehmen und ihre Pflichten zu erfüllen in den Stand gesetzt werden, dass sie angespornt werden, die geistigen Güter zu erstreben, dass sie aus jeder ehrenhaften Sache, wie immer sie beschaffen sein mag, einen Anlass zu gemeinsamer rechtschaffener Freude gewinnen, dass sie in unermüdlichem Wollen das Beste, was sie haben, einander mitzuteilen und voneinander zu empfangen suchen. Diese Werte berühren und lenken alles, was sich auf Wissenschaft, Wirtschaft, soziale Einrichtungen, Entwicklung und Ordnung des Staates, Gesetzgebung und schließlich auf alle übrigen Dinge bezieht, die äußerlich das menschliche Zusammenleben ausmachen und in ständigem Fortschritt entwickeln.

37. Die Ordnung jedoch, die im menschlichen Zusammenleben waltet, ist ganz geistiger Art: auf der Wahrheit aufruhend, ist sie nach den Geboten der Gerechtigkeit zu verwirklichen; sie verlangt, durch gegenseitige Liebe beseelt und zur Vollendung geführt zu werden; schließlich ist sie in ungeschmälerter Freiheit zu einer täglich menschenwürdigeren Harmonie zu gestalten.

38. Aber diese Art von Ordnung, deren Prinzipien sich auf alle erstrecken und absolut und unveränderlich sind, geht ganz vom wahren, und zwar vom persönlichen und die menschliche Natur übersteigenden Gott aus. Denn da Gott die erste Wahrheit aller Dinge und das höchste Gut ist, ist er zugleich die erhabene Quelle, aus der die menschliche Gemeinschaft allein wahrhaft Leben schöpfen kann, um so recht geordnet, fruchtbar und der menschlichen Würde angemessen zu sein (vgl. Pius XII., Weihnachtsbotschaft 1942: AAS 35 [1943] 14). Hierher gehört jenes Wort des heiligen Thomas von Aquin: "Dass aber die menschliche Vernunft die Richtschnur des menschlichen Willens ist, an der seine Gutheit gemessen werden muss, das hat sie aus dem ewigen Gesetz, welches die göttliche Vernunft ist ... Daraus folgt klar, dass die Gutheit des menschlichen Willens viel mehr vom ewigen Gesetz abhängt als von der menschlichen Vernunft" (Summa theol. I/II. q. 19, a.4; vgl. a.9).

39. Unsere Gegenwart ist durch drei Merkmale gekennzeichnet:

40. Vor allem stellt man den wirtschaftlich-sozialen Aufstieg der Arbeiterklasse fest. Die Arbeiter machten zunächst, vordringlich auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet, ihre Rechte geltend; dann taten sie den Schritt zur Wahrung ihrer politischen Interessen; schließlich richteten sie ihren Sinn besonders darauf, in angemessener Weise an den Gütern der Kultur teilzunehmen. Deshalb sind die Arbeiter heutzutage auf der ganzen Welt besonders darauf bedacht, nie nur als Sache ohne Verstand und Freiheit gewertet zu werden, die andere ausbeuten, sondern als Menschen in allen Bereichen menschlicher Gemeinschaft, d. h. auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet, im Staat und schließlich auch auf dem Feld der Wissenschaften und der Kultur.

41. An zweiter Stelle steht die allgemein bekannte Tatsache, dass die Frau am öffentlichen Leben teilnimmt, was vielleicht rascher geschieht bei den christlichen Völkern und langsamer, aber in aller Breite, bei den Völkern, welche als Erben anderer Überlieferungen auch andere Lebensformen und Sitten haben. Die Frau, die sich ihrer Menschenwürde heutzutage immer mehr bewusst wird, ist weit davon entfernt, sich als seelenlose Sache oder als bloßes Werkzeug einschätzen zu lassen; sie nimmt vielmehr sowohl im häuslichen Leben wie im Staat jene Rechte und Pflichten in Anspruch, die der Würde der menschlichen Person entsprechen.

42. Schließlich bemerken wir in unseren Tagen, dass die ganze Menschheitsfamilie im sozialen wie im politischen Leben eine völlig neue Gestalt angenommen hat. Da nämlich alle Völker für sich Freiheit beanspruchen oder beanspruchen werden, wird es bald keine Völker mehr geben, die über andere herrschen, noch solche, die unter fremder Herrschaft stehen. 43. Denn die Menschen aller Länder und Völker sind entweder bereits Bürger eines freien Staatswesens oder werden es bald sein. Keine einzige Stammesgemeinschaft will in Zukunft noch unter fremder Herrschaft stehen. Denn in der Gegenwart schwinden die Anschauungen, die so viele Jahrhunderte überdauerten, auf Grund derer sich gewisse Menschengruppen für untergeordnet hielten, während andere sich überlegen dünkten, sei es wegen ihrer wirtschaftlichen oder sozialen Stellung, sei es wegen des Geschlechtes oder ihres gesellschaftlichen Ranges.

44. Dagegen verbreitete und behauptete sich weitgehendst die Auffassung, dass alle Menschen in der Würde ihrer Natur unter sich gleich sind. Deshalb wird, wenigstens theoretisch, eine Diskriminierung der Rassen in keiner Weise mehr anerkannt. Und dies ist von größter Bedeutung und größtem Gewicht für die Entwicklung eines menschlichen Zusammenlebens nach den Prinzipien, die Wir erwähnt haben. Sofern in einem Menschen das Bewusstsein seiner Rechte erwacht, muss in ihm auch notwendig das Bewusstsein seiner Pflichten entstehen, so dass, wer bestimmte Rechte hat, zugleich auch die Pflicht hat, sie als Zeichen seiner Würde zu beanspruchen, während die übrigen Menschen die Pflicht haben, diese Rechte anzuerkennen und hochzuschätzen.

45. Wenn so das Grundgefüge der Beziehungen zwischen den Bürgern auf die Rechte und Pflichten abgestellt wird, entdecken die Menschen immer mehr die geistigen Werte, nämlich was Wahrheit, was Gerechtigkeit, was Liebe und was Freiheit ist. So werden sie sich bewusst, Glieder einer solchen Gemeinschaft zu sein. Doch nicht genug! Auf diesem Wege kommen die Menschen dazu, den wahren Gott als die Menschennatur überragendes persönliches Wesen besser zu erkennen. So halten sie schließlich die Beziehungen zu Gott für das Fundament ihres Lebens, das sie sowohl in ihrem Inneren leben als auch gemeinsam mit den übrigen Menschen gestalten.

II. DIE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN MENSCHEN UND DER STAATSGEWALT INNERHALB DER POLITISCHEN GEMEINSCHAFTEN ( ... )

III. DIE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN POLITISCHEN GEMEINSCHAFTEN

80. Was unsere Vorgänger oftmals gelehrt haben, das wollen auch Wir nun mit Unserer Autorität bekräftigen: Es bestehen zwischen den Nationen gegenseitige Rechte und Pflichten. Deshalb sollen auch ihre Beziehungen von der Norm der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der tatkräftigen Solidarität und der Freiheit bestimmt werden. Das gleiche natürliche Sittengesetz, das die Lebensordnung unter den einzelnen Bürgern regelt, soll auch die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Staaten leiten.

81. Dies ist leicht zu begreifen, wenn man bedenkt, dass die Staatslenker keineswegs ihre natürliche Würde einbüßen können, wenn sie so im Namen und für die Interessen ihrer Gemeinschaft arbeiten; darum ist es ihnen nicht erlaubt, dem sie verpflichtenden natürlichen Sittengesetz, das die Grundnorm der Sittlichkeit selbst ist, untreu zu werden.

82. Im übrigen ist es ganz undenkbar, dass Menschen gezwungen sein sollten, ihr Menschsein aufzugeben, weil sie mit der Leitung des Staates beauftragt sind. Haben sie doch im Gegenteil gerade deshalb den Rang dieser höchsten Würde erlangt, weil sie in Anbetracht ihrer ausgezeichneten Geistesgaben und Anlagen als die vortrefflichsten Glieder des Staates befunden wurden.

83. Es folgt auch schon aus der moralischen Ordnung selbst, dass die bürgerliche Gemeinschaft der Menschen einer Autorität bedarf, durch die sie geleitet wird, und dass die Autorität nicht gegen ebendiese Ordnung ausgespielt werden kann; sonst würde sie sofort hinfällig werden, da ihr das Fundament entzogen wäre. Dies ist die Mahnung Gottes selbst: "Höret nun, ihr Könige, und merket wohl, lernet, ihr Richter der Enden der Erde! Lauschet, ihr Herrscher über die Volksmenge, die ihr euch brüstet mit Völkermassen! Denn vom Herrn ward euch die Macht gegeben und die Herrschaft vom Höchsten, der eure Werke prüfen und eure Pläne untersuchen wird" (Weish 6,2-4).

84. Auch hinsichtlich der Regelung der gegenseitigen Beziehungen zwischen den Staaten muss die Autorität für die Förderung des Gemeinwohls aller eintreten, da sie doch in erster Linie zu diesem Zweck eingesetzt ist.

85. Zu den obersten Gesetzen des Gemeinwohls gehört aber, dass die moralische Ordnung anerkannt wird und ihre Gebote unverletzt bewahrt werden: "Die rechte Ordnung unter den Staaten muss aufgebaut sein auf der unverrückbaren Grundlage jenes Sittengesetzes, das vom Schöpfer selbst durch die Ordnung der Natur erlassen und unaustilgbar in die Herzen der Menschen geschrieben ist ... Wie ein Leuchtturm muss das göttliche Sittengesetz mit dem Strahl seiner Grundsätze allen menschlichen und staatlichen Bemühungen die Richtung weisen. Seine heilsamen und wohltätigen Warnungssignale müssen alle befolgen, wollen sie nicht Arbeit und Mühe zur Aufrichtung einer Neuordnung von vornherein zum Schiffbruch in stürmischer See verurteilen" (vgl. Pius XII., Weihnachtsbotschaft 1941: AAS 34 [1942] 16).

86. An erster Stelle gilt, dass die gegenseitigen Beziehungen der. politischen Gemeinschaften untereinander von der Wahrheit bestimmt sein müssen. Die Wahrheit verlangt aber, dass es darin keine Diskriminierung der Rassen geben darf; unantastbar und unerschütterlich gilt darum, dass alle Staaten, was ihre natürliche Würde angeht, untereinander gleichgestellt sind. Jeder hat also das Recht auf Dasein, auf Entfaltung, auf den Besitz der dazu notwendigen Mittel und auch darauf, dass er in der Verwirklichung alles dessen die Hauptverantwortung übernimmt. Desgleichen kann er rechtmäßig verlangen, dass er geachtet und dass ihm die gebührende Ehre erwiesen wird.

87. Die Erfahrung lehrt, dass die Menschen sehr häufig und auch in hohem Maße voneinander verschieden sind an Wissen, Tugend, Geisteskraft und an Besitz äußerer Güter. Daraus kann aber niemals ein gerechter Grund abgeleitet werden, dass diejenigen, die den übrigen überlegen sind, diese irgendwie von sich abhängig machen; vielmehr haben sie, und zwar alle und jeder einzelne, die größere Verpflichtung, den anderen zur Vervollkommnung zu verhelfen, die nur in gegenseitigem Bemühen zu erringen ist.

88. So kann es vorkommen, dass auch unter den Nationen die einen den anderen voraus sind an wissenschaftlichem Fortschritt, an menschlicher Kultur und an wirtschaftlicher Entwicklung. Doch diese Vorzüge erlauben es ihnen keineswegs, zu Unrecht andere zu beherrschen, sondern sollen ihnen vielmehr ein Ansporn sein, mehr zum gemeinsamen Fortschritt der Völker beizutragen.

89. Die Menschen können nicht ihrer Natur nach anderen überlegen sein, da alle mit der gleichen Würde der Natur ausgezeichnet sind. Folglich unterscheiden sich auch die staatlichen Gemeinschaften nicht voneinander hinsichtlich der ihnen von Natur aus innewohnenden Würde; die einzelnen Staaten gleichen nämlich einem Körper, dessen Glieder die Menschen sind. Übrigens zeigt die Erfahrung, dass die Völker in allem, was irgendwie die Würde ihres Namens betrifft, äußerst empfindsam sind, und zwar mit Recht.

90. Ferner gebietet die Wahrheit, dass man sich bei dem Gebrauch der vielfaltigen Möglichkeiten, die durch den Fortschritt der modernen Publikationsmittel geschaffen wurden und durch welche die gegenseitige Kenntnis der Völker gefördert wird, von vornehmer Sachlichkeit leiten lasse. Dies schließt nicht aus, dass es für die Völker gerechtfertigt ist, ihre Vorzüge in das rechte Licht zu rücken. Abzulehnen sind jedoch jene Formen der Nachrichtengebung, durch die unter Missachtung der Gebote der Wahrheit und Gerechtigkeit der Ruf eines Volkes verletzt wird (vgl. Pius XII., Weihnachtsbotschaft 1940: AAS 33 [1941] 5-14).

91. Die· gegenseitigen Beziehungen der Staaten müssen gemäß den Forderungen der Gerechtigkeit geregelt werden. Dies bedeutet, dass die beiderseitigen Rechte anerkannt und die gegenseitigen Pflichten erfüllt werden.

92. Die Staaten haben das Recht auf Dasein, auf Entfaltung und Erwerb der für ihren Fortschritt notwendigen Mittel wie auch das Recht auf ihre Erstzuständigkeit dabei sowie das Recht, ihren guten Ruf und die ihnen gebührenden Ehren zu sichern. Daraus folgt, dass die Staaten in gleicher Weise verpflichtet sind, diese Rechte im einzelnen zu achten und alles zu unterlassen, was eine Verletzung derselben bedeuten könnte. Wie nämlich die Menschen in ihren privaten Angelegenheiten ihren eigenen Vorteil nicht zum ungerechten Schaden anderer suchen dürfen, so dürfen auch die Staaten nicht - wenn sie nicht ein Verbrechen begehen wollen - einen solchen Vorteil erstreben, durch den anderen Nationen Unrecht zugefügt oder sie ungerecht bedrückt würden. Hier scheint das Wort des heiligen Augustinus zutreffend: "Fehlt die Gerechtigkeit, was sind dann die Reiche anderes als große Räuberbanden?" (De civitate Dei IV; 4: PL 41, 115; vgl. Pius XII., Weihnachtsbotschaft 1939: AAS 32 [1940] 5-13).

93. Es kann natürlich vorkommen, wie es auch tatsächlich geschieht, dass die Vorteile, welche im Kampf der Interessen die politischen Gemeinschaften für sich zu erringen suchen, einander widerstreiten. Die daraus entstehenden Gegensätze sollen aber nicht mit Waffengewalt und nicht mit Trug und List gelöst werden, sondern, wie es sich für Menschen geziemt, in gegenseitigem Einvernehmen auf Grund reiflicher sachlicher Überlegung und unparteiischer Schlichtung.

94. Hierher gehört ein besonderes Wort über jene Tendenz im Staatsleben, die seit dem 19. Jahrhundert sich überall verbreitete und zunahm: dass die Menschen gleicher Abstammung politisch selbständig und zu einer Nation vereint sein wollen. Dies kann jedoch aus verschiedenen Gründen nicht immer erreicht werden. Daraus ergibt sich die Tatsache, dass sich völkische Minderheiten innerhalb des Gebietes einer anderen Nation finden, woraus dann schwerwiegende Fragen entstehen.

95.Hierzu muss offen gesagt werden: Was immer gegen diese Völker zur Unterdrückung der Lebenskraft und des Wachstums ihres Stammes unternommen wird, ist eine schwere Verletzung der Gerechtigkeit, und dies um so mehr, wenn solche verwerfliche Gewaltanwendung auf die Ausrottung des Stammes selbst abzielt.

96. Vielmehr entspricht es vollkommen den Geboten der Gerechtigkeit, wenn die Staatslenker sich tatkräftig bemühen, die Lebensbedingungen der Minderheit zu heben, namentlich in dem, was deren Sprache, Kultur, Herkommen und Gebräuche sowie wirtschaftliche Unternehmungen und Initiativen betrifft (vgl. Pius XII., Weihnachtsbotschaft 1941: AAS 34 [1942] 10-21).

97. Dennoch muss bemerkt werden, dass die Minderheiten - sei es in Reaktion auf die ihnen aufgezwungene schwierige Lage, sei es als Nachwirkung geschichtlicher Ereignisse - nicht selten dazu neigen, die Besonderheiten ihres Stammes über Gebühr hervorzuheben, und zwar so sehr, dass sie selbst die menschlichen Werte, die allen eigen sind, so herabmindern, als ob das Wohl der Menschheitsfamilie dem Wohl ihres eigenen Stammes dienen müsse, nicht aber umgekehrt. Es entspricht aber der gesunden Vernunft, dass diese Bürger auch die Vorteile anerkennen, die ihnen aus ihrer besonderen Lage erwachsen; dass nämlich der tägliche Umgang mit Bürgern einer anderen Kultur nicht wenig beiträgt zur Vervollkommnung ihres Geistes und Herzens, da sie sich allmählich die Tugenden des anderen Stammes innerlich aneignen können. Doch dies wird nur dann eintreten, wenn die Minderheiten eine gewisse Gemeinschaft mit den sie umgebenden Völkern pflegen und an deren Gebräuchen und Einrichtungen teilzunehmen suchen, nicht aber, wenn sie Zwistigkeiten säen, die unzählige Schäden verursachen und den Fortschritt der Nationen aufhalten.

98. Da die gegenseitigen Beziehungen der Staaten gemäß der Wahrheit und Gerechtigkeit geregelt werden sollen, müssen sie besonders durch tatkräftige Solidarität gefördert werden. Dies kann durch eine vielfältige gegenseitige Zusammenarbeit erreicht werden, wie es in unserer Zeit mit gutem Erfolg auf dem Gebiete der Wirtschaft, der Sozialarbeit, der Politik, der Kultur, des Gesundheitswesens und des Sportes geschieht. Diesbezüglich müssen wir uns vor Augen halten, dass die Staatsgewalt ihrer Natur nach nicht dazu eingesetzt ist, die Menschen in die Grenzen der jeweiligen politischen Gemeinschaft einzuzwängen, sondern vor allem für das Gemeinwohl des Staates zu sorgen, das von dem der ganzen Menschheitsfamilie gewiss nicht getrennt werden kann.

99. Dies bedeutet, dass die einzelnen staatlichen Gemeinschaften in der Wahrung ihrer Interessen einander nicht nur nicht schaden dürfen, sondern auch mit Rat und Tat sich zusammentun sollen, wenn die Anstrengungen der einzelnen Staaten die gewünschten Ziele nicht erreichen können. In diesem Falle muss man sehr darauf achten, dass die Vorteile, die sich für die einen Staaten ergeben, den anderen nicht mehr Schaden als Nutzen bringen.

100. Auch das universale Gemeinwohl verlangt, dass in jeder einzelnen Nation der Verkehr jeglicher Art zwischen Bürgern und zwischen sozialen Gruppen gefördert werde. Denn da es in vielen Teilen der Erde Stammesgruppen gibt, die der Abstammung nach mehr oder weniger voneinander verschieden sind, muss man Vorsorge treffen, dass nicht die Glieder eines Volksstammes am Umgang mit denen des anderen gehindert werden. Dies wäre in offenem Widerspruch zu einer Zeit wie der unsrigen, in der die Entfernungen unter den Völkern beinahe aufgehoben sind. Es darf auch nicht übersehen werden, dass die Menschen eines jeden Stammes neben ihren besonderen Anlagen, die sie von den anderen unterscheiden, auch mit diesen gemeinsame Eigenschaften besitzen, Eigenschaften, die eine bedeutende Rolle in ihrem stetigen Aufstieg und ihrer Vervollkommnung, besonders der geistigen, spielen. Sie haben also das Recht und die Pflicht, ihr Leben in Gemeinschaft mit den übrigen Gliedern der Gemeinschaft zu verbringen.

101. Es ist allgemein bekannt, dass mancherorts auf Erden ein ungleiches Verhältnis zwischen der Fläche des bestellbaren Landes und der Zahl der Einwohner besteht, anderswo zwischen den Bodenschätzen und den zur Verfügung stehenden Mitteln zu deren Ausbeutung. Daraus entspringt die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit zum Zweck eines leichteren Austausches der Güter, der Kapitalien und der Menschen (vgl. Johannes XXIII., Mater et magistra: AAS 53 [1961] 439).

102. Hier halten Wir es für angebracht, dass, soweit möglich, das Kapital die Arbeit suche, nicht aber die Arbeit das Kapital. Auf diese Weise wird vielen die Möglichkeit einer Vermögensmehrung geboten, ohne dass sie zu ihrem großen Kummer gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, einen anderen Wohnsitz zu suchen, in einer neuen Lage sich zurechtzufinden und mit anderen Menschen neue Beziehungen aufzunehmen.

103. Da Wir, von Gott selbst bewegt, gegenüber allen Menschen die Gesinnung väterlicher Liebe hegen, betrachten Wir mit großem Schmerz das Los derer, die aus politischen Gründen aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Viele und unglaubliche Leiden begleiten ja ständig die große, in unserer Zeit wahrlich ungezählte Menge dieser Flüchtlinge.

104. Diese Erscheinung zeigt, dass die Regierungen gewisser Nationen die Grenzen der gehörigen Freiheit allzu sehr einengen, in deren Bereich es den einzelnen gestattet sein soll, ein menschenwürdiges Leben zu führen. In solchen Staaten wird zuweilen sogar das Recht auf Freiheit selbst in Frage gestellt oder auch ganz aufgehoben. Wenn dies geschieht, wird die rechte Ordnung der bürgerlichen Gesellschaft völlig umgestürzt; denn die Staatsgewalt ist ihrer Natur nach zum Schutz des Wohles der Gemeinschaft bestimmt. Ihre erste Aufgabe besteht darin, den Raum der Freiheit anzuerkennen und ihre Rechte in vollem Umfang zu sichern.

105. Deshalb ist es angezeigt, an dieser Stelle daran zu erinnern, dass diese Flüchtlinge mit der Würde einer Person ausgestattet sind und dass ihnen die Rechte einer Person zuerkannt werden müssen. Diese Rechte können die Flüchtlinge dadurch, dass sie des Bürgerrechtes ihrer politischen Gemeinschaft beraubt wurden, nicht verlieren.

106. Zu den Rechten der menschlichen Person gehört es auch, sich in diejenige Staatsgemeinschaft zu begeben, in der man hofft besser für sich und die eigenen Angehörigen sorgen zu können. Deshalb ist es Pflicht der Staatslenker, ankommende Fremde aufzunehmen und, soweit es das wahre Wohl ihrer Gemeinschaft zuläßt, dem Vorhaben derer entgegenzukommen, die sich einer neuen Gemeinschaft anschließen wollen.

107. Bei dieser Gelegenheit anerkennen und loben Wir daher öffentlich alle jene Bemühungen, die im Sinne der Grundsätze der brüderlichen Verbundenheit und der christlichen Liebe sich zum Ziele setzen, die Mühsal derer zu lindern, die aus ihrer Heimat anderswohin auszuwandern gezwungen sind.

108. Und Wir möchten nicht unterlassen, alle rechtschaffenen Menschen lobend hinzuweisen auf jene internationalen Einrichtungen, die auf diesem wichtigen Gebiet alle ihre Kräfte einsetzen.

109. Anderseits sehen Wir nicht ohne großen Schmerz, dass in den wirtschaftlich gut entwickelten Staaten ungeheuere Kriegsrüstungen geschaffen wurden und noch geschaffen werden und dass dafür die größten geistigen und materiellen Güter aufgewendet werden. So kommt es, dass die Bürger dieser Nationen keine geringen Lasten zu tragen haben und andere Staaten, die sich wirtschaftlich und sozial entwickeln sollten, der notwendigen Hilfeleistungen entbehren.

110. Als rechtfertigenden Grund für diese militärische Rüstung pflegt man anzugeben, dass unter den gegenwärtigen Umständen der Friede nur durch das Gleichgewicht der Rüstungen gesichert werden kann. Die militärische Rüstungssteigerung an einer Stelle hat also zur Folge, dass auch anderswo das Bestreben aufzurüsten zunimmt. Und wenn eine Nation mit Atomwaffen ausgerüstet ist, gibt dies anderen Nationen Anlass, dass auch sie sich solche Waffen mit gleicher Zerstörungskraft zu verschaffen suchen.

111. Infolgedessen befinden sich die Völker beständig in Furcht, wie vor einem Sturm, der jeden Augenblick mit erschreckender Gewalt losbrechen kann. Und das nicht ohne Grund, denn an Waffen fehlt es tatsächlich nicht. Wenn es auch kaum glaublich ist, dass es Menschen gibt, die es wagen möchten, die Verantwortung für die Vernichtung und das Leid auf sich zu nehmen, die ein Krieg im Gefolge hat, so kann man doch nicht leugnen, dass unversehens und unerwartet ein Kriegsbrand entstehen kann. Und wenn auch die ungeheuere militärische Rüstung heute die Menschen davon abschrecken dürfte, einen Krieg zu beginnen, so besteht dennoch Grund zur Befürchtung, dass die schon für Kriegszwecke unternommenen Kernwaffenexperimente, wenn sie nicht aufhören, die verschiedenen Arten des Lebens auf Erden in schwere Gefahr bringen können.

112. Deshalb fordern Gerechtigkeit, gesunde Vernunft und Rücksicht auf die Menschenwürde dringend, dass der allgemeine Rüstungswettlauf aufhört; dass ferner die in verschiedenen Staaten bereits zur Verfügung stehenden Waffen auf beiden Seiten und gleichzeitig vermindert werden; dass Atomwaffen verboten werden; und dass endlich alle auf Grund von Vereinbarungen zu einer entsprechenden Abrüstung mit wirksamer gegenseitiger Kontrolle gelangen. "Es darf nicht gestattet werden", mahnte Unser Vorgänger seligen Andenkens Pius XII., "dass das Grauen eines Weltkrieges mit seiner wirtschaftlichen Not, seinem sozialen Elend und seinen sittlichen Verirrungen zum dritten Mal über die Menschheit komme" (vgl. Weihnachtsbotschaft 1941: AAS 34 [1942]17; Benedikt XV., Aufruf an die Regierenden der kriegführenden Staaten, 1. 8. 1917: AAS 9 [1917] 418). 113. Allerdings müssen alle davon überzeugt sein, dass das Ablassen von der Rüstungssteigerung, die wirksame Abrüstung oder - erst recht - die völlige Beseitigung der Waffen so gut wie unmöglich sind, wenn dieser Abschied von den Waffen nicht allseitig ist und auch die Gesinnung erfasst, das heißt, wenn sich nicht alle einmütig und aufrichtig Mühe geben, dass die Furcht und die angstvolle Erwartung eines Krieges aus den Herzen gebannt werden. Dies setzt aber voraus, dass an die Stelle des obersten Gesetzes, worauf der Friede sich heute stützt, ein ganz anderes Gesetz trete, wonach der wahre Friede unter den Völkern nicht durch die Gleichheit der militärischen Rüstung, sondern nur durch gegenseitiges Vertrauen fest und sicher bestehen kann. Wir sind entschieden der Meinung, dass dies geschehen kann, da es sich um eine Sache handelt, die nicht nur von den Gesetzen der gesunden Vernunft befohlen wird, sondern auch höchst wünschenswert und überaus segensreich ist.

114. Zunächst handelt es sich um eine Sache, die die Vernunft gebietet. Denn wie alle wissen oder wenigstens wissen sollten: die Beziehungen der Staaten untereinander sind ebenso wie die der einzelnen Menschen nicht durch Waffengewalt, sondern nach den Gesetzen der gesunden Vernunft, also nach den Gesetzen der Wahrheit, Gerechtigkeit und der tätigen Solidarität, zu regeln.

115. Danach aber muss man mit Leidenschaft streben. In der Tat, wer hätte nicht den brennenden Wunsch, dass des Krieges Unheil abgewendet, der Friede dagegen unversehrt bewahrt und täglich mehr gesichert werde?

116. Endlich ist der Friede von höchstem Wert für alle: für die einzelnen Menschen, für den häuslichen Herd, für die Völker und schließlich für die gesamte Menschheitsfamilie. Diesbezüglich hallt in Unseren Ohren noch die mahnende Stimme Unseres Vorgängers Pius XII. nach: "Nichts ist mit dem Frieden verloren. Aber alles kann mit dem Krieg verloren sein" (Radiobotschaft, 24. 8. 1939: AAS 31 [1939] 334).

117. Wir, die Wir auf Erden die Stelle Jesu Christi, des Welterlösers und des Urhebers des Friedens, vertreten und, von väterlicher Liebe gegenüber allen Menschen angetrieben, den brennenden Wunsch der ganzen Menschheitsfamilie deuten, Wir halten es für Unsere Aufgabe, alle Menschen und besonders jene, die die Staaten lenken, zu bitten und zu beschwören, keine Sorge und keine Mühe zu scheuen, bis endlich der Lauf der menschlichen Dinge mit der menschlichen Vernunft und Würde übereinstimmt.

118. Bei den Zusammenkünften der Männer, die durch ihre Klugheit und Autorität hervorragen, sollte gründlich geprüft werden, wie auf der ganzen Welt die gegenseitigen Beziehungen der Staaten in menschlicherem Gleichgewicht neu zu gestalten sind; Wir meinen ein Gleichgewicht, das auf gegenseitigem Vertrauen, auf aufrichtiger Gesinnung bei Vertragsschlüssen und auf unverletzlichen Vereinbarungen gegründet ist. Diese Frage soll aber von allen Seiten so erwogen werden, dass eine Grundlage gefunden wird, auf der freundschaftliche, feste und segensreiche Bündnisse entstehen können.

119. Wir Unsererseits bitten Gott ohne Unterlass, dass er durch seine himmlische Kraft diesen Arbeiten Erfolg verleihe und sie fruchtbar mache.

120. Eine weitere Forderung ist, dass die gegenseitigen Beziehungen der Staaten in Freiheit zu ordnen sind. Das heißt, dass keine Nation das Recht hat, irgend etwas zu tun, wodurch sie andere ungerechterweise unterdrückt oder sich ungebührlich in deren Angelegenheiten einmischt. Vielmehr sollen alle den anderen helfen, damit diese sich mehr und mehr ihrer Pflichten bewusst werden, selbst die Initiative zu Neuem und Nützlichem ergreifen und aus eigenen Kräften auf jedwedem Gebiete Fortschritte machen.

121. Da alle Menschen durch die Gemeinsamkeit des Ursprungs, der christlichen Erlösung und des letzten Zieles untereinander verbunden sind und dazu berufen, eine einzige christliche Familie zu bilden, haben Wir in der Enzyklika Mater et Magistra die wirtschaftlich fortgeschrittenen Staaten ermahnt, jenen Völkern, deren wirtschaftliche Entwicklung sich noch im Aufbau befindet, alle nur mögliche Hilfe zu leisten (AAS 53 [1961] 440 f.).

122. Mit großer innerer Genugtuung müssen Wir sagen, dass diese Mahnungen heute weitgehend angenommen worden sind, und Wir hegen die Hoffnung, dass sie in Zukunft noch weiter aufgegriffen werden, damit die wirtschaftlich bedürftigeren Völker bald so weit voranschreiten, dass ihre Bürger ein Leben führen können, das der Menschenwürde entspricht.

123. Und doch muss man sich immer wieder vor Augen halten, dass man jenen Völkern so zu Hilfe kommen muss, dass sie ihre Freiheit unversehrt wahren können. Auch müssen sie wissen, dass bei diesem wirtschaftlichen Fortschritt und sozialen Aufstieg ihnen selbst die erste Verantwortung zukommt und dass sie dabei die Hauptarbeit zu leisten haben.

124. Deshalb hat Unser Vorgänger seligen Andenkens Pius XII. weise gelehrt: "Im Rahmen einer sittlich begründeten neuen Ordnung ist kein Platz für die Antastung der Freiheit, Unverletzlichkeit und Sicherheit anderer Nationen, gleichviel welcher Ausdehnung und Wehrhaftigkeit sie sein mögen. So unvermeidlich es ist, dass die überragende Leistungsfähigkeit und Macht von Groß-Staaten der wirtschaftlichen Gruppenbildung zwischen ihnen selbst und den kleineren schwächeren Staaten die Wege weist, so muss doch - wie für alle im Rahmen des Allgemeininteresses auch für die kleineren Staaten unbestritten bleiben das Recht auf die Achtung vor ihrer politischen Freiheit, auf die wirksame Wahrung jener Neutralität, die ihnen nach Natur- und Völkerrecht bei politischen Verwicklungen zusteht, auf den Schutz ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Denn nur so werden sie das Gemeinwohl, dem materiellen und geistig-sittlichen Wohlstand ihres eigenen Volkes entsprechend, erreichen können" (vgl. Weihnachtsbotschaft 1941: AAS 34 [1942] 16 f.).

125. Daher müssen die höherentwickelten Staaten bei der vielfältigen Hilfeleistung für die bedürftigeren die besonderen Eigenarten eines jeden Volkes und die von seinen Vorfahren überkommenen Bräuche unbedingt achten und sich in jeder Weise vor der Absicht hüten, eine Vorherrschaft auszuüben. Wenn sie sich daran halten, "werden sie nicht wenig dazu beitragen, alle Staaten zu einer Gemeinschaft zu verbinden, deren einzelne Glieder im Bewusstsein ihrer Rechte und Pflichten übereinstimmend zur Wohlfahrt aller beitragen" (Johannes XXIII., Mater et magistra: AAS 53 [1961] 443).

126. Mehr und mehr hat sich in unseren Tagen die Überzeugung unter den Menschen verbreitet, dass die Streitigkeiten, die unter Umständen zwischen den Völkern entstehen, nicht durch Waffengewalt, sondern durch Verträge und Verhandlungen beizulegen sind.

127. Freilich gestehen Wir, dass diese Überzeugung meist von der schrecklichen Zerstörungsgewalt der modernen Waffen herrührt, von der Furcht vor dem Unheil grausamer Vernichtung, die diese Art von Waffen herbeiführen kann. Darum widerstrebt es in unserem Zeitalter, das sich rühmt, Atomzeitalter zu sein, der Vernunft, den Krieg noch als das geeignete Mittel zur Wiederherstellung verletzter Rechte zu betrachten.

128. Leider sehen Wir jedoch häufig Völker, die der Furcht als dem sozusagen höchsten Gesetz verfallen sind und deshalb größte Summen für die Rüstung ausgeben. Sie erklären - und es ist kein Grund vorhanden, warum man ihnen nicht glauben sollte -, dass sie dabei nicht, die Absicht haben, andere anzugreifen, sondern sie nur von einem Angriff abzuschrecken.

129. Trotz allem ist zu hoffen, die Völker werden durch freundschaftliche wechselseitige Beziehungen und Verhandlungen die Bande der menschlichen Natur besser anerkennen, durch die sie aneinander geknüpft sind; sie werden ferner deutlicher einsehen, dass es zu den hauptsächlichen Pflichten der menschlichen Natur gehört, darauf hinzuwirken, dass die Beziehungen zwischen den einzelnen Menschen und den Völkern nicht der Furcht, sondern der Liebe gehorchen sollen, denn der Liebe ist es vor allem eigen, die Menschen zu jener aufrichtigen, äußeren und inneren Verbundenheit zu führen, aus der für sie so viel Gutes hervorzusprießen vermag.

IV. DIE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN EINZELNEN POLITISCHEN GEMEINSCHAFTEN UND DER VÖLKERGEMEINSCHAFT

130. Die neueren Fortschritte in Wissenschaft und Technik, die das menschliche Verhalten so stark beeinflussen, leiten die Menschen der ganzen Erde zu immer größerer Zusammenarbeit und innerer Verbundenheit an. Tatsächlich hat sich heute der Austausch von Gütern, Ideen und Menschen sehr verstärkt. Die gegenseitigen Beziehungen zwischen den einzelnen, den Familien und den internationalen sozialen Organisationen sind sehr stark angewachsen, und auch die Fühlungnahme zwischen verschiedenen Regierungen ist häufiger geworden. Die Volkswirtschaften der verschiedenen Staaten verflechten sich stufenweise so sehr, dass aus diesem Zusammenschluss gewissermaßen eine Wirtschaftsgemeinschaft der ganzen Welt entsteht. Schließlich hängen sozialer Fortschritt, Ordnung, Sicherheit und Ruhe jedes einzelnen Staates notwendig mit denselben Gegebenheiten in allen übrigen Nationen zusammen.

131. Bei dieser Sachlage ist es klar, dass die einzelnen Staaten, wenn sie von den übrigen getrennt sind, keineswegs in der Lage sind, ihre Interessen wahrzunehmen und sich entsprechend zu entwickeln, da der Wohlstand und der Fortschritt des einen Staates den Wohlstand und den Fortschritt des anderen teils zur Ursache hat, teils verursacht.

132. Kein Zeitalter wird die Einheit der menschlichen Schicksalsgemeinschaft zerstören, da diese aus Menschen besteht, die gleichberechtigt an der naturgegebenen Würde teilhaben. Deshalb fordert die in der Natur des Menschen gründende Notwendigkeit immer, dass in geziemender Weise jenes umfassende Gemeinwohl angestrebt wird, welches die gesamte Menschheitsfamilie angeht.

133. In den vergangenen Zeiten konnten die Staatslenker, wie es scheint, hinreichend für das universale Gemeinwohl sorgen. Sie suchten es zu erreichen durch Diplomaten, durch Zusammenkünfte und Gespräche auf höchster Ebene und durch Abschluss von Konventionen und Verträgen, durch Mittel und Wege also, die sich im Rahmen des Naturrechts, des Völkerrechts oder des internationalen Rechts hielten.

134. In unseren Tagen aber haben die gegenseitigen Beziehungen der Staaten große Veränderungen erfahren. Denn das gemeinsame Wohl aller Völker wirft einerseits schwierige Fragen von höchster Tragweite auf, besonders bezüglich der Wahrung von Sicherheit und Frieden in der ganzen Welt. Anderseits können die Lenker der einzelnen Nationen, da sie unter sich gleichberechtigt sind und obgleich sie sehr viele Kongresse veranstalten und ihre Anstrengungen vervielfältigen, um geeignetere Rechtsmittel zu finden, die Probleme doch nicht in genügender Weise lösen. Nicht dass es ihnen am guten Willen oder an Unternehmungsgeist fehlte, sondern weil ihre Autorität nicht über die nötige Macht verfügt.

135. Deshalb sind bei dem heutigen Zustand der menschlichen Gesellschaft sowohl die staatliche Organisation als auch der Einfluss, über welchen die einzelne Staatsgewalt bei allen übrigen Nationen des Erdkreises verfUgt, als ungenügend anzusehen, um das gemeinsame Wohl aller Völker zu fördern.

136. Wer vollends aufmerksam einerseits das innere Wesen des Gemeinwohls und anderseits Natur und Wirksamkeit der politischen Gewalt bedenkt, sieht sehr deutlich, dass die beiden notwendigerweise aufeinander abgestimmt sein müssen. Denn wie die moralische Ordnung die staatliche Gewalt erfordert zur Förderung des Gemeinwohls im bürgerlichen Zusammenleben, so fordert sie auch, dass die staatliche Gewalt diese Aufgabe wirksam durchführen kann. Daher kommt es, dass die staatlichen Einrichtungen - in denen die politische Gewalt Gestalt annimmt, wirkt und ihr Ziel verfolgt - so angelegt und von solcher Gestalt und Wirkkraft sind, dass sie zum Gemeinwohl in jenen Methoden und Maßnahmen führen, welche der jeweiligen Situation entsprechen.

137. Da aber heute das allgemeine Wohl der Völker Fragen aufwirft, die alle Nationen der Welt betreffen, und da diese Fragen nur durch eine politische Gewalt geklärt werden können, deren Macht und Organisation und deren Mittel einen dementsprechenden Umfang haben müssen, deren Wirksamkeit sich somit über den ganzen Erdkreis erstrecken muss, so folgt um der sittlichen Ordnung willen zwingend, dass eine universale politische Gewalt eingesetzt werden muss.

138. Diese allgemeine politische Gewalt, deren Macht überall auf Erden Geltung haben soll und deren Mittel in geeigneter Weise zu einem universalen Gemeinwohl führen sollen, muss freilich durch Übereinkunft aller Völker begründet und nicht mit Gewalt auferlegt werden. Denn um ihres Amtes wirksam zu walten, muss diese Gewalt allen gegenüber sich voll und ganz unparteiisch verhalten und bestrebt sein, das allgemeine Wohl aller Völker zu fördern. Würde dagegen diese allgemeine Autorität von den mächtigeren Nationen gewaltsam eingesetzt, wäre mit Recht zu fürchten, dass sie entweder nur den Interessen einiger weniger dienen oder von einer einzigen Nation abhängen würde; und so wären Kraft und Wirksamkeit ihres HandeIns in Gefahr. Denn wenn die Nationen untereinander auch sehr verschieden sind hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Entwicklung und ihrer militärischen Macht, so sind sie doch sehr darauf bedacht, ihre Rechtsgleichheit und die Werte ihres Eigenlebens zu wahren. Deshalb unterstehen politische Gemeinschaften mit Recht nur unwillig einer Gewalt, die ihnen entweder aufgebürdet wurde oder die sie nicht mitbegründet haben oder der sie sich nicht freiwillig gebeugt haben.

139. Wie das Gemeinwohl der einzelnen Staaten nicht bestimmt werden kann ohne Rücksicht auf die menschliche Person, so auch nicht das universale Gemeinwohl aller Staaten zusammen. Deshalb muss die universale politische Gewalt ganz besonders darauf achten, dass die Rechte der menschlichen Person erkannt werden und ihnen die geschuldete Ehre zuteil wird, dass sie unverletzlich sind und wirksam gefördert werden. Das kann sie entweder unmittelbar aus sich tun, sofern es der einzelne Fall erheischt, oder durch Schaffung von solchen Lebensbedingungen auf der ganzen Welt, mit deren Hilfe die Lenker der Einzelstaaten leichter ihre Aufgabe zu erfüllen instand gesetzt werden.

140. Wie in den Einzelstaaten die Beziehungen zwischen der staatlichen Gewalt und den Bürgern, den Familien und den zwischen ihnen und dem Staat stehenden Verbänden durch das Subsidiaritätsprinzip gelenkt und geordnet werden müssen, so müssen durch dieses Prinzip natürlich auch jene Beziehungen geregelt werden, welche zwischen der Autorität der universalen politischen Gewalt und den Staatsgewalten der einzelnen Nationen bestehen. Denn dieser universalen Autorität kommt als besondere Aufgabe zu, jene Fragen zu behandeln und zu entscheiden, die sich bezüglich des universalen Gemeinwohls stellen, und zwar in wirtschaftlicher, sozialer und politischer wie auch in kultureller Hinsicht: Fragen, die wegen ihres Gewichtes, wegen ihres weit verflochtenen Zusammenhangs und ihrer Dringlichkeit als zu schwierig angesehen werden müssen, als dass sie von den Lenkern der Einzelstaaten glücklich gelöst werden könnten.

141. Es ist natürlich nicht Aufgabe dieser universalen Autorität, den Machtbereich der Einzelstaaten einzuschränken oder ihre Angelegenheiten an sich zu ziehen. Sie muss sich im Gegenteil um die Schaffung solcher Daseinsbedingungen auf der ganzen Welt bemühen, in denen nicht nur die Staatsgewalt jeder einzelnen Nation, sondern auch die einzelnen Menschen und die sozialen Gruppen in größerer Sicherheit ihre Angelegenheiten erledigen, ihre Pflichten erfüllen und ihre Rechte ausüben können (vgl. Pius XII., Ansprache an Jugendliche der Katholischen Aktion Italiens, 12. 9. 1948: AAS 40 [1948] 412).

142. Wie allen bekannt ist, wurde am 26. Juni 1945 die Organisation der Vereinten Nationen (UN) gegründet, der in der Folgezeit kleinere Institutionen beigefügt wurden, die sich aus bevollmächtigten Mitgliedern verschiedener Nationen zusammensetzen. Ihnen sind große, in allen Teilen der Welt zu erfüllende Aufgaben auf wirtschaftlichem, sozialem, kulturellem, erzieherischem Gebiet und auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesen übertragen. Ferner stellen sich die Vereinten Nationen als Hauptaufgabe, den Frieden unter den Völkern zu schützen und zu festigen sowie freundschaftliche Beziehungen unter ihnen zu pflegen und zu entwickeln, die auf den Grundsätzen der Gleichheit, der gegenseitigen Hochachtung und der vielfältigen Zusammenarbeit auf allen Gebieten menschlicher Aktivität gründen.

143. Ein Akt von höchster Bedeutung ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde. In der Präambel dieser Erklärung wird eingeschärft, alle Völker und Nationen müßten in erster Linie danach trachten, dass alle Rechte und Formen der Freiheit, die in der Erklärung beschrieben sind, tatsächlich anerkannt und unverletzt gewahrt werden.

144. Wir verkennen nicht, dass gegenüber einigen Kapiteln dieser Erklärung mit Recht von manchen Einwände geäußert worden sind. Nichtsdestoweniger ist diese Erklärung gleichsam als Stufe und als Zugang zu der zu schaffenden rechtlichen und politischen Ordnung aller Völker auf der Welt zu betrachten. Denn durch sie wird die Würde der Person für alle Menschen feierlich anerkannt, und es werden jedem Menschen die Rechte zugesprochen, die Wahrheit frei zu suchen, den Normen der Sittlichkeit zu folgen, die Pflichten der Gerechtigkeit auszuüben, ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Darüber hinaus werden noch andere Rechte ausgesprochen, die mit den erwähnten in Zusammenhang stehen.

145. Es ist daher zu wünschen, die Vereinten Nationen möchten ihre Organisation und ihre Mittel immer mehr der Weite und dem hohen Rang ihrer Aufgaben anzupassen imstande sein, damit bald die Zeit komme, in der diese Vereinigung die Rechte der menschlichen Person wirksam schützen kann; Rechte, die deswegen allgemein, unverletzlich und unveränderlich sind, weil sie unmittelbar aus der Würde der menschlichen Person entspringen. Und das um so mehr, weil die Menschen gegenwärtig in ihrer Nation mehr an der Gestaltung des öffentlichen Lebens teilhaben, mitlebhafterem Interesse die Anliegen aller Völker ununterbrochen verfolgen und sich immer mehr bewusst sind, dass sie als lebendige Glieder zur allgemeinen Menschheitsfamilie gehören.

V. PASTORALE WEISUNGEN ( ... )

166. Was Wir bisher über die Fragen ausgeführt haben, welche die menschliche Gesellschaft gegenwärtig so beunruhigen und die mit dem Fortschritt der Menschheitsfamilie eng zusammenhängen, das hat Unserem Herzen jene starke Sehnsucht eingegeben, von der alle Menschen guten Willens entflammt sind: dass auf dieser Erde der Friede gesichert werde.

167. Da Wir - wenn auch dieses Amtes unwürdig - der Stellvertreter dessen sind, den der Prophet in göttlicher Sehergabe den Friedensfürsten (vgl. Is 9,6) genannt hat, halten Wir es für Unsere heilige Pflicht, Unsere sorgenden Überlegungen und Unsere ganze Kraft der Förderung dieses allumfassenden Gutes zu weihen. Der Friede muss jedoch ein leeres Wort bleiben, wenn er sich nicht in jenem Ordnungsgefüge entwickelt, das Wir voller Hoffnung in diesem Rundschreiben in den Umrissen angedeutet haben: Wir meinen ein Ordnungsgefüge, das in der Wahrheit gegründet, nach den Richtlinien der Gerechtigkeit erbaut, von lebendiger Liebe erfüllt ist und sich schließlich in der Freiheit verwirklicht.

168. Es handelt sich hier um eine so hohe und so bedeutende Aufgabe, dass ein Mensch - sei er auch höchsten Lobes würdig und vom besten Willen beseelt - sie nie erfüllen könnte, wenn er sich nur auf seine eigene Kraft verließe. Dass die menschliche Gesellschaft soweit als möglich ein Abbild des Gottesreiches werde, dazu braucht es dringend der Hilfe des göttlichen Geistes.

169. Die Sache selbst fordert von uns, in diesen heiligen Tagen flehentliche Gebete an den zu richten, der in seinem bitteren Leiden und Sterben nicht nur unsere Schuld, den Quell der Zwietracht, des Elends und der Ungerechtigkeiten, getilgt, sondern auch durch sein Blut das Menschengeschlecht mit seinem himmlischen Vater versöhnt hat: "Er selbst ist ja unser Friede, er hat das Getrennte vereint, ... und so kam er, euch, den Fernen wie auch den Nahen, den Frieden kundzutun" (Eph 2,14-17).

170. Auch in der heiligen Liturgie dieser Ostertage hören wir dieselbe Botschaft: "Nach seiner Auferstehung stand unser Herr Jesus inmitten seiner Jünger und sprach: ,Der Friede sei mit euch, alleluja': Da freuten sich die Jünger, weil sie den Herrn sahen" (Resp. ad Mat, Freitag in der Osterwoche). Christus selbst hat uns ja den Frieden geschenkt und zum Vermächtnis gegeben: "Den Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch" (Joh 14, 27).

171. Diesen Frieden, den der göttliche Erlöser uns gebracht hat, müssen wir von ihm in eindringlichem Gebet erbitten. Christus möge von den menschlichen Herzen entfernen, was immer den Frieden gefährden kann; er möge alle zu Zeugen der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der brüderlichen Liebe machen. Er möge auch den Geist der Regierenden erleuchten, dass sie mit angemessenem Wohlstand ihren Bürgern auch das schöne Geschenk des Friedens sichern. Endlich möge Christus selbst den Willen aller Menschen entzünden, dass sie die Schranken zerbrechen, die die einen von den andern trennen; dass sie die Bande gegenseitiger Liebe festigen, einander besser verstehen; dass sie schließlich allen verzeihen, die ihnen Unrecht getan haben. So werden unter Gottes Führung und Schutz alle Völker sich brüderlich umarmen, und so wird stets in ihnen der ersehnte Friede herrschen.

172. Zum Schluss wünschen Wir, Ehrwürdige Brüder, dass dieser Friede zu der euch anvertrauten Herde gelange, zum Nutzen vor allem der Schwächsten unter den Menschen, die der Hilfe und des Schutzes besonders bedürfen. So erteilen Wir euch, den Welt- und Ordenspriestern, den gottgeweihten Männern und Frauen, allen Christgläubigen, namentlich denen, welche Unseren Ermahnungen hochherzig Folge leisten werden, in väterlicher Liebe den Apostolischen Segen. Allen Menschen guten Willens aber, an die sich dieser Unser Brief ebenfalls richtet, erflehen Wir Heil und Segen von Gott dem Allmächtigen. ( ... )

2. Papst Paul VI,: Weihnachtsbotschaft vom 23. Dezember 1963

AAS 56 (1964) 55-62

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Bei diesem Rundblick über die Völker können Wir nicht umhin, Uns noch einem anderen höchsten Bedürfnis der Menschheit zuzuwenden: dem Frieden.

Gerade das Weihnachtsfest legt Uns den Gedanken daran nahe. Wie wir alle wissen, stellt es sich uns vor als eine Friedensbotschaft, vom Himmel auf die Erde gebracht für alle Menschen guten Willens.

Einen Hinweis darauf bietet Uns die große Enzyklika Unseres verehrten und betrauerten Vorgängers, Johannes' XXIII., die von der grundlegenden Frage des Friedens in dieser unserer modernen Welt handelte, deren Umwandlungen und Streitfragen ständig zum Nachdenken über die Natur, die Formen, die Schwächen, die Bedürfnisse und die Entwicklungen dieser Probleme verpflichten.

Jene Enzyklika hat uns, wenn man so sagen kann, die neue Problematik des Friedens und des Dynamismus der Elemente gelehrt, aus denen er sich ergeben muss: seine klassische Begriffsbestimmung nach Augustinus, "Ruhe der Ordnung", erscheint uns heute mehr das Ergebnis einer geordneten Bewegung der die Ruhe und die Sicherheit des Friedens bildenden Faktoren als der gleichbleibenden Statik: als Gleichgewicht der Bewegung.

Wir fühlen Uns aber noch mehr durch eine doppelte Tatsache dazu verpflichtet, den Frieden zum Gegenstand Unserer Weihnachtswünsche zu machen. Erstens gewahren Wir nunmehr ein nicht zu unterdrückendes Bedürfnis im Bewusstsein der neuen Generationen: die Jugend will den Frieden! Zweitens sehen Wir: der Friede ist immer noch schwach, der Friede ist immer noch zerbrechlich, der Friede ist immer noch bedroht. Und an nicht wenigen, zum Glück festumschriebenen Punkten der Erde wird er gestört.

Unsere Beobachtung lässt Uns wegen anderer naheliegender Erwägungen zittern: der Friede gründet sich heute mehr auf die Furcht als auf die Freundschaft, er wird mehr durch den Schrecken vor den mörderischen Waffen verteidigt als durch das gegenseitige Bündnis und Vertrauen unter den Völkern! Und wenn der Friede morgen - was Gott verhüten möge - gebrochen würde, dann wäre der Untergang der ganzen Menschheit möglich.

Wie können wir ein frohes Weihnachten feiern, während eine solche Drohung über den Geschicken der Welt liegt? Deshalb wird Unser Glückwunsch zur dringenden Bitte an alle Menschen guten Willens, an alle Menschen, die verantwortlich sind auf dem Gebiet der Kultur und der Politik: setzt euch mit dem Problem des Friedens von Grund auf auseinander! Mit dem des wahren Friedens, nicht mit jenem anderen, der von einer heuchlerischen Propaganda gepriesen wird, um den Gegner einzuschläfern und die eigene Kriegsrüstung zu verbergen, nicht mit jenem schwächlichen und prahlerischen Frieden, der den unerlässlichen, geduldigen, aufreibenden, aber allein wirksamen Verhandlungen ausweicht, nicht mit jenem Frieden, der sich nur auf das unsichere Gleichgewicht der widerstreitenden Wirtschaftsinteressen oder auf den Traum hochmütiger Vormachtsstellungen gründet. Mit dem wahren Frieden, sagen Wir, der seine Sicherheit auf die kluge Beseitigung oder wenigstens auf die Minderung der Ursachen stützt, durch die er gefährdet werden kann, die da sind: nationalistische - und ideologische Überheblichkeit, das Wettrüsten, das Misstrauen gegenüber den bestehenden Methoden und Einrichtungen, die für das geordnete und brüderliche Zusammenleben unter den Völkern geschaffen sind. Frieden in der Wahrheit, in der Gerechtigkeit, in der Freiheit und in der Liebe, das wünschen Wir.

Hier kommt Unser Weihnachtswunsch auf ein anderes, mit dem des Friedens eng zusammenhängendes Bedürfnis, zu der grundlegenden Frage: Warum leben die Menschen nicht miteinander im Frieden? Warum sind die Menschen nicht geeint?

Ihre Einigung ist das große menschliche Bedürfnis der heutigen Zeit. Die Kultur, die dieses Bedürfnis weckt und ihm großenteils dient, genügt ihm letztlich nicht, sie verschärft es vielmehr durch einen unkritischen Pluralismus der von ihr verbreiteten Ideen. Es fehlt den Menschen an Einheit in den Grundsätzen, in den Ideen, in den Auffassungen vom Leben und von der Welt. Und solange sie uneins sind, verkennen, hassen und bekämpfen sie sich. Daraus sieht man die Bedeutung des Faktors der Lehre für die Geschicke der Menschheit. Man sieht, was für ein Glück für uns das Kommen Jesu Christi in die Welt bedeutet. Er kam, um eine einzige und allgemeine Beziehung der Menschen zu Gott, dem himmlischen Vater, herzustellen. Dieser religiöse Bezug ist das solideste und fruchtbarste Fundament der Einheit unter den Menschen in der Achtung, ja in der Entfaltung ihrer einzelnen und jeweiligen Persönlichkeit. Die wahre gesellschaftliche Verwirklichung des Friedens kommt aus der religiösen christlichen Einheit. Und diese von Christus eingesetzte Einheit im Denken und in der Geschichte möchte auch Unser höchster Wunsch sein, für den Frieden, für die Eintracht, für die Liebe, für das Verstehen, für das Glück der Menschen guten Willens.

Wir rufen ihn in die Welt hinein mit den Glocken der heiligen Weihnacht. Wir richten ihn in besonderer Weise an jene, von denen Wir annehmen müssen, dass sie besser als die anderen in der Lage sind, ihn entgegenzunehmen: die noch von Uns getrennten Christen und die glücklich mit Uns verbundenen Katholiken: ut unum sint, dass alle geeint seien. Dies war der erhabene und letzte Wunsch Christi vor seinem Leiden. Dies sei er auch für Uns am Gedächtnistage seines Kommens auf die Welt.

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3. Papst Paul VI,: Enzyklika Ecclesiam suam vom 6. August 1964

AAS 56 (1964) 609-659

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Was das große und umfassende Problem des Friedens in der Welt angeht, so möchten Wir hier dazu bemerken, dass Wir Uns nicht nur besonders verpflichtet fühlen, es wachsam und aufmerksam zu verfolgen, sondern ihm auch Unsere ständige und wirksame Sorge zuzuwenden. Dieses Bemühen wird durch Unser Amt begrenzt. Es wird sich deshalb nie auf ausschließlich zeitliche Belange richten oder sich in eigentlich politischen Formen äußern. Es geht Uns vielmehr darum, mitzuhelfen, die Menschen zu einer Art des Fühlens und HandeIns anzuleiten, das jeden gewaltsamen und kriegerischen Konflikt ablehnt, und sie für jede rechtlich mögliche und friedfertige Regelung internationaler Beziehungen bereitzumachen. Ebenso möchten Wir der Sache des Friedens dadurch dienen, dass Wir Unsere Kraft und Unseren ganzen Fleiß darauf verwenden, die obersten Grundsätze menschlichen Zusammenlebens zu verkünden, die helfen, Egoismus und Leidenschaften, die Quellen bewaffeneter Konflikte, zu zügeln, und ein friedliches Zusammenleben und eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Völkern fördern. Wir sind auch bereit, bei gegebener Gelegenheit zu intervenieren, um den streitenden Parteien zu einem ehrenvollen und brüderlichen Ausgleich zu verhelfen. Wir vergessen nicht, dass diese von der Liebe eingegebene Hilfe eine Pflicht ist, die sich angesichts der Lehrmeinungen einerseits und der Entwicklung der allen Menschen gemeinsamen politischen Organisationen anderseits dem Bewusstsein von Unserer Verpflichtung gegenüber der menschlichen Gesellschaft immer mehr aufdrängt. Denn diese besteht ja darin, alle Menschen durch das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, das Christus durch sein Kommen in diese Welt begründet hat, einander näherzubringen.

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Wir können aber Unseren Blick von der heutigen Welt nicht abwenden, ohne einen verlockenden Wunsch zu äußern: dass nämlich Unser Vorhaben, Unsern Dialog in seiner naturgegebenen Vielseitigkeit zu pflegen und zu fördern, der Sache des Friedens unter den Menschen dienen möge: einerseits als Methode, die die menschlichen Beziehungen nach den Normen einer vernünftigen und aufrichtigen Sprache zu ordnen sucht, anderseits als Beitrag an Erfahrung und Klugheit, der in allen die Betrachtung der höchsten Werte wieder zu beleben vermag. Die Eröffnung eines Dialogs, wie es der Unsrige sein will - ohne persönliches Interesse, sachlich, ehrlich -, entscheidet sich von selbst für einen freien und ehrenvollen Frieden; er schließt Verstellung, Rivalitäten, Betrug und Verrat aus. Er verurteilt einen Angriffskrieg, einen der auf Eroberung und Vormacht ausgeht, als Verbrechen und Verderben. Er muss sich außer auf die internationalen Beziehungen auf höchster Ebene auch auf das innerstaatliche Zusammenleben und dessen soziale, familiäre und individuelle Voraussetzungen erstrecken, um jeder Institution und jedem Menschen den Sinn, die Verpflichtung und den Geschmack am Frieden einzugeben.

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4. Papst Paul VI,: Ansprache zum Angelus am 8, August 1965 mit besonderer Bezugnahme auf den 20. Jahrestag des Abwurfs der Atombombe auf Hiroshima

OR 182 (9./10. 8. 1965)

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Wir haben die Aufmerksamkeit dem Bild einer Gruppe des Volkes zugewandt, welches weint und sich krümmt, um das Gedenken an die unzähligen Opfer jener entsetzlichen Zerstörung in Erinnerung zu rufen und zu ehren, und um die beschwörende Bitte an die Menschheit zu richten, von Gott zu erflehen, dass ein solches Blutbad menschlichen Lebens und eine solche Schmähung jeder Gesittung sich nicht wiederholen möchten. Das ist ein zu Herzen gehender, menschlicher und bewegender Anstoß.

Und Wir, die Wir so oft und auf verschiedene Weise immer wieder dargelegt haben, dass die Atomwaffen geächtet werden sollten. Wir vereinigen uns nun mit diesem Unserem demütigen Gebet am Sonntag mit jenem Wehklagen, mit jener Bitte und mit jener Hoffnung.

Wir wollen beten, dass die Welt niemals wieder einen solch unseligen Tag wie denjenigen von Hiroshima schauen muss.

Wir wollen beten, dass die Menschen niemals mehr ihre Zuversicht, ihre Überlegungen, ihr Prestige auf derart unheilvolle und schändliche Waffen setzen.

Wir wollen beten, damit die furchtbare Fertigkeit, solche Waffen zum Schrecken der Völker herzustellen, zu vervielfachen und aufzubewahren, von allen einmütig und aufrichtig geächtet werde.

Wir wollen beten, damit diese mörderische Waffe künftig nicht alles, selbst auch noch den Frieden, ausrottet, dass sie nicht für immer die Ehre der Wissenschaft verletzt und dass sie nicht die Freude am Leben auf der Erde ausgelöscht haben wird.

Wir wollen beten, damit stattdessen die Brüderlichkeit, der Friede und die Liebe der Welt gesichert seien; und wir erinnern daran, dass Christus allein uns diese höchsten Güter garantieren kann; allein Er, unser Erlöser, der unser Bruder wurde, als Maria ihr "Fiat" sprach, das Wir jetzt zu seiner Ehre wiederholen.

5. Papst Paul VI,: Ansprache bei der Generalaudienz am 26. August 1964 mit besonderer Bezugnahme auf den 50. und 25. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten und Zweiten Weltkriegs

AAS 56 (1964) 759-763

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Das Herannahen des fünfundzwanzigsten Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkrieges lässt in Unserer Seele die ergreifende Erinnerung an den Abend des 24. August 1939 wiederaufleben, als Wir, aufgrund Unserer Tätigkeit im Dienste Papst Pius' XII. seligen Angedenkens, das Glück hatten, der Verlesung seiner damaligen Radiobotschaft beizuwohnen, die von Kraft und Sorge zu beben schien, bei der seine Stimme ernst und feierlich klang als Stimme eines Propheten Gottes und eines Vaters der ganzen Welt. Seine durchdringenden Worte klingen noch in Unserem Innern nach: "Heute, da ... die Spannung der Geister einen solchen Grad erreicht zu haben scheint, dass man das Losbrechen des fürchterlichen Kriegssturmes für unmittelbar bevorstehend halten muss, richten Wir aus väterlichem Herzen einen neuen und noch eindringlicheren Aufruf an die Regierungen und an die Völker ... Nur durch die Macht der Vernunft, nicht der Waffen, wird sich die Gerechtigkeit eine Bahn schaffen. Die Reiche, die nicht auf dem Fundament der Gerechtigkeit gründen, sind nicht von Gott gesegnet. Eine moralfreie Politik verrät ihre eigenen Urheber. Unmittelbar droht die Gefahr, aber noch ist es Zeit. Nichts ist mit dem Frieden verloren. Aber alles kann mit dem Krieg verloren sein. Mögen sich die Menschen wieder verständigen. Mögen sie wieder Verhandlungen aufnehmen" (AAS 31 [1939] 334).

Diese Worte blieben ungehört von dem, der von einem kurzen, entscheidenden Krieg träumte, der ihm Macht und Ruhm bringen sollte. Eine Woche danach brach der Krieg aus.

Es war der Zweite Weltkrieg. Hatte der Erste, an dessen fünfzigsten Jahrestag man sich in diesen Tagen erinnert hat, nicht gelehrt mit seinen Millionen Toten, Versehrten, Verwundeten, Waisen und seinen ungeheuren Ruinen? Tatsächlich wurden nach dem Ersten Weltkrieg edelmütige und energische Anstrengungen gemacht, um die Nationen in einer friedlichen Gemeinschaft zu organisieren, aber ohne die Geister und die internationalen Beziehungen hinreichend auf jenes Vertrauen in Wahrheit und Liebe hin zu entwickeln, das die Menschen zu Brüdern und bereit machen muss, eine Welt gegenseitiger Achtung und allgemeiner Wohlfahrt zu schaffen. Auch vor dem hasserfüllten, blutigen Drama des Ersten Weltkrieges hatten Unsere Vorgänger weise, beschwörende Ermahnungen, klagende, schmerzerfüllte Rufe ergehen lassen. Es ist ein Irrtum, es ist absolut historisch unzutreffend, einen so milden und humanen Papst wie den hl. Pius X. der Mitverantwortung am Ausbruch des Krieges von 1914 anzuklagen, wie man es zu schreiben gewagt hat. Und noch heute klingt in den Herzen derer, die diesen Krieg durchlitten haben, das fürchterlich wahre Wort Benedikts XV. von dem "sinnlosen Gemetzel", mit dem er diesen Krieg bezeichnete. Auch damals haben die Worte des Stellvertreters Christi ein tiefes Echo in den Herzen der Völker und eine wenn auch verspätete Anerkennung im Geist der Denker und Historiker, aber nur geringe und wirkungslose Aufnahme bei den Regierungen der Nationen und den Lenkern der öffentlichen Meinung gefunden.

Das Misstrauen, mit dem man die Warnungen des päpstlichen Lehramtes umgeben hat, wird Uns nicht hindern, Unsere väterlichen Mahnungen zum Frieden zu wiederholen, wenn die historische Stunde und die Pflicht Unseres Apostolischen Amtes es fordern. Das feierliche, eindrucksvolle Wort, das Unser unmittelbarer Vorgänger, Johannes XXIII. seligen Angedenkens, mit seiner Enzyklika Pacem in terris der Welt zugerufen hat, ist nicht umsonst erklungen; die Welt hat gespürt, dass es eine doppelte Anziehungskraft hatte, die der Weisheit und der Güte. Es scheint Uns, dass die Wiederkehr des fünfzigsten bzw. des fünfundzwanzigsten Jahrestages der beiden Weltkriege, die die erste Hälfte unseres Jahrhunderts mit Blut bedeckt haben, eine günstige Gelegenheit bietet, diese Friedensbotschaften widerhallen zu lassen und ihr Andenken und ihre Mahnung lebendig und wirksam zu erhalten.

Der Friede ist ein überaus hohes Gut für die Menschheit, die in der Zeit lebt; aber er ist ein zerbrechliches Gut, das von vielen wechselnden, komplexen Faktoren hervorgebracht wird, in denen der freie, verantwortliche Wille des Menschen ständig eine Rolle spielt. Daher ist der Friede nie ein für alle Male gefestigt und gesichert; er muss in jedem Augenblick neu überdacht und neu wiederhergestellt werden; er wird rasch geschwächt und verfällt, wenn er nicht beständig auf die wahren Prinzipien zurückgeführt wird, die allein ihn hervorbringen und erhalten können.

Heute sind wir Zeugen eines besorgniserregenden Phänomens: des Zusammenbruchs einiger grundsätzlicher Prinzipien, auf die der Friede sich stützen muss und von denen man glaubte, sie seien nach den tragischen Erfahrungen zweier Weltkriege ein fest erworbener Besitz geworden. Zu gleicher Zeit sehen wir einige gefährliche Ideen wiederaufleben, die von neuem zu einer kurzsichtigen Suche nach Gleichgewicht führen oder, besser gesagt, nach einem unsicheren Waffenstillstand in den Beziehungen der Nationen untereinander und in den Ideologien der Völker.

Von neuem verdunkelt sich der Begriff von der Heiligkeit und Unantastbarkeit des menschlichen Lebens, und von neuem werden die Menschen gemessen nach ihrer Zahl und ihrer eventuellen kriegerischen Effizienz und nicht nach ihrer Würde, ihren Bedürfnissen, ihrer verbindenden Brüderlichkeit.

Es zeigen sich neue Symptome wiederauflebender Auseinandersetzungen und Feindseligkeiten zwischen den Völkern, zwischen einzelnen Stämmen, zwischen verschiedenen Kulturen; dieser Geist der Zwietracht wird durch Nationalstolz, Prestigepolitik, Rüstungswettlauf, soziale und wirtschaftliche Gegensätze herbeigeführt.

Es kehrt jene illusorische Idee wieder, dass der Friede sich nur auf die abschreckende Wirkung extrem mörderischer Waffen gründen kann; und während man auf der einen Seite edelmütig aber machtlos über Rüstungsbeschränkung und -abbau diskutiert und verhandelt, fährt man auf der anderen Seite fort, die zerstörerische Kraft des Kriegsapparates weiter zu entwickeln und zu vervollkommnen.

Immer geringer wird die Furcht und der Abscheu vor dem Krieg, der doch als Gewaltmittel untauglich ist, internationale Probleme zu lösen, während an verschiedenen Punkten auf der Erde die furchterregenden Funken kriegerischer Zwischenfälle aufschießen, die die Vermittlungsfähigkeit jener Organe entkräften, die dazu geschaffen wurden, den Frieden zu sichern und der Methode freier und ehrenhafter diplomatischer Verhandlungen das ausschließliche Recht der Konfliktlösung vorzubehalten.

Dadurch wird der politische und ideologische Egoismus zur ausdrücklichen Verhaltensregel im Völkerleben; man macht Anschläge auf die Ordnung ganzer Nationen, indem man von außen her subversive Propaganda und revolutionäre Unruhen organisiert; man missbraucht sogar pazifistische Erklärungen, um soziale und politische Konflikte zu begünstigen. Es kommen wieder auf Egoismus, Gruppeninteresse, leidenschaftliche Spannungen, Hass unter den Völkern; es nimmt ab die Pflege der Loyalität, der Brüderlichkeit, der Solidarität; es nimmt ab die Liebe.

Wenn die Sicherheit der Völker immer noch auf der Hypothese der legitimen, kollektiven Anwendung bewaffneter Macht beruht, so müssen Wir daran erinnern, dass die Sicherheit noch mehr auf den Bemühungen um gegenseitiges Verstehen, auf dem großmütigen, loyalen gegenseitigen Vertrauen, auf dem Geist programmatischer Zusammenarbeit zum allgemeinen Nutzen und besonders zur Hilfe für die Entwicklungsländer beruht. Das heißt, sie beruht auf der Liebe.

Und dieses Goldene Wort ist es, das Wir erwähnen und rühmen wollen, um über die Erinnerung an die furchtbaren Kriege der Vergangenheit den weißen Mantel des Friedens zu breiten.

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Menschen guten Willens, hört Unsere demütige, brüderliche und väterliche Stimme, die, indem sie die unauslöschliche Erinnerung an zwei ungeheure Konflikte wieder heraufbeschwört, nicht leere, furchterregende Phantome auf die gegenwärtige Weltszene projiziert, vielmehr will sie der Aufforderung zur weisen und verantwortungsvollen Besinnung, der Mahnung, der menschlichen Würde und der brüderlichen Eintracht vor allen Interessen, vor allen Werten den Vorrang zu geben, der Ankündigung von Glück und Wohlergehen, die nicht mehr aus dem Krieg, sondern aus dem Frieden in Aufrichtigkeit und Güte stammen, Eingang in das Innerste der Herzen verschaffen.

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6. Papst Paul VI.: Ansprache an die Vertreter der internationalen Presse in Bombay am 4. Dezember 1964

AAS 57 (1965) 135

Obwohl Unsere Pilgerfahrt nach Bombay knapp bemessen und voller Verpflichtungen ist, hatten Wir den Wunsch, eine kurze Zeit der Begegnung mit Ihnen zu widmen. Wir danken Ihnen für Ihre intensive Arbeit im Zusammenhang mit Unserem Besuch und möchten Sie zugleich daran erinnern, dass die Presse, die Sie vertreten, ein mächtiges Instrument im Dienst des Guten sein kann. Bleiben Sie immer der Wahrheit treu, bedenken Sie Ihre Verantwortung vor der Öffentlichkeit und vielleicht vor der Geschichte.

Wir vertrauen Ihnen Unsere besondere Botschaft an die Welt an. Möchten doch die Nationen den Rüstungswettlauf beenden und ihre Ressourcen und Energien der brüderlichen Hilfe für die Entwicklungsländer widmen! Möge doch jede Nation, die "Gedanken des Friedens und nicht der Betrübnis" und des Krieges denkt, selbst einen Teil ihrer Rüstungsausgaben einem großen Weltfonds zuwenden zur Behebung der vielen Probleme, die so viele Völker bedrängen: Ernährung, Bekleidung, Unterbringung und ärztliche Betreuung.

Vom Friedensaltar des Eucharistischen Kongresses aus möge Unser angstvoller Ruf zu allen Regierungen der Welt dringen. Möge Gott ihnen eingeben, diesen friedvollen Kampf gegen die Leiden ihrer notleidenden Brüder zu führen!

7. Papst Paul VI.: Weihnachtsbotschaft vom 22. Dezember 1964

AAS 57 (1965) 176-183

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In diesem Jahre handeln Unsere Botschaft und Unser Glückwunsch von der Brüderlichkeit. Eine Brüderlichkeit, ihr Menschen, die ihr Uns hört, die wahrer, wirksamer und universaler ist als jene, die die Menschen bereits eint. Ja, die Brüderlichkeit!

Wir haben noch in Uns den lebendigen Eindruck Unserer kürzlichen Reise nach Bombay.

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Ein Gefühl tiefer Sympathie hat Uns dabei bestätigt, was das Christentum seit Jahrhunderten sagt und was die Entwicklung der Kultur langsam und schrittweise erkennt und verkündet: die Menschen sind Brüder. Die Beziehungen zwischen den Menschen werden so leicht und vielfältig, dass sie zur Liebe werden müßten. Die Entfernungen sind so kurz und fast unbedeutend, dass die Liebe universal werden muss. Der Begriff des Nächsten, der bereits im Evangelium vom Samariter die konventionellen Grenzen überschritt, umfasst die ganze Menschheit: jeder ist unser Nächster. Die offensichtlichen Bedürfnisse der anderen sind so klar und flehend, und die Möglichkeit, ihnen Hilfe zu bringen, nimmt heute in so überreichem Maße zu, dass es jedem einleuchtet, worauf sich heute der Aufbau der Kultur richten muss: die Solidarität unter den Menschen zu begründen, damit es keinem an Brot und Anerkennung fehle und damit sich alle das Gemeinwohl zum höchsten Anliegen machen.

Der kulturelle Fortschritt entdeckt als Anspruch und Errungenschaft das, was Christus, der als Mensch wie wir, unser Lehrer wurde, uns schon auf den Seiten seines Evangeliums gelehrt hatte, das nie ganz begriffen und noch nicht allgemein verwirklicht wurde: "Ihr alle seid Brüder" (Mt 23,8), d.h. gleich, solidarisch und verpflichtet, in jedem von euch das Abbild des himmlischen Vaters zu sehen und einander zu helfen, das Ziel zu erreichen: die Fülle des Menschseins und die Gotteskindschaft aus Gnade in diesem Leben und die ewige Seligkeit im zukünftigen.

Heute ist Brüderlichkeit geboten. Freundschaft ist das Prinzip jedes modernen menschlichen Zusammenlebens. Anstatt im Mitmenschen den Fremden, den Rivalen, den Unsympathischen, den Gegner und Feind zu sehen, müssen wir uns daran gewöhnen, in ihm den Menschen zu sehen, uns gleich, würdig der Achtung und Wertschätzung, der Hilfe und der Liebe genau wie wir. Es kommt Uns das wundervolle Wort des heiligen afrikanischen Lehrers in den Sinn: "Dilatentur spatia caritatis", die Grenzen der Liebe mögen sich weiten (Sermo 69,1: PL 38, 440). Fallen müssen die Schranken des Egoismus, und die Behauptung der rechtmäßigen Sonderinteressen darf nie den anderen zur bedrückenden Last werden und niemals eine sinnvolle Gemeinschaft aufheben. Die Demokratie, auf die sich heute das menschliche Zusammenleben beruft, muss sich einer universalen Idee öffnen, die die Grenzen und die Hindernisse aus dem Weg räumt für eine wirksame Brüderlichkeit.

Wir wissen, dass diese Auffassung heute im Herzen der Menschheit großen Anklang findet. Wir meinen, besonders die Jugend weiß, dass dieser Wahrheit die Zukunft gehört und dass sie gründet in der Entwicklung der Kultur, die man nicht mehr rückgängig machen kann. Es sind Ideale, aber sie sind nicht utopisch. Sie sind schwierig, aber sie sind der Mühe und des Einsatzes wert. Wir sind durchaus dafür. Wir sind für die Jugend, die aus der Welt ein Haus für alle machen möchte, nicht ein System von Schützengräben für eine unversöhnliche Zwietracht und einen fortwährenden Kampf. Wir wissen aber, dass diese schönen Auffassungen leicht in Vergessenheit geraten. In bestimmten Stunden der Geschichte dämmern sie auf, und sofort verdunkeln sie sich, weil widrige Wolken aufsteigen. Der Weg des wahren Fortschritts ist beschwerlich und unsicher. Der menschliche Widerstand kennt bei der Suche nach dem Höchsten entmutigende Niederlagen. Der Mensch ist unbeständig. Die Eroberung der Wahrheit ist schwierig. Das Gute ist schwer. Der Hass ist viel leichter als die Liebe.

Darum möchten Wir der Welt das unerschöpfliche und stets aktuelle Erbe der göttlichen und menschlichen Lehre und der sittlichen Kraft, das dem Katholizismus eigen ist, zur Verfügung stellen, um das Bemühen der Menschen guten Willens für das gemeinsame Wohlergehen, für den universalen Frieden und für die Brüderlichkeit aller Menschen zu unterstützen. Unser Angebot ist aufrichtig. Die Kirche denkt darüber nach im Ökumenischen Konzil. Sie schöpft es aus ihrem Herzen, das erfüllt ist von der neuen Liebe, die Christus in die Welt gebracht hat. Sie bietet dieses Erbe dar mit demütiger und freundschaftlicher Geste zur freien Annahme von seiten der modernen Welt, die es nicht zurückweisen kann, wenn sie wirklich die eigene Rettung liebt.

Uns sind die Hindernisse nicht unbekannt, die sich ständig der menschlichen Brüderlichkeit entgegenstellen, und mit Schmerzen beobachten Wir, dass sie jetzt in einer dialektischen Phase sind, die ihnen eine noch größere Klarheit und bisweilen eine gefährlichere Wirksamkeit gibt.

In der festlichen Freude der Weihnacht ist es nicht möglich, über die Hindernisse zu sprechen, die den dramatischen und beängstigenden Aspekt der gegenwärtigen geschichtlichen Wirklichkeit zeigen. Aber es ist auch nicht erlaubt, die drohende Gefahr zu verschweigen in dieser Botschaft elementarer Aufrichtigkeit.

Es sei Uns gestattet, unter vielen vorhandenen und möglichen Formen beiläufig einige konkret zu nennen, die sich gegen die Brüderlichkeit unter den Menschen stellen. Wir deuten sie nur eben an, um sie gleichsam durch Beispiele zu erläutern.

Erstens: der Nationalismus, der die Völker trennt, indem er die einen gegen die anderen stellt und zwischen ihnen Barrieren gegensätzlicher Ideologien, geistiger Enge, ausschließlicher Interessen und autarkischen Ehrgeizes aufrichtet, wenn es sich nicht gar um machthungrige und übermächtige Imperialismen handelt. Dieser Feind der menschlichen Brüderlichkeit gewinnt heute an Kraft. Er schien schon fast überwunden, wenigstens im Prinzip, nach der tragischen Erfahrung des letzten Weltkrieges. Er erhebt sich wieder. Wir bitten Staatslenker und Völker, zu wachen und diesen billigen Instinkt nach Prestige und Machtstreben zu mäßigen. Er könnte wieder verhängnisvoll werden. Wir haben den Wunsch, dass von allen die Arbeit" der Organisationen unterstützt und geachtet werde, die geschaffen sind, um die Nationen in treuer und gegenseitiger Zusammenarbeit zu einen, um Kriege zu verhindern und Konflikten vorzubeugen, um die Gegensätze in geduldigen Verhandlungen und günstigen Abmachungen zu lösen, um das Bewusstsein und die Geltung des internationalen Rechtes zu fördern und schließlich um dem Frieden seine feste Sicherheit und sein dynamisches Gleichgewicht zu geben.

Ein weiteres Hindernis, das ebenfalls wiederauflebt, ist der Rassismus. Er stellt die verschiedenen Rassen der großen Völkerfamilie einander entgegen, weckt Überheblichkeiten, Misstrauen, Eigenbrötelei, Diskriminierung und zuweilen Unterdrückung zum Schaden der gegenseitigen Rücksicht und der geschuldeten Achtung, die aus den verschiedenen Volksgruppen ein friedliches Zusammenleben von Brudervölkern machen sollen.

Mit Entsetzen müssen wir sodann einen Militarismus feststellen, der nicht so sehr auf die rechtmäßige Verteidigung der einzelnen Länder und auf die Erhaltung des allgemeinen Friedens bedacht ist, sondern vielmehr auf immer mächtigere und mörderischere Aufrüstung ausgeht. Sie verschlingt gewaltige Energien an Menschen und Mitteln, schürt Macht- und Kriegsdenken und führt dazu, den Frieden auf die trügerische und unmenschliche Grundlage der gegenseitigen Furcht zu gründen. Auch in dieser Hinsicht wagen Wir zu wünschen, die Führer der Völker möchten verstehen, mit klugem und großmütigem Herzen auf dem Wege der Abrüstung weiterzugehen, und sie sollten hochherzig, wenn auch nur zum Teil und schrittweise, die Verwendung der Militärausgaben zu humanitären Zwecken erwägen, und zwar nicht nur zum Vorteil der eigenen Staaten, sondern auch zum Wohle der Länder, die sich noch in der Entwicklung und in Not befinden: der Hunger und das Elend, die Krankheit und die Unwissenheit fordern noch Hilfe. Wir zögern nicht, an diesem Tage der Güte und der Brüderlichkeit den dringenden Ruf der heute noch unabsehbaren Massen von Armen und Leidenden Uns zu eigen zu machen, die einer schnellen und spürbaren Hilfe bedürfen. Gute und hochherzige Menschen, die ihr denen helfen könnt, die hungern, die leiden und in Elend und Verlassenheit dahinleben, vernehmt in Unserer Stimme die gottmenschliche Stimme Christi, unseres Bruders in jedem Notleidenden!

Könnten Wir bei dieser traurigen Aufzählung von Hindernissen gegen die brüderliche Verbundenheit den Klassengeist vergessen, der noch so scharf und mächtig ist in der Gesellschaft von heute? Und den Geist der Parteiungen, der Ideologien, Methoden, Interessen, Organisationen im ganzen Gefüge der verschiedenen Gemeinschaften? Auf der einen Seite bringen diese verwickelten und ausgedehnten sozialen Gegebenheiten die Menschen mit gemeinsamen Interessen zur Einheit untereinander, aber anderseits reißen sie so oft unüberbrückbare Abgründe auf zwischen den verschiedenen menschlichen Schichten und machen aus deren systematischer Abwehrhaltung eine Lebensfrage; damit geben sie unserer technisch und wirtschaftlich hochentwickelten Gesellschaft das traurige und bittere Antlitz der Zwietracht und des Hasses. Die Gesellschaft ist nicht glücklich, weil sie nicht brüderlich ist. Wir kennen die gewaltigen Schwierigkeiten, welche die Probleme des freien und freundschaftlichen sozialen Zusammenlebens scheinbar unlösbar machen. Doch was Uns betrifft, werden Wir nicht müde werden, die Liebe zum Nächsten als das Grundprinzip einer wahrhaft menschlichen Gesellschaft zu predigen und zu hoffen, dass die Richtigkeit des Gedankens und die geschichtliche Erfahrung dazu führen, die Grundsätze zu überprüfen, in denen viele der sozialen Gegensätze ihren Ursprung haben, und die Richtlinien des Gemeinschaftslebens mehr dem Menschen gemäß und der Wahrheit entsprechend zu formulieren. Auch für diesen Wiederaufbau der modernen Gesellschaft nach den unabweisbaren Forderungen eines friedlichen Zusammenlebens, der gegenseitigen Zusammenarbeit unter den verschiedenen sozialen Klassen und unter den verschiedenen Nationen und nach den Forderungen eines glücklichen Zusammenlebens hat unser altes Evangelium, in dem heute die Seite des Friedens auf Erden für die Menschen guten Willens aufgeschlagen ist, der menschlichen Brüderlichkeit neue und lebendige Worte zu bieten. Beim Hören Unserer Botschaft wird sich mancher vielleicht fragen: Ist nicht gerade die Religion ein Grund der Spaltung unter den Menschen?

Besonders die katholische Religion, die so dogmatisch ist, so anspruchsvoll, so ausgeprägt: verhindert sie nicht einfaches Gespräch und ein selbst- verständliches Sichverstehen unter den Menschen? Ja, gewiss! Die Religion, die katholische Religion genauso wie jede andere, ist ein Element der Unterscheidung unter den Menschen, wie es die Sprache ist, die Kultur, die Kunst, der Beruf; aber sie ist an sich kein Element der Spaltung. Zwar kann das Christentum durch die Neuheit des Lebens, die es in die Welt bringt, ein Grund von Trennungen und Gegensätzen sein, die aus dem kommen, was es der Menschheit an Gutem verleiht: Das Licht leuchtet in der Finsternis. Auf diese Weise hebt es die Bereiche in der Welt des Menschen ab. Aber es ist nicht die Art des Christentums, gegen die Menschen zu kämpfen; wenn überhaupt, dann für die Menschen zur Verteidigung dessen, was in ihnen heilig und unverlierbar ist: das grundlegende Streben nach Gott und das Recht, dies in den entsprechenden Formen des Kultes auszudrücken. Die Kirche kann daher nicht anders, als öffentlich ihr Bedauern auszusprechen, wenn ein solches unbezwingbares Streben hintertrieben, gehindert, versperrt, ja sogar bestraft wird durch die Gewalt der öffentlichen Macht, die in diesem Fall sich anmaßt, auf ein Gebiet überzugreifen, das außerhalb ihrer Befugnisse liegt. Dieser Punkt verlangt eine ausführlichere und tiefer begründete Antwort. Wir können jedenfalls das wiederholen, was die Kirche heute verkündet: die rechte und wohlverstandene religiöse Freiheit; das Verbot, den anderen wegen seines Glaubens - wenn er nicht gegen das Gemeinwohl ist - anzuklagen, um einen nicht in Freiheit angenommenen Glauben aufzuerlegen oder um gehässige Zurücksetzungen oder ungehörige Schikanen vorzunehmen; die Achtung vor dem, was an Wahrem und Gutem in jeder Religion und in jeder menschlichen Meinung ist, besonders in der Absicht, die bürgerliche Eintracht und jede gute Zusammenarbeit auf allen Gebieten zu fördern.

Die Wahrheit bleibt fest und unveränderlich, und die Liebe trägt deren segensbringendes Licht hinaus.

Dies ist heute mehr denn je Unser Programm, da Wir überzeugt sind, dass die Welt Liebe braucht. Sie muss die Fesseln des Egoismus überwinden und sich für eine aufrichtige, moderne und weltweite Brüderlichkeit öffnen.

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8. Papst Paul VI.: Ansprache vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York am 4. Oktober 1965

AAS 57 (1965) 877-885

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Diese Begegnung - Sie sind sich dessen bewusst - hat einen doppelten Charakter: sie ist zugleich von Einfachheit und von Größe geprägt. Von Einfachheit, denn der, der zu Ihnen spricht, ist ein Mensch wie Sie. Er ist Ihr Bruder und sogar einer der kleinsten unter Ihnen, den Vertretern souveräner Staaten, denn er besitzt nur - wenn Sie uns einmal unter diesem Gesichtspunkt betrachten wollen - eine minimale, fast nur rein symbolische zeitliche Macht, gerade das Minimum, das nötig ist, um frei zu sein in der Ausübung seiner geistlichen Mission und jenen, die mit ihm verhandeln, die Sicherheit zu geben, dass er von keiner Souveränität dieser Welt abhängig ist. Er hat keine weltliche Macht, keinerlei Ehrgeiz, mit Ihnen in Wettstreit zu treten. Wir haben denn auch nichts zu verlangen, keine Frage aufzuwerfen, höchstens könnten Wir einen Wunsch äußern, um eine Erlaubnis bitten: die Erlaubnis, Ihnen in dem, was in Unseren Zuständigkeitsbereich fällt, uneigennützig, bescheiden und in der Liebe dienen zu können. Das ist die erste Erklärung, die Wir abzugeben haben. Wie Sie sehen, ist sie so einfach, dass sie für diese Versammlung, die gewohnt ist, äußerst wichtige und schwierige Angelegenheiten zu behandeln, unbedeutend erscheinen mag.

Und doch - Wir sagten es Ihnen, und Sie alle spüren es - ist dieser Augenblick von einer eigenartigen Größe erfüllt; er ist groß für Uns, er ist groß für Sie.

Einmal für Uns. Sie wissen sehr wohl, wer Wir sind. Welches auch immer Ihre Meinung über den Römischen Papst sein mag, Sie kennen Unsere Mission: Wir sind Träger einer Botschaft für die ganze Menschheit. Und Wir sind das nicht nur in Unserem eigenen Namen und in dem der großen Familie der Katholiken, sondern auch im Namen der christlichen Brüder, die die Gefühle, die Wir hier ausdrücken, teilen, und namentlich derer, die Uns ausdrücklich aufgetragen haben, ihr Sprecher zu sein. Dem Boten gleich, der am Ziel einer langen Reise das ihm anvertraute Schreiben überreicht, so haben auch Wir das Bewusstsein, den - wenn auch noch so kurzen - unvergleichlichen Augenblick zu erleben, da sich ein Wunsch erfüllt, den Wir seit fast zwanzig Jahrhunderten im Herzen tragen. Ja, Sie wissen es. Seit langem sind Wir unterwegs. Wir sind Träger einer langen Geschichte. Wir feiern hier den Epilog einer mühsamen Pilgerfahrt auf der Suche nach einem Zwiegespräch mit der ganzen Welt, seit dem Tag, da Uns aufgetragen wurde: "Gehet hin und verkündet allen Völkern die Frohe Botschaft!" Und Sie sind es, die alle Völker vertreten.

Lassen Sie uns Ihnen sagen, dass Wir für Sie alle eine Botschaft haben, ja dass Wir einem jeden von Ihnen eine frohe Botschaft zu übermitteln haben.

1. Unsere Botschaft will zunächst eine feierliche moralische Ratifizierung Ihrer Institution sein. Diese Botschaft kommt aus Unserer geschichtlichen Erfahrung. Gewissermaßen als "Experte für Menschlichkeit" überbringen Wir dieser Organisation die Unterstützung Unserer letzten Vorgänger, die des ganzen katholischen Episkopats und Unsere eigene, überzeugt davon, dass diese Organisation der gebotene Weg für die moderne Zivilisation und den Weltfrieden ist.

Wenn Wir dieses sagen, sind Wir Uns bewusst, sowohl im Namen der Toten als auch der Lebenden zu sprechen: der Toten, die in den furchtbaren Kriegen der Vergangenheit fielen und die von Eintracht und Weltfrieden träumten; der Lebenden, die überlebt haben und die in ihrem Herzen im voraus jene verurteilen, die versucht sein sollten, solche Kriege zu wiederholen; und noch anderer Lebender: der heutigen jungen Generationen, die vertrauensvoll vorwärts schreiten und mit gutem Recht eine bessere Menschheit erwarten. Wir machen auch die Stimme der Armen, der Enterbten, der Unglücklichen zu der Unseren, und all jener, die nach Gerechtigkeit, nach menschenwürdigem Dasein, Freiheit, Wohlstand und Fortschritt verlangen. Die Völker wenden sich zu den Vereinten Nationen als zu ihrer letzten Hoffnung auf Eintracht und Frieden: Wir überbringen hier, mit dem Unseren, ihren Tribut an Ehre und Hoffnung. Darum ist dieser Augenblick auch für Sie groß.

2. Wir wissen, dass Sie sich dessen voll bewusst sind. Hören Sie weiter Unsere Botschaft! Sie ist ganz auf die Zukunft ausgerichtet. Das Gebäude, das Sie errichtet haben, darf nie wieder in Trümmer gehen. Es muss vervollkommnet und den Erfordernissen der Weltgeschichte angepasst werden. Sie repräsentieren eine Stufe der Entwicklung der Menschheit. Von nun an ist es unmöglich, zurückzuweichen, man muss voran schreiten.

Der Vielheit von Staaten, die einander nicht mehr ignorieren können, schlagen Sie eine äußerst einfache und fruchtbare Form der Koexistenz vor: damit, dass Sie zunächst die einen wie die anderen anerkennen und auszeichnen. Gewiss verleihen Sie den Staaten nicht die Existenz, Sie erklären aber jede Nation für würdig, in der geordneten Versammlung der Völker ihren Platz einzunehmen. Sie verleihen jeder nationalen souveränen Gemeinschaft eine Anerkennung von hohem moralischem und rechtlichem Wert und garantieren ihr eine ehrenvolle internationale Staatsbürgerschaft. Das ist bereits ein großer, der Sache der Menschheit geleisteter Dienst: die nationalen Subjekte der Weltgemeinschaft genau zu definieren und zu ehren, ihnen rechtliche Grundlagen zu verschaffen, die ihnen die Anerkennung und die Achtung aller sichern und die ein geordnetes und stabiles System internationalen Lebens entstehen lassen. Sie sanktionieren das große Prinzip, dass die Beziehungen unter den Völkern durch die Vernunft, durch Gerechtigkeit, Recht und Verhandlungen geregelt werden müssen und nicht durch Zwang, nicht durch Gewaltanwendung, nicht durch Krieg und auch nicht durch Terror und Täuschung.

So muss es auch sein. Und gestatten Sie Uns, Sie dazu zu beglückwünschen, dass Sie den Zugang zu dieser Versammlung auch den jungen Völkern freigaben, den Staaten, die erst vor kurzem zur Unabhängigkeit und nationalen Freiheit gelangt sind. Deren Anwesenheit hier ist der Beweis für die Universalität und Großherzigkeit, die die Prinzipien dieser Institution beseelen. So muss es auch sein. Das ist Unser Lob und Unser Wunsch. Und wie Sie sehen, tragen Wir bei des nicht von außen an Sie heran, sondern Wir entnehmen es dem Geist Ihrer Institution.

3. Ihr Statut geht noch weiter, und Unsere Botschaft schreitet zusammen mit ihm fort. Sie sind da und arbeiten dafür, die Nationen zu einen und die Staaten zu verbinden, auf eine kurze Formel gebracht: Die einen mit den anderen zusammenzutun. Sie sind eine Vereinigung. Sie sind eine Brücke zwischen den Völkern. Sie sind ein Netz von Beziehungen unter den Staaten. Wir wären versucht, zu sagen, dass Ihr Charakteristikum in der zeitlichen Ordnung gewissermaßen das widerspiegelt, was unsere Katholische Kirche in der geistlichen Ordnung sein will: einzig und universal. Man kann auf der natürlichen Ebene beim geistigen Aufbau der Menschheit nichts Höheres ersinnen. Ihre Berufung ist es, nicht nur einige, sondern alle Völker zu verbrüdern. Ein schwieriges Unterfangen? Ganz sicher. Aber das ist nun einmal Ihre Sache, Ihr edles Bemühen. Wer sähe nicht die Notwendigkeit, allmählich dazu zu kommen, eine Weltautorität einzusetzen, die in der Lage ist, im rechtlichen und politischen Bereich wirksam tätig zu sein? Hier wiederholen Wir nochmals Unseren Wunsch: Schreiten Sie voran! Ja, Wir sagen noch mehr: Wirken Sie dahin, dass jene, die sich von Ihnen abgewandt haben, zurückkehren. Überlegen Sie, wie jene in Ehre und Loyalität zu Ihrem Pakt der Brüderlichkeit gerufen werden können, die ihm noch nicht angehören. Wirken Sie dahin, dass die noch Außenstehenden das gemeinsame Vertrauen wünschen und verdienen, und seien Sie dann so edelmütig, es ihnen zu gewähren. Und Sie alle, die das Glück und die Ehre haben, in dieser Versammlung der friedliebenden Gemeinschaft zu tagen, hören Sie Uns: Sorgen Sie dafür, dass dem wechselseitigen Vertrauen, das Sie eint und Ihnen gestattet, Gutes und Großes zu tun, niemals Schaden zugefügt wird, dass es nie verraten wird.

4. Die Logik dieses Wunsches, der, so kann man sagen, zur Struktur Ihrer Organisation gehört, veranlasst Uns, ihn noch durch weitere Grundsätze zu ergänzen: Niemand soll, in seiner Eigenschaft als Mitglied Ihrer Union, über den anderen stehen: Keiner über dem anderen. Das ist der Grundsatz der Gleichheit. Wir wissen natürlich, dass noch andere Faktoren als die bloße Zugehörigkeit zu Ihrer Organisation in Betracht zu ziehen sind. Die Gleichheit gehört aber auch zur Verfassung Ihrer Organisation; nicht, dass Sie an sich alle gleich wären, aber hier machen Sie sich gleich. Es mag sein, dass dies für einige von Ihnen ein Ausdruck großer Tugend ist. Gestatten Sie, dass Wir Ihnen das sagen, Wir, der Vertreter einer Religion, die das Heil durch die Demut ihres göttlichen Stifters bewirkt. Es ist unmöglich, Bruder zu sein, wenn man nicht demütig ist. Denn der Stolz, so unabwendbar er scheinen mag, ruft Spannungen hervor und Kämpfe um Prestige, Vorherrschaft, Kämpfe für Kolonialismus und Egoismus. Der Stolz bricht die Brüderlichkeit.

5. Und hier erreicht Unsere Botschaft ihren Höhepunkt. Zuerst negativ: Es handelt sich um das Wort, das Sie von Uns erwarten und das Wir nicht aussprechen können, ohne Uns seiner Schwere und Feierlichkeit bewusst zu sein: Niemals mehr die einen gegen die anderen, niemals, niemals mehr! Ist nicht die Organisation der Vereinten Nationen gerade aus dieser Zielsetzung entstanden: gegen den Krieg und für den Frieden? Hören Sie die klaren Worte eines großen Verstorbenen, John Kennedys, der vor vier Jahren erklärte: "Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, sonst setzt der Krieg der Menschheit ein Ende." Es bedarf keiner weiteren Worte, um die erhabene Zielsetzung Ihrer Organisation zu verkünden. Es genügt, daran zu erinnern, dass das Blut von Millionen Menschen, dass unerhörte und unzählige Leiden, dass sinnlose Massaker und entsetzliche Ruinen den Pakt sanktionieren, der Sie eint in einem Eid, der die zukünftige Geschichte verändern muss: Nie wieder Krieg, nie wieder Krieg! Der Friede, der Friede muss das Geschick der Völker und der ganzen Menschheit leiten!

Dank und Ehre Ihnen, die Sie seit zwanzig Jahren für den Frieden arbeiten und die Sie diesem heiligen Anliegen sogar hochgestellte Personen geopfert haben! Dank und Ehre Ihnen für die Konflikte, die Sie verhindert oder beigelegt haben. Die Ergebnisse Ihrer Anstrengungen zugunsten des Friedens, bis in die allerletzten Tage, verdienen, selbst wenn sie noch nicht endgültig sind, dass Wir Uns zum Sprecher der ganzen Welt machen und Ihnen in ihrem Namen Glückwunsch und Dank abstatten.

Sie haben, geehrte Herren, ein großes Werk vollbracht und vollbringen es weiterhin: Sie lehren die Menschen den Frieden. Die UNO ist die große Schule, in der man diese Erziehung erhält, und Wir sind hier in der Aula Magna dieser Schule. Wer immer hier Platz nimmt, wird Schüler und Lehrer in der Kunst, den Frieden zu bauen. Und wenn Sie diesen Saal verlassen, dann schaut die Welt auf Sie als die Architekten, die Erbauer des Friedens.

Der Friede, Sie wissen das, wird nicht nur durch Politik und durch ein Gleichgewicht der Kräfte und Interessen erbaut. Der Friede wird mit dem Geist, den Ideen, den Werken des Friedens erbaut. Sie arbeiten an diesem großen Werk. Aber Sie stehen noch am Anfang Ihrer Bemühungen. Wird die Welt jemals dazu kommen, den Geist des Partikularismus und des Krieges, der bislang einen so großen Teil ihrer Geschichte gewoben hat, zu ändern? Es ist schwer, eine Voraussage zu machen; doch es ist leicht, zu sagen, dass man sich entschlossen auf den Weg zur neuen, zur friedlichen Geschichte machen muss, zujener, die echt und ganz menschlich sein wird, zujener, die Gott den Menschen guten Willens versprochen hat. Die Wege dahin sind ihnen vorgezeichnet: Der erste ist der der Abrüstung.

Wenn Sie Brüder sein wollen, dann legen Sie die Waffen nieder! Man kann nicht lieben mit Angriffswaffen in den Händen. Die Waffen, vor allem die verheerenden Waffen, die die moderne Wissenschaft Ihnen gegeben hat, verursachen, schon ehe sie Opfer und Ruinen fordern, Angstträume, ungute Gefühle, Alpdruck, Misstrauen, finstere Entschlüsse. Sie erfordern Riesenausgaben, sie behindern Pläne der Solidarität und nützlicher Arbeit und verfälschen den Charakter der Völker. Solange der Mensch jenes schwache, unbeständige und sogar böse Wesen, als das er sich oft zeigt, sein wird, so lange werden Defensivwaffen leider nötig sein. Aber Ihr Mut und Ihre Tapferkeit drängen Sie dazu, nach Mitteln zu suchen, um die Sicherheit des internationalen Lebens ohne Zuflucht zu den Waffen zu gewährleisten. Das ist ein Ihrer Anstrengungen würdiges Ziel. Das erwarten die Völker von Ihnen. Das muss erreicht werden! Und darum muss das einhellige Vertrauen in diese Institution wachsen, darum muss Ihre Autorität wachsen, und dann wird - so kann man hoffen - das Ziel erreicht. Sie werden sich den Dank der Völker verdienen, die von den drückenden Rüstungsausgaben und vom Alpdruck des ständig drohenden Krieges befreit werden.

Wir wissen - und wie sollten Wir Uns nicht darüber freuen? -, dass viele von Ihnen Unseren Appell für die Sache des Friedens, den Wir im Dezember letzten Jahres von Bombay aus an alle Staaten gerichtet haben: wenigstens einen Teil der durch Rüstungsbeschränkung erzielten Einsparungen für die Entwicklungsländer zu opfern, wohlwollend aufgenommen haben. Wir erneuern hier diesen Appell mit dem Vertrauen, das Ihre Gesinnung der Menschlichkeit und der Großherzigkeit Uns einflößt.

6. Von Menschlichkeit und Großherzigkeit sprechen, heißt, auf ein weiteres Grundprinzip der Vereinten Nationen eingehen, ihre positive Höchstleistung. Man ist hier nicht nur am Werk, um Konflikte unter den Staaten zu beschwören, sondern um die Staaten zu befähigen, füreinander zu arbeiten. Sie begnügen sich nicht damit, die Koexistenz unter den Nationen zu erleichtern. Sie tun einen viel größeren Schritt vorwärts, der Unseres Lobes und Unserer Unterstützung würdig ist: Sie organisieren die brüderliche Zusammenarbeit unter den Völkern. Hier entsteht ein System der Solidarität. Es bewirkt, dass hohe Zielsetzungen in der Ordnung der Zivilisation die einmütige und geordnete Unterstützung der ganzen Völkerfamilie zum Wohle aller erhalten. Das ist das Schönste an dieser Organisation der Vereinten Nationen. Das ist ihr eigentlich menschliches Antlitz. Das ist das Ideal, das die Menschheit auf ihrer Pilgerschaft durch die Zeiten erträumt. Das ist die größte Hoffnung der Welt. Wir wagen zu sagen: Das ist der Abglanz des Planes Gottes - ein alles übersteigender Plan voller Liebe - für den Fortschritt der menschlichen Gesellschaft auf Erden, ein Abglanz, wo die himmlische Botschaft des Evangeliums irdisch wird. Hier scheint Uns tatsächlich, dass Wir das Echo der Stimmen Unserer Vorgänger vernehmen, namentlich die des Papstes Johannes XXIII., dessen Botschaft Pacem in terris unter Ihnen eine so ehrenvolle und bedeutsame Resonanz ausgelöst hat.

Was Sie hier verkünden, sind die Grundrechte und Grundpflichten des Menschen, seine Würde, seine Freiheit und vor allem die Religionsfreiheit. Wir spüren, dass Sie die Interpreten dessen sind, was das Höchste in der menschlichen Weisheit ist, Wir würden fast sagen: ihr heiliger Charakter. Denn es handelt sich vor allem um das Leben des Menschen, und das Leben des Menschen ist heilig. Niemand darf es antasten. In Ihrer Versammlung muss die Achtung vor dem Leben, auch in dem, was das große Problem der Geburten betrifft, ihre höchste Anerkennung und ihre angemessene Verteidigung finden. Ihre Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass genügend Brot auf dem Tisch der Menschheit ist, und nicht darin, eine künstliche Geburtenkontrolle, die unvernünftig wäre, zu fördern mit dem Zweck, damit die Zahl der zum Tisch des Lebens Geladenen zu vermindern.

Es genügt aber nicht, die Hungernden zu nähren. Man muss auch jedem Menschen ein Leben sichern, das mit seiner Würde in Einklang steht. Sie mühen sich darum. Wird da nicht vor Unseren Augen durch Sie die Weissagung erfüllt, die sich so gut aufIhre Institution anwenden lässt: "Sie werden ihre Schwerter einschmelzen, um daraus Pflüge zu machen, und ihre Lanzen, um daraus Sensen zu schmieden" (Jes 2, 4)? Denn Sie stellen die wunderbaren Energien der Erde und die prächtigen Erfindungen der Wissenschaft nicht mehr in den Dienst des Todes, sondern in den des Lebens für das neue Zeitalter der Menschheit.

Wir wissen, mit welch wachsender Intensität und Wirksamkeit die Organisation der Vereinten Nationen und die von ihr abhängigen Weltorganismen arbeiten, um den Regierungen, die es nötig haben, zu helfen, ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu beschleunigen.

Wir wissen, mit welchem Eifer Sie daran gehen, das Analphabetentum zu besiegen und die Kultur in der Welt auszubreiten, den Menschen ein angemessenes modernes Gesundheitswesen zu verschaffen, die wunderbaren Hilfsmittel der Wissenschaft, der Technik und der Organisation in den Dienst des Menschen zu stellen: All das ist großartig und verdient das Lob und die Unterstützung aller, inbegriffen Unsere eigene.

Auch Wir möchten darin ein Beispiel geben, selbst wenn die Geringfügigkeit Unserer Mittel es nicht zulässt, ihre praktische Auswirkung zahlenmäßig zu erfassen. Wir wollen Unsere karitativen Institutionen weiter ausbauen gegen den Hunger der Welt und für ihre hauptsächlichen Bedürfnisse. So und nicht anders schafft man den Frieden.

7. Noch ein Wort, geehrte Herren, ein letztes Wort: Der Bau, den Sie errichten, beruht nicht auf rein materiellen und irdischen Grundlagen, denn dann wäre er ein auf Sand gebautes Haus. Der Bau ruht vor allem auf unserem Gewissen. Ja, der Augenblick der "Umkehr", der persönlichen Wandlung, der inneren Erneuerung ist gekommen. Wir müssen uns daran gewöhnen, auf eine neue Art den Menschen zu denken, auf eine neue Art auch das gemeinsame Leben der Menschen, auf eine neue Art endlich auch die Wege der Geschichte und die Geschicke der Welt, nach dem Wort des hl. Paulus: "Zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist, in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit" (Eph 4,23). Nun ist die Stunde gekommen, da sich ein Halt aufdrängt, ein Moment der Sammlung, der Besinnung, fast des Gebetes: unseren gemeinsamen Ursprung zu überdenken, unsere Geschichte, unser gemeinsames Geschick. Niemals war der Appell an das moralische Gewissen der Menschen so nötig wie heute, in einer von einem derartigen Fortschritt der Menschen gekennzeichneten Epoche. Denn die Gefahr kommt weder vom Fortschritt noch von der Wissenschaft, die im Gegenteil, wenn sie gut eingesetzt werden, eine große Zahl schwerwiegender Probleme, die die Menschheit bedrängen, lösen können. Die wahre Gefahr lauert im Menschen, der über immer mächtigere Instrumente verfügt, die sowohl in den Untergang als auch zu den höchsten Errungenschaften führen können.

In einem Wort: Der Bau der modernen Zivilisation muss auf geistigen Prinzipien errichtet werden, den einzigen, die fähig sind, ihn nicht nur zu stützen, sondern auch zu erleuchten und zu beseelen. Und diese unerlässlichen Prinzipien höherer Weisheit können nur, das ist, wie Sie wissen, Unsere Überzeugung, auf dem Glauben an Gott gründen. Der unbekannte Gott, von dem der hl. Paulus zu den Athenern auf dem Areopag sprach? Unerkannt von jenen, die doch, ohne es zu ahnen, ihn suchten und ihm nahe waren, wie das bei so vielen Menschen unseres Jahrhunderts der Fall ist? Für Uns, auf jeden Fall, und für alle jene, die die unaussprechliche Offenbarung annehmen, die Christus uns von ihm gemacht hat, ist es der lebendige Gott, der Vater aller Menschen.

9. II. Vatikanisches Konzil: Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes vom 7. Dezember 1965

AAS 58 (1966) 1025-1120

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V. KAPITEL: Die Förderung des Friedens und der Aufbau der Völkergemeinschaft

77. In unseren Jahren, in denen die Leiden und Ängste wütender oder drohender Kriege noch schwer auf den Menschen lasten, ist die gesamte Menschheitsfamilie in einer entscheidenden Stunde ihrer Entwicklung zur Reife angelangt. Allmählich ist sie sich untereinander näher gekommen, und überall ist sie sich schon klarer ihrer Einsicht bewusst. Da kann sie ihre Aufgabe, die Welt für alle überall wirklich menschlicher zu gestalten, nur erfüllen, wenn alle sich in einer inneren Erneuerung dem wahren Frieden zuwenden. Dann strahlt unserer Zeit jene Botschaft des Evangeliums, die dem höchsten Sehnen und Bemühen der Menschheit entspricht, in neuem Licht auf jene Botschaft, die die Friedensstifter selig preist, "denn sie werden Kinder Gottes heißen" (Mt 5,9).

Darum möchte das Konzil den wahren und hohen Begriff des Friedens klarlegen, die Unmenschlichkeit des Krieges verurteilen und mit allem Ernst einen Aufruf an alle Christen richten, mit Hilfe Christi, in dem der Friede gründet, mit allen Menschen zusammenzuarbeiten, um untereinander in Gerechtigkeit und Liebe den Frieden zu festigen und all das bereitzustellen, was dem Frieden dient.

78. Der Friede besteht nicht darin, dass kein Krieg ist; er lässt sich auch nicht bloß durch das Gleichgewicht entgegengesetzter Kräfte sichern; er entspringt ferner nicht dem Machtgebot eines Starken; er heißt vielmehr mit Recht und eigentlich ein "Werk der Gerechtigkeit" (Jes 32,17). Er ist die Frucht der Ordnung, die ihr göttlicher Gründer selbst in die menschliche Gesellschaft eingestiftet hat und die von den Menschen durch stetes Streben nach immer vollkommenerer Gerechtigkeit verwirklicht werden muss. Zwar wird das Gemeinwohl des Menschengeschlechts grundlegend vom ewigen Gesetz Gottes bestimmt, aber in seinen konkreten Anforderungen unterliegt es dem ständigen Wandel der Zeiten; darum ist der Friede niemals endgültiger Besitz, sondern immer wieder neu zu erfüllende Aufgabe. Da zudem der menschliche Wille schwankend und von der Sünde verwundet ist, verlangt die Sorge um den Frieden, dass jeder dauernd seine Leidenschaft beherrscht und dass die rechtmäßige Obrigkeit wachsam ist. Dies alles genügt noch nicht. Dieser Friede kann auf Erden nicht erreicht werden ohne Sicherheit für das Wohl der Person und ohne dass die Menschen frei und vertrauensvoll die Reichtümer ihres Geistes und Herzens miteinander teilen. Der feste Wille, andere Menschen und Völker und ihre Würde zu achten, gepaart mit einsatzbereiter und tätiger Brüderlichkeit das sind unerlässliche Voraussetzungen für den Aufbau des Friedens. So ist der Friede auch die Frucht der Liebe, die über das hinausgeht, was die Gerechtigkeit zu leisten vermag.

Der irdische Friede, der seinen Ursprung in der Liebe zum Nächsten hat, ist aber auch Abbild und Wirkung des Friedens, den Christus gebracht hat und der von Gott dem Vater ausgeht. Dieser menschgewordene Sohn, der Friedensfürst, hat nämlich durch sein Kreuz alle Menschen mit Gott versöhnt und die Einheit aller in einem Volk und in einem Leib wiederhergestellt. Er hat den Hass an seinem eigenen Leib getötet (vgl. Eph 2,16; Kol 1,20-22), und durch seine Auferstehung erhöht, hat er den Geist der Liebe in die Herzen der Menschen ausgegossen.

Das ist ein eindringlicher Aufruf an alle Christen: "die Wahrheit in Liebe zu tun" (Eph 4,15) und sich mit allen wahrhaft friedliebenden Menschen zu vereinen, um den Frieden zu erbeten und aufzubauen.

Vom gleichen Geist bewegt, können wir denen unsere Anerkennung nicht versagen, die bei der Wahrung ihrer Rechte darauf verzichten, Gewalt anzuwenden, sich vielmehr auf Verteidigungsmittel beschränken, so wie sie auch den Schwächeren zur Verfügung stehen, vorausgesetzt, dass dies ohne Verletzung der Rechte und Pflichten anderer oder der Gemeinschaft möglich ist.

Insofern die Menschen Sünder sind, droht ihnen die Gefahr des Krieges, und sie wird ihnen drohen bis zur Ankunft Christi. Soweit aber die Menschen sich in Liebe vereinen und so die Sünde überwinden, überwinden sie auch die Gewaltsamkeit, bis sich einmal die Worte erfüllen: "Zu Pflügen schmieden sie ihre Schwerter um, zu Winzermessern ihre Lanzen. Kein Volk zückt mehr gegen das andere das Schwert. Das Kriegshandwerk gibt es nicht mehr" (Jes 2,4).

Erster Abschnitt: Von der Vermeidung des Krieges

79. Obwohl die jüngsten Kriege unserer Welt ungeheuren materiellen und moralischen Schaden zugefügt haben, setzt der Krieg doch jeden Tag in irgendeinem Teil der Welt seine Verwüstungen fort. Es droht sogar beim Gebrauch wissenschaftlicher Waffen, gleich welcher Art, eine Barbarei der Kriegführung, die die Kämpfenden zu Grausamkeiten verleitet, die die vergangener Zeiten weit übersteigt. Die Kompliziertheit der heutigen Lage und die Verflochtenheit der internationalen Beziehungen ermöglichen zudem neue hinterhältige und umstürzlerische Methoden, Kriege zu tarnen und in die Länge zu ziehen. In vielen Fällen gibt der Einsatz terroristischer Praktiken der Kriegführung eine neue Gestalt.

Diesen beklagenswerten Zustand der Menschheit vor Augen, möchte das Konzil vor allem an die bleibende Geltung des natürlichen Völkerrechts und seiner allgemeinen Prinzipien erinnern. Das Gewissen der gesamten Menschheit bekennt sich zu diesen Prinzipien mit wachsendem Nachdruck. Handlungen, die in bewusstem Widerspruch zu ihnen stehen, sind Verbrechen; ebenso Befehle, die solche Handlungen anordnen; auch die Berufung auf blinden Gehorsam kann den nicht entschuldigen, der sie ausführt. Zu diesen Handlungen muss man an erster Stelle rechnen: ein ganzes Volk, eine Nation oder eine völkische Minderheit aus welchem Grunde und mit welchen Mitteln auch immer auszurotten. Das sind furchtbare Verbrechen, die aufs schärfste zu verurteilen sind. Höchste Anerkennung verdient dagegen die Haltung derer, die sich solchen Befehlen furchtlos und offen widersetzen.

Für den Kriegsfall bestehen verschiedene internationale Konventionen, von einer recht großen Anzahl von Ländern mit dem Ziel unterzeichnet, die Unmenschlichkeit von Kriegshandlungen und -folgen zu mindern, etwa die Konventionen zum Schutz der Verwundeten und Kriegsgefangenen und verschiedene ähnliche Abmachungen. Diese Verträge müssen gehalten werden. Außerdem müssen alle, insbesondere die Regierungen und die Sachverständigen, alles tun, um diese Abmachungen nach Möglichkeit zu verbessern und dadurch die Unmenschlichkeiten des Krieges besser und wirksamer einzudämmen. Ferner scheint es angebracht, dass Gesetze für die in humaner Weise Vorsorge treffen, die aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigern, vorausgesetzt, dass sie zu einer anderen Form des Dienstes an der menschlichen Gemeinschaft bereit sind.

Allerdings - der Krieg ist nicht aus der Welt geschafft. Solange die Gefahr von Krieg besteht und solange es noch keine zuständige internationale Autorität gibt, die mit entsprechenden Mitteln ausgestattet ist, kann man, wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung erschöpft sind, einer Regierung das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung nicht absprechen. Die Regierenden und alle, die Verantwortung für den Staat tragen, sind verpflichtet, das Wohl der ihnen anvertrauten Völker zu schützen, und sie sollen diese Sache ernst nehmen. Der Einsatz militärischer Mittel, um ein Volk rechtmäßig zu verteidigen, hat jedoch nichts zu tun mit dem Bestreben, andere Nationen zu unterjochen. Das Kriegspotential legitimiert auch nicht jeden militärischen oder politischen Gebrauch. Auch wird nicht deshalb, weil ein Krieg unglücklicherweise ausgebrochen ist, damit nun jedes Kampfmittel zwischen den gegnerischen Parteien erlaubt.

Wer als Soldat im Dienst des Vaterlandes steht, betrachte sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker. Indem er diese Aufgabe recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur Festigung des Friedens bei.

80. Mit der Fortentwicklung wissenschaftlicher Waffen wachsen der Schrecken und die Verwerflichkeit des Krieges ins Unermeßliche. Die Anwendung solcher Waffen im Krieg vermag ungeheure und unkontrollierbare Zerstörungen auszulösen, die die Grenzen einer gerechten Verteidigung weit überschreiten. Ja wenn man alle Mittel, die sich schon in den Waffenlagern der Großmächte befinden, voll einsetzen würde, würde sich daraus eine fast totale und gegenseitige Vernichtung des einen Gegners durch den anderen ergeben, abgesehen von den zahllosen Verwüstungen in der Welt, die dem Gebrauch solcher Waffen als verhängnisvolle Nachwirkungen folgen.

All dies zwingt uns, die Frage des Krieges mit einer ganz neuen inneren Einstellung zu prüfen (vgl. Johannes XXIII., Pacem in terris, 11.4. 1963: AAS 55 [1963] 291: "Darum ist es in unserer Zeit, die sich des Besitzes der Atomkraft rühmt, sinnlos, den Krieg als geeignetes Mittel zur Wiederherstellung verletzter Rechte zu betrachten."). Die Menschen unseres Zeitalters sollen wissen, dass sie über ihre kriegerischen Handlungen einmal schwere Rechenschaft abzulegen haben. Von ihren heutigen Entscheidungen hängt nämlich weitgehend der Lauf der Zukunft ab.

Deshalb macht sich diese Heilige Synode die Verurteilung des totalen Krieges, wie sie schon von den letzten Päpsten ausgesprochen wurde (vgl. Pius XII., Ansprache, 30. 9. 1954: AAS 46 [1954] 589; ders., Radiobotschaft, 24. 12. 1954: AAS 47 [1955]15 ff.; Johannes XXIII., Pacem in terris: AAS 55 [1963] 286-291; Paul VI., Ansprache an die Vereinten Nationen, 4.10. 1965: AAS 57 [1965] 877-885), zu eigen und erklärt: Jede Kriegshandlung, die auf die Vernichtung ganzer Städte oder weiter Gebiete und ihrer Bevölkerung unterschiedslos abstellt, ist ein Verbrechen gegen Gott und gegen den Menschen, das fest und entschieden zu verwerfen ist.

Die besondere Gefahr des modernen Krieges besteht darin, dass er sozusagen denen, die im Besitz neuerer wissenschaftlicher Waffen sind, die Gelegenheit schafft, solche Verbrechen zu begehen, und in eine Art unerbittlicher Verstrickung den Willen des Menschen zu den fürchterlichsten Entschlüssen treiben kann. Damit in Zukunft so etwas nie geschieht, beschwören die versammelten Bischöfe des ganzen Erdkreises alle, insbesondere die Regierenden und die militärischen Befehlshaber, sich jederzeit der großen Verantwortung bewusst zu sein, die sie vor Gott und der ganzen Menschheit tragen.

81. Die wissenschaftlichen Waffen werden nun allerdings nicht nur zum Einsatz im Kriegsfall angehäuft. Weil man meint, dass die Stärke der Verteidigung von der Fähigkeit abhänge, bei einem Angriff des Gegners blitzartig zurückzuschlagen, dient diese noch jährlich wachsende Anhäufung von Waffen dazu, auf diese ungewöhnliche Art mögliche Gegner abzuschrecken. Viele halten dies bis heute für das wirksamste Mittel, einen gewissen Frieden zwischen den Völkern zu sichern.

Wie immer man auch zu dieser Methode der Abschreckung stehen mag die Menschen sollten überzeugt sein, dass der Rüstungswettlauf, zu dem nicht wenige Nationen ihre Zuflucht nehmen, kein sicherer Weg ist, den Frieden zu sichern, und dass das daraus sich ergebende sogenannte Gleichgewicht kein sicherer und wirklicher Friede ist. Statt dass dieser die Ursachen des Krieges beseitigt, drohen diese dadurch sogar eher weiter zuzunehmen. Während man riesige Summen zur Herstellung immer neuer Waffen ausgibt, kann man nicht genügend Hilfsmittel bereitstellen zur Bekämpfung all des Elends in der heutigen Welt. Anstatt die Spannungen zwischen den Völkern wirklich und gründlich zu lösen, überträgt man sie noch auf andere Erdteile. Neue Wege, von einer inneren Wandlung aus beginnend, müssen gewählt werden, um dieses Ärgernis zu beseitigen, die Welt von der drückenden Angst zu befreien und ihr den wahren Frieden zu schenken.

Darum muss noch einmal erklärt werden: Der Rüstungswettlauf ist eine der schrecklichsten Wunden der Menschheit, er schädigt unerträglich die Armen. Wenn hier nicht Hilfe geschaffen wird, ist zu befürchten, dass er eines Tages all das tödliche Unheil bringt, wozu er schon jetzt die Mittel bereitstellt.

Gewarnt vor Katastrophen, die das Menschengeschlecht heute möglich macht, wollen wir die Frist, die uns noch von oben gewährt wurde, nützen, um mit geschärftem Verantwortungsbewusstsein Methoden zu finden, unsere Meinungsverschiedenheiten auf eine Art und Weise zu lösen, die des Menschen würdiger ist. Die göttliche Vorsehung fordert dringend von uns, dass wir uns von der alten Knechtschaft des Krieges befreien. Wohin uns der verhängnisvolle Weg, den wir beschritten haben, führen mag, falls wir nicht diesen Versuch zur Umkehr machen, das wissen wir nicht.

82. Es ist also deutlich, dass wir mit all unseren Kräften jene Zeit vorbereiten müssen, in der auf der Basis einer Übereinkunft zwischen allen Nationen jeglicher Krieg absolut geächtet werden kann. Das erfordert freilich, dass eine von allen anerkannte öffentliche Weltautorität eingesetzt wird, die über wirksame Macht verfügt, um für alle Sicherheit, Wahrung der Gerechtigkeit und Achtung der Rechte zu gewährleisten. Bevor aber diese wünschenswerte Autorität konstituiert werden kann, müssen die jetzigen internationalen höchsten Gremien sich intensiv um Mittel bemühen, die allgemeine Sicherheit besser zu gewährleisten. Da der Friede aus dem gegenseitigen Vertrauen der Völker erwachsen sollte, statt den Nationen durch den Schrecken der Waffen auferlegt zu werden, sollten alle sich bemühen, dem Wettrüsten ein Ende zu machen. Man soll wirklich mit der Abrüstung beginnen, nicht einseitig, sondern in vertraglich festgelegten gleichen Schritten und mit echten und wirksamen Sicherungen (vgl. Johannes XXIII., Pacem in terris, wo von der Abrüstung die Rede ist: AAS 55 [1963] 287).

Inzwischen sind Versuche, wie sie schon unternommen wurden und noch werden, die Gefahr des Krieges abzuwenden, keineswegs gering zu schätzen. Man sollte vielmehr den guten Willen der überaus vielen stützen, die, beladen durch ihr hohes Amt, aber zugleich im Gewissen bedrängt durch die Schwere ihrer Verantwortung, darauf hinwirken, dass der Krieg, den sie verabscheuen, aus der Welt geschafft werde, wenn sie auch nicht an der Kompliziertheit der faktischen Verhältnisse vorbeisehen können. Inständig muss man zu Gott beten, dass er ihnen die Kraft gibt, dieses hohe Werk der Liebe zu den Menschen, den kraftvollen Aufbau des Friedens immer wieder neu zu beginnen und tapfer durchzuhalten. Dies verlangt heute sicher von ihnen, dass sie mit Geist und Herz über die Grenzen ihrer eigenen Nation hinausschauen, dass sie auf nationalen Egoismus und den Ehrgeiz, andere Nationen zu beherrschen, verzichten, dass sie eine tiefe Ehrfurcht empfinden für die ganze Menschheit, die sich so mühsam schon auf eine größere Einheit hinbewegt.

Über die Probleme des Friedens und der Abrüstung sind schon tiefe, mutige und unermüdliche Forschungen angestellt worden. Internationale Kongresse befassten sich damit. Man sollte dies alles als erste Schritte zur Lösung dieser so schwierigen Fragen ansehen und für die Zukunft noch intensiver fördern, wenn man praktikable Ergebnisse erreichen will. Indessen soll man sich hüten, sich nur auf die Anstrengungen einiger zu verlassen, ohne die eigene Einstellung zu überprüfen. Denn die Staatsmänner, die das Gemeinwohl ihres eigenen Volkes zu verantworten und gleichzeitig das Wohl der gesamten Welt zu fördern haben, sind sehr abhängig von der öffentlichen Meinung und Einstellung der Massen. Nichts nützt ihnen ihr Bemühen, Frieden zu stiften, wenn Gefühle der Feindschaft, Verachtung, Misstrauen, Rassenhass und ideologische Verhärtung die Menschen trennen und zu Gegnern machen. Darum sind vor allem eine neue Erziehung und ein neuer Geist in der öffentlichen Meinung dringend notwendig. Wer sich der Aufgabe der Erziehung, vor allem der Jugend, widmet und wer die öffentliche Meinung mitformt, soll es als seine schwere Pflicht ansehen, in allen eine neue Friedensgesinnung zu wecken. Wir alle müssen uns wandeln in unserer Gesinnung und müssen die ganze Welt und jene Aufgaben in den Blick bekommen, die wir alle zusammen zum Fortschritt der Menschheit auf uns nehmen können.

Täuschen wir uns nicht durch eine falsche Hoffnung! Wenn Feindschaft und Hass nicht aufgegeben werden, wenn es nicht zum Abschluss fester und ehrenhafter Verträge kommt, die für die Zukunft einen allgemeinen Frieden sichern, dann geht die Menschheit, die jetzt schon in Gefahr schwebt trotz all ihrer bewundernswürdigen Wissenschaft jener dunklen Stunde entgegen, wo sie keinen anderen Frieden mehr spürt als die schaurige Ruhe des Todes. Aber während die Kirche Christi mitten in den Ängsten dieser Zeit lebt und diese Worte ausspricht, hört sie nicht auf, zuversichtlich zu hoffen. Unserer Zeit will sie immer wieder - gelegen oder ungelegen - die apostolische Botschaft verkünden: "Seht, jetzt ist die Zeit der Gnade" zur Bekehrung der Herzen; ,jetzt ist der Tag des Heils" (vgl. 2 Kor 6,2).

Zweiter Abschnitt: Der Aufbau der internationalen Gemeinschaft

83. Um den Frieden aufzubauen, müssen vor allem die Ursachen der Zwietracht in der Welt, die zum Krieg führen, beseitigt werden, an erster Stelle die Ungerechtigkeiten. Nicht wenige entspringen allzu großen wirtschaftlichen Ungleichheiten oder auch der Verzögerung der notwendigen Hilfe. Andere entstehen aus Herrschsucht und Missachtung der Menschenwürde und, wenn wir nach den tieferen Gründen suchen, aus Neid, Misstrauen Hochmut und anderen egoistischen Leidenschaften. Da der Mensch so viel Unordnung nicht ertragen kann, folgt daraus, dass die Welt auch ohne das Wüten des Krieges dauernd von zwischenmenschlichen Spannungen und gewaltsamen Auseinandersetzungen vergiftet wird. Weil außerdem dieselben Übel auch in den Beziehungen unter den Völkern zu finden sind müssen, will man sie überwinden oder verhüten und die zügellose Gewaltanwendung verhindern, die internationalen Institutionen besser und enge: zusammenarbeiten und koordiniert werden; ebenso muss auf die Bildung neuer Organe für die Förderung des Friedens unermüdlich hingearbeitet werden.

84. Um bei der wachsenden gegenseitigen engen Abhängigkeit aller Menschen und aller Völker auf dem ganzen Erdkreis das allgemeine Wohl der Menschheit auf geeignetem Weg zu suchen und in wirksamer Weise zu erreichen, muss sich die Völkergemeinschaft eine Ordnung geben, die der heutigen Aufgaben entspricht, vor allem im Hinblick auf die zahlreicher Gebiete, die immer noch unerträgliche Not leiden.

Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Institutionen der internationalen Gemeinschaft den verschiedenen Bedürfnissen der Menschen nach Kräften Rechnung tragen, und zwar sowohl in den Bereichen des sozialen Lebens, z.B. Ernährung, Gesundheit, Erziehung, Arbeit, als auch in besonderen Situationen, die hier und dort entstehen können, z.B. die allgemein bestehende Notwendigkeit, den Aufstieg der Entwicklungsländer zu fördern, die Leiden der Flüchtlinge in der ganzen Welt zu lindern oder auch Auswanderer und ihre Familien zu unterstützen. Die bereits bestehenden internationalen Institutionen, sowohl auf weltweiter wie auf regionaler Ebene, machen sich ohne Zweifel um die Menschheit hoch verdient. Sie erscheinen als erste Versuche, eine internationale Grundlage für die Gemeinschaft der ganzen Menschheit zu schaffen, damit so die schweren Fragen unserer Zeit gelöst werden: den Fortschritt überall zu fördern und Kriege in jeder Form zu verhindern. Die Kirche freut sich über den Geist wahrer Brüderlichkeit zwischen Christen und Nichtchristen, der auf all diesen Gebieten zu immer größeren Anstrengungen drängt, um die ungeheuere Not zu lindern.

85. Die heutige enge Verbundenheit der Menschheit erfordert auch auf wirtschaftlichem Gebiet eine stärkere internationale Zusammenarbeit. Wenn auch fast alle Völker politische Unabhängigkeit erlangt haben, ist es doch noch lange nicht so weit, dass sie von allzu großen Ungleichheiten und jeder Form ungebührlicher Abhängigkeit frei und jeder Gefahr schwerer innerer Konflikte enthoben sind. Die Entwicklung einer Nation hängt von menschlichen und finanziellen Hilfen ab. Die Bürger einer jeden Nation müssen durch Erziehung und Berufsausbildung für die verschiedenen Aufgaben in Wirtschaft und Gesellschaft vorbereitet werden. Dazu ist die Hilfe ausländischer Fachkräfte erforderlich, die bei ihrem Einsatz nicht als Herren auftreten dürfen, sondern Helfer und Mitarbeiter sein sollen. Materielle Hilfe wird den aufstrebenden Völkern nicht zuteil werden, wenn die Praktiken des heutigen Welthandels sich nicht von Grund auf ändern. Darüber hinaus müssen von den hochentwickelten Ländern Hilfen in Form von Zuschüssen, Krediten und Kapitalinvestitionen gewährt werden. Diese sollen von der einen Seite großherzig und ohne Profitsucht gewährt und von der anderen in ehrenhafter Haltung angenommen werden. Um zu einer echten weltumfassenden Wirtschaftsordnung zu kommen, muss auf übertriebenes Gewinnstreben, nationales Prestige, politische Herrschsucht, militaristische Überlegungen und Machenschaften zur zwangsweisen Verbreitung von Ideologien verzichtet werden. Viele wirtschaftliche und soziale Systeme werden vorgeschlagen. Es ist zu wünschen, dass Fachleute eine gemeinsame Grundlage für einen gesunden Welthandel finden können. Das wird leichter zu erreichen sein, wenn die Einzelnen ihre Vorurteile ablegen und zu einem aufrichtigen Dialog bereit sind.

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88. Zum Aufbau einer internationalen Ordnung, in der die rechtmäßigen Freiheiten aller wirklich geachtet werden und wahre Brüderlichkeit bei allen herrscht, sollen die Christen gern und von Herzen mitarbeiten, und das um so mehr, als der größere Teil der Welt noch unter solcher Not leidet, dass Christus selbst in den Armen mit lauter Stimme seine Jünger zur Liebe aufruft. Das Ärgernis soll vermieden werden, dass einige Nationen, deren Bürger in überwältigender Mehrheit den Ehrennamen "Christen" tragen, Güter in Fülle besitzen, während andere nicht genug zum Leben haben und von Hunger, Krankheit und Elend aller Art gepeinigt werden. Denn der Geist der Armut und Liebe ist Ruhm und Zeugnis der Kirche Christi.

Lob und Unterstützung verdienen jene Christen, vor allem jene jungen Menschen, die freiwillig anderen Menschen und Völkern ihre persönliche Hilfe zur Verfügung stellen. Es ist jedoch Sache des ganzen Volkes Gottes, wobei die Bischöfe mit Wort und Beispiel vorangehen müssen, die Nöte unserer Zeit nach Kräften zu lindern, und zwar nach alter Tradition der Kirche nicht nur aus dem Überfluss, sondern auch von der Substanz. Das Sammeln und Verteilen von Mitteln muss, zwar ohne starre und einförmige Organisation, jedoch ordnungsgemäß, in den Diözesen, den Ländern und in der ganzen Welt durchgeführt werden, und das in Zusammenarbeit der Katholiken mit den übrigen Christen, wo immer es angebracht erscheint. Denn der Geist der Liebe verbietet durchaus nicht die wohl überlegte und organisierte Durchführung einer sozialen und caritativen Aktion, sondern fordert sie sogar. Darum ist es auch notwendig, dass diejenigen, die sich dem Dienst in Entwicklungsländern widmen wollen, in geeigneten Instituten ausgebildet werden.

89. Kraft ihrer göttlichen Sendung verkündet die Kirche allen Menschen das Evangelium und spendet ihnen die Schätze der Gnade. Dadurch leistet sie überall einen wichtigen Beitrag zur Festigung des Friedens und zur Schaffung einer soliden Grundlage der brüderlichen Gemeinschaft unter den Menschen und Völkern, nämlich die Kenntnis des göttlichen und natürlichen Sittengesetzes. Darum muss die Kirche in der Völkergemeinschaft präsent sein, um die Zusammenarbeit unter den Menschen zu fördern und anzuregen. Das geschieht sowohl durch ihre öffentlichen Institutionen wie durch die umfassende und aufrichtige Zusammenarbeit aller Christen, deren einziger Beweggrund der Wunsch ist, allen zu dienen. Das wird um so eher gelingen, wenn alle Gläubigen im Bewusstsein ihrer menschlichen und christlichen Verantwortung in ihrem eigenen Lebensbereich daran mitwirken, den Wunsch zu tatkräftiger Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft zu wecken. Besondere Sorgfalt ist dabei auf die Bildung der Jugend zu verwenden, vor allem in der religiösen und staatsbürgerlichen Erziehung.

90. Eine hervorragende Form des internationalen Wirkens der Christen ist zweifellos die Mitarbeit, die sie einzeln und organisiert in den vorhandenen oder zu gründenden Institutionen zur Förderung der Zusammenarbeit unter den Nationen leisten. Darüber hinaus können die verschiedenen katholischen internationalen Organisationen auf vielfache Weise zum Aufbau einer friedlichen und brüderlichen Völkergemeinschaft beitragen. Sie verdienen gestärkt zu werden durch erhöhten Einsatz gut vorgebildeter Mitarbeiter, durch Vermehrung der notwendigen Hilfsmittel und durch geeignete Koordinierung der Kräfte. Denn in unserer Zeit sind sowohl zum Erfolg von Aktionen als auch zu dem notwendig gewordenen Dialog gemeinsame Bemühungen erforderlich. Solche Vereinigungen tragen außerdem nicht wenig dazu bei, den Sinn für die Weltprobleme zu entwickeln, was den Katholiken gemäß ist, und das Bewusstsein wahrhaft weltweiter Solidarität und Verantwortung zu wecken.

Schließlich ist zu wünschen, dass die Katholiken zur rechten Erfüllung ihrer Aufgabe in der internationalen Gemeinschaft eine tatkräftige und positive Zusammenarbeit anstreben mit den getrennten Brüdern, die sich gemeinsam mit ihnen zur Liebe des Evangeliums bekennen, und mit allen Menschen, die den wahren Frieden ersehnen.

Aber angesichts der zahllosen Drangsale, unter denen der größere Teil der Menschheit auch heute noch leidet, hält es das Konzil für sehr zweckmäßig, ein Organ der Gesamtkirche zu schaffen, um die Gerechtigkeit und Liebe Christi den Armen in aller Welt zuteil werden zu lassen. Seine Aufgabe soll es sein, die Gemeinschaft der Katholiken immer wieder anzuregen, den Aufstieg der notleidenden Gebiete und die soziale Gerechtigkeit unter den Völkern zu fördern.

10. Papst Paul VI.: Schreiben an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, U Thant, über das Anliegen der Abrüstung vom 24. Januar 1966

AAS 58 (1966) 135-136

Sie wissen, mit welcher Aufmerksamkeit Wir die Anstrengungen verfolgen, welche die Organisation der Vereinten Nationen für den Frieden unternimmt.

Zu dem Zeitpunkt, da die Abrüstungskommission in Genf ihre Sitzungen wieder aufnimmt, möchten Wir an Sie einen dringenden Appell richten, angeregt durch den Wunsch, dass die Bemühungen des Komitees zu einem positiven und konkreten Resultat führen und so der Realisierung der Abrüstung, die so einmütig erwartet und gewünscht wird, einen Schritt näher kommen.

Wir fühlen Uns zu dieser Botschaft ermutigt durch die kürzliche Stellungnahme der mehr als zweitausend katholischen Bischöfe, die in Rom zum Ökumenischen Konzil zusammengekommen waren. In gleicher Weise fühlen Wir Uns aber auch durch das Echo ermutigt, das Unser Appell in Bombay vor der Abrüstungskommission gefunden hat, und durch die wohlwollende Aufnahme, die Unsere Ansprache vor der Vollversammlung der Organisation der Vereinten Nationen in der Weltöffentlichkeit gefunden hat.

Indem Wir Unsere Stimme für das große Anliegen der Abrüstung erheben, ist es Uns bewusst, dass Wir treu dem Weg folgen, der Uns durch Unsere Vorgänger gewiesen worden ist. Und um nur die letzten anzuführen: Man weiß, mit welcher Klarheit Pius XII. das Problem seit der ersten Kriegsweihnacht seines Pontifikats anging. Indem er die rechtmäßige Ordnung beschwor, die auf die Ruinen des Krieges folgen würde, sagte er: "Damit einer Solcherweise hergestellten Ordnung die Angelpunkte eines wahren Friedens, Ruhe und Dauer, beschieden seien, müssen die Nationen von der drückenden Sklaverei des Wettrüstens befreit werden sowie von der Gefahr, dass die materielle Gewalt, anstatt das Recht zu schützen, zu seiner tyrannischen Vergewaltigung führt. Friedensverträge, die nicht auf einer gegenseitigen, organischen, fortschreitenden, vereinbarten Abrüstung sowohl in der praktischen als in der geistigen Ordnung beruhen und die Abrüstung nicht loyal durchzuführen sich bemühen, werden über kurz oder lang ihre Schwäche und den Mangel an Lebenskraft offenbaren" (AAS 32 [1940] 10). Die Gerechtigkeit, die Weisheit, den Sinn für Menschlichkeit proklamierte seinerseits auch Johannes XXIII. in seiner denkwürdigen Enzyklika Pacem in terris, in der er die Einstellung des Wettrüstens fordert; und zwar fordert die Enzyklika die ordnungsgemäße Abrüstung aufgrund eines gemeinsamen Beschlusses und begleitet von wirksamen Kontrollen.

Wenn Wir Unsererseits auf dieses Problem eingehen, verkennen wir weder die Vielschichtigkeit des Problems, noch ignorieren Wir die enormen Schwierigkeiten, mit denen sich die bewährten Einrichtungen der UNO seit ihrer Gründung mit einer Beharrlichkeit und Sachgerechtigkeit auseinandersetzen, denen man seine Hochachtung nicht versagen kann. Aber man kann es nicht leugnen: Jeder Tag, der vergeht, macht es deutlicher, dass sich ein dauerhafter Frieden unter den Menschen nur dann ausbreiten kann, wenn er durch eine wirksame, allgemeine und kontrollierte Abrüstung erlangt wird. Jeder Tag, der vergeht, zeigt aber auch gleicherweise noch schmerzlicher und noch dramatischer den Gegensatz zwischen den riesigen Summen, die für die Aufrüstung ausgegeben werden, und der ungeheuren materiellen Not, in der noch die Hälfte der Menschheit lebt, die darauf wartet, dass ihren elementarsten Bedürfnissen entsprochen wird.

Wir vertrauen darauf, Herr U Thant, dass Sie diese Unsere Intervention als ein Zeugnis der Hochschätzung entgegennehmen, die Wir der Autorität der Vereinten Nationen und den großen Fähigkeiten der Mitglieder des "Komitees der 18" entgegenbringen.

Sie dürfen darin auch das Echo der glühenden Hoffnung der Menschen dieser Zeit erkennen zu deren Sprecher Wir Uns im Namen des Ökumenischen Konzils bei Ihnen glaubten machen zu müssen.

Das sind die Gefühle, aus denen heraus Wir Unsere Wünsche für einen vollen Erfolg der Bemühungen in Genf aussprechen und auf Sie und die, die an ihnen teilnehmen, den Segen des allmächtigen Gottes herabrufen.

11. Papst Paul VI.: Enzyklika Christi matri vom 15. September 1966

AAS 58 (1966) 745-749

Die Drohung großen und schwerwiegenden Unheils lastet auf der Menschheitsfamilie, da in Ostasien ein blutiger Kampf geführt wird und ein heftiger Krieg tobt; dies mahnt Uns, was dem Frieden dient, soweit es an Uns ist, mit aller Kraft zu tun. Zugleich beunruhigen Uns Berichte über das, was in anderen Ländern geschieht, wie das Wettrüsten mit Nuklearwaffen, das sinnlose Streben nach Vergrößerung der eigenen Nation, die maßlose Überbetonung der eigenen Rasse, umstürzlerische Tendenzen, Segregation, Verbrechen, Mord an Unschuldigen. All dies kann zu den schlimmsten Katastrophen führen.

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Nunmehr erheben Wir wiederum Unsere Stimme "mit lautem Rufen und Tränen" (Hebr 5,7), um die Lenker der Staaten mit Bitten zu bestürmen, damit sie alles daransetzen, dass der Brand sich nicht ausweitet, sondern gänzlich erstickt wird. Wir zweifeln nicht, dass alle rechtgesinnten Menschen, welcher Rasse, Farbe, Religion und sozialen Klasse sie auch angehören mögen, ebenso denken wie Wir. Alle, die es angeht, mögen daher die nötigen Bedingungen schaffen, damit die Waffen niedergelegt werden, bevor es durch das Gewicht der Ereignisse nicht mehr möglich sein wird. Diejenigen, in deren Macht das Heil der Menschheitsfamilie steht, mögen -' wissen, dass ihnen in unserer Zeit eine besonders schwere Gewissenspflicht auferlegt ist. Dieses ihr Gewissen mögen sie befragen und an ihr eigenes Volk, an die Welt, an Gott, an die Geschichte denken; sie mögen bei sich bedenken, dass ihr Name für alle Zukunft gesegnet sein wird, wenn sie mit Weisheit dieser Unserer Mahnung Folge leisten. Im Namen Gottes rufen Wir: Haltet ein! Zusammenkünfte sind notwendig, Beratungen und ehrliche Verhandlungen. Jetzt müssen die Dinge geregelt werden, und sei es mit Unannehmlichkeiten und Nachteilen, denn später müssen sie vielleicht unter ungeheuren Verlusten und fürchterlichen Verwüstungen geordnet werden, von denen sich heute noch niemand eine Vorstellung machen kann. Es muss aber ein Friede hergestellt werden, der auf der Gerechtigkeit und der Freiheit der Menschen gegründet ist und die Rechte der Menschen wie der Gemeinschaften achtet, sonst würde er schwach und unsicher.

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12. Papst Paul VI.: Enzyklika Populorum progressio vom 26. März 1967

AAS 59 (1967) 257-299

Weltweite Ausmaße der sozialen Frage

1. Die Entwicklung der Völker wird von der Kirche aufmerksam verfolgt: vor allem derer, die dem Hunger, dem Elend, den herrschenden Krankheiten, der Unwissenheit zu entrinnen suchen; derer, die umfassender an den Früchten der Zivilisation teilnehmen und ihre Begabung wirksamer zur Geltung bringen wollen, die entschieden ihre vollere Entfaltung erstreben. Das Zweite Vatikanische Konzil wurde vor kurzem abgeschlossen. Seither steht das, was das Evangelium in dieser Frage fordert, klarer und lebendiger im Bewusstsein der Kirche. Es ist ihre Pflicht, sich in den Dienst der Menschen zu stellen, um ihnen zu helfen, dieses schwere Problem in seiner ganzen Breite anzupacken, und sie in diesem entscheidenden Augenblick der Menschheitsgeschichte von der Dringlichkeit gemeinsamen Handeins zu überzeugen.

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5. Erst jüngst haben Wir schließlich in dem Bestreben, den Wünschen des Konzils zu entsprechen und zugleich dem Interesse des Apostolischen Stuhles an der großen und gerechten Sache der Entwicklungsländer Ausdruck zu geben, es für Unsere Pflicht erachtet, die Behörden der Römischen Kurie durch eine Päpstliche Kommission zu ergänzen, deren Aufgabe es sein soll, "im ganzen Volk Gottes die Einsicht zu wecken, welche Aufgaben die Gegenwart von ihm fordert: die Entwicklung der armen Völker vorantreiben, die soziale Gerechtigkeit zwischen den Nationen fördern; den weniger entwickelten Nationen zu helfen, dass sie selbst und für sich selbst an ihrem Fortschritt arbeiten können". Gerechtigkeit und Friede ist Name und Programm dieser Kommission. Wir zweifeln nicht daran, dass sich mit Unseren katholischen Söhnen und den christlichen Brüdern alle Menschen guten Willens vereinen werden, um diese Vorhaben in die Tat umzusetzen. Deshalb richten Wir heute an alle diesen feierlichen Aufruf zu gemeinsamem Werk in Fragen der Entwicklung, einer umfassenden für jeden Menschen, einer solidarischen für die Menschheit.

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I. UMFASSENDE ENTWICKLUNG DES MENSCHEN

1. Das Problem

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2. Die Kirche und die Entwicklung

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14. Entwicklung ist nicht einfach gleichbedeutend mit wirtschaftlichem Wachstum. Wahre Entwicklung muss umfassend sein, sie muss jeden Menschen und den ganzen Menschen im Auge haben, wie ein Fachmann auf diesem Gebiet geschrieben hat: "Wir lehnen es ab, die Wirtschaft vom Menschlichen zu trennen, von der Entwicklung der Kultur, zu der sie gehört. Was für uns zählt, ist der Mensch, jeder Mensch, jede Gruppe von Menschen bis hin zur gesamten Menschheit" (L.-J. Lebret OP, Dynamique concrète du developpement. Economie et Humanisme. Les Editions Ouvrieres [Paris 1961] 28).

15. Nach dem Plan Gottes ist jeder Mensch gerufen, sich zu entwickeln, weil das Leben eines jeden Menschen von Gott zu irgendeiner Aufgabe bestimmt ist. Von Geburt an ist allen keimhaft eine Fülle von Fähigkeiten und Eigenschaften gegeben, die Frucht tragen sollen. Ihre Entfaltung, Ergebnis der Erziehung durch die Umwelt und persönlicher Anstrengung, gibt jedem die Möglichkeit, sich auf das Ziel auszurichten, das ihm sein Schöpfer gesetzt hat. Mit Verstand und freiem Willen begabt, ist der Mensch für seinen Fortschritt ebenso verantwortlich wie für sein Heil. Unterstützt, manchmal auch behindert durch seine Erzieher und seine Umwelt, ist jeder seines Glückes Schmied, seines Versagens Ursache, wie immer auch die Einflüsse sind, die auf ihn wirken. Jeder Mensch kann durch die Kräfte seines Geistes und seines Willens als Mensch wachsen, mehr wert sein, sich vervollkommnen.

16. Dieses Wachstum der menschlichen Persönlichkeit ist nicht dem freien Belieben des Menschen anheimgestellt. Wie die gesamte Schöpfung auf ihren Schöpfer hingeordnet ist, so ist auch das geistbegabte Geschöpf gehalten, von sich aus sein Leben auf Gott, die erste Wahrheit und das höchste Gut, auszurichten. Deshalb ist auch für uns die Entfaltung der menschlichen Person unsere oberste Pflicht. Mehr noch, dieser durch persönliche und verantwortungsbewusste Anstrengung zur Ausgewogenheit gekommene Mensch ist darüber hinaus zu einer höheren Würde berufen. Durch seine Eingliederung in den lebendigmachenden Christus gelangt er zu einer neuen Entfaltung, zu einem Humanismus jenseitiger, ganz anderer Art, der ihm die höchste Lebensfülle schenkt: das ist das letzte Ziel und der letzte Sinn menschlicher Entfaltung.

17. Der Mensch ist aber auch Glied der Gemeinschaft. Er gehört zur ganzen Menschheit. Nicht nur dieser oder jener, alle Menschen sind aufgerufen, zur vollen Entwicklung der ganzen menschlichen Gesellschaft beizutragen. Die Kulturen entstehen, wachsen, vergehen. Aber wie jede Woge der steigenden Flut weiter als die vorhergehende den Strand überspült, schreitet auch die Menschheit auf dem Weg ihrer Geschichte voran. Erben unserer Väter und Beschenkte unserer Mitbürger, sind wir allen verpflichtet, und jene können uns nicht gleichgültig sein, die nach uns den Kreis der Menschheitsfamilie weiten. Die Solidarität aller, die etwas Wirkliches ist, bringt für uns nicht nur Vorteile mit sich, sondern auch Pflichten.

18. Die Entfaltung des einzelnen und der ganzen Menschheit wäre in Frage gestellt, wenn die wahre Hierarchie der Werte abgebaut würde. Da das Verlangen des Menschen, sich die notwendigen Güter zu beschaffen, berechtigt ist, folgt, dass die Arbeit, durch die wir jene Güter erlangen, zur Pflicht wird: "Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen" (2 Thess 3,10). Aber der Erwerb zeitlicher Güter kann zu maßloser Gier führen, zum Verlangen nach immer mehr Besitz und zum Streben nach immer größerer Macht. Die Habsucht der einzelnen, der Familien, der Völker kann die Armen und die Reichen packen und bei den einen wie den andern einen erstickenden Materialismus hervorrufen.

19. Mehr haben ist also weder für die Völker noch für den einzelnen das höchste Ziel. Jedes Wachstum hat seine zwei Seiten. Es ist unentbehrlich, damit der Mensch mehr Mensch werde, aber es sperrt ihn wie in ein Gefängnis ein, wenn es zum höchsten Wert wird, der dem Menschen den Blick nach oben versperrt. Dann verhärtet sich das Herz, der Geist verschließt sich, die Menschen kennen keine Freundschaft mehr, sondern nur noch das eigene Interesse, das sie gegeneinander aufbringt und entzweit. Das ausschließliche Streben nach materiellen Gütern verhindert das innere Wachstum und steht seiner wahren menschlichen Größe entgegen. Sowohl die Völker als auch die einzelnen, die von der Habsucht infiziert sind, offenbaren deutlich eine moralische Unterentwicklung.

20. Die Entwicklungshilfe braucht immer mehr Techniker. Noch nötiger freilich hat sie weise Menschen mit tiefen Gedanken, die nach einem neuen Humanismus Ausschau halten, der den Menschen von heute sich selbst finden lässt, im Ja zu den hohen Werten der Liebe, der Freundschaft, des Gebets, der Betrachtung (vgl. J. Maritain, Les conditions spirituelles du progrès et de la paix. Rencontres des cultures a I'UNESCO sous le signe du Concile recuménique Vatican II. Mame [Paris 1966] 66). Nur so kann sich die wahre Entwicklung voll und ganz erfüllen, die für den einzelnen, die für die Völker der Weg von weniger rnenschlichen zu menschlicheren Lebensbedingungen ist.

21. Weniger menschlich: das sind die materiellen Nöte derer, denen das Existenzminimum fehlt; das ist die sittliche Not derer, die vom Egoismus zerfressen sind. Weniger menschlich: das sind die Züge der Gewalt, die im Missbrauch des Besitzes oder der Macht ihren Grund haben, in der Ausbeutung der Arbeiter, in ungerechtem Geschäftsgebaren. Menschlicher: das ist der Aufstieg aus dem Elend zum Besitz des Lebensnotwendigen, die Überwindung der sozialen Missstände, die Erweiterung des Wissens, der Erwerb von Bildung. Menschlicher: das ist das deutlichere Wissen um die Würde des Menschen, das Ausrichten auf den Geist der Armut (vgl. Mt 5,3), die Zusammenarbeit zum Wohle aller, der Wille zum Frieden. Menschlicher: das ist die Anerkennung letzter Werte von seiten des Menschen und die Anerkennung Gottes, ihrer Quelle und ihres Zieles. Menschlicher: das ist endlich vor allem der Glaube, Gottes Gabe, angenommen durch des Menschen guten Willen, und die Einheit in der Liebe Christi, der uns alle ruft, als Kinder am Leben des lebendigen Gottes teilzunehmen, des Vaters aller Menschen.

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3. Die Aufgabe

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II. UM EINE SOLIDARISCHE ENTWICKLUNG DER MENSCHHEIT

43. Die allseitige Entwicklung des Einzelmenschen muss Hand in Hand gehen mit der Entwicklung der gesamten Menschheit; beide müssen sich wechselseitig unterstützen. Wir sagten in Bombay: "Der Mensch muss dem Menschen begegnen. Die Völker müssen sich als Brüder und Schwestern begegnen, als Kinder Gottes. In diesem gegenseitigen Verstehen und in dieser Freundschaft, in dieser heiligen Gemeinschaft müssen wir mit dem gemeinsamen Werk und der gemeinsamen Zukunft der Menschheit beginnen" (Ansprache an die Vertreter der nichtchristlichen Religionsgemeinschaften, 3. 12. 1964: AAS 57 [1965] 132). Deshalb schlugen Wir vor, konkrete Mittel und praktische Formen der Organsiation und Zusammenarbeit zu suchen, um die verfügbaren Hilfsmittel gemeinsam zu nutzen und so eine echte Gemeinschaft unter den Völkern zu stiften.

44. Diese Pflicht betrifft an erster Stelle die Begüterten. Sie wurzelt in der natürlichen und übernatürlichen Brüderlichkeit der Menschen, und zwar in dreifacher Hinsicht: zuerst in der Pflicht zur Solidarität, der Hilfe, die die reichen Völker den Entwicklungsländern leisten müssen; sodann in der Pflicht zur sozialen Gerechtigkeit, das, was an den Wirtschaftsbeziehungen zwischen den mächtigen und schwachen Völkern ungesund ist, abzustellen; endlich in der Pflicht zur Liebe zu allen, zur Schaffung einer menschlicheren Welt für alle, wo alle geben und empfangen können, ohne dass der Fortschritt der einen ein Hindernis für die Entwicklung der anderen ist. Diese Angelegenheit wiegt schwer; von ihr hängt die Zukunft der Zivilisation ab.

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1. Die Hilfe für die Schwachen

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51. Man muss aber noch weiter gehen. Als Wir anläßlich des Eucharistischen Weltkongresses in Bombay weilten, forderten Wir die obersten Lenker der Staaten auf, sie möchten einen Teil der Beträge, die sie für Rüstungszwecke ausgeben, zur Schaffung eines Weltfonds verwenden, um so den notleidenden Völkern zu helfen CBotschaft an die Journalisten in Bombay, 4.12.1964: AAS 57 [1965] 135). Was für den unmittelbaren Kampf gegen das Elend gilt, hat seine Bedeutung auch für die Entwicklungshilfe. Nur eine weltweite Zusammenarbeit, für die der gemeinsame Fonds Symbol und Mittel wäre, würde es erlauben, unfruchtbare Rivalitäten zu überwinden und ein fruchtbares und friedliches Gespräch unter den Völkern in Gang zu bringen.

52. Ohne Zweifel bleibt daneben auch Raum für bilaterale und multilaterale Abkommen: sie geben die Möglichkeit, die Abhängigkeitsverhältnisse und Bitterkeiten, die noch als Folgen der Kolonialzeit geblieben sind, durch Freundschaftsbeziehungen auf dem Boden rechtlicher und politischer Gleichheit zu ersetzen. Eingebettet in Programme weltweiter Zusammenarbeit, wären sie über jeden Verdacht erhaben. Die Empfänger brauchten kein Misstrauen und keine Furcht zu haben vor einem sogenannten Neokolonialismus, der unter dem Schein finanzieller und technischer Hilfe politischen Druck und wirtschaftliches Übergewicht ausübt, um eine Vormachtstellung zu verteidigen oder zu erobern.

53. Wer sähe nicht, dass ein solcher Fonds manche Vergeudung, zu der heute Furcht oder Stolz verleiten, verhindern könnte? Wenn so viele Völker Hunger leiden, wenn so viele Familien in Elend sind, wenn so viele Menschen in Unwissenheit dahinleben, wenn so viele Schulen, Krankenhäuser, richtige Wohnungen zu bauen sind, dann ist jede öffentliche und private Vergeudung, jede aus nationalem oder persönlichem Ehrgeiz gemachte Ausgabe, jedes die Kräfte erschöpfende Wettrüsten ein unerträgliches Ärgernis. Wir müssen das anprangern! Möchten Uns doch die Verantwortlichen hören, bevor es zu spät ist!

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2. Recht und Billigkeit in den Handelsbeziehungen

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62. Noch andere Hindernisse stellen sich dem Aufbau einer gerechteren und nach dem Prinzip der wechselseitigen Solidarität geordneten menschlichen Gesellschaft heute entgegen: der Nationalismus und der Rassenwahn. Es ist verständlich, dass die Völker, die erst jüngst ihre politische Unabhängigkeit erlangt haben, eifersüchtig auf ihre noch zerbrechliche nationale Einheit bedacht sind und sich bemühen, sie zu schützen. Es ist ebenfalls normal, dass die Völker einer alten Kultur stolz sind auf das Erbe, das ihnen die Geschichte überliefert hat. Aber diese berechtigten Gefühle müssen doch überhöht werden durch eine Liebe, die alle Glieder der Menschheitsfamilie umfasst. Der Nationalismus trennt die Völker voneinander und schadet ihrem wahren Wohl. Er wirkt sich dort besonders schädlich aus, wo die Schwäche der Volkswirtschaften vielmehr die Gemeinsamkeit von Anstrengungen, Erkenntnissen und finanziellen Mitteln fordert, um die Entwicklungsprogramme zu verwirklichen und den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zu fördern.

63. Der Rassenwahn ist keineswegs eine Eigenart der jüngst erst zur politischen Selbständigkeit gelangten Völker, wo er sich unter den Rivalitäten der Stammesverbände und der politischen Parteien verbirgt, zum großen Schaden der Gerechtigkeit und zur Gefahr für den inneren Frieden. Während der Kolonialzeit wütete er oft zwischen den Kolonisatoren und den Eingeborenen. Er verhinderte so ein fruchtbares gegenseitiges Verständnis und ließ als Folge vieler Ungerechtigkeiten bittere Abneigung entstehen. Und noch immer verhindert er die Zusammenarbeit zwischen den Entwicklungsländern; er ist ein Ferment der Trennung und des Hasses inmitten der Staaten, wenn sich, unter Missachtung der unaufgebbaren Rechte der menschlichen Person, die einzelnen und die Familien ihrer Rasse oder Hautfarbe wegen ungerecht einer Ausnahmeregelung unterworfen sehen.

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65. Das muss unbedingt erstrebt werden. Es scheint, dass diese Solidarität unter den Völkern der Erde immer mehr Wirklichkeit wird. Sie muss es allen Völkern erlauben, ihr Geschick selbst in die Hand zu nehmen. Die Vergangenheit war zu oft von den Gewalttaten der Völker gegeneinander gekennzeichnet. Möge der Tag kommen, wo die internationalen Beziehungen von gegenseitiger Achtung und Freundschaft geprägt sind, von gegenseitiger Zusammenarbeit, von gemeinsamem Aufstieg, für den sich jeder verantwortlich fühlt. Die jetzt aufstrebenden ärmeren Völker fordern ihren Anteil am Aufbau einer besseren Welt, in der die Rechte und die Aufgaben eines jeden geachtet werden. Dieses Verlangen ist berechtigt, jeder muss es hören und darauf antworten.

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3. Die Liebe zu allen

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Entwicklung der neue Name für Friede

76. Die zwischen den Völkern bestehenden übergroßen Unterschiede der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, wie auch der Lehrmeinungen, sind dazu angetan, Eifersucht und Uneinigkeiten hervorzurufen und gefährden so immer wieder den Frieden. Nach der Rückkehr von Unserer Friedensreise zur UNO haben Wir vor den Konzilsvätern gesagt: "Die Daseinsbedingungen der Entwicklungsländer verdienen unsere gespannte Aufmerksamkeit, deutlicher gesagt: unsere Liebe zu den Armen in dieser Welt - und es sind unzählige Scharen - muss hellhöriger, aktiver, hochherziger werden" CAAS 57 [1966] 896). Das Elend bekämpfen und der Ungerechtigkeit entgegentreten heißt nicht nur die äußeren Lebensverhältnisse bessern, sondern auch am geistigen und sittlichen Fortschritt aller arbeiten und damit zum Nutzen der Menschheit beitragen. Der Friede besteht nicht einfach im Schweigen der Waffen, nicht einfach im immer schwankenden Gleichgewicht der Kräfte. Er muss Tag für Tag aufgebaut werden mit dem Ziel einer von Gott gewollten Ordnung, die eine vollkommenere Gerechtigkeit unter den Menschen herbeiführt (vgl. Pacem in terris, 11. 4. 1963: AAS 55 [1963] 301).

77. Weil die Völker die Baumeister ihres eigenen Fortschritts sind, müssen sie selbst auch an erster Stelle die Last und Verantwortung dafür tragen. Aber sie werden es nicht schaffen, wenn sie gegenseitig isoliert bleiben. Regionale Übereinkünfte unter den schwachen Völkern zu gegenseitiger Unterstützung, umfassende Hilfeleistungsabmachungen und noch gewichtigere Zusammenschlüsse und gemeinsame Vorhaben sind sozusagen Meilensteine auf dem Weg zur Entwicklung, der auch zum Frieden führt.

78. Diese internationale Zusammenarbeit auf Weltebene braucht Institutionen, die sie vorbereiten, aufeinander abstimmen, leiten, bis eine Rechtsordnung geschaffen wird, die allgemein anerkannt ist. Von ganzem Herzen ermutigen Wir die Organisationen, die bisher schon das Werk der kulturellen Entwicklung der Völker in die Hand genommen haben, und Wir wünschen, dass ihre Autorität wachse. "Ihre Aufgabe ist es", so sagten Wir vor den Vertretern der Vereinten Nationen in New York, "nicht einige, sondern alle Völker einander brüderlich näherzubringen .... Wer sieht nicht die Notwendigkeit ein, allmählich zur Errichtung einer die Welt umfassenden Autorität zu kommen, die imstande ist, auf der rechtlichen wie auf der politischen Ebene wirksam zu handeln?" (AAS 57 [1965] 880) 79. Manche mögen solche Hoffnungen für utopisch halten. Es könnte aber sein, dass sich ihr Realismus als irrig erweist, dass sie die Dynamik einer Welt nicht erkannt haben, die brüderlicher leben will, die sich trotz ihrer Unwissenheit, ihrer Irrtümer, ihrer Fehler, ihrer Rückfälle in die Barbarei, ihres Abschweifens vom Weg des Heils, langsam, ohne sich darüber klar zu sein, ihrem Schöpfer nähert. Dieser Weg zu einer größeren Menschlichkeit verlangt Anstrengungen und Opfer. Aber auch die Widrigkeiten, angenommen aus Liebe zu unseren Brüdern, tragen bei zum Fortschritt der gesamten Menschheitsfamilie. Die Christen wissen sehr wohl, wieviel ihre Vereinigung mit dem Sühnopfer des göttlichen Erlösers beiträgt zur Erbauung des Leibes Christi, damit er nämlich seine Fülle erlangt in der Vereinigung des Volkes Gottes (vgl. Eph 4,12; Lumen gentium, 13).

80. Auf diesem Weg müssen wir alle solidarisch sein. Darum halten Wir es für Unsere Pflicht, allen die gewaltige Bedeutung dieses Anliegens und die dringende Notwendigkeit der Aufgabe vor Augen zu stellen. Jetzt schlägt die Stunde der Tat: das Leben so vieler unschuldiger Kinder, der Aufstieg so vieler unglücklicher Familien zu einem menschlichen Leben, der Friede der Welt, die Zukunft der Kultur stehen auf dem Spiel. Alle Menschen, alle Völker haben ihre Verantwortung zu übernehmen.

Schlussmahnung

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13. Papst Paul VI.: Ansprache bei der Generalaudienz am 7. Juni 1967 mit besonderer Bezugnahme auf den 3. Israelisch-Arabischen Krieg

AAS 59 (1967) 633-636

Diese Unsere allwöchentliche familiäre Ansprache über die Dinge des Reiches Gottes wird heute unterbrochen durch den unvorhergesehenen, unheilvollen Lärm eines neuen Krieges, der jenes uns besonders heilige und teure Land zum Schauplatz hat, in dem Jesus, unser Meister, der Erlöser der Welt, geboren wurde, lebte, das Evangelium verkündete, seine Kirche gründete, gekreuzigt wurde und starb als Opfer für das Heil der Menschheit; wo er auferstand und das neue Leben stiftete, das die Menschen in dieser Zeit wieder geboren werden lässt, sie heiligt und zu Brüdern macht und sich in seliger Vollkommenheit in der Ewigkeit entfalten soll. Ein neuer Krieg! Wir hätten geglaubt, nie mehr eine solche Tragödie in der gegenwärtigen und zukünftigen Geschichte der Völker sehen zu müssen nach den entsetzlichen (und nach dem Urteil der Einsichtigen unnötigen und absurden), jedesmal noch schlimmeren Leiden, die die Menschen schon zweimal in diesem Jahrhundert sich selber zugefügt haben. Wußten wir nicht, was Krieg ist? Die Worte des großen Humanisten des 16. Jahrhunderts Erasmus kommen Uns in den Sinn, die auf einer ihm gewidmeten Stele in einem Park in Den Haag eingraviert sind: Der Krieg wird nur von denen geliebt, die ihn nicht kennen. Unsere Generation sollte zur Genüge wissen, was Krieg ist und was ein moderner Krieg sein kann; doch schon scheint seine entsetzliche Wirklichkeit vergessen; aufs neue setzt man Vertrauen in seine blinde, tödliche Gewalt und glaubt, damit Ordnung und Gerechtigkeit unter den Menschen herstellen zu können.

Seit mehr als zwanzig Jahren wird der Friede, immer wieder der Friede gepredigt; und dies ist das Resultat? Außer dem bitteren Schmerz angesichts dieses neuen Konflikts bedrückt den Geist die Enttäuschung über die Unaufrichtigkeit oder über die Nutzlosigkeit menschlicher Bemühungen zur Schaffung des Friedens in der Welt: Worte, Propaganda, Hoffnungen, Institutionen, Versprechungen, Statute, Voraussagen, nichts nützt also, um aus dem Herzen der Menschen und aus ihrer Politik den Dämon des Hasses, der Gewalt, der Rache, der Grausamkeit zu entfernen. Soll etwa die zynische antike Definition des wilden Menschen: Homo homini lupus, nach Jahrhunderten der Zivilisation und nach dem leuchtenden Morgenrot der neuen Zeit immer noch gültig sein?

Geliebte Söhne: Wir werden nicht am Frieden verzweifeln, weil Wir nicht an den Menschen verzweifeln wollen und weil Wir immer auf die unwiderstehliche, wenn auch langsame und angefochtene Kraft des Evangeliums und die barmherzige Hilfe Gottes vertrauen wollen.

Ihr erwartet nicht, dass Wir in diesem Augenblick und an diesem Ort irgendein Werturteil über den im Gang befindlichen Konflikt aussprechen. Ein einziges Wort wollen Wir Uns zu eigen machen unter all den weisen und kompententen, die Wir in diesem schwierigen Augenblick angesichts der bereits entfesselten Tragödie gehört haben: Sie mögen die Kampfhandlungen einstellen, zuerst daran denken, Menschenleben zu retten; dann möge man die gerechten und vernünftigen Verhandlungen wiederaufnehmen; man möge den Institutionen zur Schaffung friedlicher Beziehungen unter den Nationen Vertrauen schenken; und Gott gebe, dass verantwortungsbewusste, hochherzige Männer alle Gemüter kraftvoll zu einer ausgewogenen Lösung in Gerechtigkeit und Eintracht hinlenken und so der Menschheit das unermeßliche Leid so vieler Opfer und so vieler Ruinen, geschweige denn die Schande eines neuen allgemeinen Konflikts ersparen können.

Wir möchten noch ein weiteres Wort hinzufügen und Unseren lebhaften Wunsch nach Schutz der Heiligen Stätten wiederholen; es ist in der Tat von höchstem Interesse für alle Angehörigen der geistigen Nachkommenschaft Abrahams, Juden, Muselmanen, Christen, dass Jerusalem zur offenen Stadt erklärt wird und, freigehalten von allen militärischen Operationen, von den Kriegsfolgen verschont bleibt, die es schon getroffen haben und leicht noch mehr bedrohen. Wir machen diesen flehenden Appell im Namen der ganzen Christenheit, die seinetwegen in großer Angst ist, zugleich machen Wir Uns zu diesem Zweck zum Interpreten der ganzen zivilisierten Menschheit bei den Regierungen der einander feindlichen Nationen und bei den militärischen Führern der kämpfenden Heere: Möge Jerusalem der Kriegszustand erspart bleiben, und möge die heilige Stadt Zuflucht für die Wehrlosen und Verwundeten bleiben als Symbol der Hoffnung und des Friedens für alle.

Aber indem Wir hier in der Aula katholischer Brüderlichkeit und christlichen Gebets zu euch sprechen, wollen Wir eure Aufmerksamkeit weniger auf die verwirrten Zustände der äußeren Welt lenken als auf die innere Welt eurer Seelen und der Seelen all jener, die ein Echo dieser Unserer - religiösen Ermahnung erreicht, um eurer Liebe und eurer Frömmigkeit die zwei Pflichten anzuempfehlen, die Wir in dieser angsterfüllten Stunde für die wichtigsten halten. Die erste ist gerade die Pflicht der Liebe, der Liebe im tiefsten Grunde der Herzen, in den Gefühlen, in den Urteilen, in den Hoffnungen, möge sie noch so einfältig und utopisch erscheinen.

Wir müssen die Menschen lieben, alle Menschen, wer sie auch sein mögen, auch in diesen unruhigen Zeiten, selbst wenn wir ihre Handlungen tadeln oder verurteilen. Unser Vorsatz der ökumenischen Liebe darf nicht den rasch erregten Leidenschaften der öffentlichen Meinung nachgeben; wie ein prophetischer Traum soll in uns die Vision von einer Menschheit fortbestehen, die in einer nach und nach immer gerechteren und menschlicheren Ordnung zusammengeschlossen ist. Wir wollen nicht zulassen, dass das Gift der Antipathie und des Hasses die christlichen Herzen lähme, die das Konzil erst vor kurzem so wirkungsvoll für die universale Liebe aufgeschlossen hat. Wenn der Kriegszustand soviel physisches und moralisches Unglück in der Welt schafft, so soll er in uns den um so stärkeren Vorsatz zum Guten wecken und eine umso größere Fähigkeit erzeugen, es zu ersehnen und zu vollbringen.

Und die zweite Pflicht ist, wie ihr wohl erratet, das Gebet, ein tiefes und gütiges Gebet für die Versöhnung der Menschen untereinander, ein kraftvolles Gebet für die Erlangung der Vorherrschaft des Gerechtigkeitssinnes, ein demütiges Gebet, um die Tugend des Verzeihens und der Wiederversöhnung zu erlangen, ein glühendes Gebet des Glaubens, das den Beistand der barmherzigen Allmacht des himmlischen Vaters verdient. Dies wird die Art und Weise sein, in der wir alle zur Rückkehr des Friedens und zum wahren Fortschritt der Menschheit beitragen können. In dieser Weise liebt und betet, geliebte Söhne, mit Unserem Apostolischen Segen.

14. Papst Paul VI.: Botschaft "an alle Menschen guten Willens" vom 8. Dezember 1967 mit der Aufforderung, künftig den 1. Januar auf der ganzen Welt als "Tag des Friedens" zu begehen

AAS 59 (1967) 1097-1102

Wir wenden Uns an alle Menschen guten Willens und rufen sie auf, am ersten Tag des Kalenderjahres, am 1. Januar 1968, auf der ganzen Welt einen "Tag des Friedens" zu begehen. Unser Wunsch wäre es, dass dieser Tag auch weiterhin jedes Jahr begangen werde, als Wunsch und Gelöbnis zu Beginn des Kalenderjahres, das den Weg des Menschenlebens in der Zeit einteilt und regelt, als Wunsch und Gelöbnis, dass der Friede mit seinem gerechten und wohltuenden Gleichgewicht in Zukunft den Ablauf der Geschichte bestimmt.

Wir glauben, dieser Vorschlag entspricht dem Sehnen und Trachten der Völker, ihrer Regierungen, der internationalen Organisationen, die sich für die Erhaltung des Friedens in der Welt einsetzen, der religiösen Institutionen, die ein so großes Interesse an der Bewahrung des Friedens haben, den kulturellen, politischen und sozialen Bewegungen, die sich dem Ideal des Friedens verschrieben haben, der Jugend, die mit lebendigerem Scharfblick die auf eine friedliche Entwicklung ausgerichteten neuen Wege der Zivilisation erfasst, der besonnenen Menschen, die erkennen, wie sehr der Friede heute notwendig, zugleich aber auch bedroht ist.

Der Vorschlag, den ersten Tag des neuen Jahres dem Frieden zu widmen sollte nicht ausschließlich als Unsere persönliche Angelegenheit, als religiöse, das heißt katholische, angesehen werden; er sollte vielmehr die ganz spontane Zustimmung aller wahren Freunde des Friedens finden, so als ob er ihrer eigenen Initiative entspränge; auch sollte er auf verschiedene Weise realisiert werden je nach dem besonderen Charakter eines jeder einzelnen, der sich bewusst ist, wie schön und wichtig in der Vielfalt der modernen Menschheit der Zusammenklang aller Stimmen auf der Welt ist, um dieses grundlegende Gut, den Frieden, zu preisen.

Die Katholische Kirche will nur, in der Absicht, zu dienen und ein Beispiel zu geben, "diese Idee lancieren". Sie hofft, dafür nicht nur die Zustimmung weitester Kreise der zivilisierten Welt, sondern überall auch zahlreiche geschickte Verfechter zu finden. Ihre Förderer sollen fähig sein, dem "Tal des Friedens", der zu Beginn jedes neuen Jahres begangen werden soll, das ernste und kraftvolle Gepräge einer verantwortungsbewussten Menschheit zu geben, die befreit ist von der traurigen Fatalität bewaffneter Konflikte und der Weltgeschichte in zivilisierter Ordnung einen glücklicheren Verlauf zu geben vermag.

Die Katholische Kirche wird ihre Söhne einladen, den "Tag des Friedens" mit den religiös-sittlichen Ausdrucksformen der christlichen Frömmigkeit zu begehen. Sie erachtet es aber als ihre Pflicht, alle jene, die mit ihr dieser "Tag" begehen wollen, auf einige Punkte aufmerksam zu machen, die ihm sein Gepräge geben sollen, vor allem auf die Notwendigkeit, den Frieden vor den Gefahren, die ihn fortlaufend bedrohen, zu schützen: vor der Gefahr, dass der Egoismus in den Beziehungen unter den Nationen weiterbesteht; vor der Gefahr, dass sich die Bevölkerungen mancher Länder zu Gewalttätigkeiten hinreißen lassen aus Verzweiflung darüber, dass ihr Rech! auf Leben und Menschenwürde nicht anerkannt und geachtet wird; vor der Gefahr, die gerade heute so schreckliche Ausmaße angenommen hat, dass gewisse Mächte ihre Zuflucht zu Vernichtungswaffen nehmen, über die sie bereits verfügen und für die sie riesige Summen aufwenden - diese Rüstungsausgaben nötigen zu sorgenvollen Überlegungen angesichts der drückenden Armut, die die Entwicklung vieler Völker hemmt -; vor der Gefahr, dass man glaubt, internationale Kontroversen könnten nicht auf dem Weg der Vernunft gelöst werden, d.h. durch Verhandlungen auf der Grundlage des Rechts, der Gerechtigkeit und der Billigkeit, sondern nur mit Gewaltmitteln, die Schrecken und Tod verbreiten.

Der Friede gründet subjektiv auf einem neuen Geist, der das Zusammenleben der Völker beseelen muss, auf einer neuen Auffassung vom Menschen, seinen Pflichten und seiner Bestimmung. Ein weiter Weg ist noch zurückzulegen, damit diese Auffassung Allgemeingut wird und sich auswirken kann. Eine neue Pädagogik muss die neuen Generationen dazu führen, dass sich die Nationen gegenseitig achten, dass die Völker untereinander Brüder werden, dass die verschiedenen Völkerschaften unter sich für ihren Fortschritt und ihre Entwicklung zusammenarbeiten. Die hierfür gegründeten internationalen Institutionen müssen von allen unterstützt werden. Sie müssen besser bekannt gemacht werden. Sie müssen mit der Autorität und den Mitteln, die ihrer hohen Sendung entsprechen, ausgestattet werden. Der "Tag des Friedens" soll auch eine Ehrung für diese Institutionen sein; er soll ihrer Tätigkeit Ansehen verleihen, das Vertrauen in sie und auch die Hoffnung auf sie stärken, wodurch in ihnen das Bewusstsein der Größe ihrer Verantwortung und des ihnen anvertrauten Auftrags wachgehalten und gefestigt werden soll.

Eine Warnung muss immer wieder in Erinnerung gerufen werden: den Frieden kann man nicht auf hohlem Wohlschwall gründen, der zwar Anklang finden kann, weil er ein tiefes und echtes Sehnen der Menschen anspricht, der aber auch dazu dienen kann, und leider oft dazu gedient hat, das Fehlen eines echten Friedensgeistes und wahrer Friedensabsichten zu verbergen oder sogar umstürzlerische Absichten und Aktionen oder Parteiinteressen zu tarnen. Man kann auch legitimerweise nicht von Frieden sprechen, wo dessen feste Grundlagen nicht anerkannt und geachtet werden, nämlich Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit und Liebe in den Beziehungen zwischen den Staaten und, innerhalb einer jeden Nation, zwischen den Bürgern untereinander und zu ihren Behörden, sowie Freiheit der Einzelmenschen und der Völker, und zwar staatsbürgerliche, kulturelle, moralische und religiöse Freiheit. Sonst hat man keinen Frieden - auch dann nicht, wenn es rein zufällig gelingt, durch Unterdrückung einen Anschein von Ordnung und Legalität zu schaffen -, sondern ein ständiges und unaufhaltsames Keimen von Revolutionen und Kriegen.

Wir laden darum alle besonnenen und tatkräftigen Menschen ein, diesen Tag dem wahren Frieden zu weihen, dem gerechten und ausgleichenden Frieden, der sich auf die ehrliche Anerkennung der Rechte der menschlichen Person und auf die Unabhängigkeit jeder Nation gründet.

Es ist auch zu wünschen, dass die Verherrlichung des Friedensideals nicht die Feigheit jener begünstige, die sich fürchten, ihr Leben im Dienst ihres Landes und ihrer Brüder einzusetzen, während diese sich für die Verteidigung von Gerechtigkeit und Freiheit aufopfern, die sich vor der Verantwortung drücken und dem unvermeidbaren Risiko zu entfliehen suchen, das nun einmal mit der Erfüllung großer Pflichten und hochherziger Unternehmungen verbunden ist. Friede heißt nicht Pazifismus. Er verbirgt keine feige und bequeme Lebensauffassung. Er verkündet im Gegenteil höchste und allgemeingültige Lebenswerte: Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit, Liebe.

Und weil Wir diese Werte verteidigen, stellen Wir sie unter das Banner des Friedens und laden die Menschen und Nationen ein, zu Beginn des neuen Jahres dieses Banner hochzuheben. Es soll das Schiff der Menschheit durch die unvermeidlichen Stürme der Geschichte hindurch zum Hafen seiner höchsten Bestimmung führen.

An Euch, geliebte Brüder im Bischofsamt, an Euch, geliebte Söhne und Gläubige unserer heiligen Katholischen Kirche, richten Wir die Einladung, die Wir eben verkündet haben: den ersten Tag des bürgerlichen Jahres, den 1. Januar des kommenden Jahres, ganz besonders dem Gedanken und dem Willen zum Frieden zu widmen.

Diese Feier soll den liturgischen Kalender nicht abändern, der den Neujahrstag der Verehrung der Gottesmutterschaft Mariens und dem allerheiligsten Namen Jesu vorbehält. Diese lieblichen heiligen Gedenkfeiern sollen vielmehr das Licht der Güte, Weisheit und Hoffnung ausstrahlen auf das Erflehen, Bedenken und Fördern des so großen, heißersehnten Gutes, des Friedens, dessen die Welt so sehr bedarf.

Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, es wird euch aufgefallen sein, wie oft Wir über den Frieden sprechen. Wir tun es nicht, um einer rasch erworbenen Gewohnheit nachzugeben, auch nicht, weil dieses Thema gerade viel besprochen ist. Wir tun es, weil Wir meinen, dass Unsere Pflicht als oberster Hirt es von Uns fordert. Wir tun es, weil Wir sehen, wie ernst der Friede bedroht ist. Wir tun es in der Vorausahnung fürchterlicher Ereignisse, die sich für ganze Nationen und vielleicht sogar für einen großen Teil der Menschheit katastrophal auswirken können. Wir tun es, weil in den letzten Jahren der Geschichte unseres Jahrhunderts sehr klar die Tatsache zutage getreten ist, dass der Friede der einzige, wahre Weg des menschlichen Fortschritts ist (nicht die Spannungen ehrgeiziger Nationalismen, nicht gewaltsame Eroberungen, nicht Unterdrückungen, die nur eine falsche bürgerliche Ordnung schaffen). Wir tun es, weil der Friede zum Geist der christlichen Religion gehört, weil für den Christen den Frieden verkünden Jesus Christus verkünden heißt. "Er ist unser Friede" (Eph 2,14). Sein

Evangelium ist "das Evangelium des Friedens" (Eph 6,15). Durch sein Opfer am Kreuz hat er die Aussöhnung aller Menschen vollzogen, und wir, seine Jünger, sind aufgerufen, "Friedensstifter" (Mt 5,9) zu sein. Letztlich kann der Friede nur aus dem Evangelium hervorgehen, der Friede, der die Menschen nicht schwach und feige macht, sondern in ihrer Seele die Neigungen zu Gewalttat und Unterdrückung durch die kraftvollen Verstandes- und Herzenstugenden eines echten Humanismus ersetzt. Und endlich tun Wir es auch, weil Wir nicht möchten, dass Uns jemals von Gott oder der Geschichte der Vorwurf gemacht wird, geschwiegen zu haben angesichts der Gefahr eines neuen Krieges unter den Völkern, der, wie alle wissen, unvorstellbare Formen apokalyptischen Schreckens annehmen könnte.

Immer wieder muss man vom Frieden sprechen. Die Welt muss dazu erzogen werden, den Frieden zu lieben, ihn aufzubauen, ihn zu verteidigen. In den Menschen unserer Zeit und in den kommenden Generationen müssen Sinn und Liebe für den Frieden, der auf der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Freiheit, der Liebe gründet (vgl. Johannes XXIII., Pacem in terris), geweckt werden: gegen alles, was schon wieder beginnt, einen neuen Krieg vorzubereiten (Stimulierung des Nationalismus, Aufrüstung, Herausforderung zum Umsturz, Rassenhass, Rachsucht usw.) und gegen die Tücke eines rein taktischen Pazifismus, der den Gegner, den man überwältigen will, narkotisiert und in den Geistern den Sinn für Gerechtigkeit, Pflicht und Opfer tötet.

Die große Idee des Friedens soll gerade für uns Jünger Christi zu Beginn des neuen Jahres 1968 ihren Festtag haben.

Wir, die wir an das Evangelium glauben, können diese Gedenkfeier mit einer wunderbaren Fülle eigener wirkmächtiger Ideen durchdringen: so mit der Idee von der unantastbaren universellen Bruderschaft aller Menschen, die sich aus der einzigen, höchsten, liebevollsten Vaterschaft Gottes herleitet, aus der Gemeinschaft, die - in re vel in spe - uns alle mit Christus vereint, und aus der prophetischen Berufung, die im Heiligen Geist das Menschengeschlecht zur Einheit nicht nur der Gesinnung, sondern auch des Tuns und des Schicksals ruft. Wir können, wie sonst niemand, von der Nächstenliebe sprechen. Wir können aus dem christlichen Gebot des Verzeihens und der Barmherzigkeit Fermente für die Erneuerung der Gesellschaft gewinnen. Vor allem haben wir, ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, eine einzigartige Waffe für den Frieden zu unserer Verfügung: das Gebet mit seiner wunderbaren moralischen Kraft und dem ihm verliehenen übernatürlichen Beistand in der geistigen und politischen Erneuerung. Das Gebet bietet jedem die Gelegenheit, persönlich und aufrichtig im eigenen Ich nach den Wurzeln der etwa vorhandenen Neigung zu Groll und Gewalttat, die sich im Herzen eines jeden finden können, zu forschen. Beginnen wir darum das Jahr des Heils 1968 (Jahr des Glaubens, der zur Hoffnung wird) mit dem Gebet für den Frieden, und zwar wir alle und nach Möglichkeit gemeinsam in unseren Kirchen und in unseren Häusern. Darum bitten Wir euch jetzt. Keine Stimme soll fehlen im großen Chor der Kirche und der Welt, die Christus, der sich für uns geopfert hat, anfleht: Dona nobis pacem.

15. Papst Paul VI.: Ansprache in der Petersbasilika zum "Tag des Friedens" am 1. Januar 1968

AAS 60 (1968) 36-39

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Jedoch, schon wenn Wir dieses schicksalhafte Wort: Friede, dieses wie kein anderes freundschaftliche und menschliche Wort, aussprechen und wiederholen, erhebt sich ein Gefühl in Unserem Geist, das Wir nicht verschweigen können, auch wenn es Unseren Friedenswunsch zu ersticken und die Hoffnung, die er mit sich bringt, zu enttäuschen sucht. Es ist die gefühlsmäßige Ahnung der Schwierigkeiten, die sich der Erreichung des Friedens entgegenstellen. Die gegenwärtigen Verhältnisse in der Welt lassen diese Schwierigkeiten offenbar werden und forcieren sie mit solcher Gewalt, dass sie schicksalhaft und unüberwindlich scheinen: Der Friede existiert z.B. heute in verschiedenen Teilen der Welt nicht, insbesondere nicht in einer Region, die von uns räumlich weit entfernt, aber uns geistig um so näher ist: ihr versteht sehr wohl, dass Wir Vietnam meinen. Und während es Uns im leidenschaftslosen Abwägen der staatlichen Interessen, die im Spiel sind, und der Ehre der kriegführenden Parteien noch schien, der Weg zum Frieden sei noch immer offen und gangbar, auch wenn er mit Überwindung von Schwierigkeiten und nur schrittweise zurückgelegt werden könne, da tauchten schon wieder neue erschreckende Hindernisse auf, um mit neuen Problemen und neuen Drohungen die verwickelte Frage noch mehr zu komplizieren und die Gefahren, die Feindseligkeiten, die Ruinen, die Tränen und die Opfer noch zu vermehren. Wir möchten das furchtbare Unglück eines immer mehr um sich greifenden Krieges, eines Krieges ohne Ende beschwören. Wir wagen es, die in den Konflikt verwickelten Mächte anzuflehen, alles zu versuchen, was eine ehrenvolle Lösung für diese schmerzliche Streitfrage herbeiführen kann; die gleiche Mahnung richten Wir an alle internationalen Institutionen, die dazu in der Lage sind. Und Wir beschwören die kämpfenden Parteien, noch heute einen ehrlichen und dauerhaften Waffenstillstand in diesem so schweren und erbarmungslosen Kampf einzulegen. Ist es denn nicht für alle wünschenswert, ist es denn nicht praktisch möglich, dass loyale Verhandlungen die Eintracht unter den Bewohnern dieses geliebten und liebenswerten Landes wiederherstellen, indem sie ihre Unabhängigkeit und Freiheit garantieren? Wir glauben es, Wir wünschen es in spe, contra spem. Und darin bestärkt Uns die für einige Stunden gewährte Verlängerung des Waffenstillstands, der für diesen Jahreswechsel schon festgesetzt war, gemäß dem Geist Unserer Einladung zu diesem Tag des Friedens: ein kleines, fast rein symbolisches Zeichen, aber doch ein bedeutungsvoller Ausdruck der Gefälligkeit und für Uns wie sicherlich für alle sehr willkommen als Vorzeichen besserer Ereignisse.

Das traurige Beispiel Vietnams genügt als Beweis dafür, wie schwierig der Friede ist, selbst wenn er erreicht werden könnte. Der Friede wird schwierig, wenn es sich um einen ideologischen Kampf handelt. In diesem Fall wird die Situation durch die Verwirrung der Urteile und Meinungen noch verschlimmert. Die Welt schaut zu, ereifert sich, kommentiert und bedauert, versucht zu verstehen, auf welcher Seite die Gerechtigkeit ist; und angesichts der Schwierigkeit, die richtige Lösung zu finden, verspürt sie die Versuchung, den Frieden unter die Utopien einzureihen: eine große Utopie, würdig, den besten Triebkräften der Geschichte zugezählt zu werden, aber dazu bestimmt, immer trügerisch zu bleiben.

Dieser Aspekt des Friedensproblems, nämlich die Schwierigkeit, den Frieden zu erlangen und zu erhalten, ist das Hauptrnotiv, das Uns veranlasst, davon zu sprechen, und Uns verpflichtet, selbst gegen alle Wahrscheinlichkeit zu erklären, dass der Friede immer möglich ist, dass der Friede immer verpflichtend ist. Dies Vertrauen und diese Pflicht bewegen Unseren Feldzug für den Frieden. Ja, der Friede ist möglich, weil die Menschen im Grunde gut sind und auf die Vernunft, die Ordnung, das Gemeinwohl hingeordnet sind; er ist möglich, weil er in den Herzen der neuen Menschen ist, der Jugendlichen, all derer, die den Weg der Kultur intuitiverfasst haben; er ist möglich, weil die Stimmen, die ihn fordern, überaus kostbar sind, jene Unserer Söhne, jene der Opfer der menschlichen Konflikte, der Verwundeten, der Flüchtlinge, der Ausgebombten, jene der trauernden Mütter, jene der Witwen und jene der Gefallenen; Stimmen, die alle: Friede, Friede! rufen. Ja, er ist möglich, weil Christus auf die Welt gekommen ist und die Brüderlichkeit aller Menschen verkündet und die Liebe gelehrt hat.

Gewiss, der Friede ist schwierig, weil er oft trotz aller Äußerungen guten Willens, bevor er in die Ereignisse und äußeren Ordnungen eingehen kann, in den Seelen sein muss, in denen sich der Egoismus, der Stolz, der Traum von Macht und Herrschaft, die Ideologie der Exklusivität, der Gewalt und der Rebellion mit dem Rache- und Blutdurst eingenistet haben. Geliebte Brüder und Söhne: Auf die Überwindung inhumaner Ideen, des Hochmuts und der Kriegsleidenschaft ist der Tag des Friedens ausgerichtet; und auf die Heranbildung von Herzen, die stark sind in der Liebe und in der Erkenntnis, dass jeder Mensch ein Bruder ist, dass das menschliche Leben heilig ist, dass die Großmut des Verzeihens und die Fähigkeit zur Versöhnung hohe soziale und politische Tugenden sind, zielt Unser Bemühen für den Sieg des Friedens hin.

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16. Papst Paul VI.: Ansprache an das Diplomatische Korps am 8. Januar 1968

AAS 60 (1968) 91-96

Wir danken Ihnen, Exzellenzen, liebe Herren, für Ihre Anwesenheit und für die Wünsche, die wie immer mit soviel Zartgefühl der Gesinnung und des Ausdrucks formuliert wurden. Nehmen Sie Ihrerseits Unsere von Herzen kommenden Wünsche entgegen, dass Gott Sie selbst und Ihre Nationen segne und Ihnen allen ein glückliches Jahr verleihe.

Aber was ist ein glückliches Jahr für Diplomaten? Und kann man wirklich aufrichtig und ohne Ironie einen solchen Wunsch aussprechen? Scheint nicht das Schauspiel, das wir vor Augen haben, mehr als zwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, den, zumindest teilweisen, Mißerfolg der Diplomatie zu beweisen und Zweifel an der Möglichkeit, Ordnung und Frieden unter den Völkern herrschen zu lassen, zu erwecken?

Was sehen wir anderes in so vielen Ländern seit zwanzig Jahren und trotz der Anstrengungen der Diplomatie als Spannungen, Keime von Zwietracht, eine fast ununterbrochene Serie von Auseinandersetzungen und kalten und heißen Kriegen - letztere, Gott Dank, räumlich beschränkt, aber doch ständig mit der furchtbaren Drohung verbunden, sich auszuweiten -, kurz: eine wandernde Feuersbrunst, deren Herde, wenn sie in einem Teil der Erde erlöschen, an einem anderen wieder aufflammen. Man könnte fast sagen, ein böser Geist, ein unsichtbarer Dirigent wache im Dunkel darüber, dass die Glut des Krieges niemals vollständig unter den Menschen ausgelöscht wird.

Wir wollen hier nicht wiederholen, was Wir in Unserer Botschaft zum 1. Januar gesagt haben. Aber können wir vergessen, in diesem Augenblick, da Wir Wünsche austauschen, nach diesen strahlenden Festen, die die Menschheit zu Freude und Hoffnung einluden, dass ein unglückliches geliebtes Land im Südosten Asiens noch immer die Beute eines gräßlichen Krieges ist, dessen Ende nach menschlichem Ermessen nicht abzusehen ist?

Muss man also den Krieg als unabwendbares Schicksal hinnehmen? Muss man die Ohnmacht oder - beinahe - den Bankrott der Diplomatie konstatieren? Muss man sie als ehrwürdige Institution der Vergangenheit betrachten, die gewiss ruhmreiche Zeiten erlebt hat, deren Zeit aber jetzt vorbei ist und die keinen Platz in unserer modernen Zeit mehr hat, in der auf jeden Fall ihre klassischen Formen von einst unvorhergesehenen und ungewohnten Kontakten Platz machen müssen? Man könnte versucht sein, sie beiseite zu stellen, wie man etwa ein altes Kriegsgerät ins Museum stellt, das der Fortschritt der Bewaffnung unnütz werden ließ.

Aber es ist nur zu offensichtlich, dass der Verzicht auf die Diplomatie die furchterregenden Probleme der modernen Welt nicht lösen, sondern nur vollständig unlösbar machen würde.

Was bliebe denn anderes übrig als der Rückgriff auf die Gewalt, auf eine Gewalt, die in unseren Tagen ein solches Ausmaß angenommen hat und die durch den Fortschritt der Wissenschaft derartige Möglichkeiten der Zerstörung erworben hat, dass ihre Anwendung das Überleben der ganzen Menschheit in Frage stellen könnte. Ein erschreckendes Dilemma, das keine andere Alternative hat! Denn die Beziehungen der Völker untereinander werden notwendigerweise entweder auf der Vernunft oder auf der Gewalt basieren; es gibt nur den Weg der Verständigung oder der Vernichtung; es gibt nur Diplomatie oder Krieg. Und dasjenige von beiden, von dem Wir wünschen, dass es beiseite gestellt wird wie eine unbrauchbar gewordene Institution, deren Zeit vorbei ist, und das man ein für allemal entschlossen zu den Altertümern stellen sollte, weil es nicht mehr dazu taugt, die menschlichen Probleme unserer Zeit zu lösen, das ist nicht die Diplomatie, liebe Herren, sondern der Krieg. Indem Wir dies aussprechen, fühlen Wir Uns zutiefst einig mit all jenen, die wie Sie ihr Leben und ihre Kräfte einsetzen in Verfolgung dieses hohen Ideals des Kampfes gegen den Krieg, man könnte auch sagen, gegen den Wahnsinn der Menschen, für den Sieg der Vernunft und des Rechts, für das Kommen eines gerechten und dauerhaften Friedens auf dieser Erde.

Die Diplomatie vermag nicht immer und überall - man sieht es leider nur zu oft -, den Frieden zu schaffen und zu erhalten. Aber sie bemüht sich darum, sie arbeitet dafür, sie setzt alle ihre Kräfte und Fähigkeiten dafür ein und erfindet immer neue Initiativen, mit einer Geduld, einer Ausdauer; einer Hartnäckigkeit, die Bewunderung erregen und für die sie, heute wie gestern, die Achtung und den Dank der Menschheit verdient.

Es ist wahr, es gibt eine gewisse Form der Diplomatie, die es verdiente, als überholt und abgeschafft betrachtet zu werden. Es ist diejenige, die für immer vor der Geschichte mit dem allzu berühmten Namen des florentinischen Edelmannes Niccolo Machiavelli verbunden ist jene, die man definieren könnte als "die Kunst, um jeden Preis Erfolg zu haben", sogar auf Kosten der Moral; jene, deren einzige Triebfeder das Interesse, deren einzige Methode die Geschicklichkeit, deren einzige Rechtfertigung der Erfolg ist; jene, die nicht zögert, die Sprache mehr zum Verschleiern als zum Ausdruck der Gedanken zu gebrauchen; jene, die in der Aktion nicht zurückschreckt vor der Anwendung von Kniffen, Listen und Betrügereien.

Aber verdient eine solche Verfahrensweise überhaupt noch den Namen Diplomatie? Ist sie nicht vielmehr eine ihrer unwürdige Karikatur? Wenn solche beklagenswerten Methoden früher hier und da Diplomatie genannt wurden - jedoch nach Art einer Betrügerware, die sich unter einem Etikett und dem äußeren Anschein der Echtheit verbirgt -, heißt es dann, zu viel Optimismus beweisen, wenn man annimmt, dass die heutige Diplomatie, Gott Dank, von vielen dieser Schwächen befreit und von einem höheren moralischen Ideal beseelt ist? Es ist wahr, sie hat sich von einem gewissen Formalismus befreit, von einer allzu skrupulösen Befolgung der Etikette und des Protokolls; sie hat auf gewisse äußerliche Formen verzichtet. Würden diese alle sie in der Tat nicht mehr behindern als fördern? Dagegen geht sie direkter die realen, konkreten Probleme des Gemeinschaftslebens an, vor allem jenes, das alle anderen beherrscht, das Problem des Friedens. Der Diplomat von heute, der die Lage der Menschheit kennt, übt weniger die Kunst, um jeden Preis Erfolg zu haben, als die - weitaus schwierigere -, die internationale Ordnung zu begründen und zu erhalten, die Kunst, vernünftige menschliche Beziehungen unter den Völkern anzuknüpfen. Es ist ihm oft gelungen, aus der Enge steriler Antagonismen von einst herauszutreten, er ist im wahrsten Sinn Schöpfer des Friedens geworden, der Mann des Rechts, der Vernunft, des Dialogs, und zwar des aufrichtigen Dialogs. Denn die Aufrichtigkeit scheint Uns unentbehrlich für eine echte Diplomatie. Und wenn Wir hier den Tugendkatalog des Diplomaten aufstellen müßten, so würden Wir noch die Geduld hinzufügen, denn er braucht viel Geduld, heute vielleicht mehr als früher; und Wir würden noch einen klugen Realismus hinzufügen, der das Mögliche und Unmögliche einer gegebenen Situation ermessen kann; und Wir würden das ganze Gebäude krönen durch die Großmut, die überall das Kennzeichen des wahrhaft kultivierten, von Humanismus durchdrungenen Menschen ist, vor allem, wenn er die Ehre hat, ein Christ zu sein.

Man möge nicht befürchten, dass der Diplomat, dessen Bild wir hier skizzieren, durch ein Übermaß an Idealismus das Interesse seines eigenen Landes aus dem Auge verlieren wird, das - darin sind sich alle einig - den Vorrang behalten muss. Der Sinn des Interesses wird sich nur erweitert und in den objektiven Sinn der Gerechtigkeit und Billigkeit integriert haben; er wird sich in gewissem Sinn universaliert haben. Die öffentliche Meinung der Gegenwart täuscht sich hierin nicht: der beste Diplomat ist in ihren Augen derjenige, der die umfassendsten Formeln und Programme findet, die sich über die begrenzten Interessen einer Nation oder einer Gruppe von Staaten erheben, um auf einem höheren Niveau das Interesse aller zum allgemeinen Wohl der Menschheit zu erreichen.

Zweifellos erreichen nicht alle dies Ideal. Wer wollte behaupten, dass die Diplomatie von heute ganz tadelsfrei ist? Aber das Heilmittel für ihre Schwächen ist zumindest evident: in dem Maße, in dem sie bereit ist, in ihre Ziele und ihre Methoden die höchsten Werte der moralischen und geistigen Ordnung aufzunehmen, kann sie hoffen, jene Missstände zu beseitigen, denen eine Institution dieser Art fast notwendigerweise nicht entgehen kann.

Wenn sie es tut, wenn sie sich vornimmt, vor allem und wahrhaft uneigennützig auf Erden das Recht, die Gerechtigkeit und den Frieden herrschen zu lassen, dann steht sie in tiefem Einverständnis mit der Katholischen Kirche. Wen wundert es dann noch, wenn der Papst nicht nur hier vor Ihnen ihr sein Lob ausspricht, sondern dass er persönlich bei den höchsten internationalen Instanzen tätig wird, wenn er ihre besten Initiativen empfiehlt und unterstützt, wenn er sich selbst gelegentlich zum Botschafter des Friedens macht?

Die wahre Diplomatie, die sich an den Kriterien der Moral orientiert und das wahre Wohl der internationalen Gemeinschaft im Auge hat, besitzt in den Augen der Kirche schon - um einen berühmten Ausdruck Tertullians zu gebrauchen - eine "natürlicherweise christliche Seele". Sie ist in der Schule dessen, der auf die Erde gekommen ist, "Frieden auf Erden den Menschen, die guten Willens sind", zu bringen. Sie trägt in sich die Sorge um das Recht, den Durst nach Wahrheit und Gerechtigkeit, der sie in die Nähe der Seligkeiten des Evangeliums rückt und ihr Dynamik und - wenigstens auf lange Sicht - sicheren Erfolg verleiht.

Sie sehen, geehrte Herren, dass Wir wie Sie Vertrauen in die Diplomatie und ihre Wirksamkeit haben. Und wenn Wir so sprechen, dann glauben Sie nicht, dass es - was hier unangebracht wäre - mit Rücksicht auf die besonders qualifizierte Hörerschaft, die Sie darstellen, geschieht. Es geschieht auch nicht; weil Wir persönlich während vieler Jahre, unter dem Pontifikat Pius' XII., an der täglichen Arbeit der päpstlichen Diplomatie teilgenommen haben. Es geschieht, weil Wir Vertrauen in die menschliche Vernunft haben. Wenn die Diplomatie dem moralischen Ideal, wie Wir es dargestellt haben, treu ist, was ist sie dann anderes als die Anwendung jener Lösungen auf die menschlichen Beziehungen, die der Vernunft, dem - dem Menschen eingeborenen - Sinn für Recht und Gerechtigkeit, d. h. letztlich dem, was den Menschen auszeichnet, seiner Würde und seinem Adel, entsprechen? Wir sagen es ohne Zögern: an der Diplomatie verzweifeln hieße am Menschen verzweifeln. Eines Tages wird die Vernunft das letzte Wort behalten.

Die Misserfolge der Diplomatie - die leider nur zu real sind, Wir sagten es schon - sollen Unser Vertrauen nicht erschüttern; sie sind, wie Wir meinen und hoffen, nur vorübergehend. Wir beten und wünschen wie Sie und, dessen sind wir gewiss, alle Gutgesinnten, dass der Sieg der Vernunft über die Leidenschaft, des Friedens und der Bruderliebe über alle Arten von Eigennutz und Egoismus beschleunigt werde. Der Sieg der Diplomatie wird in unserer aufgewühlten Welt von heute letztlich der Sieg der Weisheit und des gesunden Menschenverstandes sein.

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17. Papst Paul VI.: Ansprache zum Angelus am 1. September 1968 mit besonderer Bezugnahme auf die militärische Intervention in die Tschechoslowakei

OR 201 (2./3. 9.1968)

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Welches Gefühl beherrscht uns dabei? Es ist nicht leicht zu sagen, denn es ist ein komplexes Gefühl. Es entsteht aus einer tiefen Erschütterung der Geister. Wir hatten geglaubt, dass nicht mehr möglich sei, was jetzt geschehen ist. Die Grundpfeiler der internationalen Ordnung sind erschüttert: Wieder einmal ist die Vergewaltigung durch Waffen und Einschüchterung als Mittel zugelassen, um die Beziehungen unter den Staaten gewaltsam zu bestimmen. Nationale Unabhängigkeit und Würde sind schwer verletzt, bedroht die Sicherheit anderer Nationen. Ein fremder Wille zwingt sich dem bürgerlichen Leben eines Volkes auf, Polizeiterror steigert die psychologische Spannung in der Bevölkerung. Das alles lastet auf jener Nation und verbreitet Unbehagen und Angst allüberall in der freien und zivilisierten Welt.

Zur Erschütterung der Geister gesellt sich ein anderes Gefühl: das edle und natürliche Gefühl der Solidarität mit dem, der leidet. Dieses Gefühl ist begleitet von dem Bedürfnis, mit neuer Energie die moralischen Grundsätze zu bekräftigen, die die Achtung vor der menschlichen Person schützen und auf deren Basis sich die politischen und gesellschaftlichen Beziehungen entwickeln müssen. Dies könnte ein positives Ergebnis der jetzigen unleidlichen Situation sein, aber es ist ein Ergebnis, das langsam reift und das die Geschichte gewöhnlich nur am Ende bitterer Erfahrungen hervorbringt.

So dringt denn oft ein Gefühl der Machtlosigkeit und des Ausgeliefertseins an das Schicksal in die Seele dessen ein, der Gewalt erleidet, und desjenigen, der zuschaut, ohne Hilfe bringen zu können.

Aber das ist genau der Punkt, an dem die Zufluchtnahme zum Gebet logisch und dringlich wird, besonders für uns Christen.

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18. Papst Paul VI.: Botschaft an den Präsidenten der 23. Vollversammlung der Vereinten Nationen, Emilio Arenales Catalan, vom 4. Dezember 1968 zum 20. Jahrestag der Veröffentlichung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

AAS 61 (1969) 60-61

Die Vereinten Nationen haben im Jahre 1948, nach der tragischen Erfahrung des Zweiten Weltkrieges, feierlich ihre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte veröffentlicht. Im vergangenen "Jahr der Menschenrechte" ist dieses kostbare Dokument der gesamten Menschheit eindringlich als ein Ideal für die Gemeinschaft der Menschen vor Augen geführt worden. Die Verwirklichung dieses Zieles, so dringlich wie je zuvor, ist immer noch die höchste Aufgabe der Vereinten Nationen. Sie bleibt die Grundlage einer wirksamen brüderlichen Zusammenarbeit unter den Menschen, ohne die ein wahrer Friede nicht erreicht werden kann. Anlässlich Unseres unvergesslichen Besuches der Vollversammlung der UNO haben Wir Unsere Übereinstimmung mit dem Programm der Vereinten Nationen auf dem so wichtigen Gebiet der Menschenrechte festgestellt, in dem Wir an dieses Ideal erinnert haben, das der Traum der Menschheit auf ihrer Pilgerschaft im Zeitlichen und die größte Hoffnung für die Welt ist. Wir haben erklärt, dass sie hiermit "die Grundrechte und Grundpflichten des Menschen, seine Würde und seine Freiheit, vor allem seine religiöse Freiheit" verkünden. In der Sache haben sie der Welt Ideale vorgehalten, die verantwortungsvolle Menschen stets zu verwirklichen strebten, grundlegende Prinzipien, wie sie auch in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten zum Ausdruck kommen: "Alle Menschen sind gleich geschaffen; sie sind durch ihren Schöpfer mit gewissen, unveräußerlichen Rechten ausgestattet, darunter sind das Leben, die Freiheit und das Streben nach Glück."

Die Erklärung der Menschenrechte ist heute von gleicher Wichtigkeit; sie hat einen Kurs vorgezeichnet, der nicht aufgegeben werden darf, wenn die Menschheit ernsthaft den Frieden schaffen will. Die Geschehnisse unserer Tage machen jedoch unglücklicherweise offenbar, dass dieses Streben nach brüderlicher, von einer Atmosphäre der Achtung und des Verstehens geprägten Zusammenarbeit in vielen Teilen der Welt in krassem Gegensatz zum tatsächlichen Geschehen steht: Menschen werden wegen ihrer Rasse, ihrer Weltanschauung oder ihres Glaubens diskriminiert und verfolgt; schwächere Nationen werden gewaltsam unterdrückt; Gewaltregime berauben die Bürger ihrer Rechte und Freiheiten; anstatt Konflikte durch Verhandlungen zu lösen, wird auf Drohung und Gewaltanwendung zurückgegriffen. Es besteht eine direkte Beziehung zwischen Menschenrechten und Frieden. Es ist unmöglich, dort wahren und dauernden Frieden zu haben, wo die Menschenrechte nicht anerkannt, verletzt und mit Füßen getreten werden.

Die Katholische Kirche kann und wird sich ihrer Verantwortung für die Einheit der Menschheitsfamilie nicht entziehen. Sie will der menschlichen Ordnung keine neuen Strukturen auferlegen oder sie juridischen Normen unterwerfen. Aber sie muss darauf bestehen, dass die Ordnung der menschlichen Gesellschaft bestimmt wird von dem Grundsatz der Anerkennung, der Bewahrung und der Förderung der Menschenrechte. Die Katholische Kirche hat den 1. Januar zum Welttag des Friedens erklärt; überall soll deutlich gemacht werden, dass die Förderung der Verwirklichung der Menschenrechte der Weg zum Frieden ist. Damit folgen wir dem Beispiel Jesu Christi: Er brachte der Kirche die Botschaft der Liebe. In ihr wurzeln die Normen des moralischen Lebens. Sie rechtfertigt die Achtung der menschlichen Person.

Sie und alle Ihre Mitglieder, die Sie das Streben und Trachten aller Menschen repräsentieren, möchten Wir ermutigen und aufrufen, nicht nachzulassen in Ihren Bemühungen, die Erklärung der Menschenrechte zu verwirklichen und so den Frieden zu schaffen, den die Menschen in aller Welt so sehnlich herbeiwünschen. Wir werden durch unermüdliches Gebet Gottes Segen erflehen für die Bemühungen der Vereinten Nationen um die Menschen - Brüder und Schwestern der einen Menschheitsfamilie und Kinder des einen Gottes.


19. Papst Paul VI.: Botschaft zum Weltfriedenstag 1969 vom 8. Dezember 1968

AAS 60 (1968) 769-774

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Was man in der Gegenwart sagt zur Entwicklung der internationalen Beziehungen, zur gegenseitigen Abhängigkeit der einzelnen Völker in ihren Interessen, zum Streben der jungen Staaten nach Freiheit und Unabhängigkeit, zu den Anstrengungen der Zivilisation für die Ermöglichung einer einheitlichen und weltweiten Organisation auf rechtlicher Grundlage, zu den unberechenbaren Gefahren und Katastrophen im Falle von erneuten bewaffneten Auseinandersetzungen, zur Psychologie des heutigen Menschen in seiner Sehnsucht nach ungestörtem Glück und weltweiten menschlichen Kontakten, zum Fortschritt der ökumenischen Bewegung und der wechselseitigen Achtung vor persönlicher und sozialer Freiheit - das alles festigt in Uns die Überzeugung: Der Friede ist eines der höchsten - Güter des menschlichen Lebens auf Erden und von erstrangiger Bedeutung. Ihm gilt das gemeinsame Streben aller Menschen. Er ist ein Ideal, das einer Menschheit würdig ist, die Herr ihrer selbst und der Welt ist. Der Friede ist notwendig, um das Erreichte festzuhalten und Neues zu erreichen. Er ist ein fundamentales Gesetz für den Austausch der Gedanken, für den Lauf der Kultur, der Wirtschaft und der Kunst. Ja, der Friede ist eine nicht mehr zu unterdrückende Forderung in der Gesamtsicht des menschlichen Schicksals. Denn der Friede ist Sicherheit, der Friede ist Ordnung. Er ist gerechte und dynamische Ordnung, möchten Wir sagen, die in einem ständigen Aufbau begriffen ist. Ohne den Frieden gibt es kein Vertrauen, ohne Vertrauen aber gibt es keinen Fortschritt. Vertrauen muss in der Gerechtigkeit und in der Redlichkeit verwurzelt sein. Nur in einer Atmosphäre des Friedens festigt sich das Recht, wächst die Gerechtigkeit, atmet die Freiheit. Wenn dies die Bedeutung des Friedens ist, wenn dies der Wert des Friedens ist, so ist der Friede eine Pflicht.

Der Friede ist die Pflicht der Geschichte in der Gegenwart. Wer über die Lehren nachzudenken weiß, die die Geschichte der Vergangenheit uns gibt, kommt sofort zur notwendigen Schlussfolgerung: für unsinnig muss eine Rückkehr zum Krieg, zu Kampf- und Blutvergießen, ja zum Verderben erklärt werden, das rein psychologisch hervorgerufen wird durch die Waffen und gegnerischen Kräfte, die sich bis hin zur Vernichtung von Menschen bekämpfen, die Bürger dieser Erde sind, der gemeinsamen Heimat unseres zeitlichen Lebens. Wer als Mensch denkt und empfindet, kann sich nur für den Frieden einsetzen. Wer über die Ursachen der Zwistigkeiten der Menschen nachdenkt, muss zugeben, dass sie einen Mangel an menschlichem Empfinden, aber nicht echte Tugend für des Menschen sittliche Größe anzeigen. Die Notwendigkeit eines Krieges konnte nur unter außergewöhnlichen, faktisch und rechtlich nicht abwendbaren Umständen gerechtfertigt werden, die sich jedoch niemals mehr in der heutigen Gesellschaft verwirklichen dürften. Vernunft, nicht Gewalt, soll die Geschicke der Völker entscheiden. Gegenseitiges Verständnis, Verhandlungen sowie Schiedssprüche, aber nicht Feindseligkeiten, Blutvergießen und Sklaverei sollen die schwierigen Beziehungen der Menschen untereinander bestimmen. Weder zeitweiliger Waffenstillstand noch unbeständiges Gleichgewicht der Kräfte, noch der Schrecken vor Gegenmaßnahmen und Vergeltungsakten, noch erfolgreiche Übergriffe und Gewalttätigkeiten können einen Frieden gewährleisten, der diesen Namen verdient. Man muss den Frieden wollen. Man muss den Frieden lieben. Man muss den Frieden schaffen. Er muss das Ergebnis sittlichen Bemühens sein und dem Geist der Freiheit sowie großmütiger Gesinnung entspringen. Er mag als ein Traum erscheinen; ein Traum, der Wirklichkeit wird kraft einer neuen und höheren Idee vom Menschen.

Ein Traum möchten Wir sagen, weil die Erfahrung der letzten Jahre und das Auftreten neuer Strömungen, die undurchsichtig und fragwürdig sind in ihren Ideen über den radikalen und anarchistischen Kampf, über die Erlaubtheit und Notwendigkeit jedweder Gewaltanwendung, über die Politik der Macht und Vorherrschaft, über Wettrüsten und die Bejahung von Hinterlist und Betrug als Methoden, über die unvermeidbare Notwendigkeit der Demonstration der Macht, die Hoffnung auf eine friedliche Ordnung der Welt auf rechtlicher Grundlage zu ersticken scheinen. Doch diese Hoffnung bleibt bestehen, weil sie bestehen bleiben muss. Sie ist das Licht des Fortschrittes und der Zivilisation. Die Welt kann nicht auf ihren Traum vom universalen Frieden verzichten. Gerade weil der Friede immer im Werden begriffen ist, weil er stets unvollständig ist, immer zerbrechlich, immer bedroht, immer schwierig, verkünden Wir ihn. Als eine Pflicht. Eine Pflicht, der man sich nicht entziehen kann. Eine Pflicht derjenigen, die für das Schicksal der Völker Verantwortung tragen. Eine Pflicht aller Bewohner dieser Erde. Denn alle müssen den Frieden lieben; alle müssen zusammen helfen, um jene Gesinnung in der Öffentlichkeit, jenes Bewusstsein in der Gemeinschaft zu schaffen, das den Frieden ersehnen lässt und möglich macht. Der Friede muss zuallererst in den Herzen der Menschen wohnen, um dann im äußeren Geschehen Wirklichkeit zu werden.

Ja, der Friede ist eine umfassende, eine ständige Pflicht. Um diesen Grundsatz der modernen Zivilisation in Erinnerung zu bringen, laden Wir die Welt ein, auch im kommenden Jahr 1969 den "Tag des Friedens" am I. Januar zu begehen. Es ist ein Wunsch, eine Hoffnung, eine Aufgabe! Die ersten Sonnenstrahlen des neuen Jahres mögen das Licht des Friedens, über die Erde hin aufstrahlen lassen!

Wir wagen der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass mit den anderen vor allem junge Menschen Unsere Einladung aufnehmen als einen Ruf, der imstande ist, deutlich zu machen, was an Neuem, an Lebensnahem, an Großem ihre in Aufruhr geratenen Herzen bewegt, weil der Friede eine Änderung der Missstände verlangt und eins geht mit der Sache der Gerechtigkeit.

In diesem Jahr begünstigt ein Umstand Unseren an alle gerichteten Vorschlag: Es wurde der 20. Jahrestag der Verkündung der Menschenrechte begangen. Dies ist ein Ereignis, das alle Menschen angeht - den einzelnen wie die Familie, die Gruppen und Verbände wie die Nationen. Keiner darf es vergessen, keiner darf darüber hinweggehen, weil alle zur grundsätzlichen Anerkennung einer menschenwürdigen Bürgerschaft im Vollsinn des Wortes aufgerufen sind, die jeder einzelne auf Erden besitzt. Von dieser Anerkennung her kommt der ursprüngliche Anspruch auf Frieden, und damit das Thema des Weltfriedenstages, welches lautet: "Die Förderung der Menschenrechte - ein Weg zum Frieden." Um dem Menschen das Recht auf Leben, Freiheit, Gleichheit, Kultur, auf die Segnungen der Zivilisation, auf die personale und soziale Würde zu gewährleisten, ist der Friede notwendig. Wo er sein Gleichgewicht und seinen Einfluss verliert, dort werden die Menschenrechte unsicher und in Frage gestellt. Wo der Friede nicht ist, verliert das Recht sein menschliches Antlitz. Wo die Menschenrechte nicht beachtet, verteidigt und gefördert werden, wo man mit Gewalttätigkeit oder Betrug gegen die unveräußerliche Freiheit des Menschen verstößt, wo seine Persönlichkeit ignoriert oder herabgesetzt wird, wo Diskriminierung, Sklaverei und Intoleranz herrschen, dort kann kein wahrer Friede sein. Friede und Recht sind sich gegenseitig Ursache und Wirkung: Der Friede fördert das Recht, und das Recht seinerseits fördert den Frieden.

Wir wollen hoffen, dass diese Gründe für jeden Menschen, für jeden Personenkreis, für jede Nation Gültigkeit besitzen! Wir wollen hoffen, dass die überragende Bedeutung der Sache des Friedens weite Kreise zum Nachdenken bringen und zur Tat aneifern möge! Friede und Menschenrechte sollen nach Unserem Wunsch ein Gegenstand sein, auf den die Menschen in der Geburtsstunde des neuen Jahres ihre Gedanken lenken. Unsere Einladung ist aufrichtig, sie kennt kein anderes Ziel als das Wohl der Menschheit. Unsere Stimme ist zwar schwach, aber deutlich. Sie ist die Stimme eines Freundes, der wünscht, dass sie vernommen werde, nicht so sehr wegen der Persönlichkeit dessen, von dem sie ausgeht, als vielmehr wegen der Sache, die sie anspricht. Es ist die Welt, an die sie sich wendet, die Welt, die denkt, die Möglichkeiten hat, die wächst, die arbeitet, die leidet, die in Erwartung ausharrt. Möge diese Stimme nicht ungehört verhallen! Der Friede ist eine Pflicht!

Unserer Botschaft kann nicht die Kraft fehlen, die sie vom Evangelium erhält, dessen Diener Wir sind, vom Evangelium Jesu Christi.

An alle Menschen auf der Welt wendet sich Unsere Botschaft, genau wie das Evangelium.

Doch noch unmittelbarer Euch, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, Euch, liebe Söhne und Töchter, Gläubige der Katholischen Kirche, wiederholen Wir die Einladung zur Feier des "Tages des Friedens". Die Einladung wird zum Gebot, nicht Unser Gebot, wohl aber das Gebot des Herrn, der in uns überzeugte und eifrige Werkleute für die Sache des Friedens haben will, gleichsam als Bedingung, um zu den Seligen zählen zu dürfen, die mit dem Namen der Kinder Gottes ausgezeichnet sind (Mt 5, 9). An Euch richtet sich Unsere Stimme: Sie wird zum lauten Ruf, weil für uns Gläubige der Friede eine noch tiefere und geheimnisvollere Bedeutung annimmt, weil er für uns den Wert geistiger Fülle sowie des persönlichen Heiles wie jenes der Gemeinschaft und der Gesellschaft hat. Der Friede hier auf Erden und in der Zeit ist Abglanz und Vorspiel zum himmlischen und ewigen Frieden.

Der Friede bedeutet für uns Christen nicht nur äußeres Gleichgewicht, rechtliche Ordnung, ein Gesamt an geordneten Beziehungen im öffentlichen Leben, für uns ist Friede in erster Linie das Ergebnis der Verwirklichung des Planes der Liebe und Weisheit, mit dem Gott die übernatürliche Verbindung mit der Menschheit wiederherstellen wollte. Der Friede ist die erste Wirkung dieser neuen göttlichen Heilsordnung, die wir Gnade nennen. "Gnade und Friede" schreibt der Apostel wiederholt. Er ist ein Geschenk Gottes, das zum bestimmenden Faktor des christlichen Lebens wird. Er ist eine Erscheinung des messianischen Wirkens, die ihr Licht und ihre Hoffnung auch auf die Stätte unseres Erdenlebens widerstrahlt und Kraft verleiht aus jenen tiefsten Gründen, auf die sie den eigenen Frieden gründet. Der Friede Christi fügt zur Würde, Bürger der Erde zu sein, jene andere der Kindschaft des himmlischen Vaters hinzu und zur Gleichheit aller Menschen untereinander jene der christlichen Brüderlichkeit. Bei den Auseinandersetzungen der Menschen, die den Frieden gefährden und verletzen, entkräftet der Friede Christi die Vorurteile und widerlegt die Beweggründe, indem er den Wert einer sittlichen, ideellen und höheren Ordnung aufzeigt und die wunderbare religiöse und bürgerliche Tugend edelmütigen Verzeihens sichtbar werden lässt. Der Unzulänglichkeit menschlicher Bemühungen um einen festgegründeten und dauerhaften Frieden gewährt der Friede Christi die Hilfe seines unerschütterlichen Optimismus. Der Unzuverlässigkeit und dem Trug einer Politik ehrgeizigen Prestiges und materiellen Interesses rät der Friede Christi zur Politik der Liebe. Einer häufig zu feigen und ungeduldigen Gerechtigkeit, die ihre Forderungen mit Waffengewalt aufrechterhält, flößt der Friede Christi die unbesiegte Kraft des Rechtes ein, das sich aus den wesentlichen Grundlagen der menschlichen Natur und der übernatürlichen Bestimmung des Menschen herleitet. Der Friede Christi ist nicht Angst vor Stärke und Widerstand, er empfängt seinen Geist vom erlösenden Opfer. Der Friede Christi ist nicht Feigheit, die dem Unglück und dem Versagen der Menschen erfolg- und widerstandslos nachgibt. Der Friede Christi hat Einsicht in Leid und Not der Menschen und weiß helfende Liebe für die Armen, die Schwachen, die Entrechteten, die Leidenden, die Gedemütigten und die Besiegten zu finden. Der Friede Christi ist also mehr als jede andere humanitäre Formel um die Wahrung der Menschenrechte besorgt.

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20. Papst Paul VI.: Botschaft zum Weltfriedenstag 1970 vom 30. November 1969

AAS 61 (1969) 794-798

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Wir bekräftigen es: Friede ist die Welt des Menschen, insofern sie so ist, wie sie dem Ideal nach sein soll. Wir möchten aber betonen: Der Friede ist nichts Statisches, das ein für allemal erworben wird. Er ist nicht etwas unbeweglich in Ruhe Verharrendes. Denn dann wäre die berühmte Definition des hl. Augustinus falsch verstanden, der den Frieden als "die Ruhe in der Ordnung" bezeichnet (De civ. Dei XIX, 13: PL 7, 640). Wir dürfen uns von der Ordnung keinen abstrakten Begriff machen, sondern müssen festhalten, dass die menschliche Ordnung mehr ein Tun ist als ein Zustand. Die Ordnung hängt mehr von Wissen und Willen derer ab, die sie herstellen und sich ihrer erfreuen, als von der Gunst der Umstände. Und da es sich um menschliche Ordnung handelt, kann sie immer mehr vervollkommnet werden, das heißt, sie wird ständig neu gesetzt und weiterentwickelt. Ordnung besteht nämlich in einer fortschreitenden Bewegung, die wie das Gleichgewicht beim Flug von einer treibenden Kraft getragen werden muss.

Warum sagen wir dies? Weil sich unsere Rede besonders an die Jugend richtet. Wenn wir vom Frieden sprechen, liebe Freunde, empfehlen wir euch nicht ein System, das jede Initiative lähmt und sich egoistisch abkapselt. Frieden kann man nicht genießen, wenn man ihn nicht schafft. Friede ist nicht eine erreichte Ebene, er ist eine höhere Ebene, der wir alle und jeder einzelne zustreben müssen. Er ist keine lähmende Ideologie, sondern eine seinserfüllte Idee, die uns alle für das Gemeinwohl verantwortlich macht und uns verpflichtet, unsere ganze Kraft für ihn einzusetzen. Der Friede ist das Anliegen der Menschheit.

Wenn jemand diese Auffassung gründlich durchdenkt, wird er viele Dinge entdecken. Er wird feststellen, dass man die Ideen, die die Welt dirigieren, von Grund auf erneuern muss. Er wird feststellen, dass alle diese Leitideen wenigstens zum Teil falsch sind, weil sie partikulär, nicht umfassend genug und selbstbezogen sind. Er wird feststellen, dass im Grunde nur eine Idee wahr und gut ist, die der allumfassenden Liebe, das heißt des Friedens. Er wird endlich feststellen, dass diese Idee höchst einfach und zugleich sehr schwierig ist. In sich sehr einfach, denn der Mensch ist für die Liebe geschaffen, für den Frieden. Sie ist aber auch schwierig. Wie kann man lieben? Wie kann man die Liebe zu einem allgemeinen Prinzip erheben?

Wie kann die Liebe ihren Platz einnehmen in der Geisteshaltung des modernen Menschen, die ganz durchdrungen ist von Kampf, von Egoismus und von Hass? Wer kann von sich sagen, dass er Liebe im Herzen hat? Liebe zur ganzen Menschheit? Liebe zur Menschheit, die da im Kommen ist, zur Menschheit von morgen, zur Menschheit des Fortschritts, zur wahren Menschheit, die nicht bestehen kann, wenn sie nicht einig ist. Diese Einigung darf freilich nicht durch Gewalt noch durch selbstsüchtige Berechnung herbeigeführt werden, die den Menschen ausnutzt, sondern durch brüderliche Liebe. Dann wird jener, der in diese Schule der großen Friedensidee eintritt, feststellen, dass heute, und zwar sofort, eine neue weltanschauliche Erziehung beginnen muss, eine Erziehung zum Frieden. Jawohl, der Friede beginnt im tiefsten Herzen des Menschen. Zuerst muss man den Frieden erkennen, ihn bejahen, ihn wollen, ihn lieben. Dann werden wir ihn erleben und ihn in einer erneuerten Menschheit zum Ausdruck bringen: in der Weltanschauung, in der Gesellschaftslehre und in der Politik. Werden wir uns bewusst, liebe Brüder, wie großartig diese Zukunftsvision ist. Mutig wollen wir das erste Programm in Angriff nehmen: die Erziehung zum Frieden. Wir sind uns bewusst, wie paradox dieses Programm erscheint. Es scheint außerhalb der Wirklichkeit zu stehen, außerhalb der erfahrbaren, der philosophischen, der sozialen und geschichtlichen Wirklichkeit ... Der Kampf ist das Gesetz. Der Kampf in der Kraft des Erfolges. Ja, der Kampf ist die Gerechtigkeit. Ein unerbittliches Gesetz: In jeder Phase menschlichen Fortschrittes stellt es sich neu. Auch heute, nach den furchtbaren Erlebnissen des letzten Krieges, ist es nicht der Friede, sondern der Kampf, der sich durchsetzt. Selbst brutale Gewalt findet wieder Anhänger und Bewunderer. Jede Forderung nach Gerechtigkeit, jede Erneuerung auf dem Weg des Fortschritts vollzieht sich unter der Flagge der Revolution. Es ist wie ein Verhängnis: Nur Gewalt öffnet den Weg, der dem Menschen vom Schicksal bestimmt ist. Brüder! Ein schwieriges Problem, das es zu bedenken und zu lösen gilt! Wir wollen nicht bestreiten, dass Kampf notwendig sein kann, dass ihn die Gerechtigkeit zuweilen als Waffe braucht, ja dass er hochherzige, heldenhafte Pflicht werden kann. Keiner wird daran zweifeln, dass dem Kampf Erfolg beschieden sein kann. Doch wir sind der Auffassung, dass der Kampf nie zum Leitstern werden kann, den die Menschheit braucht. Ja, wir meinen, es ist für unsere Gesellschaft höchste Zeit, sich von anderen Ideen leiten zu lassen als von Kampf, Gewalt, Krieg und Unterdrückung, um die Welt zu wahrer Gerechtigkeit für alle Menschen zu führen. Wir sind der Überzeugung, der Friede hat nichts mit Feigheit, mit Verzagtheit und Schwäche zu tun. Der Friede muss ganz allmählich, wenn möglich von jetzt an, moralische Stärke an die Stelle brutaler Gewalt setzen. Er muss die verhängnisvolle und allzu oft trügerische Kraft der Waffen und Gewaltmaßnahmen sowie der materiellen und wirtschaftlichen Übermacht durch Vernunft, durch Gespräch und moralische Größe ersetzen. Friede bedeutet, dass der Mensch aufhört, Wolf gegenüber seinem Mitmenschen zu sein. Friede ist der Mensch in seiner unbesiegbaren sittlichen Stärke. Diese muss in der heutigen Welt den Ausschlag geben. Sie gibt den Ausschlag. Voll Bewunderung begrüßen wir die Bemühungen des heutigen Menschen, die der Sicherung des Friedens in der Welt und Geschichte der Gegenwart gelten: der Friede als Weg, als internationale Einrichtung, als redliche Verhandlungsbasis, als auferlegte Selbstbeherrschung in den Auseinandersetzungen in sozialen und territorialen Fragen, als Anliegen, das weit über Fragen des Prestiges, der Vergeltung und persönlicher Rache steht. Große Fragen stehen bereits auf der Tagesordnung, um den Sieg des Friedens zu sichern: Vor allem die Abrüstung, der Atomwaffensperrvertrag, die Möglichkeit eines internationalen Schiedsgerichts, die Ablösung des Wettbewerbs durch die Zusammenarbeit, die Ermöglichung eines friedlichen Zusammenlebens trotz verschiedener Weltanschauungen und Regierungssysteme, die Hoffnung schließlich, dass ein Teil der Rüstungsausgaben den in der Entwicklung befindlichen Völkern zur Verfügung gestellt wird. Einen Beitrag für den Frieden sehen wir darin, dass die ganze Welt heute Terrorakte, Folterungen von Gefangenen, Vergeltungsmaßnahmen gegen die unschuldige Bevölkerung, Konzentrationslager für Zivilgefangene, die Tötung von Geiseln usw. zutiefst beklagt. Das Gewissen der Welt wird solche Verbrechen nicht mehr zulassen, deren Unmenschlichkeit jene mit Schande bedeckt, die sie vollbringen. Es ist nicht unsere Aufgabe, ein Urteil über die augenblicklichen Spannungen unter den Völkern, Rassen, Stämmen und sozialen Schichten zu fällen. Aber es entspricht unserer Sendung, das Wort "Frieden" den sich Befehdenden zuzurufen. Es ist unsere Sendung, die Menschen daran zu erinnern, dass sie Brüder sind. Es ist unsere Sendung, die Menschen in gegenseitiger Liebe und Versöhnung zu führen, sie zum Frieden zu erziehen. Wir haben deshalb für alle, die sich für die Erziehung zum Frieden einsetzen, Worte der Anerkennung, der Ermutigung und der Zuversicht. Auch in diesem Jahr laden wir alle Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ein, alle verantwortlichen Stellen, alle öffentlichen Organe, die Politiker, Lehrer und Künstler, vor allem die Jugend, doch mit aller Entschiedenheit diesen Weg einer echten und weltweiten Zivilisation zu gehen. Es gilt, die Erfüllung der biblischen Verheißung zu erlangen: Gerechtigkeit und Friede werden einander treffen und sich einen.

Ihnen, liebe Brüder und Söhne des gleichen Glaubens an Christus, möchten wir noch ein Wort über unsere Pflicht hinzufügen, die Menschen, wie wir vorhin sagten, zu gegenseitiger Liebe, Versöhnung und Verständigung zu führen. Wir haben darüber von Jesus Christus genaue Anweisungen erhalten. Wir haben sein Beispiel und fühlen die Verpflichtung, die Christus aus unserem Munde entgegennimmt, wenn wir die vertrauten Gebetsworte an Gottvater richten: "Und vergibt uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern." Dieses "wie" lässt uns zittern. Es legt eine Gleichung fest, die uns, wenn wir ihr entsprechend handeln, zum Segen und Heil gereicht. Handeln wir ihr zuwider, so wird sie uns zum Gericht (vgl. Mt 18,21-35).

Die Verkündigung der Frohbotschaft der Vergebung erscheint in der menschlichen Politik als etwas Widersinniges, denn in der natürlichen Ordnung lässt die Gerechtigkeit oft kein Verzeihen zu. In der christlichen, d. h. übernatürlichen Heilsordnung ist Verzeihen nichts Widersinniges. Es ist schwierig, aber nicht widersinnig. Wie enden die Auseinandersetzungen im weltlichen Bereich? Wie sieht der Friede aus, den man letztlich dabei erreicht? In der verfänglichen und zornigen Auseinandersetzung der Gegenwart, die von Menschen geführt wird, die durch Leidenschaften, Stolz und Groll in ihrem Handeln bestimmt werden, erscheint der Friede, der einen Konflikt beschließt, gewöhnlich als Auflage, als Überwältigung, als Joch, das der Schwächere und Unterlegene hinnehmen muss. Oft ist er nur ein Aufschub bis zu einem neuen Aufstand. Man nimmt ein protokollarisches Statut an, hinter dem man heuchlerisch die immer noch feindselige Gesinnung verbirgt. Diesem Frieden, der unbeständig ist und allzuoft nur vorgetäuscht wird, fehlt die endgültige Lösung des Konflikts, die Vergebung, der Verzicht des Siegers auf die erlangten Vorteile, die den Besiegten erniedrigen und ihn hoffnungslos unglücklich machen. Dem Besiegten fehlt hingegen die Kraft zur Versöhnung. Kann Friede ohne verzeihende Milde wirklicher Friede sein? Kann Friede wahr sein, wenn er mit dem Gefühl der Vergeltung eingegangen wird? Beide müssen sich an jene höhere Gerechtigkeit wenden, die die Vergebung ist. Sie allein löst die unlösbar erscheinenden Prestigefragen und ermöglicht eine neue Freundschaft. Eine schwierige Lehre? Aber ist sie nicht großartig? Ist sie nicht höchst aktuell? Ist sie nicht wahrhaft christlich?

Für die hohe Schule des Friedens wollen wir, Brüder und Söhne in Christus, zunächst uns selbst vorbereiten. Lesen wir wieder einmal die Worte der Bergpredigt (vgl. Mt 5, 21-26; 38-48; 6, 12, 14-15). Dann wollen wir danach trachten, sie in Wort und Beispiel der Welt zu verkündigen.

21. Papst Paul VI.: Botschaft zum Weltfriedenstag 1971 vom 14. November 1970

AAS 63 (1971) 5-9

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Blicken wir auf dieses herannahende neue Jahr, und beobachten wir zwei Ordnungen von allgemeinen Tatsachen, welche die Welt, die Völker, die Familien und die einzelnen Personen angehen. Diese Tatsachen, scheint Uns, wirken tief und unmittelbar auf unsere Geschicke ein. Jeder von uns kann das vorausahnen.

Betrachtet eine erste Ordnung von Tatsachen. In Wahrheit ist es keine Ordnung, sondern eine Unordnung. Denn die Tatsachen, die wir in diese Kategorie einreihen, bezeichnen alle eine Rückkehr zu Gedanken und Taten, die von der tragischen Erfahrung des Krieges her doch unmöglich scheinen und sein müßten. Am Ende des Krieges hatten alle gesagt: Genug. Genug womit? Genug mit all dem, was dieses Hinmorden von Menschen und die ungeheure Zerstörung verursacht hatte. Sofort nach dem Krieg, am Beginn der heutigen Generation, kam der Menschheit klar zu Bewusstsein: Es genügt nicht, bloß Gräber zu errichten, Wunden zu heilen, das Zerstörte wieder aufzubauen, der Erde ein neues und schöneres Ansehen zurückzugeben, man muss vielmehr die Ursachen des erfolgten Weltbrandes aus dem Wege räumen. Die Ursachen: Sie aufzufinden und zu beseitigen; dies war die weise Einsicht. Die Welt atmete auf. Es schien wirklich, als ob eine neue Epoche begänne, eine Epoche eines allumfassenden Friedens (vgl. Vergil, Bucolica IV, 2: "Eine große Ordnung entsteht zu Beginn der Welt."). Alle schienen zu durchgreifenden Veränderungen bereit zu sein, um neue Konflikte zu vermeiden. Von den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Strukturen begann sich ein Horizont wunderbarer sittlicher und sozialer Erneuerung abzuzeichnen; man sprach von Gerechtigkeit, von Menschenrechten, von der Unterstützung der Schwachen, von geordnetem Zusammenleben, von planvoller Zusammenarbeit, von Einigung auf Weltebene. Große Gesten sind vollzogen worden; die Sieger, zum Beispiel, sind den Besiegten zu Hilfe gekommen; große Institutionen sind gegründet worden; die Welt fing an, sich nach den Grundsätzen der Solidarität und des allgemeinen Wohlstandes zu organisieren. Der Weg hin zum Frieden, als der normalen und satzungsmäßigen Bedingung für das Leben auf der Welt, schien definitiv vorgezeichnet.

Was aber sehen wir nach fünfundzwanzig Jahren dieses wirklichen und idyllischen Fortschritts? Wir sehen vor allem, dass die Kriege, hier und dort, immer noch wüten, dass sie als unheilbare Wunden erscheinen, die sich auszuweiten und zu verschlimmern drohen. Wir sehen, dass die sozialen, rassischen und religiösen Diskriminierungen andauern und, hier und dort, sogar zunehmen. Wir sehen, dass die Mentalität von einst wiederkehrt; der Mensch scheint sich, zunächst auf psychologische, dann auf politische Haltungen der Vergangenheit wieder festlegen zu wollen. Die Dämonen von gestern stehen wieder auf. Es kehrt die Vorherrschaft der wirtschaftlichen Interessen zurück (" ... indem wir den Primat der materiellen Werte anerkennen, machen wir den Krieg unvermeidlich ... ": Zundel, Le poème de la sainte liturgie, 76) und mit ihr die Möglichkeit, sie leicht zur Ausbeutung der Schwachen zu missbrauchen. Der Hang zum Hass (" ... es gibt wenige Dinge, die so sehr ein Volk zerstören wie der Hang zum Hass": Manzoni, Morale cattolica /,7) und Klassenkampf kehrt wieder, und es entsteht somit erneut eine krankhafte Anfälligkeit für internationale Konflikte und für Bürgerkriege; es kehrt das Wettrennen um Nationalprestige und politische Macht zurück; ebenso die harte Frontstellung zwischen entgegengesetzten Ambitionen, zwischen engstirnigen und unversöhnlichen Partikularismen der Rassen und der ideologischen Systeme; man bedient sich erneut der Folter und des Terrors sowie des Verbrechens und der Gewalttätigkeit als eines idealen Feuers, ohne jedoch dabei auf den Brand zu achten, der daraus entstehen könnte; man versteht den Frieden wieder als ein reines Gleichgewicht mächtiger Gewalten und erschreckender Rüstungen; man verspürt erneut den Schauer der Angst, dass eine verhängnisvolle Unachtsamkeit unvorstellbare und nicht mehr aufzuhaltende Zusammenstöße heraufbeschwören könnte. Was geschieht? Wo geht es hin? Was ist versäumt worden? Oder was hat gefehlt? Müssen wir resignieren, daran zweifeln, dass der Mensch überhaupt imstande ist, einen gerechten und sicheren Frieden aufzubauen, und so darauf verzichten, die neuen Generationen zu einer Haltung der Hoffnung und des Friedens zu erziehen? (Was das Übel des Krieges betrifft, vgl. Augustinus, De civitate Dei, 1. XIX 7: " ... wer diese Übel erträgt und sie hinnimmt, ohne dass sich das Herz zusammen krampft, oder noch schlimmer, wenn einer glaubt, sich damit zufrieden geben zu können, weil er auch das menschliche Empfinden verloren hat: dieser hat die Menschlichkeit verloren".)

Zum Glück zeichnet sich auch ein anderes Bild von Ideen und Tatsachen vor unseren Augen ab; es ist das eines fortschreitenden Friedens. Denn trotz alledem geht es weiter auf dem Weg des Friedens. Es gibt zwar Unterbrechungen, es gibt Widersprüche und Schwierigkeiten; aber der Friede macht sich dennoch Bahn und bezeugt in der Welt, dass er nicht zu besiegen ist. Alle merken es: der Friede ist notwendig. Er hat für sich den sittlichen Fortschritt der Menschheit, die entschlossen auf die Einheit hin ausgerichtet ist. Einheit und Friede sind Geschwister, wenn sie in Freiheit miteinander verbunden sind. Der Friede gewinnt durch seine steigende Wertschätzung in der öffentlichen Meinung, die von der Sinnlosigkeit des Krieges überzeugt ist, der um seiner selbst willen geführt und als einziges und verhängnisvolles Mittel angesehen wird, um Streitfälle zwischen Menschen zu schlichten. Dem Frieden kommt auch das immer dichtere Netz von menschlichen Beziehungen zugute: auf kultureller, wirtschaftlicher, kommerzieller, sportlicher und touristischer Ebene; man muss zusammenleben, und es ist schön, sich zu kennen, sich zu achten, einander zu helfen. Eine grundsätzliche Solidarität entsteht in der Welt; diese begünstigt den Frieden. Die internationalen Beziehungen entwickeln sich immer mehr und schaffen die Voraussetzungen und auch die Garantie einer gewissen Eintracht. Die großen internationalen und übernationalen Einrichtungen erweisen sich hier providentiell, sowohl am Beginn als auch bei der Krönung des friedlichen Zusammenlebens der Menschheit.

Vor diesem doppelten Bild, in dem sich im Hinblick auf den uns so teuren Frieden gegensätzliche Erscheinungen überlagern, scheint Uns eine einzige ambivalente Beobachtung angestellt werden zu können. Wir stellen die doppelte Frage, die den bei den Aspekten der zweideutigen Szenerie der heutigen Welt entspricht:

- Wie gerät heute der Friede in Verfall?

- Und wie schreitet heute der Friede voran?

Was ist es, das sich bei dieser einfachen Analyse, sei es im negativen oder positiven Sinne, besonders hervorhebt? Es ist immer der Mensch. Ein entwerteter Mensch im ersten Fall, ein aufgewerteter Mensch im zweiten. Wir wagen hier ein Wort zu gebrauchen, das zwar in sich selber zweideutig erscheinen mag, das aber, in seiner tiefen Forderung verstanden, immer noch ein zündendes und sehr erhabenes ist: die Liebe, die Liebe zum Menschen, die der höchste Wert auf Erden ist. Liebe und Frieden bedingen sich gegenseitig. Der Friede, der wahre, menschliche Friede, ist eine Frucht der Liebe (vgl. Thomas, II-IIae, 29,3). Der Friede setzt eine gewisse "Identität der Wahl" voraus, und eben das ist Freundschaft. Wenn wir den Frieden wollen, so müssen wir anerkennen, dass es nötig ist, ihn auf eine festere Grundlage zu bauen, als es der Mangel an Beziehungen (heute sind die Beziehungen zwischen den Menschen unvermeidlich, sie nehmen zu und drängen sich auf), Beziehungen von selbstsüchtigem Interesse (diese sind unsicher und oft trügerisch), oder auch ein Netz von bloß kulturellen oder beiläufigen Beziehungen sind (letztere können zweischneidig sein, für den Frieden oder den Kampf). Der wahre Friede muss gegründet sein auf Gerechtigkeit, auf der Achtung vor der unverletzlichen Würde des Menschen, auf der Anerkennung einer unauslöschlichen und beglückenden Gleichheit unter den Menschen, auf dem Grundsatz der menschlichen Brüderlichkeit; der Achtung also und der Liebe, die man jedem Menschen schuldet, weil er ein Mensch ist. Ja, es bricht das siegreiche Wort hervor: weil er Bruder ist. Mein Bruder, unser Bruder.

Auch dieses Bewusstsein einer allgemeinen Brüderlichkeit unter den Menschen bricht glücklicherweise in unserer Welt mehr und mehr durch, wenigstens im Prinzip. Wer sich darum bemüht, die neuen Generationen zur Überzeugung zu erziehen, dass jeder Mensch unser Bruder ist, legt die Fundamente für den Bau des Friedens. Wer in der öffentlichen Meinung das Bewusstsein für eine menschliche Brüderlichkeit formt, die alle Grenzen übersteigt, bereitet den Boden für bessere Zeiten. Wer die Wahrung der politischen Interessen ohne Gefühle des Hasses und des Klassenkampfes als dialektische und organische Notwendigkeit des sozialen Lebens versteht, öffnet dem menschlichen Zusammenleben einen immer wirksamen Fortschritt des Gemeinwohls. Wer dazu verhilft, in jedem Menschen, über die körperlichen, ethnischen und rassischen Merkmale hinaus, ein Wesen zu sehen, das ihm gleich ist, verwandelt die Erde aus einem Epizentrum von Trennungen, Antagonismen, Tücken und Racheakten in ein geordnetes Betätigungsfeld ziviler Zusammenarbeit. Denn wo die Brüderlichkeit unter den Menschen im Grunde verkannt wird, da ist im Grunde auch der Friede zerstört. Der Friede ist hingegen der Spiegel wahrer, authentischer, moderner Menschlichkeit, die über jede anarchistische Manie zur Selbstverstümmelung triumphiert. Der Friede ist jene große Idee, welche die Liebe zwischen den Menschen feiert, die sich als Brüder entdecken und sich entscheiden, als solche zu leben. Dies ist Unsere Botschaft für das Jahr 1971. Sie pflichtet als Stimme, die sich aus dem öffentlichen Gewissen erhebt, der Erklärung der Menschenrechte bei: "Alle Menschen sind von Geburt aus frei und einander gleich an Würde und an Rechten; sie sind mit Vernunft und Gewissen ausgestattet und müssen sich zueinander wie Brüder verhalten." Bis zu dieser Höhe ist die Gesellschaftslehre gekommen. Wir wollen nicht mehr umkehren, nicht die Werte dieser grundsätzlichen Errungenschaft wieder verlieren. Suchen wir vielmehr, mit Verstand und Mut, diese Formel anzuwenden, die das Ziel des menschlichen Fortschritts ist: "Jeder ist mein Bruder." Das ist der Friede, im Sein und im Werden. Und es gilt für alle!

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22. Bischofssynode: Dokument De iustitia in mundo vom 6. November 1971

Folgende Kapitel sind abgedruckt:

  • EINLEITUNG
  • I. GERECHTIGKEIT UND MENSCHLICHE GESELLSCHAFT
  • 1 Die Krise der weltweiten Solidarität
  • 2 Recht auf Fortschritt
  • 3 Schweigende Opfer der Ungerechtigkeit
  • 4 Die Notwendigkeit des Dialogs
  • II. DIE BOTSCHAFT DES EVANGELIUMS UND DIE SENDUNG DER KIRCHE
  • 1 Gottes Gerechtigkeit als Heil durch Christus
  • 2 Die Sendung der Kirche, der Hierarchie und der Christen
  • III. DIE VERWIRKLICHUNG DER GERECHTIGKEIT
  • 4 Ökumenische Zusammenarbeit
  • 5 Aktivität im internationalen Bereich

23. Papst Paul VI.: Botschaft zum Weltfriedenstag 1972 vom 8. Dezember 1971

AAS 63 (1971) 865-868

Wir kommen erneut auf das Thema des Friedens zu sprechen, weil wir vom Frieden eine sehr hohe Vorstellung haben, die nämlich, dass er ein wesentliches und grundlegendes Gut der Menschheit in dieser Welt ist, und zwar der Zivilisation, des Fortschritts, der Ordnung und der Brüderlichkeit. Wir sind der Meinung, dass die Idee des Friedens noch immer einen beherrschenden Einfluss hat und haben sollte, und dass sie sogar noch an Bedeutung zunimmt, wenn und wo ihr von entgegen gesetzen Ideen oder Tatsachen widersprochen wird. Es ist eine notwendige Idee, eine Idee, die fordert und inspiriert. Sie fasst in sich die Sehnsucht, die Anstrengungen und die Hoffnungen der Menschen zusammen. Sie hat den Charakter eines Zieles: und als solches steht sie am Anfang und am Ende des Handeins eines jeden einzelnen und der Gemeinschaft.

Daher meinen wir, dass es äußerst wichtig ist, vom Frieden eine genaue Idee zu haben, indem man diese von Pseudovorstellungen befreit, die sie nur allzuoft begleiten, sie entstellten und verdrehen. Dieses möchten wir zuerst den Jugendlichen sagen: Ist etwa der Friede ein Zustand, der das Leben lähmt, wo dieses gleichzeitig seine Vollendung und seinen Tod fände? Das Leben ist Bewegung, ist Wachstum, bedeutet Arbeit, Anstrengung und Eroberung ... : Ist nicht auch der Friede von der gleichen Art? Selbstverständlich! Aus eben dem Grunde, dass er mit dem höchsten Gut des Menschen auf seiner Pilgerschaft in der Zeit zusammenfallt, und dass dieses Gut niemals vollständig erobert ist, sondern von ihm immer wieder neu und unaufhörlich Besitz ergriffen werden muss, ist der Friede auch die zentrale Idee und der Ansporn zu einsatzfreudigem Eifer.

Das aber will nicht besagen, dass der Friede mit der Macht identisch ist. Dies möchten wir vor allem den Menschen sagen, die Verantwortung tragen. Denn für sie, denen die Aufgabe und die Pflicht obliegt, ein geordnetes Verhältnis der Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer bestimmten Gruppe zu gewährleisten: der Familie, der Schule, des Betriebes, einer Gemeinschaft, einer sozialen Schicht, einer Stadt oder des Staates, besteht fortwährend die Versuchung, ein derartiges geordnetes Verhältnis der Beziehungen, das den Anschein des Friedens erhält, mit Gewalt aufzuzwingen. Damit wird die Unbestimmtheit des menschlichen Zusammenlebens für die Menschen zur Qual und zur Ursache der Korruption, eine lebendige Lüge, eine Atmosphäre, wie sie sich mitunter aus einem unrühmlichen Sieg ergibt, ein andermal aus sinnloser Gewaltherrschaft, aus gewaltsamer Unterdrückung und auch aus einem Gleichgewicht sich ständig widerstreitender Kräfte, die sich gewöhnlich zur drohenden Gefahr eines gewaltsamen Konflikts ausweiten, der durch seine vielfältigen Zerstörungen deutlich zeigt, wie trügerisch der Friede gewesen ist, der einzig und allein durch das Übergewicht der Macht und der Gewalt aufgezwungen worden war.

Der Friede ist kein Hinterhalt (vgl. Job 15,21). Der Friede ist nicht eine Herrschaft der Lüge (vgl. Jer 6, 14). Noch weniger ist er eine totalitäre und erbarmungslose Tyrannei und auch nicht mehr Anwendung von Gewalt; wenigstens sollte es jedoch die Gewalt nicht wagen, sich den erhabenen Namen des Friedens zu geben.

Es ist schwer, aber unerlässlich, sich vom Frieden einen richtigen Begriff zu machen. Schwer für denjenigen, der sich der unmittelbaren Einsicht verschließt, die uns sagt, dass der Friede zu den menschlichen Urdingen gehört. Das ist indes der richtige Weg, um zur wahren Entdeckung des Friedens zu gelangen. Wenn wir uns fragen, von wo er sich herleitet, werden wir uns dessen bewusst, dass seine Wurzeln in der Aufrichtigkeit des Menschen liegen. Ein Friede, der nicht auf einer wahren Achtung des Menschen gründet, ist selbst kein wahrhaftiger Friede. Und wie nennen wir diese Aufrichtigkeit des Menschen? Wir nennen sie Gerechtigkeit. Und die Gerechtigkeit, ist sie nicht eine unwandelbare Göttin? Ja, sie ist es in ihren Ausdrucksformen, die wir Rechte und Pflichten nennen und die wir in unseren großen Rechtsbüchern niederlegen, d.h. in den Gesetzen und Verträgen, die den sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen jene Festigkeit verleihen, die nicht verletzt werden darf. Es ist die Ordnung, der Friede. Wenn aber die Gerechtigkeit, nämlich das, was sie ist und was sie sein muss, andere und bessere Ausdrucksformen hervorbringen würde als jene, die bereits in Geltung sind, was würde dann geschehen?

Bevor wir hierauf antworten, müssen wir die Frage stellen: Ist diese Hypothese, nämlich die Annahme einer Entwicklung des Bewusstseins für Gerechtigkeit, annehmbar, wahrscheinlich und wünschenswert? Selbstverständlich!

Das ist eine Tatsache, welche die moderne Welt besonders kennzeichnet und sie von der antiken unterscheidet. Das Bewusstsein für Gerechtigkeit nimmt heute allgemein zu. Keiner, so glauben wir, stellt dieses Phänomen in Abrede. Wir wollen jetzt nicht dabei verweilen, den tieferen Ursachen dieser Tatsache nachzugehen. Wir alle aber wissen, dass heute der Mensch, jeder Mensch, durch die Ausweitung der Bildung ein neues Bewusstsein von sich selbst besitzt. Jeder weiß heute, dass er menschliche Person ist, und er fühlt sich als Person; er hat ein Gespür dafür, dass er unverletzbar und den anderen gleichberechtigt ist, dass er frei ist und Verantwortung trägt. Fügen wir auch hinzu: dass er etwas Heiliges ist. Auf diese Weise wird das Bewusstsein des Menschen geprägt von einer anderen und besseren, nämlich umfassenderen und tiefer anfordernden Erkenntnis der beiden Sphären seines Personseins, nämlich seiner doppelten moralischen Inanspruchnahme durch Rechte und Pflichten, und es geht ihm auf, dass Gerechtigkeit nicht etwas Statisches ist, sondern voller Dynamik. Hierbei handelt es sich um ein Phänomen, das nicht einfachhin individuellen Charakter trägt, noch einigen auserlesenen und besonderen Gruppen vorbehalten bleibt. Es ist ein Phänomen, das nunmehr die ganze Gemeinschaft erfasst und weltweit geworden ist. Die Entwicklungsländer rufen es mit lauter Stimme aus. Es ist die Stimme der Völker, die Stimme der Menschheit: sie fordert eine neue Form der Gerechtigkeit, eine neue Grundlage für den Frieden.

Warum zögern wir noch, nachdem wir alle von dieser unwiderstehlichen Forderungen überzeugt sind, dem Frieden die Gerechtigkeit als Grundlage zu geben?

Bleibt nicht, wie von der letzten Bischofssynode hervorgehoben worden ist, sowohl innerhalb der nationalen Gemeinschaften als auch auf internationaler Ebene noch eine weit größere Gerechtigkeit zu verwirklichen als bisher?

Ist es z.B. gerecht, dass es noch ganze Völker gibt, denen die freie und rechtmäßige Ausübung des vom menschlichen Geist am sorgsamsten gehüteten Rechtes verwehrt wird, nämlich der Religion?

Welche Autorität, welche Ideologie, welches geschichtliche oder bürgerliche Interesse kann sich anmaßen, das religiöse Empfinden in seiner berechtigten und menschlichen Ausdrucksweise (wir sprechen nicht vor abergläubischen, fanatischen oder ungestümen Formen) zu unterdrücken und zu ersticken? Und welche Namen sollen wir einem Frieden geben, der sich aufdrängen will, indem er diesen grundlegenden Gerechtigkeitsanspruch mit Füßen tritt?

Und wo andere unbestreitbare Formen der Gerechtigkeit, sei es unter deI Völkern oder im sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereich, verletzt und missachtet werden, könnten wir da sicher sein, dass das Ergebnis solcher Anwendungen von Gewalt der wahre Friede ist? Ein dauerhafte Frieden? Und wäre er dauerhaft, ist er auch gerecht und menschlich? Ist nicht auch die Pflicht, jedes Land in die Lage zu versetzen, seine eigene Entwicklung im Rahmen einer Zusammenarbeit zu fördern, die von jeglicher Absicht oder Berechnung wirtschaftlicher oder politischer Macht frei ist, ebenso ein Bestandteil der Gerechtigkeit?

Das Problem wird äußerst ernst und verwickelt. Es ist nicht unsere Aufgabe, es noch zuzuspitzen oder nach einer praktischen Lösung zu suchen. Das liegt nicht in der Zuständigkeit dessen, der von dieser Stelle ausspricht.

Aber gerade von dieser Stelle aus klingt unsere Einladung, uns auf den Frieden zu besinnen, wie ein Aufruf, die Gerechtigkeit zu verwirklichen. "Gerechtigkeit schafft Frieden" (vgl. Is 32, 17). Wir wiederholen dies heute mit einer noch einprägsameren und dynamischeren Formel: "Wenn du den Frieden willst, setze dich ein für die Gerechtigkeit."

Unsere Einladung verkennt nicht die Schwierigkeiten in der konkreten Verwirklichung der Gerechtigkeit, schon bei ihrer Bestimmung und dann bei ihrer Verwirklichung. Niemals geht es dabei ohne irgendeinen Verzicht auf eigenes Prestige und persönliche Interessen. Vielleicht braucht es mehr Hochherzigkeit, sich den Vernunftgründen der Gerechtigkeit und des Friedens zu stellen, als für das eigene echte oder nur vermeintliche Recht zu kämpfen und es dem Gegner aufzuzwingen.

Wir haben großes Vertrauen, dass die beiden Ideale von Gerechtigkeit und Frieden zusammen aus sich heraus im heutigen Menschen die moralischen Energien zu ihrer Verwirklichung hervorbringen können, und hoffen auf ihren fortschreitenden Sieg. Ja, wir bauen noch mehr auf die Tatsache, dass der heutige Mensch von sich aus bereits die Einsicht in die Wege des Friedens hat, um sich selbst zum Bahnbrecher jener Gerechtigkeit zu machen, die diese Wege auftut und sie mutig in verheißungsvoller Hoffnung beschreiten lässt.

Daher wagen wir es, von neuem unsere Einladung zum Weltfriedenstag auszusprechen. Zu diesem Jahr 1972 tun wir das unter dem ernsten und Zuversicht gewährenden Zeichen der Gerechtigkeit, und zwar mit dem sehnlichsten Wunsche, dadurch Initiativen ins Leben zu rufen, die zugleich Ausdruck des Willens zur Gerechtigkeit und des Willens zum Frieden sind.

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[Fortsetzung folgt]